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Kapitel - duepublico2.uni-due.de · Kapitel 3 Metho dik und V orgehensw eise 3.1 Exp erimen telles V orgehen 3.1.1 Prob en v orb ereitung Die un tersuc h te Asc heprob e ist aus einer

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Kapitel 3

Methodik und Vorgehensweise

3.1 Experimentelles Vorgehen

3.1.1 Probenvorbereitung

Die untersuchte Ascheprobe ist aus einer Sonderabfallverbrennungsanlage nach dem Naÿ-

entascher entnommen worden. Nach der Trocknung bei einer Temperatur von 105ÆC bis

zur Gewichtskonstanz und Teilen der Probe wird die Asche in einer Kugelmühle (Retsch

S1000) für t=10 min bei einer Drehzahl von U�550 min�1 zerkleinert und homogenisiert.

Die Korndurchmesser der gemahlenen Asche, ermittelt durch eine Siebung (Retsch Ana-

lysensiebe gem. DIN ISO 3310/1), sind kleiner als d=63 mm. Als Hauptbestandteile

der SAV-Asche werden Silizium, Eisen, Aluminium und Calcium mit Königswasser aufge-

schlossen und anschlieÿend im induktiv-gekoppelten Plasma (ICP-OES) detektiert. Bei

diesem Aufschluÿ werden ebenfalls die Schwermetalle Blei, Zink, Arsen und Chrom mitbe-

stimmt. Die Gehalte der Haupt- und Nebenbestandteile werden auf die unter oxidierenden

Bedingungen auftretenden �Standard�-Oxide (SiO2, Fe2O3, Al2O3, CaO) umgerechnet.

Nach der Bestimmung der Zusammensetzung wird der Ein�uÿ der Temperaturbehand-

lung und der Zugabe von Kalkstein (Calciumcarbonat, gefällt, pro analysi, Merck) auf

die Eigenschaften der Asche untersucht. Sowohl aus eigenen Vorarbeiten als auch durch

zahlreiche verö�entlichte Untersuchungen ist bekannt, daÿ die thermische Behandlung von

Aschen auch ohne die Zugabe von Korrektursto�en das Elutionsverhalten beein�uÿt (siehe

Abschnitt 2.3.4.3). Zur Unterscheidung der rein thermischen E�ekte von den Ein�üs-

sen des Korrektursto�es werden die Sinterversuche daher mit und ohne Kalkstein-Zusatz

durchgeführt. Die Mischungsverhältnisse von Aschen und Kalkstein sind so gewählt, daÿ

nach der Dissoziation des Kalksteins die CaO-Gehalte Werte von 10%, 15%, 20%, 25%

und 30% erreichen. Eine Erhöhung des CaO-Gehaltes über 30% ist wegen der groÿen

42

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 43

zuzugebenden Kalksteinmenge technisch nicht sinnvoll, da sonst das Kalkbrennen und

nicht die Abfallverbrennung der Hauptprozeÿ im Drehrohr wäre. Um eine homogene Mi-

schung von Asche und Kalkstein zu erreichen, werden die Mischungen in der Kugelmühle

für t=17 min mit einer Drehzahl von U�550 min�1 miteinander vermahlen.

3.1.2 Temperaturbehandlung

Die homogenisierten Asche-Kalkstein-Gemische (Einwaage m=50 bis 60g) werden in Porzel-

lan-Tiegeln (V=90ml) eingewogen und in einem Kammerofen (Ströhlein RHF 1400) bei

Temperaturen von 930ÆC und 1200ÆC gesintert. Bei der ersten Behandlungstemperatur

von 930ÆC ist die Kalkstein-Dissoziation, die bei 908ÆC vollständig ist [72], sicher abge-

schlossen. Als zweite Temperatur wird die SAV-typische Betriebstemperatur von 1200ÆC

gewählt, bei der in der Asche auch schmelz�üssige Phasen während der Temperatur-

behandlung zu erwarten sind. Die einzelnen Verfahrenschritte der Sinterversuche sind

nachfolgend erläutert:

Zunächst werden die Aschen mit einer Aufheizrate von T'=15K/min auf eine Tempera-

tur von 930ÆC aufgeheizt, die für die Dauer von zwei Stunden gehalten wird. Während

dieses Behandlungsschrittes dissoziiert einerseits das Calciumcarbonat und zum anderen

verbrennt der Restkohlensto�, der die Originalasche charakteristisch schwarz-grau färbt.

Nach der Verbrennung des Kohlensto�es ist die Farbe der Asche rot-braun. Da im Tiegel

nur die oberste Ascheschicht direkten Kontakt zu Luftatmosphäre des Ofens hat, ist die

Verbrennung des Kohlensto�es unter der Ober�äche auf Sauersto� angewiesen, der von

der Ober�äche in die Schüttung di�undiert. Aus diesem Grunde laufen die Verbrennuns-

greaktionen innerhalb der Schüttung nur langsam ab. Nach der Temperaturbehandlung

zeigt sich dies deutlich in zwei sich farblich unterscheidenden Schichten (schwarz-grau und

rot-braun). Um die Reaktionszeit zu verkürzen und eine homogene Asche zu erzielen,

werden die Aschen nach Abkühlen des Ofens auf 300ÆC durch Vermischen homogenisiert,

bevor sie ein zweiten Mal gesintert werden. Bei hohen Kalksteinzugaben (>20%) ent-

stehen durch das ausgasende Kohlendioxid Kanäle, durch die der Sauersto�transport in

die Schüttung verbessert wird (vgl. [87]). Infolgedessen sind diese Aschen bereits nach

der zweistündigen Temperaturbehandlung fast vollständig rot-braun verfärbt. Um ein-

heitliche Versuchsbedingungen für alle Mischungsverhältnisse sicherzustellen, werden auch

diese Aschen weiter behandelt. Der zweite Sinterschritt erfolgt anschlieÿend bei 930ÆC

für weitere zwei bzw. bei 1200ÆC für drei Stunden. Beide Temperaturen werden mit einer

Aufheizrate von T'= 15K/min erreicht.

