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philosophie
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Kritik der
/ neukeantifchen Uechtsphilofophie
Eine Betrachtung
über die Beziehungen zwifchen philofophie
und Rechtswiffenfckyaft
von
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o. ö, profejfor an der Univerfität 13mm
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Uritilr der
neuliantifchen Uechtsphilofophie
. Eine Betrachtung
über die Beziehungen zwifclyen philofophie
und Rechtswiflenfchaft
von
])r. jur. Erich txaufmann
o. 5. profefior an der Univerjität Bonn
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Tübingen
verlag von I, C. 13. mehr (paul Iiebeck)
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Vorwort.
Lliit diefer Schrift betrete ich zum erften male den Boden.
von dem ich einft ausgegangen bin: den Boden der philofophie.
Troßdem empfinde ich dies weder als eine Rückkehr noch als
eine Abkehr von meinen bisherigen Arbeiten. fondern als deren
Fortentwicklung. Das philofophifche Denken tritt nur. nachdem
es. vielfach unbemerkt. halb oder ganz unter der, Oberfläche
verlaufen war. unmittelbar. an die fichtbare Oberfläche; ich
oerfuche nur. die bis dahin getrennt fließenden Sldern und
klederchen. die leßtlich doch aus einer Quelle gefpeift waren.
zu einem breiteren klrm zu vereinen 1.
mein philofophifcher Ausgangspunkt war der des um die
Jahrhundertwende herrfchenden [leukantianismus. fpeziell des
Ueukantianismus der log. füdweftdeutfchen Ichule; und ich
werde den illcinnernl die mir hier Lehrer und Führer waren.
Wilhelm windelband. Heinrich Wickert. und
vor allem dem Wanne. dem diefe Schrift gewidmet ift. p a ul
H enfel. ftets herzlichften und aufrichtigften Dank zellen.
und muß in diefem Zufammenhange auch des gefallenen
Freundes Emil La sk dankbar und fchmerzlich gedenken.
Über meine wege haben mich von ihnen fortgeführt. f0 daß
L Um diefe Zufammenhänge aufzuzeigen. ?werde ich im folgen-
den auf frühere Arbeiten von mir hinweifen, Durch die Einord-
nung früherer Ausführungen in die allgemeineren Gedankengänge diefer
Zcbrift hoffe ich zugleich manche mißoetftändniffe zerftreuen zu können.
denen fie begegnet waren.
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ich mit einer Rritik der neukantifchen philofophie zum
erften male vor die philofophifclje Oeffentlichkeit trete. Das
ift für den. der meine bisherigen Arbeiten kennt. keine Ueber-
rafchung; enthielten fie doch alle unausgefprochen eine wachfende
Sluseinanderfeßung mit der neukantifchen philofophie und eine
tlblöfung von ihr.
Der metaphgfikfreie. abftrakte Formalismus und der
tranlzendentale Rationalismusund Zntellektualismus. der die
neukantifche philofophie charakterifiert. hätte mich zwar als
Zuriften auf ihm verwandte Erfcheinungen der damals herrfchen-
den rechtswiffenfckxaftlichen Methodik führen können. . Über
auf der einen Ieite hatte das bewußt entftofflichende. von dem
klnfchaubaren und Erlebbaren entfernende Denken der Aeu-
kantianer. das über die ethifchen. politifchen. fozialen und
kulturellen probleme der Gegenwart hinweg nach den reinen
Zormen des tranfzendentalen Denkens ftrebt. in mir einen
ungeheuren Slnfchauungs- und Itoffhunger erweckt. der mich
in die Gefilde der rechts- und ftaatswiffenfchaftlichen. gefchicht-
lichen und politifchen Forfchung und praxis trieb. vermutlich
leßtlich auch aus einem - freilich dem neukantifchen entgegen-
gefeßten - philofophifchen lZedürfnis: wer philojophiert.
muß auch möglichft viel wiffen. gefehen. erlebt haben. über was
er philofophieren kann; fonft wird die philofophie zu einer
unfruchtbaren Jpezialwiffenfchaft. die felbftgenugfam. aber un-
beeinflußt und nicht beeinfluffend. ein kathederhaftes Schatten-
dafein im leßten verftaubten winkel der unjuersjtes ijtekerum
und der Zeit führt. Und auf der anderen Seite glaubte ich die
Unfruchtbarkeit der herrfchenden rechtswiffenfchaftlicljen me-
thodik. je mehr ich mich mit den problemen des fozialen. poli-
tifchen und gefchichtlichen Lebens befchäftigte. um jo klarer
erkennen zu müffen. Die fogenannte rein juriftifche methode
hatte die Rechtswiffenfchaft in eine ähnliche von den Realitäten
des gefellfchaftliclxen und politifchen Lebens ifolierte unfrucht-
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Znhaltsiiberficht.
Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . ll_l7lll
x. Einleitung. . . . , . . . . . . . , 1-5
Das Uachlaffen der rechtsphilofophifcljen Forfchung fett
der llfitte des 19, Jahrhunderts und deffen Folgen (I, 1 f.),
- Die Lleubelebung der rechtsphilofophifchen Jntereffen
feit der Iahrhundertwende und deren Eigenart (I. Z f.), -
Die problemftellung diefer Zchrift (I. 4f.),
2. Erfte Tharalueriftilr des neukantianismus . . . ,. . . . 5-11
was der lleukantianismus von Aant rezipierte und in
welcher Umbiegung (I. 5f.). - Die Unhaltbarkeit diefer
Umbiegung (I. 6f.). - Erkenntnis-theorie und welt-
anfchauung (Z. 7f.). - Das tranfzendente Minimum
(I. 9f.),
5.8ta1nmler.,...,'......-....,11-20
Die verwechflung empirifcljer lillgemeinbegriffe mit der
kategorialen Zphäre (Z, 11 f.). - Die Iondetgemeinfchaft
und die Reigung zum Empirismus (I. 12 f.); - Die
verwechflung der normativen und der kategorialen Iphäre
und die Denaturierung von Recht und wirtfchaft (I. 13 f.),
- Das foziale Ideal und die Grundfäße des richtigen
Rechts (I. 15 f.). - Ztammler und Uant (I. 19 f.)
4.uelfen....„.„....,.... 20-35
Die reine normlogifche Rechtswiffenfclyaft (I. 21 f.). --
Die foziologifche Zubftruktion durch die cjyjtäs mäxjmä
(I. 22 f.). -*- Oenk- und wertökonomifche Zegründung
(I. 25 f.). - Die metaphgfifchen vorausfeßungen Lfelfens
(I. 27 f.). - Die tfapitulation vor dem Empirismus
(5. 29 f.). Y Iander (I. 35 f.).
Erich Aaufmannf rar-ir.
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5. die füdweftdeutfche. Richtung . , . . . . . . . . . 35-48
Allgemeine Charakteriftik (I. 35 f.). - Das Fehlen des
Dinges an fich (I. 36 f.). - Der Gegenfaß von Forn( und
Itoff und die Aapitulation vor einer empiriftifchen meta-
phgfik (I.-37 f.). - Erkenntnistheorie und weltanfcljauung
(I, 39 f.). - Der Gegenftand der Erkenntnis und das
Ichillern zwifctjen Rationalismus und Empirismus (I. 40f.).
- Die verwechflung der normativen mit der kategorialen
Iphiire (I. 42 f.). - Die normative Umdeutung von em-
pirifchen (lllgemeinbegriffen; das Zewußtfein überhaupt
(I. 45 f.). - Die gefchichtliclfe welt (I. 47 f.).
6. die füdweftdeutfche Rechtsphilofophie . . . . 48-53
Bloß methodenlehre der pofitivenRechtsdogmatik (I. 48 f.).
»- Zlnknüpfung an die Umdeutung Aants durch Hegel
(I. 49 f.). - Die Reinheit der „juriftifcljen" methode
(I. 51 f.).
7. der Begriff des Rechts bei uant und den neulmntianern .
Recht und Iittlichkeit bei den Reukantianern (I. 53 f.). -
Legalitiit und moralitiit bei Uant (I. 56 f.). - Die
Folgerungen aus dem neukantifchen Zegriffe des Rechts
fiir die Rechtsbegriffe (I. 62 f.).
8. die Eindimenfionalität des neuliantifchen Denkens .
Rationaliftifches vereinfachen und berechtigtes verein-
fachen (I. 64 f.), -' Zegrifflicher Gegenfaß und meta-
phgfifcher Dualismus (I. 66 f.). - Recht und Wacht
(I. 67 f.). - Umdeutung begrifflicher Gegenfäße ins
Ethifche (I. 71 f.). - perfonalismus undTransperfonalis-
mus (I. 71 Rote). - Zegriffsbildung und Definition
(s. 73 f.),
53-64
64-75
9. die reinen „juriftifchen" Begriffe . . . . . .
Entgeiftigung und. Technifierung der Rechtsbegriffe
(I. 75 f.). - Rinder (I. 76). -* Die herrfchaftstheorie
(I. 76 f.). - Die willenstheorie (I, 78 f.), - Uelfen
(I. 79 f.). - Der Inhalt der Rechtsnormen (I. 80 f.). -
Die hgpoftafierung der reinen Rechtsbegriffe ins Ethifche
(I. 82 f.), - Die Unmöglichkeit mit diefen hgpoftafierten
Begriffen den geiftigen Gehalt und die relative Rerech-
tigung empirifcher Rechtsbegriffe zu verftehen (I; 85 f.).
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Zelte
10. die foziologifche und die rechtliche auffaffung gefellfclfatt-
licher Erfcheinungen . . . , . . . . . . .
Das vorkantifche Raturrecht als Iozialtheorie (I, 88 f.). --
vie Itellung Uants zum problem der Ioziologie (I. 90 f.).
- Die hiftorifche Ichule und ihr verhältnis zum Ratur-
recht und zu Want (I. 94 f.). - Der hiftorismus und
feine rationale pfgchologie (I. 96 f.).
ryschluß . . . . . . . . . . . 98-101
Der mißerfolg des Reukantianismus (I. 98) - feine
metaphgfik und feine Formenfprache (I. 98 f.). -
Reaktionen gegen den Reukantianismus (I. 100). -
Die Gefahren diefer Reaktionen (I, 100 f.).
Llamensverzeiclfnis . . . . . . . . . . . . , . . . 102
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Die deutfche Rechtsphilofophie befindet fich in einer
eigentümlichen und kritifchen Iituation. die mit der Rrifis im
engften Zufammenhange fteht. in der fich unfere philofophie
überhaupt. ja unfer ganzes geiftiges Leben befindet. Rach
dem langfamen Abebben der großen fpekulativen Flut des
deutfchen Idealismus hatten wir lange Zeit überhaupt keine
Rechtsphilofophie. Itahls großes Werk ift die leßte bedeutende
und originelle Erfcheinung auf diefem Gebiete; daneben kommen
höchftens noch die Leiftungen der Rraufefchen Ichule in 13e-
tracht. Hegels Rechtsphilofophie erfchien 1820. die von Itahl
in. erfter Auflage 1829. in fünfter 1878 7 Ahrens' Rechtsphilo-
fophie. als Ueberfeßung aus dem Franzöfifchen 1846. die
fechfte deutfche Auflage 1870; Roeders Raturrecht zuerft 1846-
in zweiter Auflage 1860.- Erendelenburgs Raturrecht in erfter
Auflage 1860. in zweiter 1868. Der deutfche Geift fcheint
nach den gewaltigen Leiftungen feiner Ipekulation philofophifch
erfchöpft. metaphgfifch todmüde zu fein. Er hat andere. bisher
vernachläffigte Aufgaben zu erfüllen. die feine Rraft zu ab-
forbieren fcheinen. die Eroberung der empirifchen welt: den
Ausbau der technifchen Raturwiffenfchaften und der hiftorifchen
und philologifchen Forfchung und den Aufbau feines ftaatlichen
und wirtfchaftlichen Dafeins. Die metaphgfifche periode ift
wie abgefchloffen. wie in einem meere verfunken; die empirifti-
fche Flut hat alles verfchlungen. Faft fcheint es. als ob keine
perbindungslinien zwifchen beiden beftehen. Das ift gewiß
nicht der Foll: denn ohne die metaphgfifche periode. die das
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Reich des Geiftes erobert und zugleich die wege zur wirklich-
keit des ftaatlichen und gefellfchaftlichen Lebens aufgezeigt
hatte. ift jene nicht denkbar. Aber beide phänomene ftehen doch
hintereinander und nichtin wechfelfeitiger Durchdringung neben-
einander. wohl in zeitlichem und fachlichem. aber nicht in organi-
fchem. fich dauernd gegenfeitig befruchtendem. lebendigem Zu-
fammenhang, wohl kann die wiffenfchaftliche Forfchung die ver-
bindungslinien von der einen zur anderen ziehen; aber es
bleibt Tatfache. daß wir uns in der wirklichen welt einge-
richtet. Itaat. Recht und wirtfchaft aufgebaut haben ohne eine
begleitende zeitgenöffifche Rletaphgfik und Itaatsphilofophie..
wohl kann man die geiftigen Erbfchaftem die die eine von der
anderen angetreten hat. aufzeigen; aber es find eben Erb-
fchaften. kein unmittelbar von der eigenen Generation erarbei-
teter lZefiß. und darum dazu verurteilt. immer mehr zu Ichat-
ten7 wenn nicht zu leeren phrafen zu verblaffen. Die Intenfität.
mit der der Deutfche als Individuum wie als Ration feine
Aufgaben erfaßt und bewältigt. fcheint die gleichzeitige und
fich gegenfeitig durchdringende Erfüllungmehrerer Aufgaben
auszufchließen. wie fie geiftigflacheren und fchwächeren. aber
dafür foziologifch ftärkeren Rationen befchieden ift. Das jähe
Iteigen und Fallen in geiftiger und politifcher Hinficht. das
unfere Gefchichte charakterifiert. das dialektifche Ausfchlagen
in Antithefen. das ebenfofehr ein Igmptom unferer Tiefe und
unferes inneren Reichtums. wie unferer Ichwäche und unferer
unorganifchen Art ift. dürften mit diefer Veranlagung zufam-
menhängen. weil wir keine Itaats- und Rechtsphilofophie
hatten. weil Itaat und Gefellfchaft nur durch verblaßte Erb-
fchaften. Erbfchaften von Want. Hegel. Itahl und Marx. und
nicht durch eine lebendige eigene Iozialphilofophie unterbaut
waren. ftanden fie leßtlich auf tönernen Fiißen und zerbrachen
in der großen gefchichtlichen probe. die der deutfche Geift
wie der deutfche Itaat im Weltkriege zu beftehen hatten.
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Run foll zwar nicht geleugnet werden. daß wir feit der
Iahrhundertwende doch wieder etwas wie eine Rechtsphilo-
fophie hatten. ja daß die rechtsphilofophifchen Intereffen in
ftarkem lvachfen begriffen waren. 1896 erfchien Itammlers
lvirtfchaft und Recht als erftes feiner drei großen werke. 1904
Lasks kleiner Abriß. 1915 Ehrlichs Ioziologie des Rechts.
* 1914 Radbruchs Grundzüge. 1915 ?Zinders Rechtsbegriff und
Rechtsidee. um nur einige der wichtigften werke zu nennen.
Aber die Tradition war feit den 50er und 60er Iahren völlig
unterbrochen. und lieues ließ fich nicht fo fchnell wieder auf-
bauen. jedenfalls nicht fo wieder aufbauen7 daß es bald zu
einem Zildungsferment der Zeit werden konnte, Es mag fein.
daß fich aus den mannigfaltigen Anfaßpunkten. die wir hatten.
wieder etwas wie eine große Rechtsphilofophie entwickelt
hätte. Zu diefer Auswirkung aber war und ift es jedenfalls
noch nicht gekommen. Und man kann zweifeln. ob das über-
haupt von den vorhandenen Anfaßpunkten aus - ohne Hinzu-
tritt ganz neuer Gedankenmaffen und ohne grundfäßliche Reu-
einftellungen - möglich gewefen wäre. Denn. was wir an
Rechtsphilofophie hatten. war grundfäßlich antimetaphgfifch
wie die philofophie der Zeit überhaupt; und .ein grundfäßlich
jede Metaphgfik ablehnendes philofophifches Denken kann wohl
die Liathederphilofophie einer *Zeit beherrfchen. aber nicht ein
die Zeit felbft beherrfchender oder auch nur mit dem Leben der
Zeit in geiftigem Zufammenhange ftehender Faktor werden.
Mit diefer Tendenz zur bewußten Metaphgfiklofigkeit, der
philofophie hängt es zufammen. daß die rechtsphilofophifchen
Igfteme diefer leßten Iahre keine pofitive Itellung zu den
großen inhaltlichen problemen des fozialen und politifchen
Lebens fuchten. und darum an den metaphgfifchen problemen
des Itaates. der Ehe. des Eigentums. des vertrages ufw.
vorübergingen. Darin war ihnen der Marxismus jedenfalls
über. der zu allen diefen Fragen eine ausgefprochene. wenn
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auch negative Itellung befaß. Ihm und feiner materialiftifchen
Gefchichtsmetaphgfik hatte die „bürgerliche" wiffenfchaft wohl
eine Rritik. aber keine pofitive eigene Uletaphgfik entgegen-
zuftellen vermocht. Auch hier war dem politifchen Zufammen-
bruche der bürgerlichen welt ihr geiftiges verfagen voran-
gegangen. "
Diefe Iachlage ift nur zu verftehen. wenn man fich die
beiden Ausgangspunkte vergegenwiirtigt. auf denen jene
Reublüte der rechtsphilofophifchen Forfchung beruht. Das
ift einerfeits die neukantifche philofophie und anderfeits der
gefellfchaftswiffenfchaftliche. foziologifche Empirismus. wie ihn
namentlich das wefteuropäifche Denken ausgebildet hatte:
zwei geiftige Richtungen. die in grundfäßlichem Gegenfaß zu-
einander ftehen. und deren gegenfeitige Auseinanderfeßung
immer mehr in den Mittelpunkt der rechtsphilofophifchen
Diskuffionen getreten ift. Troß diefer Gegenfiißlichkeit. die
vorläufig mit dem Gegenfaß des Rationalismus und Empiris-
mus charakterifiert fein mag. beftehen Gemeinfamkeiten und
Beziehungen zwifchen beiden. Die folgenden Ausführungen
.ftellen fich nicht die Aufgabe. diefen Gegenfaß zu entwickeln.
wenn fie auch veranfchaulichen wollen. warum es zu jener
großen foziologifchen Reaktion gegen den neukantifchen Ratio-
nalismus gekommen ift. Iie wollen vielmehr das Augenmerk
auf die Beziehungen zwifchen dem Denken der neukantifchen
philofophie und dem der Rechtsphilofophie und Rechtswiffen-
fchaft lenken. Io foll hier weder der verfuch gemacht werden.
den Reukantianismus erfchöpfend zu würdigen und die mannig-
faltigen Förderungen darzulegen. die die neukantifche Rechts-
philofophie durch Auseinanderfeßungen innerhalb der Bewegung
und mit Außenftehenden jedenfalls gebracht hat. noch auch fchon
hier eine grundfiißliche und ins einzelne gehende Rritik am
Reukantianismus vorzunehmen. Die probleme follen nur
fo weit verfolgt werden. als nötig ift. um die Beziehungen
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zwifchen dem philofophifchen Denken der Reukantianer und
dem juriftifcljen Denken der herrfchenden Rechtswiffenfchaft
bloßzulegen. Es wird dem Iuriften nicht unerwünfcht fein.
zu erfahren. wie auch fe i n e Denkmethoden als ein Ausdruck
des allgemeinen Geiftes der Zeit aufgefaßt werden können
und müffen. der fich auch in der zeitgenöffifchen philofophie
eine projektion verfchafft hat. Und anderfeits wird es dem
philofophen wichtig fein. zu hören. wie feine Denkformen in
einer philofophifch befonders intereffanten. zugleich mit der
praxis des Lebens in fteter verbindung ftehenden wiffenfchaft
ausfehen und wirken: das kann und foll fein Gefühl der verant-
wortlichkeit für die Grundrichtung des geiftigen Lebens der Zeit
fchärfen. Und wenn man alle projektionen und Expreffionen
des Geiftes einer Zeit als g e i ft i g e E i n h e it faßt 1. kann
die folgende Zetrachtung zugleich als ein - wenigftens zwei-
dimenfionaler - Beitrag zur Kritik der Zeit aufgefaßt werden.
Es wird ftets eine in der deutfchen Geiftesgefcljichte merk-
würdige und für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts
charakteriftifclje Tatfache bleiben. daß die deutfche philofophie
nach dem Abebben des fpekulativen Denkens auf einen Denker
zurückgegriffen hat. von deffen Rritik man faft zwei Menfchen-
alter vorher ausgegangen war. Es war eine geiftesgefchichtliclge
Rezeption. undjede Rezeption bietet ihre befonderen Er-
klärungsfchwierigkeiten. was war es. was Aant zur Rezeption
durch die Zeit geeignet machte? Ich glaube. es war vor allem
zweierlei. Einmal fchien fein apriorifcher Rationalismus.
feine Lehre von der unbedingten Herrfchaft der rationalen
Gefeßlichkeit einen Halt bieten zu können gegenüber der
überwuchernden. alles verfchlingenden Empirie des immer
komplizierter und unüberfehbarer werdenden modernen Lebens.
1 Zu diefer - faft allen meinen Arbeiten zugrunde liegenden -
Irageftellung: ogl. m ein Ueber den Zegriff des Organismus in der
Itaatslehre des 19. Jahrhunderts I. 1-3.
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feiner ungebändigten Itofflichkeit und den daraus folgenden
Gefahren des Materialismus oder des Relativismus. wo Want
daher nicht geradezu in Agnoftizismus und Relativismus um-
gebogen wurde. ift es das pathos:der abfoluten. reinen. ratio-
nalen Formwerte. der die neukantifche Bewegung in ihren
beiden Hauptfpielarten der fog. Marburger und der fog. füd-
_ weftdeutfchen Ichule charakterifiert. Dazu kam aber ein Zweites.
Die rationale apriorifche Gefeßlickjkeit wurde als eine formale
gefaßt; und diefer formale Rationalismus war der Zeit gerade
wegen feiner Inhaltsleere willkommen. Denn dadurch brauchte
er die Ipezialwiffenfchaften in ihrer Bearbeitung der empiri-
fchen Itoffe und Inhalte nicht zu ftören. Ieine von empirifchem
Itoff befreiteÄ-Reinheit". feine Erhebung der rationalen Be-
griffe und abfoluten Form- und Iollwerte in eine von aller
Empirie unberührte. mit ihr in keinem begrifflichen oder
beg*reifbaren Zufammenhange ftehende Iphäre. feine Auflöfung
der Metaphgfik in Methodologie konnten dem empiriftifchen
und fpezialiftifchen Zeitalter die vermeintlich philofophifche.
„erkenntnistheoretifche" Grundlage und Legitimation bieten.
foweit dies Zeitalter überhaupt noch philofophifches Bedürfnis
und Ichamgefühl befaß. das ihm eine Bedeckung der philo-
fophifchen Racktheit notwendig machte, Die verficherung. daß
jene reine und abfolute welt der werte und Geiftigkeiten
rein formal. bloß erkenntnistheoretifch. nicht metaphgfifch
hgpoftafiert. gemeint fei. ließ dem empiriftifchen Zeitalter den
Reukantianismus als feine philofophie. als Fleifch vom
eigenen Fleifch erfcheinen: diefe philofophie wollte ja keine
Metaphgfik fein. fie wollte ja nur durch kritifche Ielbftbefinn-
ung die formalen Dorausfeßungen der Ipezial-
wiffenfchaften formulieren; von ihr konnte nie ein Uebergriff
gefürchtet werden; fie war eine Ipezialwiffenfchaft neben den
anderen geworden.
Aber der Reukantianismus verfucht Unvereinbares mit-
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einander zu vereinen. Eine tranfzendente welt reiner Zormen
und werte foll der empirifchen welt Rückhalt und Iinn ver-
leihen; aber beide welten werden dualiftifch fo auseinander-
geriffen. daß ihr verhältnis zveinander unbegreiflich wird.
Die Gegenüberftellung von Form und Inhalt ift mehrdeutig.
fie ftellt probleme und löft keines, Die rationale Formwelt
foll für die empirifche fowohl konftitutiv als auch regulativ
und normativ fein. und dies regulative verhältnis wird bald
bloß im Iinne der Beurteilung und des Maßftabes. bald zu-
gleich im Iinne des Zielpunktes. des Ideals der Erkenntnis.
des lvollens. bald fogar im gefchichtsphilofophifchen Iinne
des Richtpunktes der Entwicklung aufgefaßt. Aant hatte
Formen der „Anfchauung". kategoriale und konftitutive Formen
des „Denkens" und regulative „Ideen der vernunft" unter-
fchieden. und durch feine rationaliftifche Gefchichtsmetaphgfik.
die leßtlich auf feiner Ding-an-fich-Ipekulation beruht. den Ideen
der vernunft zugleich eine gefchichtsphilofophifche Funktion
geben können. Daneben hatte er in der Rritik der Urteilskraft
-eine rationale Teleologie zu regulativem und heuriftifchem
Gebrauch für das verftändnis der gefchichtlicchen welt entwickelt.
Das alles fließt in der neukantifchen philofophie in einer je nach
ihren Richtungen verfchiedenen. durchaus unkantjfchen und. was
wichtiger ift. in einer durchaus unklaren lveife ineinander. Man
hatte ja nicht die kantifche Metaphgfik mit rezipieren wollen.
und geriet fo überall da. wo Wants Denken metaphgfifch ver-
ankert ift. in unauflösbare Ichwierigkeiten. nicht nur mit der
Rantphilologie. fondern mit fich felbft. Denn die erkenntnis-
theoretifche Umdeutung des bei Rant metaphgfifch gemeinten
verhältniffes von phänomenalem und noumenalem Reich
nimmt der Formwelt die ihr zugedachte Miffion. der empirifchen
Lvelt Rückhalt und Iinn zu verleihen. Durch „Erkenntniskritik"
aus dem Monismus des Lebens herausgelöfte abftr akte
F or m e n können weder Richtmaß noch Rückgrat fein. Die
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Dernunftideen find bei Rant auch keine reinen Formen. fondern
pofitive Inhalte. wenn Itammler fein formales „foziales Ideal"
mit dem polarftern vergleicht*f zu dem der Ichiffer auffchaut.
nicht um dort zu landen. fondern um fein Fahrzeug danach zu
fteuern. fo hat Rümelin ihm mit Recht erwidert. daß der
polarftern fowenig wie der Rompaß jemals einem den weg
gewiefen. der nicht wußte. wohin er wollte. Und man kann
hinzufügen. daß der polarftern auch kein bloß formaler Begriff.
keine bloß erkenntnistheoretifch abftrahierte Methode des Rich-
. tungf u ch ens. fondern ein an beftimmtem Ort feft lokali-
fierter Richtungs p u n kt ift. Aber der Reukantianismus will
ja gerade diefe formale Rationalität. um die empirifche
wirklichkeit nicht durch metaphgfifche Hgpoftafierungen zu ver-
gewaltigen. Auch das ift ein wefentlicher Beftandteil feiner
Lehre. Damit hat er natürlich recht. aber er kann ihr damit auch
keinen tranfzendenten Rückhalt geben: die rationale Formenwelt
fchwebt fo ,erkenntnistheoretifch abftrakt. fo losgelöft als reiner
Geltungswert über der inhaltlichen wirklichkeit. daß keine
Beziehung mehr zwifchen beiden Iphären denkbar. gefchweige
denn philofophifch anfchaubar ift. Die fcholaftifche Auffaffung
der abfoluten werte als metaphgfifcher Iubftanzen mit meta-
phgfifchen Zwifchenftufen wird vom Reukantianismus abge-
lehnt; aber er feßt nichts pofitiv Greifbares an deren Itelle.
Die Erkenntnistheorie und Methodologie kann den Erfaß nicht
bieten: die unklare Charakterifierung des verhältniffes durch
das von Form und Inhalt läßt das entfcheidende problem.
eben des verhältniffes von Form und Itoff. ungelöft. Man ,
kann die fcholaftifche Metaphgfik ablehnen. kann fie aber nur
durch eine andere Metaphgfik. nie durch formale erkenntnis-
theoretifche Abftraktionen erfeßen.
