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Seite IV www.wila-arbeitsmarkt.de karriere fügung, in denen es um unterschiedlichste Themen ging, vom Ankommen in der neuen Stadt über die Planung der einzelnen Trainee- Staonen bis hin zum Probezeitgespräch. Informell oder formell? Auch Vivien, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, konnte beim Berufseinseg auf die Unterstützung eines Mentors setzen. Nach ersten Berufserfahrungen wollte sie in einer Unternehmensberatung täg werden. Ein Unternehmensberater, den sie über den Alumni-Verein ihrer Hochschule gefunden hae, unterstützte sie dabei ehrenamtlich. Chrisane König hae nicht nur eine Ausbil- dung zur Kauffrau für Bürokommunikaon abgeschlossen. Sie hae auch ein Studium der Wirtschaſtspsychologie mit Schwerpunkt Personal- und Organisaonspsychologie sowie Prakka in verschiedenen Unterneh- men absolviert. Zum Ende des Studiums war ihr dann immer klarer geworden, dass sie sich einen Job in der Personalentwicklung wünschte. Mehrjährige praksche Erfahrung in diesem Bereich hae sie allerdings noch nicht. Deswegen war sie froh, als sie auf ein Traineeship bei der Gesellschaſt für musikali- sche Aufführungs- und mechanische Verviel- fälgungsrechte in München seß, die unter der Abkürzung GEMA bekannt ist und die Rechte von Komponisten, Songtextern und Musikverlegern verwaltet. Schon beim tele- fonischen Vorgespräch erfuhr sie, dass jeder Trainee in dem Unternehmen einen Mentor oder eine Mentorin an die Seite gestellt be- kommt. Chrisane König lernte ihren Mentor dann gleich an einem der ersten Arbeitstage kennen. Der Kollege, der schon ein paar Jahre im Unternehmen war und selbst eine Füh- rungsposion anstrebte, erklärte ihr, welche Aufgaben in welchen Bereichen stainden und welche Schnistellen es gibt. Gleichzei- g brachte er ihr das Unternehmensleitbild näher. Später stand er für Fragen zur Ver- Mentoring: Von Vertrauenspersonen und Steigbügelhaltern Vor allem zu Beginn des Berufslebens ist man auf Tipps, Hilfestellungen und Feedback angewiesen. Umso wertvoller ist die Unterstützung durch einen Mentor oder eine Mentorin. Text: Janna Degener © contrastwerkstatt ‒ Fotolia.com

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karriere

fügung, in denen es um unterschiedlichste Themen ging, vom Ankommen in der neuen Stadt über die Planung der einzelnen Trainee-Stationen bis hin zum Probezeitgespräch.

Informell oder formell?

Auch Vivien, die ihren Nachnamen nicht nennen möchte, konnte beim Berufseinstieg auf die Unterstützung eines Mentors setzen. Nach ersten Berufserfahrungen wollte sie in einer Unternehmensberatung tätig werden. Ein Unternehmensberater, den sie über den Alumni-Verein ihrer Hochschule gefunden hatte, unterstützte sie dabei ehrenamtlich.

Christiane König hatte nicht nur eine Ausbil-dung zur Kauffrau für Bürokommunikation abgeschlossen. Sie hatte auch ein Studium der Wirtschaftspsychologie mit Schwerpunkt Personal- und Organisationspsychologie sowie Praktika in verschiedenen Unterneh-men absolviert. Zum Ende des Studiums war ihr dann immer klarer geworden, dass sie sich einen Job in der Personalentwicklung wünschte. Mehrjährige praktische Erfahrung in diesem Bereich hatte sie allerdings noch nicht. Deswegen war sie froh, als sie auf ein Traineeship bei der Gesellschaft für musikali-sche Aufführungs- und mechanische Verviel-fältigungsrechte in München stieß, die unter

der Abkürzung GEMA bekannt ist und die Rechte von Komponisten, Songtextern und Musikverlegern verwaltet. Schon beim tele-fonischen Vorgespräch erfuhr sie, dass jeder Trainee in dem Unternehmen einen Mentor oder eine Mentorin an die Seite gestellt be-kommt. Christiane König lernte ihren Mentor dann gleich an einem der ersten Arbeitstage kennen. Der Kollege, der schon ein paar Jahre im Unternehmen war und selbst eine Füh-rungsposition anstrebte, erklärte ihr, welche Aufgaben in welchen Bereichen stattfinden und welche Schnittstellen es gibt. Gleichzei-tig brachte er ihr das Unternehmensleitbild näher. Später stand er für Fragen zur Ver-

