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KARTELLRECHT UND COMPLIANCE für einen professionellen Umgang mit kartellrechtlichen Regeln auf betrieblicher Ebene WKO.indd 1 30.03.17 14:36

KARTELLRECHT UND COMPLIANCE · 2019-03-06 · Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung 10 Weitere Sachverhalte, auf die im Rahmen von 12 Compliance-Maßnahmen geachtet werden

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Page 1: KARTELLRECHT UND COMPLIANCE · 2019-03-06 · Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung 10 Weitere Sachverhalte, auf die im Rahmen von 12 Compliance-Maßnahmen geachtet werden

KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

für einen professionellen Umgang mit kartellrechtlichen Regeln auf betrieblicher Ebene

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HINWEIS: Diese Broschüre dient lediglich der Erstinformation und kann eine indi-viduelle rechtliche Beratung nicht ersetzen. Alle Angaben erfolgen trotz sorgfältigster Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung ist ausgeschlos-sen. Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen gilt die gewählte Form für beide Geschlechter.

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Wichtige Informationen für den KFZ-Händler

Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es lohnt sich in jedem Falle, die Broschüre „Kartellrecht und Compliance“ aufmerksam durchzulesen. Hier werden Fragen behandelt, die direkt unsere unternehmerischen Aktivitäten betreffen.Die Belastungen für den Handel nehmen bekanntlich zu. Wir ha-ben uns daher an die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) gewandt und um eine Stellungnahme ersucht.Zur Erinnerung: Die Bundeswettbewerbsbehörde ist die in Ös-terreich seit 1. Juli 2002 für die Sicherstellung des Wettbewerbs zuständige Wettbewerbsbehörde. Die BWB ist organisatorisch beim Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend an-gesiedelt, jedoch nicht weisungsgebunden. Sie führt Ermittlungs-verfahren bei Verdacht auf Kartellverstöße durch.Das Resultat dieser Stellungnahme kann für den KFZ-Handel als durchaus positiv bezeichnet werden. Es lohnt sich, „Kartellrecht und Compliance“ zu lesen. Als wei-tere informative Lektüre empfiehlt sich die „Stellungnahme der BWB zu vom Bundesgremium des Fahrzeughandels übermittel-ten Beispielverhalten im Bereich des KFZ-Vertriebs“.

KommR Ing. Mag. Hubert AichlsederGremialobmann des Kärntner KFZ-Handels

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3KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

VORWORTE� 4

ALLGEMEINES� 5 gute Günde� 5� warum�sich�ein�Unternehmen�mit�dem�Kartellrecht�� beschäftigen�sollte

� Compliance-Kreislauf� 6

�KARTELL-� Wettbewerbsbeschränkungen� 8RECHTLICHE� Horizontale�KartelleRISIKOBEREICHE� Vertikale�Preisbindungen� Möglicherweise�wettbewerbsbeschränkende�Vereinbarungen

� Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung� 10

� Weitere Sachverhalte, auf die im Rahmen von � 12� Compliance-Maßnahmen geachtet werden sollte� Verhalten�bei�Hausduchsuchungen� Umgang�mit�Auskunftsverlangen� Zusammenschlusskontrolle

RECHTSFOLGEN� Rechtsfolgen kartellrechtlicher Verstöße� 14�� �

EMPFEHLUNGEN�� 5 Grundsätze für�erfolgreiche�kartellrechtliche�� 16� Compliance-Maßnahmen�in�einem�Unternehmen��� Was kann ich tun, � 18� um�den�Schaden�zu�minimieren,�wenn�etwas�passiert�ist?�

� Weiterführende Informationen � 19� zum�Thema�Kartellrecht��

INHALT

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3KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

VORWORTE� 4

ALLGEMEINES� 5 gute Günde� 5� warum�sich�ein�Unternehmen�mit�dem�Kartellrecht�� beschäftigen�sollte

� Compliance-Kreislauf� 6

�KARTELL-� Wettbewerbsbeschränkungen� 8RECHTLICHE� Horizontale�KartelleRISIKOBEREICHE� Vertikale�Preisbindungen� Möglicherweise�wettbewerbsbeschränkende�Vereinbarungen

� Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung� 10

� Weitere Sachverhalte, auf die im Rahmen von � 12� Compliance-Maßnahmen geachtet werden sollte� Verhalten�bei�Hausduchsuchungen� Umgang�mit�Auskunftsverlangen� Zusammenschlusskontrolle

RECHTSFOLGEN� Rechtsfolgen kartellrechtlicher Verstöße� 14�� �

EMPFEHLUNGEN�� 5 Grundsätze für�erfolgreiche�kartellrechtliche�� 16� Compliance-Maßnahmen�in�einem�Unternehmen��� Was kann ich tun, � 18� um�den�Schaden�zu�minimieren,�wenn�etwas�passiert�ist?�

� Weiterführende Informationen � 19� zum�Thema�Kartellrecht��

INHALT

ANHANG Stellungnahme der Bundeswettbewerbsbehörde

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4 KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

Der Begriff „Compliance“ bezeichnet im vorlie-genden Zusammenhang alle Maßnahmen eines Unternehmens, um den bestehenden rechtlichen Verpflichtungen Genüge zu tun. Effektive Compli-ance ist aus Sicht eines fair agierenden Unterneh-mens grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit.

Die Bedeutung des Kartell- bzw. Wettbewerbs-rechtes hat spürbar zugenommen. Einerseits greifen die Folgen eines Regelverstoßes tief in die Existenz eines betroffenen Unternehmens ein. Andererseits ist der volkswirtschaftliche Scha-den, der durch Wettbewerbsverstöße entsteht, auf individueller und kollektiver Ebene spürbar. Fairer und funktionierender Wettbewerb schützt Unternehmer und den gesamten Wirtschafts-standort vor diesen negativen Folgen.Wettbewerbsverstöße müssen daher effektiv und adäquat bekämpft werden, um deren nega-tive Folgen nicht erst entstehen zu lassen. Dabei kommt Maßnahmen zur Vermeidung schädlicher Wettbewerbsbeschränkungen ein mindestens ebenso großer Stellenwert zu, wie der behördli-chen Verfolgung und Ahndung solcher Verstöße.

In der komplexen Welt kartellrechtlicher Regeln ist es gemeinsames Anliegen von BWB und WKÖ, Wirtschaftsteilnehmer dazu zu bewegen, „etwas zu tun, bevor etwas passiert, damit nichts pas-siert“. Daher bietet diese Broschüre grundsätz-liche Informationen und Anregungen, welche die Unternehmen in ihrer Suche nach geeigneten Compliance-Maßnahmen unterstützen sollen.

Dr. Christoph LeitlPräsident der Wirtschaftskammer Österreich

Dr. Theodor ThannerGeneraldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde

In den vergangenen Jahren sind die Anforderun-gen für Unternehmen – gleich welcher Größe – in den Bereichen Compliance erheblich gestie-gen. Compliance wird in allen Fachbereichen, vom Straf- über das Datenschutzrecht, hin zum Kartellrecht ein in der Praxis immer wichtige-res Thema. Gezielte Maßnahmen seitens der Un-ternehmen im Vorfeld können oft große Schäden im Nachhinein verhindern. Darum ist es wichtig, Compliance Management Systeme zu implemen-tieren und diese auch regelmäßig zu kontrollie-ren und zu evaluieren.

Dabei ist immer wesentlich: Der Geist für ein qualitätsvolles Compliance-Programm muss von der Unternehmensleitung getragen werden.

Die BWB setzt seit Jahren regelmäßige Präven-tionsmaßnahmen, wie öffentliche Veranstaltun-gen, Vorträge und die Herausgabe von Leitfäden und Handbücher, um die Unternehmen zum The-ma Kartellrecht zu sensibilisieren.

Vorliegende Broschüre dient einer ersten, aber dennoch umfassenden Information für Unterneh-men, die sich zur Regeltreue bekennen. Eine in-dividuelle rechtliche Beratung kann sie jedoch nicht ersetzen. Die Broschüre soll dazu beitra-gen, dass ein hoher Standard bei der Einhaltung kartellrechtlicher Vorgaben sichergestellt und das Verständnis zwischen Unternehmen und der Wettbewerbsbehörde gefördert und verbessert wird.

VORWORTE

5KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

ALLGEMEINES

1 Fairness Wer den Wettbewerb verzerrt und Marktergebnisse regelwidrig zu seinen eigenen Gunsten manipuliert, spielt nicht fair gegenüber seinen Geschäfts-partnern, seinen Wettbewerbern und seinen Kunden. Wettbewerb fördert die Bereitschaft der Unternehmen, sich zu verbessern und innovativer zu werden, was am Ende allen zugutekommt. Das Kartellrecht schützt diesen Prozess.

Verantwortungsbewusste Unternehmensführung In Anbetracht der weitreichenden Schäden, die durch Wettbewerbs-verzerrungen sowohl für das Unternehmen selbst, als auch für an-dere herbeigeführt werden können, liegt es in der Verantwortung der Unternehmensleitung, rechtzeitig und professionell mit bestehenden Risi-ken umzugehen. Compliance ist Selbstschutz.

Wettbewerbsvorteile durch gute ComplianceInternational gesehen setzt sich Compliance-Management in Unternehmen immer stärker durch; Unternehmen mit einem klaren und funktionieren-den Compliance-Konzept für das eigene Unternehmen können mit den kar-tellrechtlichen Risiken besser umgehen und ersparen sich entsprechende Folgekosten. Gravierende RechtsfolgenDie Folgen von entdeckten Kartellrechtsverstößen sind gravierend; Geld-bußen und Schadenersatzforderungen aus Kartellverstößen steigen welt-weit jährlich an. Daher ist aus Unternehmenssicht jede Maßnahme, durch die eine Verletzung des Kartellrechts vermieden werden kann, eine sinnvol-le Investition.

Starke VolkswirtschaftDas Kartellrecht und seine Befolgung können nicht jegliche Marktverzer-rung verhindern. Es ist aber klar, dass Unternehmen, die sich dem fairen Leistungswettbewerb erfolgreich stellen, für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft zentral sind. Nur wettbewerbsfähige Unternehmen können investieren und Arbeitsplätze schaffen.

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5 gute Gründe ... ... warum sich ein Unternehmen mit dem Kartellrecht beschäftigen sollte

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4 KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

Der Begriff „Compliance“ bezeichnet im vorlie-genden Zusammenhang alle Maßnahmen eines Unternehmens, um den bestehenden rechtlichen Verpflichtungen Genüge zu tun. Effektive Compli-ance ist aus Sicht eines fair agierenden Unterneh-mens grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit.

Die Bedeutung des Kartell- bzw. Wettbewerbs-rechtes hat spürbar zugenommen. Einerseits greifen die Folgen eines Regelverstoßes tief in die Existenz eines betroffenen Unternehmens ein. Andererseits ist der volkswirtschaftliche Scha-den, der durch Wettbewerbsverstöße entsteht, auf individueller und kollektiver Ebene spürbar. Fairer und funktionierender Wettbewerb schützt Unternehmer und den gesamten Wirtschafts-standort vor diesen negativen Folgen.Wettbewerbsverstöße müssen daher effektiv und adäquat bekämpft werden, um deren nega-tive Folgen nicht erst entstehen zu lassen. Dabei kommt Maßnahmen zur Vermeidung schädlicher Wettbewerbsbeschränkungen ein mindestens ebenso großer Stellenwert zu, wie der behördli-chen Verfolgung und Ahndung solcher Verstöße.

In der komplexen Welt kartellrechtlicher Regeln ist es gemeinsames Anliegen von BWB und WKÖ, Wirtschaftsteilnehmer dazu zu bewegen, „etwas zu tun, bevor etwas passiert, damit nichts pas-siert“. Daher bietet diese Broschüre grundsätz-liche Informationen und Anregungen, welche die Unternehmen in ihrer Suche nach geeigneten Compliance-Maßnahmen unterstützen sollen.

Dr. Christoph LeitlPräsident der Wirtschaftskammer Österreich

Dr. Theodor ThannerGeneraldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde

In den vergangenen Jahren sind die Anforderun-gen für Unternehmen – gleich welcher Größe – in den Bereichen Compliance erheblich gestie-gen. Compliance wird in allen Fachbereichen, vom Straf- über das Datenschutzrecht, hin zum Kartellrecht ein in der Praxis immer wichtige-res Thema. Gezielte Maßnahmen seitens der Un-ternehmen im Vorfeld können oft große Schäden im Nachhinein verhindern. Darum ist es wichtig, Compliance Management Systeme zu implemen-tieren und diese auch regelmäßig zu kontrollie-ren und zu evaluieren.

Dabei ist immer wesentlich: Der Geist für ein qualitätsvolles Compliance-Programm muss von der Unternehmensleitung getragen werden.

Die BWB setzt seit Jahren regelmäßige Präven-tionsmaßnahmen, wie öffentliche Veranstaltun-gen, Vorträge und die Herausgabe von Leitfäden und Handbücher, um die Unternehmen zum The-ma Kartellrecht zu sensibilisieren.

Vorliegende Broschüre dient einer ersten, aber dennoch umfassenden Information für Unterneh-men, die sich zur Regeltreue bekennen. Eine in-dividuelle rechtliche Beratung kann sie jedoch nicht ersetzen. Die Broschüre soll dazu beitra-gen, dass ein hoher Standard bei der Einhaltung kartellrechtlicher Vorgaben sichergestellt und das Verständnis zwischen Unternehmen und der Wettbewerbsbehörde gefördert und verbessert wird.

VORWORTE

5KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

ALLGEMEINES

1 Fairness Wer den Wettbewerb verzerrt und Marktergebnisse regelwidrig zu seinen eigenen Gunsten manipuliert, spielt nicht fair gegenüber seinen Geschäfts-partnern, seinen Wettbewerbern und seinen Kunden. Wettbewerb fördert die Bereitschaft der Unternehmen, sich zu verbessern und innovativer zu werden, was am Ende allen zugutekommt. Das Kartellrecht schützt diesen Prozess.