Der Reukantianismus kann zeigen. daß im Erkenntnis-
akt kategoriale verbindungen und Verknüpfungen. Ignthefen
des Mannigfaltigen zur Einheit vorgenommen werden. daß
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das Erkennen Formelemente enthält. die die „Gegenftände
der Erkenntnis" erft fchaffen; er kann diefe Formen als ein
Iollen. als Rormen auffaffen. die das erkennende Iubjekt
anerkennt und die es im Erkenntnisakt befolgt; er kann felbft
das „Gegebenfein". das „Etwas". das „Diesfein" als Formen
anfehen. ohne die wir einen Romplex von Empfindungs-
inhalten nicht als „gegeben". als „etwas". als gerade „dies"
erfaffen können. Aber felbft wenn es möglich wäre. ein Igftem
folcher reinen Zormen und Rormen aufzuftellen. fo wäre damit
nur ein Igftem von abftrakten Iollungen ge-
geben. wie etwa: verknüpfte Empfindungsinhalte zu Dingen!
feize Relationen zwifchen Empfindungsinhalten! fieh Empfin-
dungsinhalte als ein Gegebenes. als ein individuelles „Dies"
an! Aber niemals kann mit alledem etwas darüber gefagt
fein. wann wir diefem. wann jenem Iollen gehorchen follen.
wann dies. wann jenes richtig ift. ob im einzelnen Er-
kenntnisakte eine Befolgung der Iollensnormen wahrheits-
wert hat. ob wir damit die wirklichkeit erkennen. Es ift eine
„abftrakte" Form „erkenntnistheoretifch" aus dem pfgcljo-
logifchen Erkenntnisakte „begrifflich" herausgelöft. aber keine
dem Erkenntnisakte gegenüberftehende Rorm gegenftändlich
oder als Beurteilungsmaßftab für die Richtigkeit gegenüber-
geftellt. Alle diefe Zormen und Rormen find leer. und es
führt keine Brücke von ihnen nach unten zum Iein. Und es
führt vor allem auch keine Brücke nach oben zum abfoluten
wahrheitswert: die Rorm „erkenne die wahrheit" ift durch*
nichts mit der Rorm „verknüpfe zu Dingen". „feße Relationen".
„erfaffe als Individuelles" verbunden und verbindbar. Die
wirklichkeit foll als eine (vr d nu n g erkannt werden. dazu
find gewiß (vrdnungsformen „begrifflich" „vorauszufeßen"; aber
felbft wenn - was durchaus nicht ausgemacht und vielleicht
nicht einmal ein Ideal ift - ein „gefchloffenes Igftem" diefer
Ordnungsformen auffindbar wäre. fo bliebe dies Formenfgftem
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eben ein a b ft r a k t e s Zormen f x] ft e m und keine materielle
Or d n u n g von Erkenntnis i n h a lt e n. Zum Igftem könnte
die Gefamtheit der lvrdnungsformen auch nur werden unter der
Herrfchaft eines abftrakten Einheitsgefichtspunktes. welcher
follte das fein? Der abfolute wahrheitswert foll ja felber rein
formal fein. und es ift nirgends auch nur der verfuch gemacht.
diefen wert inhaltlich im Gegenfaß zu anderen werten zu be-
ftimmen. weil damit ja fchon der rein formale Charakter diefes
philofophierens verlaffen wäre. Als eine Begriffsbeftimmung
kann jedenfalls die Tautologie nicht angefehen werden. daß
er die „Allgemeingültigkeit" bedeutet. die „bei allen normal
denkenden Menfchen ftattfindet". Dargetan ift von dem Reukan-
tianismus wirklich nur das „tranfzendente Minimum" Rickerts.
eben daß es ein „Iollen überhaupt" gibt: einen abfoluten
wahrheitswert und* kategoriale Zormen der Ignthefis. ver-
knüpfungsformen. Mehr ka n n er auch gar nicht ausfagen.
wenn er feine eigenen vrämiffen .nicht aufheben will. Iogar
der einfache Iaß „etwas ift" ift für ihn unbegreiflich; er kennt
eigentlich nur die formale Rategorie des „Etwas". die
Etwashaftigkeit"x als folche; die verbindung von einem wirk-
lichen mit diefer Etwashaftigkeit. die Ießung eines b e ft i m m-
te n Etwas als Etwas ift für ihn ebenfowenig verftehbar. wie
daß die Ießung von Etwashaftigkeiten überhaupt und die
Ießung von beftimmten Etwaffen gerade w a h r h e i t s w e rt
hat. Der formale Apriorismus läßt uns daher führerlos auf
dem Meere der wirklichkeit umhertreiben 1.
Io muß fich beim Reukantianismus das verhängnis
jedes formalen Rationalismus erweifen. daß er nur durch
Anleihen bei der Empirie. durch Erfchleichungen von Inhalten.
alfo durch unbewußte Hgpoftafierungen von empirifchen Ge-
gebenheiten zu metaphgfifchen Realitäten oder durch pfgcho- '
l vgl. mein Das wefen des völkerrechts und die 6131181113.
febus sic: stautibus I. 149.
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logifche und foziologifche Iubftruktionen feiner reinen Zormen
zu Ergebniffen kommen kann. Ohne folche Anleihen bliebe er
nichts als eine leere pathetik der abfoluten werte. die nicht
von der Itelle kommen kann. -
I t a m m l e r s „reine" Begriffe find - das hat Binder
zutreffend dargetan - durch generalifierende Abftraktion aus
empirifchen Rechtstatfachen gebildet. fie find oberfte Gattungs-
begriffe. empirifche Allgemeinbegriffe. keine apriorifchen Rate-
gorialbegriffe im Iinne Wants. Er erfüllt diefe empirifchen
Allgemeinbegriffe nur mit dem pathos der Unbedingtheit.
er verleiht ihnen die würde der Rategorien. ja der vernünft-
ideen. und er neigt fogar bedenklich dazu. fie zu metaphgfifchen
potenzen zu hgpoftafieren. die den Fortfcljritt in der Gefchichte
garantieren. ganz im Iinne des Jortfchrittsoptimismus der
rationaliftifchen Gefchichtsmetaphgfik. Auch darauf hat bereits
Binder hingewiefen. Und nur durch diefe Erfchleichungen
marfchiert der Itammlerfche abftrakte Rationalismus. Rur
dadurch können auch die aus dem reinen Rechtsbegriff abge-
leiteten „Grundfäße des richtigen Rechts" unmittelbar auf die
Lebenstatbeftände angewandt werden: unter echte Rategorien
kann man nicht wie unter empirifche Allgemeinbegriffe einfach
Iubfumtionen vornehmen; weil aber Itammlers reine Rechts-
begriffe nur empirifche Allgemeinbegriffe find. kann er fie un-
mittelbar an die Tatbeftiinde des Lebens heranbringen ganz ebenfo
wie die empirifchen Begriffe der „technifchen" Rechtsfäße. Iollen
doch die „Grundfäße des richtigen Rechts überall da als Oberfäße
für die juriftifchen Iubfumtionen herangezogen werden. wo die
technifchen Rechtsfijße Lücken enthalten. oder wo fie felbft in
wechfelnden Formulierungen auf die reine Rechtsidee verweifen.
Zur vermittlung zwifchen dem konkreten Itoff und den ab-
ftrakten Grundfäßen fchiebt Itammler den Begriff der „Ionder-
gemeinfchaft" ein. nur als „gedankliches Hilfsmittel". als
formales „Ichematt; aber auch diefer rein abftrakte rationale
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Apparat kann nur dadurch helfen. daß er Anleihen bei dem
pofitiven empirifchen Rechte macht (Erbfolge. pflichtteilsreckjt.
Ausgleichspflichten ufw.). worauf ich bereits hingewiefen
habe 1,
Einerfeits foll nach Itammler „die Iondergemeinfchaft"
nicht „eine Einrichtung auf Grund beftimmter Rechtsordnung"
fein. fondern nur „ein gedankliches Hilfsmittel. welches einen
konkreten Itoff den abftrakten Grundfiißen des richtigen Rechts
zuführen foll". Anderfeits aber führt er aus. daß man fich. um
die Iondergemeinfchaften „zutreffend aufzuftellen". jedes In-
dividuum mit „konzentrifchen Rreifen" umgeben vorftellen
muß; und „die Feftftellung diefer konzentrifchen Rreife gibt
d a s g e f ch i ch t li ch e »R e ch t", Das ift eine Rapitulierung
vor dem pofitivismus. .Und was für eine. wenn wir auf die
Regelung der Erbfolge. des vflichtteilsrechts. der Ausgleichs-
pflichten ufw. verwiefen werden! Die e n t f ch e i d e n d e
Frage für die Löfung von R e ch t s problemen liegt aber ge-
rade in der Beurteilung folcher „Iondergemeinfchaften": wie
fteht der Forderungsberechtigte zum Leiftungsverpflichteten bei
langfriftigen Lieferungsverträgen. wenn Rrieg oder Revolution
nicht-vorherfehbare preisfteigerungen verurfacht haben? wie
der »Bogkottierte zu den Bogkottierenden? was hat der prin-
zipal von feinen Angeftellten hinzunehmen. was diefe von
jenem? was muß die Ehefrauvon ihrem Ehemann hinnehmen.
was er von ihr? Itammler felbft hatte das richtige Gefühl.
daß aus den abftrakten und formalen. überall gleichen Grund-
fäßen des richtigen Rechts eine Entfcheidung nicht gewonnen
werden kann. Darum fchiebt er die „Iondergemeinfchaft" da-
zwifchen. Da er diefe aber wieder - feinem formalen Ratio-
nalismus entfprechend - als bloßes „Ichema". als „verblaßten
Ichatten". ftatt in irgendeiner konkreten Lebendigkeit. faßt.
bietet er Iteine ftatt Brot. Iene fchematifchen konzentri-
1 vgl. Clausulo. I. 207/8,
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fchen Lireife können natürlich niemals das leiften. was fie leiften
fallen: ein r e ch t li ch e s verftändnis für die feinen Differen-
ziertheiten und Mannigfaltigkeiten der G e m e i n f ch a f t s-
verhältniffe. die das bunte Leb en der Gefellfchaft
hervortreibt. Hätte er den Gedanken der Iondergemeinfchaften
in zutreffender Richtung weiter verfolgt. dann hätte er freilich
erkennen müffen. daß in ihnen ein zweites. a u ch „normatives"
problem neben dem der überall identifchen abftrakten Grund- *
fäße fteckt. das zum mind eft en ebenfo wichtig ift. wie
das in jenen rationalen Grundfäßen liegende. Da er aber das
Rormative echt rationaliftifch nur in abftrakten Allgemeinheiten
erkennen kann. fo mußte er jene Iondergemeinfchaften nicht zu
bedeutfam erfcheinen laffen. Darum läßt er fie in der Iphäre
des „bloß" Inhaltlichen. im bloß „gefchichtlicljen Recht". Io
rettet er zwar die alleinige normative Geltung der formalen
Grundfäße. macht aber die eigentliche Entfcheidung aller
Rechtsfragen von dem bloß pofitiven des gefchichtlicljen Rechts *
abhängig. ohne freilich irgendwie begreiflich zu machen. wie dies
die der Iondergemeinfchaft zugedachte Funktion erfüllen kann.
vor allem aber ift auch bei Itammler das Form-Inhalt-
verhältnis ein unklares und wechfelndes. Denn parallel zu der
Tendenz. e m p i r i f ch e n Allgemeinbegriffen eine p h i l o-
fo p h i f ch e Dignität zu verleihen. geht die. das verhältnis
der geftaltenden inh a ltlich e n R o r m zu dem zu geftal-
tenden Itoff in den bloß abftrakt-begrifflichen Gegenfaßvon
a b ft r a k t e r . am Itoffe bloß „haftender" und nur begrifflich
ablösbarer F o r m und ftofflichem „Iubftrat" umzudeuten.
wenn Itammler das Recht als die den Itoff des fozialen Lebens
„bedingende und beftimmende Form" charakterifiert. fo bemüht
er fich. in diefen Ausdrücken und in den näheren Ausführungen
dazu. das verhältnis vonfozialer wirtfchaftund Recht darzulegen
, als ein verhältnis der abftrakten ka t e g o ri ale n F o r m
zu dem Itoff der Empfindungsinhalte: wirtfchaft und Recht find
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in der Realität miteinander ebenfo verbunden. wie die Ding-
haftigkeit mit dem Ding. fie follen aus dem „Monismus des
fozialen Lebens" nur als durch eine begrifflich-erkenntnistheore-
tifche Abftraktion voneinander lösbar angefehen werden. die
Rechtsform ebenfo am fozialen Itoffx-haften". ebenfo in ihm
„ftecken" wie die Dinghaftigkeit am und im Ding. die Gegeben-
heit am und im Gegebenen. Es wird die analgtifche Zorm mit
der wirklich geftaltenden Rorm verwechfelt. Durch diefe fehler-
hafte Gleichfeßung von abftraktem Formgehalt und inhaltlich
normierender. den Itoff inhaltlich geftalten-follender Rorm wird
nun aber fowohl das Recht wie die wirtfchaft denaturiert. Die
„ökonomifchen phänomene" werden zu bloßen „Maffenerfchei-
nungen". die eine eigene „Form" nicht haben; fie entfprechen
dem. was Rant in feiner Lehre von.den Rategorien als das noch
nicht von den kategorialen Ignthefen erfaßte und bearbeitete
„Materiale der Empfindungen" bezeichnet, Und doch haben
die foziologifchen phänomene eine von der rechtlichen Ror-
mierung unabhängige Gegenftändlichkeit. die das „Materiale
der Empfindungen" gegenüber dem abftrakten Formgehalt der:
Rategorien nicht hat. Und zwar dies fchon allein darum. weil
es foziologifche phänomene gibt. die bald einer beftimmten
Rechtsordnung, bald dem richtigen Recht widerfprechen.. wäh-
rend es natürlich den Rategorien widerfprechende Empfin-
dungsinhalte nicht geben kann. Die analgtifche. abftraktiv
gewonnene Form ift im Monismus des Lebens fozufagen
am Itoffe feftgewachfen und nur unter erkenntnistheoretifchen
Gefichtspunkten von ihm ablösbar und als „begrifflich früher“
verftehbar. Die geftalten- und umgeftalten-wollende. beftimmte
Inhalte fordernde. heifchende Rorm ift dagegen nicht am fozio-
logifchen Itoffe feftgewachfen: denn fonft gäbe es kein Unrecht.
Iozialer Itoff und rechtliche Rorm bewegen fich frei gegenein-
ander: fie follen fich gewiß decken. aber fie tun es nicht immer.
Das verhältnis von wert und wirklichkeit ift nicht dasfelbe wie
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das von abftraktem Formgehalt und geformtem Itoff. Io
wird durch diefe bei.Itammler durchgehende Herabdrückung
der llorm zur Rategorie auch das wefen des Rechts verdunkelt.
wir haben bereits gefehen und werden noch weiter beob-
achten müffen. wie in der füdweftdeutfchen Ichule die umgekehrte
Tendenz waltet. die analgtifclje Form zur geftaltenden Rorm
heraufzufchrauben. Es verfteht fich von felbft. daß Itammler
diefen bloß kategorialen Rechtsbegriff nicht konfequent durch-
führt. Aber die Riffe und Lücken in feinem Igftem werden
verdeckt durch die Annäherung der abftrakten Allgemeinbegriffe
von unten her. und die der wertbegriffe von oben her an die kate-
goriale Iphäre. indem eben feine „reinen Begriffe" nach beiden
Ieiten fchillern: fie follen bald wie empirifche Allgemeinbegriffe
zu Iubfumtionsfchlüffen geeignet. bald wie wertbegriffeÄals
Richtmaß verwertbar fein. Da diefe;wertbegriffe nun aber fo-
wohl von den empirifchen Allgemeinbegriffen wie von den kate-
gorialen Formen die Inhaltsleere -übernommenLhaben. können
fie die ihnen überwiefene Aufgabe. ein Richtpunkt und Maßftab
zu fein. nicht erfüllen. Zwifchen fie und das zu beurteilende
Objekt muß immer noch etwas irgendwie Inhaltlicljes einge-
fchoben werden. bald die aus ganz empirifchen Beftandteilen
aufgebaute „Iondergemeinfchaft". bald der Begriff des „rechten
Mittels zum rechten Zweck" 1; und diefe Zwecke find natürlich
nur „empirifch bedingte". Es kann aber durch nichts gezeigt
werden. welche begrifflichen Beziehungen zwifchen dem „fozialen
Jdeal" und diefen einzelnen Zwecken obwalten. „Das foziale
Ideal fchwebt in folcher Reinheit und Unbedingtheit über allem
Empirifchen. daß es ewig unbegreiflich bleiben muß. wie das wirk-
liche Recht auch nur den Anfpruch ,Recht“. ein ,verfuch richtiges
Recht zu fein* erheben kann" i. Auch der Itammlerfche Ratio-
nalismus kann ohne Anleihen bei den empirifchen „bedingten
Zwecken" und der „Iondergemeinfchaft". ohne irgendeine mehr
l vgl. Clausula I. 208/9.
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oder weniger verfteckte „Ronkretifierung" nicht auskommen,
Aus ihnen werden feine Entfcheidungen im Grunde hergeleitet:
„das nicht entfcheidende Abftrakt-Allgemeine und Formale ift
allein wirklich gefehen und herausgearbeitet". während jene
Momente überfehen find und fo ein vom normativen un-
berührtes Dafein führen. ja tatfäcljlich alles überwuchern.
„Einen wirklichen Damm gegen den pofitivismus kann der
abftrakte Rationalismus nicht errichten: er kann ihn an den
oberften Itellen ausmerzen. aber nur. um ihn in den unteren
Regionen um fo ungehinderter wuchern zu laffen" 1. wie bei
Rickert ift nur das „tranfzendente Minimum" feftgelegt. im
übrigen aber dem pofitivismus das Feld überlaffen.
wo Itammler über dies „tranfzendente Minimum" hinaus
zu pofitiven Ergebniffen ftrebt. gefchieht dies durch feinen immer
wiederkehrenden. aber in fich unmöglichen verfuch aus dem
bloß Formalen doch beftimmte Inhalte herauszulocken. Ieine
„Grundfäße des richtigen Rechts" follen rein formal fein;-
daraus folgt. daß fie auch völlig inhaltsleer fein müffen. Das
find fie dennauch in der Eat: denn fie find durchaus tautologifch.
- Der einzelne foll nicht gezwungen werden. „feinen wohl-
berechtigten Intereffen zu entfagen", was ift aber „wohl-
berechtigt"? In einem Grundfaß des Rechts darf doch nicht
wieder der Begriff des Rechts figurieren! - „Es darf nicht der
Inhalt eines willens der willkür eines anderen anheimfallen."
„willkür" find „die bedingten fubjektiven Zwecke des andern";
wie *das wort „Recht" darf natürlich auch das wort „willkür"
nicht in einem Grundfaß. des Rechts ftehen; denn es bedeutet
nichts als einen Gegenfaß zu „Recht". „bedingt fubjektive Zwecke"
find nichts als nicht-objektive Zwecke; was aber objektive
Zwecke find. das ift gerade die Frage; und fie kann *niemals
von einem formalen Rechtsbegriff aus beantwortet werden. »-
Der verpflichtete muß „fich noch der Rächfte fein" können,
l 6131181113 Z. 210.
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Diefer Iaß hebt. wörtlich genommen. jede verpflichtung auf.
die dem verpflichteten unbequem ift oder Opfer zumutet;
Iinn bekommt er nur. wenn man ein „berechtigterweife" oder
Aehnliches hinzudenkt, - Alle diefe tautologifchen Grundfäße
können niemals das leiften. was fie leiften follen. weil fie immer
wieder als bekannt vorausfeßen. worauf fie eine Antwort geben
wollen: was „berechtigt" und nicht „willkürlich". was „objektiv"
und nicht bloß „fubjektiv" ift i. Diefelbe tautologifche Art be-
gegnet uns wieder bei der Deduktion des „fozialen Ideals".
„Das unbedingte Gefeß für den Menfchen ift . . . der gute
wille; das ift die Richtung und Beftimmung empirifcher
Zwecke. die als allgemeingültig auftreten kann. abftrahierend
von den fubjektiven egoiftifchen Trieben." Mit dem „guten
willen" kann aber kein kiriterium für die inhaltlich e.
Richtigkeit einer Ordnung gegeben fein i. bei der es darauf an-
kommt. zu fixieren. w ann ein wille gut. dji. „frei" von
fubjektiven egoiftifchen Trieben ift. und w o d u r ch *fich
diefe inhaltlich vonobjektiv b erechtigten unter-
fcheiden. Und fodann kann mit dem „guten willen" kein
Liriterium für eine fo z i a l e Ordnung gegeben fein. weil es
bei diefer ja gerade .darauf ankommt. eine objektiv richtige
Ordnung von -dem guten willen der Individuen u n a b-
hän g i g zu ftellen. Die Frage. w as objektiv berechtigte.
auch nicht-gutwilligen Individuen zumutbare Z w e ck e find.
läßt fich niemals aus dem f o r m a l e n Begriff der Gerechtig-
keit oder gar dem des „guten willens" herausklauben. fondern
nur aus einer inhaltlichen Ordnung und wertung k o n k r e t e r
Z w e ck e. Rach formalen tautologifchen Grundfäßen ift auch
das foziale „Zufammenwirken" in einer Räuberbande. in einem
Bordell. im Iklavenverhältnis. in einer soojetas leonjno ge-
regelt. Die Allgemeingültigkeit und allgemeine Zumutbarkeit
_Wausuw Z. 150/1.
7 vgl. hiezu unten I. 55 f.. 56 f.
Erich Aaufmann. Aritik. * 2
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einer Rechtsordnung muß neben aller a b ft r a kt e n „Rich-
tigkeit" auf der Allgemeingültigkeit und allgemeinen Zumutbar-
keit des ko n k r e t e n Gemeinzwecks beruhen. dem fie dienen
foll. Und ein folcher konkreter Gemeinzweck ift niemals ein
formaler. inhaltsleerer. fondern ein lebendiger und inhaltlicher.
nur von beftimmten inhaltlichen weltanfchauungen und wert-
haltungen aus beftimmbarer.
Itammlers „foziales Ideal". die „Gemeinfchaft frei
wollender wefen" als „die Idee einer Menfchengemeinfchaft.
in der ein jeder die objektiv berechtigten Zwecke zu den feinigen
macht". ift daher denn auch zwar fehr pathetifch. aber völlig
negativ. Denn „frei" foll heißen „fubjektiv u nbedingt. un-
perfönliclj". Die pofitive Frage aber muß lauten: wie o b-
jektiv? Durch welche pofitiven Rriterien inhalt-
lich beftimmt? Itammler will eine „Regelung des vereinten
Dafeins und Zufammenwirkens. der jeder Rechtsunterworfene
zuftimmenmußfobalder frei von bloß fubjektivem
B e g e h r e n fich entfchiede", Gewiß! Das ift aber eine
bloße Tautologie. und keine pofitive Antwort auf die
eigentlich geftellte Frage. w a s bloß fubjektive. und was im
Gegenfaß dazu o b j e k t i v e Begehren find 1.
. Ichon als „moralifches" Ideal ift daher Itammlers „foziales
Ideal" nicht brauchbar. weil es rein formal und damit bloß
negativ ift. Rur als religiöfes Ideal. als „Gemeinfchaft der
Heiligen" hat es einen Iinn. weil dann der religiöfe Glaube
einer endlichen vereinigung aller Iittlichen in Gott diefem
Ziele den notwendigen I n h a lt durch eine ko n k r et e
Gottesvorftellung zu geben vermag?, Der Begriff
„Gemeinfchaft frei wollender Menfchen" ift nach dem
Mufter des Rantifchen „intuitiven verftandes" geformt. indem
beide Begriffsbildungen den Gedanken einer „vollendeten
1 vgl. 6181181113 I. 149/150.
' vgl. 6131131113 I. 148. 150.
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Ausgeglichenheit" zwifchen niemals Ausgleichbarem formulieren
wollen: im Theoretifchen zwifchen „diskurfivem Denken" und
„intuitivem Anfchauen". im „praktifchen" zwifchen den End-
zwecken der »Gefamtheit und dem fittlichen wollen der die
Gefamtheit bildenden perfänlichkeiten. Lask hat auf eine ähn-
liche Analogie einmal hingewiefen; aber er hatte zugleich mit
Recht hinzugefügt. daß bei Rant der Begriff des „intuitiven
verftandes" eine „ Ziktion" ift. die gerade dazu dienen follte.
die uns allein befchiedene Art der Bewältigung
des theoretifchen Zieles mit mäglichfter Ichärfe durch die For-
mulierung des uns ftets verfchloffenen hervor-
treten zu laffen. wie unkantifch Itammlers „foziales Ideal"
ift. kann man am beften daraus erfehen. daß es Want niemals
eingefallen wäre. den „intuitiven verftand" zum I d e al d e r
menfchlichen Erkenntnis zu erheben: er hat genau
das Gegenteil getan. In der „Gemeinfchaft frei wollender
wefen" ift das für das foziale Leben der Menfchen ebenfo
charakteriftifche wie notwendig mit ihm verbundene Ipannungs-
verhältnis entfpannt; darum kann fie diefem ebenfowenig als
Ideal hingeftellt werden wie der „intuitive verftand" dem
menfcljlictjen Erkennen. das unabänderlich in das zwifchen be-
grifflichem Denken und intuitivem Anfchauen beftehende
Ipannungsverhältnis gebannt ift. Liant hätte die Erhebung
der Ziktion des intuitiven verftandes zum menfchlichen Er-
kenntnisideal mit beißender Ironie gegeißelt.
. wenn man fich die Architektonik der drei kantifchen Ari-
tiken und innerhalb der Rritik der reinen vernunft den Aufbau
auf tranfzendentaler Aefthetik. Analgtik und Dialektik vergegen-
wärtigt und dann die einzelnen Elemente diefes Gebäudes in
dem Itammlerfchen Igftem wieder auffucht. wird man er-
fchrecken über die völlige Zerftärung der großartigen Tektonik
des kantifchen Gedankengebäudes: was hier tragender Balken
war. ift weggefallen. anderes fteht völlig in der Luft. das Ganze
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ohne Dach und ohne Fundament. Das metaphgfifche Funda-
ment des Dinges an fich fehlt. die alles überwölbende und um-
fchließende Ruppel der vernunftideen fehlt. als „Erfaß" ift das
der kantifchen Fiktion des intuitiven verftandes entfprechende
„foziale Ideal" angefügt und daher ohne die verbindung. die
bei Rank zwifchen den vernunftideen und dem Ding an fich
befteht. An der Itelle des „Materiale der Empfindungen"
aus der „Aefthetik" ftehen in unhaltbarer weife die ökonomifchen
phänomene als ungeformte Maffenerfcheinungen. Die „Grund-
fäße der reinen Raturwiffenfchaft" find durch formale und
tautologifche „Grundfäße des richtigen Rechts" erfeßt; der
„Ichematismus der reinen verftandesbegriffe" ift zu dem
„Ichema" der „Iondergemeinfcljaft" verzerrt. Das Recht ift
aus der Iphäre praktifcher vernunftideen in die formaler
Rategorien geraten; empirifche Allgemeinbegriffe. die Rant
*ftets von den Rategorien fcharf gefchieden hatte. find in die
Iphäre der Rategorien erhoben. Die „teleologifche" Betrach-
tung. der Rant nur eine beftimmte heuriftifä)e und
r e g u l a t i v e Funktion in der Rritik der Urteilskraft zuge-
wiefen hatte. ift in die Moralphilofophie verfchlagen. wo fie
eine konftituierende Bedeutung erlangt hat. Es
find allerlei (ijsjeota 1116111613 des kantifchen Bauwerks aus
ihren tektonifchen Zufammenhängen herausgeriffen. befchnitten. .
behauen und transformiert. und dann ift aus ihnen ein ganz
neues Gebäude errichtet worden. das nicht auf feften Funda-
menten ruht. fondern in den luftleeren Raum hineingebaut ift.
Auch der radikalfte verfuch auf neukantifcher Grundlage
den reinen Rechtsformalismus durchzuführen. die Arbeiten
von R e l f e n beftätigen. daß der reine Rationalismus. wenn
er einigermaßen konfequent bleibt. zu gar keinen Ergebniffen
kommen kann. und daß. wo er folche liefert. fie erfchlichen find.
während Itammler die empirifche Rechtswiffenfchaft als bloß
z technifche Rechtslehre beifeite ftellt. will Relfen gerade die
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empirifche Rechtswiffenfchaft von allem Empirifchen reinigen
und zum Range einer „reinen" „normlogifchen" wiffenfchaft
erheben. Das ift ihm möglich dadurch. daß auch fein „reiner"
Rechtsbegriff wie der Itammlers nur ein empirifcher All-
gemeinbegriff. der abftraktefte und darum inhaltleerfte All-
gemeinbegriff ift. Mit apriorifchen Aategorien kann man in
der Tat nicht empirifche Begriffe „reinigen". wohl aber da-
durch. daß man in einem abftraktiven verfahren aus den
empirifchen Begriffen alle ftofflichen Elemente langfam aus-
fcheidet. bis man zu einem inhaltleerften Allgemeinbegriff
kommt. diefen zum „Urfprungsbegriff" macht und aus ihm
durch „logifche Erzeugung" die anderen Begriffe „deduziert".