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 44

Die Beurteilung der Temperaturbehandlung und der Kalksteinzugabe erfolgt durch Fest-

sto�untersuchungen und Elutionstests. Bei der Charakterisierung des Feststo�es Asche

werden das Schmelzverhalten und die mineralogische Zusammensetzung der gesinter-

ten Aschen untersucht. Dabei dient die Beurteilung des Ascheschmelzverhaltens [28]

der Asche-Kalkstein-Mischungen zur Bestimmung des Ein�usses der Erhöhung des CaO-

Gehaltes auf das Schmelzverhalten. Diese Messungen werden an den Aschen, die bei

T= 930ÆC behandelt worden sind, durchgeführt. Der Ein�uÿ der beiden Behandlungs-

temperaturen und der CaO-Erhöhung auf die Bildung kristalliner Phasen wird durch

Röntgendi�raktometrie (XRD) ermittelt.

3.1.3 Elutionstests

Mit Elutionstests werden die E�ekte der Temperaturbehandlung im Hinblick auf die Ein-

bindung der Schwermetalle untersucht. Diese Tests erfolgen für alle Proben einheitlich

mit dem 24-stündigen DEV-S4-Test [9], da dieses Elutionsverfahren die Grundlage für die

Zuordnung der Asche zu ihrer Beseitung und Verwertung ist. In den Tests wird Asche

(m=30-40g) in Weithals�aschen (V=500ml) eingewogen und mit der zehnfachen Menge an

destilliertemWasser versetzt. Die Versuche wurden auf Kreisschüttlern (IKA KS 250) mit

einer Frequenz von U� 220min�1 durchgeführt. Zusätzlich dienen Langzeit-Elutionstests

mit einem Tag, zwei, vier, acht, 16 und 32 Tagen Elutionsdauer bei ansonsten gleichen

Bedingungen der Bestimmung kinetischer E�ekte bei der Elution. Die Versuche werden

für die Originalasche und das Asche/Kalk-Gemisch mit 30% CaO durchgeführt, die beide

bei T=930ÆC behandelt worden sind. Dort tritt für die meisten Schwermetalle die höchste

Löslichkeit auf, so daÿ die bestmögliche Meÿgenauigkeit erzielt werden kann.

Zur Bestimmung des pH-Wertes wird ein pH-Meter (Schott CG 840) mit Glas-Elektrode

(Schott N 1042A) verwendet. Die Eluate werden auf ihren pH-Wert und die Gehalte an

Arsen, Chrom, Blei, Zink, Antimon, Nickel, Kupfer Eisen, Mangan, Quecksilber unter-

sucht. Die Bestimmung der Schwermetallgehalte erfolgt mittels Emissionsspektroskopie

im induktiv-gekoppelten Plasma (ICP-OES) und Atomadsorptionsspektroskopie (AAS)

(Nachweisgrenzen siehe Tab. 6.10 im Anhang). Die zu untersuchenden Metalle lassen

sich in verschiedene Gruppen einteilen:

Zink, Kupfer und Nickel liegen im Periodensystem als Übergangsmetalle nebeneinander.

Die drei Schwermetalle gehören hinsichtlich ihres Lösungsverhaltens in wäÿrigen Medien

zu den Metallen der Gruppe 1. Die Löslichkeit von Zink ist hinreichend hoch, so daÿ deren

Veränderungen experimentell gut nachgewiesen werden können. Auÿerdem sind die ther-

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 45

modynamischen Daten vieler Zinkverbindungen und Ionen bekannt. Daher wird Zink als

ein Leitparameter dieser Gruppe ausgewählt und vertiefend untersucht. Blei und Queck-

silber gehören nicht zu den Übergangsmetallen und verhalten sich bei der Elution wie

Vertreter der Gruppe 1 Metalle. Beide Schwermetalle sind hochtoxisch und Zuordnuns-

gparameter der TASi, wobei Quecksilber die Grenzwerte der Deponieklassen 1 und 2 und

Blei die der Deponieklasse 1 teilweise überschreiten. Aufgrund der guten Verfügbarkeit

thermodynamischer Daten kann das Verhalten von Blei während der Temperaturbehand-

lung und der Elution gut modelliert werden, zudem verdampft Quecksilber zu mehr als

99% während der SAV. Daher wird Blei als zweiter Leitparameter ausgewählt. Cadmium,

das ebenfalls zu den Metallen der Gruppe 1 gehört, wird nicht untersucht, da es bei Un-

tersuchungen des Elutionsverhaltens von SAV-Aschen deutlich unterhalb der Grenzwerte

der TASi lag.

Chrom(V I), Wolfram und Molybdän bilden Oxoanionen in wäÿrigen Lösungen. Von ihnen

ist allein Chrom für die Zuordnung zur Deponierung relevant und daher der Leitparameter

dieser Gruppe. Chrom, Molybdän und Wolfram haben ähnliche chemische Eigenschaften,

da sie zur Nebengruppe VI-b im Periodensystem gehören. Daher sind aus dem Verhalten

und den Eigenschaften von Molybdän und Wolfram Rückschlüsse auf das Verhalten von

Chrom möglich. Auch Arsen und Antimon gehören bezüglich ihrer Löslichkeit in Wasser

zur Gruppe 2. Von ihnen ist Arsen ein Zuordnungsparameter für die Deponierung, das im

Eluat von SAV-Aschen die Zuordnungswerte der TASi Deponieklassen 1 und 2 teilweise

nicht erfüllt. Da Arsen und Antimon zur Hauptgruppe V-a gehören, sind auch hier

ähnliche Eigenschaften zu erwarten.

Die Leitparameter zur Beurteilung der Elution sind Zink, Blei, Chrom und Arsen, die

zudem neben Nickel, Kupfer und Quecksilber Zuordnungskriterien im Eluat gemäÿ den

Anhängen der TASi und der TA Abfall sind. Von diesen Schwermetallen gehören in

Hinblick auf die Lösung in wäÿrigen Medien Zink, Blei und Chrom(III) der Gruppe 1

und Arsen und Chrom(V I) der Gruppe 2 an. In Voruntersuchungen hat sich gezeigt,

daÿ durch die Zugabe von Kalkstein ein gemeinsames Optimum für die Elution dieser

vier Schwermetalle gefunden werden kann. Zusätzlich wird die Lösung von Eisen und

Aluminium untersucht, da sie als Hauptbestandteile der SAV-Asche für das Au�ösen und

das Ausfallen eines Groÿteils der Asche charakteristisch sind.