Mentoring: Von Vertrauenspersonen und SteigbügelhalternVor allem zu Beginn des Berufslebens ist man auf Tipps, Hilfestellungen und Feedback angewiesen. Umso wertvoller ist die Unterstützung durch einen Mentor oder eine Mentorin.

Text: Janna Degener

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WILA Arbeitsmarkt ‒ Infodienst für Berufe in Bildung, Kultur und Sozialwesen 02|2018 Seite V

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Ein Jahr lang traf sie sich jeden Monat mit ihm. Sie erklärte ihm, was sie plante und welche Wege sie ging, um Kontakte in der Wunschbranche zu knüpfen. Der Mentor gab ihr hilfreiche Tipps und steht auch jetzt, da Vivien eine Stelle bei einer Unternehmensbe-ratung bekommen hat, für Fragen zur Verfü-gung. Zusätzlich hat ihr Arbeitgeber ihr – wie jedem neuen Mitarbeiter und jeder neuen Mitarbeiterin – eine Patin vermittelt, die ihr Fragen beantwortet und bei Problemen zur Seite steht. Neben ihrem Mentor und ihrer Patin hat Vivien weitere Ansprechpartner in Sachen Karriereplanung: ihren Freund, der selbst erfolgreicher Unternehmer ist, ihren Vater, der ein Krankenhaus managt, und viele Freunde, die beruflich erfolgreich sind.

Auch Benjamin Thies konnte als Berufsanfän-ger auf die Unterstützung durch Mentoren bauen. Allerdings lief der Prozess bei ihm weniger formell ab. Nachdem er Integrated Social Sciences, Political and International Studies sowie Public Policy and Management studiert hatte, arbeitete Benjamin Thies zunächst als Consultant in einer mittelstän-dischen Beratungsfirma. Sein Chef war sehr an der Entwicklung seines Personals inter-essiert, beantwortete alle seine Fragen mit viel Geduld, führte immer wieder Feedback-gespräche mit ihm und gab ihm regelmäßig hilfreiche Tipps – und das über einen langen Zeitraum hinweg. Für Benjamin Thies war er damit ein wichtiger Mentor, der einen gro-ßen Einfluss auf seinen weiteren Lebensweg hatte. Nach drei Jahren als Berater entdeckte Benjamin Thies bei einer USA-Reise seine Vorliebe für guten Kaffee: Er trank einen Kaf-fee, der auf der langsamen und schonenden Extraktion mit kaltem Wasser beruht und ihm einfach richtig gut schmeckte. Nach seiner Rückkehr stellte er fest, dass es in seiner Hei-matstadt Berlin einen solchen Kaffee nicht zu kaufen gab – und so entstand ein Geschäfts-modell, mit dem er und ein paar Freunde sich kurz darauf selbstständig machten. Während der Gründungsphase stieß das Team schnell auf den Businessplan-Wettbewerb der Berlin-Brandenburg-Gründungsinitiative (BPW), die die Gründer nicht nur bei der Erstellung ei-nes Geschäftskonzepts unterstützte, sondern auch kostenlose Workshops und Seminare, Beratungsgespräche sowie die Nutzung ei-nes großen Expertennetzwerks ermöglichte. Ob es um die Konzeption der Gründungsidee, um Rechts- und Steuertipps oder um Fragen rund um Marketing oder Vertrieb geht – das