Verantwortungsbewusste Unternehmensführung In Anbetracht der weitreichenden Schäden, die durch Wettbewerbs-verzerrungen sowohl für das Unternehmen selbst, als auch für an-dere herbeigeführt werden können, liegt es in der Verantwortung der Unternehmensleitung, rechtzeitig und professionell mit bestehenden Risi-ken umzugehen. Compliance ist Selbstschutz.

Wettbewerbsvorteile durch gute ComplianceInternational gesehen setzt sich Compliance-Management in Unternehmen immer stärker durch; Unternehmen mit einem klaren und funktionieren-den Compliance-Konzept für das eigene Unternehmen können mit den kar-tellrechtlichen Risiken besser umgehen und ersparen sich entsprechende Folgekosten. Gravierende RechtsfolgenDie Folgen von entdeckten Kartellrechtsverstößen sind gravierend; Geld-bußen und Schadenersatzforderungen aus Kartellverstößen steigen welt-weit jährlich an. Daher ist aus Unternehmenssicht jede Maßnahme, durch die eine Verletzung des Kartellrechts vermieden werden kann, eine sinnvol-le Investition.

Starke VolkswirtschaftDas Kartellrecht und seine Befolgung können nicht jegliche Marktverzer-rung verhindern. Es ist aber klar, dass Unternehmen, die sich dem fairen Leistungswettbewerb erfolgreich stellen, für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft zentral sind. Nur wettbewerbsfähige Unternehmen können investieren und Arbeitsplätze schaffen.

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5 gute Gründe ... ... warum sich ein Unternehmen mit dem Kartellrecht beschäftigen sollte

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6 KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

ALLGEMEINES

SCHRITT 1:Am Anfang eines Compliance-Prozesses steht die grundsätzliche Überzeugung des Managements, adäquate und effektive Maßnahmen finden zu müssen, um die Einhaltung des Kartellrechts im eigenen Wir-kungsbereich zu gewährleisten.

Bei Unternehmen sind üblicherweise keine

Kartellrechtsspezialisten beschäf-tigt; allerdings kann man auch anhand

einiger weniger grundlegender Überlegun-gen das eigene Risiko bestimmen und ent-

scheiden, wann und in welchem Umfang externer Rat einzuholen ist. Idealerweise

folgen die Compliance-Bemühungen eines Unternehmens den

folgenden 6 Schritten.

SCHRITT 4:Sind die bestehenden Risiken entspre-chend der Dringlichkeit für Handlungs-erfordernisse festgelegt, entscheidet das Unternehmen über alle adäquaten und effektiven Maßnahmen, welche die Risiken auf ein aus Sicht des Unterneh-mens kalkulierbares/tragbares Maß reduzieren. Durch die richtige Wahl der Compliance Maßnahmen verringert das Unternehmen seine Exponiertheit gegenüber behördlichen Verfolgungs-maßnahmen.

SCHRITT 5:Sind diese Maßnahmen einmal erfolgreich umgesetzt, sollte sich die Compliance-Kultur im Unternehmen auf alle Führungs- und Mitarbeitere-benen – entsprechend der jeweiligen Risikogeneigtheit der Tätigkeit – aus-weiten.

Compliance-Kreislauf

SCHRITT 6:Da das Kartellrecht wie auch der behördliche Vollzug keine statischen Materien sind, müssen auch die einmal gesetzten Compliance-Maßnahmen eines Unternehmens einer laufenden kritischen Kontrolle unterzogen werden. Damit können auch neue Risiken rechtzeitig erkannt und proaktiv behandelt werden.

KAR

TELL

REC

HTL

ICH

ER

ISIK

OB

EREI

CH

E

SCHRITT 3:Werden kartellrechtliche Problembe-reiche festgestellt, sind diese Risiken entsprechend der festzulegenden Wertvorstellungen des Unterneh-mens (z.B. Wahrscheinlichkeit und Schwere möglicher Rechtsfolgen; Reputationsverlust) zu bewerten. Anhand der Bewertung können die notwendigen Handlungserfordernis-se definiert und entsprechend der Notwendigkeit zu handeln gereiht werden.

SCHRITT 2:Im Zentrum der Compliance-Bemühungen eines Unternehmens steht der Identifikationsprozess, welche kartellrechtlichen Risiken im Rahmen des konkreten Geschäftsfeldes bestehen.

Kartellrechtliche Risikobereiche

KAR

TELL

REC

HTL

ICH

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ISIK

OB

EREI

CH

E

Am Beginn steht also die Überzeugung, handeln zu müssen und das Unternehmen aus möglichen kartellrechtlichen Untiefen herauszusteuern. Damit verbunden ist aber die Notwendigkeit zu erkennen, welche Sachverhalte kartellrechtlich relevant sein könnten. Nachfolgend werden häufige kartellrechtliche Risiken aufgezeigt, die auch im Rahmen unternehmerischer Selbsteinschätzung erkannt werden können.

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6 KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

ALLGEMEINES

SCHRITT 1:Am Anfang eines Compliance-Prozesses steht die grundsätzliche Überzeugung des Managements, adäquate und effektive Maßnahmen finden zu müssen, um die Einhaltung des Kartellrechts im eigenen Wir-kungsbereich zu gewährleisten.

Bei Unternehmen sind üblicherweise keine

Kartellrechtsspezialisten beschäf-tigt; allerdings kann man auch anhand

einiger weniger grundlegender Überlegun-gen das eigene Risiko bestimmen und ent-

scheiden, wann und in welchem Umfang externer Rat einzuholen ist. Idealerweise

folgen die Compliance-Bemühungen eines Unternehmens den

folgenden 6 Schritten.

SCHRITT 4:Sind die bestehenden Risiken entspre-chend der Dringlichkeit für Handlungs-erfordernisse festgelegt, entscheidet das Unternehmen über alle adäquaten und effektiven Maßnahmen, welche die Risiken auf ein aus Sicht des Unterneh-mens kalkulierbares/tragbares Maß reduzieren. Durch die richtige Wahl der Compliance Maßnahmen verringert das Unternehmen seine Exponiertheit gegenüber behördlichen Verfolgungs-maßnahmen.

SCHRITT 5:Sind diese Maßnahmen einmal erfolgreich umgesetzt, sollte sich die Compliance-Kultur im Unternehmen auf alle Führungs- und Mitarbeitere-benen – entsprechend der jeweiligen Risikogeneigtheit der Tätigkeit – aus-weiten.

Compliance-Kreislauf

SCHRITT 6:Da das Kartellrecht wie auch der behördliche Vollzug keine statischen Materien sind, müssen auch die einmal gesetzten Compliance-Maßnahmen eines Unternehmens einer laufenden kritischen Kontrolle unterzogen werden. Damit können auch neue Risiken rechtzeitig erkannt und proaktiv behandelt werden.

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SCHRITT 3:Werden kartellrechtliche Problembe-reiche festgestellt, sind diese Risiken entsprechend der festzulegenden Wertvorstellungen des Unterneh-mens (z.B. Wahrscheinlichkeit und Schwere möglicher Rechtsfolgen; Reputationsverlust) zu bewerten. Anhand der Bewertung können die notwendigen Handlungserfordernis-se definiert und entsprechend der Notwendigkeit zu handeln gereiht werden.

SCHRITT 2:Im Zentrum der Compliance-Bemühungen eines Unternehmens steht der Identifikationsprozess, welche kartellrechtlichen Risiken im Rahmen des konkreten Geschäftsfeldes bestehen.

Kartellrechtliche Risikobereiche

KAR

TELL

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ISIK

OB

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CH

E Am Beginn steht also die Überzeugung, handeln zu müssen und das Unternehmen aus möglichen kartellrechtlichen Untiefen herauszusteuern. Damit verbunden ist aber die Notwendigkeit zu erkennen, welche Sachverhalte kartellrechtlich relevant sein könnten. Nachfolgend werden häufige kartellrechtliche Risiken aufgezeigt, die auch im Rahmen unternehmerischer Selbsteinschätzung erkannt werden können.

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8 KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

KARTELLRECHTLICHE RISIKOBEREICHE

Jedes in Österreich tätige Unternehmen – gleich welcher Größe – ist bei der Ausübung seiner wirt-schaftlichen Tätigkeit an die kartellrechtlichen Regeln gebunden.

Diese ergeben sich einerseits unmittelbar aus

• dem europäischen Wettbewerbsrecht und andererseits aus

• nationalen Rechtsvorschriften.

Wettbewerbsbeschränkungen ...... zwischen Wettbewerbern und zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Wirtschaftsebenen

Horizontale Kartelle

Unter Kartellen sind insbesondere Vereinbarun-gen und aufeinander abgestimmte Verhaltens-weisen von Unternehmen zu verstehen, die ent-weder zum Zweck oder zum Ergebnis haben, den Wettbewerb einzuschränken oder zu verhin-dern. Dazu zählen in erster Linie

• Preisabsprachen,

• Quotenabsprachen und

• die Aufteilung von Märkten zwischen Wettbewerbern.

Kartelle behindern die wirtschaftliche Betäti-gungsfreiheit von Unternehmen und führen zu ei-ner Reihe von negativen Effekten wie überhöhten Preisen, weniger Auswahl für Unternehmen und Konsumenten sowie weniger Innovationen. Sie schaden damit massiv der Volkswirtschaft.

Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ver-gabeverfahren stellen Sonderformen von Kar-tellen dar und stehen unter einer eigenen straf-rechtlichen Sanktion. Es sind dies insbesondere Preisabsprachen, können aber auch andere wett-bewerbsbeschränkende Absprachen wie etwa Gebiets- und Kundenaufteilungen oder Produk-tions- und Absatzbeschränkungen sein.

Horizontale Kartelle

KARTELLRECHTLICHE RISIKOBEREICHE

Vertikale Preisbindungen

Vertikale Preisbindungen behindern die freie Preisgestaltung durch unabhängige Unterneh-men. Dies beispielsweise durch Festlegung eines Mindestpreises für den Weiterverkauf. Vertika-le Preisbindungen können auch der horizontalen Abstimmung zwischen Mitbewerbern über ihre Lieferanten dienen.

TIPPDie BWB hat zum Thema „Vertikale Preisbindungen“ einen Leitfaden erarbeitet. Dieser ist unter http://www.bwb.gv.at> Fachinformationen > Standpunkte > Standpunkt zu vertikalen Preisbindungen abrufbar.

Absoluter GebietsschutzVereinbarungen mit absolutem Gebietsschutz, die auf die Abschottung nationaler Märkte ab-zielen oder zu einer Einschränkung der Preisbil-dungsfreiheit führen, sind unzulässig.

Möglicherweise wettbewerbs- beschränkende Vereinbarungen

Horizontale Kooperationsformen zwischen Wettbewerbern

In der Praxis häufige Vereinbarungen über hori-zontale Kooperationsformen, wie etwa

• Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern,

• Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung,

• gemeinsame Produktion,

• gemeinsamer Einkauf und

• Vermarktungsvereinbarungen, können wettbewerbsrechtlich problematisch sein. Deren Bewertung hängt immer von den je-weiligen wirtschaftlichen Umständen des Ein-zelfalls ab.

Wettbewerbsverbot und KonkurrenzklauselWettbewerbsverbote sind Bestimmungen, nach denen der Käufer während der Vertragslaufzeit keine Konkurrenzprodukte herstellen, kaufen oder verkaufen darf oder die Pflicht hat, mehr als 80 % seines Jahresbedarfes von einem Lieferan-ten für unbestimmte Dauer oder für eine Dauer von mehr als fünf Jahren zu beziehen. Auch nach-vertragliche Wettbewerbsverbote mittels „Kon-kurrenzklauseln“ sind grundsätzlich nicht er-laubt.

!

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9KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

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8 KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

KARTELLRECHTLICHE RISIKOBEREICHE

Jedes in Österreich tätige Unternehmen – gleich welcher Größe – ist bei der Ausübung seiner wirt-schaftlichen Tätigkeit an die kartellrechtlichen Regeln gebunden.

Diese ergeben sich einerseits unmittelbar aus

• dem europäischen Wettbewerbsrecht und andererseits aus

• nationalen Rechtsvorschriften.

Wettbewerbsbeschränkungen ...... zwischen Wettbewerbern und zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Wirtschaftsebenen

Horizontale Kartelle

Unter Kartellen sind insbesondere Vereinbarun-gen und aufeinander abgestimmte Verhaltens-weisen von Unternehmen zu verstehen, die ent-weder zum Zweck oder zum Ergebnis haben, den Wettbewerb einzuschränken oder zu verhin-dern. Dazu zählen in erster Linie

• Preisabsprachen,

• Quotenabsprachen und

• die Aufteilung von Märkten zwischen Wettbewerbern.

Kartelle behindern die wirtschaftliche Betäti-gungsfreiheit von Unternehmen und führen zu ei-ner Reihe von negativen Effekten wie überhöhten Preisen, weniger Auswahl für Unternehmen und Konsumenten sowie weniger Innovationen. Sie schaden damit massiv der Volkswirtschaft.

Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ver-gabeverfahren stellen Sonderformen von Kar-tellen dar und stehen unter einer eigenen straf-rechtlichen Sanktion. Es sind dies insbesondere Preisabsprachen, können aber auch andere wett-bewerbsbeschränkende Absprachen wie etwa Gebiets- und Kundenaufteilungen oder Produk-tions- und Absatzbeschränkungen sein.

Horizontale Kartelle

KARTELLRECHTLICHE RISIKOBEREICHE

Vertikale Preisbindungen

Vertikale Preisbindungen behindern die freie Preisgestaltung durch unabhängige Unterneh-men. Dies beispielsweise durch Festlegung eines Mindestpreises für den Weiterverkauf. Vertika-le Preisbindungen können auch der horizontalen Abstimmung zwischen Mitbewerbern über ihre Lieferanten dienen.

TIPPDie BWB hat zum Thema „Vertikale Preisbindungen“ einen Leitfaden erarbeitet. Dieser ist unter http://www.bwb.gv.at> Fachinformationen > Standpunkte > Standpunkt zu vertikalen Preisbindungen abrufbar.

Absoluter GebietsschutzVereinbarungen mit absolutem Gebietsschutz, die auf die Abschottung nationaler Märkte ab-zielen oder zu einer Einschränkung der Preisbil-dungsfreiheit führen, sind unzulässig.