Lielfen felbft bezeichnet feinen Begriff des reinen Iollens als
„Oberbegriff des Rechts". der „keinerlei materielle Bedeutung
hat". als „einen rein formalen Begriff". wenn nun. wie
lielfen behauptet. die Rechtswiffenfchaft „reine" Rormwiffen-
fchaft ift. die ihrem wefen nach alles auf diefen Begriff des-
reinen Iollens. auf deffen „einfache und reine Relationen"
zurückführen muß. fo verfteht es fich von felbft. daß er an den
Begriffen der empirifchen Rechtswiffenfchaft. die die welt
bis auf Iielfen allein getrieben hat. allerlei ftoffliche Elemente
findet. die auszufcheiden find. und daß alle Begriffe und Unter-
. fcheidungen. die die vorkelfenfche. die von Iander fog. „alte
Itaatsrechtslehre" gemacht hat. falfch find und in der nach-
kelfenfchen „neuen Itaatsrechtslehre" verfchwinden müffen.
wenn man die wirklichkeit unter einem beftimmten abftrakten
Gefichtspunkt betrachtet und von allem anderen als „unwefent-
lich" abfieht. dann fpringt eben immer wieder nur diefer ab-
ftrakte Gefichtspunkt heraus. Das ift ja fo felbftverftändlich.
daß man die dicken Bücher von Relfen. die an zahllofen Bei-
fpielen immer wieder dasfelbe vermeintliche Runftftück vor-
machen. eigentlich gar nicht zu lefen braucht. Das weiß jeder.
der weiß. was abftraktives verfahren ift. wenn das wefen
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der Rechtswiffenfchaft in der Herausholung der reinen Rela-
tionen des formalen Iollens aus dem empirifchen Itoff be-
fteht. dann gibt es „juriftifch" keinen Unterfchied von privat-.
Itaats- und völkerrecht. dann gibt es keinen „juriftifchen"
Gegenfaß von Itaatenbund und Bundesftaat. zwifchen Organ
und Itellvertreter. keinen „juriftifchen" Iouveränitätsbegriff.
fondern dann gibt es „juriftifch" eben nur die reinen Relationen
des formalen Iollens, Das ift die Erivialität. die große Tauto-
logie. über die Relfen als „reiner Rechtstheoretiker" nicht
hinauskommt 1,
wenn er fchließlich doch zu einem beftimmten pofitiven
Ergebnis gelangt. fo ift das natürlich erfchlichen: fonft könnte
fein abftrakter formaler Rationalismus ja niemals aus dem
gefchilderten Zirkel herauskommen. Er projiziert das reine
und formale Iollen auf eine empirifche Organifation. auf
die cjnjtas maxjmu der „weltrechtsgemeinfchaft" und gibt ihm
damit einen beftimmten „politifchen"„ foziologifchen" Inhalt.
Der eigentliche Itandpunkt von Relfen war der. daß es fich
bei dem Begriff des Iollens nur um einen rein fo r m a l e n
Begriff handelt. durch den allein der „r e l a t i v e wert des
pofitiven Rechts als folcher. in feinem fpezififchen Gegenfaß zur
wirklich k eit des fozialen Lebens" erfaßt werden kann.
„o h n e zugleich zur Bedeutung eines abfoluten I d e a ls auf-
zufteigen". Danach hätte dies reine Iollen nur eine erkenntnis-
theoretifche Funktion gehabt. die von jeder foziologifchen
Iubftruktion unabhängig ift. ja ihrem wefen nach bleiben muß.
Der rationale Allgemeinbegriff des formalen Iollens. der
natürlich gar keine räumliche Beziehung hat. wird nun aber
durch Erfchleichungen zuerft in den Begriff einer r ä u ml i ch e n
Allgemeingültigkeit. der Allgemeingültigkeit für die gefamte
welt umgedeutet. und diefe räumliche*Allgemeingültigkeit. die
l Ueber den troß diefes Urteils beftehenden wert der Relfenfchen
Rritik an den herrfchenden Itaatsrechtsbegriffen f. u. I. 79 f.
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zunächft noch eine abftrakteift. fodann in die ko nkr et e To t a-
li t ä t der weltallgemeinheit verwandelt oder zum mindeften auf
die foziologifche „Realität" einer weltorganifation proji-
ziert. Das reine Iollen als folches aber hat natürlich weder eine
räumliche. noch eine foziologifch-organifatorifche Beziehung: in
feinem Begriff liegt nichts als eben ein abftraktes Iollen. womit
gar nichts darüber ausgefagt wird. ob dies Iollen in größeren oder
kleineren Lireifen „gilt". und in welchen foziologifchen Organi-
fationen es „verwirklicht" wird - das waren ja gerade aus der
„reinen Rechtstheorie" zu verweifende. nur der „foziologifch-
kaufalwiffenfchaftlichen" Betrachtung unterliegende pfgcho- ,“x
logifche und politifche Gegenftände. Ießt aber fagt Relfen.:
„daß das fo z i a l e Bewußtfein in feiner E n t w i cklu n g
vom Individuellen zu immer weiteren Rreifen noch nicht die
Ichranken der [lation und des national oder fonft be-
grenzten Itaates g efpr en gt. noch nicht zu einem Menfchen-
bewußtfein fich ausgeweitet hat". Die gefperrten
worte haben natürlich keine rein „normlogifche". fondern
„kaufalwiffenfchaftliche" Bedeutung. wie der ganze Iaß nicht
„normlogifch". fondern „kaufalwiffenfcljaftlich" gedacht ift. und
zwar „kaufalwiffenfchaftlich" falfch: denn die „kaufale" Ge-
fchichte im leßten halben Iahrtaufend ift tatfächlich den umge-
kehrten weg von der einheitlichen „Thriftenheit" zu den impe-
rialiftifchen Machtftaaten gegangen. - ob man dies in einer
„politifchen" wertbetrachtung nun als wertvoll oder als ver-
irrung anfehen mag. Mit normlogifcher Reinheit hat es auch
nichts mehr zu tun. wenn Relfen fchon „unzweifelhaft" „ftarke
Rr Lifte" nach der Richtung der ojujtas maxjmal „wir-
ke n" und die weltgefchichte darum „auf dem ficheren w e g e"
zur „radikalen v e r d r ä n g u n g" der Iouveränitätsvor-
ftellung fieht. Das alles find „kaufale“ Begriffe. freilich ohne
die Grundlage kaufalwiffenfchaftlicher Forfchung. Die „Auf-
löfung der im Denken der Iuriften erftarrten. verdinglichten
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. “uh-
~ 4.
„.24“
Rechtsgebilde. ihre Zurückführung auf die einfachen und reinen
Relationen des Rechtslebens". die Relfen uns in feiner vorrede
verfprach. ift in diefen metaphgfifchen *Ipekulationen jedenfalls
nicht mehr zu finden. Ia „die Weiterentwicklung der völker-
rechtsgemeinfchaft aus ihrem Zuftande der primitivität" foll
abzielen auf eine „ojnjtas mvxjma - a u ch im p o li t i f ch-
m a t e r i e l l e n I i n n e diefes wortes", Man traut feinen
Augen nicht: das foll die Erfüllung des in der vorrede ge-
gebenen verfprechens fein. eine „reine. insbefondere von
foziologifch-pfgchologifchen und p o litifch e n Elementen
gereinigte Rechtstheorie" zu bringen! Die (Zjxcjtos muxjrrin
foll „auch" einen politifchen Iinn haben! Hatte Relfen doch
die „Zwei-Ieiten"-Theorie des Itaates mit beißendem Hohn
abgelehnt. weil das „gegen den Fundamentalfaß aller Erkennt-
nistheorie" verftoße. „daß der Gegenftand der Erkenntnis
durch die Erkenntnisrichtung beftimmt fei. und daß zwei ver-
fchiedene Methoden zwei ebenfo v e r f ch i e d e n e G e g e n-
ftände erzeugen müßten. die mit dem gleichen Ramen .
,Itaat* zu bezeichnen nur ein irreführender Fehler fein
kann". Der leßte Iaß des Relfenfchen Buches lautet: „Als
unendliche Aufgabe aber muß folcher weltftaat als welt-
organifation allem politifchen Itreben gefeßt fein." Io fteigen
hier doch. troß des anfänglichen programms. die „rein for-
malen" Begriffe „zur Bedeutung eines abfoluten Ideals." auf!
Und es ift wieder derfelbe gefchichtsphilofophifche Hafen der ratio-
naliftifchen Fortfchrittsmetaphgfik. die die reinen „Begriffe" zu
metaphgfifchen potenzen mit empirifcher Realität und wir-
kung herauffchraubt. die wir bereits kennen. In Wants ratio-
naliftifcher Metaphgfik mit feiner Lehre vom Ding an fich.
von den Ideen der reinen vernunft. die etwas ganz anderes
find als abftraktefte empirifche Allgemeinbegriffe und als
apriorifche Rategorien. ift das alles großartig verankert; wenn
man es aus dem Munde des „Reukantianers" Relfen vernimmt.
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ift man verfucht. -mit Relfen zu fagen: „ajffjojle est satjrum
non sorjbero.“ Iander. der urfprünglich auch diefe „ethifch-
politifche" Iubftruktion des weltftaates vorgenommen hatte.
hat fie durchaus konfequent fpäter wieder zurückgenommen.
Es verlohnt aber. dem wege nachzugehen. auf dem Relfen**f
zu diefen Erfchleichungen gekommen ift. Er fieht felbft ein.
daß es der „reinen" „normlogifchen" Rechtswiffenfchaft nicht
möglich ift. die Rechtsordnung als „wir k f a nr e Ordnung"
zu erweifen. da in dem Begriff des „reinen" Iollens und
Geltens nichts von einer „wirklichen" Geltung liegt. daß das
dasfelbe wäre wie der verfuch. „fich felbft auf die Ichulter zu
fteigen" oder wie fich Münchhaufen „an dem eigenen Zopf
aus dem Iumpfe zu ziehen". Um die „Tatfaclje" zu erklären
und zu rechtfertigen. daß troßdem die Rechtswiffenfchaft und
die Rechtspraxis mit dem Begriff des reinen Iollens nicht
auskommen. fondern ein „wirkliches" Gelten verlangen. be-
darf es vielmehr einer Rorm ..ganz anderer Art". eines „poftu-
lates". das „mit dem Begriffe des Rechts
nichts zu tun" hat. Dies findet er in dem auf die
„normative Betrachtung" übertragenen „Grundfaß der Er-
kenntnisökonomie". der darin befteht. „mit möglichft einfacher
Zormel möglichft viel der tatfächlichen Gegebenheit zu er-
klären": alfo in dem poftulat. einen Ausgangspunkt zu fuchen.
durch den „möglichft viel Tatbeftände als normentfprechend"
erfaßt werden können. Diefer Grundfaß ftellt „ein wert-
ökonomifches prinzip. ein prinzip der erkenntnismäßigen Er-
zielung eineswertmaximums dar". Aus diefem prinzip folgt
natürlich die Ablehnung der vorftellung. daß es eine Fülle
von pofitiven Rechtsordnungen gibt. die Unmöglichkeit eines
„Rechtsplurismus". der an fich mit dem Begriff des „reinen".
d. h. von allen räumlichen und foziologifchen Beziehungen
losgelöften Iollens durchaus vereinbar ift. Das denk- und wert-
ökonomifche prinzip hingegen fordert. „daß die Iurisprudenz
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in demfelben Maße wiffenfchaft wird. als fie dem poftulat
der Einheit ihrer Erkenntnis genügt. als es ihr gelingt. alles
Recht als ein einheitliches Igftem zu begreifen". „ Das poftulat
der Einheit der Erkenntnis gilt unbefchränkt auch für die
normative Ebene und findet hier feinen Ausdruck in der Ein-
heit und Ausfchließlichkeit des als gültig vorausgefeßten Rormen-
fgftems." Das drängt dann zu der „juriftifchen Hgpo-
thefe" von dem „primat der völkerrechtsordnung" über
die ftaatsrechtliche Ordnung. Durch fie wird „der Rechts-
begriff zugleich im formellen und materiellen Iinne vollendet:
das Recht wird zur Organifation der Menfchheit und damit
eins mit der höchften fittlichen Idee."
Diefe Argumentationen ftüßen zwar in keiner weife die
fo z i o l o gi f ch e Iubftruktion der weltrechtsordnung in der
Organifation der Menfchheit. oder gar. wie das „Recht" zu
einer -„(l)rganifation" wird. oder wie es einen „Rechtsbegriff
im materiellen Iinne" geben kann; aber fie deduzieren die
„moniftifche Anfchauung" als von der „Einheit des Erkenntnis-
ftandpunktes" gefordert. wie Relfen fie im Iinne der Mach-
fchen Denkökonomie. der auch Iander huldigt. verfteht. Daß
der „Reukantianer" Relfen mit dieferxMachfchen Theorie von
dem Erkennen der welt nach dem ökonomifchen Grundfaß der
geringften Rraftanftrengung - und auf diefer Theorie ruht
fein ganzes Gebäude - von Rant weltenweit abrückt. entbehrt
nicht der pikanterie. Es verfteht fich demgegenüber von felbft.
daß das „ökonomifchfte" Denken nicht das „richtigfte" zu fein
braucht; die Rompliziertheiten und Differenziertheiten der
wirklichkeit. die Ipannungen und Antinomien des Lebens.
die doch auch real find. können nach dem prinzip der denk-
ökonomifchen v e r e i n f a ch u n g nie begriffen werden. Daß
bei „Rechtspluralismus" Antinomien zwifchen den verfchiedenen
Rechtsordnungen beftehen. ift klar. ebenfo. daß fie durch einen
weltrechtsmonismus theoretifch befeitigt werden könnten.
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was fich aber fragt. ift: erftens ob fie befeitigt werden-i
fo l l e n 7 -zweitens ob fie befeitigt werden k ö n n e n. und
für welchen preis. für welche Opfer diefe Befeitigung zu haben
ift; - drittens ob es Aufgabe der pofitiven Rechtswiffenfchaft
ift. die rechtlichen phänomene bereits heute. wo diefe Anti-
nomien nun einmal tatfächlich beftehen. foziologifch vorhanden
find (man mag dies bedauern oder nicht). fo zu konftruieren. als
beftänden fie nicht. ob eine folche Ronftruktion gegenüber der
Rechtswirklichkeit irgendwelchen Erkenntniswert hat; - vier-
tens. ob eine folche Ronftruktion irgendeinen Einfluß auf die
Umgeftaltung der Rechtswirklicljkeit im Iinne jenes (vermeint-
lichen oder wirklichen) Ideals hat. ob die D e nk ö k o n o m i e
in irgendwelchem parallelismus zu der Auswirkung der realen
foziologifch-politifchen Rräfte der hiftorifchen wirk-
lichkeit fteht. Relfen beantwortet implizite alle diefe Fragen mit
einem unbedenklichen Ia. ohne Begründung und natürlich auf der
Grundlage einer beftimmten metaphgfifchen Einftellung. Diefe
Einftellung ift ein fchrankenlofer. nicht etwa bloß erkenntnis-
theoretifcher. fondern metaphgfifcher Rationalismus. Das
gefamte Leben fo ll durch abftrakte Rechtsfäße rationalifiert
werden: das ift natürlich nur möglich durch den primat der
völkerrechtsordnung. oder wie er felbft fagt: „richtiger welt-
rechtsordnung". Die preis- und Opferfrage kümmert feinen
rationalen Rigorismus gar nicht. Die Rationalifierung durch 0
abftrakte weltrechtsfäße kann erfolgen. denn fie muß es:
natürlich nur durch eine „Revolutionierung unferes Rultur-
bewußtfeins": aber der ihr im wege ftehende Iouveränitäts-
begriff „muß radikal verdrängt werden". wie das gefchehen
kann. unterfucht er nicht: „ftarke Rräfte" „wirken" „unzweifel-
haft" „nach diefer Richtung": welche. fagt er nicht; von „ftarken
kiräften". die dagegenwirken. weiß er nichts. Die „Rräfte"
fcheinen ihm aber doch wieder nicht auszureichen. denn er
ftellt das Ziel zugleich dem „politifchen I t r e b e n" als
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„unendliche Aufgabe". Daß die fo ziolo gifch entiräfte und
das fittliche Itreben zu demfelben Ziel führen. feßt eine präfta-
bilierte Harmonie zwifchen dem orclke nature] und der menfch-
lichen Iittlichkeit oder eine Erhebung der fittlichen Ideen der
Menfchen zu real wirkenden metaphgfifchen potenzen voraus.
Daß dies Ziel dann doch wieder ins „Unendliche" verlegt wird.
fteht in widerfpruch mit der Hineinprojizierung diefes Zieles in
die Endlichkeit und mit der Jorderung. die empirifche Rechtswelt
bereits nach dem Ichema diefes Zieles zu konftruieren. wenn
er das troßdem tut. fo beruht das auf der Hgpoftafierung des
empirifchen Allgemeinbegriffs. von dem er ausging. zu einer
metaphgfifchen potenz. *Daß er mit der Ronftruktion der
empirifchen Rechtswelt. „als ob" das im Unendlichen liegende
Ziel bereits erreicht wäre. diefe vergewaltigt. verfteht fich von
felbft. Daß diefe empirifche Rechtswelt feinem Rationalismus
„ein unbefriedigender Zuftand" ift. mag ihn in weltfchmerz
zufammenbrechen laffen. berechtigt ihn aber nicht. diefen Zu-
ftand bei feiner wiffenfchaftlichen Erfaffung zu ignorieren. Es
ift unzweifelhaft richtig. daß die Begriffe der empirifchen
Rechtswiffenfchaft politifche. pfgchologifche und foziologifche
Elemente enthalten. die fich nicht aus dem Begriff des reinen
Iollens logifch „erzeugen" laffen. Gerade darum aber können
fie eben nicht rein „normlogifch". fondern nur auch mit hifto-
rifchen. pfgchologifchen und foziologifchen Methoden erfaßt
werden. Gewiß find die Gegenfäße zwifchen öffentlichem und
privatrecht. zwifchen Itaats- und völkerrecht. zwifchen Bundes-
ftaat und Itaatenbund. find der Iouveränitätsbegriff. der Begriff
des fubjektiven Rechts keine formal-apriorifchen Begriffe. fon-
dern für befondere hiftorifch-politifche. foziologifche und pfg-
chologifche verhältniffe beftimmte und mit ihnen zufammen-
hängende. Daraus folgt aber nur. daß fie zur juriftifchen Er-
faffung diefer empirifchen verhältniffe gar nicht anders aus-
fehen dürfen; denn diefe müffen als das. was fie find. behandelt
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werden. nicht als das. was fie wären. wenn der Aelfenfche
Rechtsmonismus in der Unendlichkeit verwirklicht wäre. Die
pofitive Rechtswiffenfchaft fängt haarfcharf an dem punkte an.
wo Relfen aufhört. Es ift daher auch nur durch eine radikal
logiziftifche Metaphgfik zu begründen. wenn Relfen überzeugt
ift. daß die Reinigung der Begriffe nach dem weltrechts-
moniftifchen Ideal zu deffen v e r wir k li ch u n g irgend etwas
beitragen könnte: er glaubt. daß mit der „Ueberwindung des
D o g m a s von der Iouveränität des Einzelftaates" fich „die
E x i ft e n z" der weltrechtsordnung. der ejujtas Maxjma „durch-
feßen" wird. Es ift vielmehr klar. daß fich an der foziologifch-hifto-
rifchen wirklichkeit auch nicht ein Atom ändern wird. wenn eine
„reine" „normlogifche" Rechtstheorie aus Gründen einer denk-
und wertökonomifchen Methodenlehre den Iouveränitätsbegriff
leugnet. oder. wie Iander fordert. „die vernichtung des meta-
rechtlichen Rechtsbegriffes" vornimmt. Die Metaphgfik diefes
rationaliftifchen Logizismus ift fo grotesk. daß fie faft etwas
Grandiofes bekommt.
Diefer metaphgfifche Logizismus ift das Grundmotiv der
Relfenfchen Rechtsphilofophie. Das erhellt aus Folgendem.
wir hatten gefehen. daß die denkökonomifchen Argumentationen
wohl den weltrechtsmonismus im Iinne eines a b ft r a k t e n
R e ch t s fg ft e m s für die gefamte Menfchheit. nicht aber deffen
fozio lo gifch e Iubftruktion durch eine „zur Fortbildung.
Anwendung und Durchfeßung des völkerrechts" zu fchaffende
w e lt o r g a ni f atio n ftüßen kann. Diefe Iubftruktion wird
durch folgenden metaphgfifchen Gedankengang vermittelt. Die
„m e t a j u r i ft i f ch e" Argumentation aus einem „mehr
oderweniger(sje1) erkenntnistheoretifch en prin-
zip" kann bei der weltrechtsordnung durch ein „j u r i ft i f ch e s
(Ziel) prinzip".erfet_zt werden. Bei der „relativ höchften. d. h.
nur unter dem völkerrecht ftehenden Zwangsordnung menfch-
lichen verhaltens" wird „ein gewiffer Grad von w i r k f a m-
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k e it diefer Ordnung. von F a k t i z i t ät vorausgefeßt".
Alfo doch! Die grundfäßlich von Relfen für die „juriftifche"
Betrachtung abgelehnte. weil mit dem „unüberbrückbaren
Gegenfaß von Iein und Iollen" unvereinbare verbindung
des „Rormlogifchen" mit einem bloß „Iaktifchen" muß
an der oberften Itelle doch wieder geknüpft werden. Mit
Recht; dennpfonft fchwebt alles Iollen in der Luft, Diefe
„dualiftifche Ronftruktion des weltbildes" aber war ja gerade
der Ausgangspunkt von Relfen. die er zwar als „unbefrie-
digend" und als „unleidlichen Zwiefpalt" empfunden hatte;
in feinem „Denken" aber hatte er „keinen weg" „fehen" können.
der über ihn „hinwegführt". Ießt hat aber Aelfen diefen weg
doch gefunden: er hat dem Iein. der Faktizität. dem Iozio-
logifchen doch opfern müffen. Es ift die *Rache des fonft überall
vergewaltigten Irrationalen. daß es fich a m E n d e wenig-
ftens nicht mehr ignorieren ließ; wie ein Robold. der fich
fo viel narren laffen mußte. fteht es am Ichluffe da und fchlägt
dem rationaliftifchen Uebermenfchen ein Ichnippchen. Und
wie rettet fich diefer vor dem unheimlichen KGefellen? „Da-
durch. - fagt er - daß das Faktifche zum Inhalt einer Rorm
.* wird. erfährt es einen ganz eigenartigen B e d e u t u n g s-
xwandel. es wird fozufagen denaturiert. fchlägt
Lin fein Gegenteil um. wird felbft zum Rormativen.
Richt von einer ,normativen Rraft des Faktifchenß fondern
von einer Metamorphofe des Faktifchen zum
! R o r m a t i v e n müßte man fprechen." wer kann dies
mgftifche Itammeln noch verftehen? es fei denn im Iinne
einer reftlofen Rapitulation vor dem extremften Empirismusl
Und unfer rationaliftifcher Uebermenfch fagt weiter: „Frei-
lich gerät hier das völkerrecht an die ä u ß e r ft e G r e n z e
des Bereichs normaiiver Erkenntnis. an die äußerfte Grenze
des Rechts. Es ift vielleicht (Ziel) gerade no ch (3j01)
Recht. wenn es-den fundamentalen Gegenfaß
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..k . "
von Iein und Iollen gefährdend (sjoli) -
zwar nicht jede faktifche Macht als Rechtsmacht zu etablieren
bemüht ift. aber doch nur eine beftimmte fa k t i f ch e M a ch t
als Rechtsmacht gelten laffen will. Und in
diefer Ichwäche des völkerrechts gegenüber
der faktifchen Macht. in diefer Reigung des
völkerrechts vor den Tatfachen zu kapi-
tulieren. zeigt fich feine wahre Ichwäche als
Recht." Die Ehrlichkeit. mit der der unermüdliche Itreiter
gegen die verquickung von Iein und Iollen. von juriftifcher
und foziologifcher Betrachtung. von Recht und Macht. hier.
getrieben durch die eiferne Ronfequenz des eigenen Denkens.
kapituliert. muß jedem. der ein Gefühl für Denkermut hat.
im höchften Maße aufrichtige Bewunderung abnötigen: ich
fenke zum Gruße meinen Degen vor ihm. - Aber es ift und
bleibt eine völlige Rapitulation. wenn das Recht „leßtlich"
doch eine verbindung mit dem Ioziologifchen. mit den tat-
*fächlichen Machtverhältniffen braucht. muß fich die Frage er-
heben: warum gerade nur das völkerrecht? Der primat des
völkerrechts war ja nur teils denkökonomifch. teils durch eine
rationaliftifche und logiziftifche Gefchichtsmetaphgfik begründet.
wenn man beides ablehnt und den „Rechtsplurismus" als
eine (vielleiäjt unerfreuliche. aber doch in diefer wirklichkeit nun
einmal entweder ftets beftehende oder nur in der Unendlichkeit
aufhebbare) Tatfache hinnimmt. dann wird die verbindung
zwifchen dem Rechtlichen und Ioziologifchen für alle diefe
vielen Einz elrechtsordnungen. nicht etwa bloß die ftaatlichen.
zu einer ebenfo unabweisbaren Rotwendigkeit. wie fie es bei
lielfen felbft für das völkerrecht ift. Und die damit unzweifel-
haft verbundenen Antinomien wären nur ein Igmptom der z
Antinomien. die nun einmal diefe ganze wirkliche welt be-
herrfchen. und deren Befeitigung dem Menfchen niemalsmög-
lich fein wird. Der abftrakte Rationalismus wäre damit bankerott
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?und unfer rechtsphilofophifcljes Denken einem grenzenlofen
.Pofitivismus und Empirismus ausgeliefert. Es ift wieder
dasfelbe. uns bereits bekannte Bild. Relfen hat recht. wenn
er felbft fagt: „wenn mich ein vorwurf trifft. ift es nicht der.
daß ich zu wenig. fondern eher der. daß ich zu fehr pofitivift
bin." Aber das ift - wie wir immer wieder fehen werden -
nur die eine Ieite feines fchillernden Igftems: er kann fich auf
?der anderen Ieite nicht genug tun in der Bekämpfung des
4 naiven Realismus.
l Bei feiner Begründung des Umfchlagens vom Faktifchen
zum Rormativen auf der oberften weltrechtlichen Itufe fagte
er. daß diefe darauf beruhe. daß hier „das F a k t i f ch e zu m
I n h a lt einer Rorm wird". Ift das-denn nicht überall.
wo es Rormen gibt. der Fall? Relfenfelbft fagt an anderer
Itelle. wo er uns die pofitiviftifche Ieite feines Ianuskopfes
zuwendet: er fei fich wohl bewußt. daß eine „verfaffung ihre
rechtlich relevante G e ltu n g zwar aus der vorausgefeßten
Urfprungsnorm. ihren Inhalt aber aus dem empiri-
fch e n willensakt der konftituierenden Autorität holt"; auch
hier wird alfo „das Faktifche zum Inhalt einer Rorm". Iene
_von ihm daher nur an der oberften Itelle vorgenommene
„Metamorphofe des Faktifchen zum Rormativen" muß eigent-
:lich überall eintreten. wo es inhaltlich e Re chts-
tn o r m e n gibt; und damit wären wir ganz in Gedankengänge
eingemündet. die eigentlich feine Geg.enpole darftellen. Denn
das ift ja die Grundthefe fowohl der „foziologifchen" Rechts-
lehre. die eine „normative Araft des Faktifcljen" zur voraus-
feßung hat. wie die des-verwaltungsrechtlich gewiß verdienft-
lichen. aber - philofophifch fo abftrufen Buches von walter
Iellinek mit feiner Lehre von dem „Rechts faß" charakter
der „wirklichkeit". von den „Tatfachen mit abgeleiteter
Rechtsfaßwirkung": der Rrieg. das Erlöfchen einer Ieuche. die
Gefchichte. ein Rurort. die Heilung des Biffes von einem
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.ir-
tollwütigen hunde im pafteurfchen Inftitut. die Mode. die
Rervofität ufw. find nach ihm alles Rechtsfäße von derfelben
juriftifchen Art wie die Rechtsfäße in Rechtsverordnungen.
