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Jubiläumsausgabe | 20 Jahre VELOBLITZ | 2009 | CHF 12.-

KARACHO das Jubiläums Magazin des Veloblitz 2009

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Der Veloblitz Kurierdienst schrieb als Pionier seiner Branche Zürcher Geschichte.Pünktlich zum 20. Jahrestag der Gründung des ersten Zürcher Velokurierbetriebes erschien im Herbst 2009 das KARACHO Magazin. Der Veloblitz als Herausgeber nutzt die Gelegenheit sich und der Zürcher Bevölkerung ein Geschenk zu machen.

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Jubiläumsausgabe | 20 Jahre VELOBLITZ | 2009 | CHF 12.-

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Die Alternative Bank ABS gratuliert der Genossenschaft Veloblitz herzlich zum 20-Jahr-Jubiläum.

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Liebe Leserinnen, liebe Leser

Als Sämi Iseli 1989 in der Küche seiner WG den Veloblitz gründete, hätte

niemand von uns geglaubt, dass daraus das grösste Velokurierunterneh-

men der Schweiz wird. Inzwischen gibt es den Veloblitz seit 20 Jahren.

Dieses runde Jubiläum möchten wir zum Anlass nehmen, um Ihnen unse-

ren Betrieb etwas näher zu bringen.

Der Veloblitz ist eine genossenschaftlich organisierte Firma. Alle Mitar-

beiter können Teilhaber werden und sind dadurch für den Betrieb mit-

verantwortlich. Der Veloblitz wird daher von allen mitgeprägt, die in der

Genossenschaft aktiv sind. Durch Selbstverwaltung und Mitspracherecht

ist die Genossenschaft in den letzten 20 Jahren für viele praktisch zur

Familie geworden. Dass alle die Leidenschaft für das Velo teilen, ist klar,

doch das ist nur der kleinste gemeinsame Nenner.

In unserem Magazin Karacho erhalten Sie einen Einblick in die Welt des

Veloblitz. Entdecken Sie ganz neue Seiten von uns und unseren Fahrern.

Tauchen Sie mit uns in den Grossstadtdschungel ein. Lassen Sie sich von

uns in die kasachische Steppe entführen. Stehen Sie mit uns in der Lily’s

Homedelivery-Küche.

Aktive und ehemalige Veloblitzer sowie viele Freunde haben für dieses

Magazin Artikel, Bilder, Essays, Interviews, Glossen, Fotoreportagen und

sogar eine Fotoromanze beigesteuert. Lassen Sie sich überraschen.

Viel Vergnügen beim Lesen!

Tina Schulze

Geschäftsführerin

Genossenschaft Veloblitz

EDITORIAL

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INHALTSVERZEICHNIS

6 LUST UND LAST DER SELBSTVER-WALTUNGArmin Köhli

12 AM ANFANG WAR SÄMIArmin Köhli

14 DER KLEINE UNTERSCHIEDArmin Köhli

16 WO IST DER VELOBLITZ?

Frank Blaser

24 DREI JOBS UND 15 HOBBYS – GESPRÄCH MIT HANNES WÜRGLERMahmud Tschannen

28 LOVEBLITZ -

MIT VOLLGAS INS GLÜCKChris Kerkhof und Frank Blaser

34 MEHR LEISTUNGKarsten Kulik und Lorenz Götte

38 EIN WIRKLICHES ERLEBNIS

Franz Hohler

40 „KURIERNOVELLE ODER DER

HEIMLICH NOCH ZU ÜBERBRINGENDE SCHLÜSSELBUND DER ANTONIA SETTEMBRINI“Urs Mannhart

42 VOM KURIER ZUM TOUR DE FRANCE-

SIEGERSimon Joller

44 HERMES – GÖTTERBOTE,

STEH UNS BEI MIT RAD UND TAT!

Peter Zangerl

46 DIE ERFAHRUNG DER WEITE

Res Blum

60 VELO-CHINARoland Fischer

66 ZÜRICH IST GEBAUTRoland Munz

70 ZÜRICH BY BIKE

Anette Michel

74 GUTZI GEBENMahmud Tschannen

76 OHNE SCHWEISS KEIN PREISRoland Munz

80 TATORTAlois Jauch

90 DIE VIERTAUSEN-DER PARADE –

ZWEI BIKE-TAGE IM VAL

D‘ANNIVIERS Simon Joller

92 AUS SCHROTT WIRD SEIT 15 JAHREN KUNST

Leto alias Markus Meyle

96 MIT KARACHO IN DIE ZUKUNFT

Boris Wagner

98 AM DONNERSTAG IM KEBAB

Talaya

100 SWISSCONNECT - DER KURIER, DER MIT DEM ZUG GEHT – SCHNELL UND ÖKOLOGISCH QUER DURCH DIE SCHWEIZwww.textpistols.ch

102 DER „MESSENGER“ VON VELOBLITZ

BEWEGT NICHT NUR KURIERERolf Burkhardt

104 LILY‘SRolf Burkhardt

108 VELOBLITZ JUBILÄUMS

KOLLEKTION

113 MITARBEITER, FREUNDE &

GÖNNER

114 IMPRESSUM

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LUST UND LAST DER SELBSTVERWALTUNGWer’s in den Beinen hat, braucht auch den Kopf

„Ein Kurierbetrieb ist ein Geschäft wie jedes andere und darum eher lang-

weilig: Umsatzzahlen, Sitzungen, Kundenwünsche, schwierige Mitarbeiter und

so weiter.“ Das schreibt Marcel über den Veloblitz. M, wie ihn alle nennen,

muss es wissen: Er arbeitet seit 1993 beim Veloblitz, und er hat in diesem

Betrieb schon beinahe alles gemacht. Als Kurier gefahren, disponiert, als

Kurier gefahren, Aufträge entgegengenommen, als Kurier gefahren. M war

Personalchef und Geschäftsführer, jetzt sitzt er im Verwaltungsrat. M müss-

te es also besser wissen. Dieser Kurierbetrieb ist kein Geschäft wie jedes

andere - nicht der Veloblitz! Und langweilig? Der Veloblitz? Sicher nicht für

die einzelne Fahrerin, den einzelnen Fahrer, die ständig auf dem Quivive sein

müssen. Überhaupt: Kann es in einem selbstverwalteten Betrieb je langweilig

werden? Und ausserdem kann selbst so trockener Stoff wie Umsatzzahlen für

Dramatik sorgen.

So wie vor sieben Jahren. Der Einbruch musste kommen, das war klar. Die

neunziger Jahre hatten zwar stetes Wachstum gebracht, und vife Kuriere

konnten gutes Geld verdienen. Doch die Konkurrenz durch virtuelle Über-

mittlung von Dokumenten wuchs noch viel schneller: Innert kürzester Zeit

stand in jedem Büro ein Fax, dann folgte E-Mail. Und was gefaxt oder

gemailt werden kann, muss nicht mehr per Kurier geschickt werden. Doch

Vorkehrungen waren kaum getroffen worden, und plötzlich war die Krise da.

M vergleicht den damaligen Veloblitz mit einem Wasserkessel mit hundert

Löchern. Man füllt ständig Wasser nach, doch er wird immer leerer. Im März

2002 war der Veloblitz praktisch zahlungsunfähig.

Text: Armin Köhli, Illustration: Hofgrafen

*Auszüge aus Sitzungsprotokollen

„Der Veloblitz steht kurz vor dem Konkurs. Drastische Massnahmen sind nötig, um den Absturz noch verhindern zu können.“ (2002)*

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Drastische Massnahmen wurden in der Krise

tatsächlich ergriffen. Der Veloblitz kürzte die

Löhne, und reduzierte bei den Telefonisten sogar

Arbeitsstunden. Auch kleine Einsparungen gab

es allenthalben. Den Angestellten wurde „Kaf-

feegeld“ abgezogen, die Geschäfsleitung um eine

Person verkleinert, und um Gebühren zu sparen

waren statt 29 nur noch 25 Funkgeräte in Be-

trieb. Der Veloblitz suchte und fand in der Krise

aber auch neue Geschäfte: Seither liefern Veloku-

riere die Menüs des Restaurant Lily‘s frei Haus,

sie erledigen die interne Post grosser Firmen,

sie streuen Werbepostkarten in der ganzen Stadt.

Schon 2004 geht es dem Veloblitz finanziell wie-

der bestens.

Die Krise bringt den entscheidenden Schritt in

Richtung dessen, was Professionalität genannt

wird: Zuverlässigkeit, Kundenfreundlichkeit, ef-

fiziente Strukturen. Ab 2002 wird der Betrieb

reorganisiert – mit den gleichen Leuten, aber

mit verändertem Bewusstsein.

Heute ist die Genossenschaft Veloblitz hierar-

chisch strukturiert, mit einer Geschäftsleitung

mit weitgehenden Kompetenzen. Sie ist aber

weiterhin auch ein eigentlicher Lehrbetrieb.

Denn spezifisch ausgebildete Leute sind ange-

sichts der bescheidenen Löhne nur selten zu

finden. So beginnt man in der Regel als Kurier,

wechselt irgendwann ins Büro, steigt in die Ge-

schäftsleitung auf, und lernt dort, was es heisst,

einen mittleren Betrieb zu führen. Das schafft

für die Einzelnen ausgezeichnete Möglichkeiten,

sich zu qualifizieren, motiviert sie auch, län-

gerfristig im Betrieb zu bleiben - führt aber

auch zu Leerläufen und der Tendenz, Fehler zu

wiederholen. Was wiederum Ressentiments und

Frustrationen zur Folge hat. Leiser Groll, wenn

das Geschäft läuft, ausdrückliche Klagen in Zei-

ten der Umstrukturierung. „Naiver Führungsstil“

ist dann ein noch milder Vorwurf.

Die formelle Selbstverwaltung beschränkt sich

erstaunlicherweise auf die jährliche Generalver-

sammlung. Dort haben alle Genossenschafter und

Genossenschafterinnen – also auch alle Kuriere

– Stimm- und Wahlrecht. Ansonsten gibt es ge-

legentlich Belegschaftssitzungen, die aber reine

Informationsveranstaltungen sind und vorab der

Geschäftsleitung helfen, Entscheidungen vorzube-

reiten. In dieser selbstverwalteten Genossen-

schaft wird auch eine institutionelle Personal-

vertretung nicht für nötig befunden.

Von aussen gesehen ist ein Velokurier ein unqualifizierter Handlanger. Er muss damit

umgehen können, dass ihm das manchmal zu spüren gegeben

wird. (2009) *

Ein weiteres Novum in der Geschichte des Veloblitz:

Mit Tina wird zum allerersten Mal eine Frau als Geschäftsführerin gewählt.

(2006)

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Somit gibt es für Beschwerden, Anregungen und Forderungen nur informelle

Gespräche - und das feierabendliche Gespräch und Geschwätz, oft unterlegt

mit Bier und anderen Stimulanzien. Das Informelle ist der Selbstverwaltung

kaum förderlich – jedoch den quasi rituellen gegenseitigen Beschimpfungen:

„Wir haben nichts zu sagen, die machen was sie wollen“ (die Fahrer) versus

„Die motzen ständig. Aber selber Verantwortung übernehmen will keiner“

(Büro, Geschäftsleitung, Verwaltungsrat).

Das tut der Stimmung zwar nicht gut, ist aber nicht weiter schlimm. Denn

gilt es einmal ernst, wird sachlich und recht pragmatisch diskutiert. Bei-

spielsweise ist die Frage, ob die Geschäftsleitung vier oder fünf Mitglieder

haben soll, nicht primär eine Frage der Konzentration von Macht, sondern

auch des Engagements und der Qualifi kation. Und nicht zuletzt der auszube-

zahlenden oder eingesparten Sitzungsgelder. Der Veloblitz hat übrigens ein

probates Mittel gefunden, um die Generalversammlung effi zient und kurz

zu halten: Rauchen, Alkohol und Drogenkonsum sind während der Sitzung

verboten. Dafür gibt es danach Freibier, Weisswürste und Kartoffelsalat.

Das strittigste Thema anderer selbstverwalteter Betriebe – wer hat die

Macht, jemanden zu entlassen? – ist beim Veloblitz gar keines. Die Regelung

ist simpel, und sie besteht auch nicht nur auf dem Papier: Bei Verstoss

gegen das Arbeitsreglement verwarnt der Personalchef zuerst mündlich,

dann verweist er schriftlich, und schliesslich entlässt er. Der Verwaltungsrat

amtet als Rekursstelle.

„Folgendes habe ich nicht festgehalten: Dreinreden, Überschreien, unsachliches persönlich werden.“ (2003)

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Durchaus typisch für Alternativbetriebe, die sich

im realexistierenden Kapitalismus behaupten

müssen, und dennoch recht kurios, ist hingegen

der Veloblitz-eigene Slang: Einzelne Begriffe von

Business-Englisch tauchen da mehr oder weniger

passend auf, sprachliche Formeln setzen sich in

Köpfen und Papieren fest. So hat die Geschäfts-

führung bei fl acher Hierarchie neuerdings einen

Code of Conduct, gespiegelt wird das in einem

Funktionendiagramm.

Velokuriere verdienen wenig. Der Lohn reicht

kaum zum Leben, entsprechend selten sind Profi -

kuriere beim Veloblitz geworden. Es gibt aber

Schichtkombinationen, die genügend Einkommen

garantieren. Nachmittags als Kurier unterwegs,

abends Lily‘s, und dazu auch noch fi xe Touren,

das würde reichen. Nur Lily‘s, aber auch am Wo-

chenende, das würde ebenfalls reichen. Manche

Kuriere leben mit minimalem Lohn, andere haben

einen zusätzlichen Job. Doch der Lohn ist selten

entscheidend, denn Veloblitz ist Leidenschaft: Ei-

nige Veloblitzler fahren weiterhin einen Tag pro

Woche, obwohl sie längst eine andere, gut be-

zahlte Arbeit haben.

Ja, um beim Veloblitz arbeiten zu können, muss

man sogar erst einmal Geld ausgeben. Man

braucht ein gutes Velo, muss es ständig warten,

Verschleissteile ersetzen. Man fährt in eigenen

Kleidern. Sportklamotten sind teuer, dazu kom-

men Schuhe, manchmal ein Helm, und Winter-

sachen. Immerhin gibt es das Veloblitz-Trikot

gratis. Das Arbeitsreglement schreibt vor, dass

Fahrer und Fahrerinnen auf der Strasse und

bei Kunden deutlich als Veloblitz-Mitarbeiter

erkennbar sein müssen. Obligatorisch ist ein

Veloblitz-Trikot, die übrige Kleidung muss gelb

oder schwarz sein. „Uniformzwang“ wird diese

Kleidervorschrift im Reglement genannt, und

schon sie – liegt es an der Wortwahl? – führt zu

Diskussionen. Manche empfi nden diese Vorschrift

als Einschränkung ihrer Individualität. Die Dis-

kussionskultur war sehr schlecht, das Protokoll

dementsprechend schwierig.

Die Veloblitzler entscheiden dank Selbstverwal-

tung letztlich selber, welchen „Zwängen“ sie sich

aussetzen. Und weil das jeden und jede direkt

betrifft, ist die Beteiligung gross, wenn eine ent-

sprechende Abstimmung ansteht. So sorgte ein

solches Traktandum an der Generalversammlung

2009 für aussergewöhnlich viele Teilnehmer:

Helmpfl icht im Veloblitz? Die Meinungen waren

längst gemacht, die kurzen Plädoyers deshalb

emotionslos und sachlich. Das Resultat fi el so

vorhersehbar wie klar aus: 19 Ja, 2 Enthaltun-

gen, 40 Nein.

Alle, die beim Veloblitz arbeiten, sind Veloku-

riere. Das tönt banal, ist es aber nicht. Denn ob

Geschäftsleitung, Dispo, oder Buchhalter: Seit je

Erstmals in der Geschichte des Veloblitzes können die

Löhne regelmässig ausbezahlt und die AHV-Beiträge

monatlich beglichen werden. Unser Postcheckkonto ist ge-

sund. (1995)

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fahren alle auch Schichten als Kuriere. Das ist heute zwar etwas weniger

strikt als früher; es gibt einzelne, vorab Telefonisten, die praktisch zu

hundert Prozent im Büro arbeiten. Aber gerade für die Disponenten ist

es unerlässlich, die Stadt nicht nur auf dem Stadtplan zu kennen, son-

dern aus eigener Erfahrung und ständig aktuell über Verkehrsfl uss und

Baustellen, über verschlossene Türen und umgezogene Empfangsschalter

Bescheid zu wissen.

Rund neunzig Männer und dreissig Frauen arbeiten heute beim Veloblitz.

Ihnen gehört der Betrieb, sie bestimmen über die grossen Linien der Ge-

schäftspolitik und die kleinen Sorgen, wie den Velohelm. Die einen mehr,

die anderen weniger. Aber sie alle prägen den Veloblitz und sorgen dafür,

dass es kein „Geschäft wie jedes andere“ ist. Aber M hat damit sowieso

nur tiefgestapelt.

Etwas ernsthafter nach dramatischen Entwicklungen gefragt, nennt M zwei

Tendenzen, mit denen sich der Veloblitz auseinandersetzen muss:

- Die spontanen Aufträge für Velokuriere werden immer weniger – aber im-

mer dringender. Deshalb müssen permanent genug Fahrerinnen und Fahrer

eingeteilt sein, um diese dringenden Aufträge sofort ausführen zu können.

Fast gleichviele Kuriere, aber weniger Aufträge: Die Kuriere verdienen also

immer weniger pro Schicht.

- Der Veloblitz muss immer häufi ger mit einem Autokurier zusammenar-

beiten. Die bestehende beinahe symbiotische Zusammenarbeit mit einem

„Nachdem wir die Fahrerwerkstatt drei Mal neu mit Werkzeug ausgestat-tet haben und dieses wieder verschwun-den ist, überlassen wir diesen Bastel-platz nun seinem Schicksal.“ (2007)

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kleinen Autokurier bewährt sich dabei sehr. Zu-

mal dieser mit seinen umweltfreundlichen Erd-

gasautos auf der ökologischen Linie des Veloblitz

fährt. Dadurch, sagt M, kann der Veloblitz alle

Aufträge annehmen, muss aber nicht selber ins

Autogeschäft einsteigen. Grössere Transporte per

Velo sind aber durchaus ein Thema: Der Veloblitz

hat kürzlich zwei Lastenvelos angeschafft. Eines

davon wird mit einem Elektromotor ausgerüstet.

Wie sich der Veloblitz als Betrieb selbst defi niert,

steht in einem neuen Leitbild, das auf www.ve-

loblitz.ch veröffentlicht ist. Diese Leitbild wurde

an der Generalversammlung 2009 diskutiert. Das

Traktandum war eigentlich längst abgeschlossen

und das Leitbild verabschiedet, als eine Kurierin,

die zu spät gekommen ist – ihre Schicht dauerte

bis in den Abend – noch eine Frage dazu stellt.

Eine entscheidende Frage. „Da steht, Kundenzu-

friedenheit sei das wichtigste Ziel des Veloblitz“,

sagt sie. „Doch ist Kundenzufriedenheit nicht eher

Mittel zum Zweck?“ Sind zufriedene Kunden also

nicht ein hehres Unternehmensziel, sondern ganz

prosaisch die Voraussetzung für zufriedene und

anständig bezahlte Velokuriere? Und dann gibt

sie sich die Antwort gleich selbst, ganz Veloblitz:

„Vielleicht ist das ja gar nicht so wichtig.“

Generell ist eine Unzufrieden-heit bei den Fahrern zu spüren,

es sollte das Ziel sein, die Zufriedenheit der Fahrer wieder herzustellen, denn mit Zufrie-denheit wird alles generell

besser. (2003)

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1989 ist Sämi Iseli 22-jährig. Kurz vorher hat er die Matur gemacht, an

der Zürcher Kanti Enge, aber eigentlich ist er ein Richterswiler. Jetzt kennt

er sich langsam aus in der Stadt Zürich. Er verkehrt in der Szene der Par-

ties und illegalen Bars, wohnt in einer WG im Kreis 5. Schon in Richterswil

hat er sich politisch engagiert – vor allem velopolitisch. Das Velo ist auch

in Zürich sein zentrales Anliegen: Was tun, um das Velo zu fördern, zum

Verkehrsmittel Nummer 1 in der Stadt zu machen? Was tun ausser Veran-

staltungen, die nur jene erreichen, die eh schon bekehrt sind?

Im Veloblättchen „Katzenauge“ liest Sämi über einen geplanten Transport-

dienst per Velo, er geht zum ersten Treffen, doch das Projekt versandet. Er

verbringt eine Zeit in Hamburg, wohnt bei einem Zürcher Freund, der dort

als Velokurier arbeitet. Der sagt ihm: Mach das in Zürich auch! Und Sämi

macht. Er will es zumindest probieren. Er stellt ein paar Tarifberechnungen

an, besucht auch den Velokurier Luzern, der eben erst gegründet worden

ist. Als er bei der Zürcher Kantonalbank nach einem Kredit für die Firmen-

gründung fragt, lacht ihn der Banker aus. Sein Vater hilft ihm mit einem

Darlehen von 5000 Franken.

Ausgerechnet im November soll es losgehen mit dem Veloblitz. Das No-

vemberwetter spielt keine Rolle. Sämi hat einfach seine Sommerferien

schon verplant gehabt. Das Wintersemester an der Uni will er ausfallen

lassen. Andere Leute, die das Risiko eines solchen Betriebes eingehen

wollen, hat er nicht gefunden. Mindestens zu dritt müssen sie aber sein:

Zwei, die fahren, und einer im Büro, um die Aufträge entgegenzunehmen

und zu verteilen. Das klappt schliesslich auch. Am 6. November 1989

beginnt der Veloblitz mit Sämi Iseli und zwei Freundinnen, die ihm die

ersten paar Tage helfen wollen. Susanne und Christina fahren die ersten

Veloblitz-Aufträge mit ihren Dreigängern durch die Stadt.

Wirkung zeigt ein Presseversand. Das „Tagblatt“ bringt am 4. Dezember

einen Artikel samt Bild von Sämi. Schon tags darauf erhält der Veloblitz

dadurch drei Aufträge. Mehr noch als interessierte Kunden rufen aber Leu-

te an, die beim Veloblitz arbeiten wollen. Susanne und Christina sind also

befreit, und die ersten angestellten Veloblitze unterwegs: Basil und Tomi.

Das Büro befi ndet sich in Sämis WG-Zimmer; er hat von der damaligen PTT

eine zweite Telefonleitung installieren lassen. Wenn er verschläft, weckt

ihn der Anruf des ersten Kunden. Die WG-Küche dient den Kurieren als

Aufenthaltsraum. Kommuniziert wird mit den Vorläufern der Mobiltelefonie.

Der Disponent piepst die Kuriere per Pager an, und diese, ausgerüstet mit

einer Taxcard, rufen von der nächsten Telefonkabine aus zurück.

Zwei Jahre lang wird so gearbeitet, doch das System ist teuer. Jeder

Anruf von einer Kabine kostet vierzig Rappen. Eine eigene Funklizenz ist

schliesslich effi zienter und günstiger. Das fünftonige Erkennungszeichen

des Veloblitz-Funkes heisst bis heute „Saemi“. Das entsprang aber nicht

Sämi Iselis Eitelkeit, sondern wurde vom Bundesamt für Kommunikation

mit Feingefühl so zugeteilt. Verrechnet werden die Fahrten pro Kilometer;

gemessen werden die Distanzen mit dem Massstab auf dem Stadtplan.

Finanziell bleibt es in den Anfangsjahren eng, doch grosse Schulden häu-

fen sich nie an, und Aufwand, Ertrag und Löhne wachsen gleichmässig.

Text: Armin Köhli, Bild: Tagblatt der Stadt Zürich

Den Veloblitz zu gründen habe nichts Geniales gehabt, sagt Sämi Iseli. Er sei einfach mutig

und unbefangen gewesen.

Ein Velo-Freak hatte den Geistesblitz

AM ANFANG WAR SÄMI

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Nach zwei Jahren ist klar: Es funktioniert! Sämi,

der nicht sein Leben lang Velokurier bleiben

will, wandelt seine Einzelfi rma in eine Genos-

senschaft um. Dadurch sollen auch andere Ver-

antwortung übernehmen, und das passt auch

ins politische Umfeld der damals boomenden

Selbstverwaltung. Genossenschafter werden alle

etwa zwanzig Kuriere.

Nach sieben Jahren zieht sich Sämi ganz aus

dem Veloblitz zurück. Er bleibt bis heute Ve-

loblitz-Genossenschafter. Genossenschaft und

Selbstverwaltung seien auch im Rückblick die

beste Lösung gewesen, sagt Sämi Iseli heu-

te. Attraktiv, und dazu noch gut fürs Image. Er

meint aber auch: „Daran kaut der Veloblitz im-

mer noch – es gibt einfach keinen ‚Patron‘. Das

führt zu Reibereien und Friktionen.“

Den Veloblitz zu gründen habe nichts Geniales

gehabt, sagt Sämi Iseli. Er sei einfach mutig

und unbefangen gewesen – und relativ leicht-

sinnig. „Der Veloblitz hat komplett in mein

Weltbild gepasst. Ich wollte etwas Gutes tun.

Das Velo fördern, und beweisen, dass das Velo

auch kommerziell nutzbar ist. Und spannend

war es auch.“

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Text: Armin Köhli, Illustration: Hofgrafen

Die Frage nach dem „gerechten“ Lohn stellt sich im Veloblitz nicht. Dafür

sind die Löhne schlicht zu tief. Was sich aber drängend stellt, ist die Frage

nach der gerechten Verteilung dessen, was zu verteilen ist. Der Veloblitz

kennt drei Arten von Löhnen: Umsatzbeteiligung, Stundenlohn, Fixlohn. Die

eigentlichen Velokuriere erhalten in der Regel 41 Prozent ihres Umsatzes.