Team hatte stets Spezialist/innen an seiner Seite. Auch das BPW-Projektteam war immer da, um Fragen zu beantworten, Ratschläge zu geben und Kontakte zu knüpfen. Mentoring, das bedeutet zunächst einmal, dass eine erfahrenere Person, der Mentor oder die Mentorin, eine unerfahrenere und meist jüngere Person, den Mentee, über einen längeren Zeitraum bei seiner Entwick-lung unterstützt. Kindergärten, Schulen, Uni-versitäten, aber auch Freizeiteinrichtungen greifen auf das Prinzip „Die Großen helfen den Kleinen“ zurück. Im beruflichen Kontext gibt es ebenfalls viele Möglichkeiten, Men-toring einzusetzen. Die Beispiele von Vivien, Christiane König und Benjamin Thies zeigen einerseits, dass sich das Modell für die Ge-staltung von Übergängen wie den Berufsein-stieg sehr gut eignet, und andererseits, wie die Mentoring-Beziehungen sich im Einzel-nen unterscheiden können – wobei die Über-gänge zur Beratung oder zum Coaching oft fließend sind. „Mentoren können Personen sein, die jemand über persönliche Kontakte kennengerlernt hat und die ihn unterstützen, aber sie können auch Teil eines institutiona-lisierten Programms sein. Teilweise findet das Mentoring in der One-to-One-Situation statt, teilweise in einer Gruppe. Manchmal unterstützen sich auch Peers gegenseitig, die fachlich auf einer Ebene stehen“, erklärt Mar-git Ertlmaier, die Unternehmen bei der Eta-blierung von Mentoring-Programmen berät. Wie finde ich einen Mentor?

Wer, wie Vivien, eigeninitiativ einen Mentor suchen möchte, kann nicht nur bei Alumni-Netzwerken, sondern beispielsweise auch bei Stiftungen, Branchen- und Berufsverbän-den sowie auf entsprechenden Internetpor-talen fündig werden. Der WILA Arbeitsmarkt beispielsweise bieten seinen Abonnentinnen und Abonnenten seit drei Jahren kostenlos die Möglichkeit, ehemaligen Lesern und Leserinnen Fragen zu ihren beruflichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt und zum Berufseinstieg zu stellen. Die ratsuchenden „Mentees“ können von der beruflichen Er-fahrung der „Mentoren“ profitieren. Und die berufserfahrenen „Ehemaligen“ können ihr Wissen weitergeben und umgekehrt Neues über Entwicklungen in ihren Fachdisziplinen erfahren. Wie intensiv das Mentoring ist, machen die beiden Seiten unter sich aus. Es gibt keine Verpflichtungen. Das „Mat-

ching“ – also die Vermittlung der beiden Seiten – findet über einen geschützten in-ternen Bereich statt. Interessierte Mentees und Mentor/innen melden sich einfach per Email an (Kontakt: [email protected]). Sie bekommen dann die Zugangsdaten zu einem geschützten Bereich, wo sie anonym ihr Mentee-Porträt hinterlegen und kurz ihre Beweggründe für das Mentoring-Gesuch schildern. Dieses Porträt ist für die ebenfalls registrierten Mentorinnen und Mentoren sichtbar, die sich den Mentees bei Interesse mit ihrem Profil und ihren Kontaktdaten prä-sentieren können.

Ähnlich funktioniert auch das Mentoring-Pro-gramm der Friedrich-Ebert-Stiftung, das seit über zehn Jahren existiert. Aktuelle Stipendia-tinnen und Stipendiaten können mit Ehemali-gen Probleme und Anliegen rund um Studien-entscheidungen (zum Beispiel Fachwechsel oder Auslandsaufenthalte), Karriereplanung (zum Beispiel Praktika- oder Jobsuche) so-wie fachliche Fragen besprechen. Mentoren und Mentorinnen können ihr Interesse auf einem Online-Portal bekannt geben, zwei Mal im Jahr werden dann nach angegebenen Branchen und Fachbereichen neue Men-toringpaare gebildet. Anna Kreuzer ist eine von den Ehemaligen, die sich ehrenamtlich als Mentorin für Studierende mit sozialwis-senschaftlichem Hintergrund engagiert. „Ich

Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen ist beim Start in einen neuen Job wichtig. Das Mentoring bietet dafür ein festes For-mat. © contrastwerkstatt ‒ Fotolia.com

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individuellen Austausch zur Verfügung. Un-terstützt und begleitet wird der Austausch durch ein Rahmen- und Seminarprogramm.

Worauf achten?