Möglicherweise wettbewerbs- beschränkende Vereinbarungen

Horizontale Kooperationsformen zwischen Wettbewerbern

In der Praxis häufige Vereinbarungen über hori-zontale Kooperationsformen, wie etwa

• Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern,

• Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung,

• gemeinsame Produktion,

• gemeinsamer Einkauf und

• Vermarktungsvereinbarungen, können wettbewerbsrechtlich problematisch sein. Deren Bewertung hängt immer von den je-weiligen wirtschaftlichen Umständen des Ein-zelfalls ab.

Wettbewerbsverbot und KonkurrenzklauselWettbewerbsverbote sind Bestimmungen, nach denen der Käufer während der Vertragslaufzeit keine Konkurrenzprodukte herstellen, kaufen oder verkaufen darf oder die Pflicht hat, mehr als 80 % seines Jahresbedarfes von einem Lieferan-ten für unbestimmte Dauer oder für eine Dauer von mehr als fünf Jahren zu beziehen. Auch nach-vertragliche Wettbewerbsverbote mittels „Kon-kurrenzklauseln“ sind grundsätzlich nicht er-laubt.

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10 KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

KARTELLRECHTLICHE RISIKOBEREICHE

Marktbeherrschend ist ein Unternehmen, wel-ches keinem oder nur unwesentlichem Wettbe-werb ausgesetzt ist (z. B. Monopolunternehmen) oder eine im Verhältnis zu anderen Wettbewer-bern überragende Marktstellung hat. Dabei sind insbesondere die Finanzkraft, die Beziehungen zu anderen Unternehmen, die Zugangsmöglichkei-ten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten so-wie Umstände zu berücksichtigen, die den Markt-zutritt für andere Unternehmen beschränken.

In seltenen Fällen können zwei oder mehr Un-ternehmen gemeinsam auch dann marktbeherr-schend sein, wenn nicht jedes Unternehmen für sich, aber die Gesamtheit aller betroffenen Un-ternehmen die Definition der Einzelmarktbeherr-schung erfüllt.

Unterliegt ein Unternehmen keinem hin-reichenden Wettbewerbsdruck, kann es sich im Wesentlichen unabhängig von sei-nen Wettbewerbern und letztlich auch von seinen Abnehmern verhalten. Eine solche dominante Marktstellung innezuhaben, ist nicht per se verboten.

Missbräuchlich sind Verhaltensweisen von marktbeherrschenden Unternehmen (Missbrauchshandlungen), die andere Unternehmen oder auch Kunden von Un-ternehmen benachteiligen und bei wirk-samem Wettbewerb nicht möglich wären.

Dazu zählen beispielsweise

• Erzwingung unangemessener Preise,

• Einschränkung des Absatzes,

• Benachteiligung bestimmter Vertragspartner oder auch

• der Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis.

Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

11KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

KARTELLRECHTLICHE RISIKOBEREICHE

Dabei werden folgende Grundtatbestände unterschieden:

AusbeutungsmissbrauchDas marktbeherrschende Unternehmen setzt seine Machtposition gegen Vertragspartner ein, um Vorteile auf deren Kosten zu erzielen, die es bei funktionsfähigem Wettbewerb nicht erzielen könnte. Beispiele dafür sind etwa unangemesse-ne Ankaufs- oder Verkaufspreise.

BehinderungsmissbrauchDas Verhalten des marktbeherrschenden Unter-nehmens richtet sich gegen Mitbewerber, de-nen durch gezieltes Angriffsverhalten des markt-beherrschenden Unternehmens das Verbleiben auf dem Markt oder der Zutritt in den Markt er-schwert oder unmöglich gemacht werden soll.

Beispiele dafür sind etwa:

% % %

% % %

–90%

STOP

• Unterbietung von Mitbewerbern durch Kampfpreise

• Liefersperren

• Diskriminierung von Lieferanten und Abnehmern

• Koppelungsverträge

• Ausschließlichkeitsbindungen

• Treuerabattsysteme

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10 KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

KARTELLRECHTLICHE RISIKOBEREICHE

Marktbeherrschend ist ein Unternehmen, wel-ches keinem oder nur unwesentlichem Wettbe-werb ausgesetzt ist (z. B. Monopolunternehmen) oder eine im Verhältnis zu anderen Wettbewer-bern überragende Marktstellung hat. Dabei sind insbesondere die Finanzkraft, die Beziehungen zu anderen Unternehmen, die Zugangsmöglichkei-ten zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten so-wie Umstände zu berücksichtigen, die den Markt-zutritt für andere Unternehmen beschränken.

In seltenen Fällen können zwei oder mehr Un-ternehmen gemeinsam auch dann marktbeherr-schend sein, wenn nicht jedes Unternehmen für sich, aber die Gesamtheit aller betroffenen Un-ternehmen die Definition der Einzelmarktbeherr-schung erfüllt.

Unterliegt ein Unternehmen keinem hin-reichenden Wettbewerbsdruck, kann es sich im Wesentlichen unabhängig von sei-nen Wettbewerbern und letztlich auch von seinen Abnehmern verhalten. Eine solche dominante Marktstellung innezuhaben, ist nicht per se verboten.

Missbräuchlich sind Verhaltensweisen von marktbeherrschenden Unternehmen (Missbrauchshandlungen), die andere Unternehmen oder auch Kunden von Un-ternehmen benachteiligen und bei wirk-samem Wettbewerb nicht möglich wären.

Dazu zählen beispielsweise

• Erzwingung unangemessener Preise,

• Einschränkung des Absatzes,

• Benachteiligung bestimmter Vertragspartner oder auch

• der Verkauf von Waren unter dem Einstandspreis.

Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

11KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

KARTELLRECHTLICHE RISIKOBEREICHE

Dabei werden folgende Grundtatbestände unterschieden:

AusbeutungsmissbrauchDas marktbeherrschende Unternehmen setzt seine Machtposition gegen Vertragspartner ein, um Vorteile auf deren Kosten zu erzielen, die es bei funktionsfähigem Wettbewerb nicht erzielen könnte. Beispiele dafür sind etwa unangemesse-ne Ankaufs- oder Verkaufspreise.

BehinderungsmissbrauchDas Verhalten des marktbeherrschenden Unter-nehmens richtet sich gegen Mitbewerber, de-nen durch gezieltes Angriffsverhalten des markt-beherrschenden Unternehmens das Verbleiben auf dem Markt oder der Zutritt in den Markt er-schwert oder unmöglich gemacht werden soll.

Beispiele dafür sind etwa:

% % %

% % %

–90%

STOP

• Unterbietung von Mitbewerbern durch Kampfpreise

• Liefersperren

• Diskriminierung von Lieferanten und Abnehmern

• Koppelungsverträge

• Ausschließlichkeitsbindungen

• Treuerabattsysteme

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12 KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

Weitere Sachverhalte, ...... auf die im Rahmen von Compliance-Maßnahmen geachtet werden sollte

Verhalten bei Hausdurchsuchungen

Die BWB kann auf Grundlage eines Hausdurch-suchungsbefehls des Kartellgerichts (gegebe-nenfalls unter Heranziehung der Sicherheits-kräfte) Hausdurchsuchungen bei Unternehmen durchführen:

• Eine Hausdurchsuchung ist eine für alle Be-teiligten angespannte Situation. Dennoch sollte dabei ein ruhiger, professioneller und kooperativer Umgang mit den Mitarbeitern der Behörde gepflegt werden.

• Übungen im Vorfeld sowie das Trainieren ei-nes Ablaufs für den Fall einer Hausdurchsu-chung können dabei hilfreich sein.

• Die Beiziehung eines Rechtsanwalts zur Hausdurchsuchung ist ratsam aber nicht zwingend erforderlich. Die Wettbewerbs-behörden müssen nicht auf dessen Eintref-fen warten und können sofort nach Zustel-lung des Hausdurchsuchungsbefehls mit der Amtshandlung beginnen.

• Nach Beendigung der Hausdurchsuchung wird über diese ein Protokoll erstellt sowie ein Abschlussgespräch mit den Beteiligten geführt.

KARTELLRECHTLICHE RISIKOBEREICHE

Umgang mit Auskunftsverlangen

Die BWB kann von Unternehmen die Erteilung von Auskünften sowie Einsicht in geschäftli-che Unterlagen innerhalb einer angemessenen Frist verlangen. Es besteht eine Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Auskunftserteilung bzw. Of-fenlegung von Geschäftsunterlagen, außer man würde sich dadurch der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung aussetzen.

Die BWB kann formlose Auskunftsverlangen an Unternehmen richten oder dazu einen Bescheid erlassen. Der Bescheid kann verwaltungsstraf-rechtlich durchgesetzt werden.

Auskunftsverlangen von Wettbewerbsbehörden sollten immer rechtskonform beantwortet wer-den – im Zweifelsfall sollte ein Rechtsvertreter eingeschalten werden. Auskunftsverlangen wer-den auch häufig bei Zusammenschlussverfahren und Branchenuntersuchungen an dritte Unter-nehmen übermittelt, deren wirtschaftliche Posi-tion von der jeweiligen Untersuchung in irgend-einer Weise berührt wird. Sollten sich Fragen zu diesem Ermittlungsschritt ergeben, ist eine un-mittelbare Kontaktaufnahme mit der Behörde ratsam.

13KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

KARTELLRECHTLICHE RISIKOBEREICHE

Zusammenschlusskontrolle

Zur Verhinderung einer konzentrierten Markt-struktur, die zu einer Verminderung an Wett-bewerb führt, ist eine Kontrolle von Unterneh-menszusammenschlüssen (Fusionen), die die gesetzlich festgelegten Umsatzschwellen über-schreiten, vorgesehen. Dazu muss das Zusam-menschlussvorhaben bei der BWB angemeldet werden.

Werden anmeldepflichtige Zusammenschlüsse ohne Genehmigung durch die BWB bzw. das Kar-tellgericht vorgenommen, liegt eine sogenannte „verbotene Durchführung“ vor.

Nach Rechtsprechung des Obersten Gerichtsho-fes als Kartellobergericht sind verbotene Durch-führungen von Zusammenschlüssen als schwe-rer Verstoß zu werten, auch wenn diese keine negativen Auswirkungen auf den Markt haben.

Daher erscheint es regelmäßig angezeigt, bei jeg-licher Art „externen Unternehmenswachstums“ rechtlichen Rat hinsichtlich der Anmeldebedürf-tigkeit des Vorgangs rechtzeitig einzuholen.

Vor der Fusion das Vorhaben der BWB melden

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12 KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

Weitere Sachverhalte, ...... auf die im Rahmen von Compliance-Maßnahmen geachtet werden sollte

Verhalten bei Hausdurchsuchungen

Die BWB kann auf Grundlage eines Hausdurch-suchungsbefehls des Kartellgerichts (gegebe-nenfalls unter Heranziehung der Sicherheits-kräfte) Hausdurchsuchungen bei Unternehmen durchführen:

• Eine Hausdurchsuchung ist eine für alle Be-teiligten angespannte Situation. Dennoch sollte dabei ein ruhiger, professioneller und kooperativer Umgang mit den Mitarbeitern der Behörde gepflegt werden.

• Übungen im Vorfeld sowie das Trainieren ei-nes Ablaufs für den Fall einer Hausdurchsu-chung können dabei hilfreich sein.

• Die Beiziehung eines Rechtsanwalts zur Hausdurchsuchung ist ratsam aber nicht zwingend erforderlich. Die Wettbewerbs-behörden müssen nicht auf dessen Eintref-fen warten und können sofort nach Zustel-lung des Hausdurchsuchungsbefehls mit der Amtshandlung beginnen.

• Nach Beendigung der Hausdurchsuchung wird über diese ein Protokoll erstellt sowie ein Abschlussgespräch mit den Beteiligten geführt.

KARTELLRECHTLICHE RISIKOBEREICHE

Umgang mit Auskunftsverlangen

Die BWB kann von Unternehmen die Erteilung von Auskünften sowie Einsicht in geschäftli-che Unterlagen innerhalb einer angemessenen Frist verlangen. Es besteht eine Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Auskunftserteilung bzw. Of-fenlegung von Geschäftsunterlagen, außer man würde sich dadurch der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung aussetzen.

Die BWB kann formlose Auskunftsverlangen an Unternehmen richten oder dazu einen Bescheid erlassen. Der Bescheid kann verwaltungsstraf-rechtlich durchgesetzt werden.

Auskunftsverlangen von Wettbewerbsbehörden sollten immer rechtskonform beantwortet wer-den – im Zweifelsfall sollte ein Rechtsvertreter eingeschalten werden. Auskunftsverlangen wer-den auch häufig bei Zusammenschlussverfahren und Branchenuntersuchungen an dritte Unter-nehmen übermittelt, deren wirtschaftliche Posi-tion von der jeweiligen Untersuchung in irgend-einer Weise berührt wird. Sollten sich Fragen zu diesem Ermittlungsschritt ergeben, ist eine un-mittelbare Kontaktaufnahme mit der Behörde ratsam.

13KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

KARTELLRECHTLICHE RISIKOBEREICHE

Zusammenschlusskontrolle

Zur Verhinderung einer konzentrierten Markt-struktur, die zu einer Verminderung an Wett-bewerb führt, ist eine Kontrolle von Unterneh-menszusammenschlüssen (Fusionen), die die gesetzlich festgelegten Umsatzschwellen über-schreiten, vorgesehen. Dazu muss das Zusam-menschlussvorhaben bei der BWB angemeldet werden.

Werden anmeldepflichtige Zusammenschlüsse ohne Genehmigung durch die BWB bzw. das Kar-tellgericht vorgenommen, liegt eine sogenannte „verbotene Durchführung“ vor.

Nach Rechtsprechung des Obersten Gerichtsho-fes als Kartellobergericht sind verbotene Durch-führungen von Zusammenschlüssen als schwe-rer Verstoß zu werten, auch wenn diese keine negativen Auswirkungen auf den Markt haben.