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 46

3.2 Modellrechnungen

3.2.1 Einführung

Zur Modellierung der Vorgänge bei thermischer Behandlung und anschlieÿender Elution

wird mit Hilfe der Gibbs-Minimierung das thermodynamische Gleichgewicht (siehe ver-

tiefend [99-101]) berechnet. Zunächst wird mit dem Programm FACT [102] die Spezi-

ierung nach der Temperaturbehandlung der Asche-Kalkstein-Mischungen bestimmt. Die

Ergebnisse dieser Rechnungen liefern die Phasenzusammensetzung und insbesondere die

Speziierung der Schwermetalle nach der Temperaturbehandlung. In einem zweiten Schritt

wird die Löslichkeit dieser Schwermetallverbindungen in Abhängigkeit vom pH-Wert mit

einem Programm zur Gleichgewichtsrechnung in wäÿrigen Elektrolytsystemen ermittelt.

Die Kombination der Ergebnisse beider Rechnungen erlaubt, Voraussagen über das Elu-

tionsverhalten von Schwermetallen in Abhängigkeit des CaO-Gehaltes und der Behand-

lungstemperatur zu machen.

Die Berechnungen der Löslichkeit können nur für solche Schwermetallverbindungen durch-

geführt werden, deren thermodynamischen Daten bekannt sind. Der Ein�uÿ der Schwer-

metalle, die in kristallinen oder glasigen Phasen eingebaut oder adsorptiv an Ober�ächen

gebunden sind, kann nicht berechnet werden. In der hier dargestellten Vorgehensweise

wird daher davon ausgegangen, daÿ der gesamte Sto�vorrat einer Schwermetallsorte in

bekannten kristallinen Verbindungen vorliegt. Bei der Diskussion der Ergebnisse wird

aufgezeigt, inwieweit diese Vereinfachung gerechtfertigt ist.

3.2.2 Grundlagen

3.2.2.1 Gibbs-Minimierung

Im thermodynamischen Gleichgewichtszustand gilt nach dem 2. Hauptsatz der Ther-

modynamik für die Entropie S in einem abgeschlossenem System mit konstanter Masse,

konstantem Volumen V und konstanter innerer Energie U (siehe weitergehend [101]):

S (U; V; fNkg) = max (3.1)

Die freie Enthalpie oder Gibbs-Energie G dieses Systems ergibt sich aus der Beziehung

zwischen der Enthalpie H, der Temperatur T und der Entropie:

G = H � T � S (3.2)

Die Ableitung der Gibbs-Energie nach der Sto�menge Nibeschreibt das chemische Po-

tential �(p)i

der Komponente i in der Phase p:

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 47

�(p)i

(T; p; fxig) =

@G

@Ni

!T;p;N

i

(3.3)

In dieser Gleichung bedeutet N�

i, daÿ alle Sto�mengen auÿer derjenigen der Komponente

i konstant gehalten werden.

g(p)i

=KXi

x(p)i� �(p)

i(3.4)

Unter Anwendung der Homogenitätsbeziehung (Gl. 3.4) und der Voraussetzung, daÿ der

Druck p und die Temperatur T konstant sind, kann die molare freie Enthalpie als Funktion

der chemischen Potentiale �(p)i

(T; p; fxkg) und der Sto�mengen N

(p)i

aller Komponenten

berechnet werden (Gl. 3.5). Aus den Gleichungen (3.1 - 3.4) folgt für den thermodyna-

mischen Gleichgewichtszustand, daÿ die Gibbs-Energie G minimal ist (siehe näher [99]):

G (T; p; fNkg) =

PXp

KXi

N(p)i� �(p)

i= min (3.5)

Zusätzlich muÿ das Atomerhaltungsgesetz als Nebenbedingung erfüllt sein, so daÿ das

Produkt aus der Sto�menge N(p)i

der Komponenten i in den Phasen p und mit dem

Koe�zienten aik(Anzahl k Atome in der Komponente i) gleich der Gesamtanzahl A

kder

Atome der Sorte k ist:PXp

KXi

N(p)i� a

ik� A

k= 0 (3.6)

Bei der Berechnung von (�üssigen) Phasen mit Ionen muÿ die Elektroneutralität als wei-

tere Nebenbedingung beachtet werden. Sie bezieht die Sto�mengen N(p)i

und die La-

dungszahl zider Ionen mit ein:

KXi

N(l)i� z

i= 0 (3.7)

Da für dieses Vorgehen keine Reaktionsgleichungen benötigt werden, wird die Gibbs-

Minimierung auch als nichtstöchiometrische Methode bezeichnet. Durch geeignete Algo-

rithmen, die in den nachfolgend beschriebenen Programmen integriert sind, erfolgt eine

iterative Berechnung der Gleichgewichtszusammensetzung durch Variation der Sto�men-

gen.

3.2.2.2 Standardzustände

Die Minimierung der Gibbs-Energie nach Gleichung (3.5) erfordert die Kenntnis bzw.

die Berechnung der chemischen Potentiale �(p)i

in den einzelnen Phasen. Dies geschieht

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 48

ausgehend von einem Standardzustand, für den die thermodynamischen Daten der Kom-

ponenten bekannt sind. Der Standardzustand der Gasphase ist das Modell der idealen

Gasmischung. Damit berechnet sich das chemische Potential der idealen Gasmischung

in Abhängigkeit von der Temperatur, dem Druck und dem Partialdruck pider Kompo-

nente i in der Gasphase (siehe Gleichung 3.8). Diese Annahme ist eine gute Näherung bei

atmosphärischen Druck und Temperaturen von T � 2000K.

�g

i(T; p; fp

jg) = g

ig

0i (T; p) +R � T � lnpi

p(3.8)

Für die wäÿrige Phase gelten der �üssige Reinsto� für das Lösemittel und die unendlich

verdünnte, einmolale Lösung für die gelösten Komponenten als Standardzustände. Die

Abweichungen vom Standardzustand des �üssigen Reinsto�es wird durch die Aktivität

a0ibeschrieben, die eine Funktion des Molenbruchs x

(l)i

und des Aktivitätskoe�zienten 0i

ist:

a0i(T; p; fx

jg) = x

(l)i� 0

i(T; p; fx

jg) (3.9)

Damit ergibt sich das chemische Potential des Lösemittels zu:

�(l)i

�T; p;

nx(l)j

o�= g

(l)0i (T; p) +R � T � lnx(l)

i+R � T � ln 0

i

�T; p;

nx(l)i

o�(3.10)

Die Abweichungen vom Standardzustand der unendlich verdünnten, einmolalen Lösung

wird durch die rationale Aktivität a�iausgedrückt, die sich analog zur Gleichung (3.9)

aus dem Aktivitätskoe�zienten �;m

iund dem Verhältnis der Molalität der Komponente

i zur Molalität im Standardzustand mi

m�;m berechnet. Dabei steht die Bezeichnung (�;m)

für die Extrapolation der Daten der unendlich verdünnten Lösungen auf den Zustand der

einmolalen Lösung.