Auch Iander fagt. nachdem er feine alte weltrechtstheorie
.aufgegeben hat. nur noch. daß es darauf ankommt. ob „die
R e ch t s e r f a h r u n g eine oölkerrechtliche verfahrensreihe
als höchfte Itufe der Rechtserfahrung ausgez eich-
net hat". und daß „mit dem wechfel der Rechts-
e r f a h r u n g auch die Th e o r i e der Rechtserfahrung
andere und wieder andere verfahrensgrundreihen ankn eh-
m e n mu ß". Abgefehen davon. daß es unklar ift. was bei
den .Ianderfchen prämiffen eine „Rechtserfahrung" fein kann.
foll hiernach eine Rechts e r f a h r u n g eine verfahrensreihe
als „höchfte" „auszeichnen" und die Theorie
nötigen. verfahrens-Grund-Reihen „a n z u n e h m e n". Es f
ift alfo auch hier die Erfahrung. die gewiffe Inhalte?
und Tatfachen zum Re cht ftempelt: die Rapitulation des
Rechts vor dem Empirismus. vor der Faktizität. die den
Inhalt der Rormen fchafft - radikaler foziologifcher
Empirismus! - Da Iander feine eigene frühere und Lielfens
weltrechtstheorie mit diefen Iäßen ableugnet. kommt er
damit auch in eine für ihn bedenkliche verwandtfchaft mit
gewiffen Ausführungen von mir. die für ihn jedesmal.
wenn er uns die nicht-pofitiviftifclje Ieite feines Ianuskopfes
zukehrt. das Ichulbeifpiel der konfequent zu Ende gedachten
„alten Itaatsrechtslehre" find. Denn auch ich zeige. daß. wenn
man nur von dem abftrakten Begriffe des Rechts ausgeht. man
zu dem kommen muß. was Relfen „Rechtsplurismus" nennt.
und werfe die Frage auf. ob wir bei diefem „Relativismus"
von inhaltlich verfchiedenen Rechtsordnungen ftehenbleiben
müf*fen. oder ob eine „Rangordnung" unter ihnen beftehe;
hier feien „verfchiedene wege möglich": im Mittelalter hätten
wir die einheitliche Thriftenheit. alfo eine weltrechtsordnung
Erich Aanfmann. kiritik. 3
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gehabt. in der natürlich für „fouveräne" Itaaten kein plaß
war; aber mit dem Beginne der Reuzeit fei dies „Rulturfgftem"
zerftört und „Raum für neue Löfungen des Rechtsproblemes"
gefchaffen worden; und dann wird gefchildert. wie der moderne
Itaat entfteht und zum fouveränen Itaat neben anderen. fich
ebenfo fouverän fühlenden Itaaten wird. Rach Ianders Termi-
nologie hat eben „mit dem wechfel der Rechtserfahrung" die
„Theorie der Rechtserfahrung" im Laufe der gefchilderten ge-
fchichtlichen Entwicklung „andere und wieder andere verfahrens-
grundreihen annehmen müffen". Denn auch ich habe nirgends
die „verfahrensgrundreihe" „moderne Itaaten" als etwas „Un-
bedingtes" hingeftellt. im Gegenteil gerade ihre Bedingtheit
überall fcharf betont: es fei ein wechfel univerfaliftifcher und
nationaler Epochen in der Gefchichte zu beobachten. es habe
den kirchlichen weltftaat gegeben. auch die „Rirche"könne unter
beftimmten vorausfeßungen und Bedingungen neben dem
Itaat „verfahrensgrundreihe" fein. ja je nach den gefchicht-
lichen und gefellfchaftlicljen Bedingtheiten könnten auch andere
Faktoren -ich verwies auch auf Revolutionen - „mit dem
wechfel der Rechtserfahrung" „verfahrensgrundreihen" wer-
den. was mich von dem „pofitiviftifchen" Iander unter-
fcheidet ift alfo jedenfalls nicht. daß ich dem „Rormativen"
weniger Bedeutung zumeffe als er - wie es bei der pole-
mik des „normlogifchen" Iander ausfieht. - fondern m e h r:
das geht aus meiner Ablehnung der von Bruno Ichmidt ver-
tretenen „empirifch-fozialen. fozial-dgnamifchen" Rechtstheorie.
des damaligen Tgpus empiriftifch-foziologifcl; er Rechtslehre. und
meiner Ablehnung „der normativen Rraft des Faktifchen" her-
vor !, was uns unterfcheidet. ift. daß ich mich nicht der neu-
kantifchen verwechflung der abftrakten kategorialen Formwelt
-und der normativen Iphäre fchuldig gemacht habe. daß ich
das Rormative nicht nur in rationaliftifcher Form kenne und
* vgl. 6131131113 I. 55 f.. I. 9 Anm. 1 u. a. m.
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jeden harmonifierenden vereinfachungs-Rationalismus ab-
lehne. *
Die füdweftdeutfche Ichule hat bisher noch nicht
zwei fo abgefchloffene und charakteriftifche Leiftungen wie die
von Itammler und Relfen zu verzeichnen; dagegen hat fie einen
ungewöhnlich ftarken Einfluß auf die pofitive Rechtswiffenfchaft
ausgeübt. Und felbft wo folche unmittelbaren kaufalen Beein-
fluffungen nicht zu erweifen find. erfcheint das. was die füd-
weftdeutfche Rechtsphilofophie geleiftet hat. wie der methodo-
logifche Unterbau zur herrfchend gewordenen Behandlungsart
rechtsdogmatifcher probleme: fie ift - und das bedeutet noch
mehr als eine kaufale verbindung - aus demfelben Geifte
geboren wie jene und fo eine wahrhaft tgpifche Erfcheinung
in der deutfchen Geiftesgefchichte der leßten Iahrzehnte, Beide
Tatfachen. die fich fcheinbar zu widerfprechen fcheinen. der
Mangel an abgefchloffenen und charakteriftifcljen Leiftungen
und der große Einfluß auf die herrfchende Rechtsdogmatik.
wurzeln tief in der Eigenart diefer neukantifchen Richtung,
Denn in ihr ift nicht nur einbeftimmter. aus Rant rezipierter
Ideengehalt lebendig. fondern auch viel von der nachkantifchen
Ipekulation. der die Marburger faft völlig ablehnend gegenüber-
ftehen. als Erbgut erhalten geblieben: namentlich in windel-
band und Henfel. bei denen die fgnthetifche und zum Igftem
tendierende Art Rickerts und die bohrende Denkenergie und
begriffliche Leidenfchaft Lasks. des vielleicht bedeutendften.
leider nicht zur vollendung gekommenen Denkers diefer
Ichule. nicht fo ftark entwickelt find. die dafür aber einen fei-
neren philofophiegefchicijtlichen Iinn befitzen. der den Mar-
burgern faft völlig mangelt. und die daher eine befondere Rote
als philofophifche perfönlichkeiten haben. wenn hier daher auch
bisher noch die große Igftematik der Marburger fehlt. die in
ihrer Gefchloffenheit und radikalen Einfeitigkeit nicht zu über-
bieten ift. die aber auch keine Fortentwicklung mehr zuläßt. fo
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find dafür nicht nur die geiftesgefchichtlictjen verbindungslinien
zur vergangenheit erhalten geblieben. fondern es liegen in ihr
auch Reime. die eine Zortentwicklung über fie hinaus nicht
ausfchließen: hat doch Lask in feinen leßten Arbeiten vielfach
die Ichranken diefer Richtung bereits fo ftark durchbrochen.
daß man zweifeln kann. ob er ihr noch ganz zugerechnet wer-
den kann. *
Der formale Charakter des philofophifchen Denkens wird
hier fo intenfiv durchgeführt. das Rormative fo hoch über die
empirifche wirklichkeit erhoben. daß auch für die probleme
der Irrationalität und des gefchichtlichen Lebens wenigftens
der „erkenntnistheoretifche" Ort auf dem 31011118 intelleotualjs
feftgelegt. wenn auch nicht zu einer Metaphgfik der Gefchichte
oder des Geiftes fortgefchritten werden konnte und die Ge-
fchichtsphilofophie leßtlich doch in einer Methodenlehre der
empirifchen pragmatifchen Gefchichtswiffenfchaft ftecken bleiben
mußte, Die tranfzendente Höhe. in die die abfoluten werte
verlegt werden. das Fefthalten an dem formalen Charakter
diefer werte. die fchroff dualiftifche Auseinanderreißung von
wert und wirklichkeit. von „kritifcher" und „genetifcher" Be-
trachtung. mußten es unmöglich machen. die Beziehungen
zwifchen diefer formalen tranfzendenten welt und der Inhalt-
lichkeit der empirifchen Iphäre begreifbar und anfchaulich zu
machen.
Das kantifche Ding an fich. das vielleicht für die tranf-
zendentale Aefthetik und Analgtik entbehrlich fein oder hier
nur als „Grenzbegriff" funktionieren mag. ohne das aber
bereits die tranfzendentale Dialektik nicht verftanden werden
kann. und das jedenfalls als verbindungsftück zwifchen den
drei Rritiken und als Grundlage der kantifchen Gefchichts-
philofophie nicht wegzudenken ift. ift - nach Fichtefchem vor-
bilde - über Bord geworfen. ohne daß es durch den Fichtefchen
abfoluten willensrationalismus oder den Hegelfchen abfoluten
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Geift erfeßt wäre. Mag auch Rant in gewiffem Iinne Dualift
gewefen fein. fo war es ein Dualismus zwifchen der noumenalen
und phänomenalen welt. d. h. der Dualismus zwifchen dem
Ding an fich und feiner Erfcheinung. alfo leßtlich doch ein
Monismus. Die „Ratur" ift bei ihm nicht nur die Erfcheinung.
fofern fie unter allgemeinen Gefeßen begriffen werden kann.
fondern zugleich ein wertbegriff: der hinter den Erfcheinungen
fteckende oräre nuturel. die fich in der menfchlichen Iittlichkeit
und Gefchichte entfaltende noumenale welt. deren Bürger
auch der Menfch in feinem metaphgfifchen Rerne ift. Und wenn
auch diefe noumenale welt als „Gegenftand" der „theoretifchen
Erkenntnis" entzogen ift. fo-ift doch ohne fie anderfeits auch
bereits eine Erkenntnis der empirifchen welt nicht möglich. und
ift ferner diefe noumenale welt keine welt formaler werte.
fondern von inhaltlichen vernunftideen. die darum eine regu-
lative und normative Funktion erfüllen können. Durch die Itrei-
chung des Dinges an fich klafft in dem Denken der füdweftdeut-
fchen Richtung eine metaphgfifche Lücke. Der Dualismus zwifchen
formalen abfolutenwerten und dem empirifchen Itoff ift etwas
ganz anderes-als der zwifchen Ding an fich und Erfcheinung.
wenn man von dem Gegenfaß von Form und Inhalt
fpricht. fo bleibt der Gegenfaß ein rein abftrakter. begrifflicher. er-
kenntnistheoretifcher. dem irgendwie noch ein realer Monis-
mus entfprichtrdenn es „gibt" nur am Itoff haftende Form und-
geformten Itoff. Man kann alle jene Gegenfaßpaare zwar
unter b e ft i m m t e n „erkenntnistheoretifchen" Gefichts-
punkten auseinander-d e nk e n . aber fie müffen unter
a n d er e n Gefichtspunkten wieder als Einheit erfcheinen. Iede
bloß „begriffliche" Unterfcheidung ift eine relative. die einem
beftimmten relativen Erkenntniszweck dient; unter anderen
Erkenntnisgefichtspunkten erfcheint das früher Getrennte als
vereinigt. Io find auch die Begriffe Form und Inhalt relative:
je nach dem Gefichtspunkt erfcheint bald dies bald jenes Ele-
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ment als Zorm. wenn f man eine unt er beftimmtem
relativen Gefichtspunkt ftehende begrifflich e
Unterfcheidung mit einer w ertfarbe umkleidet und fo die
unfinnliche abftrakte Zorm zur üb erfinnlichen erhebt. hgpo-
ftafiert man etwas bloß Gedachtes. Abftraktes zu metaphgfifcher
Dignitöt: man verleiht dem relativen Unterfcheidungsgeficljts-
punkt abfolute Bedeutung. wenn daher das aus erkenntnistheo-
retifchen Gründen in Zorm und Inhalt Auseinander-Gedachte zur
Grundlage der philofophie überhaupt gemacht wird. verleiht
man damit der Erkenntnistheorie metaphgfifche. ontologifche
Bedeutung und fteht mitten in einer nicht nur rationaliftifchen.
fondern auch intellektualiftifcljen weltanfchauung. Eine Duali-
tät. die nur unter beftimmten. relativ berechtigten
Gefichtspunkten auseinander-g e d a ch t werden kann. kann nicht
Grundlage einer p hilo f o p h i e werden. fondern nur
eine folche. die unter keinem Gefichtspunkt zufammen-
gedacht. die nur auseinander-erlebt werden kann.
ift dazu zu verwenden. wenn man. ohne der unfinnlichen
abftrakten Zorm eine metaphgfifche Farbe zu verleihen. bei
dem Form-Inhaltverhältnis ftehenbleibt. kommt man zu einem
metaphgfifchen Monismus. an dem nur unter
„erkenntniskritifchen" Gefichtspunkten ein Romplex von ab-
ftrakten „Momenten" begrifflich herauspräparierbar ift: alfo
zu einem radikalen metaphgfifchen Empirismus oder empi-
rifchen Realismus. Es befteht nicht nur die von Rickert
felbft betonte „Harmonie" zwifchen feinem tranfzendentalen
Idealismus und dem empirifchen Realismus. fondern völlige
metaphgfifche Identität.. Die „brutale wirklichkeit". auf die
fich der Realismus beruft. kann durch das b e griffli ch e
Herauspräparieren reiner Zormen nicht aufgehoben werden;
nur „ineinemerkenntnistheoretifchen Zufammen-
hange" ift der Hinweis auf dies „faotum brutum“ „brutal":
fagt Rickert felbft. wie aber eine Erkenntnistheorie . die
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„Metaphgfik" des empirifchen Realismus befeitigen kann. ift i
unerfindlich: fie intereffiert. fich ja nur für das. was „b e-
grifflich früher" ift als die Erkenntnis der wirklichkeit.
Man kann aber das „erkenntnistheoretifche pro-
blem". das in dem „Begriffe" des faotum brutum „fteckt". fehr
wohl „f e h en". wie Rickert nur fordert. und doch metaphgfifch
brutaler und radikaler Empirift bleiben. Rickert hat recht: der
„tranfzendentale Idealismus" braucht den „empirifchen Realis-
mus" nicht zu „beunruhigen"; er „beabfichtigt" es ja nicht
einmal. Mit bloßer Erkenntniskritik kann man in der Tat
keine Metaphgfik widerlegen oder aufheben.
Run ift ja aber natürlich auch Rickert weit entfernt von
folcher falfchen philofophifchen Befcheidenheit. wie» er fie ge-
legentlich in feinen Ichriften (wir fprechen fchon von dem
„tranfzendenten Minimum") zur „Beruhigung" des herrfchen-
den naiven Empirismus zur Ichau trägt. Er ift „zugleich der
Ueberzeugung. daß allein in der .E r k e n n t n i s th e o r i e
die Bafis für eine wiffenfchaftliche philofophie zu finden ift".
Diefe „Ueberzeugung" von der über-erkenntnistheoretifchen
Bedeutung der Erkenntnistheorie kann natürlich nicht wieder
erkenntnistheoretifch begründet fein. was Rickert freilich glaubt.
Ia. er will die für feine „weltanfchauung" entfcheidende Lehre
vom. primat der prattifcljen vernunft „erkenntnistheoretifch"
begründen. Daß das nur auf Grund einer extrem intellektuali-
ftifchen Metaphgfik möglich ift. leuchtet ein: oder glaubt er auch
fie erkenntnistheoretifch begründen zu können? Für windel-
band „geht die Erkenntnistheorie weder der Metaphgfik voraus.
noch folgt fie ihr. fie ift weder die vorausfeßung noch die
Rechenprobe der Metaphgfik. fondern fie ift die Metaphgfik
felbft". Die Unhaltbarkeit diefer erkenntnistheoretifchen Be-
gründung der Metaphgfik oder gar diefer Identifizierung von
Erkenntnistheorie und Metaphgfik wird nun aber auch bei
diefer neukantifchen Richtung dadurch verdeckt. daß einerfeits
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die Iphäre des abfoluten wahrheitswertes mit der Iphäre der
abftrakten Rategorialformen vermifcht wird und anderfeits die
abftrakteften empirifchen Allgemeinbegriffe in die Höhe der
kategorialen Iphäre. ja in die der normativen werte erhoben
werden. 4
Das wefen der wahrheit foll nach windelband beftehen in
der „immanenten fa ch li ch e n Rotwendigkeit der vorftellungs-
inhalte". und darum foll die in der wahrheitserkenntnis
liegende „Zuftimmung" „aus den rein fa ch lich en v er-
h ä l t n i f f e n der vorftellungs i nh a lt e hervorgehen".
wenn hiermit auch wieder das Entfcheidende nicht gefagt ift.
nämlich. welcher Art „Iachlicljkeit" und „Rotwendigkeit" als
fpezififch erkenntnis- und wahrheitsmäßige gemeint
fein foll _ denn fachliche Rotwendigkeit muß bei allen
wertfragen (es gibt fittliche. rechtliche. äfthetifche. fachliche
„Rotwendigkeiten") vorliegen - fo ift doch jedenfalls deutlich
gefagt. daß es fich um „verhältniffe der vorftellungs-
inhalte" handelt: fie bilden den „Gegenftand" der Er-
kenntnis. der über deren „Richtigkeit und Unrichtigkeit entfchei-
det"; „Gegenftändlichkeit" ift „fachliche Rotwendigkeit". Dann
aber kommt ein völliges Abbiegen von der bisherigen Thefe.
wenn es weiter heißt: „In Ignthefis befteht das. was wir
den G e gen ft a n d des Bewußtfeins zu nennen haben." Damit
find wir unvermittelt in die kategoriale Iphäre hinübergeglitten:
denn Ignthefis foll ja eine „Funktion" der verknüpfung fein
für vorftellungsinhalte. während es vorher die vorftellungs-
inhalte waren. d eren „fachliche verhältniffe" den „Gegen-
ftand" der Erkenntnis bilden follten. Die Ignthefis kann
nicht als kategoriale Funktion im Gegenfaß zu den vorftellungs-
inhalten ftehen. und zugleich ebenfo den „Gegenftand" der Er-
kenntnis bilden. wie das auch die „fachlichen verhältniffe"
eben der (zu ihr im Gegenfaß ftehenden) „vorftellungs-
in h a l t e" tun follen. Die kategoriale „Ignthefis" foll
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„den wert der Erkenntnis befißen". wenn „die A rt der ver-
knüpfung fachlich in den Elementen felbft begrün-
det ift". Danach foll alfo wieder der wahrheitswert in den
vorftellungsinhalt en begründet fein. und nicht in der
fg n th e ti f ch e n verknüpfung. fondern in dem „Z u-
fa m m e n h a n g e" liegen. der den vorftellungsi nh a l t e n
„fa ch li ch zu k o m m t". welcher das ift. ift aber doch die
Frage. wenn die Ignthefis. die verknüpfungs f or m. und nicht
-das ift ja die Thefe - die vorftellungsinh a lt e den „Gegen-
ftand" der Erkenntnis bilden. dann kann man doch nicht die
Ignthefis wieder durch den den vorftellungs i nh alte n
„fachlich zukommenden Zufammenhang" beftimmen. nicht „ab-
hängen" laffen „von der e m p i r i f ch e n Bewegung des
Denkens".
Diefe Erkenntnistheorie pendelt immer zwifchen einem
grenzenlofen Empirismus und einem grenzenlofen Ratio-
nalismus hin und her. fie fchillert bald mehr nach der einen.
bald mehr nach der anderen Ieite. wie wir das bei allen
Formen des Reukantianismus beobachtet haben und weiter
beobachten werden. Bald heißt es: wahrheit fei „irgendeine
Beziehung des Bewußtfeins zum Iein".
bald ihr wefen fei die „I g nth efis" als folche. bald die
„f a ch l i ch e Rotwendigkeit der vorftellungs i n h a l t e",
Die Formel. daß das Erkennen „die Gegenftände felbft er-
zeugt". verfteckt das Durcheinandergehen diefer drei einander
entgegengefeßten Erkenntnislehren. Iie ift richtig. infofern
fie befugt. daß die kategorialen verknüpfungsformen der Ding-
haftigkeit. der Gegebenheit ufw. erft die vorftellungsinhalte
zu „gegebenen Dingen" ufw. „machen". Iie ift falfch. infofern
doch auch die vorftellungsinhalte und der ih n e n „f a ch li ch
zukommende Zufammenhang". ihre „fachliche Rotwendig-
keit" etwas ift. was nicht in den fgnthetifcljen F orm en liegt. ja
auch nicht mit dem fachlichen Zufammenhange eines etwaigen
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" 3.-.: * *1
Igftems der Beziehungsformen identifchift. Iieift weiter
falfch. infofern die Beziehung des Bewußtfeins zum Iein
zwar in der Charakterifierung der Ignthefis als „felektive"
zum Ausdruck kommt (wenn auch unbeftimmt bleibt). aber dies
Moment der Ielektion von Teilinhalten aus der Totalität des
Ieins eben eine Totalität des I e i n s vorausfeßt. die doch ge-
rade vom Denken n i ch t „erzeugt". fondern vorausgefeßt wird.
Es ift alfo keine ausreichende Erklärung der Thefe. daß die
I g nth e f i s den „Gegenftand der Erkenntnis" bildet. wenn
gefagt wird. daß die „R o t w e n d i gk e i t". mit der wir jene
Ignthefen vornehmen. das durch fie „Erzeugte" dem „naiven"
Menfchen als Gegenftand er f ch ein e n läßt: denn diefe
Rotwendigkeit foll ja gerade nicht im fgnthetifchen B e w u ß t-
fein. fondern in dem „fachlichen Zufammenhange“ der Be-
wußtfeinsinhalte liegen und von ihm beftimmt fein 1.
wir find eben vollftändig aus der Iphäre des normativen
wahrheitswertes in die der kategorialen Zormen hinüber-
geglitten. und es ift ein eitles Beftreben. in der ka t e-
g o r i a l e n Iphäre fgnthetifcher Funktionen den w a h r-
heit s wert der Erkenntniffe begründen zu wollen. Der
Ichein. daß das geht. wird dadurch vorgetäufcht. daß die fgn-
thetifchen Funktionen zu Rormen derfelben Qualität und Digni-
tät heraufgefchraubt werden wie die wahrheitsnorm: fei
wahr! erkenne die wahrheit! Es wird einerfeits ganz richtig
hervorgehoben. daß die kategoriale Form bloß die würde des
abftrakten Zormgehalts habe. alfo „i n d e r wirklich-
keit ft e cke". daß die in den Rategorien erfaßten Gegen-
1 Rant fagt im Gegenfaß zu diefer „neukantifcben" Erkenntnis-
lehre: „verftand und Iinnlichkeit können nur in ver-
bin d u n g G e g e n ftä n d e beftimmen. wenn wir fie trennen.
fo haben wir Anfchauungen ohne Begriffe. oder Begriffe ohne An-
fchauungen. in b e i d e n Fällen aber vorftellungen. die wir auf
keinen beftimmten Gegenftand beziehen können.i (Rr.
d. r. v. - Uehrbach - I. 237/8).
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ftände „nach Inhalt und Form zu r R e a lität g e h ö r en".
Anderfeits aber wird wieder betont. daß diefe kategorialen
verknüpfungsformen „Rormen" find. - und das find fie
auch. infofern wir d i e f elb e n I nhalte mit verfchie-
denen Rategorien erfaffen können und die wahl unter diefen
verfchiedenen Kategorien bzw, den verfchiedenen Möglich-
keiten einer Rombination der einzelnen Rategorien abhängt
von den konkreten und relativen Erkenntniszwecken; aber fie find
es nur infofern. Dieim abfoluten wahrheitswert liegende Rorm
aber ift von ganz anderer Art: denn diefe Rorm „fteckt"
in keinem Iinne in-der wirklichkeit. „gehört" in keinem Iinne
zur Realität. fondern fie begründet eine D i g n i t ät unferer
Erkenntniffe. die nicht allen. fondern nur einigen unferer fgn-
thetifchen verknüpfungen zu Gegenftänden innewohnt. Der
wahrheitswert ift nicht - wie wir bereits vom Rechtswert
fagten - am Itoffe feftgewachfen. fondern bewegt fich frei
zum kategorial geformten Itoffe der Erkenntnis. wie die
„Richtigkeit" des Rechts zum fozialen Leben. Troß diefer
grundfäßlichen Differenz und troß der richtigen Erkenntnis. daß
die kategoriale Form zum „Monismus" der wirklichkeit
gehört. wird die kategoriale „Rorm" als wertnorm be-
handelt. wenn ihr nachgerühmt wird. fie fei „als Rorm für
jede individuelle Art des vollzuges der Ignthefis anzufehen".
und daß zwifchen der logifchen „Form" und den vorftellungs-
inhalten eine „nicht weiter auflösbare vualität" beftehe. Die
vualität zwifchen logifcher Form und Itoff ift aber nur darum
durch das Denken nicht weiter auflösbar. weil fie nur vom
Denken gefchaffen wurde: dagegen-ift fie gerade darum
im Monismus der Realität. in der ja auch die kategorialen
Formen „ftecken". aufgelöft. Richt auflösbar - jedenfalls
nicht reftlos aufhebbar - dagegen ift die Dualität zwifchen
wert und wirklichkeit. zwifchen richtiger Erkenntnis und tat-
fächlicljer Erkenntnis. zwifchen richtigem Recht und pofitivem
....-
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Reäjt. Abftrakter Zormgehalt und Itoff können n u r ausein-
ander-g e d a cht werden; wert und wirklichkeit dagegen können
nie ganz zufammen-gedacht werden: fie find ausein-
ander-e r l e b b a r. Eine fchroff dualiftifche w e lt a n f ch a u-
u n g kann durch die a b f o lute* Auseinanderreißung von
wert und wirklichkeit begründet werden. eine moniftifche durch
deren untrennbare verkoppelung. Das find leßte w e r t-
erleb niffe. die zu verfchiedenen Metaphgfiken führen.
abermit erkenntnisth eoretifch en problemennichts
. mehr zu tun haben.
wie der Ichein. daß fgnthetifche Funktionen den wahr-
heitswert der Erkenntniffe begründen können. durch die Herauf-
fchraubung des kategorialen Iollens zur würde des wahrheits-
follens vorgetäufcht wird. fo wird diefe Täufchung erleichtert
durch die rein formale Ratur des wahrheitswertes. der dadurch
feiner fpezififchen würde entkleidet und in die fgnthetifch-
kategoriale Iphäre heruntergefchraubt wird: wieder ganz wie
bei dem formalen „fozialen Ideal" Itammlers. „Allgemein-
gültigkeit". „normaler" Menfch. „voluntariftifche" Zuftimmung
oder Ablehnung bei der Bejahung und verneinung von Urteils-
fgnthefen. das „Gefühl" der „Evidenz" - das alles find rein
formale Charakterifierungen. die mehr oder weniger glückliche
U m fchreibungen des „wertes" ü b e r h a u p t. aber keine
B e fchreibungen des fpezififchen w g h rh e it s wertes find.
Io kann keine Brücke gefchlagen werden zwifchen dem fpezi-
fifchen wahrheitsmoment und den fgnthetifchen Zormen;
und warum das durch fie zur Einheit verknüpfte gerade
-. w a h r e E r k e n n t n i s vermittelt. muß unklar bleiben.
* * Man kann auch der Meinung fein. daß es gar" nicht der Fall ift.
* fondern daß die enge verbindung. die der Rationalismus feit
- * * . . . . Iahrhunderten zwifchen der kategorialen Ignthefe und der wahr-
. *. . . . heit vornimmt. irrig ift und auf einer intellektualiftifchen Meta-
phgfik und Ontologie beruht. die überwunden werden muß.
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Aber darauf kommt es hier nicht an: fondern allein darauf. zu
zeigen. wie jenes Herübergleiten von einer Iphäre in die
andere auch den wahrheitswert denaturiert. und daß die neu-
kantifche Erkenntnistheorie. die fich vermißt. Metaphgfik fein
oder begründen zu können. eine wahrheitstheorie ohne einen
Begriff der wahrheit ift.