Gerade wenn Mentor/innen und Mentees sich zum ersten Mal treffen, kann ein Leit-faden hilfreich sein, den viele Institutionen und Unternehmen den Teilnehmer/innen entsprechender Programme zur Verfügung stellen. In jedem Fall ist es ratsam, dass Mentee und Mentor/in sich gleich zu Beginn darüber austauschen, wie sie das Programm gestalten wollen: Wie häufig wollen wir Kon-takt haben? Welche Wege der Kommunika-tion wollen wir nutzen? Wie gehen wir mit vertraulichen Informationen um? Wer bringt welche Erwartungen mit? Je nach Situation und Konstellation können Mentor/innen beim Berufseinstieg die un-terschiedlichsten Rollen spielen, von der Vertrauensperson bis zum Steigbügelhalter. Unternehmen nutzen Mentoren-Programme gerne als Instrumente der Personalentwick-lung – denn ihre Mitarbeiter/innen wissen natürlich am besten, wie die Firma funktio-niert. Deshalb ist es für Bewerber/innen und Berufseinsteiger/innen wie Christiane König durchaus attraktiv, sich intensiv mit ihnen auszutauschen. Christiane König traf sich anfangs alle zwei Wochen und später dann einmal im Monat mit ihrem Mentor, um aktuelle Themen zu besprechen. Sie profitiert davon, indem sie trotz ihrer Tätigkeit in der Personalabteilung auch die eigentlichen Aufgaben der GEMA besser kennenlernt – denn ihr Mentor ist im Justitiariat tätig, hat ein großes Verständnis für das Kerngeschäft und arbeitet in wich-tigen Gremien mit. „Ich habe mich mit ihm beraten, welche Rotationsstationen für mich während des Traineeships sinnvoll sein könn-

hätte selbst bestimmt sehr von einem solchen Angebot profitiert, aber als ich in der Förde-rung war, hatte die FES noch kein Mentoring-Programm. Deshalb habe ich gleich zugesagt, als die Stiftung mich als Mentorin anfragte“, erzählt die Ethnologin, die selbstständig als Coach, Moderatorin und Trainerin arbeitet und diese Kompetenzen auch in ihr Ehrenamt einfließen lässt. Auch Feedback zur Abschluss-arbeit, einen kostenlosen Bewerbungscheck sowie Hilfe bei der Vorbereitung auf ein Vor-stellungsgespräch bietet Anna Kreuzer ihren Mentees an, und sie gibt ihnen Anregungen, welche Ansprechpartner/innen zum Beispiel bei der Suche nach einem Praktikumsplatz von Interesse sein könnten.

„Immer wieder fragen Mentees an, ob sie bei mir am Arbeitsplatz hospitieren können oder ob ich ihnen einen Praktikumsplatz vermit-teln kann. Das kann ich leider nicht anbieten – auch wenn ich es gerne würde“, erzählt sie. Zurzeit betreut Anna Kreuzer zwei Mentees, von denen eine den Kontakt über das Mat-ching der Stiftung bekam und die andere sie nach dem Lesen ihres Online-Portals direkt anschrieb. Mit beiden traf Anna Kreuzer sich zunächst persönlich, der weitere Kon-takt lief dann meist per Skype, telefonisch oder per Email. Für das erste Kennenlernen nimmt sich die Mentorin gerne mal einen halben Tag Zeit, längere Gespräche rund um die Berufsorientierung oder das Sondieren möglicher Arbeitgeber für das Praktikum nehmen schon mal eine oder zwei Stunden

in Anspruch. Anna Kreuzer freut sich, dass sie durch diese Kontakte zu Studierenden über Themen und Strömungen informiert wird, die sonst wahrscheinlich nicht bei ihr ankommen würden: „Eine meiner Mentees möchte zum Beispiel Jugendliche beraten, damit habe ich sonst nichts zu tun. So lerne ich auch neue spannende Trainingssets kennen.“

Manche Unternehmen bieten ihren Mitar-beiter/innen nicht nur die Möglichkeit, von den erfahreneren Kolleg/innen im eigenen Haus zu profitieren, sondern auch von dem Know-how anderer Firmen. So gibt es bei-spielsweise in der Region Ostwestfalen-Lippe ein spezielles CrossMentoring-Programm für weibliche Nachwuchskräfte, an dem ver-schiedene Unternehmen beteiligt sind und das ursprünglich von der Landesregierung NRW sowie der Europäischen Union initiiert und gefördert wurde. Dabei steht eine erfah-rene weibliche Führungskraft einer jungen karriereorientierten Mitarbeiterin für den

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WIE KÖNNEN MENTOR/INNEN IHREN MENTEES WEITERHELFEN?