Daher erscheint es regelmäßig angezeigt, bei jeg-licher Art „externen Unternehmenswachstums“ rechtlichen Rat hinsichtlich der Anmeldebedürf-tigkeit des Vorgangs rechtzeitig einzuholen.

Vor der Fusion das Vorhaben der BWB melden

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Rechtsfolgen kartellrechtlicher Verstöße

Der Schutz von Wettbewerb und die Verfolgung von kartellrechtswidrigem Verhalten ist nicht nur in Österreich Thema. Im gesamten europäischen Raum, sowie in den meisten anderen Staaten, fin-den sich Regelungen, die einen funktionierenden Wettbewerb schützen. Diese sehen mitunter gra-vierende Sanktionen von hohen Geldbußen bis zu Haftstrafen für an den Zuwiderhandlungen betei-ligten Personen vor. Daher ist es umso wichtiger, dass Unternehmen über ihre Rechte und Pflich-ten Bescheid wissen.

Folgende (nicht abschließende) Auflistung soll ei-nen Überblick über die möglichen Konsequenzen kartellrechtswidriger Verstöße zeigen:§

REC

HTS

FOLG

EN

15KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

RECHTSFOLGEN

Rechtsfolgen kartellrechtlicher Verstöße

GeldbußenUnternehmen können mit hohen Geldbußen be-langt werden. Diese können sich in Wiederho-lungsfällen erhöhen.

Zivilrechtliche FolgenUnternehmen setzen sich einem erhöhten Risiko aus, durch rechtswidriges Verhalten diverse zi-vilrechtliche Konsequenzen auszulösen. Neben möglichem Schadenersatz können gegen Mitar-beiter und Führungskräfte auch negative arbeits- und gesellschaftsrechtliche Folgen eintreten. Des Weiteren sind wettbewerbswidrige Klauseln nichtig.

Strafrechtliche Verantwortlichkeit für Führungskräfte und MitarbeiterEbenso kann ein Verhalten zu strafrechtlichen Sanktionen gegen Mitarbeiter, Führungskräfte sowie das Unternehmen selbst führen.

Entzug von Gewerbeberechtigung und Berufsverbot

Unternehmen setzen sich der Gefahr aus, eine erworbene Gewerbeberechtigung zu verlieren bzw. mit einem Berufsverbot belegt zu werden.

Ausschluss bei VergabeverfahrenAufgrund rechtskräftiger Verurteilungen besteht auch die Möglichkeit, Unternehmen von Vergabe-verfahren auszuschließen.

Hohe RechtsschutzkostenKosten für Rechtsbeistände, Sachverständige und andere im Verfahren involvierte Personen können mitunter sehr hoch werden.

Negativschlagzeilen und Reputationsschäden für Unternehmen und einzelne Personen

Immer zu bedenken sind Schäden am Ansehen und Ruf von Unternehmen und einzelnen Per-sonen. In Zeiten moderner Kommunikationsmit-tel können so schnell nur schwer kontrollierba-re Meinungsbildungen über ein Unternehmen (Stichwort: „Shitstorm in Sozialen Medien“) pas-sieren. Unternehmen und deren Marken können dadurch schwer beschädigt werden.

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Rechtsfolgen kartellrechtlicher Verstöße

Der Schutz von Wettbewerb und die Verfolgung von kartellrechtswidrigem Verhalten ist nicht nur in Österreich Thema. Im gesamten europäischen Raum, sowie in den meisten anderen Staaten, fin-den sich Regelungen, die einen funktionierenden Wettbewerb schützen. Diese sehen mitunter gra-vierende Sanktionen von hohen Geldbußen bis zu Haftstrafen für an den Zuwiderhandlungen betei-ligten Personen vor. Daher ist es umso wichtiger, dass Unternehmen über ihre Rechte und Pflich-ten Bescheid wissen.

Folgende (nicht abschließende) Auflistung soll ei-nen Überblick über die möglichen Konsequenzen kartellrechtswidriger Verstöße zeigen:§

REC

HTS

FOLG

EN

15KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

RECHTSFOLGEN

Rechtsfolgen kartellrechtlicher Verstöße

GeldbußenUnternehmen können mit hohen Geldbußen be-langt werden. Diese können sich in Wiederho-lungsfällen erhöhen.

Zivilrechtliche FolgenUnternehmen setzen sich einem erhöhten Risiko aus, durch rechtswidriges Verhalten diverse zi-vilrechtliche Konsequenzen auszulösen. Neben möglichem Schadenersatz können gegen Mitar-beiter und Führungskräfte auch negative arbeits- und gesellschaftsrechtliche Folgen eintreten. Des Weiteren sind wettbewerbswidrige Klauseln nichtig.

Strafrechtliche Verantwortlichkeit für Führungskräfte und MitarbeiterEbenso kann ein Verhalten zu strafrechtlichen Sanktionen gegen Mitarbeiter, Führungskräfte sowie das Unternehmen selbst führen.

Entzug von Gewerbeberechtigung und Berufsverbot

Unternehmen setzen sich der Gefahr aus, eine erworbene Gewerbeberechtigung zu verlieren bzw. mit einem Berufsverbot belegt zu werden.

Ausschluss bei VergabeverfahrenAufgrund rechtskräftiger Verurteilungen besteht auch die Möglichkeit, Unternehmen von Vergabe-verfahren auszuschließen.

Hohe RechtsschutzkostenKosten für Rechtsbeistände, Sachverständige und andere im Verfahren involvierte Personen können mitunter sehr hoch werden.

Negativschlagzeilen und Reputationsschäden für Unternehmen und einzelne Personen

Immer zu bedenken sind Schäden am Ansehen und Ruf von Unternehmen und einzelnen Per-sonen. In Zeiten moderner Kommunikationsmit-tel können so schnell nur schwer kontrollierba-re Meinungsbildungen über ein Unternehmen (Stichwort: „Shitstorm in Sozialen Medien“) pas-sieren. Unternehmen und deren Marken können dadurch schwer beschädigt werden.

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5 Grundsätze ... ... für erfolgreiche kartellrechtliche Compliance-Maßnahmen in einem Unternehmen

1

Es gibt kein allgemeingültiges Einheitskonzept für erfolgreiche Compliance: Nicht jedes Unternehmen ist den gleichen kar-tellrechtlichen Risiken ausgesetzt; Unterneh-men sind unterschiedlich strukturiert, mit unter-schiedlichen Ressourcen ausgestattet und folgen unterschiedlichen Leitbildern. Es kann in der kartellrechtlichen Compliance-Beratung daher keinen „one-size-fits-all“ Ansatz sinnvoll geben. Es existiert eine ganze Bandbreite an möglichen Maßnahmen, die je nach Bedarf ergriffen werden können, wie z.B. die Einführung von Verhaltens-leitlinien über die Einführung interner Meldesys-teme bis hin zu strukturellen Compliance-Maß-nahmen. Die Wahl der richtigen Maßnahmen ist im Einzelfall mit entsprechenden (internen oder externen) Beratern zu treffen.

TIPPWir empfehlen als grundsätzliche Information das ICC1 Toolkit zur kartell-rechtlichen Compliance (www.iccwbo.org/Data/Policies/2014/ICC-Antitrust- Compliance-Toolkit-GERMAN/) zu verwenden.

EMP

FEH

LUN

GEN

Empfehlungen

1) Die ICC (International Chamber of Commerce) mit Sitz in

Paris hat diese Information sachkundig ausgearbeitet.

17KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

EMPFEHLUNGEN

Compliance ist Chefsache: Kartellrechtliche Compliance darf weder dem Zufall noch der bloßen Initiative einzelner Mit-arbeiter überlassen werden. Die Beachtung des Kartellrechts im eigenen Unternehmen ist An-liegen und Verantwortung der Unternehmens-leitung; welche interne Politik auf diesem Gebiet verfolgt werden soll, muss auf höchster Verant-wortungsebene entschieden werden. Immerhin geht es hier um Fragen des Unternehmenskli-mas, ebenso wie der strategischen Ausrichtung des Unternehmens.

Compliancekultur muss auf jeder Management- und Mitarbeiterebene gelebt werden: Entscheidet sich ein Unternehmen für die Ein-führung oder Stärkung von Compliance-Maß-nahmen, dann müssen sie so umgesetzt werden, dass diese ihr Ziel der Risikominimierung auch bestmöglich erreichen. Halbherzige oder inef-fektive Maßnahmen kosten Geld und verhindern die negativen Folgen für das Unternehmen nicht. Dabei muss sich jeder Mitarbeiter entsprechend der jeweiligen Risikoanalyse den gemeinsamen Werten verpflichtet fühlen; dies sollte dann auch dienstrechtlich verankert werden.

2

3

4

Compliance ist ein dynamischer und fortwäh-render Prozess: So wie auch ein Unternehmen in seiner Ge-schäftstätigkeit niemals stillsteht, so kann auch der Compliance-Prozess nie abgeschlossen sein. Eine laufende Kontrolle, in wie weit die gesetz-ten Schritte noch effektiv und sinnvoll sind oder erneuert werden müssen, oder ob neue Risiken auftreten, sichert den Fortbestand einer gesun-den Compliance-Kultur im Unternehmen.

Erst wenn die kartellrechtlichen Risiken im Un-ternehmen bekannt sind, können wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen werden: Jedes Unternehmen ist vom Kartellrecht betrof-fen. Wer rechtskonform wirtschaften möchte, muss die rechtlichen Grenzen kennen und unbe-stimmte Gefahren entdecken und einschätzen. Die Erkenntnis, welche kartellrechtlichen Ge-fahren für das Unternehmen bestehen, ist Basis und erster Schritt für einen glaubwürdigen Com- pliance-Prozess.

5

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5 Grundsätze ... ... für erfolgreiche kartellrechtliche Compliance-Maßnahmen in einem Unternehmen

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Es gibt kein allgemeingültiges Einheitskonzept für erfolgreiche Compliance: Nicht jedes Unternehmen ist den gleichen kar-tellrechtlichen Risiken ausgesetzt; Unterneh-men sind unterschiedlich strukturiert, mit unter-schiedlichen Ressourcen ausgestattet und folgen unterschiedlichen Leitbildern. Es kann in der kartellrechtlichen Compliance-Beratung daher keinen „one-size-fits-all“ Ansatz sinnvoll geben. Es existiert eine ganze Bandbreite an möglichen Maßnahmen, die je nach Bedarf ergriffen werden können, wie z.B. die Einführung von Verhaltens-leitlinien über die Einführung interner Meldesys-teme bis hin zu strukturellen Compliance-Maß-nahmen. Die Wahl der richtigen Maßnahmen ist im Einzelfall mit entsprechenden (internen oder externen) Beratern zu treffen.

TIPPWir empfehlen als grundsätzliche Information das ICC1 Toolkit zur kartell-rechtlichen Compliance (www.iccwbo.org/Data/Policies/2014/ICC-Antitrust- Compliance-Toolkit-GERMAN/) zu verwenden.

EMP

FEH

LUN

GEN

Empfehlungen

1) Die ICC (International Chamber of Commerce) mit Sitz in

Paris hat diese Information sachkundig ausgearbeitet.

17KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

EMPFEHLUNGEN

Compliance ist Chefsache: Kartellrechtliche Compliance darf weder dem Zufall noch der bloßen Initiative einzelner Mit-arbeiter überlassen werden. Die Beachtung des Kartellrechts im eigenen Unternehmen ist An-liegen und Verantwortung der Unternehmens-leitung; welche interne Politik auf diesem Gebiet verfolgt werden soll, muss auf höchster Verant-wortungsebene entschieden werden. Immerhin geht es hier um Fragen des Unternehmenskli-mas, ebenso wie der strategischen Ausrichtung des Unternehmens.

Compliancekultur muss auf jeder Management- und Mitarbeiterebene gelebt werden: Entscheidet sich ein Unternehmen für die Ein-führung oder Stärkung von Compliance-Maß-nahmen, dann müssen sie so umgesetzt werden, dass diese ihr Ziel der Risikominimierung auch bestmöglich erreichen. Halbherzige oder inef-fektive Maßnahmen kosten Geld und verhindern die negativen Folgen für das Unternehmen nicht. Dabei muss sich jeder Mitarbeiter entsprechend der jeweiligen Risikoanalyse den gemeinsamen Werten verpflichtet fühlen; dies sollte dann auch dienstrechtlich verankert werden.

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Compliance ist ein dynamischer und fortwäh-render Prozess: So wie auch ein Unternehmen in seiner Ge-schäftstätigkeit niemals stillsteht, so kann auch der Compliance-Prozess nie abgeschlossen sein. Eine laufende Kontrolle, in wie weit die gesetz-ten Schritte noch effektiv und sinnvoll sind oder erneuert werden müssen, oder ob neue Risiken auftreten, sichert den Fortbestand einer gesun-den Compliance-Kultur im Unternehmen.

Erst wenn die kartellrechtlichen Risiken im Un-ternehmen bekannt sind, können wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen werden: Jedes Unternehmen ist vom Kartellrecht betrof-fen. Wer rechtskonform wirtschaften möchte, muss die rechtlichen Grenzen kennen und unbe-stimmte Gefahren entdecken und einschätzen. Die Erkenntnis, welche kartellrechtlichen Ge-fahren für das Unternehmen bestehen, ist Basis und erster Schritt für einen glaubwürdigen Com- pliance-Prozess.

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Weiterführende Informationen zum Thema Kartellrecht

WKÖhttp://wko.at > Service > Wirtschaftsrecht und Gewerberecht > Wettbewerbsrecht / Marke / Muster / Patent / UWG

BWBhttp://www.bwb.gv.at

ICC http://www.iccwbo.org/about-icc/policy-commissions/competition/

Europäische Kommissionhttp://ec.europa.eu/competition/antitrust/compliance/index_en.html

18 KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

EMPFEHLUNGEN

Was kann ich tun, ...... um den Schaden zu minimieren, wenn etwas passiert ist?

Wenn trotz aller Um- und Vorsicht eine Beteili-gung eines Unternehmens an einem rechtswidri-gen Wettbewerbsverstoß intern aufgedeckt wird, hat das Unternehmen die Möglichkeit, im Rah-men des Kronzeugenprogramms als Kronzeuge mit der Behörde zusammenzuarbeiten.