Das Bild der verwirrung wird nun aber erft dadurch
vollftändig. daß auch noch überall jene unglückliche ver-
wechflung der empirifchen Allgemeinbegriffe mit der über-
empirifchen „Formwelr“. die wir bereits bei den Marburgern
beobachtet haben. wieder ihre Rolle fpielt. Die Formbegriffe
follen* durch „Abfehen" von Inhalten. der Begriff des „Be-
wußtfeins überhaupt" durch „Abftreifung" alles „Indivi-
duellen" gebildet werden. fo daß er als „leßte und leerfte
Abftraktion" bezeichnet werden kann. Troßdem wird er
nicht nur zum „Grenzbegriff". fondern auch zum „I d e al"
eines die welt erkennenden Iubjektes. ja zur „I d e e einer
Totalität". zum „Gedanken einer Aufgabe". wie eine
„leßte und leerfte Abftraktion" eine „Totalitär“. eine „Auf-
gabe". ein „Ideal" bezeichnen kann. muß unverftändlich bleiben.
Ia. felbft wenn man ihn faßt als „ein Iubjekt. das alle die
tranfzendenten Rormen anerkennt. durch deren Anerkennung
die F o r m der Gegebenheit und die F o r m e n der objek-
tiven wirklichkeit entftehen". fo ift damit immer erft ein Iubjekt
da. welches vermittelft diefer Formen ü b e r h a u pt v e r-
knü p f en foll und verknüpfen kann. das* aber nie wiffen
kann. mit welcher diefer Formen es die einzelnen
Inhalte je w e i l s verknüpfen foll. Als „Ideal" des erkennen-
den Iubjekts ift es das Ideal des objektlofen formalen Denkens.
das mit gezückten leeren Formen der Ignthefis fich auf die
Empfindungsinhalte ftürzt ohne jeden Maßftab dafür. wo es
welche Form betätigen foll. wenn man im übrigen zugibt.
daß es einen Erkenntniswert hat. den Rategorialbegriff fo weit
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zu faffen. daß auch die „Gegebenheit". das „Dies fein". das
„Etwas" als formale Rategorien darunter fallen -- und unter
beftimmten erkenntnisth eoretifchen Gefichtspunk-
ten hat das einen wert. wenn man dann nicht noch weiter
gehen muß -. fo ift nicht einzufehen. warum das Gegeben-
fein. das Etwas ufw. durch die R a t e g o r i e n der Ge-
gebenheit. der Etwashaftigkeit ufw. beffer erklärt find als
durch die T a t f a ch e . daß es ein gegebenes Etwas in der
wirklichkeit gibt. Das wäre höchftens der Fall.
wenn die Rategorien aus einem inhaltlichen wahrheitswert
begrifflich hergeleitet werden könnten; das ift aber natürlich
nicht möglich, Als bloße „Iollungen" find fie genau fo brutale
Iollensfakten. wie fie für den empirifchen Realiften brutale
Ieinsfakten find; und warum einfach hinzunehmende Iollens-
und Geltungsfakten. die noch dazu bloß abftraktiv gewonnen
find. wertvoller find als Ieinsfakten. ift wieder nicht einzufehen.
Unverftändlich muß weiter fein. wie einerfeits diefe ab ftr akten
Iollungen. die ja nicht als „pfgcljifche Akte" aufgefaßt werden
follen. in dem einzelnen erkennenden Iubjekte wirkfam wer-
den können. und wie anderfeits die für das erkennenfollende
und -wollende Iubjekt geltenden verknüpfungsnormen.
- von denen man auf diefelben Empfindungsinhalte je nach
den einzelnen Erkenntniszwecken mehrere. bald diefe. bald jene
anwenden kann. - eine „objektive". d. h. von den verfchie-
denen einzelnen Erkenntniszwecken u n a bh ä n gi g e Or d nu n g .
Denn-
unter den Empfindungsinhalten herftellen können.
ich kann diefelben Empfindungsinhalte z. B. bald unter der
Uategorie des Individuellen. bald unter der des Generellen an-
fehen: es ift nun nicht nur nicht gefagt. w a n n das eine und
wann das andere richtig ift. fondern auch unklar. warum
dadurch derfelbe Gegenftand nur auf zwei Arten erkannt
wird. und nicht. wie es in der Aonfequenz der Lehre von dem
Iollen als Gegenftand der Erkenntnis und der „Erzeugung" der
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Gegenftände durch das Denken läge: zwei verfchiedene Gegen-
ftände. von denen freilich unklar wäre. wie fie fich zueinander
verhielten. Die wirklichkeit ift eben nicht nur brutal. fondern
auch hart: fie läßt fich nichtreftlos kategorial durchdringen und
in Formen der Ignthefis auflöfen. wie bei Itammler die
„Iondergemeinfchaft" eine durch das Igftem felbft nicht be-
gründete vermittlerrolle zwifchen dem empirifchen Itoff und
der Formwelt übernehmen muß. fo tritt in der füdweftdeutfchen
Erkenntnistheorie die „vorwiffenfchaftliche Begriffsbildung"
als der unklare und unklärbare Begriff auf. durch den alle von
den eigentlichen Grundlagen aus unverftändlichen probleme
ihre Löfung finden follen.
Roch größere Ichwierigkeiten und Unklarheiten ergeben
fich aus den problemen der gefchichtlichen welt als folcher.
wenn es fich um diefe felbft und nicht bloß um die Metho-
denprobleme der pragmatifchen Gefchichtswiffenfchaft handelt.
Eine fcheinbare Harmonie und Einheit mit den Grund-
pofitionen kann nur durch allerlei weitere verwechflungen.
verfchiebungen. Hgpoftafierungen und Iubftruktionen her-
geftellt werden. Die Begriffe Urteilen und Beurteilen. ab-
ftrakter Begriff als Gegenfaß zum pfgcljifchen Akt und als
Begriff von einem pfgchifchen Akt. wert und Rategorie. wert
und Zweck. konftitutiv und regulativ. teleologifche verknüpfung
und wertbetrachtung. - die alle in verfchiedenen Ebenen
liegen. - find niäjt fcharf auseinandergehalten; das abftrakte
normative „Bewußtfein überhaupt" wird zum Rollektivbewußt-
fein. ja zum Menfchheitsbewußtfein umgedeutet. allerlei intel-
lektualiftifche und individualiftifche Metaphgfik liegt gewiffen
leßten Entfcheidungen und wertungen zugrunde. Und als
leßtes Auskunftsmittel der rationaliftifchen Metaphgfik. die fo
oft begriffliche Gegenfäße in metaphgfifche umdeutet. fehlt auch
nicht die „Lift der vernunft". die immer da auftreten muß.
wo bloß Auseinander-Gedachtes leßtlich .doch nicht völlig
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auseinander-erlebt. auseinander-gefchaut werden kann. und
fo auf irgendeiner - und fei es auf der oberften - Itufe
des Igftems das Getrennte doch wieder zu einer harmonifchen
Einheit zufammengeführt werden muß.
Aus alledem erklärt fich. daß das füdweftdeutfche Denken
fo mannigfaltig fchillert. zugleich aber feine unzweifelhaft ge-
waltig anregende Araft. wenn es auch unmöglich ift. in ihm
zur Ruhe zu kommen. Rechtsphilofophifch konnte es die Grund-
lage abgeben fowohl für den fkeptifchen Empirismus von Georg
Iellinek. wie für den abfoluten Relativismus von Radbruch.
wie endlich für den pofitiviftifchen Rechtsformalismus von
Binder. Die formalen abfoluten werte fchweben fo punktuell
erhaben über der wirklichkeit. daß diefe von ihnen ganz un-
berührt bleiben muß: ihre formale Ratur kann die vermeintlich
normative und regulative. die Maßftabsfunktion nie aktuell
werden laffen. Das pathos der Unbedingtheit muß ein for-
males und hohles. leßtlich ermüdendes. weil nicht glaubhaftes.
bleiben. Ift doch der füdweftdeutfche „Rritizismus“ fogar ftolz
darauf. daß er „weit entfernt. den Empirismus abzulehnen.
ihn vielmehr beftätigt und begründet".
Rarl Ichmitt-Dorotiö hat richtig beobachtet. wenn er
in feiner Befprechung von Binder hervorhebt: „Aber
das Auffällige an Binders Rechtsidee ift. daß fie nach
den mehrfach zitierten Umfchreibungen verabfchiedet und
insbefondere bei der Erörterung der juriftifchen Bearbei-
tung des pofitiven Rechts ausdrücklich ignoriert wird." Das
ift jedoch nicht „auffällig". fondern im Rern des füdweft-
deutfchen Rritizismus begründet. „ Die wiffenfchaft des
pofitiven Rechts - fagt er weiter - betätigt fich. als wären
Rechtsnorm und Rechtsidee nie gewefen. Danach kann nicht
anerkannt werden. daß die kantifche Rechtslehre bei Binder
die Grundlage feiner Rechtslehre bedeute; fie* ift der vo r-
bau einer pofitiviftifchen Rechtslehre ge-
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worden." Das ift alles durchaus zutreffend erkannt. Zugleich
liegt darin natürlich einer der Gründe dafür. daß diefe „Rechts-
philofophie" das Lieblingskind der empiriftifcljen Rechts-
dogmatik wurde: Lefefrüchte aus ihren Ichriften find die
beliebteften Ornamente in dogmatifchen Unterfuchungen ge-
worden. denen fie einen faft zur Mode gewordenen „philo-
fophifchen" Anftrich geben konnten. Da auch Itammler die
„technifche Rechtslehre" mit feinem formaliftifchen Rationalis-
mus ungekränkt ließ und nur bei Lücken und verweifungen
einen plaß bei der „Rechtsanwendung" forderte. ift auch er
diefer Mode zum Opfer gefallen. Da war Relfen mit feiner
unerbittlichen und alles durchdringenden Denkenergie fchon
fehr viel unbequemer: jedoch hat feine fcharfe und - wie
wir fehen werden - vielfach berechtigte Rritik nicht verfehlt.
bei der Erörterung von Einzelproblemen große Beachtung
zu finden. Ikonnte nach alledem der füdweftdeutfche Reu-
kantianismus eine eigentliche Rechtsphilofophie nicht begrün-
den. fo konnte er auf der anderen Ieite durch fein Einmünden
in den Rechtspofitivismus und feine Tendenz. philofophifche
Fragen in methodologifche Fragen aufzulöfen. die M e t h o-
denlehre der pofitiven Rechtswiffenfchaft
fördern und anregen. Und das hat er -troßdem die fcharfe
Icheidung von generalifierender naturwiffenfchaftlicher und
idiographifcher. auf werte beziehender kulturwiffenfchaftlicher
Forfchung für die Rechtswiffenfcljaft eigentlich keinen metho-
dologifchen Ort ließ1 - feit Rickerts kurzen Bemerkungen
über den juriftifch-en Begriff in feiner „Lehre von der Defini-
tion" unzweifelhaft getan.
Hier konnte der Reukantianismus bereits an Traditionen
anknüpfen. die bis in die fpekulative periode zurückreichen. Die
„Reduzierung aller Rechtsbeziehungen auf willensverhältniffe“
l Auch Lasks verfuch nach diefer Richtung dürfte mehr die Ichwie-
rigkeiten gezeigt haben als eine Löfung darftellen.
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war einer der Beftandteile der kantifchen Rechtslehre. Das war.
wie wir noch im einzelnen fehen werden. bei Rant als eine
„objektive Ordnung" von „intelligibelen" willensverhält- .
niffen gemeint. wurde aber in der Hegelfchen Rechtsphilofophie
zur „Thefis" des bloß „abftrakten Rechts" umgedeutet. wie die
kantifche „Moralität" zur „Antithefis" der bloß „fubjektiven".
letztlich im probabilismus ausmündenden „Moralität" umge-
deutet war. die beide in der Ignthefis des „objektiven Geiftes"
„aufgehoben“ fein follten. wir werden fehen. wie ganz anders
Rant das verhältnis von Legalität und Moralität gefaßt hatte.
aber auch wie der Reukantianismus eine ganz ähnliche Um-
deutung der kantifchen Metaphgfik der Iitten vornahm.
freilich ohne den „objektiven Geift" Hegels mit zu übernehmen
oder durch etwas anderes zu erfeßen. Durch diefe Hegelfche
Umdeutung der kantifchen Legalität zur „Abftraktheit" des
Rechts war die objektive Ordnung der willensverhält-
niffe zu einem abftrakten willensformalismus ge-
worden. durch den Hegel auf die pofitiviftifche Rechtsdogmatik
einen gewaltigen. bis heute fortwirkenden Einfluß ausgeübt
hat. Io fand der Reukantianismus. infolge feiner analogen
Umbiegung Rants vom Metaphgfifcljen ins Abftrakt-Formale.
in der Rechtsdogmatik Anfchauungen vor. die ihm entfprachen.
Auch Iavigng und Itahl find von diefen Beftandteilen des
hegelifch umgedeuteten kantifchen Denkens nachhaltig beeinflußt
gewefen und haben fie über puchta und Bruns auf windfcljeid
und Thoel der ziviliftifchen. über Zoepfl und H. A. Zachariä auf
Gerber und Laband in der publiziftifchen wiffenfchaft vererbt 1.
vor allem durch Iherings klaffifch gewordene Lehre von der
juriftifchen Begriffsbildung ift diefe formaliftifche Rechts-
dogmatik über Zitelmann und Iellinek auf unfere Tage ge-
1 vgl. mein Ueber den Begriff des Organismus I. 18 fg..
22fg.. 26 fg.. 31 fg. -- und m ein verwaltung. verwaltungsrecljt im.
wörterbuch des Itaats- u. verw.R. Bd. lll. I. 717.
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kommen und beherrfcht die juriftifchen Difziplinen um fo mehr.
je mehr fie fich - unzweifelhaft durch diefen Rechtsformalis-
mus beftärkt - zu rein „fgftematifchen". von der rechtsge-
fchicljtlichen wurzel gelöften wiffenfchaften entwickelt haben.
die auf ihre ftreng „juriftifche" Methode ftolz find. Zwifchen
diefer Methode und dem Reukantianisrnus beftand fo nicht
nur eine hiftorifche verbindung. fondern auch eine innere
fachliche wahlverwandtfchaft: kein wunder. daß er ihr daher
nicht nur hervorragende Helfersdienfte und Itüßen geliefert.
fondern auch feinerfeits die markanteften Leiftungen auf
dem Gebiete der Methodik der pofitiven Rechtsdogmatik
aufzuweifen hat. Der Gegenfaß von Iein und Iollen. von
genetifcher und normativer Betrachtung. von abftrakter Form
und konkretem Inhalt. den er für die philofophifche Iphäre zum
Ausgangspunkte genommen hatte. legte zum mindeften den
Gedanken einer „Analogie" und eines „parallelismus" zu dem
verhältnis von Rechtsfaiz. und fozialer wirklichkeit nahe. bei
dem die füdweftdeutfche Rechtsphilofophie im allgemeinen
ftehenblieb. während bei Iellinek. Riftiakowski und vor allem
bei Relfen die pofitive Rechtswiffenfchaft felbft geradezu zur
„Rormwiffenfchafü wurde, Die Rechtsdogmatik fuchte fich
dementfprechend immer mehr nicht nur von der „bloß" „geneti-
fchen" und „kaufalen" Rechtsgefcljichte zu emanzipieren und auf
eigene Füße zu ftellen. fondern fah auch ihren Itolz darin. die
juriftifchen Begriffe dadurch zu wirklich „juriftifchen" zu machen.
daß fie nur folche Elemente in ihnen duldete. die von dem
..fozialen Iubftrat" und anderen „metajuriftifchen" Faktoren
nichts mehr enthielten. daß diefe von allen außer-„juriftifcljen"
Beftandteilen „gereinigt" wurden und ein formal-„juriftifcljer“
purismus als leßtes Ziel und höchfte Mode erfchien. Lask hat
zwar auf manche darin liegenden Gefahren und meift überfehene
probleme fcharffinnig aufmerkfam gemacht. aber grundfätzlich
hat auch er diefen purismus der Iurisprudenz als „formalifti-
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fcher Rulturwiffenfchaft" nicht nur gebilligt. fondern als Ideal
der juriftifchen Begriffsbildung hingeftellt. Es ift vielfach als
fo felbftverftändliche methodologifche Grundlage der Rechts-
dogmatik angefehen worden. daß die „Reinigung" geradezu
zum Ielbftzweck wurde und man völlig aus den Augen verlor.
daß es fich doch nur um eine Reinigung für die Zwecke der
„Rechts"anwendung handelt. und daß der Rechts gedank e.
alfo ein fpezififcher w ertgedanke dabei nicht zu kurz kom-
men darf. ,
Unter Billigung von Relfen hat Laband fogar den „Zweck"
der Rechtsinftitute als außerhalb der ftreng „juriftifchen"
Begriffsbildung liegend betrachtet. Die elegante formale
„RonftruktionK die begriffsfcharfe Antithefe. die formale
Igftematik und Lilaffifikation als folche treten bei vielen. und
nicht den unbekannteften Ramen fo allein dominierend in den
vordergrund. daß jeder. der auch mit foziologifchen. pfgcho-
logifchen. ethifchen und hiftorifchen Aategorien arbeitete. als
nicht „juriftifch" abgelehnt wurde; ja man konnte fich vielfach
des Eindrucks nicht erwehren. daß aus dem Bedürfnis nach
„juriftifcher" Reinheit die Iurisprudenz eine „Rechtswiffen-
fchaft ohne Recht" geworden war1. Die Rechtswelt erftarrte
und verfteinerte. das Denken über Rechtsprobleme wurde r ein
ft a t i f ch . wie das der exakten Raturwiffenfchaften: verhäng-
nisvoll überall. politifch gefährlich geradezu für das ftaats-
rechtliche Denken. Die „juriftifche" Reinheit war zu einem
Fetifch geworden. dem man opferte. und den man fo laut und
pathetifch pries. daß man darüber gar nicht merkte. daß von
der Rechtsidee nichts mehr in den entleerten Begriffsformen
übriggeblieben war. Die Mahnungen Gierkes wurden überhört
und der große Iurift als Richt-„Iurift". als Metaphgfiker und
Mgftiker beifeitegefchoben. und Haenels polemik gegen den
formalen Rechtsbegriff und feine kkonfequenzen von der herr-
1 vgl.-61311s1113 I. 128/9 und das I. 50 Rote 1 Zitierte.
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fchenden LabandfchenIchule befpöttelt. Den Reukantianismus
trifft die große Ichuld. alledem nicht nur nicht entgegengetreten
zu fein. fondern es geradezu gedeckt zu haben. war doch auch
- wie wir fahen - f e i n pathos der reinen und rationalen
Formen zu einem hohlen und unglaubhaften geworden. und
hatte doch auch er die formale Rechtsidee in eine fo abftrakte
Höhe verfeßt. daß er fie vor dem Eintritt in die Iphäre der
Methodik des Rechtspofitivismus „verabfchieden" und aus-
drücklich „ignorieren" mußte. Bei Eohen wird geradezu der
Rechtsformalismus zum „methodifchen vorbild" der Ethik des
reinen wollens. zum „Igmptom feiner abfoluten werthaftig-
keit. feiner Reinheit. feines Apriorismus", Relfens „norm-
logifche" Energie ift tief im , Reukantianismus verwurzelt.
Io hatte diefer nichts in fich. was er folchem Treiben gehaltvoll
entgegenftellen konnte. Aber diefes völlige verfagen gegen-
über dem pofitiviftifchen Rechtsformalismus ift noch tiefer
begründet. in dem Rechtsbegriff felbft. Denn gerade. auch
wo er fich unter Befinnung auf den Rechtsbegriff über die
Auslefeprinzipien klar werden wollte. nach denen jener
Reinigungsprozeß vorzunehmen fei. wurde er infolge eben diefes
Rechtsbegriffes immer tiefer in eine Formalifierung und Ent-
feelung der juriftifchen Begriffe verftrickt.
Die neukantifche Rechtsidee ift freilich durchaus nicht
identifch mit der kantifchen. wenn das auchwieder den Reu-
kantianern vielfach nicht zum Bewußtfein kommt. Rant hatte
zwar auch feine Iittenlehre. feine „Metaphgfik der Iitten"
dualiftifch aufgebaut. die Tugendpflichten den Rechtspflichten.
die Moralität der Legalität. die autonome der heteronomen
Gefeßlichkeit. die moralifche Freiheit den rechtlichen Zwangs-
gefeßen. die Regeln des inneren denen des äußeren verhaltens
gegenübergeftellt. Der Reukantianismus übernahm diefen
Dualismus. aber er wandelte ihn zugleich um. indem er -
feinem Beftreben. Rant zu entmetaphgfizieren und ins Formale
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-i„„, .4
umzudeuten entfprechend - die Rantifche Ethik als forma l e
G efinnung s ethik auffaßte und die formalen Begriffe der
pflicht und der fittlichen Autonomie zu den einzig e n
Tragepfeilern der Ethik machte: ganz wie Hegel auf der „Itufe"
der „fubjektiven Moralität". Diefe formalen Begriffe follten
wieder als normative Beurteilungsmaßftäbe dienen. was
unmöglich ift. da Inhalte nie an einer Zorm gemeffen werden
können. Die Zormalifierung der Ethik entwertete zugleich auch
das Recht. Denn das Recht konnte feine Inhalte nun nicht mehr
aus der ja rein formal gewordenen Iittlichkeit erhalten und
mußte fo zu einem bloßenMittel für die Zwecke der formalen
Iittlichkeit herabfinken: zu einer „empirifchen Mafchinerie".
welche die äußeren Bedingungen ficherftellt. die den Individuen
ein fittliches Leben ermöglichen. Das führte zugleich oft dazu.
daß das Recht „gänzlich aus der wertfphäre herausfiel": was
Rechtsnorm ift. ließ fich nur formal beftimmen. als das. was
der Itaat als Rechtsnorm vorfchreibt. als das äußere ver-
halten. welches er „gebietet" oder „verbietet" und nötigen-
falls „erzwingt". Die Rechtsnorm ift kr a ft ihr e r fo r-
m a l e n A u t o r i t ä t verbindlich: hatte doch auch Rant.
troßdem er ein begeifterter Bewunderer der franzöfifchen
Revolution war. die klaffifche widerftandslehre aus for-
malem Rigorismus abgelehnt. jedes Rot- und widerftands-
recht (jedes Recht auf Revolution und Rrieg) beftritten
und fich den formalen obrigkeitsftaatlichen Rechtsbegriff des
Abfolutismus zu eigen gemacht. Auch wo der Reukantianismus
Rant hierin nicht folgte und den Rechtsbegriff anders be-
ftimmen wollte. mußte er fich doch. wenn er konfequent bleiben
wollte. mit einer formalen Rechtsbeftimmung begnügen:
Recht fei. was von den Rechtsgenoffen „anerkannt" werde.
Das „Rechtliche" am Recht. das was eine „anerkannte" oder
„befohlene" erzwingbare Rorm inhaltlich zu einer rechts-
gemäßen machen muß. ift fo überall durch die allein maßgeb-
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lichen formalen Begriffselemente verdrängt. die Rechtsidee
durch die Betonung der bloßen Legalität. Erzwingbarkeit. äußer-
lichen Regelung. Heteronomie lediglich n e g a t i v beftimmt.
Es ift das große verdienft von Itammler. dies gefehen und den
verfuch gemacht zu haben. den Iinn des Rechtsgedankens pofitiv
zu beftimmen. Dadurch. daß aber auch er dem neukantifchen
Glauben huldigte. einen objektiven Beurteilungsmaßftab formal
beftimmen zu können. wurden feine Grundfäße des richtigen
Rechts und fein formales „foziales Ideal" zu bloßen Tauto-
logien. Der einzige verfuch von neukantifcher Ieite. das
Recht nicht bloß negativ und formal. fondern inhaltlich zu be-
ftimmen. ift die Bezeichnung des Rechts als „ethifches Mini-
mum". Diefe von Iellinek geprägte Formel ift von Lask und
windelband akzeptiert worden. Aber ganz abgefehen davon. daß
folche ethifche Gradation zwifchen Maximum und Minimum
unmöglich ift und das wefen des Rechts ebenfo verfälfcht wie
das der Ethik. liegt in diefer Begriffsbeftimmung ein wider-
fpruch zu der Auffaffung der Ethik als formaler Gefinnungs-
ethik: fie feßt voraus. daß es beftimmte ethifche Inhalte gibt.
ohne zu fagen. worin die liegen und woher fie ftammen. D.er
neuefte Rechtsphilofoph der füdweftdeutfchen Richtung. Binder.
hat fie daher auch. durchaus konfequent. abgelehnt 1.
wenn der Reukantianismus konfequent Moralität u n d
Legalität formalifiert. fallen Recht und Iittlichkeit vollkommen
auseinander. fie werden zu zwei inhaltlich und formell getrennten
Iphären. die nur durch den abftrakten Allgemeinbegriff des
„praktifchen" verhaltens von Menfchen untereinander verbun-
den find. Und wenn fie zu inhaltlich gleichem verhalten ver-
pflichten. fo muß das als unbegreiflicher Zufall erfcheinen. Die
1 Um fie freilich neueftens in der Ichrift über „Recht und Macht"
doch anzunehmen. Hier wird das Recht zugleich als eine „Ignthefe
von Macht und Iittlichkeit" charakterifiert: was das jedoch bei einer
formalen Gefinnungsethik bedeuten kann. ift unverftändlich.
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formale Gefinnungsethik ift zwar formal rigoriftifch. aber inhalt-
lich relativiftifclj. ja anarchifch und probabiliftifch; die formale
Legalitätslehre radikal autoritär. wenn anderfeits die ver-
bindung des Rechts mit der Iittlichkeit dadurch hergeftellt wird.
daß das Recht zu einem bloßen Mittel zurHerftellung der
äußeren Bedingungen für die Entwicklung der ethifchen perfön-
lichkeiten gemacht wird. wird das Recht jedes eigenen wertes be-
raubt und zur bloßen. fozialen Technik. ohne geiftigen Gehalt ge-
macht, wenn endlich die Befolgung der Rechtsnormen zur fitt-
lichen pflicht erhoben. das Recht alfo dem ethifchen Individuum
ins Gewiffen gefchoben wird. dann wird der ganze Inhalt der
Legalitätsnormen zur fittlichen pflicht und die autonome Frei-
heit der Moralität erdroffelt. Das find die unhaltbaren Ronfe-
quenzen. zu denen die neukantifche Rechtslehre mit ihrem
Dualismus von Legalität und Moralität unweigerlich getrieben
wird. wenn fie nicht mit Itammler das Recht zum allein be-
ftimmenden und bedingenden Zormwert für das foziale Leben
erheben und damit die Moralität auf die bloße „Bearbeitung
der w ü n f ch e n d e n Gedanken" befchränken und fo jeder
Tendenz auf ein Handeln berauben will: lediglich die „Frage
des Zürnens" ift für Itammler eine ethifche Frage. „die des
Tötens" dagegen nur eine rechtliche.
Diefer fchroffe und durch nichts überbrückbare Dualismus
zwifchen Moralität und Legalität. der für alle Formen der
neukantifchen Rechtslehre charakteriftifch ift. befteht nun wieder
bei R a nt nicht. der im begrifflichen „Trennen" immer nur eine
erfte. aber nicht die leßte Aufgabe fah und als wirklicher philo-
foph das unter beftimmten Gefichtspunkten Auseinander-
gedachte metaphgfifch zufammenhielt. Die noumenale. intelli-
gibele welt der Iittlichkeit ift der gemeinfame Boden. auf dem
Moralität und Legalität erwachfen. in dem fie beide ihren
„Urfprung" haben. Auch das Recht gehört zur „fittlichen"
welt. zum „Reiche der Freiheit": die „Rechtslehre" ift der erfte
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Teil der „Metaphgfik der Iitten". Und dies noumenale Reich
der Freiheit ift ihm keine welt formaler werte. fondern ein
Rosmos pofitiver Inhalte. inhaltlicher Ideen: eine „intelligibele
Ordnung der Dinge". kein abftraktes Igftem von
formalen Iollungen und Rormen. von bloßen Gültigkeiten.
Zwar kann die theoretifche. „fpekulative vernunft" dies Reich
nicht gegenftändlich „erkennen"; aber diefe welt mitihrer intelli-
gibelen Ordnung der Dinge befißt darum doch eine „unbezweifel-
bare" „objektive Realität". wenn die theoretifche vernunft daher
auch diefe Ordnung nicht als Gegenftände erkennen kann. fo kann
fie aber anderfeits ihre objektive Gegenftändlichkeit auch nicht
leugnen: beides wäre die gleiche Grenzüberfchreitung der Ipeku-
lation. Iie muß diefer. „objektive Realität" befißenden welt viel-
mehr einen „plaß offen laffen". ift fie doch felbft leßtlich in ihr ver-
ankert. Denn auch ihr „Itreben" zum „Unbedingten" ift legitim.
kann fie doch ohne dies auch nicht die phänomenale welt erkennen.
da ohne den regulativen Gebrauch der in jener intelligibelen welt
beheimateten „vernunftideen" auch eine Erkenntnis der Er-
fcheinungswelt nicht möglich wäre. wenn auch unfere theoretifche
vernunft die noumenale Ordnung nicht „erkennen" kann.
fondern nur die phänomenale. fo ift doch diefe nicht „meta-
phgfifclj" von jener getrennt. fondern eben „ihre" Erfcheinung.