● Vermittlung von Impulsen, Insider-Informationen und Kontakten aus der Branche oder dem Unternehmen

● Feedback geben ● neutrale vertrauensvolle Unterstützung bei Unsicherheiten, Problemen, Konflik-

ten oder Missverständnissen, ohne dass das Anvertraute an Vorgesetzte, direkte Kolleg/innen oder Personalverantwortliche weitergegeben wird

● manchmal: konkrete Unterstützung bei der Karriere

„Zu dem Thema hat doch jemand vor ein paar Monaten einen Leitfaden herumgeschickt...“ Insider-Tipps sind für Neulinge Gold wert. © contrastwerkstatt ‒ Fotolia.com

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kamen, unter anderem von Bankern, BWLern und Marketingexperten“, erinnert sich Benja-min Thies. Mit einigen dieser Feedbackgeber traf sich das Team dann für eine ein- bis zwei-stündige Mentoring-Session. „Beispielsweise hatten wir anfangs die Idee, unseren Kaffee auf umgebauten Lastenrädern in Berlin zu verkaufen. Von dieser Kombination aus Mar-keting und Vertrieb rieten uns die Experten allerdings schnell ab, denn sie wussten, wie man den Vertrieb von Getränken erfolgreich organisiert. Wir setzten dann tatsächlich nur ein Rad ein und stellten schnell fest, dass es sich zwar für das Marketing eignet, aber nicht zum Geldverdienen“, erzählt Benjamin Thies. Auch von den Mentorinnen und Men-toren, die in Sachen Online Marketing und Social Media auf dem aktuellsten Stand sind, profitierte das Gründerteam: „Wir bekamen hilfreiche Tipps dazu, wie wir uns im Internet positionieren sollen und ob wir unsere Ziel-gruppe beispielsweise duzen oder siezen.“ Schließlich nahmen Benjamin Thies und seine Kollegen auch an diversen Seminaren oder Workshops teil, unter anderem an ei-nem Präsentationstraining mit einem Körper-sprache-Coach sowie an einem klassischen Verkaufstraining, wobei die Dozierenden im Nachgang häufig als Mentoren fungierten. Und schließlich hielt das Team auch Kontakt zu den Organisatoren des BPW-Netzwerks, denen sie immer wieder bei Veranstaltungen begegneten und die ihnen regelmäßig mit Tipps zur Seite stehen.

ten, und er hat mir auch angeboten, Kon-takte zu Ansprechpartnern in den jeweiligen Abteilungen herzustellen. Er kann mir Tipps geben, auf welcher Ebene ich mit wem re-den kann, welche Themen ich wo anbringen sollte oder eben auch nicht. Außerdem hat er gemeinsam mit mir mein Probezeitgespräch reflektiert und mir ein Feedback gegeben. Jeder von uns bringt in unseren Gesprächen Themen an. Und zum Ende des Termins be-sprechen wir jeweils, was wir für das nächste Mal vorbereiten könnten“, erzählt Christiane König, die auch davon profitiert, dass ihr Mentor im Rahmen seines Potentialentwick-lungsprogramms eine Coaching-Ausbildung absolviert.

Anna Kreuzer betrachtet sich vor allem als Sparringpartnerin und bei Bedarf auch als Beraterin ihrer Mentees: „Ich bin nicht diejenige, die sagt, wo es langgeht. Anders als die Personen, die meinen Mentees sehr nahe stehen, kann ich ihnen auf ihre Fragen aus einer weiter entfernten Perspektive be-antworten. Dabei lasse ich natürlich meine Erfahrungen einfließen, die ich im Laufe der Zeit gesammelt habe.“

Chef und Mentor in einer Person?