Die BWB kann dabei unter gewissen Vorausset-zungen als Gegenleistung für die Mitwirkung ei-nes Unternehmens an der Aufdeckung eines Kar-tells davon Abstand nehmen, die Verhängung einer Geldbuße zu beantragen oder, wenn der BWB der Sachverhalt bereits bekannt war, eine geminderte Geldbuße beim Kartellgericht bean-tragen.

Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, im Rahmen einer einvernehmlichen Verfahrensbe-endigung („Settlement“) mit der Behörde zu-sammenzuarbeiten.

Die genaue Höhe des Nachlasses ist unter ande-rem vom Zeitpunkt der Einigung und der Qualität der Kooperation abhängig. Die einvernehmliche Verfahrensbeendigung kann auch ergänzend zum Kronzeugenprogramm zur Anwendung kommen.

Beschwerde bei der BWBEinzelpersonen, die auf einen Verstoß aufmerk-sam werden, können sich mit Hinweisen jederzeit (auch anonym) an die BWB wenden.

Kontaktpersonen in der Behörde sind:Geschäftsstellenleiter Dr. Peter Matousek T + 43 (0)1 245 08 – 815303 oderStv. Geschäftsstellenleiterin Mag. Natalie Harsdorf LL.M. T + 43 (0)1 245 08 – 815126E [email protected] F + 43 (0)1 587 42 00

TIPPDie BWB hat hierzu ein Handbuch erstellt, welches unter http://www.bwb.gv.at > Kartelle und Marktmachtmissbrauch > Kronzeugenregelung> Handbuch zur Kronzeugenregelungabrufbar ist.

TIPPDie BWB hat hierzu ein Handbuch erstellt, welches unter http://www.bwb.gv.at > Fachinformationen > Standpunkte > Standpunkt zu Settlements abrufbar ist.

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Weiterführende Informationen zum Thema Kartellrecht

WKÖhttp://wko.at > Service > Wirtschaftsrecht und Gewerberecht > Wettbewerbsrecht / Marke / Muster / Patent / UWG

BWBhttp://www.bwb.gv.at

ICC http://www.iccwbo.org/about-icc/policy-commissions/competition/

Europäische Kommissionhttp://ec.europa.eu/competition/antitrust/compliance/index_en.html

18 KARTELLRECHT UND COMPLIANCE

EMPFEHLUNGEN

Was kann ich tun, ...... um den Schaden zu minimieren, wenn etwas passiert ist?

Wenn trotz aller Um- und Vorsicht eine Beteili-gung eines Unternehmens an einem rechtswidri-gen Wettbewerbsverstoß intern aufgedeckt wird, hat das Unternehmen die Möglichkeit, im Rah-men des Kronzeugenprogramms als Kronzeuge mit der Behörde zusammenzuarbeiten.

Die BWB kann dabei unter gewissen Vorausset-zungen als Gegenleistung für die Mitwirkung ei-nes Unternehmens an der Aufdeckung eines Kar-tells davon Abstand nehmen, die Verhängung einer Geldbuße zu beantragen oder, wenn der BWB der Sachverhalt bereits bekannt war, eine geminderte Geldbuße beim Kartellgericht bean-tragen.

Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, im Rahmen einer einvernehmlichen Verfahrensbe-endigung („Settlement“) mit der Behörde zu-sammenzuarbeiten.

Die genaue Höhe des Nachlasses ist unter ande-rem vom Zeitpunkt der Einigung und der Qualität der Kooperation abhängig. Die einvernehmliche Verfahrensbeendigung kann auch ergänzend zum Kronzeugenprogramm zur Anwendung kommen.

Beschwerde bei der BWBEinzelpersonen, die auf einen Verstoß aufmerk-sam werden, können sich mit Hinweisen jederzeit (auch anonym) an die BWB wenden.

Kontaktpersonen in der Behörde sind:Geschäftsstellenleiter Dr. Peter Matousek T + 43 (0)1 245 08 – 815303 oderStv. Geschäftsstellenleiterin Mag. Natalie Harsdorf LL.M. T + 43 (0)1 245 08 – 815126E [email protected] F + 43 (0)1 587 42 00

TIPPDie BWB hat hierzu ein Handbuch erstellt, welches unter http://www.bwb.gv.at > Kartelle und Marktmachtmissbrauch > Kronzeugenregelung> Handbuch zur Kronzeugenregelungabrufbar ist.

TIPPDie BWB hat hierzu ein Handbuch erstellt, welches unter http://www.bwb.gv.at > Fachinformationen > Standpunkte > Standpunkt zu Settlements abrufbar ist.

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2

Vorbemerkungen

Der folgenden allgemeinen rechtlichen Erörterung sowie der Bewertung dieser Beispielfälle ist vorauszuschicken:

Die Beurteilung erfolgt ausgehend von der vorliegenden Darstellung der Sachverhalte, deren Richtigkeit und Vollständigkeit durch die BWB nicht überprüft werden konnte.

Ebenso wenig kann die BWB eine abschließende Beurteilung der Kosten- und Erlösstruktur der Branche oder einzelner Betriebe vornehmen und muss somit die dargelegte betriebswirtschaftliche Einordnung als Grundlage heranziehen.

Die Beurteilung kann somit nur als Richtschnur für eine rechtlich gebotene Interessenabwägung dienen und aufzeigen in welchen Situationen wettbewerbsrechtlich relevante Sachverhalte denkbar sind. Im Einzelfall ist aber zB aufgrund unterschiedlicher Betriebsgrößen/-arten eine abweichende Beurteilung möglich.

Rechtlicher Rahmen

Im gegebenen Zusammenhang geht es nicht um zwischen Lieferanten und Abnehmern im Rahmen des Vertriebs vereinbarte Wettbewerbsbeschränkungen iSv Art 101 AEUV (bzw § 1 KartG), deren Zulässigkeit insb nach den Bestimmungen der VO 330/2010 (vertikale GVO) bzw VO 461/2010 (KFZ-GVO) zu beurteilen ist, sondern um die Angemessenheit vertraglicher Regelungen in Ausgestaltung dieser Systeme.

Dabei ist anzumerken, dass die bestehenden Verträge der Lieferantenseite regelmäßig einseitige Gestaltungsrechte, etwa hinsichtlich der Standards oder der kommerziellen Bedingungen, einräumen. Die Frage der Zulässigkeit solcher Gestaltungsrechte kann sich bereits zivilrechtlich auf zwei Ebenen stellen:

- abstrakt auf der Vertragsebene, auf der einer Vertragspartei solche Gestaltungsrechte eingeräumt werden

- konkret auf der Ebene der Ausübung solcher Gestaltungsrechte

Im Sinne des Grundsatzes der Vertragsfreiheit ist zivilrechtlich davon auszugehen, dass einseitige Gestaltungsrechte zu Gunsten einer Vertragspartei grundsätzlich wirksam vereinbart werden können. Die Grenze des Zulässigen wird allerdings überschritten sein, wenn die Ausübung eines Änderungsrechtes schrankenlos ins freie Belieben einer Partei gestellt wird. Vernünftigerweise werden daher bereits in der jeweiligen vertraglichen Regelung die Determinanten für die spätere Ausübung des Gestaltungsrechts möglichst umfassend geregelt sein. Ebenso hat die konkrete Ausübung eines solchen Gestaltungsrechts jedenfalls nach billigem Ermessen bzw unter Berücksichtigung der Maßstäbe von Treu und Glauben, dh unter angemessener Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite, zu erfolgen.

1

Stellungnahme der Bundeswettbewerbsbehörde zu vom Bundegremium des Fahrzeughandels übermittelten

Beispielsachverhalten im Bereich des Kfz-Vertriebs

Ausgangslage

In einem Gespräch mit Vertretern des Bundesgremiums des Fahrzeughandels am 6. April 2016 wurde die Bundeswettbewerbsbehörde über die betriebswirtschaftlich und finanziell angespannte Situation zahlreicher KFZ-Vertragshändler informiert. Diese ergäbe sich nicht zuletzt aus diversen Vorgaben, Maßnahmen oder Vertragsbedingungen der jeweiligen Lieferanten/Importeure, durch die in einer Weise Einfluss auf die Kosten bzw Ertragsmöglichkeiten der Betriebe genommen werde, die ein positives Wirtschaften erschwere oder mitunter unmöglich mache.

Insbesondere im Bereich der geforderten (und eine Bedingung für die Aufrechterhaltung der Vertriebsverträge bildenden) Qualitätsstandards im Rahmen der bestehenden selektiven Vertriebssysteme würden Investitionen verlangt, die angesichts der allgemeinen und/oder markenspezifischen Marktsituation betriebswirtschaftlich nicht darstellbar und somit kaufmännisch unverantwortlich seien.

Ein weiterer Themenbereich betreffe die Bezugskonditionen sowie die Vergütung von Leistungen. Hier seien etwa die Handhabung von Boni für Kundenzufriedenheit oder die Vergütung von Leistungen im Rahmen von Gewährleistung/Garantie intransparent und willkürlich.

All dies erfolge vor dem Hintergrund, dass die KFZ-Vertragshändler aufgrund der bestehenden wirtschaftlichen Abhängigkeit infolge getätigter markenspezifischer Investitionen typischerweise nicht frei seien, Forderungen der Lieferanten/Importeure abzulehnen.

Mit Schreiben vom 11.7.2016 wurden der Bundeswettbewerbsbehörde exemplarische Sachverhalte mit der Bitte um Stellungnahme und wettbewerbsrechtliche Einordnung übermittelt.

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Vorbemerkungen

Der folgenden allgemeinen rechtlichen Erörterung sowie der Bewertung dieser Beispielfälle ist vorauszuschicken:

Die Beurteilung erfolgt ausgehend von der vorliegenden Darstellung der Sachverhalte, deren Richtigkeit und Vollständigkeit durch die BWB nicht überprüft werden konnte.

Ebenso wenig kann die BWB eine abschließende Beurteilung der Kosten- und Erlösstruktur der Branche oder einzelner Betriebe vornehmen und muss somit die dargelegte betriebswirtschaftliche Einordnung als Grundlage heranziehen.

Die Beurteilung kann somit nur als Richtschnur für eine rechtlich gebotene Interessenabwägung dienen und aufzeigen in welchen Situationen wettbewerbsrechtlich relevante Sachverhalte denkbar sind. Im Einzelfall ist aber zB aufgrund unterschiedlicher Betriebsgrößen/-arten eine abweichende Beurteilung möglich.

Rechtlicher Rahmen

Im gegebenen Zusammenhang geht es nicht um zwischen Lieferanten und Abnehmern im Rahmen des Vertriebs vereinbarte Wettbewerbsbeschränkungen iSv Art 101 AEUV (bzw § 1 KartG), deren Zulässigkeit insb nach den Bestimmungen der VO 330/2010 (vertikale GVO) bzw VO 461/2010 (KFZ-GVO) zu beurteilen ist, sondern um die Angemessenheit vertraglicher Regelungen in Ausgestaltung dieser Systeme.

Dabei ist anzumerken, dass die bestehenden Verträge der Lieferantenseite regelmäßig einseitige Gestaltungsrechte, etwa hinsichtlich der Standards oder der kommerziellen Bedingungen, einräumen. Die Frage der Zulässigkeit solcher Gestaltungsrechte kann sich bereits zivilrechtlich auf zwei Ebenen stellen:

- abstrakt auf der Vertragsebene, auf der einer Vertragspartei solche Gestaltungsrechte eingeräumt werden

- konkret auf der Ebene der Ausübung solcher Gestaltungsrechte

Im Sinne des Grundsatzes der Vertragsfreiheit ist zivilrechtlich davon auszugehen, dass einseitige Gestaltungsrechte zu Gunsten einer Vertragspartei grundsätzlich wirksam vereinbart werden können. Die Grenze des Zulässigen wird allerdings überschritten sein, wenn die Ausübung eines Änderungsrechtes schrankenlos ins freie Belieben einer Partei gestellt wird. Vernünftigerweise werden daher bereits in der jeweiligen vertraglichen Regelung die Determinanten für die spätere Ausübung des Gestaltungsrechts möglichst umfassend geregelt sein. Ebenso hat die konkrete Ausübung eines solchen Gestaltungsrechts jedenfalls nach billigem Ermessen bzw unter Berücksichtigung der Maßstäbe von Treu und Glauben, dh unter angemessener Berücksichtigung der Interessen der Gegenseite, zu erfolgen.

1

Stellungnahme der Bundeswettbewerbsbehörde zu vom Bundegremium des Fahrzeughandels übermittelten

Beispielsachverhalten im Bereich des Kfz-Vertriebs

Ausgangslage

In einem Gespräch mit Vertretern des Bundesgremiums des Fahrzeughandels am 6. April 2016 wurde die Bundeswettbewerbsbehörde über die betriebswirtschaftlich und finanziell angespannte Situation zahlreicher KFZ-Vertragshändler informiert. Diese ergäbe sich nicht zuletzt aus diversen Vorgaben, Maßnahmen oder Vertragsbedingungen der jeweiligen Lieferanten/Importeure, durch die in einer Weise Einfluss auf die Kosten bzw Ertragsmöglichkeiten der Betriebe genommen werde, die ein positives Wirtschaften erschwere oder mitunter unmöglich mache.

Insbesondere im Bereich der geforderten (und eine Bedingung für die Aufrechterhaltung der Vertriebsverträge bildenden) Qualitätsstandards im Rahmen der bestehenden selektiven Vertriebssysteme würden Investitionen verlangt, die angesichts der allgemeinen und/oder markenspezifischen Marktsituation betriebswirtschaftlich nicht darstellbar und somit kaufmännisch unverantwortlich seien.

Ein weiterer Themenbereich betreffe die Bezugskonditionen sowie die Vergütung von Leistungen. Hier seien etwa die Handhabung von Boni für Kundenzufriedenheit oder die Vergütung von Leistungen im Rahmen von Gewährleistung/Garantie intransparent und willkürlich.

All dies erfolge vor dem Hintergrund, dass die KFZ-Vertragshändler aufgrund der bestehenden wirtschaftlichen Abhängigkeit infolge getätigter markenspezifischer Investitionen typischerweise nicht frei seien, Forderungen der Lieferanten/Importeure abzulehnen.