Damit verdienen die meisten knapp 20 Franken pro Stunde. Wer im Büro

arbeitet oder das Büro putzt, erhält je nach Arbeit einen Stundenlohn von

25 oder 27 Franken. Wer fi xe Fahraufträge ausführt, etwa den Hauslie-

ferdienst des Lily‘s, erhält ebenfalls einen Stundenlohn von 23 bis 26.50

Franken. Wer feste, immer gleich bleibende Touren fährt, erhält einen fi xen

Betrag pro Tour, egal wie schnell oder langsam er die Tour ausführt.

Benachteiligt fühlen sich die meisten. Und alle haben ihre Argumente. So

vergleichen die Leute in der Administration ihre Löhne mit den Kaderlöh-

nen in anderen Betrieben. Oder erfahrene und gut ausgebildete Vierzig-

jährige beklagen sich, dass zwanzigjährigen Studenten den gleichen Lohn

erhalten. Andererseits fi nden viele Kuriere: Wir machen den Knochenjob

auf der Strasse, wir sind der eigentliche Veloblitz, aber die im Büro verdie-

nen mehr als wir. Wo doch der Anteil der administrativen Kosten sowieso

ständig zunimmt.

Die Löhne sind über all die Jahre permanent Thema. Das Lohnsystem wird

dauernd angepasst. Früher etwa erhielten Frauen einen höheren Anteil

am Umsatz als Männer – wohl in der irrigen Annahme, dass Frauen nicht

gleich schnell Velo fahren können. Dabei gehören und gehörten Frauen

schon immer zu den Meistverdienenden, denn Kurieraufträge schnellst-

möglich zu erledigen, ist gewiss nicht nur eine Frage der Muskelkraft.

Im Zuge von Sparmassnahmen wurde diese positive Lohndiskriminierung

schliesslich elegant abgeschafft. Andere Lohnmodelle haben sich auf lan-

ge Sicht auch nicht bewährt. So gibt es einen Bonus für Vielfahrer – doch

es hat sich gezeigt, dass jene, die viel fahren, nicht automatisch bessere

Kuriere sind. Dieser Bonus soll nun abgeschafft und dafür der Umsatz-

anteil für alle erhöht werden. Sicher ist: Auch dieses System wird wieder

geändert werden.

Auch die Kuriere untereinander sind sich nicht einig. Periodisch fordern

viele Kuriere einen fi xen Stundenlohn - wogegen sich andere wehren, die

einen hohen Umsatz erzielen und mit dem jetzigen System relativ viel

verdienen. Gegen einen Stundenlohn für Kuriere sind meistens auch die

Disponenten: Aus ihrer Sicht führt ein fi xer Lohn zwingend zu langsameren

Velokurieren.

Doch in einem sind sich alle einig: Das gemeinsame Ziel heisst Lohner-

höhung.

Welcher Lohn für welche Arbeit?

DER KLEINE UNTERSCHIED

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„Benachteiligt fühlen sich die meisten. So vergleichen die Leute in der Administration ihre Löhne mit den Kader-löhnen in anderen Betrieben. Oder erfahrene Vierzigjährige beklagen sich, dass zwanzig-jährige Studenten den gleichen Lohn erhalten.“

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Zum Stadtbild von Zürich gehören auch die Kuriere des Veloblitz. Auf den folgenden Bildern muss man allerdings genau hinsehen, um sie zu entdecken. Machen Sie sich auf die Suche! Aufl ösung auf Seite 112.

Fotos: Frank Blaser, Illustration: Hofgrafen

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Eine Form, in der Stadt

zu direkten Erlebnis-

sen zu kommen, ist für

mich das Radfahren.

Ich wohne in Oerlikon,

und wenn ich Abma-

chungen in der Stadt

habe, zu denen ich

nicht gerade das Cello

mitnehmen muss, setz

ich mich gewöhnlich

aufs Velo, und wenn

ich auf meinem Ein-

undzwanz i ggänge r

beim Milchbuck vor

den Ampeln zwischen

zwei Lastwagen ste-

he, von denen einer

geradeaus weiter will

und der andere rechts

in den Tunnel, wenn

ich da stehe auf ei-

nem dieser rührend

hingepünktelten gel-

ben Radstreifchen,

die manchmal ganz

überraschend am Bo-

den auftauchen, einen

ein paar Meter weit

begleiten und dann

wie eine Fata Morga-

na sofort wieder ver-

schwinden, wenn man

sie wirklich brauchen

könnte, zum Beispiel

nach dieser Kreuzung,

wo man sich dann

hinter eine Art Pfahl-

provisorium schwin-

delt, das nun schon

so lange dasteht, dass

man den Verdacht

nicht los wird, es sei

zu unserm Schutz er-

richtet worden, müsste

man nicht eine halbe

Minute später wieder

raus und sich kühn

über zwei Spuren nach

links hinüberschlän-

geln, zwischen Lie-

ferwagen, Motorrädern

und Hochzeitsbussen,

weil man in den gros-

sen Velokanal einbie-

gen will, der einen

von Zürich Nord zur

Uni bringt - wenn

man sich dem anver-

traut, wird man nur

gerade zweimal über

eine grosse Strasse

getrieben, auf welcher

der Autoverkehr wie

ein Wildbach daher-

rauscht, allerdings ein

Wildbach, der hinunter

und hinauf gleichzeitig

rauscht, das ist eben

die städtische Varian-

te, und wenn ich dann

aus der Sonneggstras-

se in die Winterthurer

Strasse einbiege und

wieder so ein Stück-

lein Gelb am Boden

sehe, das aber merk-

würdig nahe beim

Universitätsspital wie-

der verschwindet, und

dann die Rämistrasse

hinabsteche und mir

überlege, ob ich die

Autokolonne rechts

oder links überholen

soll und dann links

über die Tramschie-

ne balanciere mit

ruckartigem Anheben

des Vorderrads wie

ein Radballprofi , und

kurz vor der Kreuzung

wieder zwischen zwei

stockenden oder krie-

chenden Stosstangen

rechts hineinschlüpfe,

wenn ich dann beim

Pfauen vom Sattel

steige, auf die Uhr

schaue und sehe, dass

ich mit dem Tram zehn

Minuten länger gefah-

ren wäre, vom Auto

gar nicht zu sprechen,

dann habe ich den

Eindruck, ich hätte

wirklich etwas erlebt,

und ich fühle mich

vielleicht etwa so wie

ein Senn, der mitten

in einem Gewitter eine

verirrte Kuh zurückge-

holt hat - der Unter-

schied wäre einfach

der, dass das Ver-

kehrsgewitter in der

Stadt kein Naturereig-

nis ist, sondern etwas,

das wir beeinfl ussen

könnten - wenn wir

wollten. Ð

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Typische Velokuriere gibt es eigentlich nicht. Vollzeitfahrradkuriere sind eher selten. Die allermeisten haben mehrere berufl iche Schwerpunkte – und einige eine Familie dazu: Hannes Würgler erzählt im Gespräch mit Karacho, wie er seine drei Jobs als Velokurier, Musiker und Hausmann unter einen Hut bringt. Als langjähriger Veloblitzler wirft er auch einen humorvol-len Blick auf die frühen Jahre des Betriebs zurück.

Text: Mahmud Tschannen, Foto: Marcel Bircher

DREI JOBS UND 15 HOBBYS – GESPRACH MIT HANNES WÜRGLER

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Warum hast du vor 15 Jahren ausgerechnet beim Veloblitz angefangen

zu arbeiten?

Ich habe eine Teilzeitarbeit gesucht, bei der ich fl exibel bin. Dann habe ich

per Zufall jemanden getroffen, den ich kannte und der beim Veloblitz ge-

arbeitet hat. Ich habe ihn beim Milchbuck herumkurven gesehen und mich

gefragt, was er da macht. Als ich ihn später nochmals getroffen habe,

habe ich mit ihm darüber gesprochen. Er fand, ich soll mal vorbeikommen,

der Job sei cool. Er selbst war ein Quereinsteiger, der vorher nicht gross

Velo gefahren ist. Nur für den Normalgebrauch, so wie ich auch.

Was hast du vor dem Veloblitz gemacht?

Vor dem Veloblitz habe ich Teilzeit in einem Musikgeschäft gearbeitet. Dort

hat man leider feste Arbeitszeiten, auch samstags und abends. Das ist

meiner Tätigkeit als Musiker von den Zeiten her in die Quere gekommen.

Das wurde mir zu mühsam. Es war eigentlich der Grund, weshalb ich

etwas anderes gesucht habe. Das es aber ausgerechnet der Veloblitz war,

war ein Zufall.

Musik war also schon damals ein wichtiger Teil deines Lebens?

Ich habe eigentlich immer in verschiedenen Bands gespielt. Das mache ich

jetzt noch. Und zwar querbeet. Vor dem Veloblitz war ich zwei Jahre beim

Cats-Musical in Oerlikon Schlagzeuger. Nach diesem Engagement bin ich

zuerst in den Musikladen und danach zum Veloblitz arbeiten gegangen.

Hast du nie daran gedacht zu unterrichten?

In der Schweiz geben 90 Prozent der Musiker Stunden. Dort hat es bei mir

immer geharzt. Ich habe es ein paar Mal probiert, musste aber irgendwann

einsehen, dass das nicht mein Ding ist. Tja, und dort verdienen die meisten

Musiker halt ihr Geld. Schüler zu unterrichten, die sonst noch ins Karate,

Kung Fu oder im Fussballclub sind und keine halbe Stunde in der Woche

Zeit haben, um zu üben, das hat mich ziemlich frustriert als Lehrer. Ich

fahre lieber Velo. So wurde der Veloblitz halt mein Nebenerwerb. Das deckt

meine Fixkosten. Im Gegensatz dazu ist das Musikersein einfach zu wech-

selhaft. Manchmal läuft es gut und im nächsten Monat kann es sehr wenig

zu tun geben. Da schaut man halt in die Röhre. Und um das abzufedern

ist der Kurierjob ideal.

Du hast gesagt, dass du querbeet in verschiedenen Bands warst. Wie muss

man sich das vorstellen?

Ja, das war schon immer so. Einerseits spiele ich fest in verschiedenen

Bands und anderseits gibt es immer wieder Bands bei denen ich aushelfe,

wenn ihr Schlagzeuger ausfällt. Ich lerne ihre Stücke ziemlich schnell,

mache ein, zwei Auftritte mit ihnen. Das ist aber auch schon alles. Dann

haben sie wieder ihre eigenen Leute. Als Abwechslung ist das auch sehr

spannend. Das lief eigentlich auch immer gut. Ansonsten spiele ich in

Rock-, Pop-, Jazz-, Country- oder Cover-Bands. Bis vor kurzem war ich

wieder Schlagzeuger bei einem Musical in Bülach, das hiess „Storm“. Die

sind leider Konkurs gegangen. Vier Wochen haben wir gespielt. Es hätten

zwei Monate werden sollen. – Das erzähle ich nur, um zu zeigen, wie un-

berechenbar die ganze Musikszene ist. Ich bin froh, dass ich ein Standbein

habe, wie den Veloblitz. Wo ich weiss, dass Geld regelmässig reinkommt.

Hast du zurzeit eine eigene Band? Eine in der du fi x drin bist?

Da gibt es ein paar. Zum Beispiel die Band meiner Frau, die unter ihrem

Namen läuft: Sabine Fiegl. Es sind Singer-Songwriter-Sachen. Wir haben

schon drei CDs in New York aufgenommen. Mit dieser Band haben wir ein

paar Auftritte im Jahr. Das genügt natürlich nicht, um davon zu leben.

Dann gibt es noch die Shaking Piranhas, eine Ska-Party-Band.

Ausserdem bin ich Teil eines Trios, das unter dem Namen Kurt Acker-

mann läuft. Wir spielen vor allem Pop-Rock-Covers. An Privatfesten und

in einem kleinen Klub an der Limmatstrasse, im Westside. Dort haben wir

seit Januar 2008 schon 56 Mal gespielt, jeden Donnerstag. Wir sind quasi

Hausband. Und da hat es noch eine lustige Band, bei der ich manch-

mal aushelfe, die heisst „Led Airbus“, das ist eine Led-Zeppelin-Tribute-

Band. Die brauchen nämlich grundsätzlich zwei Schlagzeuger. Einer alleine

schafft das nicht. Nach einem Konzert braucht man eine Auszeit. Das ist

schwere körperliche Arbeit. Fix bin ich noch bei Doris Ackermann, das ist

eine Country-Folk-Pop-Band.

Die Liste lässt sich noch beliebig erweitern, ist aber schlussendlich nicht

so spannend. Doch: Blues Pack gibt es noch. Wir spielen modernen Blues,

der mit Funk angereichert ist. Das sind Winterthurer. Aber auch das sind

höchstens fünf bis sechs Konzerte im Jahr. Also nicht der Wahnsinn. Aber

da bin ich auch dabei.

Dein Engagement in der Musik hört sich recht gross an. Wie machst du das

neben dem Vatersein und dem Kurierjob?

Die Auftritte sind meistens am Wochenende, ausser dem fi xen Donner-

tagsgig. Das ist halt immer Abendarbeit. Darum geht es eben sehr gut am

anderen vorbei. Moritz ist jetzt neun, geht in die dritte Klasse, Leo ist sechs

und im zweiten Kindergarten. Wir haben es bis jetzt eigentlich immer ohne

Krippe geschafft. Meine Frau und ich können uns wie bei einem Puzzlespiel

gegenseitig ergänzen. Sabine ist Gesangslehrerin an zwei Musikschulen

und arbeitet an drei Tagen jeweils vom Nachmittag an in den Abend hinein.

Ich arbeite montags und dienstags am Morgen. Sie geht, sobald ich nach

Hause komme. Wir machen an diesen zwei Tagen sozusagen einen fl iegen-

den Wechsel. Mittwochs bin ich ganztags Hausmann. Und Sabine ist den

ganzen Tag in Winterthur am Konservatorium. Donnerstag ist dann ihr Tag

und ich bin den ganzen Tag im Veloblitz. Freitag ist auch gemischt. Sie ist

in der Regel am Abend zuständig, weil ich irgendwo spiele.

Diese Aufteilung hat sich mit den Kindern einfach so ergeben. Bei einer

Krippe hätten wir zwar beide gleichzeitig arbeiten können, einer von uns

hätte aber schlussendlich nur gearbeitet, um die Krippe zu bezahlen. Und

wenn mal jemand krank ist, springen meine Eltern oder meine Schwieger-

mutter ein. Wir haben ein funktionierendes Netzwerk.

Beim Veloblitz arbeite ich 20,5 Stunden, das sind ungefähr 50 Prozent. Hausmann bin ich an zwei Tagen in der Woche, also zu 40 Prozent. Musik mache ich an zwei bis drei Abenden pro Woche.

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Wohnen die Grosseltern alle in Zürich?

Nein, im Zürcher Oberland. Mein Vater hat aber ein Büro in Zürich. Alle Gros-

seltern sind schon pensioniert. Und sonst haben wir Babysitter. Bisher hat es

immer gut geklappt. Und jetzt sind die Kinder grösser und können auch Mal

kurz alleine zu Hause sein. Ein wichtiger Punkt ist sicher auch, dass wir das

Glück hatten, dass wir unseren älteren Sohn an einer Tagesschule unterbrin-

gen konnten. Es gibt leider nicht so viele in der Stadt. Wir dachten nicht, dass

er rein kommt. Wir mussten ihn anmelden und es hiess, dass am Schluss das

Los entscheidet. Am Info-Abend waren 300 Eltern und wir glaubten nicht,

dass wir wirklich eine Chance haben. Aber er wurde aufgenommen. Das Gute

ist, dass der Kleine jetzt auch automatisch in die Tagesschule kann. Ge-

schwisternachzug heisst das. Für uns ist das eine ziemliche Erleichterung.

Jetzt auf den ganzen Monat geschätzt, wie teilen sich deine drei Jobs pro-

zentual ungefähr auf?

Beim Veloblitz arbeite ich 20,5 Stunden, das sind ungefähr 50 Prozent.

Hausmann bin ich an zwei Tagen in der Woche, also zu 40 Prozent. Musik

mache ich an zwei bis drei Abenden pro Woche. Das sind jeweils sechs bis

sieben Stunden pro Job. Es kommt darauf an, wo das Konzert ist.

Hast du daneben noch Zeit für etwas anderes?

Ja, ja sehr viel. Ich habe noch etwa 15 Hobbys. – Nein, im Ernst, die Woche

ist recht voll. Ab und zu habe ich auch noch Proben, die ich zum Glück auf

einem Minimum halten kann. Aber nächste Woche beispielsweise probe ich

einen ganzen Tag mit einem Gospelchor. Da muss ich ein ganzes Programm

einstudieren. Das kommt aber höchstens zwei, drei Mal im Jahr vor.

Aber sonst liegt nicht wirklich viel drin. Ein Hobby, das ich noch habe,

ist Bergsteigen. Seit ich Kinder habe, ist das sehr schwierig. Einfach zwei

Tage in die Berge gehen zu können, kommt sehr selten vor. An den Wo-

chenenden geht es mir oft nicht und sonst ist das Wetter schlecht, wenn

man gerade abgemacht hat. Das klappt schlussendlich ein, zwei Mal im

Jahr. Aber, wenn die Kinder einmal grösser sind und ich dann noch mag,

dann... Sonst gehen wir halt wandern und geniessen das Essen. Aber, wie

gesagt, grundsätzlich ist die Woche voll. Es gibt zu Hause immer etwas zu

tun. Wäsche, die herumliegt usw.

Gibt es trotz der guten Organisation nie Stress?

Nein. Es geht erstaunlich gut. Ausser etwas Unvorhergesehen passiert. Wie

letzte Woche. Da hiess es im Kindergarten hätten sie Standortbestimmung

der Schule und die Kinder hätten den ganzen Donnerstag frei. Das ist aus-

gerechnet der Tag an dem wir beide arbeiten. Da rotiert man halt herum,

um jemanden für die Kinder zu fi nden. Manchmal sieht man es früher auf

den Zetteln, die die Kinder mitbringen, manchmal halt später.

Jetzt noch ein Blick zurück: Du bist seit 15 Jahren Velokurier. Wie war der

Veloblitz früher?

(Lacht) Zum Beispiel wurde Lohn selten ausbezahlt, da sich alle den

ganzen Lohn schon im Voraus auszahlen liessen. Als ich mich das ers-

te Mal nach meinem Lohn erkundigt habe, waren die Verantwortlichen

erstaunt, dass ich noch nichts vorbezogen hatte. Aber das ist eher eine

lustige Anekdote.

Über die letzten 15 Jahre ist der Veloblitz viel grösser geworden. Es hat

viel mehr Leute. Am Anfang ist man auf den Sofas gesessen und es waren

immer die gleichen 18 Nasen, die das Ding geschaukelt haben. Es gab

ein paar Vielfahrer und ein paar, die man etwas seltener sah. Heute ist es

viel schwieriger, die Übersicht zu behalten. Viele Leute sind schon wieder

weg, bevor du ihren Namen kennst. Handkehrum ist vieles professioneller

geworden: Abrechnungen, Versicherungssachen, Vorsorge. Früher war das

ziemlich hanebüchen. Da hat sich schon einiges geändert. Aber grund-

sätzlich hat sich die Ertragslage insgesamt ziemlich verschlechtert. Ich

durfte noch die goldenen Jahre des Velokuriergeschäfts miterleben. Die

fetten. Das war 1996-99. Da wurde ein Kurier bestellt, weil irgendwo im

Gebäude ein Brief lag. Egal ob er dringend war. Oder Fotos. Wenn irgendein

wichtiger Anlass bevorstand, haben wir von den Agenturen die Dias geholt

und den Medien gebracht und wieder zurücktransportiert. 1999 fi ng das

mit den digitalen Daten an. Dann ging es rapide abwärts. Früher war die

Konkurrenz auch viel kleiner.

Aber der Job an und für sich ist der gleiche geblieben: Du holst etwas und

bringst es vorbei. In wievielen Versionen kann man das durchspielen? Der

Job ist einfach und eignet sich auch für andere Leute, die Teilzeit arbeiten

wollen, etwa Studis. Er ist fl exibel und man kann mehr arbeiten, wenn man

Zeit hat. Wo kann man das sonst? Ein paar Monate vier Mal pro Woche und

dann wieder nur ein Mal? Vielleicht im Gastgewerbe.

Und Gore-Tex. Die ersten Veloblitz-Nylonjacken waren legendär. Im Regen

waren die in drei Sekunden nass und hingen an einem wie ein Sack. Zum

Glück war das bald vorbei. Ich kann mich an den ersten Winter erinnern.

Da hatte man lange Unterhosen an und Zeitungen unter die Kleidung ge-

stopft. Wenn man von Witikon runterfuhr, hatte man das Gefühl, es bläst

direkt rein. Bei minus 10 Grad. Bei den Klamotten hat es wirklich einen

Quantensprung gegeben.

Hannes, danke für das Gespräch.

Zum Beispiel wurde Lohn selten ausbezahlt, da sich alle den ganzen Lohn schon

im Voraus auszahlen liessen.

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Fotos: Chris Kerkhof und Frank Blaser, Text und Installation: Hofgrafen

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MEHR MEHR LEISTUNGLEISTUNGVelokuriere als dankbare Versuchskaninchen

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Viele Velokuriere in Zürich gehen ausser ihrem Kurierjob auch einem Studium

nach. Zwei ehemalige Veloblitzler, Karsten Kulik und Lorenz Götte konnten

beide Tätigkeiten für ihre Diplom-, bzw. ihre Doktorarbeit verknüpfen, indem

sie ihre Arbeitskollegen zu Studienobjekten machten. Über den Veloblitz und

seine Kuriere entstanden so zwei interessante Forschungsarbeiten, deren

Resultate teilweise internationale Aufmerksamkeit erhielten.

Mehr Leistung dank gezieltem Training der AtmungsmuskulaturDer Biologe Karsten Kulik untersuchte die Auswirkungen eines vierwöchigen

Ausdauertrainings der Atmungsmuskulatur. Seine Studie mit Velokurieren

als Probanden entstand in Zusammenarbeit mit Michael McMahon vom

Sportphysiologischen Institut der ETH / Uni Zürich und wurde in den Jahren

1997 und 1998 durchgeführt.

Um die Wirkung des Trainings nachzuweisen, absolvierten alle Kuriere in

einer ersten Phase eine Reihe von physiologischen Tests. Dadurch wurde

eine Vergleichsbasis geschaffen. Diese Tests massen Lungenvolumen, Lun-

gen-Vitalkapazität, Atmungsausdauer, Fahrradkraftausdauer, das maximale

Sauerstoffaufnahmevermögen, Laktatwerte und weitere atmungsphysiologi-

sche Werte.

Text: Karsten Kulik und Lorenz Götte, Illustration: Hofgrafen

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In der zweiten Phase wurde die Atmungsmuskulatur vier Wochen lang mit

einem kleinen Apparat täglich 30 Minuten lang trainiert. Der Apparat er-

möglichte es, hohe Volumen pro Minute zu atmen. Durch diese Hyperventi-

lation wurde die Atmungsmuskulatur ermüdet, respektive trainiert. Schwin-

delgefühle durch das Hyperventilieren wurden dadurch verhindert, dass die

Trainingsapparatur Kohlendioxid in der Atemluft anreicherte und so dessen

Konzentration im Blut konstant hielt.

Nach dieser vierwöchigen Trainingsperiode wurden in einem letzten Schritt

die gleichen physiologischen Tests durchgeführt wie in Phase eins. Die Re-

sultate waren eindeutig: Die Probanden wiesen eine verbesserte Atmungs-

ausdauer auf. Interessanterweise fand sich keine Änderung der übrigen

Parameter. Die Annahme, dass es durch eine verbesserte Atmungsausdauer

auch zu einer Verbesserung der Fahrradkraftausdauer und zu einem erhöh-

ten Laktatmetabolismus kommen könnte, bestätigte sich nicht.

Obwohl die Untersuchung der Kurierpopulation wie zu erwarten zeigte, dass

Velokuriere äusserst geeignete Versuchobjekte für eine solche Untersuchung

darstellen, waren ein paar Ausreisser bemerkenswert. So gab es beispiels-

weise einen Kurier, der 92 Milliliter Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht

pro Minute aufnehmen konnte und somit einen sehr hohen maximalen ae-

roben Wert aufwies. Die maximale Sauerstoffaufnahmekapazität dient als

Indikator für das Ausdauerpotenzial eines Menschen. Dieser Proband wies

mit diesen 92ml mehr Potenzial auf als Lance Armstrong (85ml) oder Jan

Ullrich (89ml).

Neben diesem Kurier mit Spitzenwerten bezüglich Sauerstoffaufnahme zeig-

ten einige seiner Kollegen ebenfalls aussergewöhnliche Messwerte an bei-

den Enden der Skala. Die Werte reichten vom olympischen Athleten bis zum

Kurier, dem man über die Strasse helfen möchte.

Mehr Leistung dank fi nanziellem AnreizVelokuriere zeigten auch interessante Resultate in einer Studie zur Ver-

haltensökonomie. Lorenz Götte, inzwischen Professor für Ökonomie an der

Universität Genf, führte seine Studie im Jahr 2000 als Assistent am Institut

für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Zürich durch. Mit dem

Velokurier als Studienobjekt konnte er sogar eine wichtige Wissenslücke in

der Arbeitsmarktökonomik schliessen.

Aus Sicht der Arbeitsmarktökonomik war die Ausgangslage klar: Wenn mehr

Lohn bezahlt wird, arbeiten Menschen mehr. Doch trotz aller Klarheit der

Aussage, ist es erstaunlich schwierig sie empirisch zu belegen. Die typi-

schen Datenquellen sind voller Messfehler bezüglich Löhne und Arbeitsstun-

den. In vielen Berufen ist es gar nicht möglich, mehr zu arbeiten, wenn die

Löhne steigen, obwohl man das vielleicht möchte. Kurz: Empirische Studien

mit konventionellen Datenquellen stossen schnell an ihre Grenzen.