Meist wird dazu geraten, dass der Mentor oder die Mentorin eine neutrale Person ist, die weder Macht auf den Mentee ausüben kann noch mit seinen alltäglichen Arbeits-aufgaben zu tun hat. Dass der Mentor – wie im Beispiel von Benjamin Thies – gleichzeitig der direkte Vorgesetzte ist, kommt also eher selten vor. „Meist ist es sicherlich besser, wenn diese Rollen voneinander getrennt sind. Aber in meinem Fall sind dadurch keine Schwierigkeiten entstanden“, sagt Benja-min Thies rückblickend. Vielmehr habe er während seiner Zeit in der Unternehmens-beratung von der großen Nähe zu seinem

Vorgesetzten profitiert: „Hilfreich war vor allem, dass mein Chef mich über vier Jahre hinweg in meiner Entwicklung begleiten konnte. Anfangs war ein sehr regelmäßiges und intensives Mentoring nötig, während der Probezeit führten wir pro Monat etwa zwei Gespräche. Mit der Zeit konnten wir auf eine sporadische Taktung runtergehen und uns nur noch einmal im Quartal oder mal kurz auf einen Kaffee zwischendurch treffen. Wir passten einfach gut zueinander, sodass es keine Konflikte gab. Ich konnte also zum Beispiel auch sagen, wenn mir seine Rat-schläge nicht weiterhalfen.“

Als Gründer bekamen Benjamin Thies und seine Kollegen dann vom BPW zunächst von verschiedenen Beratern ein intensives Feed-back zum Businessplan. „Vor allem die Rück-meldungen zu unserer Produktpräsentation waren sehr hilfreich, weil sie von Expert/in-nen aus ganz unterschiedlichen Richtungen

Sich bei einem Kaffee in der Kantine kurz auf den neuesten Stand bringen: Das kann schon reichen, um den Kontakt zum Mentor oder zur Mentorin zu halten. Man sollte vorher gut überlegen, ob es dabei auch um Privates gehen darf. © alexshutter95 ‒ Fotolia.com

WIE SOLLTEN SICH MENTEES GEGENÜBER IHREM MENTOR/IHRER MENTORIN VERHALTEN?

● regelmäßig Kontakt pflegen, vom Alltag im Unternehmen und den eigenen Wün-schen und Pläne berichten

● nach dem Lebenslauf, dem Arbeitsalltag des Gegenübers und seiner Positionie-rung im Unternehmen fragen

● private Themen nur sehr überlegt platzieren● konstruktiven Rat suchen, anstatt zu jammern ● auf Professionalität setzen

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WILA Arbeitsmarkt: Was ist ein Erfolgsteam?Beate Hinz: Das ist ist eine Gruppe von Men-schen, die sich gemeinsam unter Anleitung systematisch und konzentriert den Zielen der einzelnen Teilnehmerinnen annimmt und diese Schritt für Schritt umsetzt. Unter dem Claim „Fokussiert. Kraftvoll. Inspiriert.“ arbeiten jeweils drei bis fünf Frauen in einem Zeitraum von rund einem halben Jahr ganz intensiv an der Verwirklichung ihrer Ziele. Etwa alle drei bis vier Wochen berichten sie in Arbeitstreffen über das Erreichte, geben sich gegenseitig Anregungen und legen einen Fahrplan für die nächsten Wochen fest. Ich fungiere in dieser Zeit als Teamcoach und Motivatorin, begleite die Teilnehmerinnen bei Bedarf persönlich und organisiere und leite die Meetings und Workshops. Es ist mein Wunsch, dass die Frauen stark, mutig, taff und selbstsi-cher aus den Erfolgsteams herausgehen.

Wer nimmt daran teil? Am Erfolgsteam des BPW Bonn nehmen Frauen allen Alters und aller Berufsgruppen teil. Viele Frauen sind Berufseinsteigerinnen, oder sie sind bereits im Job und wollen sich beruflich verändern, wissen aber nicht ge-nau, wohin die Reise gehen soll und wie sie vorwärts kommen sollen. Manch andere hat konkrete Wünsche oder Pläne vor Augen, scheitert aber aus verschiedensten Gründen immer wieder an der Umsetzung, oder ihr