Mit Schreiben vom 11.7.2016 wurden der Bundeswettbewerbsbehörde exemplarische Sachverhalte mit der Bitte um Stellungnahme und wettbewerbsrechtliche Einordnung übermittelt.

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betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden sei. Der relevante Markt sei somit auf Fahrzeuge der betreffenden Marke eingeschränkt. Die Alleinvertriebsberechtigte sei auf diesem Markt keinem Wettbewerb ausgesetzt; der Markt werde von ihr beherrscht3.

Soweit ersichtlich dürften die damals genannten Gesichtspunkte auch weiterhin auf Vertriebsverträge im Kfz-bereich zutreffen. Der Grad der Abhängigkeit scheint indes seit 1993 tendenziell sogar gestiegen zu sein.

Das Bestehen einer marktbeherrschen Stellung an sich enthält kein Unwerturteil. Allerdings trägt das marktbeherrschende Unternehmen eine besondere Verantwortung dafür, dass durch sein Verhalten der wirksame unverfälschte Wettbewerb nicht beeinträchtigt wird. Verboten ist daher nach § 5 Abs 1 KartG der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung.

Als missbräuchlich werden sämtliche Verhaltensweisen eines Unternehmers in beherrschender Stellung bezeichnet, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmers bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produktwettbewerbs oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.4

Ein solcher Missbrauch besteht insbesondere in der Forderung nach Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder nach sonstigen Geschäftsbedingungen, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden (§ 5 Abs 1 Z 1 KartG).

Ein Missbrauch der Marktmacht ist etwa dann anzunehmen, wenn die vom marktbeherrschenden Unternehmer als Voraussetzung für den Vertragsabschluss genannten Bedingungen5 ihrem Inhalt nach nicht gerechtfertigt sind, weil sie volkswirtschaftlich als Missbrauch der Stellung im Markt zu bloßem unternehmenseigenen Nutzen des marktbeherrschenden Unternehmers zu qualifizieren sind oder wenn der Marktbeherrscher dem Vertragspartner Verpflichtungen auferlegt, die für die Verwirklichung eines an sich legitimen Ziels entbehrlich sind und die Freiheit des Vertragspartners unbillig beschränkt (4 Ob 187/02g mwN).

Bei der Prüfung, ob eine missbräuchliche Ausnützung einer marktbeherrschenden Stellung vorliegt, ist stets eine sorgfältige Abwägung der einander widerstreitenden Interessen vorzunehmen (16 Ok 1/12, 16 Ok 14/04, 16 Ok 11/03, 16 Ok 12/02, 16 Ok 1/99). 3 OGH als KOG vom 14.06.1993, Okt 3/93. 4 RIS-Justiz RS0063530, vgl auch grundlegend EuGH, Rs 85/76 (Hoffmann-La Roche) 5 Dieser Gedanke wird umso mehr auf die Bedingungen für die Aufrechterhaltung eines Vertragsverhältnisses übertragbar sein.

3

Die Mehrheit der dargestellten Sachverhalte unterliegt somit bereits unter allgemein vertragsrechtlichen Gesichtspunkten einem (groben) Korrektiv, wobei eine zivilrechtliche Beurteilung samt allfälliger (Nichtigkeits-)Folgen solcher Vereinbarungen von der BWB nicht vorgenommen werden kann.

Über die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln hinaus können sich aus den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften engere Zulässigkeitsschranken ergeben. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Bestehen von Marktmacht können sich Vereinbarungen oder Handlungen, die sonst unbedenklich sind, als unzulässig erweisen.

Kartellgesetz

Die beschriebenen Sachverhalte und Verhaltensweisen sind zunächst an den Regeln des Kartellgesetzes betreffend die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen zu überprüfen. Grundvoraussetzung ist demnach das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung des Lieferanten.

Nach § 4 Abs 1 KartG ist ein Unternehmer marktbeherrschend, der als Anbieter oder Nachfrager keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat. Gemäß Abs 3 leg cit gilt als marktbeherrschend auch ein Unternehmer, der eine im Verhältnis zu seinen Abnehmern oder Lieferanten überragende Marktstellung hat; eine solche liegt insbesondere vor, wenn diese zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind.

Bei dieser relativen Marktmacht handelt es sich aber nicht um einen zusätzlichen eigenständigen Marktbeherrschungstatbestand, sondern lediglich um eine Konkretisierung des in § 4 Abs 1 Z 1 geregelten Grundsatzes des fehlenden wirksamen Wettbewerbs. Entscheidend ist auch hier das Bestehen von Ausweichmöglichkeiten1. Aufgrund der Abhängigkeit der Marktgegenseite, die sich ua aus einer Markenabhängigkeit oder einer investitionsintensiven Ausrichtung auf einen Vertragspartner ergeben kann, ist auch ein relativ marktmächtiges Unternehmen keinem solchen Wettbewerb ausgesetzt, der die aus der Abhängigkeit resultierenden Verhaltensspielräume wirksam begrenzt2.

Ausgangspunkt der Beurteilung ist daher immer die Abgrenzung des relevanten Marktes. Im Zusammenhang mit Vertriebsverträgen im Kfz-Sektor hat das KOG bereits 1993 zur Vorläuferbestimmung des KartG 1988 ausgesprochen, dass es maßgebend auf die Sicht der Marktgegenseite, also der Vertragshändler (einer bestimmten Marke) ankomme, die ihren Bedarf nur bei einem Importeur (der jeweiligen Marke) decken können, weil ein Markenwechsel mit schwerwiegenden

1 Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, (Hrsg),KartG 20052 (2016) § 4 Rz 44. 2 Wolf in Münchener Kommentar zum Kartellrecht, 20152, GWB § 18 Marktbeherrschung, Rn 20-25.

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betriebswirtschaftlichen Nachteilen verbunden sei. Der relevante Markt sei somit auf Fahrzeuge der betreffenden Marke eingeschränkt. Die Alleinvertriebsberechtigte sei auf diesem Markt keinem Wettbewerb ausgesetzt; der Markt werde von ihr beherrscht3.

Soweit ersichtlich dürften die damals genannten Gesichtspunkte auch weiterhin auf Vertriebsverträge im Kfz-bereich zutreffen. Der Grad der Abhängigkeit scheint indes seit 1993 tendenziell sogar gestiegen zu sein.

Das Bestehen einer marktbeherrschen Stellung an sich enthält kein Unwerturteil. Allerdings trägt das marktbeherrschende Unternehmen eine besondere Verantwortung dafür, dass durch sein Verhalten der wirksame unverfälschte Wettbewerb nicht beeinträchtigt wird. Verboten ist daher nach § 5 Abs 1 KartG der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung.

Als missbräuchlich werden sämtliche Verhaltensweisen eines Unternehmers in beherrschender Stellung bezeichnet, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmers bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produktwettbewerbs oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.4

Ein solcher Missbrauch besteht insbesondere in der Forderung nach Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder nach sonstigen Geschäftsbedingungen, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden (§ 5 Abs 1 Z 1 KartG).

Ein Missbrauch der Marktmacht ist etwa dann anzunehmen, wenn die vom marktbeherrschenden Unternehmer als Voraussetzung für den Vertragsabschluss genannten Bedingungen5 ihrem Inhalt nach nicht gerechtfertigt sind, weil sie volkswirtschaftlich als Missbrauch der Stellung im Markt zu bloßem unternehmenseigenen Nutzen des marktbeherrschenden Unternehmers zu qualifizieren sind oder wenn der Marktbeherrscher dem Vertragspartner Verpflichtungen auferlegt, die für die Verwirklichung eines an sich legitimen Ziels entbehrlich sind und die Freiheit des Vertragspartners unbillig beschränkt (4 Ob 187/02g mwN).

Bei der Prüfung, ob eine missbräuchliche Ausnützung einer marktbeherrschenden Stellung vorliegt, ist stets eine sorgfältige Abwägung der einander widerstreitenden Interessen vorzunehmen (16 Ok 1/12, 16 Ok 14/04, 16 Ok 11/03, 16 Ok 12/02, 16 Ok 1/99). 3 OGH als KOG vom 14.06.1993, Okt 3/93. 4 RIS-Justiz RS0063530, vgl auch grundlegend EuGH, Rs 85/76 (Hoffmann-La Roche) 5 Dieser Gedanke wird umso mehr auf die Bedingungen für die Aufrechterhaltung eines Vertragsverhältnisses übertragbar sein.

3

Die Mehrheit der dargestellten Sachverhalte unterliegt somit bereits unter allgemein vertragsrechtlichen Gesichtspunkten einem (groben) Korrektiv, wobei eine zivilrechtliche Beurteilung samt allfälliger (Nichtigkeits-)Folgen solcher Vereinbarungen von der BWB nicht vorgenommen werden kann.

Über die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln hinaus können sich aus den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften engere Zulässigkeitsschranken ergeben. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Bestehen von Marktmacht können sich Vereinbarungen oder Handlungen, die sonst unbedenklich sind, als unzulässig erweisen.

Kartellgesetz

Die beschriebenen Sachverhalte und Verhaltensweisen sind zunächst an den Regeln des Kartellgesetzes betreffend die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen zu überprüfen. Grundvoraussetzung ist demnach das Bestehen einer marktbeherrschenden Stellung des Lieferanten.

Nach § 4 Abs 1 KartG ist ein Unternehmer marktbeherrschend, der als Anbieter oder Nachfrager keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu den anderen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat. Gemäß Abs 3 leg cit gilt als marktbeherrschend auch ein Unternehmer, der eine im Verhältnis zu seinen Abnehmern oder Lieferanten überragende Marktstellung hat; eine solche liegt insbesondere vor, wenn diese zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung angewiesen sind.

Bei dieser relativen Marktmacht handelt es sich aber nicht um einen zusätzlichen eigenständigen Marktbeherrschungstatbestand, sondern lediglich um eine Konkretisierung des in § 4 Abs 1 Z 1 geregelten Grundsatzes des fehlenden wirksamen Wettbewerbs. Entscheidend ist auch hier das Bestehen von Ausweichmöglichkeiten1. Aufgrund der Abhängigkeit der Marktgegenseite, die sich ua aus einer Markenabhängigkeit oder einer investitionsintensiven Ausrichtung auf einen Vertragspartner ergeben kann, ist auch ein relativ marktmächtiges Unternehmen keinem solchen Wettbewerb ausgesetzt, der die aus der Abhängigkeit resultierenden Verhaltensspielräume wirksam begrenzt2.

Ausgangspunkt der Beurteilung ist daher immer die Abgrenzung des relevanten Marktes. Im Zusammenhang mit Vertriebsverträgen im Kfz-Sektor hat das KOG bereits 1993 zur Vorläuferbestimmung des KartG 1988 ausgesprochen, dass es maßgebend auf die Sicht der Marktgegenseite, also der Vertragshändler (einer bestimmten Marke) ankomme, die ihren Bedarf nur bei einem Importeur (der jeweiligen Marke) decken können, weil ein Markenwechsel mit schwerwiegenden

1 Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, (Hrsg),KartG 20052 (2016) § 4 Rz 44. 2 Wolf in Münchener Kommentar zum Kartellrecht, 20152, GWB § 18 Marktbeherrschung, Rn 20-25.

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Fallgruppe Vergütung von Leistungen, Bonifikationen

Ein wesentlicher Bereich innerhalb dieser Fallgruppe betrifft die Vergütung von Leistungen, die Vertragswerkstätten im Rahmen von Gewährleistung und Herstellergarantie8 erbringen. Die schon in der Vergangenheit bestehenden Probleme in diesem Bereich haben den Gesetzgeber veranlasst in § 5 KraSchG eine explizite Sonderregel (in Ergänzung zu § 933b ABGB) zu verankern. Demnach ist der notwendige und nützliche Aufwand zu ersetzen, wobei das Gesetz diese Begriffe nicht näher definiert. Gewisse Anhaltspunkte können zwar die bereicherungsrechtlichen Bestimmungen des ABGB bieten, wobei nicht zu verkennen ist, das im vorliegenden Zusammenhang ein Tätigwerden gerade aufgrund vertraglicher Verpflichtung erfolgt.

Bei Betrachtung der Interessenlagen der Vertragsparteien ist zu beachten, dass es aus Sicht des Lieferanten zwar legitim ist, die Vergütung solcher Leistungen durch Vorgabe von Richtzeiten, Pauschalsätzen, etc zu standardisieren, wodurch ebenso wie durch Einführung formaler Abwicklungsprozesse eine Reduktion des Verwaltungsaufwandes sowie ein Schutz vor ungerechtfertigten Ansprüchen erreicht werden soll.

Umgekehrt besteht aber auf Seiten der Vertragswerkstätten das Interesse, die Abwicklung von Gewährleistungs- und Garantiearbeiten zumindest nicht als Verlustgeschäft zu führen oder indirekt die Garantieversprechen des Lieferanten zu finanzieren.

Auch wenn die exakte Bestimmung einer angemessenen Vergütung im Einzelfall schwierig erscheint und einen gewissen Spielraum zulässt, wird es in diesem Zusammenhang gerade vor dem Hintergrund des Bestehens einer expliziten gesetzlichen Vergütungsregelung insbesondere als missbräuchlich anzusehen sein, wenn

Richtzeiten oä systematisch unter den tatsächlich für die Mängelbehebung erforderlichen Zeiten festgesetzt werden,

Zeiten für die notwendige Vor- und Nachbereitung (Fehlersuche, Probefahrt, etc) systematisch nicht vergütet werden,

Gemeinkosten, die für die Aufrechterhaltung des Betriebs einer Kfz-Werkstatt bzw eines Ersatzteillagers erforderlich sind, systematisch nicht vergütet werden,

Formvorschriften zum Anlass genommen werden, die Vergütung tatsächlich erbrachter Leistungen zu verweigern.

All diese Punkte wiegen umso schwerer, je höher der Anteil von Garantie- und Gewährleistungsreparaturen am gesamten Werkstattaufkommen ist.