Wie sich zeigte, sind ökonomische Daten von Velokurieren hingegen hervor-

ragend geeignet, um den Zusammenhang von Lohn und Leistung zu untersu-

chen. Kurierfi rmen führen genau Buch über die Arbeitsschichten. Zusätzlich

stehen weitere, interessante Werte wie die Produktivität von Kurieren (Um-

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MEHRLEISTUNGMEHRLEISTUNGMEHR

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satz pro Schicht) zur Verfügung. Aus diesem Grund machte Lorenz Götte, in

Absprache mit seinem Professor, dem Veloblitz folgendes Angebot: Während

8 Wochen sollten im Veloblitz den Fahrern die Löhne erhöht werden. In den

ersten vier Wochen erhielten alle Fahrer mit ungerader Fahrernummer 10

Prozentpunkte mehr Umsatzprovision, in den nächsten vier Wochen alle

Fahrer mit gerader Fahrernummer. Lorenz Götte bekam im Gegenzug alle

Daten (Umsatzzahlen usw.) über diesen Zeitraum für seine Studie. Nach

anfänglicher Skepsis unter der Fahrerschaft zeichnete sich dann doch eine

breite Zustimmung ab. Eine Erhöhung der Provision von rund 40 Prozent auf

50 Prozent hatte halt ihren Reiz.

Die Ergebnisse aus dem Experiment sprechen für sich: Die Abbildung zeigt

die Umsätze der Fahrer während der Untersuchung. Die Kurve zeigt, dass

beide Gruppen zu Beginn einen ähnlichen Einsatz brachten. Als der Lohn

einer Gruppe erhöht wurde, waren plötzlich grosse Unterschiede zu beo-

bachten. Fahrer, die in den ersten 4 Wochen eine höhere Provision beka-

men, erarbeiteten ca. 1000 Franken mehr Umsatz. Gleiches passierte in der

zweiten Periode. Die Unterschiede sind statistisch hochsignifi kant. Auch die

quantitative Seite ist erstaunlich: Bei einem durchschnittlichen Monats-

umsatz von 3500 Franken entsprach dies einer Erhöhung des Umsatzes

von knapp 30 Prozent und dies bei einer Lohnerhöhung von 25 Prozent.

Die Stärke der Reaktion, die dank der Kooperation mit Veloblitz gemessen

werden konnte, ist bis heute ein Weltrekord unter vergleichbaren wissen-

schaftlichen Untersuchungen.

Einmal Velokurier, immer Velokurier? Eine Anekdote von Lorenz GötteWährend meiner Tätigkeit als Senior Economist an der Federal Reserve Bank

of Boston hatte die mit der Sicherheit des Gebäudes betraute Polizei grosse

Mühe, mich als Angestellten der Bank zu erkennen. Der Grund: Obwohl sich

alle, die das Gebäude betraten, einer Kontrolle beim Eingang unterziehen

mussten, wurden Fahrradkuriere besonders gründlich untersucht. Sie wur-

den genauestens registriert und mit einem leuchtenden Kleber versehen, auf

dem gross „VISITOR“ stand.

Mir ging es sehr oft wie den Kurieren. Das hatte weniger mit meiner Klei-

dung als vielmehr mit der Tatsache zu tun, dass ich mit dem Velo zur Arbeit

fuhr. Dafür wurde ich nicht nur von den Polizisten ungläubig angestarrt. Vor

dem 32-stöckigen Hochhaus der Federal Reserve Bank gab es dementspre-

chend auch nur einen einzigen Veloständer für fünf Velos – und Platz hatte

eigentlich immer.

Mit dem Velokurier als Studienobjekt konnte sogar eine wichtige Wissenslücke in der

Arbeitsmarktökonomik geschlossen werden.

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EIN WIRKLICHES ERLEBNIS

Eine Form, in der Stadt zu direkten Erlebnissen zu kommen, ist

für mich das Radfahren. Ich wohne in Oerlikon, und wenn ich

Abmachungen in der Stadt habe, zu denen ich nicht gerade das

Cello mitnehmen muss, setz ich mich gewöhnlich aufs Velo, und

wenn ich auf meinem Einundzwanziggänger beim Milchbuck vor

den Ampeln zwischen zwei Lastwagen stehe, von denen einer

geradeaus weiter will und der andere rechts in den Tunnel, wenn

ich da stehe auf einem dieser rührend hingepünktelten gel-

ben Radstreifchen, die manchmal ganz überraschend am Boden

auftauchen, einen ein paar Meter weit begleiten und dann wie

eine Fata Morgana sofort wieder verschwinden, wenn man sie

wirklich brauchen könnte, zum Beispiel nach dieser Kreuzung,

wo man sich dann hinter eine Art Pfahlprovisorium schwindelt,

das nun schon so lange dasteht, dass man den Verdacht nicht

los wird, es sei zu unserm Schutz errichtet worden, müsste

man nicht eine halbe Minute später wieder raus und sich kühn

über zwei Spuren nach links hinüberschlängeln, zwischen Lie-

ferwagen, Motorrädern und Hochzeitsbussen, weil man in den

grossen Velokanal einbiegen will, der einen von Zürich Nord

zur Uni bringt - wenn man sich dem anvertraut, wird man nur

gerade zweimal über eine grosse Strasse getrieben, auf welcher

der Autoverkehr wie ein Wildbach daherrauscht, allerdings ein

Wildbach, der hinunter und hinauf gleichzeitig rauscht, das ist

eben die städtische Variante, und wenn ich dann aus der Sonn-

eggstrasse in die Winterthurer Strasse einbiege und wieder so

ein Stücklein Gelb am Boden sehe, das aber merkwürdig nahe

beim Universitätsspital wieder verschwindet, und dann die Rä-

Eigentlich glaube ich, dass wir in unserem wohlorganisierten Alltag alle zu wenig er-leben. Auf irgendeine seltsame und softe Art manövrieren wir uns an den wirklichen Erlebnissen vorbei, wenigstens wir in Zürich oder in Männedorf oder Thalwil, oder warum wären wir sonst so begeistert, wenn wir auf einer Mittelmeerinsel mit dem Fischer im Boot hinausfahren dürfen oder wenn wir in unsern drei Ferienwöchlein in den Bergen dem Bauern die Kühe in den Stall zurücktreiben helfen.

Text: Franz Hohler, Illustration: Res Zinniker

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Page 39: KARACHO das Jubiläums Magazin des Veloblitz 2009

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mistrasse hinabsteche und mir überlege, ob ich die Autokolonne rechts

oder links überholen soll und dann links über die Tramschiene balan-

ciere mit ruckartigem Anheben des Vorderrads wie ein Radballprofi , und

kurz vor der Kreuzung wieder zwischen zwei stockenden oder kriechen-

den Stosstangen rechts hineinschlüpfe, wenn ich dann beim Pfauen vom

Sattel steige, auf die Uhr schaue und sehe, dass ich mit dem Tram zehn

Minuten länger gefahren wäre, vom Auto gar nicht zu sprechen, dann

habe ich den Eindruck, ich hätte wirklich etwas erlebt, und ich fühle mich

vielleicht etwa so wie ein Senn, der mitten in einem Gewitter eine verirrte

Kuh zurückgeholt hat - der Unterschied wäre einfach der, dass das Ver-

kehrsgewitter in der Stadt kein Naturereignis ist, sondern etwas, das wir

beeinfl ussen könnten - wenn wir wollten.

„Eine Form, in der Stadt zu direkten Erlebnissen zu kommen, ist für mich das Radfahren.“

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Mit einer unrühmlichen Szene fängt es an, kurz nach einer Ampel, an der

ich von einem dienstbefl issenen Lohnbezüger des Polizeidepartementes

aufgehalten werde, oder nein, ich muss noch weiter ausholen: Auf dem

Weg in die Zentrale gelingt es mir, obwohl ich um diese Tageszeit für

gewöhnlich kaum schnelle Refl exe zeige, sämtlichen Scherben rechtzeitig

auszuweichen. Es gelingt mir auch, vor dem Befahren des Gitterrosts, der

direkt vor der Zentrale, offenbar als Teststreifen fahrerischen Könnens, in

den Boden eingelassen ist, mein Vorderrad kurz leicht quer zu stellen, so

dass ich nicht steckenbleibe und also nicht gleich am allerersten Morgen

mit dem Gesicht auf dem Steinboden zur Tür hereinkomme.

Da ich als einer der Ersten in der Zentrale aufkreuze, überlässt es der

Disponent mir, das Funkgerät auszuwählen. Ich nehme die Nummer sieben,

meine Lieblingszahl. Nervös bin ich, unsicher in meinen Bewegungen, und

ich lasse mich, der ich mich in diesem Trikot wie verkleidet fühle, irritie-

ren von den Sprüchen, die die anderen machen, oder genauer: Ich denke,

die machen Sprüche, ahne aber schon, dass die immer so sprechen. Ich

stelle mich gerade etwas umständlich an mit dem Brustgurt, in dem das

Funkgerät getragen wird, als mir einer sagt, ich müsse, damit ich den Dis-

ponenten über Funk möglichst gut verstehe, mein Ohr an den Wind legen

wie einen Löffel an den nächsten. Ich nicke, als hätte mir jemand einen

kulturgeschichtlichen Gemeinplatz vermittelt. Trotz aller Sorgfalt fahre ich

beinahe ohne Helm los, und nach den ersten paar Metern, als ich am Kairo

vorbeiziehe, muss ich zugeben, wie mich etwas in dieses Lokal hineinzieht,

zugeben, dass ich jetzt, statt im Nieselregen, statt in der relativen Kälte,

gerne drinnen auf dem alten Polster und in einer nie gehörten Musik her-

umsitzen würde, sei es auch bloß, um den Stadtplan zu studieren, den ich

mir extra gekauft habe, um ihn im Duft eines Kaffees auf die volle Größe

aufzufalten und in aller Ruhe zu einem auch den Disponenten überzeu-

genden Entscheid zu gelangen, welche Straßen mich am besten dorthin

führen, wo jene Haustür liegt, hinter der mein erster Auftrag beginnt. Ja,

Stadtkenntnis, haben sie gesagt. Stadtkenntnisse, und ob ich über solche

Text: Urs Mannhart

„KURIERNOVEL-LE ODER DER HEIMLICH NOCH ZU ÜBERBRIN-GENDE SCHLÜS-SELBUND DER ANTONIA SETTEMBRINI“Berner Velokurierbuch - ein Auszug

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verfüge. Na ja, ein bissche lügen muss doch erlaubt sein. Ich weiß, wo die

Aare durchfl ießt und wo nicht, und dass einer, der neu anfängt, nicht jeden

Schleichweg kennt, davon ist doch auszugehen. Leider sehen alle andern

so aus, als lebten sie von Kindsbeinen an in dieser Genossenschaft, als

wären sie bei der Gründung 1988 dabei gewesen und als könnten sie sich

gar nicht vorstellen, dass es auch Menschen gibt wie mich, die zuvor in

einem gut klimatisierten Büro gearbeitet haben.

Die meisten Kuriere haben übrigens ungewöhnlich lange Nasen. Mag mit

dem Wind zu tun haben, der ihnen in jahrelanger Fahrt die Gesichtshälf-

ten geschmälert hat, ich weiß es nicht; mit einem Arbeitsleben, das sich

stets nach vorne orientiert, mit einer Vorwärtsfantasie. Die hartgesottenen

Genossenschaftler fahren auch bei diesen widrigen, nasskalten Bedingun-

gen in kurzen Hosen. Wahrscheinlich besitzen sie gar keine langen. Oder

sie wollen nicht, dass das Fischgerippe, das ihre Wadenmuskulatur ziert,

überdeckt wird. Einige haben sich ihre Nummer in aufwändiger Handarbeit

aufs Trikot gestickt, andere tragen Fußballsocken am Unterarm, einige

polieren den Stahl ihres makellos glänzenden Rads, mit dem sie gleich in

den Regen ziehen werden, andere rauchen noch rasch zwei Filterlose, ehe

die Schicht beginnt.

Pünktlich um acht Uhr stehe ich ein erstes Mal in der Kette, wie die Ku-

riere sagen, stehe in der Kette des alten Pinarello und sehe zu, dass ich

in den richtigen Gang, auf das richtige Tempo gelange, damit ich mich in

den Verkehr einfügen kann. Ich müsse mich, hat einer gesagt, durch den

motorisierten Verkehr bewegen wie heißes Wasser durch einen vereisten

Bergbach. Ich glaube, diese Kuriere haben alle irgendwo einen Flick weg

– noch ist unklar, ob ich mich hier jemals heimisch fühlen werde. Ich

selbst trage lange, nicht sonderlich elegante Trainingshosen aus schwar-

zer Baumwolle, etwas Tauglicheres habe ich nicht auftreiben können. Aber

auf meinen Waden gibt es ohnehin nichts zu sehen, ein paar Haare viel-

leicht über der Ahnung eines Muskels. Ich werde schon froh sein müssen,

wenn ich nicht vom Rad falle, denn es ist das erste Mal überhaupt, dass

ich mit diesen Pedalen fahre und mit diesen Schuhen, die darin einrasten

wie ein Skischuh in seine Bindung.

Diesen Stress, so denke ich, hätte ich mir besser erspart: Fortwährende,

direkt neben und hinter mir fahrende Angst, nicht aus dieser Verankerung

zu kommen, bei einem Rotlicht stehend oder vor der Tür eines Kunden in

einer kaum für möglich gehaltenen Langsamkeit umzufallen, bloß weil ich

den Schuh nicht rechtzeitig vom Pedal reißen kann. Kurzfristig hatte ich

mich zu diesem Kauf entschieden, ich fürchtete, mich dem Spott preiszu-

geben, wenn ich meine erste Schicht mit diesen antiken Pedalen fahren

würde, bei denen nichts als ein Körbchen den Schuh fi xiert; Pedale, die

danach aussehen, als fahre ein alter Mann gemächlich durch die Dämme-

rung auf seinen Bauernhof zu. Noch kann ich nicht nachvollziehen, worin

der Vorteil der neuen Pedale genau liegt. Geübte Fahrer, so der Verkäufer,

könnten damit nicht nur den runden Tritt perfektionieren, sondern auch

problemlos jene kleinen Sprünge vollführen, die hin und wieder nötig

seien, um von der Straße auf den Gehsteig zu wechseln. Darüber, dass

man mit diesen Schuhen kaum gehen kann, ohne wegen der Metallplatte,

die aus der Sohle ragt, ständig auszurutschen, darüber hat der Verkäufer

kein Wort verloren.

„Velokurierbuch“, ISBN: 978-3-909990-21-4, Edition EigenArt. Hardcover, Prägung, 192 Seiten.

CHF 30.- exkl. Porto und Versand. Respektive CHF 100.-- für die signierte Spezialausgabe mit

integriertem Veloschlauch.

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42 / REPORTAGE /

Mit 30 Kilo auf dem Buckel täglich auf den Pfannenstiel pedalen - für 50 Franken im Monat: So war Ferdy Kübler vor 75 Jahren Velokurier. Ums Geld ging es ihm nicht, Kübler wollte Rennfahrer werden, Kurierfahren war sein Training. Auch ich habe das versucht. Die Tour de France konnte ich nie gewinnen, aber immerhin war ich Radprofi .

VOM KURIER ZUM TOUR DE FRANCE-SIEGER

Text: Simon Joller, Illustration: Hofgrafen

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Page 43: KARACHO das Jubiläums Magazin des Veloblitz 2009

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Geld verdienen mit dem Radfahren, das war einer meiner Bubenträume.

Ja, die Tour de France gewinnen, ein abgebrühter Patron sein wie Bernard

Hinault, ein Asket wie Urs Zimmermann, ein cooler Hund wie Laurent

Fignon, ein Materialfreak wie Greg Lemond, ein Nationalheld wie Ferdy

Kübler. Ich hatte viele Vorbilder. Die verrückten Messenger gehörten

nicht dazu. Und doch landete ich beim „Blitz“. So konnte ich schliesslich

bezahlt trainieren.

Aus dem Sieg an der Tour de France wurde natürlich nichts. Doch immer-

hin habe ich einmal in meinem Leben Geld verdient mit dem Radfahren.

Und ich konnte damals sagen: „Ich bin Radprofi .“ Ich war stolz darauf,

dachte: „Darauf ist wohl noch kaum einer gekommen, sich das Training

von einem Kurierunternehmen bezahlen zu lassen.“ Bis ich mich in die

Literatur über Ferdy Kübler vertieft habe. Und da erst habe ich erfahren,

dass der das schon 65 Jahre vor mir so gemacht hatte. Nur viel erfolg-

reicher. Und konsequenter. Und verrückter. Nie habe ich 30 Kilogramm im

Rucksack getragen. Ferdy machte das regelmässig. 30 Kilogramm Brot in

der „Chräze“, und dann nicht etwa vom Limmatquai zur Bahnhofstrasse,

sondern hinauf auf den Pfannenstiel, zum „Türli“, dem letzten Restaurant

auf dem Berg, mit einem bleischweren Militärrad. Was der junge Ferdy

damals machte, hiess einfach noch „Ausläufer“ und nicht Velokurier. Ferdy

fuhr zuerst für den Bäckermeister Schneebeli aus Männedorf, dann für

den Uhrenladen Barth an der Bahnhofstrasse und den Parfum-Verkäufer

Uhlman-Eyraud. 15 Jahre später hat Ferdy National die Tour de France

und ein Jahr später, 1951, die Weltmeisterschaft gewonnen.

Ferdy ist zum Schweizer Sportler des Jahrhunderts gewählt worden. Seine

Geschichte bewegt bis heute. Ferdy hat gerade seinen 90. Geburtstag ge-

feiert. Ich durfte ihn besuchen zu Hause in Birmensdorf. Und er erzählte,

als sei er erst gestern noch Ausläufer gewesen: „Als ich da auf den Pfan-

nenstiel gefahren bin, da ist dann öfters Mal was kaputt gegangen. Mal ein

Pedal, dann wieder eine Kette, dann ein Rad. Der Velo Hefti sagte immer:

Der Kübler ist mein bester Kunde, der kommt jede Woche.“ Das Militär-

rad gehörte dem Beck Schneebeli, und der hat ihm die Reparaturkosten

jeweils vom Lohn abgezogen. „Aber Frau Schneebeli, sie war eine liebe

Frau, sie hat mir das Geld wieder gegeben und gesagt: Du musst einfach

nichts sagen, Ferdy.“ Auch ich hatte ein geliehenes Velo. Von einem Freund,

der den Kurierjob kurz zuvor an den Nagel gehängt hatte. Zum Glück war

das etwas stabiler als Ferdys Militärrad. Als ich es zurückgegeben habe,

hat die Revision aber doch auch mehr als meinen letzten Monatslohn als

Kurier verschlungen – obwohl ich alles selber repariert habe.

Ferdy Kübler nannten sie in Männedorf den „Bäckerschreck“. Weil er mit

seiner Hutte am Rücken wie ein Verrückter über die Strassen raste. Stras-

sen, die meist noch nicht asphaltiert waren. Besonders auf der Abfahrt

vom Pfannenstiel jagte er den Fussgängern oft einen gehörigen Schreck

ein – und landete dabei öfters auch im Strassengraben. Oder Ferdys Ge-

schichte mit der Zwetschgenwähe: Er balancierte sie nonchalant auf der

Hand, doch kurz bevor er bei der Villa ankam, wo er sie abliefern sollte,

fl og er in hohem Bogen in ein Blumenbeet. Die Wähe klatschte auf das

Vorderrad. Ferdy, ass, was noch zu essen war, kehrte zum Bäcker zurück

und sagte ihm: „Herr Schneebeli, die Kunden hatten solche Freude an der

prächtigen Wähe, sie möchten gleich noch eine Zweite.“ Schneebeli durch-

schaute Ferdy, versetzte ihm eine Ohrfeige und meinte nur: „Lügicheib!“

So richtig hingelegt hat es mich nie beim Kurierfahren. Aber Abends, im

Büro, da wurden jeweils die unglaublichsten Geschichten geboten. Bis zum

Sturz unter dem Lastwagenanhänger hindurch. Doch erst wenn wieder mal

ein Kollege ein paar Monate nicht zur Arbeit erschien, wussten wir: Da war

was dran, an der über ihn erzählten Geschichte.

Manchmal hat meine rasante Fahrweise einen Autofahrer einen Rück-

spiegel gekostet, manchmal gab es lange Diskussionen. Gut, ich musste

jeweils erklären, warum ich und nicht er recht hatte. Natürlich. Und so-

wieso hatte und hat es zu viele Autos auf der Strasse. Nicht so wie vor

75 Jahren. Ferdy erzählt: „Mit den Autos war es nicht böse, es gab ja

keine. Manchmal kam eines alle halbe Stunde, heute kommen sie alle 10

Sekunden.“ Und so beendete auch ein Auto Ferdys Zeit als Velofahrer. Er

war 70 Jahre alt, als ihn am Türlersee ein Mercedes über das Strassen-

bord katapultierte. „Da habe ich Angst gekriegt und bin nie mehr auf ein

Velo gestiegen.“

Für Ferdy war das Kurierfahren die einzige Möglichkeit, das Velofahren be-

gründen zu können: „Damals hatte man nicht viel gegeben ums Velofahren.

Heute fährt ja jeder Generaldirektor. Doch damals galten Velofahrer als

Tagediebe. Wir durften nicht im Renndress trainieren, zogen Shorts an über

die Rennhosen.“ Als Ausläufer hatte er wenigstens einen Job, bei dem er

trainieren konnte. Doch dieses Training reichte ihm noch nicht: „Ich ging

manchmal morgens um vier trainieren, um acht arbeiten, danach wieder

trainieren bis abends um zehn Uhr.“ Und da begann ich zu verstehen,

warum ich es trotz bezahltem Training eben doch nicht zur Tour de France

geschafft habe.

Was der junge Ferdy damals machte, hiess ein-fach noch „Ausläufer“ und nicht Velokurier.

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44 | Jubiläumsausgabe

HERMES – GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI MIT RAD UND TAT! (Übers. einer Inschrift auf dem Belag der alten Rennbahn im antiken Olympia, ca. 500 v.Chr.)

HERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMESHERMES – – – GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, HERMESGÖTTERBOTE, HERMESHERMESHERMESGÖTTERBOTE, HERMESGÖTTERBOTE, HERMESGÖTTERBOTE, HERMESHERMESHERMESGÖTTERBOTE, HERMESHERMESGÖTTERBOTE, HERMESHERMESHERMESGÖTTERBOTE, HERMESGÖTTERBOTE, HERMESGÖTTERBOTE, HERMESHERMESHERMESGÖTTERBOTE, HERMESHERMESGÖTTERBOTE, HERMESHERMESHERMESGÖTTERBOTE, HERMESGÖTTERBOTE, HERMESGÖTTERBOTE, HERMESHERMESHERMESGÖTTERBOTE, HERMESHERMESGÖTTERBOTE, HERMESHERMESHERMESGÖTTERBOTE, HERMESGÖTTERBOTE, HERMESGÖTTERBOTE, HERMESHERMESHERMESGÖTTERBOTE, HERMESHERMESGÖTTERBOTE, HERMESHERMESHERMESGÖTTERBOTE, HERMESGÖTTERBOTE, HERMESGÖTTERBOTE, HERMESHERMESHERMESGÖTTERBOTE, HERMES – GÖTTERBOTE,

– – – GÖTTERBOTE,

– GÖTTERBOTE,

– GÖTTERBOTE,

– – – GÖTTERBOTE,

STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, GÖTTERBOTE, STEH UNS BEI GÖTTERBOTE,

MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND MIT RAD UND TAT! TAT! TAT! TAT! TAT! TAT! TAT! TAT! TAT! TAT! TAT! TAT! TAT! TAT! TAT! Text: Peter Zangerl, Illustration: Hofgrafen

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Am Anfang war ein EselZeus, man kann es nicht verhehlen, war noch ein echter Kerl. Er hat selten

lange gefackelt, wenn ihm eine holde Göttin, Titanin oder ein Menschen-

töchterlein vor die Lenden geriet. Um die Aufzucht der Brut hat er sich nie

gekümmert. Im Fall von Hermes*, dem Spross aus dem Beischlaf mit der

Atlastochter Maia, war das auch gut so. Der stets jähzornig aufbrausende

Donnerer hätte den Jungen doch nur verdorben. So war und blieb Hermes

ein kluges Kerlchen: Neueste Übersetzungen alter Quellentexte haben uns

die folgende Sage zugänglich gemacht, in der sich Hermes in seiner gan-

zen Durchtriebenheit zeigt.

Es lebte zuzeiten ein bescheidener Mann in Lakedaimon namens Tram-

polos, der hatte eine wunderschöne Tochter, die hiess Brittneia. Zeus,

der Betörer, hatte bei ihr leichtes Spiel, als er sie in Gestalt des lokalen

Eselzureiters Hossas entjungferte. Die schwangere Brittneia wurde folg-

lich dem Hossas anvertraut, und bald kam sie nieder mit einem blonden

Knäblein. Weil dieses schon als Säugling strampelte, wie wild, gab man

ihm den Namen Pedilatos.

Als der Zeusspross herangewachsen war, hatte er nicht nur stramme

Waden und ein Hinterteil wie Leder, sondern auch ein loses Mundwerk. Er

ehrte seine Eltern nicht, nein, er verspottete sie tagein, tagaus. Statt den

Göttern zu opfern spuckte der Halbstarke (Anm. des Übers.: altgr. demigur-

kos) in die heilige Flamme. Das erzürnte im speziellen Hestia, die Amme

(Anm. des Übers.: altgr. hypernanneia) unter den Göttlichen: „Zeus, sieh,

dein Sohn Pedilatos spottet unser und ehrt auch nicht Vater und Mutter.