Im orclre nature] des Dinges an fich wirkt fich nicht nur der
„Raturmechanismus" der gefchicljtlichen Entwicklung aus. den
die theoretifche vernunft zwar nicht „gegenftändlich" erkennen
kann. den wir aber nach den regulativen und heuriftifchen
prinzipien der teleologifchen Urteilskraft bei der Erforfchung
der gefchichtlichen welt nachkonftruieren können; fondern in
ihm find auch die fittlichen Gefeße als eine objektive Ordnung
metaphgfifch verankert. fo daß der Zufammenhang beider
Gefeßlichkeiten zwar von der theoretifchen vernunft nie als
„Gegenftand" erkannt werden kann: er ift aber in der welt-
ordnung. die eben wegen der „Iittlichkeit" der „intelligiblen Ord-
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nung der Dinge" eine fittliche weltordnung ift. metaphgfifch
garantiert. Hier klafft nichts bloß abftrakt-begrifflich-dualiftifcl;
auseinander. Da nun die fittliche welt eine „Ordnung der Dinge“
ift. find die „moralifchen Gefeße" die Ordnungsgefeße
.diefes „Reiches der Freiheit". die nicht nur für die Menfchen
gelten. fondern für alle „vernünftigen wefen überhaupt".
.Und diefe „moralifchen Gefeße" bilden ebenfo den Inhalt der
„Rechtspflichten" wie der „Tugendpflichten". Ift es doch eine
dem Menfchen geftellte Aufgabe. ein „fittliches" Reich der Frei-
heit zu verwirklichen. d. h. die objektive „Ordnung" des „Reiches
der Freiheit" in das „Reich der Ratur" einzubilden: wobei das
wort „fittlich" v o r der Unterfcheidung von Moralität und
Legalität fteht und eine durch „allgemeine Gefeße". die „mo-
ralifchen Gefeße". geregelte „Ordnung" bedeutet. Die Grund-
frage fowohl der Rechtslehre wie der Tugendlehre ift daher.
ob man in einer welt leben kann. in der ein beftimmtes ver-
halten zu einem „allgemeinen Gefeß" erhoben werden.
in der* betrogen. geftohlen. unterfchlagen werden darf. Als
„objektive Ordnung" unterfcheiden fich die Rechts- und die
Moralordnung nicht. fie haben beide denfelben Inhalt. Legalität
und Moralität unterfcheiden fich nur im „Motiv“. im „Beftim-
mungsgrund des willens". in der „Triebfeder". Rants Ethik
ift nicht. wie die neukantifch-füdweftdeutfche und die „Itufe"
der bloß fubjektiven Moralität bei Hegel. bloß formal rigoriftifch.
fondern auch m at er i e ll ri go rifti f ch. „ Das moralifche Gefetz
in mir" ift nicht das formelle pflichtgefeß. fondern das materielle
Gefeß. das die Ordnung der Dinge in der intelligibelen welt
beherrfcljt: wie ja auch „der Iternenhimmel über mir" nicht
die abftrakte formale Raturgefeßlichkeit. fondern die materiellen
Ordnungsgefeße der natürlichen welt meint. Rant fpricht von
dem ethifchen und natürlichen „Rosmos". Für Rant ift in der
Tat der gefamte Inhalt der Rechtspflichten zugleich Inhalt der
Tugendpflichten. der Inhalt der Legalität auch Inhalt der
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Moralität.
Die Moralität hat „mit dem Rechte pflichten.
aber nur nicht die Art der verpflichtung gemein". Die „mo-
ralifchen" Beifpiele. die Rant gibt. find darum nicht zufällig
dem Rechtsgebiet entnommen. Und es erhellt. wieweit fich
der füdweftdeutfche Aantianismus. ohne es zu bemerken. von
Rant entfernt hat. wenn z. B. Binder im Hinblick auf die
kantifchen Formeln der Legalität und Moralität findet. daß
„man wird kaum daran zweifeln wollen. daß in wahrheit eine
begriffliche Unterfcheidung zwifchen beiden nicht befteht".
Und doch findet fich in der einen Formel das wort „Maxime".
das in der anderen fehlt. In der „Maxime" des Handelns. der
..Triebfeder". dem „Beftimmungsgrund des willens" liegt
in der Tat allein der Unterfchied von Legalität und Moralität.
„ Die Ethik gibt nicht Gefeße für die Handlungen. denn das tut
die Rechtslehre. fondern nur für die Maximen der Hand-
lungen -"; „das Rechthandeln mir zur Maxime zu machen.
ift eine Forderung. die die Ethik an mich ftellt". Die befonderen
„Tugendpflichten". die in der Metaphgfik der „Iitten" neben
den „Rechtspflichten" entwickelt werden. find alles nur pflich-
ten für die „Triebfedern". die „Beftimmungsgründe" des
wollens: Ielbfterhaltung. wahrhaftigkeit. Liebespflickjten. Ach-
tungspflichten ufw. Und wenn fowohl in der Moralitäts- wie
in der Legalitätsformel das Zufammenbeftehen der eigenen
Freiheit der willkür mit der aller anderen „nach einem all-
gemeinen Gefeize" vorkommt. fo ift eben damit auf den gemein-
famen Inhalt beider. die objektive Ordnung der moralifchen
welt verwiefen. der beide Iphären zufammenhält. Der Be-
griff des Guten und Böfen kann eben nach Liant „nicht v o r
dem moralifchen Gefeß (dem er dem A n f ch e i n. nach fogar
zugrunde gelegt werden müßte). fondern nur nach dem-
felben und durch dasfelbe beftimmt" werden: auch die
Moralität feßt das „moralifche Gefeß". das die intelligibele
Ordnung der Dinge beherrfcht. voraus. Iie unterfcheidet fich
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nur dadurch von der Legalität. daß für fie dies Gefeß nicht bloß
Beurteilungsnorm. fondern zugleichauch Beftim-
m u n g s g r u n d ift. wenn das „Gefeß" auch „Triebfeder"
und „Maxime" ift. ift der wille „moralifch"; wenn es bloß Beur-
teilungsnorm ift. ift der wille nur" „legal". Der „formale" Rigo-
rismus der kantifchen Ethik liegt darin. daß jede Befolgung der
moralifchen Gefeße. die nicht darauf beruht. „daß das moralifche
Gefeß unmittelbar den willen beftimmt". die „von dem
Zwecke" der Handlung. ftatt von dem Gefeße als folchem
„ausgeht". die nicht „eine wirkung überlegter. fefter und immer
mehr geläuterter Grundfäße" ift. bloß legal ift. Denn dannift der
wille „empirifch". „pathologifch affiziert". Auch wer aus „Ge-
wohnheit". aus Furcht vor himmlifcher Itrafe. aus „Fertigkeit"
das moralifche Gefeß befolgt. handelt nur legal: „der Beftim-
mungsgrund des willens ift nicht in die intelligib ele Ordnung der
Dinge verlegt." wer dagegen die R e chts pflichten befolgt. weil
er fich das „Rechthandeln" zur „Maxime" gemacht hat. handelt
„moralifch"; denn die Triebfeder feines willens ift dann das mora-
lifche Gefeß. alfo nichts Empirifches. fondern etwas Intelligibeles.
Der Rechtszwang ift gerechtfertigt und nötig. weil man mit
der Errichtung des Reiches der Freiheit nicht „warten" kann.
bis die Triebfedern aller Menfchen nur im Roumenalen ver-
ankert find.
Trotz gelegentlicher peffimiftifcher Aeußerungen ift Rant
feft überzeugt. daß die wachfende „Aufklärung". die harte
rigoriftifche Ichule des friderizianifchen Abfolutismus und
der gewaltige Zortfchritt durch die franzöfifche Revolution (die
beiden großen Erlebniffe des philofophen. auf die er ftets
exemplifiziert). aber auch der Freihandel die Menfchheit diefem
Ziele immer näher bringen werden, *Das Entfcheidende bleibt.
daß man „von feiner vernunft in allen Itücken öffentlichen
Gebrauch" machen darf. daß die „publizitöt" überall gewahrt
bleibt; denn dadurch werden alle Dinge zur öffentlichen Dis-
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kuffion vor dem „eigentlichen publikum. nämlich der ganzen
welt". vor der „weltbürgergefellfchaft" geftellt und einem
Forum von „Gelehrten" unterbreitet. die der vernunft zum Iiege
verhelfen werden. Daß ein „publikum fich felbft aufkläre". ift
ihm nicht nur „möglich"; „ja es ift. wenn man ihm nur Frei-
heit läßt. beinahe unausbleiblich". Io ift für Rant der Dualis-
mus von Legalität und Moralität leßtlich auch formal nur ein
vorläufiger. zur Aufhebung in der reinen Moralität beftimmter:
in und hinter der Erfcheinungswelt fteckt das Ding an fich als
fittliche welt; der Menfch ift ein Bürger beider welten; und
der „Raturmechanismus" der pragmatifchen Gefchichtsentwick-
lung. deffen Zufammenhang mit jener noumenalen Ordnung
nicht erkennbar ift aber objektiv befteht. bewirkt von felbft.
- vor allem durch die Rot und durch Rriege. - daß diefe hinter
den Erfcheinungen fteckende fittliche Ordnung immer mehr „aus-
gewickelt" wird. Man fieht auch hier wieder. wie das Ding an
fich das Rernftück des kantifchen Denkens. das unentbehrliche
verbindungsglied zwifchen den Elementen feines Igftems ift.
Ieine Itreichung läßt nur die cijsjeoba rnernbra der neukantifchen
philofophie übrig. die höchftens durch „die Lift der vernunft“
notdürftig zu einem Ganzen wieder zufammengefügt werden
können. Die Entmetaphgfizierung und Formalifierung Rants
durch den Reukantianismus und die vermeintlich von Rant inau-
gurierte Auflöfung der philofophie in Erkenntnistheorie oder ihre
Bafierung auf Erkenntnistheorie morden die Ieele der kantifchen
Ipekulation; fie laffen nicht feinen Geift. fondern ein unheimliches
Gefpenft in feinem Gewande unter uns umgehen. Auch in der
. Hegelfchen Rechtsphilofophie. die - wie wir fahen - von der
Antithefe des abftrakten Rechts und der fubjektiven Moralität
ausgeht. wird diefer Dualismus dialektifch überwunden und
aufgehoben in der Ignthefis des objektiven Geiftes. in der der
abfolute Geift fich gewiffermaßen foziologifch-hiftorifcl) offen-
bart.
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Es erfchien notwendig. hier den wirklichen Rant etwas
ausführlicher zum worte kommen zu laffen. nicht weil es
wünfchenswert oder auch nur möglich wäre. zu ihm zurück-
zukehren: das deutfche volk hat im 19. Iahrhundert zu viel
„erlebt". als daß ihm diefe philofophie. - die doch wohl im
leßten Grunde mehr das Ende einer großen Geiftesbewegnng
als der Anfang einer neuen ift. - heute mehr fein könnte als
eines der erhabenften weltbilder. das der deutfche Geift in be-
ftimmter gefchichtlicher Lage gezeichnet hat. Gerade das follte bei
der Befchwörung feiner Manen empfunden werden. In unferem
Zufammenhange kam es aber vor allem darauf an. bewußtzu-
machen. wie eine wirkliche philofophie ausfieht. in der der
Dualismus von Moralität und Legalität eine Itätte hat; denn
die Entleerung der kantifchen Iittenmetaphgfik von Metaphgfik
und von inhaltlichen werten. leßtlich von geiftigem Gehalt.
hat das philofophifche Gefühl fo abgeftumpft und denaturiert.
daß man feine Iittenmetaphgfik gar nicht mehr verftand und
ihm ein farblofes und unphilofophifches Ichemen imputierte.
für das er nichtverantwortlich gemacht werden kann. Endlich
aber kam es darauf an. begreiflich zu machen. warum die um-
gebogene und entgeiftigte Rechtsidee des Reukantianismus
als Auslefegefichtspunkt für die Elemente. die als „wefentliche"
in die echten Rechtsbegriffe aufzunehmen feien. die Rechts-
begriffe geiftig entleeren. ja geradezu rechtlich denaturieren.
warum die unter dem Zeichen d i e f er „Rechtsidee" ftehende
juriftifche Begriffsbildung die Rechtswiffenfchaft ebenfo zu
einer „Rechtswiffenfchaft ohne Recht" machen mußte. wie wir
die neukantifche Erkenntnislehre als eine wahrheitstheorie
ohne wahrheitsbegriff bezeichnen mußten.
wenn man das wefen des Rechts nur formal und negativ
beftimmt als heteronom. als gebietend und verbietend. als das
von den Rechtsgenoffen Anerkannte. als Zwangsvorfchriften.
als bloß äußerliches verhalten fordernd. dann müffen in der
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Tat alle Merkmale. die über diefe Beftimmungen hinaus-
gehen. als rechtsfremde aus den juriftifchen Begriffen aus-
gefchieden werden. Und da in diefen die *Rechtsidee kon-
ftituierenden Merkmalen nichts von Gerechtigkeit. nichts von
dem Inhalt der fpezififch rechtlichen Ordnung gerade als
rechtlicher Ordnung. nichts von der Funktion des Rechts
für die Rechtsgemeinfchaften. nichts*von den Beziehungen
des Rechts zum fozialen Leben und zu den anderen Mächten
des geiftigen Dafeins. nichts von dem Herauswachfen des
Rechts aus den foziologifchen Gegebenheiten und Geftal-
tungen. von feinen hiftorifchen und foziologifchen Bedingt-
heiten fteckt. fo müffen natürlich alle diefe Beziehungen und ver-
webungen als nicht-rechtliäje. als metajuriftifche Beftandteile
aus den juriftifchen Begriffen verwiefen werden: das ift ein
Gefeß der Begriffslehre. Und es ift wahrlich kein Zeichen be-
fonderer Rlugheit oder Begriffsklarheit. wenn .man dies
Runftftück nun überall vollzieht und dem. der fich weigert.
d i e f e n Reinigungsprozeß vorzunehmen. weil für ihn auch
jene mannigfaltigen Beziehungen und verwebungen mit zum
wefen des Rechts gehören. begriffliche Unklarheit und
„Methodenfgnkretismus" vorzuwerfen. Hinter folchem puris-
mus fteckt das rationaliftifche vorurteil. daß das „Einfache"
zugleich das methodifch wertvolle. oft fogar geradezu. daß es
das metaphgfifch wertvolle fei. was bei der Hgpoftafierung
methodifcher und erkenntnistheoretifcher Begriffsbildungen
ins Metaphgfifche vielfach ineinander übergeht. Die denk-
und wertökonomifchen prinzipien Relfens find von folchen
rationaliftifchen vorurteilen ebenfo beherrfcht wie Rickerts
Lehre von der naturwiffenfchaftlichen Begriffsbildung. deren
„Ideal" möglichfte „ vereinfachung" der wirklichkeit ift. Dadurch
werden natürlich die Raturwiffenfchaften. die nicht bis
zur weiteftgehenden Auflöfung der Qualitäten in quantifizier-
bare Elemente fortfchreiten. zu weniger vollkommenen Uatur-
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wiffenfchaften. Als ob nicht jede Raturwiffenfchaft ihr fpezi-
fifches. und damit einen fpezififchen Eigenwert befißendes.
Begriffsbildungsprinzip hätte! Auch die am meiften» das
Qualitative „zerfällenden" Raturwiffenfchaften nehmen diefen
prozeß natürlich zu beftimmten Erkenntniszwecken vor: der
Reduktion der wirklichkeit auf meßbare und wägbare Größen.
Und das Meffen und wägen ift ein ganz konkreter. neben
anderen konkreten. relativ ebenfo berechtigten ftehender
Erkenntniszweck: nicht um j11 abstraoto zu „vereinfachen".
zerfällen einige Raturwiffenfchaften die bunte Mannigfaltigkeit
in Atome. fondern um gewiffe Teile derfelben meffen und
wägen zu können. Das Meffen und wägen kann aber nur für
den eine vorzugsftellung unter den menfchlichen Zwecken
einnehmen. der von der alten rationaliftifchen vorftellung.
. .» daß die Mathematik das „methodifche" vorbild aller wiffen-
fchaften fei. oder gar uns das „wefen" der Dinge enthülle.
noch nicht frei ift. Relfen vergleicht ganz konfequent die
Rechtswiffenfchaft mit der Geometrie. Es war eine feine Be-
obachtung. wenn Hatfchek von der „naturwiffenfchaftlichen
Begriffsbildung" im Rickertfchen Iinne bei der Rechtswiffen-
fchaft fprach und „Grenzen" diefer B*egriffsbildung forderte:
ob er nicht noch weiter hätte gehen und ihr Ende hätte fordern
müffen? “
Es ift die für jeden Rationalismus charakteriftifcije Ein-
dimenfionalität des Denkens. die fich in diefer Ten-
denz zum „Einfachen" dokumentiert. Io wird Erklären nicht
nur zu vereinfachen. fondern zu möglichft ftarkem vereinfachen.
Gewiß ift jedes Erkennen. jedes Handeln. jedes Geftalten ein
vereinfachen: eine Rettung aus der erdrückenden unendlichen
Mannigfaltigkeit des Ieins. der verwobenheiten. der Gefichts-
punkte. eine aus dem tiefften Einheits- und Rraftzentrum der
I e e l e notwendige Ielbftbefreiung aus der abfoluten Lähmung.
in die uns die abfolute Unendlichkeit der Tatfachen und Ein-
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ftellungsmöglichkeiten verftricken müßte. Aber es ift fubftanz-
lofer Rationalismus. wenn das vereinfachen zum Ielbftzweck
wird. und nicht ein aus den konkreten [löten der Ieele ge-
borener Zwang zu adeliger Härte gegen fich felbft und gegen
die welt bleibt. der zum Ichaffen und Geftalten. zur verein-
fachenden Ronkretifierung drängt. weil ohne fie die metaphgfifche
Iubftanz der Ieele in der empirifchen Unendlichkeit verloren-
gehen würde. wo diefe metaphgfifche Iubftanz fehlt und damit
die konkreten Röte der Ieele. aus denen fich die geftaltenden
vereinfachungen löfen. nicht empfunden werden. wird das
vereinfachen zum leeren und abftrakten vereinfachen als
folchem. zur mechanifierenden und zerfeßenden Rationalifie-
rung. die einen Halt nirgends finden kann und erft zur Ruhe
kommt. wo das vereinfachen nicht mehr weiter getrieben
werden kann: im eindimenfionalen Denken. das als wertvoll
erfcheint nicht wegen der befonderen und konkreten Form-
werte. die gerade auch das Eindimenfionale hat. fondern weil
eine leer gehende Ieele vorher keinen Halt finden. und weil
es nicht mehr überboten werden kann. Der metaphgfikfreie
Reukantianismus ift fubftanzlofer Rationalismus. Ihm eignet
daher notwendig jener Ianuskopf. deffen eine Gefichtshälfte
die Züge eines fchrankenlofen Empirismus. und deffen
andere die eines ebenfo fchrankenlofen Formalismus trägt: er
kann dem alles erdrückenden Empirismus nur die abfolutefte
Eindimenfionalität einer abftraktiv gewonnenen rationalen
Zormenwelt gegenüberftellen.
Als tgpifch rationaliftifch erfcheint darum auch die für
den Reukantianismus charakteriftifclje Reduzierung auf ein-
... 7.,-,
dimenfionale Beziehungen: kaufale Beziehungen. teleolo- *
gifche Beziehungen. wertbeziehungen. begriffliche Antithefen.
dualiftifche Gegenüberftellungen. Die Rategorie der „wech-
felwirkung" fpielt keine Rolle: Radbruch ift daher echter
Reukantianer. wenn er aus dem inftinktiven Gefühl. daß er
SrichAaufmanmAritiL. 5
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fie für fein tgpifch eindimenfionales Denken nicht braucht.
ja daß fie es geradezu gefährden müßte. ablehnt und
ausdrücklich ausfcheidet. Ebenfo charakteriftifch ift. daß der
Reukantianismus. fofern er doch - wie ja bei der „Unver-
meidlichkeit" der Metaphgfik felbftverftändlich ift - unbewußt
Metaphgfik treibt. gerade folche* eindimenfio-
n a l e n B e z i e h u n g e n hgpoftafiert: der fchroffe meta-
ph g fi f ch e Dualismus. auf dem feine rational-formaliftifclje
Ieite beruht. befteht ja. wie wir oft fahen. auf der Herauf-
fchraubung eindimenfionaler b e g r i f f l i ch e r A n t i t h e-
fen zu metaphgfifcher Dualität, Daß alfo alle
jene eindimenfional nicht faßbaren Beziehungen. verwebungen
und Bedingtheiten des Rechts von *ihm ignoriert werden. ift
wieder in feiner unbewußten Metaphgfik. der Metaphgfik der .
Iubftanzlofigkeit. begründet. wie wert und wirklichkeit. wird
auch das Recht und fein foziologifches Iubftrat als Recht
u n d M a cht dualiftifch auseinandergeriffen und diefe Aus-
einanderreißung zum m etap h g fi f ch e n Ausgangspunkt ge-
nommen. fo daß völlige Blindheit eintritt gegenüber allen
Ausführungen. die diefe Hgpoftafierung von bloß begrifflichen
Antithefen nicht mitmachen. Ein begr ifflicher Gegenfaß
fchließt aber nicht aus. daß zwifchen dem Unterfchiedenen doch
Beziehungen beftehen. wenn der Gegenfaß nur ein abftrakt-
begrifflicher ift. ift fogar fchon damit gefagt. daß unter allen
anderen Gefichtspunkten als dem. unter dem die Unterfcheidung
fteht. das Getrennte eine Einheit bildet. wenn der Gegenfaß zu-
gleich auch auf einem Auseinander-Erleben-Müffen beruht. fo
wäre damit allerdings ein metaphgfifcher Gegenfaß gegeben;
aber es kann und muß auch dann noch die Frage aufgeworfen
werden. ob die Gegenfaßpaare auch ftets auseinanderfallen
m ü f f e n. oder ob fie nicht auch unter gewiffen Bedingungen
doch zufammenfallen k ö n n e n. Auch in der Richtbeachtung
diefes Unterfchiedes liegt eine Hgpoftafierung von bloß Be-
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grifflictj-Abftraktem zum Metaphgfifcljen: die Umdeutung eines
bloßen Rönnens in ein metaphgfifcljes Müffen. Zugleich macht
ein folches verfahren blind für die Frage. unter welchen Beding-
ungen und vorausfeßungen das A u s e i n a n d e r f a l l e n-
können ftattfindet. und unter welchen das Zufammen-
falle n-können eintritt. Io fehr wert und wirklichkeit. Recht
und Macht frei gegeneinander beweglich find und auseinander-
erlebbar find. weil fie auseinanderfallen können. fo wenig
m ü f f e n fie auseinanderfallen: die beiden frei gegeneinander
beweglichen Iphären können fich auch d.e ck e n. Die Einficht
in diefe Tatfache und damit in den gefamten gewaltigen
Fragenkomplex. der mit ihr gegeben ift. wird durch die Hgpo-
ftafierung des Gegenfaßes zu einem unüberbrückbaren meta-
phgfifchen Dualismus verbaut. ja es entfteht eine völlige Blind-
heit gegenüber allen. die diefe Metaphgfik nicht mitmachen.
Rur aus folcher rationaliftifchen Ieelenblindheit ift es
zu erklären. daß meine früheren Ausführungen zu diefen
problemen von neukantifcher oder dem Reukantianismus
naheftehender Ieite fo mißverftanden worden find. Ich habe
niemals das Recht auf die Macht bafiert. niemals. wie Heller
es von feiner rationaliftifch-dualiftifchen Metaphgfik aus nennt.
einem „Machtmonismus" gehuldigt. fondern nur das ver-
brechen begangen. einen relativen Gegenfaß nicht zu einem
abfoluten heraufzufchrauben. Ich fprach von dem „dem
Itaate immanenten Machtgedanken". wie ja jedes fozio-
logifche phänomen. jede „foziologifche Gruppe" ein „Macht-
element" enthält: d. h. überhaupt foziologifche „wirklichkeit"
und den willen zur „wirkfamkeit" befißt. Aber ich fage zugleich:
„die Macht als folche genügt nicht". was ich bekämpfe. ift
„die einfeitige Betrachtung der Macht als G e g e n f a ß zum
Recht". Ich fage. „daß der Itaat feiner Id ee nach
auf der (präftabilierten) Harmonie von Recht .und Macht be-
ruht"; aber es fei natürlich „eine abfolute Garantie und eine
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mechanifch wirkende veranftaltung" nicht gegeben. „daß immer
nur das ,Richtige“ g e k o n nt wird". da das von allen mög-
lichen „irrationalen Faktoren" abhänge. „Macht und Recht
fcheinen nur einer oberflächlichen. an den verhältniffen der
einzelnen Individuen haften bleibenden Betrachtung G e g e n-
fäße zu fein: fie find in der weltordnung dazu be-
ftimmt. fich zu fuchen und zu finden". Alfo gerade
kein Machtmonismus: Macht und Recht find nicht eins;
aber fie f o ll e n eins w e r d e n. Aber auch kein Recht-und-
Macht-D u a li s m us: fondern ein zur Aufhebung in einem
Monismus beftimmter Du-alismus. Der Monismus ift „Auf-
gabe": aber kein Machtmonismus. fondern ein „der Idee nach"
zu erftrebender Macht-Rechts-Monismus.
wie Binder demgegenüber in feiner neueften Ichrift über
Recht und Macht die Behauptung aufftellen kann. ich fuchte
vom ftaatlichen Machtgedanken aus den weg zum Begriffe
des Rechts zu gewinnen. was natürlich unmöglich fei. ift fchwer
zu verftehen. Gehe ich doch gerade den umgekehrten weg.
vom Rechtsgedanken aus. den ich in polemifcher Auseinander-
feßung mit allen bloß pfgchologifch fundierten Theorien zu
analgfieren verfuche 2. Dann aber zeige ich. daß ein im Ab-
ftrakten ftecken bleibender Rechtsbegriff zu einem Relativismus
führt. der eine wertdifferenz zwifchen den einzelnen Rechts-
ordnungen. z. B. der ftaatlichen Rechtsordnung und der einer
Räuberbande nicht zuläßt. Binders gegen mich polemifch ge-
richteter Hinweis auf die Räuberbande ift alfo doch wohl -
nicht ganz am pläße, warum freilich die Räuberbande
„keine Rechtsgemeinfchaft" *darfte/llt. kann Binder nicht
begründen: denn der Hinweis auf die „Ignthefe von Macht
und Iittlichkeit". die den Inhalt .der Rechtsidee ausmachen foll.
kann bei dem rein formalen Charakter der neukantifchen Ge-
1 6131181113 I, 140. 148. 152/5.
1 vgl. 6131181113 I, 129
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finnungsethik gar nichts helfen. Demgegenüber führte ich aus.
daß der wert der einzelnen Rechtsordnungen niemals aus dem
abftrakten Rechtsbegriffe als folchem erkannt werden könne. .
fondern nur aus dem werte der konkreten Ge-
m ein f ch aft. deren verhältniffe die Rechtsordnung „ge-
recht" regeln will. aus dem werte. der „Zumutbarkeit". der
„Allgemeingültigkeit". die den k o n k r e t e n G e m e i n-
f ch a f t s z w e ck e n auf Grund einer beftimmten welt-
anfchauung und des ihr eigentümlichen konkreten Ethos zu-
kommt. Reben den abftrakten Elementen des Rechtsbegriffs
komme es auf die „konkreten verteilungsgefichtspunkte"1 an.
unter denen jede Rechtsordnung als „Gerechtigkeitsordnung"
fteht, Gerade weil das Recht als foziologifche Erfcheinung ein
„Machtelement" enthalten muß. kann das Recht nur. dann.
wertvolles Recht fein. wenn diefe Macht in den Dienft von
wertvollen. den Rechtsgenoffen „zumutbaren" konkreten Ge-
meinfchaftszwecken geftellt ift, Gewiß ift das Recht ohne es
tragende und ftüßende Macht und reale Intereffen. die fich in
feinen Dienft ftellen. kein „wirklich geltendes" Recht. keine das
Leben wirklich beherrfchende „Macht". „ Die .R i ch ti g k e i t*
und ,Allgemeingültigkeif des Rechts ruht auf
dem werte des Iubjekts diefer Interef-
fe n" 2, Alfo: nicht auf „Intereffen" ruht das Recht als
„Recht". fondern auf „dem werte von Intereffen". Das ift ein
Unterfchied. den auch Binder verftehen follte. „Ieine letzte
Berechtigung kann der Rechtszwang nur daraus fchöpfen. daß
die zwingende Gemeinfchaft richtig e Z i e l e verfolgt".
fage ich an anderer Itelle 3, Rie und nirgends habe ich gefagt.
daß die Macht das Recht konftituiert. fondern das Gegenteil:
„Das Recht muß in dem realen Ganzen. das es regeln will.
t Z. LZ. 6131181113 Z. 151.
j 6131181113 Z. 190.