8 Ähnlich einzuordnen werden wohl auch Rückrufaktionen der Hersteller sein,

5

Nichts anderes gilt übrigens im Bereich des Unionsrechts: Die Prüfung der Angemessenheit von Geschäftsbedingungen erfordert stets eine Interessensabwägung unter Berücksichtigung des legitimen Zwecks der vertraglichen Regelung. Das beherrschende Unternehmen ist nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip verpflichtet, den Vertragspartner nicht stärker zu binden, als es für den Vertragszweck unerlässlich ist.6

Ausgehend von diesen abstrakten Erwägungen können die vom Fahrzeughandel dargestellten Beispiele wie folgt eingeordnet werden:

Fallgruppe Investitionen in Architektur, Ausstattung und Einrichtung von Schauräumen, Werkstatt, etc

Einerseits ist dem jeweiligen Hersteller (Importeur) ein legitimes Interesse an einem einheitlichen Auftritt sowie der Positionierung, Pflege und Entwicklung seiner Marke zuzubilligen, weswegen die Erteilung gewisser Vorgaben grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Dasselbe gilt für Vorgaben, die eine umfassende und fachgerechte Erbringung von Service- und Wartungsdienstleistungen sicherstellen sollen.

Allerdings sind dabei nach dem oben Gesagten aber ebenso die (wirtschaftlichen) Interessen der Vertragspartner zu berücksichtigen.

Im Einzelfall können sich daher Vorgaben als missbräuchlich erweisen. Dies liegt etwa dann nahe,

wenn der geforderte Investitionszyklus auffällig von einer üblichen Abschreibungsdauer für das betreffende Vermögensgut abweicht7,

die geforderte Investitionshöhe in einem auffälligen Missverhältnis zu den Umsatz- und Ertragschancen des Geschäftsbetriebes steht,

betriebswirtschaftlich unvernünftige oder unvertretbare Investitionen gefordert werden,

eine Bindung für bestimmte Waren und Leistungen an bestimmte Bezugsquellen besteht, insbesondere, wenn diese einem Drittvergleich nicht standhalten.

In solchen Situationen kommt es zu einer unbilligen Ungleichverteilung von Kosten und Nutzen der Maßnahmen zu Gunsten des marktbeherrschenden Vertragspartners.

6 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht 20143, § 18 Rz 7. 7 Dies gilt wohl umso mehr, wenn durch die geforderte Investition zuvor ebenfalls vom marktbeherrschenden Vertragspartner veranlasste Investitionen vorzeitig entwertet werden,

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Fallgruppe Vergütung von Leistungen, Bonifikationen

Ein wesentlicher Bereich innerhalb dieser Fallgruppe betrifft die Vergütung von Leistungen, die Vertragswerkstätten im Rahmen von Gewährleistung und Herstellergarantie8 erbringen. Die schon in der Vergangenheit bestehenden Probleme in diesem Bereich haben den Gesetzgeber veranlasst in § 5 KraSchG eine explizite Sonderregel (in Ergänzung zu § 933b ABGB) zu verankern. Demnach ist der notwendige und nützliche Aufwand zu ersetzen, wobei das Gesetz diese Begriffe nicht näher definiert. Gewisse Anhaltspunkte können zwar die bereicherungsrechtlichen Bestimmungen des ABGB bieten, wobei nicht zu verkennen ist, das im vorliegenden Zusammenhang ein Tätigwerden gerade aufgrund vertraglicher Verpflichtung erfolgt.

Bei Betrachtung der Interessenlagen der Vertragsparteien ist zu beachten, dass es aus Sicht des Lieferanten zwar legitim ist, die Vergütung solcher Leistungen durch Vorgabe von Richtzeiten, Pauschalsätzen, etc zu standardisieren, wodurch ebenso wie durch Einführung formaler Abwicklungsprozesse eine Reduktion des Verwaltungsaufwandes sowie ein Schutz vor ungerechtfertigten Ansprüchen erreicht werden soll.

Umgekehrt besteht aber auf Seiten der Vertragswerkstätten das Interesse, die Abwicklung von Gewährleistungs- und Garantiearbeiten zumindest nicht als Verlustgeschäft zu führen oder indirekt die Garantieversprechen des Lieferanten zu finanzieren.

Auch wenn die exakte Bestimmung einer angemessenen Vergütung im Einzelfall schwierig erscheint und einen gewissen Spielraum zulässt, wird es in diesem Zusammenhang gerade vor dem Hintergrund des Bestehens einer expliziten gesetzlichen Vergütungsregelung insbesondere als missbräuchlich anzusehen sein, wenn

Richtzeiten oä systematisch unter den tatsächlich für die Mängelbehebung erforderlichen Zeiten festgesetzt werden,

Zeiten für die notwendige Vor- und Nachbereitung (Fehlersuche, Probefahrt, etc) systematisch nicht vergütet werden,

Gemeinkosten, die für die Aufrechterhaltung des Betriebs einer Kfz-Werkstatt bzw eines Ersatzteillagers erforderlich sind, systematisch nicht vergütet werden,

Formvorschriften zum Anlass genommen werden, die Vergütung tatsächlich erbrachter Leistungen zu verweigern.

All diese Punkte wiegen umso schwerer, je höher der Anteil von Garantie- und Gewährleistungsreparaturen am gesamten Werkstattaufkommen ist.

8 Ähnlich einzuordnen werden wohl auch Rückrufaktionen der Hersteller sein,

5

Nichts anderes gilt übrigens im Bereich des Unionsrechts: Die Prüfung der Angemessenheit von Geschäftsbedingungen erfordert stets eine Interessensabwägung unter Berücksichtigung des legitimen Zwecks der vertraglichen Regelung. Das beherrschende Unternehmen ist nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip verpflichtet, den Vertragspartner nicht stärker zu binden, als es für den Vertragszweck unerlässlich ist.6

Ausgehend von diesen abstrakten Erwägungen können die vom Fahrzeughandel dargestellten Beispiele wie folgt eingeordnet werden:

Fallgruppe Investitionen in Architektur, Ausstattung und Einrichtung von Schauräumen, Werkstatt, etc

Einerseits ist dem jeweiligen Hersteller (Importeur) ein legitimes Interesse an einem einheitlichen Auftritt sowie der Positionierung, Pflege und Entwicklung seiner Marke zuzubilligen, weswegen die Erteilung gewisser Vorgaben grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Dasselbe gilt für Vorgaben, die eine umfassende und fachgerechte Erbringung von Service- und Wartungsdienstleistungen sicherstellen sollen.

Allerdings sind dabei nach dem oben Gesagten aber ebenso die (wirtschaftlichen) Interessen der Vertragspartner zu berücksichtigen.

Im Einzelfall können sich daher Vorgaben als missbräuchlich erweisen. Dies liegt etwa dann nahe,

wenn der geforderte Investitionszyklus auffällig von einer üblichen Abschreibungsdauer für das betreffende Vermögensgut abweicht7,

die geforderte Investitionshöhe in einem auffälligen Missverhältnis zu den Umsatz- und Ertragschancen des Geschäftsbetriebes steht,

betriebswirtschaftlich unvernünftige oder unvertretbare Investitionen gefordert werden,

eine Bindung für bestimmte Waren und Leistungen an bestimmte Bezugsquellen besteht, insbesondere, wenn diese einem Drittvergleich nicht standhalten.

In solchen Situationen kommt es zu einer unbilligen Ungleichverteilung von Kosten und Nutzen der Maßnahmen zu Gunsten des marktbeherrschenden Vertragspartners.

6 Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht 20143, § 18 Rz 7. 7 Dies gilt wohl umso mehr, wenn durch die geforderte Investition zuvor ebenfalls vom marktbeherrschenden Vertragspartner veranlasste Investitionen vorzeitig entwertet werden,

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den Fall, dass ein drittes Unternehmen als Bezugsquelle namhaft gemacht wird. In aller Regel wird dieses in einer vertraglichen (Provisions-)Beziehung zum Lieferanten stehen. Werden die Waren und Leistungen zudem zu einem deutlich über jenem am freien Markt verlangten Preis angeboten, ist dies ein weiteres Indiz für die Missbräuchlichkeit des Verhaltens.

Vorgebracht wurde auch, dass zum Teil ein Eigengeschäft des Importeurs mit Endverbrauchern (ohne Einschränkung auf vorbehaltene Kundengruppen, zB auf Behörden) besteht. Hierbei trete der Lieferant in eine unmittelbare Wettbewerbsbeziehung zu seinen Händlern, biete aber zT zu Preisen unter deren Einstandspreisen an.

Die diesbezüglichen Angaben sind für eine nähere Beurteilung zu vage; hingewiesen sei aber auf die in der Judikatur zu Art 102 AEUV entwickelte dem Behinderungsmissbrauch zuzuordnende Fallgruppe der Kosten-Preis-Schere (margin squeeze)10.

Ausgangspunkt ist die Situation in der ein (auf einer Stufe marktbeherrschendes) vertikal integriertes Unternehmen als Vorlieferant seinen nicht vertikal integrierten Wettbewerbern gegenübersteht. Ein Missbrauch liegt nun vor, wenn ein ebenso effizienter Wettbewerber wie der Marktbeherrscher zu den den Wettbewerbern verrechneten Vorleistungspreisen nicht ohne Verlust auf der Endkundenstufe anbieten könnte. Relevant ist also die Differenz zwischen Endkundenpreis des Marktbeherrschers und dem an die Wettbewerber verrechneten Vorleistungspreis. Ist diese negativ (wie hier vorgebracht wird), ist wohl jedenfalls von einem Missbrauch auszugehen. Ein solcher kann aber unter Berücksichtigung der Vertriebskosten auch bei einer positiven Differenz vorliegen11.

Unklar ist, ob sich diese Überlegungen unmittelbar auf die vorliegende Situation übertragen lassen, weil jeweils nur ein durch die spezifische Vertragssituation begründeter Teilmarkt (für die Belieferung mit Fahrzeugen einer bestimmten Marke) betroffen ist, Wettbewerb aber auch von den Vertriebsnetzen anderer Marken ausgeht. Es spricht aber wohl nichts dagegen, die zum margin squeeze entwickelten Überlegungen im Rahmen der Generalklausel zur Argumentation eines nicht vertypten Missbrauchs zu berücksichtigen, wobei im gegebenen Kontext noch hinzukommt, dass der Lieferant über die Vorgabe von Standards unmittelbar Einfluss auf die Kosten seiner Wettbewerber nehmen kann.

10 EuGH, Rs C-280-08 (Deutsche Telekom) EuGH, Rs C-52/09 (Telia-Sonera Sverige) 11 Vgl zu all dem Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht 20143, § 19 Rz 24ff sowie Prioritätenmitteilung der Kommission bei der Anwendung von Artikel 82 des EG-Vertrags auf Fälle von Behinderungsmissbrauch ABl 2009 Nr C 45/02

7

Als weiterer Problembereich wurden variable Spannenbestandteile angeführt, wie sie insbesondere im Bereich der Vergütung von Kundenzufriedenheit vorkommen.

Nicht zu bestreiten ist das berechtigte Interesse des Lieferanten (auch) über finanzielle Anreizsysteme ein hohes Niveau der Kundenorientierung innerhalb seiner Vertriebsorganisation anzustreben.

Demgegenüber steht aber das Interesse der Vertragspartner, dass derartige Bewertungen im Rahmen eines objektiven, fairen, transparenten und nachvollziehbaren Systems erfolgen.

Wie auch bei anderen Vergütungen wird es in diesem Bereich einen gewissen Gestaltungsspielraum geben. Das Vorliegen bestimmter Elemente, die - allenfalls in Kumulation - auf eine willkürliche Gewährung von Boni hindeuten, kann aber einen Missbrauch indizieren. Dazu werden etwa zu zählen sein:

Möglichkeit zur willkürlichen Festsetzung von Zielwerten bzw Verwendung dynamischer Zielwerte, die sich nicht an der objektiven Erreichung von Zielgrößen orientieren (zB: die besten x% erhalten eine Vergütung)

Abfrage der Zufriedenheit unter Verwendung unüblicher Bewertungsschemata Fehlende Transparenz und Rückmeldung über das Zustandekommen von

Ergebnissen

Weitere Fallbeispiele

Die bereits weiter oben erwähnte Verpflichtung zum Bezug bestimmter Ausstattungs-, Einrichtungs- oder Ausrüstungsgegenstände beim Lieferanten selbst oder einem vom Lieferanten benannten Unternehmen kann noch unter einem weiteren Aspekt relevant sein.

Gemäß § 5 Abs 1 Z 4 missbräuchlich ist die an die Vertragsschließung geknüpfte Bedingung, zusätzliche Leistungen anzunehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen (Koppelung).

Dabei nutzt der Marktbeherrscher seine Stellung im Bereich der Hauptleistung aus, um dem Abnehmer weitere Leistungen aufzudrängen, die dieser nicht wünscht oder zu besseren Bedingungen von Dritten beziehen könnte.9

Ein solcher Missbrauch nach Z 4 oder zumindest eine gleichwertige, von der Generalklausel des § 5 Abs 1 erfasste Situation liegt wohl vor, wenn der Lieferant den Bezug von Gütern oder Leistungen wie zB Fliesen, Teppiche, Möbel, Schilder, Planungsleistungen, etc, die in keinerlei sachlichen Zusammenhang mit den Hauptleistungen des Vertrages stehen an sich bindet. Dasselbe gilt wohl auch für 9 Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, (Hrsg),KartG 20052 (2016) § 5 Rz 56. Die zweite mögliche wettbewerbswidrige Dimension von Koppelungen, nämlich die Verdrängungswirkung durch Marktverschluss, erscheint hier nicht relevant.

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den Fall, dass ein drittes Unternehmen als Bezugsquelle namhaft gemacht wird. In aller Regel wird dieses in einer vertraglichen (Provisions-)Beziehung zum Lieferanten stehen. Werden die Waren und Leistungen zudem zu einem deutlich über jenem am freien Markt verlangten Preis angeboten, ist dies ein weiteres Indiz für die Missbräuchlichkeit des Verhaltens.