Er soll für seine Freveleien büssen!“ Da sprach der Aegisschleuderer:

„Wohlan, ich lasse dir freie Hand, ich bin etwas in Eile. Bin schon spät

dran für mein Stelldichein mit Paris, der nymphenhaften, der beglückenden

Wirtstochter.“ Und verschwand.

Hestia zögerte keinen Augenblick und trug Hermes auf, dass er zu Pedila-

tos niederschweben solle, um diesen an die Kandare zu nehmen. Von nun

an bis in alle Ewigkeit müsse der missratene Zeussohn ohne Ross und

Wagen, ohne Hilfe von Menschen oder Göttern in der ganzen Welt zuwege

sein und Reisende, die nach dem Weg fragen, in die Irre leiten.

Der Götterbote wollte sich dem Willen seiner Oheimin nicht widersetzen,

aber er erbarmte sich seines Halbbruders und erschuf – in Andenken an

dessen Ziehvater Hossas – Bicyclos, den ehernen Esel, damit Pedilatos

nicht zum ewigen Wanderer werde, sondern seinem Naturell entsprechend

zum ewigen Trampel! Zudem empfahl ihm der listenreiche Maiasohn, sich

beim Fahren immer tief über den Lenker zu beugen und das Gesicht wie

unter Schmerzen zu verziehen: So würden ihn auch die skythischen Fell-

händler und einfältigen Schlachtenbummler um Rat fragen – auf dass er

diese unerwünschte Brut ins Land schicke, wo das Pfeffer wächst!

Hier bricht die Erzählung ab.

Es wird gemunkelt, dass Pedilatos seinem Schicksal bis heute nicht

entronnen ist. In unserem Zeitalter, wo es asphaltierte Strassen gibt, he-

phaistisch anmutende Karbonräder und göttlichen Nektar wie Cera, Tes-

tosteronpfl aster und Coca Cola, scheint er sogar in seinem Element. Zu-

sammen mit seinem schelmischen Gönner Hermes, der sich jeweils in die

Gestalt seines Freundes Pedilatos verwandelt, um an seiner Stelle in die

Probenbecher zu urinieren. So führt er seit bald zehn Jahren die Radsport-

gemeinde hinters Licht. – Leider dürfen wir an dieser Stelle keine Namen

nennen, denn wir wollen weder den Zorn der irdischen Richter noch den

der Götter auf uns ziehen!

*Hermes ist in der griechischen Mythologie der Schutzgott des Verkehrs,

der Reisenden, der Kaufl eute und der Hirten, andererseits auch der Gott

der Diebe, der Kunsthändler, der Redekunst, der Gymnastik und somit auch

der Palästra und der Magie. Als Götterbote verkündet er die Beschlüsse

des Zeus und führt die Seelen der Verstorbenen in den Hades. Er gehört zu

den zwölf großen Olympischen Göttern.

Als der Zeusspross herangewachsen war, hatte er nicht nur stramme Waden und ein Hinterteil wie Leder, sondern auch ein loses Mundwerk.

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DIE ERFAHRUNG DER WEITEMit dem Fahrrad durch Kasachstan. „Hier beginnt nun also der wilde Osten“, geht es mir durch den Kopf, als ich von meinem Fahrradsattel aus den Blick über die karge kasachische Steppe schweifen lasse. Ich stehe neben dem letzten Zollposten und bin froh, soeben die mühsame Grenzprozedur nach dem Verlassen Russlands hinter mir zu haben.

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Fotos und Text: Res Blum

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Page 47: KARACHO das Jubiläums Magazin des Veloblitz 2009

/ REPORTAGE / 47

DIE ERFAHRUNG DER WEITE

Aralstrasse in Kasachstan

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Page 48: KARACHO das Jubiläums Magazin des Veloblitz 2009

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Unbekanntes KasachstanKopfschüttelnd schaut der Kasache mich und

mein Drahteselchen an: „Weisst du eigentlich,

wie schlecht die Strassen in Kasachstan sind?“

Nein, weiss ich nicht. Wenn ich die trostlose

Gegend und das lottrige Häuschen neben mir

sehe, so habe ich aber meine Befürchtungen. Ich

schaue mir den Mann an, wohl ebenso neugierig,

wie er mich bestaunt, und wundere mich, wie

asiatisch seine Gesichtszüge sind. Erst später

werde ich begreifen, wie multikulturell Kasach-

stan ist, dass hier fast ein Drittel Russen, viele

Ukrainer und sogar Deutsche beheimatet sind. In

der Steppe, die ich vor mir habe, leben jedoch

fast ausschliesslich die eigentlichen Kasachen,

ein Turkvolk, dem etwas mehr als die Hälfte der

in Kasachstan lebenden Menschen angehören.

Am Morgen bin ich im von Russen dominierten,

oasenhaften Astrachan an der Wolga gestartet.

Vor mir erstreckt sich nun die schier unendliche

Weite der zentralasiatischen Steppe. Irgendwo

unweit von hier im Süden erahne ich das Kaspi-

sche Meer. Ich werde es nie sehen. Der Grenzver-

kehr zwischen Russland und Kasachstan scheint

überraschend klein zu sein, kaum ein Auto lässt

sich blicken. Im Magen verspüre ich ein leicht

mulmiges Gefühl, wie jedes Mal wenn ich auf

meiner Reise ein neues, mir noch unbekanntes

Land unter die Räder genommen habe. Doch

diesmal ist es mulmiger da unten. Ich habe auch

einigen Grund dazu: Auf mich warten 2500 km

Niemandsland, wie ich glaube: endlose Steppe

und Halbwüste bis zu den Bergen des Tian Shan.

Bei der Planung meiner Reise war es dasjenige

Teilstück meiner Route, vor dem ich etwas ratlos

dagestanden bin. Eine riesige, öde Lücke auf der

Karte, die mit dem Velo nicht einfach rasch über-

sprungen werden kann. Kasachstan, wer kennt

schon Kasachstan. Obschon das neuntgrösste

Land auf der Erde, sechsundsechzig Mal grösser

als die Schweiz, weiss in Europa fast niemand

etwas über diesen zentralasiatischen Staat, der

nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 neu ent-

standen ist.

Mir kommen die Räubergeschichten in den Sinn,

von denen ich gelesen habe, etwa von den Last-

wagenfahrern, denen bis auf die Unterhosen

alles abgenommen wurde. Auch weiss ich von

den Atomtestprogrammen, die die Sowjetunion

seit Ende der 40er Jahren, im scheinbar unbe-

wohnten Nichts im kasachischen Osten bei Se-

mipalatinsk durchgeführt hat – zum Glück weitab

meiner geplanten Route. Und eine Menge Öl soll

es geben. Schon merkwürdig, dass bei uns über

dieses Land eigentlich vor allem Negatives be-

kannt ist – aber das war ja bereits in der Ukraine

und Russland so und da haben mich Land und

Leute sehr angesprochen.

Und ich denke daran, dass ich nun alleine unter-

wegs sein werde. Wie sich Dani wohl fühlt? Mit

ihm bin ich vor 80 Tagen in der Schweiz gestar-

tet, am 30. Juni, voller Hoffnung und Tatendrang.

Gemeinsam haben wir die österreichischen Al-

pen erkundet, die ungarische Puszta durchfahren,

die Karpaten in Rumänien überquert, uns durch

die weite Hügellandschaft und die steile Küsten-

Irgendwo unweit im Süden ahne ich das Kaspische Meer.

Ich werde es nie sehen.

Die kasachische Steppe im Sonnenuntergang

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Page 49: KARACHO das Jubiläums Magazin des Veloblitz 2009

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strassen auf der Krimhalbinsel in der Ukraine

gearbeitet, um schliesslich in Russland bei As-

trachan das phantastische, in voller Lotusblüte

stehende Wolgadelta zu bestaunen. Und dann

wollte Danis linkes Knie nicht mehr. Nichts zu

machen. Obschon das Knie geschont wurde, ver-

schlimmerten sich die Schmerzen von Tag zu Tag.

Schlussendlich musste ich mich entscheiden:

Entweder will ich mit Dani im Zug oder aber

alleine weiterfahren. Ich habe mich für letzteres

entschieden. Eine schwere Entscheidung. Hatte

es zu Beginn ein paar Mal leichte Spannungen

zwischen uns gegeben, so haben wir uns recht

rasch aneinander gewöhnt und sind Freunde

geworden. Wir hatten uns via Internet mit dem

gleichen Ziel vor Augen zusammengefunden: uns

so weit wie möglich mit dem Fahrrad nach Osten

in Richtung Tibet durchzuschlagen. Nicht nur weil

es uns sicherer erschienen ist, sondern weil es

einfach schöner ist, Freud und Leid zu teilen.

Aber was soll’s. Es ist der 20. August. Mit der

Abmachung, uns am 15. September in Bishkek

in Kirgistan wieder zu treffen, haben wir uns am

Morgen verabschiedet. Dani hofft, in Kirgistan

wieder mit von der Partie zu sein, wenn sich das

Knie erholt hat. Via Internet wollen wir in der

Zwischenzeit in Kontakt bleiben. Das sollte nicht

so einfach sein.

Ich trete in die Pedale und muss alsbald fest-

stellen, dass die Frau, die mir auf dem Grenz-

fl uss angeboten hat, Geld zu wechseln, die ein-

zige Möglichkeit gewesen ist, meine Rubel in

Tenge, die kasachische Währung, umzuwechseln.

Ich hatte keine Ahnung vom Wechselkurs und

nur für den Notfall umgerechnet zehn Franken

gewechselt. Nun muss dies für gut zwei Tage bis

ins 250 km entfernte Atyrau reichen. Aber das

Essen ist ja billig: Für umgerechnet zwei Franken

bekomme ich eine Mahlzeit, das Wasser dazu

ist gratis. So sollte ich durchkommen. Die erste

Nacht schlafe ich unter freiem Himmel etwas

abseits der Strasse in einer sandigen Nische. Das

Zelt wage ich nicht aufzustellen, zu gut könnte

es von der höhergestellten Strasse aus gese-

hen werden. Ist das übervorsichtig? Ich weiss es

nicht. Die Nacht bricht herein und ich betrachte

die Sternenpracht über mir. In der trockenen Luft

fernab störender Lichteinfl üsse erscheint mir

der Kosmos ungewohnt nah. Wie klein doch der

Mensch ist.

Am nächsten Morgen zuerst einmal „Veloputzete“,

etwas, das mich nun praktisch jeden Tag be-

schäftigt – ja, zu einem Ritual wird. Der Sand

setzt sich überall fest und fungiert vor allem

an Kette und Kränzen als bestes, unerwünschtes

Schleifmittel. Die Strasse ist noch immer relativ

gut beisammen, noch kann ich den Schlaglö-

chern recht gut ausweichen. Ich habe leichten

Rückenwind und komme rasch voran. Am Abend

treffe ich auf eine grössere Siedlung, Aquystau

steht auf meiner Karte. Einfache Häuschen reihen

sich entlang der staubigen Strassen. Ich werde

von einem alten Mann angesprochen, der mich

in sein einfaches Zuhause führt, wo ich bewir-

tet und anschliessend im Dorf rumgeführt werde.

Leider gestaltet sich die Konversation äusserst

schwierig, da viele hier noch schlechter russisch

Obschon das Knie geschont wurde, verschlimmerten sich die Schmerzen von Tag zu Tag.

Alter Mann auf der Strecke nach Atyrau

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Butterherstellung nach alter Art auf der Strecke nach Aral

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Oben: eingeladen zum Beshbarmak, unten: Usbeken-Familie bei Turkestan

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sprechen als ich, will heissen, nur ein paar Wor-

te kennen. Als ich mich neben dem Enkel zur

Ruhe legen kann, bin ich hundemüde. Zwei Mal

werde ich in der Nacht geweckt, zuerst vom an-

getrunkenen Vater, später vom Grossvater selber,

spät nach Mitternacht. Offenbar wollen sie mich

von meiner Absicht, durch Kasachstan zu fah-

ren, abhalten: viel zu gefährlich, wie sie meinen.

Vielen Dank für die „Beruhigung“. Ihre Fürsorge

rührt mich jedoch. Die Aufregung scheint fast die

gesamte Nacht zu dauern, und als ich mich am

Morgen auf den Weg machen will, da bringe ich

es nicht einmal mehr zustande, sie zu wecken.

Offensichtlich zuviel der Aufregung und des Wod-

kas. Ich muss mich schlussendlich ohne Verab-

schiedung aus dem Staub machen.

Erdölfelder unter der SteppeIn Atyrau fallen sogleich die grossen, modernen

Bürogebäude auf, die in dieser gesichtslosen Stadt

einen seltsamen Kontrast zur Umgebung bilden.

Als Kasachstan unabhängig wurde, brauchte

das Land dringend Geld. Nichts lag näher, als

die immensen Erdöllagerstätten im Bereich des

Kaspischen Meeres anzuzapfen, die zur Zeit der

Sowjetunion kaum ausgebeutet worden waren.

Da das Know-how fehlte, um das Öl zu Fördern,

wurden vorwiegend amerikanische Ölfi rmen ins

Land geholt. Chevron oder Exxon sind hier heute

allgegenwärtig. Nur gut 100 km südlich von Aty-

rau liegt das erst im Jahre 2000 entdeckte Ölfeld

Kashagan, das als weltweit grösster Erdölfund

seit 30 Jahren gilt, und im Osten davon fi ndet sich

mit dem Tengiz-Ölfeld das zweitgrösste Erdölfeld

Kasachstans. Berücksichtigt man die Tatsache (es

ist eine, auch wenn es viele noch nicht wahrha-

ben wollen), dass das schwarze Gold schon bald

immer knapper und teurer werden wird, so kann

man nur erahnen, welche Bedeutung dieser Re-

gion auf der internationalen politischen Bühne in

den nächsten Jahrzehnten zukommen wird.

Solche Überlegungen sind für mich fürs Erste je-

doch unwichtig und ich habe in Atyrau nur ein

Ziel: möglichst rasch mein Visum registrieren zu

lassen, um dann herauszukommen aus dieser

Stadt. Es gefällt mir hier nicht. Der Verkehr ist

halsbrecherisch, ich fi nde trotz aller Mühe kein

funktionierendes Internet oder ein Telefon, mit

dem ich mich zu Hause melden könnte und die

Hotels sind allesamt enorm überteuert. Auf dem

Registrationsamt werde ich auf den nächsten Tag

vertröstet, und als man mir dann endlich Ein-

lass gewährt, muss ich stundenlang warten. Dank

einer zufällig anwesenden Dolmetscherin gelingt

es mir die Formalitäten abzuschliessen, und ich

kann mich wieder hinaus in die weite Steppe be-

geben. Ich bin wieder frei. Mit dem Überqueren

des Uralfl usses befi nde ich mich nun offi ziell in

Asien. Ein gutes Gefühl, aber der grosse Wechsel

hat bereits nach dem russischen Astrachan statt-

gefunden, oder sogar zuvor in Elista, wo einen die

asiatischen Gesichtszüge der Kalmücken bereits

in Asien wähnen liessen.

Nach Atyrau führt die zunächst noch gute Strasse

durch eine sanft hügelige Steppe in der immer

wieder vereinzelt Salzseen auftauchen. Siedlun-

gen hat es hier keine. Bei Dossor fi nde ich in ei-

ner Tschaikhana, so heissen hier die Raststätten,

eine gute Übernachtungsmöglichkeit. Im Kreise

kasachischer Lastwagenfahrern esse ich mein

Nachtessen. Ich kann mich für einen Abend einer

kleinen Gemeinschaft anschliessen, in der alle

weit weg sind von Hause. Das tut gut. Das Essen

wird mir samt Übernachtung und Frühstück am

nächsten Morgen spendiert. Nette Leute. Der Be-

sitzer der Tschaikhana zieht mit meinem Draht-

eseli noch voll Freude ein paar Runden um sein

Haus, bevor ich mich verabschiede.

War die Strasse bis hierhin noch ansprechend

gut, sollte sich dies nun alsbald ändern. Nach

Maquat scheint sie sich fast vollständig aufzu-

lösen. Zahlreiche Fahrspuren suchen sich ihren

Weg durch die Steppe. Bin ich überhaupt noch

auf der eigentlichen Strasse? Zum Glück scheinen

all die Wege wieder zusammenzuführen, und bald

schon weiss ich, dass ich richtig liege. Rund um

mich herum nichts als trockenes Grasland. In der

Ferne sehe ich Tornados an mir vorbeiziehen und

vor mir bauen sich wiederholt Gewittertürme auf,

aber glücklicherweise bleibe ich von alldem ver-

schont. Die Natur droht mir zwar, meint es aber

doch gut mit mir.

In Mygur, einem einsamen Dorf in der Nähe ei-

nes Erdölfeldes, werde ich bei einer Grossfami-

lie zum Übernachten eingeladen. Der Vater ist

eben dabei gewesen, seine Schafe einzutreiben,

als ich im letzten Tageslicht vorbeiradelte. Es

wird „Beschbarmak“, das traditionelle Gericht

der Kasachen und Kirgisen, aufgetragen. „Besch“

heisst Daumen, „Barmak“ Finger, wie man mir

zu verstehen gibt. Entsprechend isst man die-

ses Gericht, das aus Teigwarenblättern, Zwiebeln

und Fleischstückchen besteht, auch: nämlich von

Hand und zwar alle aus dem gleichen grossen

Teller, aufgestellt in der Mitte des Tisches. Mir

werden die besten Stücke hingereicht und es

schmeckt vorzüglich! Ich hoffe nur, dass alle

die Hände gut gewaschen haben. Spät am Abend

kann ich mich endlich in ein mir im Wohnzimmer

zurechtgemachtes Bett legen und erschöpft ein-

schlafen. So schön und spannend diese Begeg-

nungen auch sind, sie sind nach einem langen

Radeltag sehr anstrengend. Morgen werde ich

wieder ein einsames Plätzchen irgendwo in der

Steppe suchen. Ein solches zu fi nden wird mir ja

nicht schwer fallen.

Schöne Begegnungen – meistensIn den folgenden Tagen schwanke ich andauernd

zwischen Hoffen und Bangen, dass die Strasse

endlich wieder besser, resp. nicht noch schlech-

ter wird. Kurze gute Abschnitte, wechseln ab mit

katastrophalen Schlaglochkaskaden. Dasselbe

gilt für den Wind. Andauernd scheint er sich für

eine neue Richtung zu entscheiden, wehen tut

er immer, zum Glück mehrheitlich von hinten.

Die Landschaft ist durch weitläufi ge Hügelzüge

geprägt, ab und zu überquere ich eine grössere

Geländekante. Das Auge verliert sich am Hori-

zont. Stundenlang fahre ich tiefer hinein in diese

endlose Weite. Von Zeit zu Zeit sehe ich in der

Ferne die Eisenbahn, die sich langsam durch das

Grasland schleppt. Die meisten Güter für die an

der Bahnlinie liegenden Dörfer, werden wohl auf

den Schienen transportiert. Auf der Strasse hat

es nur sehr spärlich Verkehr.

In Qandyaghash erreiche ich den nördlichsten

Punkt meiner Reise, nahe dem 50° Breitengrad.

Ich unternehme einen weiteren Versuch, ein funk-

tionierendes Internet zu fi nden – vergeblich. Von

Qandyaghash führt ein Strasse direkt nach Aral

im Südosten. Eine Abkürzung, aber auch ein Ab-

In den folgenden Tagen schwan-ke ich andauernd zwischen Hoffen und Bangen, dass die Strasse wieder besser wird.

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Obstverkäuferin in Kasachstan

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Oben: zwei Höcker haben Vortritt, unten: Schlafen in der unendlichen Weite von Kasachstan

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stieg in der Strassenkategorie auf meiner Karte.

Mir schwant Übles und vor meinem geistigen

Auge tauchen bereits metertiefe Löcher im Belag

auf. So schlimm sollte es zum Glück nicht wer-

den und ein anderes Problem macht mir alsbald

mehr Sorgen. Die Strasse ist sehr einsam und

das dies nicht eben mehr Sicherheit bedeutet,

das muss ich bald erfahren. Ich bin mir bereits

gewohnt, dass Autofahrer anhalten, um mir die

Hand zu schütteln, um mich zu fotografi eren, oder

um mir etwas Essen zu geben – und um mich zu

Fragen was ich denn hier verloren hätte. Die, die

ungefähr 60 km nach Qandyaghash anhalten, die

wollen aber mehr: 500 Dollar, um genau zu sein.

Es sind acht junge Burschen, so gegen 20 Jahre

alt. Ich versuche, ihnen klarzumachen, dass ich

nicht so viel Geld besitze. Sie drohen mir. Wir

diskutieren gegen zwei Stunden, ehe sie sich mit

15 Dollar zufrieden geben. Zwar froh, dass ich

und vor allem mein Gefährt ungeschoren davon-

gekommen sind (es ist ja so ein tapferes, klagt

nie, wiedersteht allen Strassen und ist doch so

verletzlich), verspüre ich eine aufkommende Wut

in mir auf diese Typen, die mir am Ende noch

erklärten, Allah werde mir ewig dafür dankbar

sein, ja, ja. Zum Glück habe ich mich beherrscht,

alles ist gut.

Ich überquere eine grössere Hügelkette, einen

der Ausläufer des Urals aus dem Norden. Es

wird langsam heisser. Ich trinke acht Liter pro

Tag, und meine grösste Sorge ist, immer genug

Wasser zu haben. Das man so viel trinken kann

und doch immer Durst hat! Einmal muss ich in

der der Not in einem Dorf abseits der Strasse

nach Wasser fragen. Ich werde sogleich vom

halben Dorf umringt. Die Leute sind mir die-

ses Mal zu zudringlich, und obschon es kurz

vor Sonnenuntergang ist, fl iehe ich fl uchtartig

wieder hinaus in die Steppe. Ein sympathischer

junger Kasache kann mich ausserhalb des Dor-

fes aber überzeugen umzukehren, um bei ihm

und seiner Familie zu übernachten. Ein schöner

Abend, an dem mir die Englischlehrerin des

Dorfes (die gibt es hier tatsächlich!) aufzeigt,

wie arm die Leute sind. Meist leben sie nur

von ein paar Schafen oder einem Kamel. Wenn

man bedenkt, dass es hier im Untergrund rie-

sige Erdöllagerstätten hat und Präsident Nas-

arbayev einer der reichsten Männer der Welt

sein soll! Ich erfahre auch, dass ich der erste

Ausländer sei, der hier je Halt gemacht hat. Ich

fühle mich geehrt.

Nach Kair, so hiess das Dorf, erreiche in Shal-

qar, die Bezirkshauptstadt der Region – ein

nächster Wendpunkt, ein nicht vorgesehener.

Man erklärt mir wiederholt, dass die direkte

Strasse nach Aral in einem so schlechten Zu-

stand sei, dass ich einen Umweg fahren müsse,

über das sogenannte Aral-Trassee im Osten.

Das sind zusätzliche 180 Kilometer! Aber eine

noch schlechtere Strasse? Nein danke, lieber

bin ich ein, zwei Tage länger im Sattel. So fahre

ich wiederum nach Osten durch eine schöne,

tafelbergartige Hügellandschaft auf meist gu-

tem Asphalt. Weit und breit kein Haus zu sehen.

Ewige Steppe. Als ich das Aral-Trassee errei-

che, immerhin die grosse Nord-Süd-Verbindung

im Osten des Landes, muss ich jedoch bestürzt

feststellen, dass sich auch diese Strasse im

Stadium der Aufl ösung befi ndet. Motocrossfah-

rer würden wohl ihre Freude haben, nicht so

ich. Entweder geht’s über während Regenpha-

sen aufgetürmte, nun erstarrte Schlammberge,

oder ich sinke mit meinen Rädern im weichen

Sand ein. Übernachten und verpfl egen kann ich

mich in den Tschaikhanas, die sich hier meist

in regelmässigen Abständen von rund 30 km,

Rettungsinseln gleich, an der Strasse befi nden.

Die Leute sind extrem freundlich! Und dann

ein schöner Moment: Ein Auto hält und zwei

Schweden steigen aus. Marcus und Theres sind

den ganzen Weg von ihrer Heimat bis hierhin

mit ihrem alten Mercedes gefahren. Schön sich

wieder einmal mit jemandem richtig unterhal-

ten zu können. Wie ich, sind sie auf dem Weg

nach Kirgistan. Sie sollten dort etwas schneller

ankommen. Aber so richtig wunderbar war es

hier aus einem anderen Grund, genauer: dem

Untergrund. Auf einmal hatte ich wunderbaren,

herrlichen Asphalt unter den Rädern! Er sollte

mich nun bis Kirgistan nicht mehr verlassen.

Oh, du herrliche schwarze Fläche. Leider soll-

te sich auch etwas anderes ändern: der Wind.

Hatte ich bis hierhin mehrheitlich Rückenwind,

so gab’s nun starken seitlichen Gegenwind aus

Ostnordost, konstant und von Tag zu Tag stärker

und heisser werdend.

Vom Aralsee bis ans Endeder kasachischen SteppeMüde und ausgelaugt erreiche ich Aral (oder

Aralsk). Heiss und staubig ist es. Dort, wo vor

50 Jahren noch der dazumal viertgrösste See

der Welt ein kühles Bad ermöglich hat, sind jetzt

Salzseen. Oh, wie schön wäre jetzt ein Bad. Da-

raus wird leider nichts. Heute ist das Ufer über

100 km vom einstigen Fischerdorf entfernt. Ich

komme bei Sergeij Sokulov unter, einem Hydro-

logen, bei dem sich eben eine Aralsee-Expedition

aufhält. Ich erfahre einiges über den Aralsee:

Der See hat seit 1960 88 Prozent seiner Masse

und 70 Prozent seiner Fläche verloren und sich

inzwischen in zwei Seen aufgeteilt. Der grosse

Aralsee im Süden ist nicht mehr zu retten. Bald

wird von ihm fast nur noch eine riesige, giftige

Salzlache übrig bleiben. Das Wasser des einzigen

Zufl usses, des Amudaria, dem grossen Fluss von

Usbekistan, wird zu einem grossen Teil für die

Baumwollproduktion abgezweigt. Der Seespiegel

des kleinen Aralsees ist dagegen gegenüber sei-

nem Tiefpunkt bereits wieder um 3 m angestie-

gen. Der Grund: Heute verhindert ein 13 km lan-

ger und 16 m hoher Damm, dass das Wasser des

Syrdarya-Flusses weiter in den grossen Aralsee

abfl iessen kann.