7 6131181118 Z. 145.
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gelten. in ihm eine reale Macht. die es zufammenfchweißen
hilft. fein ; denn nur folange eine Rechtsordnung noch wirklich
gilt. ift und bleibt das reale Ganze ein folches. Und es kann
immer nur eine Rechtsordnung fein. dieeinreales
Ganzes im leßten Grunde zufammenhält:
denn nur der R e ch t s w e r t . als richtiger Maß- und ver-
teilungswert. vermag jedem den ihmsub speeje des Ganzen
richtigen plaß einzuräumen; nur eine Rechtsord-
nung kann eine wirklich geltende willens-
o r d n u n g fein. da nur fie von den Genoffen als eine n ö t-
wendige und nicht willkürliche anerkannt
und empfunden werden kann. Diefe eigentümliche. durchaus
notwendige Tatfache wird in allen jenen Rechtsdefinitionen. die
lediglich auf die Geltung. Anerkennung.
Garantie ufw. abftellen. überfehen" 1. Ich weiß
nicht. wie man deutlicher von je d e r das Recht le d i g li ch
fo z i o l o gi f ch begründenden Theorie abrücken kann. wenn
das von Binder und anderer Ieite immer wieder mißverftanden
wurde. fo liegt das an der tgpifch neukantifchen Unfähigkeit.
das. was nicht in analgtifche eindimenfionale Gedankengebilde
und Beziehungen aufgelöft wurde. zu verftehen. an der Blindheit
für die wechfelwirkungsverhältniffe. für die Antinomien. für
die niemals reftlos antithetifch formulierbaren. komplizierten
Beziehungen. die die wirklichkeit uns nun einmal bietet. .
Umgekehrt allerdings denkt der metaphgfifche rationaliftifche
Dualift: Recht und Macht find Gegenfäße; fie werden zu abfo-
luten hgpoftafiert. fo daß das von aller Macht freie. „reine" Recht
zum abfoluten wert herauf-. die Macht zum abfoluten Unwert
heruntergefchraubt wird. Für die wiffenfchaftliche Betrach-
tung der fozialen phänomene müffen darum die foziologifchen *
Machtelemente in die wertlofe Itofflichkeit verwiefen und die
„reinen" Rechtselemente als das allein wertvolle heraus-
1 6131181113 I. 132.
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gearbeitet werden. Die abfo lute Gegenfäßlichkeit von Recht
und Macht. in die die zum Teil bloß b egrifflich e Gegenfäß-
lichkeit umgedeutet ift. zwingt dann zu der eindimenfionalen
Zrageftellung. ob das Recht auf der Macht. -oder die Macht auf
dem Recht beruht. während die bloße Relativität .des Gegen-
faßes fchon diefe F r a g e ft e llu n g ausfchließen müßte 1. Run*
kommt aber noch die Tendenz hinzu. diefe ins Abfolute hgpo-
ftafierten Gegenfäße ins Ethifche zu transponie-
r e n. Es ift diefelbe Tendenz. die wir z. B. in der neukantifchen
Lehre vom primat der praktifchen vernunft beobachten können:
Rant hatte diefe Lehre metaphgfifch durch fein Ding an fich
begründet. der Reukantianismus tut es durch Umdeutung des
1 R a d b r u ch s bekannte antithetifche Gegenüberftellung von
perfonalismus und Transperfonalismus. von Individualismus und
Ueberindividualismus (die auf einer vergröberung Laskfcher Gedanken
beruht). ift in derfelben rationaliftifchen Denkmethode begründet. die
das Antinomifche. das in der I a ch e fe l b ft als reftlos nie aufheb-
barer Gegenfaß gegeben. aber als „in der Idee" aufzuhebender „auf-
gegeben" ift. wiffenfchaftlich allein dadurch erfaffen zu können glaubt.
daß fie diefen relativen Gegenfaß zu einem abfoluten hgpoftafiert.
Dadurch wird der weg zum verftändnis der fozialen wirklichkeit. die
überall auf einem beftimmten verhältnis zwifchen den beidenizanti-
thetifch auseinandergeriffenen Begriffspolen beruht. rettungslos ver-
baut. Ich bin fo wenig „Ueberindividualift". wie ich „Machtmonift" bin.
Ohne daß die individualiftifchen Intereffen in einem überindividuellen
Ganzen irgendwie ihr Genüge finden und die Intereffen des Ganzen
auf denen der es bildenden Individuen aufgebaut find. ift ein über-
individuelles Ganzes gar nicht „möglich". Zreilich wird und muß ftets
ein gewiffes „Ipannungsverhältnis" zwifchen der Gefamtheit und
den Mitgliedern der Gefamtheit oder einem Teil diefer Mitglieder be-
ftehen bleiben: wie zwifchen Macht und Recht. wirklichkeit und wert.
Das problem jeder fozialen Gruppe liegt aber gerade in diefem nie
reftlos zu überwindenden Ipannungsverhältnis. Iede Betrachtung
fozialer phänomene. die nicht eben dies Ipannungsverhältnis zur Grund-
- (age nimmt. fondern es entweder harmoniftifch auflöft oder in zwei
antithetifche Betrachtungsarten auseinanderlegt. von denen jede die
entgegengefeßte harmoniftifcl)e Löfung des problems geben zu können
glaubt. ift von vornherein zur Unfruchtbarkeit verurteilt. Räheres vgl.
insbefondere 6131131119. I. 140-145.
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bloß begrifflich-erkenntnistheoretifchen Iollens in ethifches
Iollen und hält diefe U m d e u t u n g eines erkenntnis-
theoretifchen Inhalts für eine „erkenntnistheoretifche" „B e-
g r ü n d u n g". Ebenfo wird für das verhältnis des „reinen
Rechts" zur foziologifchen Macht. diefe wegen ihrer bloßen
Itofflichkeit. wertfremde Größe mit dem ethifchen Unwert-
begriff der „Gewalt" gleichgefeßt. Dabei können Macht und
Gewalt geradezu Gegenfäße fein. wie fchon aus der Möglich-
keit einer verbindung der Begriffe „fittlich" und „religiös"
mit dem der „Macht". und der Unmöglichkeit ihrer verbindung
mit dem der „Gewalt" hervorgeht 1. Dann wird alle Macht-
politik. d. h. alle.politik. die darauf aus ift. in der empirifchen
wirklichkeit ein wirkender. d. h. beftimmender
oder mitbeftimmender Faktor zu fein. alfo jede politik. die
in etwas anderem befteht als im Reden. im Deduzieren aus
abftrakten prinzipien und im Iubfumieren unter folche. zur
„Gewaltpolitik": denn nur dann kann ja das „reine". das von
allen foziologifchen Machtfubftraten freie Recht verwirklicht
werden. -- Es ift die Eindimenfionalität des rationaliftifch-
vereinfachenden Denkens. die zu diefen Hgpoftafierungen und
Transpofitionen zwingt. wenn überhaupt aus der Iphäre der
rein begrifflichen Unterfcheidungen ein Ausweg. ins Freie
möglich fein foll: das rationaliftifche Denken kommt bei feiner
1 wie fern meinen Ausführungen über die Bedeutung des Macht-
gedankens der Gewaltgedanken gelegen hat. geht daraus hervor. daß
ich einerfeits immer wieder betonte. Machtbehauptung fei nur auf
fittlich er Gr u n dla g e möglich. die ftaatliche Macht feße ver-
trauen und vertrauenswürdigkeit bei den Itaatsangehörigen voraus.
beruhe auf einer unlöslichen gegenfeitigen Durchdringung von Herr-
fchaft und Genoffenfchaft. einem fich gegenfeitigen Itüßen. einem Tragen
. und Getragenwerden (6131181113 I, 140. 146. 152 u. pass.; fo aber auch
bereits in Itudien zur Itaatslehre des monarchifchen Prinzips I. 30 f..
33). und daß ich anderfeits auch die R i r ch e als ein dem Itaate mög-
licherweife koordinationsrechtlich gegenüberftehendes Machtfubjekt fchil-
dere (61811181118 I. 155
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vereinfachung der Erfcheinungen erft zur Ruhe. wenn es diefe
auf eindimenfionale. in ihrer Einfachheit nicht mehr zu über-
bietende Beziehungsverhältniffe zurückgeführt hat; und das
ift erft erreicht bei einer vollendeten Inhaltsentleerung. bei der
Herauspräparierung der reinften und abftrakteften Formen;
und weil diefe abftraktive welt eben eine rein formale
ift. können zur bunten Itofflichkeit des Lebens keine Be-
ziehungen mehr geknüpft werden - ift doch gerade be-
wußt alle Itofflichkeit aus ihnen entfernt. Uur durch H g p o-
ft a f i e r u n g ins inhaltlich Metaphgfifche. durch T r a n s-
ponierungins Ethifche. durch Iubftruierung mit
pfgchologifchem und Ioziologifchem kann die. an fich ja
gerade abgebrochene. Brücke zur ftofflichen wirklichkeit wieder
gefchlagen werden. Im Ergebnis ift daher die eindimenfionale
vereinfachung der welt nicht eine Deutung der welt
unter beftimmten. feelifch notwendigen Gefichtspunkten und
Einftellungen. fondern eine U m d e u t u n g der welt in eine
aus einfachften Elementen aufgebaute. oder. bei der Trans-
ponierung der reinen Formwerte ins Ethifche. d i e F o r d e-
rung eines Reubaues der welt aus den
„einfachften" Elementen. Gewiß handelt es fich
beim Erkennen nie um ein mechanifcljes Abbilden. fondern
um ein - wenn man den Ausdruck gebrauchen will - ver-
einfachen. aber nicht um ein vereinfachen um des verein-
fachens willen. um ein abftraktes. fubftanzlofes vereinfachen.
fondern um ein Deuten. d. h. ein fubftantielles. aus ko n-
.kreten feelifchen Bedürfniffen notwendiges
vereinfachen. deffen Berechtigung mit deren Berechtigung
und innerlicher Rotwendigkeit fteht und fällt.
Das technifche Mittel. mit dem der vereinfachende Ratio-
nalismus arbeitet. ift die D efinitio n. von der er ftets
feinen Ausgang nehmen muß, Die Definition will einen „Be-
griff" „beftimmen" durch „Abgrenzungen“; und dies Gefchäft
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gilt als vollendet. wenn einem Artbegriff ein ihm fpezififches
Merkmal beigefügt ift. Das hat natürlich feine Berechtigung.
aber nur eine relative. Denn dadurch wird der Begriff nur
von einem a n d er e n in „einfachfter" weife abgegrenzt;
er wird alfo nur von diefem. von allen anderen aber g ar
nicht abgegrenzt. feine Beziehungen zu allem anderen
bleiben daher unberückfichtigt: ein durch eine Definition gewiß
auf das einfachfte beftimmter Begriff ift daher nur r e l a t i v
beftimmt. im meiften aber unbeftimmt. wenn man nun in
einer folchen Definition nicht bloß eine fehr relative und in f o-
fern wohl mögliche und zuläffige Beftimmung des Be-
griffes fieht. fondern eine Zormel für fein „wefen". fo
„rationalifiert" man den Gegenftand des Begriffes in u n z u-
läffiger weife. und macht fich blind für alle anderen
Beziehungen des Begriffes. wenn man daher den Begriff
des Rechts „definiert" - ob nun nach diefer oder nach jener
Richtung -. hat man unzweifelhaft etwas fehr „Einfaches"
gewonnen. aber etwas ganz Unvollftändiges und damit Ichte-
fes. ja Falfches, Denn man hat im günftigften Falle ein e
Ieite und e i n e Beziehung des Rechts „ifoliert". alle anderen
Ieiten und Beziehungen aber totgefchlagen. wenn man das
w efen d e s „G eifti g en“ in einer gewiffen „Totalität". einer
gewiffen „fubftantiellen Einheit" fieht. fo kann man unzweifel-
haft diefe Totalität und Einheit als folche nie begrifflich erfaffen.
fondern nur durch gewiffe ifolierende und felektive Betrach-
tungen. Aber diefe Ifolierungen und Ielektionen müffen einer-
feits beruhen auf einer Anfchauung der Totalität. der fub-
ftantiellen Einheit. aus der die einzelnen Ifolierungen und
Ielektionen gefpeift werden. deren projektionen und Ex-
preffionen fie find. und anderfeits auf einer Herausarbeitirng
der Beziehungen. die zwifchen den mannigfaltigen einzelnen
Ifolierungen und Ielektionen obwalten. und die fie mit der.
zwar als folcher begrifflich nicht faßbaren. aber anfchaubaren
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und innerlich erlebbaren fubftantiellen Einheit der geiftigen
Iubftanz verbinden. Iedes bloße Ifolieren. das nicht durch
Zufammenfügung der einzelnen mannigfaltigen Ifolationen
untereinander und diefer mit dem fubftantiellen Ouell- und
Einheitspunkt des Geiftigen ergänzt wird. fchließt daher die
Erfaffung eines Objektes als eines geiftigen aus. Io muß auch
eine Betrachtung des Rechts. die auf einer ifolierenden Defini-
tion beruht. die Betrachtung des Rechts als „geiftiger" Erfchei-
nung bereits an der Ichwelle ausfchließen; und eine juriftifche
Begriffsbildung. die unter der Herrfchaft einer folchen De-
finition fteht. den geiftigen Gehalt aus den juriftifchen Be-
griffen eliminieren. Auch wer das Recht nicht als bloße „em-
pirifche Mafchinerie" definiert. muß. fchon infolge der Bafie-
rung auf eine ifolierende Definition. die juriftifchen Begriffe
entgeiftigen und zu bloß technifchen Begriffen machen. Denn
bloße Ifolierung ift ftets zugleich Technifierung. Es foll damit
keineswegs jeder Technifierung auch .auf dem Gebiete des
geiftigen Lebens das Recht abgefprochen werden; fie ift in
gewiffem Umfange und gewiffen Grenzen fogar nötig: darum
liegt auch in der „Rechtstechnik" ein relativer wert, Es kann
nur die r e l ativ e Berechtigung der Rechtstechnik und die
Grenze diefer Berechtigung nie erkannt werden. wenn
man die Technik zum p r i n z i p macht. fei es bewußt durch
Definition des Rechts als fozialer Technik. fei es unbewußt
durch den Ausgang von einer ifolierenden Definition. Auch
die Rechtstechnik :hat eine geiftige Funktion; fie kann aber als
„geiftige" wie als „Funktion" natürlich nur verftanden werden.
wenn man das Recht als etwas Geiftiges auffaßt.
Diefe Ausführungen follten den leßten Grund dafür an-
deuten. daß die rationaliftifchen vorurteile. die hinter der
neukantifchen Lehre vom „juriftifchen" Begriff ftecken. etwas
in ihrer Gefchloffenheit und „Einfachheit" gewiß Fafzinierendes
in die von allem „Metajuriftifchen" gereinigte Rechtswiffen-
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fchaft gebracht haben. daß fie aber zugleich für den ungewöhn-
lichen kulturellen Tiefftand eines großen. leider nochimmer nicht
völlig überwundenen Teiles unferer Rechtswiffenfchaft. den
deren künftiger Gefchichtsfchreiber ficher feftftellen wird. verant-
wortlich find. Die fchwindende Anziehungskraft der Iurispru-
denz auf geiftige Menfchen. die Geringfchäßung. die fie zu
verzeichnen hat. find dafür ebenfo fgmptomatifch. wie die Ab-
ftumpfung des wirklichen. natürlich inhaltlichen Rechtsgefühles
in unferem volke und deffen widerftandslofigkeit gegenüber
der handfeften Bafierung des Rechtes auf die wirtfchaftlichen
Intereffen durch den Marxismus und gegenüber dem Anarchis-
mus der extremen Freirechtler: muß man doch ehrlicherweife
zugeben. daß in beiden gegenüber dem technifchen Rechts-
formalismus ein relativer wahrheitsgehalt fteckt.
was foll man dazu fagen. wenn durchaus konfequent vom
Itandpunkt der formalen und negativen Definition der Rechts-
idee z. B. Binder den Begriff der „Rechtspflicht" als jenfeits des
Rechts liegend ausgemerzt wiffen will. und den Iaß als grund-
legend für die „Rechtswiffenfchaft prägt und wiederholt: „ Das
Recht verpflichtet rechtlich zu nichts"? Dann ift natürlich auch
das „juriftifche" wefen des Ichuldverhältniffes keine verpflich-
tung zur Leiftung. und die „juriftifch" inkorrekte Zormulierung
des BGB. bedarf einer Rorrektur. - wenn Laband das juri-
ftifche „wefen" des Itaates als „Herrfchaft" „definiert". dann
muß die rein juriftifche Methode natürlich alles Richt-Herr-
fchaftliche wegkonftruieren oder in Herrfchaftliches umkonftruie-
ren. Io wird die Feftftellung des Inhalts d er G e f e ß e durch
die gefeßgebenden Faktoren als „juriftifch irrelevant" bezeichnet
und das einzig „juriftifch" Relevante in eine zwar nicht vorhan-
dene. aber zu konftruierende „Erteilung des Gefeßes b ef e h l e s"
verlegt. und dem. der auf das Richtvorhandenfein diefes
Aktes hinweift. mit Rennermiene entgegengehalten. daß das
Recht ja ,nichts „Reales" fei. fondern eine bloße „Funktion
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des Bewußtfeins". die Rechtswelt „daher" eine welt abftrakter
und gedachter Beziehungen. Zugleich aber befteht daneben
immer wieder die oft erwähnte Tendenz. diefe bloß gedachten
Beziehungen durch reale vorgänge zu fubftruieren. fie auf
reale vorgänge zu projizieren: alfo z. B. die „Erteilung des
Gefeßesbefehles" in dem „Akte" der Ianktion zu finden und
dann diefen „Akt". in dem natürlich gar nichts von Hinzufügung
des „Gefeßesbefehls" zu einem davon unabhängig feftgeftellten
„Gefeßesinhalt" liegt. als den im Gefeßgebungsverfahren
wefentlichen und entfcheidenden zu betrachten. Das verftändnis
der Ianktion und ihrer Bedeutung ift fo rettungslos verbaut.
Und wenn nun die Ianktion in einem beftimmten verfaffungs- .
. recht als Inftitut fehlt. dann dichtet man fie in dies Recht hinein
und projiziert den -.doch zunächft nur in der „juriftifchen Be-
griffswelt" für nötig gehaltenen - Begriff der Erteilung des
„Gefeßesbefehls" als „Ianktion" auf irgendeinen „Akt". den dies
Recht vorfchreibt. und erhebt den zu dem „wefentlichen“. Das
ift keine fingierte Rarikatur der „juriftifchen Methode". fondern
ein tgpifches Beifpiel 'für jene als ungeheuren Fortfcljritt ge-
priefene ftreng juriftifche Methode. die fich fo vornehm dünkt
und auf alle. die ihr nicht folgen. fo verachtungsvoll herabfchaut.
mit der wir nun feit Iahrzehnten genarrt werden. Man wird
in diefer Denkart die tgpifche Denkart der neukantifchen philo-
fophie mit ihrem Itreben zur formalen Reinheit und mit ihren
Hgpoftafierungen. Iubftruktionen und projektionen wieder-
erkennen. wie ja auch die geiftige verwandtfchaft der Erteilung
des Gefeßesbefehls als des „wefentlichen" bei der Gefeßgebung
mit der füdweftdeutfchen Lehre von der voluntariftifchen „Zu-
ftimmung" zu der im Urteil vollzogenen Ignthefe von Iubjekt
und prädikat als dem „erkenntnistheoretifch" „wefentlichen"
Element im Urteilsakt einleuchtet. Denn wenn man alles In-
haltliche aus den Begriffen ausfcheidet. kann das „wefentliche"
nur noch in einem von a u ß e n zu dem „begrifflich" Irrele-
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vanten der i n h a l t li ch e n verbindungen Hinzutretenden
liegen. welches diefen erft die fpezififche logifche und juriftifche
Dignität verleiht. * _
-wie die Herrfchaftstheorie die Itaatsrechtswiffenfchaft
der Labandfchule beherrfcht. fo fpielt eine analoge Rolle die
wille nsth e o rie in der privatrechtswiffenfchaft 1. Auch hier
ift ein ähnliches. echt neukantifch-rationaliftifches Hinübergleiten
von der abftrakten Iphäre bald in die normative und bald in die
empirifch-foziologifche zu beobachten. wenn man in allen
Rechtsbeziehungen willensbeziehungen fieht. dann muß die
„juriftifche" Ronftruktion in der begrifflichen Reduzierung auf
- folche beftehen. auch da. wo ein empirifcher wille gar nicht
nachweisbar ift: 11 und 13 haben bei einem vertragsfchluß an
beftimmte Fragen. über die fpäter Itreit entfteht. nicht gedacht.
deren Regelung alfo gar nicht in ihren „vertragswillen" auf-
genommen. Das kann die willenstheorie nur dadurch „kon-
ftruieren". daß fie die Entfcheidung der Itreitfragen troßdem.
wie Lenel fagt. „der partei in die Ieele fchiebt". „indem man
die Fiktion des parteiwillens als ftets bereites Tifchlein-deck-dick;
in Izene feßt". Es wird ein ftillfchweigender wille. ein hinter
dem empirifchen willen ftehender „wirklicher" wille ange-
nommen. in den man die Entfcheidung.- die natürlich aus ganz
anderen Erwägungen ftammt. hineinprojiziert. Um alles auf
den „willen" abftrakt-begrifflich zurückführen zu können. wird
ein von dem empirifchen willen losgelöfter. abftrakter wille
konftruiert und dann diefer abftrakte wille wieder zu einem
empirifchen willen hgpoftafiert. Denn mit einem wirklich rein
begrifflich-abftrakten willensbegriff kann man natürlich nicht
arbeiten. fo daß wieder die pfgchologifche Iubftruktion nötig
wird. wenn der Rarren des Denkens nicht in der bloß begriff-
lichen welt ftecken bleiben foll, Dies zunächft im privatrecht
1 Mit ihr habe ich mich eingehend 6131181113 I. 83-111 auseinander-
gefeßt.
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übliche. dann aber auch in der Itrafrechtswiffenfchaft und
neuerdings auch in der des öffentlichen Rechts (feit diefe Difzi-
plin den Ehrgeiz hat. an formal-juriftifcher Methode den älteren
Ichweftern nicht nachzuftehen) herrfchend gewordene ver-
fahren. mit einer willenspfgchologie zu beginnen. die Ergeb-
niffe diefer Analgfe des empirifchen willens ins Abftrakt-
Begriffliche hinübergleiten zu laffen. die mit der empirifchen
wirklichkeit nicht mehr im Einklang befindliche abftrakte Be-
grifflichkeit damit zu rechtfertigen. daß es fich ja um „juriftifche"
phänomene. alfo um reine „Gedankendinge" handelt. und
fchließlicl) doch wieder diefe bloßen Begriffe zu behandeln als
feien fie pfgchologifche Realitäten. alfo nach der vornahme ge-
wiffer Gedankenmanipulationen an den ab ftrakten willens-
verhältniffen wieder in die e m p ir i f ch e Iphäre zurückzugleiten.
ift echt neukantifch. Es ift die vieldeutigkeit des willens-
begriffes. die die Unhaltbarkeit folchen verfahrens verdeckt.
und man wird - wie ich darzulegen verfucht habe l -finden.
daß es ein. freilich nie ganz rein feftgehaltener. rationaliftifcher
willensbegriff ift. der diefer „Methodik" im wefentlichen
zugrunde liegt.
Der große Erfolg von Relfen und auch fein großes ver-
dienft beruhen zum großen Teil darauf. daß er alle jene
Umkippungen aus dem bloß Formalen in die empirifchen
Iubftruktionen fchonungslos und mit einer kritifchen Ichärfe.
die ihresgleichen in unferer juriftifchen Literatur nicht hat.
daß er alle die „Halbwahrheiten" als folche erkannt und auf-
gedeckt hat, Er ift der Meifter des Rechtsformalismus. der
die anderen „meiftert". Man wird ihm in kaum einer feiner
polemiken - und feine Bücher find .ja nur *eine Rette von
polemiken - nicht .recht geben können. Infofern feine werke
Halbwahrheiten bekämpfen. find fie von höchftem kritifchem
wert; nur korrigieren fie diefe Halbwahrheiten nach der ver-
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kehrten Richtung. Man kann auch fagen. daß nach feiner
Reinigungsarbeit die eigentliche pofitive Aufgabe erft beginnt.
daß er aber gerade diefe pofitive Aufgabe aus „normlogifchem"
purismus ablehnt. Der Unterfchied von Relfen und den anderen-
befteht nur darin. daß diefe bereits in den unteren Regionen
ohne erkennbaren Grund bald hier. bald da. bald mehr. bald
weniger. fgftemlos. ins bloß Faktifche umkippen. während
Relfen das nur auf der leßten und oberften Itufe tut. Ieine
Arbeiten haben darum die größere Ronfequenz und den
geringeren pofitiven Erkenntniswert.
wenn man erkenntnistheoretifch als leßten Begriff auf das
Urteil abftellt. wird entfprechend auf dem Gebiete des Rechts
der Begriff des „Rechtsfaßes" der leßte Begriff: fo Relfen.
wenn man erkenntnistheoretifch die Urteilsfunktion zum leßten
Begriff wählt. entfpricht dem in der Rechtswiffenfchaft das
* „Rechtsverfahren": fo Iander. Für Relfen ift daher der Itaat
nichts weiter als ein durch Re chtsf äße gefchaffener „Zurech-
nungspunkt". für Iander „die Beharrlichkeit des Rechts-
verfahrens. welche alle empirifchen Rechtsverfahren auf
eine verfahrensgrundregel als objektiven Maßftab aller Rechts-
erzeugungen kontinuierlich rückbezieht -". alle anderen Be-
zeichnungen find „unjuriftifch". Die Fragen. w a r u m denn
die Rechtsfäße foviel Zurechnungen auf den einen „punkt"
häufen. warum die empirifchen Rechtsverfahren gerade
auf eine beftimmte verfahrensgrundreihe kontinuierlich rück-
bezogen werden. welchen I i n n folches vorgehen hat. warum
gerade das Recht folches fordert. werden nicht geftellt. ja
ihre Berechtigung vermutlich beftritten. Alle diefe nicht bloß
formalen Fragen. die eigentlichen Rechtsfragen.
fallen ebenfo aus der normlogifchen Rechtslehre heraus. wie
die Rickert gegenüber aufgeworfenen Fragen nach dem ver-
hältnis der formalen Iollensnormen zum wahrheitswert und
nach der Anwendung der verfchiedenen Iollensnormen auf
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die jeweiligen Empfindungsinhalte aus der erkenntnistheo-
retifchen Zrageftellung des tranfzendentalen Rritizismus her-
ausfallen. Und wie diefe formale Erkenntnistheorie in einem
fchrankenlofen metaphgfifchen Empirismus mündet. fo mün-
det die formale Rechtstheorie in einem fchrankenlofen juri-
ftifchen Empirismus. Das juriftifche wefen der perfön-
lichkeit und des willens foll bei Relfen nur in der „Loka-
lifierung eines Zurechnungsendpunktes" beftehen; und es
muß nach ihm „mit Rachdruck hervorgehoben werden. daß es
ganz im Belieben der Rorm liegt. auch etwas
anderem als dem Einzelmenfchen die perfonen- und willens-
qualität zu verleihen. fo wie es ja auch von ihr abhängt. ob
überhaupt der Menfch und welcher Menfch perfon. d. h. willens-
fähig wird". - wirklich ganz im Belieben des Rechtsfaßes?
Oderbeftehennichtdochrechtliche Gefeßlichkeiten.
die das eine als dem Rechte entfprechend. das andere als
es verleßend erfcheinen laffen? Aber gerade diefe recht-
lichen Gefeßlichkeiten fallen aus dem Rahmen der
ftreng „juriftifchen" Methode. wie das mit allen Rategorial-
formen ausgeftattete „Bewußtfein überhaupt" keinen Gefichts-
punkt bietet. nach dem diefe Formen r i ch ti g e r w e i f e auf
die wirklichkeit anzuwenden find. und das erkennende Iubjekt
führerlos in dem Meere der Empfindungsinhalte läßt. fo
werden die rechtfeßenden Faktoren. die mit allen denkbaren
formalen „Relationen der Rechtsordnung" ausgeftattet find.
ohne Maßftab der A n g e m e f f e n h e it diefer Relationen
für das foziale Iubftrat gelaffen. Alles fteht in ihrem „Belieben".