a�

i(T; p; fx

jg) =

mi

m�;m� �;m

i(T; p; fx

jg) (3.11)

�(ivL)i

�T; p;

�m

j

m

��= g

�;m

0i (T; p) +R � T � lnm

i

m�;m+R � T � ln �;m

i

�T; p;

�m

i

m

��(3.12)

Der Standardzustand der festen Phasen ist der reine Feststo� (in Gl. 3.9: si= 1). Die

Berechnung des chemischen Potentials von festen Misch-Phasen erfolgt analog zu denen

der idealen Lösung :

�(s)i

�T; p;

nx(s)i

o�= g

(s)0i (T; p) +R � T � lnx(s)

i(3.13)

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 49

3.2.3 Gleichgewichtsrechnungen zur Temperaturbehandlung mit

dem Programm FACT

Die Temperaturbehandlung der Asche-Kalkstein-Mischungen wird durch Rechnungen mit

dem Programm FACT [102] beschrieben, das den Algorithmus CHEMSAGE [103] zur

Minimierung der freien Enthalpie G verwendet. In diesem Programm sind eine Sto�da-

tenbank, der Algorithmus CHEMSAGE und Modelle zu festen und (schmelz-)�üssigen

Lösungen implementiert. In den Rechnungen werden neben festen Reinsto�-Phasen eine

schmelz�üssige Phase und mehrere feste Mischphasen für die Beschreibung der Tempera-

turbehandlung verwendet. Die Standardzustände der einzelnen Phasen wurden im vorhe-

rigen Abschnitt behandelt. Zur Beschreibung der idealen Lösung gilt für die schmelz�üs-

sige Phase die Gleichung 3.10 mit i= 1 und für feste Mischphasen die Gleichung 3.12.

Die Abweichung der freien Enthalpie der realen von der der idealen Lösung ist die freie

Enthalpie gE:

gE = 4g

m�4gideal

m(3.14)

Da die Mischungsenthalpie der idealen Lösung Null ist, vereinfacht sich die Gleichung (3.8)

zu einem Ausdruck in Abhängigkeit von der molaren Mischungsenthalpie 4hmund der

molaren Exzeÿ-Entropie sE, die in den nachfolgend beschriebenen Modellen approximiert

werden:

gE = 4h

m� T � sE (3.15)

Für 4hmund sE müssen nun Modelle benutzt werden, die im folgenden erläutert werden.

3.2.3.1 Quasi-chemisches Modell für schmelz�üssige Asche

Das quasi-chemische Modell [104] stellt keine detaillierte Theorie zu Silikatschmelzen dar,

sondern dient als Werkzeug zur Berechnung der molaren Mischungsenthalpie4hmund der

molaren Exzeÿ-Entropie sE. In binären Metall-Silikat-Schmelzen, z.B. MO � SiO2, sind

die Teilchen �1� (mit M -Atomen) und �2� (mit Si-Atomen) auf eine gitter-ähnliche An-

ordnung verteilt. Dieses Phänomen wird als �short-range-ordering� bezeichnet und kann

mit der Bildung von Orthosilikat-Ionen in der Schmelze anschaulich beschrieben werden.

In diesen Ionen bilden die zweitnächsten Nachbarn, die durch eine Sauersto�brücke (�)verbunden sind, M � Si Paare bzw. [1� 2] Bindungen:

[1� 1] + [2� 2] = 2 � [1� 2]

In der Schmelze treten drei Bindungstypen [1� 1], [2 � 2] und [1 � 2] auf, die mit ihrer

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 50

Bindungsenthalpie �ijund -entropie �

ijzu berücksichtigen sind. Die Gesamtanzahl der

Bindungen pro Mol NBberechnet sich aus der Avogadrozahl N0 und der Koordinations-

zahl z:

NB=N

0 � z2

(3.16)

Damit ergeben sich die molare Enthalpieänderung ! und die molare Entropieänderung

� durch die Bildung von [1 � 2] Bindungen unter der Au�ösung von [1 � 1] und [2 � 2]

Bindungen zu:

! =N

0 � z2� (2 � �12 � �11 � �22) (3.17)

� =N

0 � z2� (2 � �12 � �11 � �22) (3.18)

Aus der Anzahl der Teilchen nikönnen die Molenbrüche der Teilchen x

iund aus der Bin-

dungsanzahl nijdie Anteil x

ijeiner Bindung an der Gesamtzahl aller Bindungen ermittelt

werden:

xi=

niP

n

j=1 nj

xij=

nijP

n

j=1

Pm

i=1 nij(3.19)

Jedes Teilchen i hat zBBindungen, so daÿ die Gesamtanzahl aller Bindungen z

B� n

i, an

denen niTeilchen beteiligt sind, de�niert ist als:

zB� n

i= 2 � n

ii+ n

ij(3.20)

Hiermit kann eine Beziehung zwischen den Molenbrüchen xiund den Bindungsanteilen

xijhergestellt werden, wenn die Anzahl der Bindungen z, die ein Teilchen eingehen kann,

konstant gleich zwei ist:

2 � xi= 2 � x

ii+ x

ij(3.21)

Die Mischungsenthalpie 4hmund die Entropieänderung 4snc, die durch die Bildung von

[1�2] Bindungen verursacht wird, können nun berechnet werden. Diese Bindungsbildung

wird als �non-con�gurational� (nc) beschrieben.