Einen Tag lang erhole ich mich bei Sergeij, be-

vor ich mich wieder in den Sattel schwinge, um

mich den Bergen des Tian Shan weiter zu nähern.

Zunächst fahre ich durch eine öde Halbwüste.

Bald jedoch wechselt der Landschaftscharakter.

Ich fahre mehr und mehr in meterhohen Schilf-

schluchten. Das Wasser des Syrdarya haucht der

Steppe hier Leben ein. Oft gibt es Melonen am

Strassenrand zu kaufen und die Siedlungen wer-

den zahlreicher. Ich passiere Baikonur, das Zen-

trum der russischen Weltraumfahrt, und komme

langsam den Bergen des Tian Shan näher. Ich

passe meinen Tagesrhythmus dem Klima an: Bei

Sonnenaufgang wird losgefahren, wenn die Tem-

peraturen und der nach wie vor wehende Wind

noch erträglich sind. Am Nachmittag, wenn die

Temperaturen gegen 40 Grad ansteigen und der

starke, staubige Wind mit voller Wucht von Ost-

nordost beginnt, unerträglich ins Gesicht zu bla-

Ich erfahre auch, dass ich der erste Ausländer bin, der hier

je Halt gemacht hat.

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Oben: Ebene am Fuss des Pamirgebirges in Kirgistan, unten: Landwirtschaft im Ferganatal

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Kirgisische Reiter

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sen, muss ich mir jeweils ein Plätzchen irgend-

wo im Schatten suchen. Am wiederum kühleren

Abend kann dann ein Schlussspurt vor die un-

tergehende Sonne gesetzt werden. Vor Turkestan,

in der Ferne, ist bereits ein fl acher Gebirgsaus-

läufer des Tian Shan zu sehen, dann die Wende:

Nordwind! Ich fl iege nur so über den Asphalt,

welch ein Genuss, endlich.

Turkestan ist eine vor allem von Usbeken be-

wohnte Stadt mit einer wunderschönen blauen

Moschee, dem Akhmed Yassawi Mausoleum.

Weniger schön ist deren Umgebung, die an eine

Baustelle erinnert. Ich übernachte am Ausgang

der Stadt bei einer Usbeken-Familie, eingela-

den von den beiden Familienoberhäuptern, zwei

Polizisten. Sie freuen sich so sehr über meinen

Besuch bei ihnen, dass sie mich am nächsten

Tag zu einer Moschee mitschleppen, Widerstand

zwecklos. Ich werde kurz interviewt, es werden

Bilder geschossen und viele Hände geschüttelt,

ehe ich mich endlich weiter auf die Räder ma-

chen kann. Die Berge locken. Leider ist es duns-

tig, als ich in Schimkent am Fusse des Tian Shan

eintreffe. Aber bald nach dar Stadt tauchen sie

auf, majestätisch und nach der ewigen Steppe

eine unglaubliche Wohltat für mein Auge. Und

wunderbar grün ist es hier! Berge heisst hier

Leben. Das Wasser der zahlreichen Gebirgsbäche

kommt mir, so jungfräulich den Bergen entsprun-

gen, ungewohnt frisch und unverbraucht vor, als

ich mich darin wasche.

Es geht wieder nach Osten, entlang der Ber-

ge die hier der Ebene einen südlichen Riegel

schieben. In Tarar Rüskulov komme ich bei ei-

ner russisch-deutschen Familie unter. Es ist fast

wie ein Heimkommen. Sie kümmern sich rührend

um mich. Aber ich spüre bei ihnen eine gewis-

se Bedrücktheit. Der wirtschaftliche Niedergang

nach dem Zerfall der Sowjetunion hat hier viele

arbeitslos gemacht, und so hat auch Alexander,

der russisch-stämmige Mann, seine Arbeit als

Elektriker verloren. Wie man ihnen wohl helfen

könnte? Der Abschied fällt mir schwer, aber ich

muss weiter, muss ich doch in ein paar Tagen in

Bishkek sein, wo ich Dani treffen soll. Die Fahrt

über einen ersten Pass ist traumhaft. Ich fühle

mich wie im Frühling, auch wenn es der Herbst

ist, der hier nun Einzug hält. Nach Taraz ist es

nur noch gerade 8 Grad warm, und der Schnee

an den nahen Bergen scheint zum Greifen nahe.

In der letzten Nacht dann zum ersten Mal Regen.

Ich fl üchte mich in eine verlassene Bushalte-

stelle, werde jedoch um 3 Uhr von einer Gruppe

Kasachen geweckt, die mit mir ein paar Flaschen

Wodka leeren und mich in ihr Dorf mitnehmen

wollen. Um den Wodka komme ich einmal mehr

nicht herum, aber wenigsten gelingt es mir, sie

zu überzeugen, dass ich meinen Schlaf dringend

brauche. Am nächsten Tag stehe ich endlich an

der Grenze zu Kirgistan. Ein wunderbares Gefühl.

Ein Traumland ist erreicht, eine lange Fahrt durch

Kasachstan mit unerwartet vielen Eindrücken,

zahlreichen netten, unglaublich gastfreundlichen

Menschen (mit ein paar wenigen Ausnahmen)

und einer doch noch endend wollenden Steppe

liegt hinter mir. Ihr Staub wird noch lange an

mir haften bleiben. Nicht an den Kleidern. Nein,

sondern tief in mir.

Kasachische Jungs

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Tian Shan vor dem Aufstieg ins Gebirge

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Halbe Milliarde Fahrräder„That‘s a fact“ singt Katie weiter („it‘s a thing we can‘t deny, like the fact

that I will love you till I die“). Nun, Liebe ist bekanntermassen vergäng-

lich. Und Verkehrsmittel sind es auch. Fakten also, harte chinesische

Velofakten: In Peking gibt es, kein Zweifel, Unmengen von Velos – wievie-

le genau, weiss allerdings kein Mensch. Eine kleine Presseschau liefert

allerlei Siebenstelliges: 4 Millionen, mehr als 10 Millionen, 7,5 Millionen.

Simon Babes, der als Verkehrsexperte in einem Planungsbüro in Shang-

hai arbeitet, wagt auch keine exakte Schätzung: „Es ist auf jeden Fall

eine riesige Zahl.“ Und: „In Shanghai sind es womöglich noch mehr, die

Stadt ist kompakter und fl acher, das heisst velofreundlicher als Peking.

Allerdings, und das gilt für beide Metropolen: Ein grosser Teil davon wird

nie benutzt.

In ganz China dürfte es ungefähr eine halbe Milliarde Velos geben, rund

1,4 Exemplare pro Haushalt. Zum Vergleich: In der Schweiz ist die Zahl

mit 1,2 Velos pro Haushalt tatsächlich ein wenig kleiner. China ist der

mit Abstand grösste Veloproduzent der Welt. Gut 80 Millionen Velos

werden jedes Jahr hergestellt, was einem globalen Marktanteil von fast

60 Prozent entspricht. Etwas mehr als ein Viertel der Produktion wird

auf dem Heimmarkt verkauft, der Rest geht zumeist als Billigware in

den Westen.

Soweit die Velo-Zahlen. Nun zum kleinen grossen Bruder: 1978 gab es

in ganz China noch nicht mal halb so viele Autos wie in der Schweiz.

Inzwischen hat sich die Zahl gut verzwanzigfacht. Es dürften inzwischen

bereits über 50 Millionen Autos auf Chinas Strassen unterwegs sein, die

meisten in den grossen Städten. Die Zahl wächst um 15 Prozent jedes

Jahr, was bedeutet, dass es in zehn Jahren bereits 150 Millionen Autos

sein werden. Und China hat nicht nur in Sachen CO2-Ausstoss zu Ame-

rika aufgeschlossen, auch in der Verkaufsstatistik hat China die USA als

grössten Automarkt der Welt abgelöst.

Vom Velo zum AutoEs gibt in Sachen Veloverkehr eine kritische Schwelle. Es gibt, anders

gesagt, so etwas wie Velo-Resonanz: Wenn genug Leute mit dem Velo

unterwegs sind, werden es wie von selbst noch viele mehr. Oder anders

herum: Wenn nicht mehr genug Leute mit dem Velo unterwegs sind, bricht

der Veloverkehr mit einem Mal ein. Bis vor etwa zehn Jahren war China

klar über der Velo-Schwelle: In den grossen Städten waren die Velo-

fahrer immer in ganzen Schwärmen unterwegs, und was Zugvögel vor

Angreifern schützt, das macht auch Velofahren wesentlich sicherer. Die

Strassen gehörten den Velofahrern. Die spärlichen Autos mussten sich

den Zweiradströmen fügen und sorgten kaum für Gefahr. Zudem gab es so

etwas wie einen velomobilen Gruppendruck: Es war nicht nur praktisch

Text: Roland Fischer, Illustration: Hofgrafen

„There are nine million bicycles in Beijing“ – so sang sich Katie Melua vor ein paar Jahren in die Hitparaden. Peking als Velostadt, China als Veloland: So stellt man sich das im Westen gern vor. Aber China ist unaufhaltsam auf dem Weg Richtung Moder-ne und da stören die Drahtesel, sowohl im Stadt- wie im Selbstbild. Velos stehen für das alte China, das neue will Autos.

VELO-CHINA

China ist der mit Abstand grösste Veloproduzent der Welt.

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und billig, mit dem Velo unterwegs zu sein, es war für so gut wie alle

Gesellschaftsschichten schlicht üblich – es gehörte sich so.

Doch allmählich kippt es: In den grossen Städten machen sich Auto- und

Velofahrer längst den spärlichen Platz auf den Strassen streitig. Velo-

streifen in China sind oft so grosszügig bemessen, dass sie auch von den

Motorradfahrern und Autos gern als zusätzliche Fahrspur benutzt werden.

Es wird gefährlich für Velofahrer auf Chinas Strassen, und deshalb lassen

mehr und mehr Chinesen ihr Velo zuhause stehen. Und je kleiner die Ve-

loschwärme werden, desto gefährlicher wird es für den einzelnen Fahrer.

Zudem: Wo Velofahren mal eine gewissermassen politische Angelegenheit,

ein fügsames Sich-Einordnen und Parteiwillen-Befolgen war, so ist es nun,

aus diesem autoritären Rahmen herausgelöst, bloss noch eine ökonomi-

sche Notwendigkeit. Die Armen fahren weiter Velo, doch wer sich ein Auto

leisten kann, der wird sich ohne Zögern eins besorgen. Nicht weil er es

unbedingt bräuchte, nicht weil die Wege zu weit sind, sondern weil es das

Prestige verlangt. Der Druck wird nicht mehr von der Masse, sondern von

der neuen Oberschicht diktiert. Und die orientiert sich ungeniert am Westen,

genauer: am westlichen Lebensstil, und der beinhaltet nun mal ein Auto.

Von der Kuriosität zum ParteiprogrammEin Blick zurück: Als chinesische Diplomaten die ersten Berichte von selt-

samen fussbetriebenen Zweirädern aus Europa mitbrachten, betrachtete

man die Geräte mit Faszination, befand diese Fortbewegung aus eigener

Kraft aber als unziemlich für einen chinesischen Edelmann. Ein gewisser

Binchun schilderte das Schauspiel 1866 in einem Brief: „Auf den [euro-

päischen] Strassen fahren Leute auf einem Gefährt mit nur zwei Rädern,

die von einem Rohr zusammengehalten werden. Sie sitzen auf diesem

Rohr und stossen es durch Treten mit ihren Füssen voran und halten das

Gefährt auf diese Weise in Gang. Es gibt aber auch noch eine andere Kon-

struktion, die durch Fusspedale angetrieben wird. Die Menschen schiessen

wie galoppierende Pferde vorwärts.“ Tatsächlich war es damals für die

dünne Schicht der reichen Chinesen (also die einzigen, die sich die teure

Extravaganz hätten leisten können) undenkbar, sich per Velo fortzubewe-

gen. Die Oberschicht vermied es nach Möglichkeit sogar, in der Öffentlich-

keit zu Fuss zu gehen. Man liess sich in einer Sänfte tragen, oder, wollte

man sich ein wenig moderner geben, in einer Rikscha ziehen.

Nichtsdestotrotz war China interessiert an Neuerungen aus dem Westen,

aber das Interesse war vor allem ein ökonomisches und militärisches.

Das Velo war unter den Wundern der Industrialisierung bloss eine Rand-

bemerkung. Generell wurden die Industriegüter nicht einfach mit offenen

Armen empfangen. Bahnbrechende ausländische Produkte zu benützen,

hiess einerseits an seiner eigenen Kultur zu zweifeln und bedeutete dazu

nicht selten, fundamentale soziokulturelle Vorgaben zu ignorieren. Die

Der Druck wird nicht mehr von der Masse, sondern von der neuen Oberschicht diktiert.

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Orientierung gen Westen war immer mit Skepsis unterlegt – und ein Chi-

nese auf dem Velo bestens eine Witzfigur.

Die ersten Velos in China wurden in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts

deshalb von den Ausländern in den sogenannten Vertragshäfen, Schanghai

und Tianjin (wo der Handel mit dem Westen abgewickelt wurde) oder in

der Hauptstadt Peking gefahren. Die Velofahrer in Shanghai wurden gar

als Touristenattraktion gehandelt und in Reiseführern speziell erwähnt.

Man zollte diesen ausdauernden „Sportsleuten“ Respekt, mokierte sich

aber auch genüsslich über Stürze und andere Missgeschicke mit dem

prekären Gerät. Allmählich wagten sich aber auch Chinesen, zunächst aus

Übersee heimkehrende Studenten und Geschäftsleute sowie Prostituierte in

den Häfen (die keinerlei gesellschaftlichen Zwängen unterlagen) auf das

Velo. Es kündete sich ein Umbruch an: Neben den alten Eliten, die nichts

mit dem Velo am Hut hatten, gab es nun plötzlich andere, der Moderne

gegenüber sehr aufgeschlossene Schichten, die das Velo gewissermassen

gesellschaftstauglich machten. 1897 tauchten Velos das erste Mal in den

Importstatistiken auf – mehr als 800 Exemplare fanden jedoch noch nicht

den Weg nach China. Aber immerhin, Velos waren nun offiziell mehr als

einfach nur eine Kuriosität.

Im Hinterland dagegen sollte es noch lange gehen, ehe das Velo von den

Chinesen akzeptiert wurde. In Chengdu, mit 1,5 Millionen Einwohnern das

wirtschaftliche Zentrum Westchinas, gab es 1904 gerade mal sieben Fahr-

räder, drei davon gehörten Fremden, drei verschiedenen staatlichen Insti-

tutionen, und nur eines gehörte einem chinesischen Privatmann. In vielen

chinesischen Städten blieb dieses Bild bis in die 40er Jahre die Regel.

Nur in den Hafenstädten wuchs die Zahl der Velofahrer anfangs des 20.

Jahrhunderts allmählich. In Schanghai, das damals zwei Millionen Ein-

wohner hatte, zählte man im Jahr 1925 noch 9800 Velos, bis 1930 hatte

sich diese Zahl auf circa 20‘000 verdoppelt. Heute dürfte es in Schanghai,

wie gesagt, mehr Velos als in Peking geben. Aber auch hier ist eine exakte

Schätzung ein Ding der Unmöglichkeit.

Bis zum Zweiten Weltkrieg gab es zwar schon chinesische Fabriken, die

Velos in Massenproduktion herstellten, sodass sich mehr und mehr Men-

schen ein Velo leisten konnten. In Schanghai gab es um 1940 schon über

200‘000 Velos. Doch so richtig ging die chinesische Velo-Saga erst mit der

Gründung der Volksrepublik China 1949 los. Die kommunistische Führung

machte das Velo zu einem Teil des politischen Programms. Die Industrie

wurde stark gefördert und der Absatz der Velos subventioniert. Das Velo

war nun nicht mehr Statussymbol für eine vermögende Oberschicht, es

war das Volksverkehrsmittel schlechthin. Schon bald wurde die magische

Grenze einer Million Velos durchbrochen. Man begann, separate Velospuren

in die urbane Strassenplanung einzubeziehen und Pendler bekamen beim

Kauf eines Velos grosszügige Zuschüsse. Das Velo wurde zum „Must“. Bis

Von einem Auto wagte der gemeine Chinese vor fünfzig Jahren nicht einmal zu träumen.

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zur wirtschaftlichen Öffnung Chinas und der Verbreitung eines bescheide-

nen Wohlstands galt für alle Chinesen derselbe sehnsüchtige Dreiklang:

Armbanduhr, Nähmaschine, Velo. Heute nennt man sie nostalgisch die

„drei alten Sachen“.

Das Auto verdrängt das FahrradVon einem Auto indessen wagte der gemeine Chinese vor fünfzig Jahren

nicht einmal zu träumen. Niemand konnte sich ein Auto leisten, denn

eine inländische Produktion gab es nicht, und Importwagen wurden saftig

besteuert. Ein paar Funktionäre kamen in den Genuss eines Wagens (in-

klusive Chauffeur, versteht sich), und zu Beginn der wirtschaftlichen Öff-

nung auch einige besonders reiche Privatleute, die sich mit Vorliebe fast

unbezahlbare Nobelkarossen zulegten. Doch seit es in China wirtschaftlich

aufwärts geht, ist das Auto zum neuen Musterknaben geworden, und das

Velo steht im politischen Abseits. Erst seit gut 25 Jahren gibt es in China

eine eigentliche Autoindustrie, doch diesen Januar gaben die chinesischen

Behörden bekannt, dass man das Undenkbare geschafft hat: Mit 735’500

verkauften Autos pro Jahr hat China die USA als grössten Automarkt der

Welt abgelöst. Und nach oben ist noch viel Luft: Auf tausend Einwohner

kommen in China gerade mal 24 Autos, in der EU sind es 300 und in den

USA gar 750. Die Autoindustrie gilt der chinesischen Führung als Wachs-

tumsmarkt schlechthin. Deshalb wird (mit tatkräftiger Unterstützung der

Weltbank) auch ordentlich in neue Strassen investiert: Das chinesische

Autobahnnetz hatte im Jahr 1989 eine Länge von 271 km, 1995 waren es

1300 km, Anfang 2007 schon 43’000 km; geplant bis 2011: 85’000 km.

Allerdings: So verlockend die Perspektiven in ökonomischer Hinsicht sind,

eine starke Verkehrszunahme können vor allem die grossen Städte gar

nicht mehr verkraften. Die Durchschnittsgeschwindigkeit, mit der sich der

motorisierte Verkehr beispielsweise durch Peking wälzt, liegt bei kaum

mehr als 10 Stundenkilometern und damit nicht höher als diejenige ei-

ner gemütlichen Velofahrt. Staus sind allgegenwärtig, was natürlich auch

den öffentlichen Verkehr, der in China nach wie vor aus meist veralteten

Bussen besteht, bremst. Dazu kommt noch die schlechte Luftqualität, und

so wächst mancherorts tatsächlich wieder so etwas wie ein neues Velo-

Bewusstsein. Ein fragiles Pflänzchen allerdings.

Mobilitätskonzepte setzen auf motorisierten VerkehrEnde September 2009 beteiligten sich zum Beispiel über hundert chinesi-

sche Städte am global ausgerufenen „Autofreien Tag“, in dessen Rahmen

Teile der Stadt für den motorisierten Verkehr gesperrt werden. Und es

kommt vor, dass auch im Land des politisch verordneten Konsenses Ver-

kehrsexperten die Städteplanung in immer deutlicheren Worten kritisieren.

Umweltaktivistin Amanda Cui sagt geradeheraus: „Der Regierung sind Velos

egal. Es gibt kein Programm, um das Velofahren zu fördern, im Gegenteil.

Die Regierung setzt auf Privatautos und öffentlichen Verkehr.“ Tatsächlich

tauchen Velos kaum je in chinesischen Mobilitätskonzepten auf.

Grosse Städte wie Schanghai setzen auch auf westliche Expertise bei der

Bewältigung des Verkehrschaos. Colin Buchanan, die Beratungsfirma, die

ihren Hauptsitz in London hat, ist seit 2006 Jahren mit einem eigenen

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Büro in Schanghai präsent und hat auch schon einen Masterplan für

die Stadt erarbeitet. In diesen sind Vorschläge eingeflossen, wie man

das Velofahren wieder populärer machen könnte, doch erhört wurden sie

kaum. „Bis vor zwei Jahren gab es definitiv eine Anti-Velo-Politik“, sagt

auch Simon Babes, der bei der Shanghai-Velostudie mitgearbeitet hat. In

letzter Zeit habe er aber ein langsames Umdenken festgestellt. Er sieht

Anzeichen, dass man das Velofahren zumindest in Shanghai wieder at-

traktiver machen will. Die Zahlen sind tatsächlich deutlich: Vor 10 Jahren

kam in Schanghai und Peking für den Arbeitsweg noch zu 60 Prozent das

Velo zum Einsatz, heute sind es noch gut 20 Prozent. Viel mehr Leute als

früher nähmen heute den Bus, sagt Babes, obwohl dieser meist langsam

und chronisch überfüllt sei. Das Velo sei für viele bloss noch ein Notna-

gel. „Wenn ich eine halbe Stunde mit dem Bürgermeister hätte, ich würde

mit ihm nicht über Velos, sondern über Busse reden“, sagt Babes. Hier

sieht er grosses Potenzial – dem Velo werde wohl nie mehr eine ähnlich

bedeutende Rolle zukommen.

Wachstum kommt vor UmweltDie Zeichen im heutigen China sind widersprüchlich. Einige Städte be-

ginnen das zu erkennen, doch von oberster politischer Warte aus deutet

nichts auf eine chinesische Velorenaissance hin. Die Autoindustrie wird

nach wie vor stark gefördert. Zudem ist der Benzinpreis gemäss Babes

„lächerlich niedrig“. Wird das Mobilitätsproblem tatsächlich einmal aus

ökologischer Sicht betrachtet, dann setzt man lieber auf neue als auf alte

Lösungen. Der letzte Schrei auf Chinas Strassen sind Elektrovelos – bei

uns noch eher selten, sind die Strassen in Schanghai schon voll davon.

Die Geschichte des Velos in China erzählt letztlich vom gesellschaftlichen

wie politischen Umgang mit Technik – nicht nur in China. Die Moderne-

Müdigkeit des Westens verhilft einem simplen, im Grunde genommen

anachronistischen Verkehrsmittel wie dem Velo zu neuen Höhenflügen.

Jede westeuropäische Stadt hängt sich gern das Etikett „Velostadt“ um,

während selbiges in China eher als Makel gesehen wird. Das Velo ist

eben mehr als nur ein Vehikel zur Fortbewegung, es transportiert nicht

nur Menschen, sondern auch eine Attitüde. Für die kommunistische Füh-

rung versinnbildlichte das Velo die ebenso praktische wie unprätentiöse

Fortbewegung für den kleinen Mann. Für das China von heute bedeutet

es technische Rückständigkeit. Bleibt zu hoffen, dass die Chinesen nicht

dieselben ökologischen und stadtplanerischen Fehler begehen wie der

Westen in den Sechziger- und Siebzigerjahren. Sondern dass sie das Velo

möglichst rasch als Verkehrsmittel der Zukunft wiederentdecken. Aber

der Ruf der Moderne ist laut. Mahnungen werden da leicht überhört, vor

allem, wenn sie von westlichen Experten beziehungsweise Besserwissern

kommen. Umwelt- und Klimaschutz klingt gut, für die Chinesen klingt

Wohlstand und Wachstum derzeit besser.

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Text: Roland Munz

Zürich weder für die Industrie noch als Wohnort attraktivDie Menschen zogen aufs Land und pendelten mit dem Auto in die Stadt

zur Arbeit. Öffentliche Verkehrsmittel wären eigentlich nötig gewesen, doch

gab es sie 1989 gut ausgebaut nur in der Innenstadt. Vom heute selbst-

verständlichen S-Bahnnetz sah man erst die Baugruben. Immerhin war die

Goldküste mit einer Bahnlinie erschlossen, welche ab dem Hauptbahnhof

via Bahnhof Letten zum Seeufer führte. Aussenquartiere wie Schwamendin-

gen aber waren einzig mit Bussen leidlich erschlossen. Die Strassen waren

verstopft, laut und abgasgeschwängert.

Dazu kam eine eigentliche De-Industrialisierung: Industriebetriebe zog

es haufenweise aus Zürich weg. Innerhalb weniger Jahre brach die Zahl

der Industriearbeitsplätze in Zürich auf einen Viertel ein. Steinfels ver-

liess Zürich 1986. Sulzer Escher Wyss stellte den Giessereibetrieb 1987

ein. Löwenbräu wurde von Hürlimann übernommen und 1987 stillgelegt.

Schoeller schloss die Tore 1988 – um nur ein paar Beispiele zu nennen.

So sah sich Zürich 1989 mit riesigen Industriebrachen konfrontiert und

hatte für eine grosse Zahl stellenloser Industriearbeiterinnen und Indus-

triearbeiter Sozialkosten zu bewältigen, just in einer Zeit, als auch die

übrige Wirtschaft darbte. Krisenstimmung machte sich breit in Zürich.

Gleichzeitig trat ein noch nie dagewesenes, neues Phänomen auf: Im

Platzspitzpark installierte sich die weltweit grösste offene Drogenszene.