fehlt der Mut, überhaupt zu starten. Mein Erfolgsteam aus dem ersten Halbjahr 2017 bestand zum Beispiel überwiegend aus Be-rufseinsteigerinnen. Viele von ihnen hatten noch keine Arbeitserfahrungen gemacht oder nur Praktika absolviert. Die Gruppe hat ihnen nicht nur geholfen, ihr Ziel – „DEN Job finden“ – zu erreichen, sondern ihre Skills ge-nerell zu optimieren, zum Beispiel in Präsen-tationstechniken und Projektmanagement. Die Teilnehmerinnen der letzten Jahre haben mir immer wieder die Rückmeldung gegeben, dass sie ihre Ziele mithilfe der Gruppe nicht nur erreicht, sondern sogar noch übertroffen haben. Das macht mich besonders stolz.

Ist das eine Form des Mentoring? Ich versuche, den Frauen als Erfolgsteamlei-terin bei der persönlichen und beruflichen Entwicklung eine ähnliche Unterstützung zu bieten wie eine Mentorin. Dabei gebe ich so-wohl mein fachliches Wissen als auch meine Erfahrungen weiter. Ich bemühe mich, den Teilnehmerinnen genau die Unterstützung zu geben, die sie brauchen, um sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln. Allerdings arbeiten wir anders als im klassischen Men-toring nicht in der Eins-zu-Eins-Beziehung, sondern hauptsächlich in der Gruppe. In Ein-zelfällen agiere ich aber auch als Einzelcoach und treffe mich mit für intensivere Gespräche unter vier Augen.

Im Team zum ErfolgZiele festlegen und diese auch erreichen: Dabei unterstützen sich die Frauen des BPW Bonn gegen-seitig – angeleitet von einer Trainerin.

Interview: Janna Degener

Was können die Frauen tun, damit die Arbeit in der Gruppe erfolgreich ist? Die Teilnahme am Erfolgsteam bedeutet nicht nur „teilnehmen wollen“, sondern auch echte Arbeit an sich selbst. Das kann schon mal anstrengend werden. Die Frauen sollten aktiv den Kontakt zur Gruppe halten, Ideen anderer zulassen und nicht werten, Mut zum Auszuprobieren und zum Fehlermachen ha-ben. Basis unserer Arbeit sind außerdem ein paar Regeln. So setzen wir Verschwiegenheit voraus, da bei den Arbeitstreffen häufig über vertrauliche Themen gesprochen wird. Jede Frau ist für sich selbst verantwortlich und kann selbst bestimmen, wie schnell sie vorankom-men und was sie von sich preisgeben möchte.

Warum ohne Männer?Frauen ticken in Berufs- und Karrierefragen anders als Männer. Sie haben häufig schon aufgrund ihrer Vita mit Kinderbetreuung, Fa-milie etc. diffizilere Anforderungen an Ihre Le-bens- und Berufsplanung. Natürlich schließen wir die Männerwelt keinesfalls aus, das wäre fatal – der BPW existiert ja nicht zum Selbst-zweck. Zwar haben wir keine männlichen Mit-glieder, aber ich arbeite sehr gerne mit männ-lichen Trainern und Netzwerken zusammen. Denn nur durch Vielfalt wird man innovativer und kann ein breites Fundament erschaffen, das Frauen nicht nur untereinander vernetzt, sondern auch wirklich beruflich weiterbringt.

Warum engagieren Sie sich ehrenamtlich? Ich war selbst vor fünf Jahren Mitglied eines Erfolgsteams, was mir in einer beruflich schwierigen Situation sehr geholfen hat. Als vor vier Jahren dann die Stelle der Erfolgsteam-Leiterin frei wurde, habe ich ohne zu zögern zugesagt, denn so eine geniale, wirkungsvolle Möglichkeit, die eigenen Ziele in kurzer Zeit zu erreichen, musste aus meiner Sicht weiterge-führt und ausgebaut werden. Durch die Arbeit für und mit meinen Teams bekomme ich zu-dem für mich selbst viele neue Inspirationen und fachlichen Input – insofern ein Gewinn für beide Seiten.

Der Verband Business Professional Women (BPW) Germany enga-giert sich für Erfolg und Chancen-gleichheit in Beruf, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Beate Hinz leitet die Erfolgsteams des Regionalclubs Bonn.Foto: Nicole Wahl