4hm=x12

2� ! (3.22)

4snc =x12

2� � (3.23)

Zusätzlich zur Entropieänderung, die durch die Bindungsbildung entsteht, muÿ die Ver-

teilung der Bindungen berücksichtigt werden (�con�gurational�). Aus einer möglichen

Verteilung der Bindungen auf die NBmöglichen Positionen ergibt sich die Entropieände-

rung 4sc zu:

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 51

4sc = �R � (x1 � lnx1 + x2 � lnx2)�

�R � z

B

2� x11 � ln

x11

x21

+ x22 � lnx22

x22

+ x12 � lnx12

2 � x1 � x2

!(3.24)

Bei vollkommen zufälliger Verteilung der Bindungen in der Lösung muÿ die Entropieän-

derung gleich der der idealen Lösung 4sideal sein, da in diesem Fall x11 = x21, x22 = x

22

und x12 = 2 � x1 � x2 ist:

4sideal = �R � (x1 � lnx1 + x2 � lnx2) (3.25)

Der Exzeÿanteil der Änderung der Entropie 4sE ergibt sich aus der Di�erenz der Mi-

schungsentropie des realen Systems 4sm, die sich aus dem Bindungsanteil 4snc und

einem Verteilungsanteil 4sc zusammensetzt:

4sE = 4sm�4sideal = (4snc +4sc)�4sideal (3.26)

4sE = �R � z2� x11 � ln

x11

x21

+ x22 � lnx22

x22

+ x12 � lnx12

2 � x1 � x2

!++

x12

2� � (3.27)

Im Gleichgewicht hat die freie Enthalpie G ein Minimum und deren Ableitung ist gleich

Null. Für das hergeleitete quasi-chemische Modell folgt daraus:

dG

dx12=d (4H � T � 4S)

dx12= 0 (3.28)

Die Lösung dieser notwendigen Bedingung für das thermodynamische Gleichgewicht er-

gibt eine Beziehung, die formal einer Reaktionsgleichung mit einer Reaktionskonstante

entspricht. Aus diesen Gründen wird dieses Modell �quasi-chemisch� genannt:

x212

x11 � x22= 4 � exp

�2 � (! � T � �)

zB�R � T

!(3.29)

Unter Berücksichsichtigung der Gleichung (3.21) kann die Gleichung (3.29) zu einer Be-

rechnungsgleichung für die Anteile von [1� 2] Bindungen x12 umgewandelt werden:

x12

2=

2 � x1 � x2(1 + &)

(3.30)

& =

"1 + 4 � x1 � x2 � exp

2 � exp (! � T � �)

zB�R � T

� 1

!# 1

2

Die bisher dargestellten Beziehungen gehen davon aus, dass das binäre System bei xi= 1

2

in maximaler Ordnung ist. Um Systeme beschreiben zu können, die bei anderen Konzen-

trationen ihre maximale Ordnung haben, müssen äquivalente Konzentrationen yieinge-

führt werden. Diese werden mit Hilfe der anpaÿbaren Parameter biso gewählt, daÿ die

maximale Ordnung des Systems bei yi= 1

2auftritt:

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 52

yi=

bi� x

i

bi� x

i+ b

j� x

j

(3.31)

Die molare Enthalpie ! und Entropie �, die die Bildung von [1 � 2] Bindungen berück-

sichtigen, werden in Polynomansätzen ermittelt, deren temperatur- und konzentrationsu-

nabhängige Parameter !iund �

ian reale, binäre Systeme angepaÿt werden.

! =nX

k=0

!i� yk

i(3.32)

� =nX

k=0

�i� yk

i(3.33)

Die Berechnung der Exzeÿ-Anteile der Gibbs-Energie erfolgt in mehreren Schritten: Da

die Gibbs-Minimierung iterativ abläuft, werden zunächst die Anfangskonzentrationen von

xibzw. y

idurch Startwerte vorgegeben. Mit ihnen können dann mit Hilfe der Gleichungen

(3.32/33) die molare Enthalpieänderung ! und die molare Entropieänderung � berechnet

werden. Im Gleichgewicht gilt die Gleichung (3.30), die die Berechnung der Anteile von

[1�2] Bindungen x12 ermöglicht. Damit sind auch die Bindungsanteile x11 und x22 durch

die Gleichung (3.21) festgelegt und die Mischungsenthalpie 4hmund die Exzeÿ-Entropie

4sE können ermittelt werden.

3.2.3.2 Kohler/Toop-Approximation

Die hier untersuchte Asche ist ein Multikomponentensystem, das selbst bei starker Verein-

fachung noch als Drei- bzw. Viersto�system modelliert werden muÿ. Aus diesem Grund

müssen die Lösungsmodelle, die für Zweisto�-Systeme entwickelt und deren Parameter

an binäre Systeme angepaÿt wurden, auf Systeme mit mehr als zwei Komponenten über-

tragen werden. Dazu sind Mischungsregeln notwendig, die nach Möglichkeit chemisch-

physikalische Eigenschaften der Gemischkomponenten berücksichtigen sollten. Bei der

Kohler/Toop-Approximation [104] werden die einzelnen Oxide entsprechend ihrer Eigen-

schaft (z.B. sauer oder basisch) in unterschiedliche Gruppen (I oder II) eingeteilt und

deren Molenbrüche gruppenweise summiert:

�I=XI

xi

(3.34)

�II

=XII

xi

(3.35)

Je nachdem ob zwei Oxide i und j einer Gruppe (i; j 2 I) oder unterschiedlichen Gruppen(i 2 I; j 2 II) angehören, werden ihre Wechselwirkungen in der folgenden Gleichung für

die freie molare Exzeÿenthalpie berücksichtigt.

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 53

gE

KT=

Xi;j2I; i:j2II

(xi+ x

j)2 � gE

ij

xi

xi+ x

j

;xj

xi+ x

j

!+

+X

i2I; j2II

xi� x

j

�I� �

II

� gEij(�

I; �

II) (3.36)

Der erste Summand gilt für Komponenten der gleichen Gruppe und wird daher als symme-

trische Näherung bezeichnet. Dagegen beschreibt der zweite Summand in asymmetrischer

Näherung die Mischung von Komponenten unterschiedlicher Gruppen. Der Ausdruck gEij

in Gleichung 3.36 steht für die Exzess-Enthalpie in einem reinen, binären System mit der

Zusammensetzung xbini

und xbin

j. Die binären Molenbrüche xbin

iund x

bin

jwerden aus der

Zusammensetzung des Gesamtsystems berechnet; hier ist beispielhaft die Ermittlung von

xbin

ifür symmetrische Näherung angeführt:

xbin

i=

xi

xi+ x

j

; xi; j2 I (3.37)

Als Beispiele werden nun die symmetrische Näherung nach Kohler und die asymmetrische

nach Toop für Dreisto�systeme beschrieben. Wenn die drei Oxide die gleiche Eigenschaft

aufweisen, d.h. alle einer Gruppe angehören, vereinfacht sich die allgemeine Gleichung

zur Approximation von Kohler:

gE

K= (x1 + x2)

2 � gE12 + (x2 + x3)2 � gE23 + (x3 + x1)

2 � gE31 (3.38)

In diesem Fall gilt, daÿ die Wechselwirkung zwischen zwei Oxiden und damit die Exzeÿ-

Energie gEijbei gleichem Verhältnis der Molenbrüche x

izu x

jkonstant ist (symmetrische

Näherung). In Abbildung 3.1 ist dieser Fall auf der linken Seite dargestellt: entlang der

Linie 2-p-c ist das Verhältnis x1 zu x3 und die Exzeÿ-Energie gE31 konstant.

a

b

c

1

2 3

p

b

c2

1

2 3

c1p

Kohler Toop

Abbildung 3.1: Symmetrische und asymmetrische Näherung

im Dreisto�system nach [104].