Ziemlich hilf- und ratlos sah sich die Stadtregierung diesem Elend ge-

genüber. Schliesslich begann sie gegen den Widerstand von Kanton und

Bund, den drogenkranken Menschen saubere Spritzen abzugeben. Bis zu

15‘000 Stück pro Tag. Morde im Drogenmilieu, Beschaffungskriminalität,

Lärm und Gestank beeinträchtigten das Leben vor allem im Kreis 5 zwi-

schen Platzspitz und den grossen Industriebrachen in Zürich-West. Für

Investoren nicht gerade attraktiv.

Vermutlich nicht schlecht gemeint – ganz sicher aber wenig durchdacht

– handelte 1990 der Kanton, als er die Polizei anwies, den Platzspitz zu

räumen. Seit Eröffnung der S-Bahn im selben Jahr verloren der Bahnhof

Letten und die dort vorbeiführende Bahngeleise ihren Zweck, worauf sich

die aus dem Platzspitz vertriebene Drogenszene dorthin verlagerte. Es

brauchte Jahre um eine nachhaltige Lösung der gewaltigen Drogenproble-

me aufzugleisen, an denen unsere Stadt damals krankte.

Mit dem Gestaltungsplan der Bodenspekulation entgegenwirkenAls die SP nach Jahren in der Opposition mit Ursula Koch wieder in

den Stadtrat einzog, wurde der nicht vom Baufach kommenden Koch das

Hochbauamt zugeschoben. Viele dachten, die neue Hoffnungsträgerin der

Linken damit demontieren zu können. Vom Bauen wusste sie anfänglich

tatsächlich wenig. Aber sie wusste sehr genau, was sie nicht wollte: den

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg gab es städtischen Raum in Hülle und Fülle. Wer bauen wollte, bekam die nötigen Bewilligungen fast immer. Sogar in Fällen, wo geltendes Recht sehr weit ausgelegt werden musste, um einem Gesuch zu entsprechen. Die Stadtregierung lag fest in bürgerlicher Hand. Im Einklang mit der nicht wirklich oppositionellen Linken nickte sie private Investitionen fast unbesehen durch. Ende der 1980er Jahre sah sich Zürich aber plötzlich bislang unbekannten Herausforderungen gegenübergestellt.

ZÜRICH IST GEBAUT STADTENTWICKLUNG 1989 BIS 2009

Die Strassen waren verstopft, laut und Abgasgeschwängert.

Es brauchte Jahre um eine nachhaltige Lösung der gewaltigen

Drogenprobleme aufzugleisen, an denen unsere Stadt damals krankte.

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Schiffbau

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Zerfall der Industriebrachen und nur auf Gewinn maximierte Neubauten.

Noch nicht lange im Amt, sorgte sie mit der Aussage „Zürich ist gebaut“

für Aufruhr. Zürich soll gebaut sein, wo es an allen Ecken und Enden zer-

fällt? Wo freies Land in der Allmend Brunau, am Zürichberg, der Platzspitz

und andere ungenutzte Freifl ächen zum Bauen einladen?

Die Zeit war reif für eine Neubesinnung. Die düstere Gegenwart 1989

musste zu denken geben. Ist wohl das Eine oder Andere an den öffentli-

chen Interessen vorbei gebaut worden? Koch lieferte die Antwort gleich

selber nach, indem sie das Instrument des Gestaltungsplanes entdeckte,

um mit Investitionswilligen zu verhandeln. Zugeständnisse der Stadt an

private Bauleute mussten sich diese neuerdings ihrerseits mit Zugeständ-

nissen erwerben. Dass Investoren überhaupt bereit waren, in solche Ver-

handlungen zu treten, ist der Tatsache zu verdanken, dass nicht überall

alles gebaut werden darf. Was wo zulässig ist, legen Zonenpläne fest: In

der Industriezone können Industriebauten, in der Wohnzone Wohnungen

errichtet werden usw.

1989 lagen einige dutzend Quadratkilometer Industriezone in der Stadt

brach. Die Auswirkung des Gestaltungsplans zeigt ein Rechenbeispiel: Ein

Grundstück von 100 mal 100 Metern Industrieland gehört der Firma ABC.

Industrieland hat beispielsweise einen Wert von 500 Franken pro Quad-

ratmeter. Dürfte man nach einer Umzonung darauf Dienstleistungsgebäude

bauen, wäre der Boden plötzlich 5000 Franken pro Quadratmeter wert. Die

neue Hochbauchefi n verlangt jetzt aber, es müsse für die ganzen 100 mal

100 Meter ein Gestaltungsplan gemacht werden, der auf einem Teil der

Überbauung Wohnungen und einen kleinen Park mit Spielplatz beinhaltet.

Mit diesen Aufl agen sinkt der durchschnittliche Bodenpreis innerhalb des

Grundstückes der Firma ABC auf „nur“ noch 3000 Franken, was immer

noch sehr viel mehr ist, als die 500 Franken pro Quadratmeter Industrie-

land. Was sich hingegen nicht unmittelbar in Zahlen erfassen lässt, ist der

Mehrwert für die Bevölkerung und die Stadt als Ganzes, der durch diese

gemischte Nutzung auf längere Sicht entsteht.

Neue Quartiere für ZürichDer Gestaltungsplan für das Steinfels-Areal machte den Anfang. In Oer-

likon entstand nach dem Wegzug der ABB-Industrieproduktion ein gan-

zes neues Stadtquartier. Das Escher-Wyss-Areal stellte die weitläufi gste

Stadtentwicklungszone dar. Zahlreiche Gebäude wurden dort seit 1990

errichtet wie etwa der Technopark (1993), die Hotels Novotel, Ibis und

Etap, Büro-, Gewerbe- und Wohnüberbauungen, Westpark und Puls5. Einige

Industriegebäude fanden neue Nutzungen, etwa die ursprüngliche Schiffs-

bauhalle und spätere Kesselschmiede, in der heute das Schauspielhaus

eine Filiale betreibt oder die in die Überbauung Puls 5 integrierte Giesse-

reihalle und schliesslich das Verwaltungshochhaus, umgebaut 2001 zum

„Bluewin-Tower“. Der Turbinenplatz im Herzen des ehemaligen Industrie-

areals wurde zum grössten Platz der Stadt. Zürich war 1988 tatsächlich

gebaut. Aber Zürich war nicht den neuen Anforderungen entsprechend ge-

baut. Über die seither mittels Gestaltungsplänen und ab den 90er Jahren

in sogenannten „kooperativen Planungen“, das heisst in Verfahren wo Bau-

herrschaft, Bewohnerinnen, Bewohner und städtische Stellen zusammen

Anforderungsprofi le für Überbauungen aufstellen, verwirklichten Projekte

kann man geteilter Meinung sein. Manche empfi nden sie als zu steril. Für

viele sind die neu angelegten Plätze zu wenig belebt. Zu beklagen ist der

Abriss alter Bauten wo nach dem Auszug der Industrie zwischenzeitlich

freischaffende Berufsleute aus Kunst, Architektur, Gastwirtschaft, Fotogra-

fi e usw. günstige Arbeits- und Lebensräume schufen. Nicht zuletzt wegen

dieser Kulturräume ist in den 90er Jahren das Partyverbot an kirchlichen

Feiertagen gefallen. Nicht zuletzt wegen der dynamischen freischaffenden

Szene ist Zürich 2009 zum wiederholten Male zur Stadt mit dem weltweit

attraktivsten Umfeld gewählt worden.

Aufgerüttelt vom Positionsbezug „Zürich ist gebaut“ begann sich Anfang

der 90er Jahre auch die Bevölkerung wieder mit stadtplanerischen Fragen

auseinanderzusetzen. Plötzlich wurde man gefragt! Man meldete Bedürf-

nisse an bei Gestaltungsplänen, brachte sich ein in kooperative Planungs-

verfahren. Und wie sich vor fast hundert Jahren im damals auf das Gebiet

des Stadtkreises 1 beschränkten Städtchens – das gänzlich zugebaut war

– Widerstand regte, als historische Häuser zwischen Limmat und Lindenhof

einer Hochhausüberbauung weichen sollten, so weiss sich die Bevölkerung

auch heute zu wehren, wenn ihr ein Projekt nicht passt. Jüngstes Beispiel

ist das in einer Volksabstimmung abgelehnte neue Kongresshaus.

Dass die neuen Gebiete in Zürich-West und in Neu-Oerlikon vielleicht

nochmals 20 Jahre brauchen, bis sich dort ein eigenständiges Quartier-

leben etabliert, mag heute stören. Dank den Gestaltungsplänen ist aber

überhaupt erst eine Grundlage geschaffen worden, die für die wachsende

Bevölkerung Zürichs neuen Lebens- und Wohnraum schafft. Dass diese

Gebiete der ungezügelten Spekulation entrissen und durchmischte Bau-

nutzungen entstehen konnten, ist daher bleibendes Resultat und Verdienst

von „Zürich ist gebaut“. Hätte die Stadtverwaltung auch noch den Mut,

sich gegen den aktuellen Trend der Zentralisierung zu stellen, indem sie

öffentliche Einrichtungen mehr als bisher auch in den neuen Stadtteilen

ansiedelt, wäre das sicher ein weiterer Schritt, der diesen neuen Quartie-

ren mehr Leben einhaucht.

Zürich war 1988 tatsächlich gebaut. Aber Zürich war nicht den

neuen Anforderungen entsprechend gebaut.

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Bahnhof Stadelhofen

Puls 5

Schiffbau

Maagareal Limmatquai

LimmatquaiSchiffbau

Maagareal

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Text: Mahmud Tschannen, Fotos: José Mendez, aga

Neben den offi ziellen Kurierrennen auf abgesperrtem Gelände gibt es aber

eine Reihe inoffi zieller Rennen, die quer durch eine Stadt führen. Diese

Rennen, Alleycats genannt, gibt es in unzähligen Varianten. Einige der

spannendsten Alleycats, die inzwischen auch weltweit ausgetragen wer-

den, haben Veloblitzler ausgeheckt.

Global gleichzeitigDas beste Beispiel eines Alleycats, das in Zürich entstanden ist, nennt sich

Global Gutz, ein Rennen, das zeitgleich in verschiedenen Städten rund um

den Globus stattfi ndet: Auf einer 21 km langen, möglichst fl achen Strecke

müssen Teilnehmerinnen und Teilnehmer fünf Checkpoints auf dem kürzes-

ten Weg anfahren. Die Checkpoints sind vorher nicht bekannt. Am Anfang

des Rennens wird der erste mitgeteilt und am ersten dann der zweite und

so weiter. Neben den Gewinnerinnen und Gewinnern der lokalen Rennen

werden diejenigen mit der weltweit schnellsten Zeit zu den eigentlichen

Gewinnern des Global Gutz ernannt. Dieses Jahr gewannen ein Velokurier

aus Warschau und eine Velokurierin aus Zürich die internationale Klassie-

rung. Dass die Zeiten nicht direkt miteinander vergleichbar sind, ist klar.

In einer Stadt regnet es, in der anderen sind die Checkpoints einfacher zu

fi nden oder etwas anderes stimmt nicht überein und bevorteilt eine Stadt

gegenüber der anderen. Beim Global Gutz geht es aber genau nicht um die

Unterschiede, sondern um das Verbindende. Der Reiz am Rennen ist das

Wissen, dass in Mailand und New York im genau gleichen Moment Leute

auf dem Rad durch ihre Stadt rasen. Schlussendlich liegen die Zeiten der

Schnellsten weltweit recht nah beieinander.

Dieses Jahr fand das Global Gutz in Adelaide, Basel, Berlin, Bremen, Bris-

bane, Dublin, Essen, Fukuoka, Graz, Halifax, Hamburg, Kassel, Köln, Ko-

penhagen, Krakau, London, Madrid, Mailand, Montreal, Nagoya, New York,

Paris, Perth, San Diego, San Francisco, Santiago de Chile, Seattle, Sydney,

Washington, Warschau, Wien, Yokohama und Zürich statt. Der Preis für die

schnellste Frau und den schnellsten Mann weltweit war ein Ticket an die

Velokurierweltmeisterschaften in Tokyo. Die Siegerin in Zürich, Anette Mi-

chel, ist nicht nur die schnellste Frau weltweit, in Zürich ist sie schneller

als alle Männer. Ein denkwürdiges Ereignis und für einige Jungs vermut-

lich etwas peinlich.

Schneller nicht immer geschwinderDas Global Gutz in Zürich führt vom Wipkingerplatz über die Ecke Bänd-

listrasse/Bändliweg in Altstetten an die Zeughausstrasse. Bis hier ist eine

Spitzengruppe aus sieben Fahrern noch zusammen. Der nächste Checkpoint

ist and der Ecke Zeughausstrasse/Kasernenstrasse im Kreis 4. Hier wäh-

len die Teilnehmer unterschiedliche Routen. Einige traversieren über die

Hardbrücke in Richtung Kreis 4. Die schnelleren wählen den Weg über den

Kreis 5 und die Langstrasse, der von weniger Baustellen behindert wird.

Von dort geht es an die Landiwiese, beziehungsweise zu den Tennisplätzen

Wer mehrmals in der Woche fünf bis acht Stunden auf dem Fahrrad unterwegs ist, hat unweigerlich eine gute Kondition. Das hat in der Velokurierszene dazu geführt, dass Kuriere vor ungefähr 20 Jahren nach getaner Arbeit anfi ngen, sich miteinan-der zu messen. Daraus sind unter anderem Welt-, Europa- und Schweizermeister-schaften der Fahrradkuriere entstanden, bei denen Velokuriere aus der ganzen Welt gegeneinander Rennen fahren, die ihrem Arbeitsalltag nachempfunden sind.

GUTZI GEBEN

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gegenüber. Inzwischen haben sich an der Spitze zwei Zweierteams gebil-

det. Stefan und Martin können sich absetzen und führen kurzzeitig. Cris-

toph und Anette schliessen jedoch die Lücke, die sich aufgerissen hat, bis

zu diesem Posten wieder. Dann rast die Vierergruppe in Richtung Seefeld

an die Ecke Bellerive/Fröhlichstrasse. Nach der Quaibrücke fi nden Stefan

und Martin eine Lücke im Verkehr und schiessen am Bellevue davon.

Christoph, der sieht, dass Anette wegen des Verkehrs und Fussgängern

den Anschluss verliert – sie muss anhalten – wartet auf sie. Gemeinsam

machen sie sich auf die Jagd nach dem Führungsduo, die sie inzwischen

aus den Augen verloren haben.

Dann geschieht das, was das Rennen entscheidet: Der führende amtie-

rende Europameister der Velokuriere, Stefan Fröhlich, zu dessen Ehren es

zwei Checkpoints an der Fröhlichstrasse gibt, verfährt sich ausgerechnet

an „seiner“ Strasse: Er rast am Checkpoint Ecke Bellerive/Fröhlichstrasse

vorbei und verliert mit seinem Partner die Spitzenposition an die rasch

nachfolgenden Anette und Christoph, die direkt von dort zum letzten Pos-

ten an der Ecke Fröhlichstrasse/Seefeldstrasse fahren und von hier aus

souverän zurück ans Ziel an den Wipkingerplatz „fl iegen“: über das Lim-

matquai, durch die Bahnhofsunterführung, an einer Demo vorbei und über

das Sihlquai an den Wipkingerplatz und zum Sieg!

Siegerinnenzeit: 35 Minuten, 38 Sekunden.

Durchschnittsgeschwindigkeit: 35.765 km/h.

Preis für die globale Siegerin: 1 Flugticket Tokyo retour.

Konichiwa Japan!

PS: Knapp nach Anette gewinnt Christoph mit der offi ziell gleichen Zeit das

Rennen der Männer und sein erstes Alleycat überhaupt. Die Siegerin in Zürich, Anette Michel, ist nicht nur die schnellste Frau weltweit, in Zürich ist

sie schneller als alle Männer.

Unten links: Start in Warschau, alle anderen: Santiago de Chile

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Text: Roland Munz

Wenig später trifft sich unsere Gruppe fast wie verabredet auf Deck. Den

im Hafen von Sollér zurück gebliebenen prosten wir vom ablegenden

Schiff aus freudig zu. Wie lange die Überfahrt nach Sa Calobra heute wohl

dauern wird? 40 Minuten? 50? Oder gar 60?

Petrus meint es gut mit uns Seit dem Start heute Morgen an der Platja de Muro begleitet uns perfektes

Frühsommerwetter. Im Anstieg von Bunyola auf den Sollér-Pass kamen

wir ein erstes Mal richtig ins Schwitzen. Wie froh sind wir, dass es diese

Woche nicht mehr gar so heiss ist wie in der vorigen. Damals, am letzten

Donnerstag, bei fast vierzig Grad, auf den Puig Major mit seiner Passhöhe

von gegen 900 Metern, erreichte manch einer die Grenzen persönlicher

Leistungs- und Leidensfähigkeiten. Alle paar Meter sah man jemanden am

Strassenrand sitzen, die Getränkefl aschen förmlich ausquetschend. Etliche

mussten dort ihre Ambitionen zurückstecken und ein Taxi für die Retour-

fahrt nehmen. Unvergesslich auch jener Hobby-Lance-Armstrong, der zu-

oberst auf dem Pass samt seinem superleichten Carbonrenner einem Taxi

entstieg, um stolz für ein Erinnerungsfoto zu posieren.

Etwas stolz war ich meinerseits auf die mir anvertraute Gruppe, wo alle

die Tour aus eigener Kraft beenden konnten. Abends meldete der lokale

Fernsehsender, es wäre ein neuer Temperaturrekord für Anfang Mai er-

reicht worden. Aha, alles klar. Für heute sind wiederum über 30 Grad

angekündigt. Im Moment allerdings kümmert uns das wenig. Es ist kurz

nach 13 Uhr und wir geniessen die angenehme Meeresbrise. Wer mag da

schon an den bevorstehenden Anstieg denken?

OHNE SCHWEISS KEIN PREISBitte die Schuhe auf dem Boot ausziehen! Unsicher ob des Gehörten, schaut mich mein Vor-dermann an. Ich nicke. So stellen wir unsere Rennräder im Passagierraum der Personen-fähre ab, parkieren Helme und Schuhe dazu und entern barfuss die Bar. Kaum erhalten, verschwindet eine halbe Flasche kühlen Mineralwassers in meine Kehle. Aaah, tut das gut.

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Wir, das sind 12 Trainierende, welche sich in der von mir geleiteten

Gruppe der Leistungskategorie „Hobby Lang“ beim Radsport-Reiseveran-

stalter Hürzeler Holidays eingetragen haben. Als der ehemalige Radprofi

Max Hürzeler vor über 20 Jahren für eine Hand voll Freunde das erste

Mal Radsportferien organisierte, ahnte wohl niemand, dass 2009 mehr

als 25‘000 Gäste alleine über diesen Veranstalter ihren Aktivurlaub

auf Mallorca buchen würden. In dieser Zeit haben sich nicht nur die

Strassen und das seit einigen Jahren zunehmend gute Radwegnetz stark

verändert. Auch das Angebot der Organisation wird stets neuen Anfor-

derungen angepasst.

So sind längst nicht mehr nur für ambitionierte Sportsleute Touren im

Angebot. Selbst wer nie zuvor auf einem Fahrrad gesessen ist, kann in

der Einsteiger-Gruppe die Freude am Radfahren entdecken. Nach wie vor

aber kommen zu Beginn der Saison im Februar ganze Profi -Rennteams

zum Training. Diese Woche beispielsweise das Alpin-Kader der Schweizer

Skinationalmannschaft, das sich zum ersten Sommertraining bei uns ver-

sammelt. Mit dabei auch der im vorigen Winter schwer verunfallte Daniel

Albrecht, der hier erstmals wieder mit dem Team zusammen trainiert.

Manchmal tut mir da unser Grupenleiter schon etwas leid, der die Ski-

rennfahrer in ihren Radtrainings über die Insel führen darf: Hier ist er es,

der regelmässig seine Leistungsgrenzen entdeckt.

Da habe ich es während meines zehnwöchigen Einsatzes als Tourguide

der Kategorie „Hobby Lang“ gut. Dies ist die tiefste Kategorie jener, die

primär aus Trainingsgründen hier sind und auf konkrete sportliche Zie-

le hinarbeiten. Uns stehen alle Berge offen für Ausfahrten zwischen 90

und 140 Kilometern bei zügigem Tempo. Wer sich zur Teilnahme in einer

Gruppe eingetragen hat, kann natürlich bei Unter- oder Überforderung

jederzeit die Kategorie wechseln – vorausgesetzt, es fi ndet sich ein freier

Platz in einer passenden Gruppe. Jetzt im Mai ist dies auch kaum mehr

ein Problem. Unsere Hochsaison war im April, bevor in Europa die ersten

Radrennen starteten. Dennoch ist es nie ratsam, sich in einer offensicht-

lich zu starken Gruppe einzutragen, wenn die eigentlich passende Leis-

tungsstärke ausgebucht ist. Und unbedingt ist auf pünktliches Erscheinen

am Startplatz zu achten!

Das heisst, dass auch viel zu früh zu sein unerwünschte Wirkungen haben

kann: Zum Leiter der stärksten Leistungsgruppe sprintete kürzlich ein Gast

nach vorne. Hochrot der Kopf, schwer der Atem. Keuchend fragte er bei

Kilometer 30, kurz nach der Einrollphase, ob denn der Gruppenleiter noch

zu retten sei. Schliesslich fahre man nunmehr seit einer Stunde mit einem

Schnitt von 32 Km/h statt der ausgeschriebenen 23. Selbstverständlich

gehe es so weiter, entgegnete der Leiter. Und im Übrigen wäre dieses

Tempo angekündigt worden für die Ausfahrt über 184 Kilometer. Schnell

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Vor über 20 Jahren ahnte wohl niemand, dass 2009 mehr als 25‘000 Gäste alleine über diesen Veranstalter ihren Aktivurlaub auf

Mallorca buchen würden.

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stellte sich heraus, dass sich der Keucher eine halbe Stunde zu früh – als

die Speed-Gruppe ihre Besammlungszeit hatte – am Startplatz eingefun-

den hatte. So fügte er sich in sein Schicksal, kniff die Backen zusammen

und versuchte im Windschatten der Gruppe zu folgen. Bei Kilometer 78

schliesslich gab er entkräftet auf, schleppte sich zurück ins Hotel, legte

drei Ruhetage ein und schloss sich schliesslich erfolgreicher der anvisier-

ten Gruppe „Hobby Kurz“ an.

Nicht nur die Startplätze und Zeiten der Gruppen sind hier klar geregelt.

Beim Einchecken im Hotel bekommen unsere Gäste ihr persönliches, num-

meriertes Schloss für das Radzelt. Dort wird das eigene oder das gemie-

tete Fahrrad verstaut. Am Lenkervorbau wird vorher eine Radsportvignette

angebracht, welche in der Hürzeler-Boutique des Hotels bezogen wird.

Diese Vignette berechtigt zur Nutzung des bewachten Radzeltes, zum Be-

zug eines Picknickes für die Ausfahrt, und um kostenlos Kleinreparaturen

in den eigenen Werkstätten ausführen zu lassen.

Meine Aufgabe als Gruppenleiter ist es, an fünf Tagen pro Woche Aus-

fahrten zu planen. Jeden Morgen vor dem Start hänge ich die Tour des

nächsten Tages aus, mit Angaben zu vorgesehener Durchschnittsgeschwin-

digkeit und Distanz. Für Mensch und Maschine führen wir „Guides“ Flick-

zeug mit uns, um bei Stürzen Erste Hilfe leisten, Plattfüsse oder andere

kleine Defekte beheben zu können. Während der Mittagspausen erzähle

ich ganz gerne Episoden aus der Geschichte Mallorcas und der besuch-

ten Ortschaften. Fast schon ein Muss sind für mich Besuche in Petra auf

dem historischen Marktplatz im Schatten der ehemaligen Franziskaner-

Klosterkirche. Von da aus machte sich einst der Mönch Junípero Serra auf,

an der Westküste Amerikas 21 Missionsstationen zu gründen. Städte wie

San Francisco – eine meiner Lieblingsstädte – und San Diego gehen direkt

auf diese Stationen zurück.

Morgen Freitag allerdings werden wir eine kürzere Fahrt nach Sinéu un-

ternehmen. Alle zwei Wochen setze ich auf der dortigen, nicht besonders

steilen und darum öffentlich zugänglichen, Radrennbahn einen Preis aus:

Der Sieger und die Siegerin im Sprintwettbewerb über eine Runde gewinnt

ein Stück der fast schon legendären Erdbeertorte, die wir zum Wochenab-

schluss an der Strandpromenade von Can Picafort geniessen werden.

Die See ist ruhig heute So erreicht unser Fährboot schon nach 45 Minuten sein Ziel in Sa Calobra.

Schuhe anziehen, Helm aufsetzen und Räder fassen. Dem Einen oder der

Anderen wird es etwas mulmig zumute beim Blick bergwärts. „Die Schlan-

ge“ wartet auf uns! Bissige 730 Höhenmeter, gefühlte 100 Serpentinen-

Kurven und zuoberst der „Krawattenknoten“ – eine in Europa einzigartige

270-Grad-Kurve, die über sich selbst hinüber führt – stehen uns bevor.

Nach dem ersten Kilometer, wir lassen eben die letzten Schatten spen-

denden Bäume der malerischen Bucht hinter uns, gebe ich freie Fahrt.

Jetzt müssen alle ihren eigenen Rhythmus fi nden für die nächsten neun

Kilometer mit Steigungen von bis zu zwölf Prozent. Nein, fl ach wird es

erst auf der Passhöhe wieder. Spektakulär schlängelt sich die Strasse die

Felswand hinauf. Fast senkrecht über uns sieht man die nur aus Steinen

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erbauten Mauern der Haarnadelkurven. Und immer wieder raubt einem

auch der Blick talwärts über die türkisfarbene Bucht fast den Atem.