Vorgebracht wurde auch, dass zum Teil ein Eigengeschäft des Importeurs mit Endverbrauchern (ohne Einschränkung auf vorbehaltene Kundengruppen, zB auf Behörden) besteht. Hierbei trete der Lieferant in eine unmittelbare Wettbewerbsbeziehung zu seinen Händlern, biete aber zT zu Preisen unter deren Einstandspreisen an.

Die diesbezüglichen Angaben sind für eine nähere Beurteilung zu vage; hingewiesen sei aber auf die in der Judikatur zu Art 102 AEUV entwickelte dem Behinderungsmissbrauch zuzuordnende Fallgruppe der Kosten-Preis-Schere (margin squeeze)10.

Ausgangspunkt ist die Situation in der ein (auf einer Stufe marktbeherrschendes) vertikal integriertes Unternehmen als Vorlieferant seinen nicht vertikal integrierten Wettbewerbern gegenübersteht. Ein Missbrauch liegt nun vor, wenn ein ebenso effizienter Wettbewerber wie der Marktbeherrscher zu den den Wettbewerbern verrechneten Vorleistungspreisen nicht ohne Verlust auf der Endkundenstufe anbieten könnte. Relevant ist also die Differenz zwischen Endkundenpreis des Marktbeherrschers und dem an die Wettbewerber verrechneten Vorleistungspreis. Ist diese negativ (wie hier vorgebracht wird), ist wohl jedenfalls von einem Missbrauch auszugehen. Ein solcher kann aber unter Berücksichtigung der Vertriebskosten auch bei einer positiven Differenz vorliegen11.

Unklar ist, ob sich diese Überlegungen unmittelbar auf die vorliegende Situation übertragen lassen, weil jeweils nur ein durch die spezifische Vertragssituation begründeter Teilmarkt (für die Belieferung mit Fahrzeugen einer bestimmten Marke) betroffen ist, Wettbewerb aber auch von den Vertriebsnetzen anderer Marken ausgeht. Es spricht aber wohl nichts dagegen, die zum margin squeeze entwickelten Überlegungen im Rahmen der Generalklausel zur Argumentation eines nicht vertypten Missbrauchs zu berücksichtigen, wobei im gegebenen Kontext noch hinzukommt, dass der Lieferant über die Vorgabe von Standards unmittelbar Einfluss auf die Kosten seiner Wettbewerber nehmen kann.

10 EuGH, Rs C-280-08 (Deutsche Telekom) EuGH, Rs C-52/09 (Telia-Sonera Sverige) 11 Vgl zu all dem Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht 20143, § 19 Rz 24ff sowie Prioritätenmitteilung der Kommission bei der Anwendung von Artikel 82 des EG-Vertrags auf Fälle von Behinderungsmissbrauch ABl 2009 Nr C 45/02

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Als weiterer Problembereich wurden variable Spannenbestandteile angeführt, wie sie insbesondere im Bereich der Vergütung von Kundenzufriedenheit vorkommen.

Nicht zu bestreiten ist das berechtigte Interesse des Lieferanten (auch) über finanzielle Anreizsysteme ein hohes Niveau der Kundenorientierung innerhalb seiner Vertriebsorganisation anzustreben.

Demgegenüber steht aber das Interesse der Vertragspartner, dass derartige Bewertungen im Rahmen eines objektiven, fairen, transparenten und nachvollziehbaren Systems erfolgen.

Wie auch bei anderen Vergütungen wird es in diesem Bereich einen gewissen Gestaltungsspielraum geben. Das Vorliegen bestimmter Elemente, die - allenfalls in Kumulation - auf eine willkürliche Gewährung von Boni hindeuten, kann aber einen Missbrauch indizieren. Dazu werden etwa zu zählen sein:

Möglichkeit zur willkürlichen Festsetzung von Zielwerten bzw Verwendung dynamischer Zielwerte, die sich nicht an der objektiven Erreichung von Zielgrößen orientieren (zB: die besten x% erhalten eine Vergütung)

Abfrage der Zufriedenheit unter Verwendung unüblicher Bewertungsschemata Fehlende Transparenz und Rückmeldung über das Zustandekommen von

Ergebnissen

Weitere Fallbeispiele

Die bereits weiter oben erwähnte Verpflichtung zum Bezug bestimmter Ausstattungs-, Einrichtungs- oder Ausrüstungsgegenstände beim Lieferanten selbst oder einem vom Lieferanten benannten Unternehmen kann noch unter einem weiteren Aspekt relevant sein.

Gemäß § 5 Abs 1 Z 4 missbräuchlich ist die an die Vertragsschließung geknüpfte Bedingung, zusätzliche Leistungen anzunehmen, die weder sachlich noch nach Handelsbrauch in Beziehung zum Vertragsgegenstand stehen (Koppelung).

Dabei nutzt der Marktbeherrscher seine Stellung im Bereich der Hauptleistung aus, um dem Abnehmer weitere Leistungen aufzudrängen, die dieser nicht wünscht oder zu besseren Bedingungen von Dritten beziehen könnte.9

Ein solcher Missbrauch nach Z 4 oder zumindest eine gleichwertige, von der Generalklausel des § 5 Abs 1 erfasste Situation liegt wohl vor, wenn der Lieferant den Bezug von Gütern oder Leistungen wie zB Fliesen, Teppiche, Möbel, Schilder, Planungsleistungen, etc, die in keinerlei sachlichen Zusammenhang mit den Hauptleistungen des Vertrages stehen an sich bindet. Dasselbe gilt wohl auch für 9 Vartian/Schuhmacher in Petsche/Urlesberger/Vartian, (Hrsg),KartG 20052 (2016) § 5 Rz 56. Die zweite mögliche wettbewerbswidrige Dimension von Koppelungen, nämlich die Verdrängungswirkung durch Marktverschluss, erscheint hier nicht relevant.

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Lieferant und Abnehmer, also für die Konditionen bzw Vergütungen für den Bezug von Vertragswaren oder die Erbringung von Vertragsdienstleistungen. Von den genannten Fallbeispielen könnte dies insbesondere auf den Umfang der gewährten Vergütung von Garantie- und Gewährleistungsarbeiten sowie variable Elemente der Bemessung von Handelsspannen/Bonifikationen zutreffen. Wirtschaftlich laufen diese Verhaltensweisen auf die Forderung von Rabatten bzw Sonderkonditionen hinaus.

Fraglich könnte dagegen die Anwendbarkeit auf Sachverhalte sein, bei denen keine Leistung an den anderen Vertragspartner erfolgt, sondern etwa Investitionen in den eigenen Betrieb des Abnehmers gefordert werden. Einen Sonderfall innerhalb dieser Gruppe bilden wiederum jene Sachverhalte in denen ein Bezug (zB von CI-Elementen) vom Lieferanten selbst (oder einem diesem zuzurechnenden Unternehmen), insbesondere zu nicht marktüblichen Konditionen, zu erfolgen hat und somit wieder eine direkte Leistung erfolgt.

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Nahversorgungsgesetz

Beim Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen (NVG) handelt es sich um ein wettbewerbsrechtliches Sondergesetz, dessen Bestimmungen über das „Kaufmännische Wohlverhalten“ (§§ 1 bis 3) nicht auf Wirtschaftszweige beschränkt sind, die für die Nahversorgung Bedeutung haben12, und insbesondere auch in Situationen abseits des Bestehens einer marktbeherrschenden Stellung Anwendung finden, wenngleich ein gewisses wirtschaftliches Machtgefälle vorauszusetzen ist13. Entstehungsgeschichtlich hatte der Gesetzgeber zwar den Schutz von Lieferanten vor marktstarken Nachfragern im Auge, der Gesetzestext ist aber neutral und umfasst auch entgegengesetzte Sachverhalte (siehe auch explizit in § 2 NVG).

Die Generalklausel des §1 Abs 1 NVG untersagt alle Verhaltensweisen, die geeignet sind, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden. Exemplarisch nennt Abs 2 leg cit sachlich nicht gerechtfertigte Leistungen und Konditionen, insbesondere bei Fehlen einer entsprechenden Gegenleistung.

Unter kaufmännischem Wohlverhalten ist allgemein jenes Verhalten zu verstehen, das unter ordentlichen Kaufleuten üblich ist oder zumindest üblich sein sollte. Unter dem Schutz des leistungsgerechten Wettbewerbes versteht die Judikatur des OGH die Erhaltung eines bestimmten Wettbewerbsbestands, der durch die Existenz vieler mittlerer und kleinerer Unternehmen gekennzeichnet ist.

Zur Frage der sachlichen Rechtfertigung kann mangels Judikatur zu § 1 NVG mutatis mutandis auf die Rechtsprechung zu § 2 zurückgegriffen werden. Leistungen und Konditionen sind demnach sachlich gerechtfertigt, wenn ihnen eine entsprechende Gegenleistung gegenübersteht oder Kostenvorteile abgebildet werden. Außerhalb dieses Bereiches ist eine Interessensabwägung zwischen Lieferant und Abnehmer vorzunehmen, wobei im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung die Sachgerechtigkeit und Angemessenheit einer Maßnahme gefordert wird. Im Ergebnis ist somit jeweils das gelindeste zur Zielerreichung mögliche Mittel zu wählen.

Inhaltlich enthält das NVG somit Missbrauchsverbote, die jenen des KartG sehr ähnlich sind. Hier wie dort geht es letztlich um eine Interessenabwägung sowie eine Angemessenheitsprüfung. Es kann daher auf das oben Gesagte verwiesen werden.

§ 1 NVG erscheint somit grundsätzlich anwendbar auf Sachverhalte, in denen die Bemessung von Leistung und Gegenleistung nicht das Ergebnis sachlicher Erwägungen, also insbesondere der Berücksichtigung der Kosten- und Ertragssituation sowie des Werts einer erbrachten Leistung ist, sondern auf willkürlichen und/oder intransparenten Festlegungen beruht. Dies gilt jedenfalls für Leistungen und Konditionen im unmittelbaren Austauschverhältnis zwischen

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Lieferant und Abnehmer, also für die Konditionen bzw Vergütungen für den Bezug von Vertragswaren oder die Erbringung von Vertragsdienstleistungen. Von den genannten Fallbeispielen könnte dies insbesondere auf den Umfang der gewährten Vergütung von Garantie- und Gewährleistungsarbeiten sowie variable Elemente der Bemessung von Handelsspannen/Bonifikationen zutreffen. Wirtschaftlich laufen diese Verhaltensweisen auf die Forderung von Rabatten bzw Sonderkonditionen hinaus.

Fraglich könnte dagegen die Anwendbarkeit auf Sachverhalte sein, bei denen keine Leistung an den anderen Vertragspartner erfolgt, sondern etwa Investitionen in den eigenen Betrieb des Abnehmers gefordert werden. Einen Sonderfall innerhalb dieser Gruppe bilden wiederum jene Sachverhalte in denen ein Bezug (zB von CI-Elementen) vom Lieferanten selbst (oder einem diesem zuzurechnenden Unternehmen), insbesondere zu nicht marktüblichen Konditionen, zu erfolgen hat und somit wieder eine direkte Leistung erfolgt.

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Nahversorgungsgesetz

Beim Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen (NVG) handelt es sich um ein wettbewerbsrechtliches Sondergesetz, dessen Bestimmungen über das „Kaufmännische Wohlverhalten“ (§§ 1 bis 3) nicht auf Wirtschaftszweige beschränkt sind, die für die Nahversorgung Bedeutung haben12, und insbesondere auch in Situationen abseits des Bestehens einer marktbeherrschenden Stellung Anwendung finden, wenngleich ein gewisses wirtschaftliches Machtgefälle vorauszusetzen ist13. Entstehungsgeschichtlich hatte der Gesetzgeber zwar den Schutz von Lieferanten vor marktstarken Nachfragern im Auge, der Gesetzestext ist aber neutral und umfasst auch entgegengesetzte Sachverhalte (siehe auch explizit in § 2 NVG).

Die Generalklausel des §1 Abs 1 NVG untersagt alle Verhaltensweisen, die geeignet sind, den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden. Exemplarisch nennt Abs 2 leg cit sachlich nicht gerechtfertigte Leistungen und Konditionen, insbesondere bei Fehlen einer entsprechenden Gegenleistung.

Unter kaufmännischem Wohlverhalten ist allgemein jenes Verhalten zu verstehen, das unter ordentlichen Kaufleuten üblich ist oder zumindest üblich sein sollte. Unter dem Schutz des leistungsgerechten Wettbewerbes versteht die Judikatur des OGH die Erhaltung eines bestimmten Wettbewerbsbestands, der durch die Existenz vieler mittlerer und kleinerer Unternehmen gekennzeichnet ist.

Zur Frage der sachlichen Rechtfertigung kann mangels Judikatur zu § 1 NVG mutatis mutandis auf die Rechtsprechung zu § 2 zurückgegriffen werden. Leistungen und Konditionen sind demnach sachlich gerechtfertigt, wenn ihnen eine entsprechende Gegenleistung gegenübersteht oder Kostenvorteile abgebildet werden. Außerhalb dieses Bereiches ist eine Interessensabwägung zwischen Lieferant und Abnehmer vorzunehmen, wobei im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung die Sachgerechtigkeit und Angemessenheit einer Maßnahme gefordert wird. Im Ergebnis ist somit jeweils das gelindeste zur Zielerreichung mögliche Mittel zu wählen.

Inhaltlich enthält das NVG somit Missbrauchsverbote, die jenen des KartG sehr ähnlich sind. Hier wie dort geht es letztlich um eine Interessenabwägung sowie eine Angemessenheitsprüfung. Es kann daher auf das oben Gesagte verwiesen werden.

§ 1 NVG erscheint somit grundsätzlich anwendbar auf Sachverhalte, in denen die Bemessung von Leistung und Gegenleistung nicht das Ergebnis sachlicher Erwägungen, also insbesondere der Berücksichtigung der Kosten- und Ertragssituation sowie des Werts einer erbrachten Leistung ist, sondern auf willkürlichen und/oder intransparenten Festlegungen beruht. Dies gilt jedenfalls für Leistungen und Konditionen im unmittelbaren Austauschverhältnis zwischen

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Oktober 2016

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