In Dreisto�systemen, in denen Oxide mit beiden Eigenschaften vorkommen, wird aus der

allgemeinen Gleichung (3.37) die Toop-Beziehung:

gE

T=

�x2

x2 + x3

�� gE12 +

�x3

x2 + x3

�� gE31 + (x2 + x3)

2 � gE23 (3.39)

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 54

Die ersten beiden Summanden sind die asymetrischen Anteile und der dritte stellt den

symmetrischen Anteil dar. Die asymmetrische Näherung wird durch die Abbildung 3.1

(rechte Seite) illustriert. Dabei wird die Konzentration x1 der Komponente 1 konstant

gehalten und gE

12 und gE

31 sind entlang der Linie c1-p-c2 ebenfalls konstant (asymmetri-

sche Näherung). Zusätzlich zu den binär angepaÿten Parametern können weitere ternäre

und quaternäre Wechselwirkungsparameter durch Addition konzentrationsabhängiger Po-

lynomterme berücksichtigt werden.

3.2.3.3 Durchführung der Rechnungen

Mit Hilfe des Programms FACT [104] wird die Gleichgewichtszusammensetzung während

der Temperaturbehandlung bei Temperaturen von 930ÆC und 1200ÆC für zwei Aschen

bestimmt, deren CaO-Gehalt schrittweise erhöht wird. Dabei ist das Multikomponenten-

system SAV-Asche auf ein System reduziert worden, das die Hauptkomponenten (SiO2,

Fe2O3, Al2O3 und CaO) und die Schwermetalle Zink und Blei enthält. Die Eingangsmen-

gen dieser sechs Komponenten sind gleich den analytisch bestimmten Werten in der Asche.

Der Input von CaO wird entsprechend der Aufstockung erhöht. Neben den Reinsto�en

als feste und �üssige Phasen werden eine Luftatmosphäre (N2, O2) und eine schmelz�üs-

sige Phase (FACT-SLAGB) und fünf feste Lösungen zugelassen. Die Entstehung dieser

festen Mischphasen während der Temperaturbehandlung der SAV-Asche ist möglich, da

zum einen die einzelnen Atomsorten auftreten und zum anderen die Mischkristallbildung

über Diadochie bzw. Isomorphie abläuft (vgl. Abschnitt 2.2.2). Die Bezeichnung und die

relevanten Komponenten der festen Mischphasen sind [104]:

� FACT-SIO3?: (Fe, Ca, Zn)SiO3,

� FACT-OLIV?: Olivine (Ca, Fe, Zn)2SiO4,

� FACT-CORU: (Al, Cr, Fe)2O3,

� FACT-MELA: Melilithe Ca2FeSi2O7, Ca2Fe2SiO7, Ca2Al2SiO7,

� FACT-CFSM: (Ca, Fe)SiO4.

Aus den genannten Gründen führt die Verwendung von Mischphasen zu einer realitätsna-

hen Modellierung der Temperaturbehandlung. Bei der Modellierung der Elution soll auch

die Einstellung des pH-Wertes in Abhängigkeit der berechneten Zusammensetzung der

Asche und der Behandlungstemperatur ermittelt werden. Die Verwendung fester Misch-

phasen in der Gleichgewichtsberechnung der Elution ist aber aufgrund der Berechnung

der Mischungsterme der Gibbs-Energie und der Einführung von neuen Mischphasen nicht

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 55

ohne erheblichen Aufwand möglich. Daher werden die Komponenten in den Mischphasen

als Reinsto�e in die Modellierung der Elution übernommen, wobei ein Fehler durch die

Nichtberücksichtigung der Mischungsenthalpie entsteht.

3.2.4 Gleichgewichtsrechnungen zur Löslichkeit von Schwermetall-

verbindungen

3.2.4.1 Programmbeschreibung

Zur Berechnung des thermodynamischen Gleichgewichtes bei der Elution wird ein Pro-

gramm verwendet, das ebenfalls auf der Methode der Gibbs-Minimierung basiert [105].

Die wäÿrige Phase wird zunächst als ideale Lösung angenommen. Anschlieÿend werden

zum Vergleich in einem zweiten Schritt die Rechnungen unter Berücksichtigung der Ak-

tivitätskoe�zienten der Pitzer-Debye-Hückel-Gleichung [106] wiederholt. Die Bedingung

des Minimums der Gibbs-Energie, beschrieben durch Gleichung 3.5, führt zur Lösung einer

nichtlinearen Zielfunktion unter den Nebenbedingungen der Atomerhaltung (Gl. 3.6) und

der Elektroneutralität (Gl. 3.7). Deren Lösung erfolgt durch Verwendung Langrangeschen

Multiplikatoren. Dabei bilden die Zielfunktion und die beiden Nebenbedingungen, die mit

dem Langrangeschen Multiplikatoren �kmultipliziert werden, die Langrange-Funktion L:

L (T; p; fNkg ; �

k) =

PXp

KXi

Np

i� �p

i+

+EXk

�k�

PXp

KXi

Np

i� a

ik� A

k

!+ �

e�KXi

Nl

l� z

i(3.40)

Die notwendigen Bedingungen des Minimums der Lagrange-Funktion bilden ein nichtli-

neares Gleichungssystem, welches mittels einer Taylorentwicklung erster Ordnung linea-

risiert wird. Das entstehende lineare Gleichungssystem wird dann durch den GAUSS-

Algorithmus iterativ gelöst.