Plötzlich ist es dunkel. Zwei sich über mir kreuzende Felsnadeln bilden

einen kurzen Tunnel an dessen Ende mich eine kleine Aussichtsplatt-

form zum Anhalten und Fotografi eren einlädt, oder fast schon zwingt.

Mir kommen Erinnerungen an die erste Gruppe wieder hoch, mit der ich

diese Passstrasse hochgefahren bin. Anfangs April blieb hier eine Radlerin

stehen, leise weinend. Wie stets am Berg fuhr ich am Schluss der Gruppe,

hielt bei ihr an, schloss sie in meine Arme. Nein, sie sei nicht erschöpft,

nicht körperlich. Aber sie möchte einen Augenblick innehalten, trauern. Sie

wäre nicht zuletzt auf diese Tour mitgekommen, um zu verarbeiten. Zwei

Jahre zuvor, genau in dieser Kurve, in der Abfahrt, sei ihr Mann, als er

alleine unterwegs war, tödlich verunfallt. Schauer lief nun auch mir den

Rücken hinunter. Wir setzten uns auf die Mauer, während sie leise sprach

und sich an mir festhielt. Noch einige Male haben wir in den folgenden

Tagen zusammengesessen. Nicht nur ihr wird jene Tour wohl auf ewig in

Erinnerung bleiben. Als Gruppenleiter ist man nicht bloss Streckenplaner,

Notfallmechaniker, Samariter und Pausenunterhalter. Immer wieder stellen

sich uns auch psychologische Herausforderungen. Auch darum mag ich

diese vielfältige Arbeit sehr!

Endlich folgt die wohlverdiente AbfahrtBloss keine Ziege auf der Strasse. Wenn nur nicht Sand oder Steine in der

Kurve liegen. Ja nicht zu viel denken. Aber auch nicht zu wenig, immer

etwas vorausschauend. Wie hat schon der Fahrer des Team Telecom im

Film „Höllentour“ gesagt: „Ist es wirklich schlau, auf ein Zoll breiten Rei-

fen, mit einer klassischen Seilzugbremse ausgerüstet, bei vollem Tempo

eine Passstrasse hinunterzurasen? Nicht wirklich!“ Diese Worte im Kopf,

gebe ich ein Tempo vor, bei dem sich alle sicher fühlen können. Niemand

meiner Gruppe soll sich gedrängt fühlen, über die eigenen Verhältnisse zu

fahren. Sicherheit geht vor.

Stürze gibt es zum Glück selten. Und wenn, dann gehen sie in der Regel

glimpfl ich aus. Nicht aber für den Vogel, der mir unlängst ins Hinterrad

fl og: Das Rad blockierte. Die mir nachfolgende Radlerin fuhr auf mich auf

und stürzte. Ihre Schürfwunde konnte ich ohne Probleme verarzten. Viel

schwieriger war es, den zuckenden und schreienden schwarzen Vogel von

seinem Leiden zu erlösen. War es eine Amsel?

Aber heute läuft alles wie geschmiert. Schon erreichen wir Pollenca. Hier

biegen wir auf eine kleine aber gut unterhaltene Nebenstrasse ein. Links

und rechts zieren Gärten den Weg. Die letzten Kilometer führen uns an

Pferdestallungen vorbei, einen Bach entlang zurück an die Platja de Muro.

Die Sonne steht noch hoch am Himmel. Wieder ist eine Ausfahrt ohne Zwi-

schenfälle verlaufen. Bei der Abschlussbesprechung der heutigen Ausfahrt

blicke ich rundum in zufriedene Gesichter und werde von meinem Team

mit Applaus belohnt. Weil das Meer mittlerweile auch schon einladend

warm ist, stürzen wir uns zusammen in voller Radmontour in die Wellen.

Nein, doch nicht ganz: Die Schuhe ziehen wir noch aus.

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Impressionen einer Velotour entlang der Strada statale 106 in Kalabrien.Fotos: Alois Jauch, Illustration: Hofgrafen

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Von den Aprikosen-Hainen an den Fuss der Viertausender und zurück. Eine Zweitages-Tour für angefressene Biker, durch das Walliser Seitental Val d‘Anniviers.

DIE VIER-TAUSEDER PARADE – ZWEI BIKE-TAGE IM VAL TAGE IM VAL D‘ANNIVIERSText: Simon Joller, Illustration: Hofgrafen

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Vor 150 Jahren fuhren vornehmlich Englän-

der von Sierre durch das Val d‘Anniviers in

das Bergdorf Zinal. Die Angelsachsen waren

fasziniert von der majestätischen Präsenz der

ewig eisbedeckten Bergriesen am Ende des Ta-

les, hinter Zinal. Mit dem Weisshorn, dem Zi-

nal Rothorn, dem Ober Gabelhorn und der Dent

Blanche schliessen gerade mal vier über 4000

Meter hohe Bergsteiger-Traumziele den südli-

chen Seitenarm des Rhonetales ab.

Weder mit Maultier noch Benzin-Kutsche wol-

len wir diese Reise antreten, sondern mit Bikes.

In zwei Tagen das Tal hinauf und hinunter. Das

ist keine gemütliche Rundfahrt. Fahrkönnen und

Kondition werden vorausgesetzt. Doch die Ge-

birgskulisse, einsame Alpwege und Traumab-

fahrten belohnen die Anstrengung. Wer weniger

auf Abenteuer denn auf Genuss-Suche ist, fi n-

det im Val d‘Anniviers gegen hundert markierte

Bike-Kilometer mit demselben hochalpinen Pan-

orama, für jedermann fahrbar. Vorerst stehen wir

noch in Sierre, wo die Atmosphäre keineswegs

alpin ist. Die trockene Walliser Wärme, Apriko-

sen-Plantagen und Weinberge erinnern eher an

südfranzösische Regionen. Den herben Walliser

Rotwein sparen wir Biker uns allerdings für die

Rückkehr auf. Denn die ersten Kilometer hinauf

auf die Terrasse von Vercorin und weiter Rich-

tung Grimentz hilft uns weniger der Weingeist

denn ein paar Kohlenhydrate aus dem Rucksack.

Teils sind die Wege derart steil, dass wir abstei-

gen und schieben müssen.

Schultern und schieben muss man das Bike auf

dieser Tour verschiedentlich. Vor allem, wenn

man wie wir von der Gipfel-Krankheit befallen

ist. Natürlich könnten wir am Ende des Tales

bei Grimentz – Zielort des legendären Bikemara-

thons Grand Raid Cristalp – das Tal queren und

mehr oder weniger gemütlich nach Zinal gelan-

gen. Schon diese Variante würde uns ab Sierre

über 1500 Höhenmeter abfordern. Doch wir set-

zen gleich noch 1000 Meter Höhengewinn drauf.

Der Verlockung der Corne de Sorebois auf 2896

Metern über Meer können wir nicht widerstehen.

Wie ein Keil spaltet sie das Val d‘Anniviers in

das Val de Zinal und das Val de Moiry auf. Wir

stehen zuvorderst auf der Keilspitze, noch etwas

benommen vom (endlos scheinenden) Aufstieg

mit der halbstündigen Trage-Passage, aber be-

tört vom grandiosen Ausblick in die Ferne. Unter

uns liegen 40 Kilometer Aufstieg, der kalt-blaue

Moiry-Stausee, in der Ferne die Berner Alpen

und vor uns die Walliser Viertausender.

Nur eine Erkenntnis kann uns aus unserem Ta-

traum reissen: die Aussicht auf einen nächsten

Tagtraum… Die unglaublich schnelle Abfahrt

über planierte Skipisten – immer dem Weg ent-

lang – hinab nach Zinal, über einen Kilometer

tiefer unten gelegen. In Downhill-Trance fahren

wir in Zinal ein, der einstigen Zwischenstation

für Talbewohner und Vieh, bevor sie auf die Alp-

sitze zogen. Wir wissen die Spaghetti à discréti-

on zu schätzen und übernachten in der Auberge

Les Liddes für ganze 25 Franken! Am nächs-

ten Morgen, noch bevor die Sonne sich über

die Bergriesen schieben mag, sind wir bereits

wieder unterwegs. Zum Aufwachen eine kurze

Trage-Passage hinauf auf den Höhenweg. Und

dann, nach der Bergfahrt an der Westfl anke am

Vortag, die Talfahrt über die Ostfl anke des Val

d‘Anniviers. Der grandiose Pfad, über den stre-

ckenweise der bekannte Berglauf Sierre-Zinal

führt, ist technisch einigermassen schwierig. Die

Wanderer staunen, und wir geben lachend zu,

dass wir zwischendurch, wie sie, zu Fuss unter-

wegs sind. Die Krönung kommt zum Schluss, als

wär‘s ein köstliches Dessert: Eine schier end-

lose Abfahrt über weichen Waldboden hinunter

nach Sierre. Und nach dem blendenden Weiss

des ewigen Schnees können wir uns in der Stadt

Sierre endlich der zweiten Farbe im Walliser

Kantonswappen widmen: dem klaren Rot des

geistreichen Traubensaftes…

Tour de Val d‘Anniviers Im Westen bergan, im

Osten talwärts. Eine gran-diose Zweitagestour für Bike-Abenteurer im Wallis.

Wann vom Sommeranfang bis zum ersten Schnee Wie weit 45 Kilometer hinauf und 45 Kilometer hinunter Wie hoch 1500 Höhenmeter (ohne Abste-

cher Corne de Sorebois) Wie lange 5 bis 8 Stunden Steigung, 4 bis 6

Stunden Abfahrt Was mitnehmen LK der Schweiz, 1:25‘000, Blätter

1287 Sierre, 1307 Vissoie, 1327 Evolène, warme Bekleidung, gute Schuhe (Schiebe-Strecken)

Wie hinauf Sierre – Vercorin auf der Stras-se, über Simboué Pt 1731 – Tra-cui– Les Tsougdires – Le Chêquet nach Grimentz, Pt 1599 – Mayens de Tsirouc – Le Biolec – über die Weide nach Grand Plan schieben – Sorebois – Singline, hinunter nach Zinal

Variante für Unersättliche: Le Chêquet – Hauptstrasse Richtung

Lac de Moiry – steil auf die Corne de Sorebois – Sorebois – Zinal

Wie hinunter Zinal – Arolec – Lirec – Barneuza – Montagne de Nava-Hotel Weiss-

horn – Tignousa – Pt 2091 – Al-page de Chandolin – Pramarin –

Ponchet – Le Couquelle – Niouc – Sierre

Was sehen Vier Viertausender, das Rhonetal von oben, Murmeltiere, Ziegen und Kampfkühe, Grimentz‘ alter Dorf-kern

Wo essen Bendolla ob Grimentz, im histori-schen Hotel Weisshorn, Rucksack

Wo übernachten Grimentz, Zinal, Petit-Mountet-Hütte ob Zinal, Hotel Weisshorn

Die trockene Walliser Wär-me, Aprikosen-Plantagen und Weinberge erinnern eher an südfranzösische Regionen.

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Alte Motorhauben, Drähte und Plastikfolien - kein Material ist vor Leto

alias Markus Meyle sicher. Der Plastiker verarbeitet Schrott zu Kunst.

Aufgewachsen bin ich so quasi in einer Galerie. Mein Vater leitete die

Villa am Aabach in Uster. Wir wohnten oben in dieser Villa, so dass ich

mir unweigerlich jeden Tag die Sachen, die an den Wänden hingen, an-

schauen musste.

Später brachte mir meine Berufsausbildung als Spengler den Vorteil, den

Umgang mit Metall kennenzulernen. Schrott und Motorhauben waren und

sind ein wichtiger Werkstoff in meinen Arbeiten. Bis vor einigen Jahren

habe ich vor allem mit Altmetall gearbeitet. Bis ich eher per Zufall an

einem Holzbildhauer-Symposium teilgenommen habe. Seit dem arbeite ich

regelmässig mit der Motorsäge. Mit der Motorsäge zu arbeiten ist eine

lustige Sache, mit viel Lärm arbeite ich mich quer durch den Baum dabei

entstehen Figuren, Reliefe und Holzschnitte.

Zudem habe ich in Uster den Kunstabenteuerspielplatz Serafi ns Garten

aufgebaut, wo ich die Feinheiten des Spiels und der Spielgeräte erfor-

schen konnte.

Das Spiel mit dem Feuer ist auch so eine Sache. Das geht von Skulpturen

ent- und verbrennen über Feuerwerke bis hin zum Schmieden oder Gies-

sen. Dabei steht vor allem das Experimentieren und Tüfteln im Mittelpunkt.

Wobei ich unterdessen einige Erfahrungen gesammelt habe, so dass das

Inszenieren von Feuer im Mittelpunkt steht.

Mein Stil kommt wohl von meiner vorliebe für Comics. Ich mag einfache

und klare Formen. Meine Figuren sind für mich Kumpels, die aus einer

verspielt anderen Welt stammen. In meinen Arbeiten geht es mir immer

um Dynamik und Präsenz. Stets suche ich nach Themen und Motiven die

frech und radikal sind. Mich beschäftigten vor allem das Zusammen-

spiel von Menschen und die gesellschaftlichen Mechanismen. Die ich in

Beispielen analysiere. Interaktive Figuren lassen einem die thematisierte

Situation direkt miterleben. Im Zentrum dieser Arbeiten steht oft eine

interaktive Rauminstallation, um welche herum ich dann, die kleineren

Figuren inszeniere.

„Als führender Druckdienstleister im Grossraum Zürich wissen wir um die Kraft kreativer Ideen - sie befl ügeln, inspirieren und ebenen oftmals den Weg für neue Betrachtungsweisen oder Lösungsansätze. Druck und Kunst profi tieren von einer gegenseitigen Wechselwirkung. So verwundert es kaum, dass die FO-Fotorotar einen bekannten Künstler aus der Region sponsert, der mit seinen Arbeiten ebenso klare Zeichen setzt wie das seit 75 Jahren etablierte Unternehmen innerhalb der grafi schen Branche.“

AUS SCHROTT WIRD SEIT 15 JAHREN KUNST

Meine Figuren sind für mich Kumpels, die aus einer verspielt anderen Welt stammen.

Kultursponsoring von

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Page 93: KARACHO das Jubiläums Magazin des Veloblitz 2009

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AUS SCHROTT WIRD SEIT 15 JAHREN KUNST

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Text: Boris Wagner

Wer, wie die Zürcher Velokuriere, Botschaften von A nach B übermittelt,

kennt die wachsenden Anforderungen und Bedürfnisse unserer schnellle-

bigen Gesellschaft. Vertrauen, Qualität und Flexibilität sind nur einige Be-

griffe, die das tägliche Geschäft mit dem Transport wichtiger Informationen

oder Waren bestimmen. Gepaart mit erstklassigem Service, Ausdauer und

Schnelligkeit, beschreiben diese Attribute ein Unternehmen, das zudem seit

20 Jahren konsequent ökologische Pionierarbeit leistet. Dieser Vorreiterrolle

gilt unser ganzer Respekt, denn innovative Ideen und nachhaltiges Wirken

stellen auch für uns als Mediendienstleister die treibende Kraft für erfolg-

reiches Schaffen dar.

Fest im SattelDie FO Print & Media AG zählt mit ihren sechs eigenständigen Geschäfts-

bereichen zu einer festen Grösse innerhalb der grafi schen Branche. Mit

weit über hundert qualifi zierten Fachkräften kann das Unternehmen auf

einen langjährigen Erfahrungsschatz zurückgreifen, der bis in das Jahr

1930 datiert. Das damit verbundene Know-how und Potenzial wird von

unseren zahlreichen Auftraggebern aus Wirtschaft, Industrie, Werbung,

Bund und Kantonen sehr geschätzt. Technische Entwicklungen, Trends und

Marktgeschehnisse im Print- sowie Onlinebusiness werden von uns stets

aufmerksam beobachtet. Dies prägt unsere tägliche Arbeit und ermöglicht

uns, jeweils individuelle, kundenspezifi sche Lösungen zu kreieren – das

interdisziplinäre Zusammenspiel der unterschiedlichen Kompetenzpartner

gewährleistet uns, selbst komplexe Projekte aus einer Hand anzubieten.

Professionell und vielseitigAls Kommunikationspartner verarbeiten wir Informationen für nahezu alle

Kanäle – das Medium Print zählt dabei nach wie vor zum Kerngeschäft. In

unserem topmodernen Maschinenpark werden Drucksachen mit optimaler

Effi zienz und unter Einhaltung höchster Qualitäts- und Sicherheitskriterien

realisiert. Ob klimaneutral, FSC-zertifi ziert oder mit fälschungssicheren

Merkmalen versehen produziert – das Unternehmen offeriert zahlreiche

Dienstleistungen, die weit über das reine Druckhandwerk hinausgehen.

Kreative Text- und Bildprofi s, sprachgewandte Korrektoren, versierte Com-

puter-to-Plate-Operatoren, eine speditive Ausrüsterei und die sowohl auf

Internet, Personalisierungen als auch Web-to-Print-Lösungen spezialisier-

ten Geschäftsbereiche FO-Cyberfactory und FO-Smartprint stehen den Kun-

den mit allen erdenklichen Produktionsvarianten zu Diensten.

Auf ÜberholspurIm Spannungsfeld sich ständig ändernder Medientechnologien gehören

die kompetente Beratung sowie fachgerechte Auf- und Weiterverarbei-

tung wichtiger Informationen in die Hände versierter Profi s. Sie sind es,

die Ihre Botschaften effi zient, zielgerichtet und crossmedial vernetzt am

Markt positionieren, die Synergien erfassen, genau zu nutzen und bei

Bedarf entsprechend ökologisch vertretbar zu produzieren wissen. Als

Ihr Kommunikationspartner kennen wir die vielschichtigen Möglichkeiten,

das Potenzial des Machbaren und wissen dieses gewinnbringend für Ihr

Unternehmen umzusetzen. Nicht zuletzt stellen wir mit Publishing 3.0 di-

verse richtungweisende Softwaretools zur Verfügung, die unseren Kunden

ein Höchstmass an Flexibilität und Kosteneffi zienz gewährleisten. Damit

lässt unsere Dienstleistungspalette kaum mehr einen Wunsch offen –

ein kundenorientiertes Handeln ist unser Kredo. Daher freuen wir uns,

zielstrebig in die Pedale zu treten und gemeinsam mit Ihnen spannende

Konzepte zu verwirklichen.

Um Informationen fachgerecht für alle Kanäle aufzubereiten, bedarf es

eines Spezialisten mit versiertem Blick für das Ganze.

Informationen und Daten werden heute crossmedial verarbeitet und über

diverse Kanäle vernetzt – dabei gilt das Medium Print nach wie vor als

Motor für erfolgreiche Werbeauftritte.

Erfolg basiert auf Begeisterung, auf ambitionierten Menschen, deren vielfältige Persönlich-keiten, Charaktere und Erfahrungen sich optimal ergänzen und selbst Unerwartetes hervor-bringen. Gemeinsam treten diese Menschen für andere zielstrebig in die Pedale – nicht nur beim Veloblitz.

MIT KARACHO IN DIE ZUKUNFT

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Page 97: KARACHO das Jubiläums Magazin des Veloblitz 2009

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Wissenswertes auf einem Blick

Zertifi zierungen: ISO 14001, FSC, Klimaneutrales Drucken,

PSO/ISO 12647-2, ISO 9001, OHSAS 18001

Publishing 3.0: Seien es Print-on-demand-Produkte (Fotobücher, Karten,

text- oder bildpersonalisierte Kalender), Bestellungen von Geschäfts-

drucksachen via CyberPrint oder umfangreiche Redaktionssysteme –

intelligente Internetanwendungen sowie Dialogmarketing weisen den Weg

in die Zukunft und ermöglichen ein kosteneffi zientes, fl exibles Agieren.

Datenhandling: Der vertrauensvolle Umgang mit heiklen Daten und In-

formationen gilt als selbstverständlich. Ob Datenbanken für Bildarchive,

Sicherheitskopien oder Ähnliches – was immer Sie für künftige Projekte

wiederverwenden möchten, Ihre Daten sind bei uns mehrfach gespeichert

und bestens aufgehoben.

Druck: Im Schichtbetrieb laufen 28 Druckwerke – von der neusten Anico-

lor-Maschine bis zum 13 Meter langen High-Tech-Apparat mit zehn Farb-

werken sowie zwei Xerox-iGen3-Digitaldruckmaschinen. Für jedes Bedürf-

nis steht die passende Maschine zur Verfügung – so auch für besonders

ausgefallene, umweltbewusste oder sicherheitsrelevante Produktionen.

Ausrüstung: Schneiden, Falzen, Heften, Perforieren, Nummerieren, Lei-

men, Bandieren sind tägliche Arbeiten. Ausgeklügelte, computergesteu-

erte Präzisionsgeräte ermöglichen zudem vielfältige Veredelungsarten im

Sieb- oder Folienprägedruck. Sie steigern den Wert Ihrer Drucksachen

und sorgen für Aufmerksamkeit.

Spedition: Wo immer auf der Welt Ihre Kunden sind – wir erledigen alle

notwendigen Formalitäten, liefern prompt und überwachen den Trans-

port.

Mit modernsten Printmedien verbreiten wir Ihre Botschaft in höchster Qualität vom Konzept bis zur Logistik. www.fo-fotorotar.ch

Liefert massgeschneiderte Lösungen für Drucksachen mit einfach erkenn-baren Sicherheitsmerkmalen bis hin zu umfassenden Sicherheitskonzep-ten. www.fo-security.ch

Die Internetspezialisten vereinen technische und grafi sche Kompetenz. Das Resultat: einmalig integrierte, individuelle Kommunikationsprodukte für alle Medienkanäle. www.fo-cyberfactory.ch

Garantiert hochgradig automatisierte, individuell anpassbare Print-Lö-sungen für jedes Bedürfnis sowie die Verwaltung und Sicherung von Daten nach ISO-Norm 27001. www.fo-smartprint.ch

Bietet Service total für Autoren und Firmen, die den Buchmarkt erobern wollen – von der Idee bis zum Vertrieb. www.fo-publishing.ch

Zeichnen verantwortlich für grundlegende Dienste aller Geschäftsberei-che, so auch für den Bereich IT-Services und Infrastruktur. www.fo-services.ch

Alle Geschäftsbereiche sind Teil der FO Print & Media AG.

FO Print & Media AGGewerbestrasse 18, CH-8132 EggTel. +41 44 986 35 10, Fax +41 44 986 35 [email protected], www.fo-print-media.ch

Wissenswertes auf einem Blick

Zertifi zierungen: ISO 14001, FSC, Klimaneutrales Drucken,

PSO/ISO 12647-2, ISO 9001, OHSAS 18001

Publishing 3.0: Seien es Print-on-demand-Produkte (Fotobücher, Karten,

text- oder bildpersonalisierte Kalender), Bestellungen von Geschäfts-

drucksachen via CyberPrint oder umfangreiche Redaktionssysteme –

intelligente Internetanwendungen sowie Dialogmarketing weisen den Weg

in die Zukunft und ermöglichen ein kosteneffi zientes, fl exibles Agieren.

Datenhandling: Der vertrauensvolle Umgang mit heiklen Daten und In-

formationen gilt als selbstverständlich. Ob Datenbanken für Bildarchive,

Sicherheitskopien oder Ähnliches – was immer Sie für künftige Projekte

wiederverwenden möchten, Ihre Daten sind bei uns mehrfach gespeichert

und bestens aufgehoben.

Druck: Im Schichtbetrieb laufen 28 Druckwerke – von der neusten Anico-

lor-Maschine bis zum 13 Meter langen High-Tech-Apparat mit zehn Farb-

werken sowie zwei Xerox-iGen3-Digitaldruckmaschinen. Für jedes Bedürf-

nis steht die passende Maschine zur Verfügung – so auch für besonders

ausgefallene, umweltbewusste oder sicherheitsrelevante Produktionen.

Ausrüstung: Schneiden, Falzen, Heften, Perforieren, Nummerieren, Lei-

men, Bandieren sind tägliche Arbeiten. Ausgeklügelte, computergesteu-

erte Präzisionsgeräte ermöglichen zudem vielfältige Veredelungsarten im

Sieb- oder Folienprägedruck. Sie steigern den Wert Ihrer Drucksachen

und sorgen für Aufmerksamkeit.

Spedition: Wo immer auf der Welt Ihre Kunden sind – wir erledigen alle

notwendigen Formalitäten, liefern prompt und überwachen den Trans-

port.

bild

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Page 98: KARACHO das Jubiläums Magazin des Veloblitz 2009

98 |

Hofgrafen GmbH Identität und Kommunikation Zentralstrasse 74a, 8003 Zürich, Telefon 044 201 93 76, [email protected], www.hofgrafen.ch

Wir gratulieren!

KarachoDef230909.indd 98 19.10.2009 10:48:16 Uhr

Page 99: KARACHO das Jubiläums Magazin des Veloblitz 2009

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Hofgrafen GmbH Identität und Kommunikation Zentralstrasse 74a, 8003 Zürich, Telefon 044 201 93 76, [email protected], www.hofgrafen.ch

Wir gratulieren!

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Ende der 80er Jahre wurden die ersten Velokurierbetriebe gegründet. Zu-

erst in Luzern, dann in Bern, Basel und Zürich. Die Gründer waren Idealis-

ten, die sich von den Ideen aus verkehrsgeplagten Städten in Nordamerika

inspirieren liessen. Doch die Zeiten sind längst vorbei, als die Kuriere die

bunten Vögel im Strassenbild waren. Inzwischen gibt es schweizweit über

20 Velokuriere, die nicht nur mit sportlichem Ehrgeiz durch die Städte

fahren, sondern vor allem auf professionelle und sichere Kurierdienst-

leistungen setzen. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren sind Schnelligkeit, Um-

weltbewusstsein und die vertrauliche, persönliche Lieferung. Das hat auch

Christoph Masoner, der Mitbegründer des Velokuriers Luzern und heutige

Geschäftsführer von swissconnect, vor 10 Jahren erkannt: „Ich wollte die

regionalen Velokuriere in der Schweiz zusammenspannen und gemeinsam

mit den SBB einen nationalen Verbund schaffen, mit dem Kurierdienste

nicht nur auf die einzelnen Städte begrenzt bleiben, sondern auch zwi-

schen den Orten möglich werden.“

Ökologisch und effi zient„In sieben von zehn Fällen ist das Velo in der Stadt schneller als das

Auto“, sagt Masoner. Daher sind die Velokuriere in den Städten immer noch

das Herzstück des Schweizer Kurierdienstes. Für grössere Distanzen setzt

swissconnect auf das dichte Netz der SBB, auf Privatbahnen wie z. B. die

Rhätischen Bahnen, Mobility- oder Erdgas-Autos sowie Taxiunternehmen.

Das schweizweite Netzwerk besteht heute aus rund 50 Partnern, die Briefe,

Dokumente, Waren und Pakete bis 30 kg nahezu in alle Orte und Regio-

nen der Schweiz, ins europäische Ausland und in die ganze Welt liefern.

Das können Dokumente wie Pässe sein, Blutproben, heikle Messgeräte,

Werkzeuge und so weiter. Dass die Lieferungen pünktlich ankommen ist

dem reibungslosen Zusammenspiel aller beteiligten Partner zu verdanken.

Thomas Bussmann vom Luzerner Orthodontie-Labor Bussmann ist Kunde

der ersten Stunde und erinnert sich: „Damals hielt ich es für einen sehr

ambitiösen, wenn nicht gar unwahrscheinlichen Plan, ein fl ächendecken-

des Netzwerk aus kleinen Kurieren zu schaffen. Schliesslich muss jeder

einzelne ein extremes Dienstleistungsverständnis mitbringen und die Qua-

lität garantieren, die es für ein perfektes gemeinsames Angebot braucht.“

Logistische MeisterleistungDer Plan ist aufgegangen. Heute betreut swissconnect im Schnitt 110

Sendungen täglich, Tendenz steigend. Das logistische Nervenzentrum ist in

Luzern, wo vier Personen sämtliche Aufträge und Partner koordinieren. Sie

überwachen die einzelnen Sendungen dank einer eigens entwickelten Soft-

ware zeitgenau und sind immer auf dem Laufenden, wo welche Lieferung

steckt. Meistens läuft alles glatt, hin und wieder müssen Probleme gelöst

werden, wenn zum Beispiel ein Zug ausfällt oder verspätet ist. Im Extrem-

fall kommt eine Sendung erst gegen Mitternacht am Zielort an und wird

vom lokalen Kurier auch dann noch ausgeliefert. Besonders Medizinlabors

und Spitäler, aber auch Industrieunternehmen, Anwälte, Notare, Banken,

Text: www.textpistols.ch, Foto: Alois Jauch

Ein Paket in Zug abholen, nach Lausanne spedieren und persönlich ausliefern. Das alles in knapp drei Stunden. Der clevere Verbund aus Bahnen, Velo-, Auto- und Taxi-kurieren machts möglich. Dabei setzt der Schweizer Kurierdienst swissconnect nicht nur auf das jeweils schnellste, sondern auch ökologisch sinnvollste Transportmittel. Und das bereits seit 10 Jahren mit stetig wachsendem Erfolg.

SWISSCONNECT - DER KURIER, DER MIT DEM ZUG GEHT – SCHNELL UND ÖKOLOGISCH QUER DURCH DIE SCHWEIZ

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Botschaften und Reisebüros zählen zur Hauptkundschaft von swisscon-

nect – allesamt Kunden, die auf eine schnelle Lieferung angewiesen sind

und den Service auch mal Samstags, Sonntags oder abends nutzen. „Eben

diese Flexibilität und den Rund-um-Service schätzen unsere Kunden“, sagt

Christoph Masoner. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum der Kurier-

dienst von der Wirtschaftskrise nichts spürt. swissconnect strebt noch

dieses Jahr die ISO-Zertifi zierung an und expandiert weiter. „Je mehr sich

die Post als Marktführer im Gleichtagsgeschäft zurückzieht, desto mehr

werden wir uns weitere Gebiete erschliessen“, so Masoner. „Wir sind nur

wenig teurer als die Post, dafür aber unschlagbar schnell.“

Mit einem Paket auf ReisenEine Reise mit swissconnect sieht in der Praxis so aus: Ein Kunde in Lau-

sanne informiert seinen lokalen Kurier über ein im Zuger Industriegebiet

bereitliegendes Ersatzteil. Der Lausanner Velokurier gibt den Auftrag in

den Computer ein. Sobald dieser auf dem Bildschirm des Zuger Velo-

kuriers auftaucht, wird das Paket abgeholt. Der Kurier eilt zum Bahnhof

und deponiert die Sendung sicher im abschliessbaren Zugführerabteil des

Intercity-Zuges. In Zürich ist der dortige Velokurier bereits im Bild und

schickt rechtzeitig einen Fahrer an den Hauptbahnhof, der das Paket in

den IC Richtung Genf umlädt. Pünktlich ist der Kurier in Lausanne zur

Stelle, um das Paket auszuladen. Er fährt direkt zum Auftraggeber nach

Ouchy und gibt die Sendung persönlich ab. Dieser staunt nicht schlecht,

seit dessen Anruf sind kaum drei Stunden vergangen! Ähnliches geht von

Zürich nach Bern, von Basel nach Luzern oder Lausanne nach Genf sogar

in 90 Minuten.

Das swissconnect-Netzwerk umspannt die ganze Schweiz. In Gegenden, wo

es keine Velokuriere gibt, übernehmen Autokuriere oder Taxis den Trans-

port vom Bahnhof zum Bestimmungsort. Neben solchen Einzelaufträgen

bietet swissconnect auch regelmässige Abholungen (Daueraufträge) und

ausgefeilte Sammel- und Verteilkonzepte. Christoph Masoner lacht: „Bei

uns ist fast alles möglich. Wir transportieren fast alles fast überall hin.“

Weitere Informationen erhalten Sie bei:

swissconnect AG

Christoph Masoner

Tel. 041 227 2000

[email protected]

www.swissconnect.ch

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Text: Rolf Burkhardt, Foto: Peter Zangerl

Der „Messenger“, ein hochwertiges Strassenrad

aus Alu und Carbon, wird nach gut drei Jahren

Entwicklungsarbeit bereits in einer zweiten Ge-

neration lanciert. Als die Veloblitz-Geschäftslei-

tung vorbrachte, eine Velowerkstatt zu eröffnen,

ging es vorwiegend darum, eine weitere Einnah-

mequelle für den damals leicht strauchelnden

Kurierdienst zu fi nden. Bei der Entwicklung einer

eigenen Fahrradmarke hingegen, eine Marktlü-

cke zu schliessen. Obschon dutzende renom-

mierter Velomarken damit werben, die Perfektion

des Zweirads gefunden zu haben, war vor dem

Bau des „Messengers“ kein Fahrrad auf dem

Markt zu fi nden, das vollumfänglich den hohen

Ansprüchen eines Kuriers entspricht.

Ein Kuriervelo muss viel aushalten und soll den-

noch wendig und leicht sein. Es soll mit Kompo-

nenten ausgerüstet sein, die in Preis und Leis-

tung ausgewogen sind. Auf geraden Strecken,

wie auch am Züriberg, soll es die eingesetzte

Muskelkraft optimal in eine Fahrtbewegung um-

setzen, und: Es soll gut aussehen.

Wer über mehrere Jahre hinweg tausende von

Kilometern auf einem Fahrrad zurücklegt, spürt

und bemerkt Konstruktionsfehler oder die fal-

sche Materialwahl quasi am eigenen Leib. Luzian

Relly und Lukas Bertschi, die beiden Väter des

„Messengers“, sind Testperson und Entwickler in

einem, wovon ihre begeisterte Kundschaft profi -

tiert. Und die stammt längst nicht mehr nur aus

dem engen Kreis kritischer Kuriere. Um zu reali-

sieren, dass es den meisten City Bikes, die in den

Neunzigern das für städtische Bedürfnisse viel

zu schwere Mountainbike ablösten, an Stabilität

fehlt, braucht man kein Profi zu sein.

Auch muss man kein Radrennfahrer sein um zu

bemerken, dass die gebückte Haltung, die dem

Rennvelo zur optimalen Nutzung der Tretkraft ver-

hilft, im Zürcher Stadtverkehr gefährlich werden

kann. Der lebensrettende Blick über die Schulter,

wird durch den tiefgesetzten Lenker geradezu

verunmöglicht. Mit dem „Messenger“ wurde we-

sentlich mehr, als ein gelungener Kompromiss

dessen, was man bei den genannten Modellen für

unbefriedigend empfi ndet, gefunden. Nicht unbe-

scheiden ist vom idealen Fahrrad, abgestimmt

auf Zürichs Topographie die Rede.

Der „Messenger“ wiegt je nach Rahmengrös-

se zwischen 9 und 10kg und ist dennoch von

Seit wenigen Monaten befi ndet sich im Containerdorf in der Binz in Zürich die neue Velowerk-statt von Veloblitz. Eigentlich nichts Aussergewöhnliches - ausser dass in dieser Werkstatt am Fusse des Üetlibergs nicht nur repariert, sondern auch ein ausgeklügeltes Fahrrad gebaut wird.

DER „MESSENGER“ VONVELOBLITZ BEWEGT NICHT NUR KURIERE

Wir sind überzeugt: unser „Messenger“ wird auch Sie

ganz schön bewegen.

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höchster Stabilität. Das Gefühl, wie auf Schienen durch die Strassen zu

gleiten, mit griffi gen Bremsen und einer sanft klickenden Schaltung un-

terwegs zu sein macht nicht nur Spass, sondern erhöht in erheblichem

Masse die Sicherheit. Um ein optimales Fahrgefühl zu erreichen, wird jeder

von Hand und mit Herz zusammengestellte „Messenger“ den Bedürfnissen

seines künftigen Besitzers oder seiner Besitzerin angepasst. Und die dürfen

äusserst individuell sein.

Der „Messenger“ ist in der Grundausstattung in fünf Grössen in schwarz

erhältlich. Gegen einen Aufpreis von CHF 200.- entscheiden Sie selbst, wel-

che der 266 verschiedenen Farben am besten zu Ihrem „Messenger“passt.

Messenger Standard, Alu-Rahmen mit Carbon-Gabel, Kettenwechsel, Schal-

tung, Bremsen und Naben von „XT“, „105er“ und „Ultegra“

CHF 2190.-

Messenger Nabenschaltung, technische Details wie oben; anstelle von „XT“,

Schimano Alfi ne 8-Gang Nabenschaltung

CHF 2500.-

Ein Fahrrad macht nur dann richtig Freude, wenn man damit fährt. Darum

empfehlen wir Ihnen einen Besuch an der Räffelstrasse 28, um ein paar

Runden mit einem der besten Fahrräder der Gegenwart zu drehen.

So fi nden Sie uns:

Öffnungszeiten Veloblitz Werkstatt:

Mo- Fr 12.00 - 18.00 Uhr

Sa 11.00 - 17.00 Uhr

Alle Modelle und sämtliche technischen Details unter

www.veloblitzbikes.ch

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Für einen Veloblitz-Kurier gehört dieses Eintauchen in die Geschmackswelt

von Lily‘s frisch zubereiteten asiatischen Köstlichkeiten zu einem willkom-

menen, berufsbedingten Begleiter.

Liebhaber von Lily‘s Kochkunst, denen dieser von Düften umwobene Logen-

platz verwehrt bleibt, bestellen sich die Palette farbig riechender Köstlich-

keiten ganz einfach dorthin, wo man sich bei kleinem oder grossem Hunger

eben gerade befi ndet. Ein Blick auf die übersichtliche Website oder in die

Speisekarte genügt, um telefonisch oder per Knopfdruck sein Lieblings-

gericht, gespickt mit ein paar Spezialwünschen, bequem an den Tisch zu

holen. Dass diese für tausende von Zürcherinnen und Zürchern heutzutage

selbstverständliche Regung eine ganze Maschinerie in Bewegung setzt, ein

perfekt eingespieltes Team von Telefonisten, asiatischen Köchen, Disponen-

ten und Veloblitz-Kurieren, sind sich die Wenigsten bewusst.

Genau sieben Jahre sind es her, dass die Macher von Lily’s Restaurant ihre

Vision umzusetzen begannen, panasiatische Kochkünste nicht nur im Res-

taurant an der Langstrasse, sondern auch am Ess- oder Bürotisch von Herr

und Frau Zürcher zu servieren. Eigentlich ist ja Home Delivery nichts Neues.

Doch ist es die Auswahl, die es ausmacht. Der deutliche Unterschied im

Angebot, der perfektionierte Kundenservice, die Liebe zu frisch zubereitetem

Essen und die nur durch Muskelkraft erbrachte Leistung, das Bestellte zu

liefern, galt es neu zu erfi nden. Es begann damit, dass Cello Rohr nach

einer seiner zahlreichen Asienreisen mit einem Souvenir im Handgepäck in

Zürich ankam. Sein Mitbringsel: ein doppelstöckiges Chromstahlgefäss, mit

dem mehrere Millionen Asiaten tagtäglich ihr frisch zubereitetes Essen von

der Strassenküche nach Hause transportieren, um es dort fern ab städ-

tischer Hektik zu geniessen. Zusätzlich zur festen Überzeugung, mit dem

Pinto, so heisst dieses Wundertöpfchen, die Stadt Zürich um ein nützliches

Etwas zu bereichern, war auch Euphorie mit von der Partie. – Diese Eupho-

rie, im Normalfall ein fl üchtig Ding, musste mehrere Jahre anhalten, bis

das erfolgsversprechende Geschäftsmodell rund um diesen gut transpor-

tierbaren Wärmebehälter zu einer rentablen Wirklichkeit werden konnte.

Eigentlich unterscheidet sich Lily‘s Küche in fast gar nichts zu einer nor-

malen Restaurantküche. Nur handelt es sich hierbei um eine, die auf die

Zubereitungsarten asiatischer Gerichte in grossen Mengen spezialisiert ist.

Vor mir auf der Theke stehen drei riesige Reiskocher - gegen 25kg Reis

fasst so ein Gerät. Meiner zu Hause wirkt dagegen läppisch. Der Stössel,

mit dem beispielsweise Papayastreifen, Gewürze, Kräuter oder getrocknete

Garnelen zu einer Paste zerstampft werden, ist dermassen schwer, dass

Text: Rolf Burkhardt, Fotos: Lars Brauchli

Liegt es in der Macht der menschlichen Nase dem geistigen Auge verbindlich Farben zu vermitteln? Wenn ich in der Küche von Lily’s Home Delivery sitze, bilde ich mir manchmal ein, Grün zu riechen. Rot und Honiggelb ziehen dann an meinem inneren Auge vorbei. Ein sanftes Hellgrün um ein struppiges Lila gelegt bleibt auf der geistigen Leinwand hängen, bevor es von einem cremigen Schokoton abgelöst wird.

LILY‘S

Es begann damit, dass Cello Rohr nach einer seiner zahlreichen Asienreisen mit einem

Souvenir im Handgepäck in Zürich ankam.

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er mit beiden Händen und grosser Wucht auf den Boden des übergrossen

Mörsers gestossen werden muss. Automation hat auch in heutiger Zeit

noch nicht überall Einzug gehalten. Wokpfannen über züngelnden Gasfl am-

men, sich in tropischer Hitze gegenseitig abwechselnde Duftnoten sowie

ein ständiges Klappern von Kochgeschirr regieren diesen Ort, von dem aus

die Stadt Zürich seit etlichen Jahren bekocht und bewirtet wird.

Waren, der Küchenchef, strahlt eine Ruhe aus, die sich auf sein vier-

bis fünfköpfi ges Team geradezu hypnotisch überträgt. Manchmal glaube

ich, er bewege sich in Zeitlupe. Und dennoch schafft er‘s immer, den

Ansturm von Bestellungen zu bewältigen. Der Drucker rattert, eine Be-

stellung kommt rein, Waren und sein Team legen los. Heute sind es vier

Köche, die mit verinnerlichten Bewegungsabläufen die Speisekarte hoch

und runter kochen. Routinierte Handbewegungen, die das Team vermutlich

im Schlaf beherrscht - nur wäre es unfair, diese Übertreibung, wenn auch

bewundernd gemeint, so stehen zu lassen. Die offensichtliche Ermüdung

der Gesichtszüge am Ende einer Schicht lassen einen erahnen, dass die

über Stunden anhaltende Leichtigkeit unter höchster Anstrengung zustan-

dekommen muss.

Heute ist Patrick der diensthabende Disponent, auch er ein offensichtlich

von Natur aus freundlicher, entspannt wirkender Mensch. Und dies, obschon

es kein Leichtes ist, Schnittstelle zwischen Kurierdienst und Küche zu sein.

Er stellt die Routen zusammen, kennt alle Abkürzungen und Einbahnstras-

sen, weiss von Staus und Baustellen, die dem Fahrer zum Hindernis oder

zum Trumpf werden können. Scharnier zwischen dampfenden Menüs und

ungeduldigen Kurieren zu sein, zwei unterschiedlich angelegte Rhythmen

zu einem harmonisierenden Ganzen zu vereinen, setzen Entscheidungs-

freude und wohldosiertes Durchsetzungsvermögen voraus. Sowieso vereint

sich in dieser Küche eine ganze Palette ausgeprägter Fähigkeiten. Und dies

alles wegen eines Chromstahltöpfchens, das es so in unseren Breiten noch

nicht gegeben hat. Im Gegensatz zum Kartoffelschäler oder dem multi-

funktionalen Sackmesser wurde der Pinto in seiner vollendeten Form nicht

von einem Schweizer erfunden. Man war es sich in Zürich nicht gewohnt,

gegen ein Depot von CHF 10.-, diesen Wärmebehälter zu sich nach Hause

zu bestellen. Und dies, obschon alle, die ihn bei sich zu Hause hatten, von

der Stabilität und den beiden Schnallen beeindruckt, welche Menü- und

Reisgefäss dicht zusammenhalten, sogleich begeistert sind.

Wäre der Inhalt, ein grünes oder rotes Curry, ein Tamil Chicken oder ein

Panji Renga, dessen Zusammensetzung mir noch heute ein Rätsel ist, nicht

dermassen lecker, hätte sich der Pinto, praktisch und ökologisch zugleich,

kaum durchgesetzt.

Mund-zu-Mund-Propaganda, eine schlichte, witzig überzeugende Kampagne

auf der Rückseite einer jeden Speisekarte, die gut sichtbaren mit „Lily‘s“

beschrifteten Rucksäcke der Kuriere, aber vor allem der hohe Nutzen, ge-

paart mit einem ökologisch sinnvollen Ansatz, brachten schliesslich den

längst verdienten Erfolg.

Sonntag ist der Tag der Tage: Man möchte glauben, dass sich Zürcherin-

nen und Zürcher sonntags ausschliesslich von Currys oder Papayasalaten

ernähren, ihr Wochenende mit Springrolls und Samosas ausklingen lassen.

Aber eben: das war nicht immer so. Als Lily‘s Home Delivery nach über

zwei Jahren noch immer mit zu hohem Aufwand und dürftigem Ertrag zu

kämpfen hatte, musste Einiges unternommen werden, um den Glauben an

den Pinto und sein Drumherum nicht zu verlieren.

Haben sich die Macher in ihrer Euphorie, der Stadt den perfekten Home

Delivery Service zu bieten, etwas übernommen? Sie haben. Das Sortiment

wurde massiv gestrafft, die Disposition reorganisiert, Kalkulationen nach

aktuellen Erkenntnissen aufgerollt. Routen wurden abermals ausgelotet,

das Kochteam mit neuen Köpfen besetzt. Es war keine einfache Zeit bis

Lily‘s Home Delivery dort war, wo es heute ist. Vor allem deshalb nicht,

weil man sich einig war, trotz innerbetrieblicher Einschränkungen dem

Grundsatz, seiner Kundschaft den besten Service zu bieten, immer treu zu

bleiben - und es bis heute geblieben ist.

Heute ist Lily‘s dank einem hochmotivierten Team, engagierten Profi köchen

und einem guten Dutzend durchtrainierter Radlerbeine in Bestform. Durch-

halten hat sich gelohnt. Zum Glück für uns alle. Verlangen Sie von mir

jetzt nicht Ihnen das eingehend schmackhaft gemachte „struppige Lila“ zu

erklären. Diese Farbe ist ja auch keine Farbe sondern ein Duft, weshalb es

unsinnig wäre, Ihnen die Farbe eines Duftes zu erklären, den Sie noch gar

nie gerochen haben. Und von diesen „unerrochenen“ Düften gibt es in der

Küche von Lily’s Home Delivery hunderte. Holen Sie sich den einen oder

andern einfach zu sich an den Tisch!

Er stellt die Routen zusammen, kennt alle Ab-kürzungen und Einbahnstrassen, weiss von

Staus und Baustellen, die dem Fahrer zum Hin-dernis oder zum Trumpf werden können.

Heute ist Lily‘s dank einem hochmotivierten Team, engagierten Profi köchen und einem guten Dutzend durchtrainierter Radlerbeine in Best-

form. Durchhalten hat sich gelohnt.

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Mitarbeiter & FreundeAlois Jauch (Jg. 1962) beim Veloblitz von 1998 bis 2006, Fotograf

Anette Michel (Jg. 1978) beim Veloblitz seit 2004,

Umweltwissenschaftlerin

Armin Köhli (Jg. 1965) WoZ-Journalist und Mitarbeiter der

Schweizerischen Stiftung für Minenräumung

(FSD) www.fsd.ch

Chris Kerkhof (Jg. 1974) beim Veloblitz seit 2002

Christian Cajöri (Jg. 1975) beim Veloblitz von 2001 bis 2008, Student

Claudia Hoffmann (Jg. 1977) beim Veloblitz von 2003 bis 2006, Pfarrerin

Frank Blaser (Jg. 1970) beim Veloblitz von 1996 bis 2006, Fotograf,

www.frankblaser.ch

Franz Hohler (Jg. 1943) Schriftsteller, Kabarettist und Liedermacher,

Veloblitzgenossenschafter der

ersten Stunde, www.franzhohler.ch

German Villotti (Jg. 1963) Grafiker, Veloblitzkunde seit 1991,

www.hofgrafen.ch

Johana Drabek (Jg. 1975) beim Veloblitz seit 2004, Studentin

Karsten Kulik (Jg. 1972) beim Veloblitz von 1996 bis 2001, Biologe

Lars Brauchli (Jg. 1971) beim Veloblitz seit 1992, Fotograf

Lorenz Goette (Jg. 1973) beim Veloblitz von 2005 bis 2008, Ökonom

Mahmud Tschannen (1967) beim Veloblitz von 1997 bis 2008, Redaktor

Marcel Bircher (Jg. 1966) beim Veloblitz seit 1993, Mitarbeiter von

swissconnect

Markus Meyle (Jg. 1972) beim Veloblitz von 1993 bis 1994, Künstler

Peter Zangerl (Jg. 1964) beim Veloblitz seit 2003, Buchhändler

Res Blum (Jg. 1976) beim Veloblitz von 2005 bis 2006, Geologe,

www.raize.ch

Res Zinniker (Jg. 1971) beim Veloblitz von 1999 bis 2001, Grafiker

und Illustrator, www.illustres.ch

Roland Fischer (Jg. 1974) beim Veloblitz von 1998 bis 2007,

Wissenschaftsjournalist

Roland Munz (Jg. 1972) beim Veloblitz seit 1995,

Kommunikationsgestalter, Kantonsrat

www.rolandmunz.ch

Rolf Burkhardt (Jg. 1971) Texter, schreibt für den Veloblitz seit

Anfang 2009

Simon Joller (Jg. 1969) beim Veloblitz von 1995 bis 1996,

Journalist BR

Talaya Schmid (Jg. 1983) beim Veloblitz seit 2003, Studentin

Speziellen Dank auch an: Andi Kucera, André Rüegg, Bendicht Luginbühl (www.repaper.ch), Hannes

Würgler, Johanna Cajöri, Linda Herzog, Malick Guéye, Marco Gloor,

Michèle Passauer, Nora Hunkeler, Raffi Bolli, Sämi Iseli (www.vertec.ch),

Steve Fröhlich, Tagblatt der Stadt Zürich, Thomi Seitz

Gönner

MITARBEITER, FREUNDE & GÖNNER

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IMPRESSUM

HerausgeberGenossenschaft Veloblitz, Hardstrasse 81, 8026 Zürich

Telefon: 044 272 72 72

Fax: 044 498 20 01

E-Mail: info[at]veloblitz.ch

Internet: www.veloblitz.ch

RedaktionMarcel Bircher

Mahmud Tschannen

German Villotti

Konzept, Gestaltung, UmsetzungHofgrafen GmbH

Lektorat/KorrektoratMahmud Tschannen

Werbe-AkquiseRoland Munz

DruckFO Fotorotar, ein Geschäftsbereich der FO Print & Media AG

PapierUmschlag: PlanoJet hochweiss, 300gm2, FSC

Inhalt: PlanoJet hochweiss, 120gm2, FSC

Aufl age8000 Exemplare

Aufl ösung Suchbilder von Seite 14-21

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Die Alternative Bank ABS gratuliert der Genossenschaft Veloblitz herzlich zum 20-Jahr-Jubiläum.

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Was wäre Zürich ohne die gelb-schwarzen Blitze?Wir gratulieren.

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MO – FR: 12 – 18 UhR, SA: 11 – 17 UhR044 498 20 50

VElOBliTZBiKES.chEin Unternehmen der Genossenschaft Velobl itz

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