3.2.4.2 Aktivitätskoe�zientenmodell nach Pitzer-Debye-Hückel

Die Modellierung der wäÿrigen Phase bei der Elution als ideales System vernachlässigt

die Wechselwirkungen zwischen den Ionen. In stark verdünnten Lösungen sind die lang-

reichweitigen Coulomb�schen Wechselwirkungen zwischen Anionen und Kationen vor-

herrschend. Für solche Lösungen liefert die Debye-Hückel-Theorie [107, 108] eine gute

Beschreibung der Aktivitätskoe�zienten:

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 56

ln �i= �A

m� z2

i�pI (3.41)

Dabei ist Amder Debye-Hückel-Parameter, z

idie Ladungszahl und I die Ionenstärke,

de�niert als I = 12�P

izi�m

imit m

ials Molalität. Der Debye-Hückel-Parameter kann

aus der Temperatur, der Dichte �ound der Dielektrizitätskonstante " des Lösungsmittels

berechnet werden:

Am=

1; 8248 � 106 � p�o

(T � ")1;5(3.42)

Der Debye-Hückel-Ansatz liefert vernüftige Ergebnisse im Bereich von I< 0,005 mol/kg.

Durch Einbeziehung der Ionengröÿe wird die Gleichung 3.41 von PITZER [106] modi�-

ziert, so daÿ der Gültigkeitsbereich auf Ionenstärken von I < 0; 1mol

kg

erweitert werden

kann:

ln �i= �A; � z2i �

pI

1 + b �pI+

2

b� ln

�1 + b �

pI

�!(3.43)

Der osmotische Koe�zient A; kann aus dem Debye-Hückel-Parameter zu A; = 13� A

m

berechnet werden. Der Koe�zient b liegt für alle Elektrolytsysteme im Mittel bei b =

1; 2 � (kg=mol)1;5.

Höhere Konzentrationen erfordern Aktivitätskoe�zienten mit Korrelationen für elektro-

lytspezi�sche Wechselwirkungsparameter. Diese stehen für die hier untersuchten Systeme

nicht zur Verfügung. Die Berechnungen der Löslichkeiten von Schwermetallverbindun-

gen als Funktion des pH-Wertes führen bei Einstellung von sauren und stark basischen

pH-Werten zu Ionenstärken, die weitaus gröÿer als 0,1 mol/kg und damit auÿerhalb des

Gültigkeitsbereichs des Ansatzes nach Pitzer-Debye-Hückel (PDH) liegen. Da auÿerdem

bei Ionenstärken von kleiner als 0,1 mol/kg keine signi�kanten Löslichkeitsunterschiede

zwischen den Berechnungen der Löslichkeiten als ideale Lösung und bei Verwendung des

PDH-Ansatzes ermittelt worden sind, wird die Elution im weiteren Verlauf allein als ideale

Lösung beschrieben.

3.2.4.3 Systematische Feststo�auswahl

Die Vielzahl der festen Phasen, die bei der Elution von Schwermetallverbindungen aus der

Kombination aller vorhandenen Atomsorten möglich sind, stellt eine besondere Schwie-

rigkeit bei der Berechnung dar. Bei der Berücksichtigung einer festen Phase, die im

Gleichgewicht nicht gebildet wird, treten während der Iteration Konvergenzschwierigkei-

ten auf. Diese führen häu�g zur fälschlichen Elimination von festen Phasen oder zum

Programmabbruch. Aus diesen Gründen ist eine systematische Feststo�auswahl für eine

schnelle und sichere Bestimmung der Gleichgewichtszusammensetzung erforderlich. Die

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 57

Ableitungen der zu minimierenden Lagrangefunktion L (Gl. 3.40) nach den Sto�mengen

der Feststo�e n(s)i

stellen ein Hilfsmittel zur Feststo�auswahl dar. Da in den betrachteten

wäÿrigen Elektrolytsystemen nur Feststo�e in reiner Form auftreten, sind die Ableitun-

gen des logarithmierten Molenbruches und der Aktivität gleich Null und die Ableitung

@L=@n(s)i

reduziert sich zu folgender, einfach berechenbarer Gleichung [105]:

@L

@n(s)i

= �(s)oi

+EsXk

�k� a

ik(3.44)

Bei negativen Gradienten folgt auf die Bildung des Feststo�es i eine Abnahme der Lagrange-

Funktion und damit auch eine Verringerung der Gibbs-Energie des Systems. Ein negativer

Gradient ist daher ein Indiz auf eine an Feststo� i übersättigte Lösung. Bei positiven Gra-

dienten liegt kein Bildungspotential für den Feststo� i vor. Ist der Gradient gleich Null, so

liegt eine an Feststo� i gesättigte Lösung vor. Die Berechnung der Gleichgewichtszusam-

mensetzung erfolgt schrittweise, indem zunächst keine Feststo�e berücksichtigt werden

und dann der Feststo� mit dem gröÿten, negativen Gradienten bei der nächsten Berech-

nung zugelassen wird. Dieser Schritt wird solange wiederholt, bis die Gradienten der

Feststo�e gröÿer oder gleich Null sind.

3.2.4.4 Durchführung der Rechnungen

Die Löslichkeiten der durch die FACT-Rechnungen ermittelten Schwermetallspezies wer-

den bei pH-Werten von sechs bis 13 bestimmt, da dies der charakteristische pH-Bereich

bei den Elutionsversuchen nach der Temperaturbehandlung der SAV-Asche ist. In den

Rechnungen wird die Gleichgewichtszusammensetzung von 1mol der zu untersuchenden

Schwermetallverbindungen, 55,56mol (1l) Wasser und 1mol Sticksto� bei einem Druck

von p=100kPa und einer Temperatur von T=25ÆC ermittelt.

3.2.5 Modellierung der kombinierten Prozesse Temperaturbehand-

lung und Elution

Im weiteren Verlauf sind fünf Modelle und Methoden vorgestellt, die es erlauben, bei

Elutionsprozessen mit Hilfe thermodynamischer Gleichgewichtsrechnungen die Löslichkeit

von Schwermetallen vorherzusagen bzw. Aufschluÿ über die Reaktionsvorgänge zu geben

(siehe Tab. 3.1).

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 58

Modell Beschreibung

A Berechnung der Löslichkeit erwarteter Schwermetallverbindungen als f(pH)

Schwermetallspeziierung als f(CaO) aus FACT + Löslichkeit der

B Schwermetallverbindung als f(pH) + experimenteller pH-Wert

! Schwermetallöslichkeit als f(CaO)

Schwermetallspeziierung und Mineralphasen der

C Hauptkomponenten als f(CaO) aus FACT ! Elution ohne Fällung !pH-Wert und Schwermetallöslichkeit als f(CaO)

chwermetallspeziierung und Mineralphasen der

D Hauptkomponenten als f(CaO) aus FACT! Elution mit Fällung einfacher

Hydroxide ! pH-Wert und Schwermetallöslichkeit als f(CaO)

chwermetallspeziierung und Mineralphasen der

E Hauptkomponenten als f(CaO) aus FACT! Elution mit Fällung aller

Hydroxide ! pH-Wert und Schwermetallöslichkeit als f(CaO)

Tabelle 3.1: Übersicht der Elutionsmodelle.

3.2.5.1 Modell A

Die erste Möglichkeit, das Elutionsverhalten zu erklären, ist eine Schwermetallverbindung

anzunehmen, die die Löslichkeit bestimmt. Die Löslichkeit dieser Verbindung in Wasser

wird dann als Funktion des pH-Wertes mit Hilfe des in Abschnitt 3.2.4 vorgestellten

Programms berechnet. Anschlieÿend wird die ermittelte Konzentration mit dem im Elu-

tionstest gemessenen Gehalt verglichen. Dabei ist zu berücksichtigen, daÿ der pH-Wert

in der Rechnung mit dem bei der Elution übereinstimmt. Dies erfolgt in den Rechnun-

gen durch die Zugabe von NaOH und HNO3. Kann beim Konzentrationsvergleich eine

hohe Übereinstimmung ermittelt werden, ist die anfänglich gemachte Annahme, daÿ diese

Schwermetallverbindung die Löslichkeit bestimmt, plausibel. Dieses Verfahren setzt ei-

nerseits eine zumindest grobe Vorstellung über die bei der Temperaturbehandlung und

der Elution auftretenden Spezies voraus. Zum anderen ist die Kenntnis der thermody-

namischen Daten dieser Spezies für die Gibbs-Minimierung zwingend erforderlich. Dieses

Verfahren wird nachfolgend mit �A� bezeichnet. Es wird für die Schwermetalle Arsen und

Wolfram verwendet und dient als Ausgangsbasis für das zweite, erweiterte Modell B.

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 59

3.2.5.2 Modell B

Das zweite Modell (siehe auch [109]) baut auf dem zuvor dargestellten Modell A auf

und versucht die Schwäche, daÿ Annahmen über vorliegende Schwermetallverbindungen

getro�en werden müssen, zumindest teilweise auszugleichen. Dazu werden die Gleichge-

wichtsberechnungen der Temperaturbehandlung und der Elution kombiniert. Die Gleich-

gewichtszusammensetzung der Asche-Kalk-Mischungen nach der Temperaturbehandlung

liefert die Phasenzusammensetzung der Hauptkomponenten und der eingesetzten Schwer-

metalle in Abhängigkeit des eingestellten CaO-Gehaltes. Diese Vorhersagen können nur

für Zink und Blei gemacht werden, da allein für sie ausreichend thermodynamische Daten

zur Verfügung stehen. Damit sind die berechneten Schwermetallverbindungen und der

experimentell ermittelte pH-Wert bei der Elution für einen speziellen CaO-Gehalt und

eine Behandlungstemperatur bekannt. Mit diesen Informationen ist die Löslichkeit wie

beim Modell A gemäÿ Abschnitt 3.2.4 für diese Parameter zu bestimmen. Dadurch kann

die theoretische Löslichkeitskurve eines Schwermetalls als Funktion des CaO-Gehaltes bei

der thermischen Behandlung ermittelt werden. Ein Nachteil dieser Methode ist, daÿ auf

experimentelle Daten für den pH-Wert zurückgegri�en werden muÿ. Desweiteren bleiben

Reaktionen mit anderen gelösten Komponenten der Asche noch unberücksichtigt, da nur

die Löslichkeit der reinen Schwermetallverbindung in Wasser berechnet wird.

3.2.5.3 Modelle C bis E

Mit den Modellen C bis E wird versucht, den gesamten Elutionsprozeÿ einer SAV-Asche

zu simulieren. Die Rechnungen mit diesen Modellen ergeben dann sowohl den pH-Wert

als auch die Löslichkeit der Schwermetalle für eine bei einer konkreten Temperatur ge-

sinterte Asche/Kalk-Mischung. Hierzu liefert die Berechnung der Temperaturbehandlung

wiederum die Phasenzusammensetzung der Hauptkomponenten und der Schwermetalle.

Diese festen Phasen sind, mit einem Feststo�/Wasser Verhältnis von 1:10 wie im Ex-

periment, die Eingangssto�ströme für die Löslichkeitsberechnung. Bei der Berechnung

der Elution wird die Neubildung solcher Feststo�e zugelassen, die sich nach allgemeinem

Stand des Wissens aus wäÿrigen Lösungen bei 25ÆC bilden können, wie z.B. Hydroxide und

Sulfate [110]. Das bei der Gibbs-Minimierung zum Teil thermodynamisch günstige Ausfal-

len von Hochtemperaturspezies aus wäÿrigen Lösungen ist unter Umgebungsbedingungen

(25ÆC, 100kPa) kinetisch gehemmt und wird daher nicht zugelassen (vgl. [111]). Die durch

die FACT-Rechnungen ermittelten Hochtemperaturspezies werden bei der Berechnung zu-

nächst daraufhin getestet, ob sie sich während der Elution au�ösen. Ist das nicht der Fall,

werden sie aus der Berechnung der Elution herausgenommen, um die thermodynamisch

günstige Bildung zusätzlicher Sto�mengen dieser Verbindungen zu verhindern.

KAPITEL 3. METHODIK UND VORGEHENSWEISE 60

Die bei der Elution von Aschen möglichen Fällungsreaktionen führen zu den drei Modell-

variationen C, D und E. Zunächst werden Fällungsreaktionen nicht zugelassen, d.h. allein

die (Auf-)Lösung von festen Phasen wird berechnet (Modell C). In einem zweiten Schritt

können einfache Hydroxide wie Kieselgel, Aluminium-, Eisen, Calcium- und Schwerme-

tallhydroxide ausfallen (Modell D). Desweiteren ist im dritten Ansatz die Bildung aller,

auch komplexer Hydroxide, wie z.B. CSH und CASH, zugelassen.

Ein grundlegender Nachteil dieses Vorgehens ist, daÿ nicht alle während der Elution ausfal-

lenden Spezies bekannt oder thermodynamische Daten verfügbar sind. Auÿerdem können

auch die Modelle C bis E nur Aussagen über die Elution von Zink und Blei machen, da de-

ren Speziierung mit Gleichgewichtsberechnungen der Sinterprozesse mit FACT berechnet

werden kann.