Recht ift. was die rechtfeßenden Faktoren nach ihrem Belieben
beftimmen. Das ift der radikalfte obrigkeitsftaatliche
Rechtsformalismus. der denkbarift. Ebenfoiftfür die „An-
erkennungstheorie" alles Recht. was die Rechtsgenoffen aner-
kennen. Ob es anerkennbar oder anerkennungswürdig ift.
ob eine Rorm inhaltlich fo geftaltet ift. daß fie mit Recht zu-
Erich Raufmann. Reiki'. 6
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mutbar ift. liegt ebenfo außerhalb der Anerkennungstheorie
wie außerhalb der formalen „aus der Lehre vom Rechtsfaß ent-
wickelten" Itaatsrechtslehre Relfens. Rant hatte als „probier-
ftein" den Iaß aufgeftellt. daß das rechtens fei. was ein „ volk über
fich felbftbefchließen darf": aber auch folche Frageftellung lehnt
die formale reine „Rechts"theorie ab. Io fchrumpft das „Recht"
für Binder zufammen zu einem „Befehl" an die Beamten des
Itaates; und für Relfen ift der „Itandpunkt des Richters"
zugleich der des „theoretifchen Iuriften": Recht ift das pofitiv
Gefeßte und Befohlene. das Richter und Beamte zu befolgen
haben. An die Rechtsgenoffen ift die Rechtsnorm garnicht
„adreffiert". Die Rechtswiffenfchaft arbeitet nur die norm-
logifchen. die formalen Relationen. die reinen Formen heraus.
die in jeder „brutal" pofitiv-gefeßten Rechtsordnung als abftrakte
Elemente ftecken. ebenfo wie die Erkenntnistheorie nur die in
der brutalen wirklichkeit fteckenden formalen verknüpfungs-
normen herauspräpariert. Der brutalfte Rechtspofitivismus
braucht fich ebenfowenig zu „beunruhigen" wie der brutalfte
empirifche Realismus; es wird gar nicht „beabfichtigt". fie zu
beunruhigen.
Io befcheiden ift aber auch die neukantifche Rechtsphilo-
fophie natürlich nicht. Auch fie hgpoftafiert wieder die begrifflich
herauspräparierten abftrakten Zormen ins Metaphgfifche und
Ethifche. wird doch mit diefen Zormen das „wefentliche". das
eigentlich „wertvolle" herauspräpariert. wer außer diefen
„wefentlichen" Merkmalen noch andere in feine Betrachtung
zieht. ift nicht etwa nur ein fchlechter Erkenntnistheoretiker. fon-
dern ein fchlechter Rerl. Zwar dürfte- konfequenterweife das Urteil
über ihn nur lauten: er habe „Methodenfgnkretismus" getrieben;
die Rechtswiffenfchaft habe „fehr enge" „Grenzen". wie Relfen
ausdrücklich fagt; wer über diefe Grenzen fchreite. könne über
foziologif che. hiftorifche und pfgchologifche probleme. die vielleicht *
-_ und bei den „engen Grenzen" der Rechtswiffenfchaft eigentlich
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unzweifelhaft - fehr viel wichtiger find als „juriftifche" pro-
bleme. allerlei Beachtenswertes und Richtiges fagen. das feien
bloß keine „juriftifchen" Tatfachen. Und folche „befcheidenen"
Aeußerungen fehlen bei Relfen. Iander und Binder eb'enfo-
wenig wie bei Rickert. Aber auch fie ftreben über die abftraktiven
Formen und. was erft bedenklich wird: . v er mitte l ft der
abftraktiven Formen zur „weltanfchauung". Reben den Be-
fcheidenheitsformeln. dann .diefe immer mehr zurückdrängend
und fchließliclj alles beherrfchend. tritt die Behauptung. daß die
normlogifche Methode nicht ein e Methodezur Behandlung der
fozialen phänomene neben anderen ift. fondern d i e Methode.
die einzig le gitim e: daß fie allein die Gegenftände des
fozialen Lebens konftituiere. logifch „erzeuge". wie für Rickert
das „formale Iollen" und für windelband die „felektive Ign-
thefis" der „Gegenftand der Erkenntnis" find. Und nun bricht.
wie bei Rickert. ein leidenfchaftlicher Rampf aus gegen den
..naiven Realismus". (fo fagt auch Iander) der verkennt.
daß „jede Gegenftändlichkeit nicht an fich. fondern nur in
einer Urteilsfunktion. in einer Urteilsrelation entfteht und be-
fteht". Die „Theorie von der Mehrfeitigkeit hiftorifch-politifcher
vorgänge" ift „Metaphgfiktfl wie Rickert und windelband
gegen den „tranfzendenten Gegenftand der Erkenntnis". gegen
das „Ding an fich" kämpfen. fo führt auch Iander aus: „Iede
rechtliche Gegenftändlichkeit kann nur indenRelatio-
nen der Rechtsurteile. in Rechtsfaßfunktionen.
nicht aber als ein jenfeits des Rechts beftehendes. alfo
rechtlich unbeftimmbares .D i n g a n fich* Beftand ge-
winnen." Als fchlimmfter verftoß gegen die metaphgfikfreie
Rechtswiffenfcljaft wird der „naive Realismus" bezeichnet.
der vermeint. daß „Gefchichte Ethik. politik. Ioziologie.
.pfgchologie Iurisprudenz. eventuell auch ,Biologie jede für
ihren Teil mit der Erklärung ,eines und desfelben* Itaats-
wefens befchäftigt feien". wie der Reukantianismus das Ding
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an fich vernichtet hat. fo fordert Iander auch die „radikale Ex-
ftirpation des metarechtlichen Itaatsdinges". weil
Hugo preuß einmal von der „obljgatjo 11101j6116j“, von der Hin-
gabe an den Itaat bis zur Aufopferung des Lebens fpricht.
weil wolzendorf die „fittlichen Gerechtigkeitsbewertungen"
betont. die in dem Gedanken des volksheeres liegen. werden fie
.für Relfen und Iander mit Gierke und mir zu „Militariften".
während fie uns. von ihrem formalen Rechtsbegriff aus. doch -
wenn ich von ihrer Ablehnung des Ding-an-fich-Begriffes
und der Mehrfeitigkeitstheorie zunächft einmal abfehe - nur
vor-werfen könnten. daß das nicht in eine „normlogifche" Rechts-
theorie gehöre. Aber beide machen bald wirklich Ernft mit
ihrer Ablehnung des Dinges an fich. bald können fie das doch
nicht durchführen und verfallen felbft wieder in den böfen
„naiven Realismus". Io fagt Iander auf derfelben Ieite zuerft:
„Leider e r e i g n e n fich niemals fo intereffante I z e n e n
wie die. daß der Itaat verbrecher zum Tode führt. feinen
willen durchführt . . . All das fin d fchlichte Rechtsfaß-
funktionen und nur eine phantafievolle .M e t a j u r i-s p r u-
denz. welche hinter den Rechtserfcheinungen
ein 11111j01j gefeßtes Itaatsding als abfolute
I u b ft a nz annimmt. kann die Rechtsfaßfunktionen als
T ä t i g k e i t e n eines mächtigen Itaates a n f e h e n."
Ipäter aber fagt er felbft: „Ienes deutfche Heer. das die deutfchen
Ichlachten fchlägt. ift nicht jenes deutfche Heer. das allein für
die Rechtserkenntnis in Betracht kommt und eine (f u b j e k-
tiv i ft i f ch e) Zufammenfaffung von Tatbeftänden aus-
macht." Gottlob: wir hatten fchon an unferem verftande ge-
zweifelt; es „gibt" alfo doch offenbar ein „ Ding" wie das deutfche
Heer und dann wohl auch ein „Ding" wie den Itaat. der ver-
brecher zum Todeführt. und nicht bloß „fchlichte Rechtsfaßfunk-
tionen." Es wäre ja auch gar nicht auszudenken. was es wirklich
bedeuten würde. wenn Relfen und Iander konfequent blieben.
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Ronfequent ift es natürlich auch nicht. wenn Relfen.
ganz wie Rickert. aus feinen abftraktiven Formen weltanfchau-
ungsmäßige Ronfequenzen zieht. Er bezeichnet durchaus zu-
treffend feine Methode als „Ronftruktion mit der einfachen
Ebene". Ielbft wenn man diefe Eindimenfionalität des Denkens
als ein Ziel der Er k e n n t n i s anerkennt. fo ift damit doch
weiter nichts gewonnen als die geometrifche projektion eines
ftereometrifchen Rörpers auf eine Ebene. Die welt bleibt aber
natürlich farbig und räumlich. auch wenn man zu beftimmten
Erkenntniszwecken von der Farbigkeit und Räumlichkeit abfehen
darf und kann. Die Möglichkeit einer R o n ft r u k ti o n mit
einer Ebene macht die w elt felb ft nicht zu einer eindimen-
fionalen; ja fie läßt nicht einmal den Ichluß zu. daß die ein-
dimenfionale projektion das wefen der welt am beften erfaßt.
Zu diefem Ichluß kann man nur gelangen. wenn man in der
mö glichften vereinfachung der welt das leßte Erkenntnisziel fieht
und zugleich das leßte Erkenntnisziel mit dem metaphgfi-
fchen Iinn der wirklichkeit gleichfeßt. von diefem metaphgfi-
fchen Rationalismus aus ift es dann freilich nur noch ein Ichritt.
diefen mit dem leßten Erkenntnisziel gleichgefeßten Iinn der
welt auch noch mit dem leßten Ziel ethifch-politifchen w o lle ns
gleichzufeßen. Auch diefen Ichritt tut Relfen. wenn er in feiner -
Ronftruktion mit der einfachen Ebene die Begründung eines
„Reoliberalismus" zu geben glaubt. In diefem Iinne hat dann
auch waldecker den Begriff der Ronftruktion mit der einen
Ebene rezipiert und kämpft nun mit diefer „Ronftruktion" gegen
Obrigkeitsftaat und konfervative Itaatsauffaffung: als ob man.
wenn es fich bei diefer Ronftruktion um eine m e t h o d i f ch
* n ot w en d i g e Ronftruktion des Rechts handelt. nicht je d e s
Rechtsfgftem nach derfelben Methode konftruieren könnte und
müßte.
Gewiß: der Gegenfaß von öffentlichem Recht und privat-
recht und der von Itaatsrecht und völkerrecht. - alfo die Mehr-
-Wq ei., j -- -. -. 7.::* Ö-L-:I-*WM- :..k..*:;:
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heit der Ebenen. um dies Bild zu rezipieren. - ift kein apriori-
fcher. kein durch das reine Denken zu erzeugender. wie ja über-
haupt die Buntheit und Mannigfaltigkeit der welt nicht durch
ein ftofflofes Denken erzeugt werden kann. Darin ftimme ich mit
Relfen gegen alle die überein. welche jene Gegenfäße apriorifch
aus dem Denken über das wefen des Rechts begründen wollen.
von der Bedingtheit unferes heutigen völkerrechts war bereits
die Rede. Denfelben Rachweis habe ich auch für den Gegen-
faß von öffentlichem und privatrecht zu erbringen verfucht.
indem ich auf die hiftorifch-politifcljen Bedingungen feiner Ent-
ftehung. auf den in den einzelnen Itaaten verfchiedenen Zeit-
punkt diefer Entftehung und auf die grundfäßlichen verfchieden-
heiten hinwies. die diefen Gegenfaß namentlich in Deutfchland
und Frankreich charakterifieren 1. wenn diefer Gegenfaß daher
denn auch kein apriorifcher ift. fo ift er darum doch nicht nicht-
vorhanden. Daß er ein hiftorifch-politifch bedingter ift. macht ihn
natürlich nicht zu einem für das pofitive Recht bedeutungslofen.
Im Gegenteil: folange er in den hiftorifch-politifchen voraus-
feßungen begründet ift und hier eine Funktion zu erfüllen hat.
muß er in diefen feinen Bedingtheiten erforfcht werden. Ia.
nur wenn man diefe hiftorifch-politifchen Bedingtheiten kennt.
kann man auch einfehen. wann er und inwieweit er infolge
Aenderung oder Zortfalls diefer Bedingtheiten überflüffig wird.
Rur dann kann man auch in der Einführung diefes Gegenfaßesin
das Rechts- und Itaatsleben und in der Art feiner Durchführung
den Ausdruck eines beftimmten geiftigen Gehaltes.
eines beftimmten L e b e n s g e fü h ls fehen 4 und ihn als
folchen verftehen und beurteilen. ja gegebenenfalls. wenn man
diefen geiftigen Gehalt für überlebt. das Lebensgefühl für ge-
ftorben hält. ihn überwinden. Den weg zu folchem ver-
ftändnis der Rechtsprobleme verbautman aber e b e nfo durch
die Ießung des Gegenfaßes als apriorifchen. wie durch
1 vgl. verwaltung. verwaltungsreecljt I. 701 f.
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die aus der Leugnung der Apriorität gezogene Folgerung.
der Gegenfaß fei. weil nicht bloß formal und „rein". auch
unberechtigt. Denn das infolge rationaliftifcher Iubftanz-
lofigkeit erft bei leßter Inhaltsleere zur Ruhe kommende
vereinfachungs- und Ronftruktionsbedürfnis kann niemals
die hiftorifch-politifche Berechtigung oder Richtbe-
rechtigung eines hiftorifch-politifchen Begriffs
erweifen. Gemeffen an der abfoluten eindimenfionalen Ein-
fachheit aller rationaliftifchen Ronftruktionen müffen alle
Begriffe von g e i ft i g e n G e h a lt e n als unvollkommen
und wertlos beurteilt werden. Zwifchen den beiden polen
der bloß pofitiven Itofflichkeit und der abftraktiven formalen
Allgemeinheit. die der neukantifche Rationalismus allein
kennt. ift für eine Erfaffung konkreter geiftiger Gehalte als
projektionen eines beftimmten Lebens-
g efü hls kein Raum. wenn man die Metaphgfizie-
rungen wider willen. die der neukantifche- Rationalis-
mus vornimmt. fcharf ins Auge faßt. fo bieten fie das faft
groteske Bild dar. daß die abftrakt-begriffliche Form gegen
den Itoff. an dem fie haftet. - die verknüpfungsform
gegen den zu verknüpfenden Gegenftand. - der des Inhalts
entleerte Allgemeinbegriff gegen die inhaltlichen Objekte. aus
denen er gebildet wurde. ausgefpielt wird, Ins Ethifch-
politifche übertragen. bedeutet es die Forderung. den ftofflichen
Inhalt zu revolutionieren durch die aus diefen Inhalten heraus-
geklaubten formalen Abftraktionen. die ..DingeU zu zerftören.
..radikal zu exftirpieren" durch die „Dinghaftigkeit"!! Bedarf
es eines wortes. daß folche Ungereimtheiten durchaus un-
kantifch find? Bei Rant follte die theoretifche vernunft fich
- gerade auf Grund der Erkenntniskritik - befchränken
und befcheiden; fie follte den „ plaß offen laffen" für die nou-
menale welt des Dinges an fich mit ihrer objektiven intelligi-
belen Ordnung der Dinge; gerade diefen plaß aber belegt die
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neukantifche Erkenntniskritik durch ihre metaphgfifch und ethifch
hgpoftafierten erkenntnis-theoretifchen Zormbegriffe mit Befchlag .
Auch der vorkantifche Rationalismus hat fich
diefer verfehlungen des nach- und neukantifchen Rationalismus
nicht fchuldiggemacht. Unfer verftändnis für das rationaliftifche
Raturrecht hat freilich vielfach durch die nach- und neukantifchen
Einftellungen ftark gelitten. Bald hat man bei der Darftellung
der naturrechtlichen Gedankenreihen den Hauptton auf den
fpezififch-rechtlichen Gehalt der Rechts- und Itaatstheorien
gelegt: fo namentlich Gierke. der fich aber bewußt geblieben ift.
damit nur ein Element aus' deren Gedankenwelt heraus-
gearbeitet zu haben. wie er ausdrücklich hervorhebt. Bald hat
* man den Hauptton auf die Abhängigkeit der inhaltlichen Ele-
mente der naturrechtlichen Itaatstheorie von den pofitiv-
rechtlichen Anfchauungen der Zeit gelegt: fo jüngft namentlich
wolzendorf in feiner Itudie über das widerftandsrecht. er frei-
lich in dem Glauben. damit das wefentliche und Entfcheidende
herauszuarbeiten. Das p h i l o f o p h if ch wefentliche und
Entfcheidende ift freilich durch beide einfeitige Analgfen nicht
erfaßt. Es ift gewiß richtig. daß die naturrechtlichen Lehren einen
rechtlichen Gehalt haben. der auf die Ausgeftaltung der fozialen
und politifchen welt einen entfcheidenden Einfluß ausgeübt hat.
wie es auch unzweifelhaft ift. daß. troß alles Itrebens nach
zeitlofer Rationalifierung der welt. doch zeitliche Gebunden-
heiten einen bedeutfamen Faktor bei der Ausgeftaltung im ein--
zelnen darftellen. Das teilt aber der naturrechtliche Rationalis-
mus mit allen philofophifchen Itaatstheorien. was feine
Eigenart ausmacht und ihn von allen anderen philofophifchen
Itaats- und Rechtstheorien unterfcheidet. feine fpezififche Auf-
faffung vom wefen des Itaates und des Rechts. liegt in an-
derem: in dem. was wir heute als foziolo gifche Auf-
fa ffu n g zu bezeichnen pflegen 1. Das rationaliftifche Ra-
. 1 während diefe foziologifche Auffaffung bei einigen Raturrechtlern
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turrecht will nicht Rechtstheorie im neukantifchen Iinne. fon-
dern I o z i a l th e o r i e fein. wie der Rationalismus ver-
fucht. die natürliche welt als aus Atomen konftruktiv aufgebaut
zu verftehen. fo will er auch die fittliche und foziale welt als
auf den fozialen Atomen. den Menfchen. konftruktiv aufgebaut
erfaffen. wie die Grundeigenfchaften der Materie. die Gefeße
der Anziehung und Abftoßung. die natürliche welt konftituieren.
fo follen auch die fozialen Gebilde aus den einfachen Grund-
eigenfchaften der menfchlicljen Ratur (ob diefe nun als Ielbft-
erhaltungstrieb. als Iozialtrieb oder fonftwie gefaßt wer-
den) hergeleitet werdenL: diefe Grundeigenfchaften find
die foziologifchen Grundgefeße. auf denen
jene beruhen. und aus denen fie allein verftanden
werden können. Gewiß *ift die Rategorie des vertrages.
die für die Ronftruktion der fozialen Gebilde zur Grund-
lage genommen wird. eine juriftifche. aber nicht „juriftifch" im
neukantifchen Iinne. als ein Gegenfaß zum Ioziologifchen.
fondern im Gegenteil als etwas zugleich Iuriftifches und
Ioziologifches: der vertrag ift eine fozialtheoretifche Rategorie.
die juriftifchen Gefeße find zugleich foziologifche. Mit der
Lehre von dem Aufbau des Itaates auf einem vereinigungs-
und einem Unterwerfungsvertrage follte ebenfo ein fpezififcher
foziologifcher Charakter des Itaates ausgedrückt werden wie
mit der. die den Itaat allein auf dem Herrfchaftsvertrage oder
allein auf dem vereinigungsvertrage aufbaut. Das alles follen
keine „juriftifche". vom Ioziologifchen abfehende „formale"
„Ronftruktionen" imheutigen Iinne fein. fondern gerade Aus-
ganz im vordergrunde fteht. namentlich. bei H obbes. gefellen fich bei
anderen noch weitere. auch die fpezififch rechtlichen Gefichtspunkte
betonende Gedankenelemente. wie fie zuerft das ftoifche und dann das
chriftliclje Raturrecht entwickelt hatte. hinzu. Aber auch fie find ftets
auf die ..Ratur des Menfchen" (f. u. I. 91 f.. 95 f.) begründet.
1 vgl. p aul H en f e l s fchöne Itudie über Iwift in den von
E. Hoffmann herausgegebenen Rleinen Ichriften und vorträgen
I. 45 f.
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fagen über das foziologifche wefen des Itaates1: juriftifche und
foziologifche Rategorien follen keine Gegenfäße fein. fondern
umgekehrt die juriftifchen Rategorien a u s d e n f oz i o-
logifchen Grundeigenfchaften der menfch-
lich e n R atur hergeleitet werden. wenn der vertrag
dabei die Grundkategorie ift. fo beruht das auf dem rationalifti-
fchen Individualismus und der rationaliftifchen pfgchologie
der Zeit. die überall von den „einfachften Elementen" der
wirklichkeit ausgehen; und es ift zunächft weder individualiftifch
im modernen Iinne noch auch revolutionär. fondern im Iinne
einer foziologifchen „Ronftruktion" gemeint.
Die R antifch e Leiftung gegenüber diefem Raturrecht ift
nun vom Reukantianismus vielfach völlig mißverftanden wor-
den. weil er meift weder die Rantifche Iittenmetaphgfik noch
das vorkantifche Raturrecht richtig zu deuten gewußt hat: Rants
Rechtslehre falle aus feiner vernunftkritik heraus. fie fei noch
ganz im Raturrecht befangen. Beides ift unzweifelhaft falfch.
In wahrheit ift Rants Rechtslehre. wie wir fahen. durchaus
in feinem ganzen „Igftem" begründet und weder dies ohne
jene. noch jene ohne dies verftändlich. Rants vernunftkritik
hatte vielmehr mit ihrer Rritik der rationalen Rosmologie.
pfgchologie und Theologie zugleich auch die rationale Iozio-
logie. das rationale Raturrecht zerftört. Der „alles zer-
malmende Rant". als welchen ihn feine Zeitgenoffen viel-
fach mit Recht empfunden. hatte in der. Tat den ganzen
konftruktiven Rationalismus. der aus den einfachen Ele-
menten der körperlichen. pfgchifchen und übernatürlichen
welt eine rationale Rosmologie. pfgchologie. Ioziologie und
Theologie aufbauen wollte. aus den Angeln gehoben. Die
rationalen Elemente der empirifchen wirklichkeit wurden zu
Rategorien des erkennenden verftandes. die nicht-rationalen
zum Materiale der Empfindungen. und hinter beiden ftand das
1 vgl. Itudien zur Itaatslehre des monarch. Prinzips I. 30/1. 33 f.
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Ding an fich. felbft kein Gegenftand der theoretifchen Erkenntnis.
aber als noumenale Ordnung der intelligibelen Dinge der
Gegenftand der praktifchen vernunft, wie die natürliche welt
nicht mehr begriffen werden darf als.aus den rationalen Ele-
menten der Rörperwelt aufgebaut. fo auch nicht mehr die fitt-
liche und foziale welt aus den rationalen Elementen der pfgcho-
logifch-foziologifchen menfcljlicljen Ratur. Die fittliche und
foziale welt ift vielmehr in der intelligibelen Ordnung der
Dinge „gegeben". und darum dem Menfchen als Bürger beider
welten zur verwirklichung in diefer welt „aufgegeben". Die
intelligibeleOrdnung kann durch wiffenfchaftliche Erkenntnis nicht
konftruiert. nicht begriffen werden; ihr wefen befteht in der v öl-
ligen Losgelöftheit von allem Empirifchen. von
all em pfgchologifchen und Ioziologifchen. Das Band
zwifchen der pfgchologifclj-foziologifchen Iphäre und der Rechts-
fphäre. das in jeder Iozialphilofophie vom Altertum an bis
zum rationalen Raturrecht felbftverftändlichfte Grundlage war.
ift von Rant zerfchnitten worden. Itammler hat das durch--
aus zutreffend erkannt. wenn er formuliert: das Recht dürfe
nicht wie im vorkantifchen Raturrecht aus der „Ratur des
Menfchen". fondern müffe aus der „Ratur des Rechts" er-
faßt werden 1. Der Unterfchied zwifchen Rant und dem Reu-
kantianer zeigt fich aber wieder darin. daß bei jenem das Ding
an fich die Brücke fchlägt. die bei diefem fehlt. Denn bei Rant
foll die Rechtsordnung nur nicht aus der e m pir i f ch-
pfgchologifchen Ratur des Menfchen ver-
ftanden werden. dagegen ganz in der n o u m e n a l e n
R a t u r d e s M e n f ch e n. in der intelligibelen Ordnung
des Dinges an fich begründet fein k. Io hat zwar Rant - und
1 vgl. gegen Itammler 61311811111 I. 209.
* L Rants Ablehnung der empirifchen Ioziologie beruht auf feiner
rigoriftifchen Ieelenlehre. nach der das empirifche Gefühls- und willens-
leben - ,weil ftets hedonifch und „pathologifckj affiziert" - jeder
kategorialen „Gefeßliclykeit" entbehrt und darum auch nicht erkannt
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das ift für die deutfche Geiftesgefchichte und das deutfche Denken
über die probleme der fozialen welt von entfcheidendfter
Bedeutung geworden - das Recht ohne jede Beziehung
zu den foziologifchen und pfgcljologifchen Rräften der Men-
fchen gelaffen; aber er hat wenigftens in feiner Gefchichts-
philofophie den foziologifchen Rräften wieder einen plaß
vergönnt. Die foziologifchen Mächte der Rot und der
Rriege forgen dafür. daß die Menfchen wenigftens heteronom
dazu gezwungen werden. die intelligibele Ordnung allmählich
und in fteter Annäherung in das Reich der Ratur einzubilden.
Aber die Auswirkung diefer foziologifchen Rräfte kann nach
Rant nicht Gegenftand einer wiffenfchaftlichen Erkenntnis fein.
da fie fich in dem 0l'(1l.6 1111111161 des jenfeits der erkennbaren
wirklichkeit ftehenden Dinges an fich vollzieht. Io hat Rant
nicht nur die rationale Ioziologie des Raturrechts
zerftört. fondern auch jede empirifche Ioziolo gie
überhaupt als eine Lehre von den Beziehungen zwifchen
den empirifchen fozialen Mächten. zwifchen Recht und Iitte.
Recht und wirtfchaft. von den foziologifchen vorausfeßungen
und Bedingtheiten empirifcher rechtlicher Ordnungen ge-
leugnet. Es ift nur eine Zortfchrittsmetaphgfik übriggeblie-
ben. in der fich einige metaphgfifch-foziologifche Hgpothefen
befinden: diefe find aber nur als heuriftifche prinzipien für
eine den Zortfchritt in der Menfchheitsgefchichte darlegende
pragmatifche Gefchichtswiffenfchaft verwendbar. müffen fich
aber jeder empirifchen. und fei es auch nur befchreibenden.
Betrachtung entziehen.
In Rant liegt demnach der erfte große Bruch
zwifchen demdeutfchen Denkenüber die pro-
bleme des fozialen Lebens und dem wef-
e u r o p as und Amerikas. Denn das wefteuropäifche Den-
werden kann. Die „Gefeßlicljkeit" des willens ift nur eine noume-
nale. ethifche; und diefe ift kein Gegenftand der theoretifchen. fondern
nur der praktifcher! vernunft.
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ken hat die Fäden mit der rationalen Ioziologie des Ratur-
rechts niemals zerfchnitten. Das. was man dort feit
Tomte Ioziologie nennt. ift nichts als eine Fortfeßung des
naturrechtlichen Denkens: ein gedanklicher Aufbau der fozialen
Gebilde auf der pfgchologifchen Ratur der Menfchen. gewiß
bereichert durch mancherlei Gedanken. die erft das 19. Iahr-
hundert in den vordergrund gerückt hat. und neueftens auch
durch allerlei Methoden. die dem rein konftruktiven Denken
des 18. Iahrhunderts noch fern lagen. Aber der Z u-
fammenhang zwifchen der „Ratur des Men-
fchen" und der „Ratur des Rechts" hat ftets
im vordergrunde des Intereffes geftanden. Die nach- und
neukantifche Zerreißung des Bandes zwifchen juriftifcher
und foziologifcher Betrachtung. die Loslöfung der abftrakten
juriftifchen Formwelt von dem foziologifchen Iubftrat ift
dem außerdeutfchen Denken fremd. Es führt eine ununter-
brochene Linie und Tradition von Hobbes zurück zur empirifchen
Ioziologie des mittelalterlichen Raturrechts und vorwärts
zu Mill und Ipencer. Der deutfche Geift hat dagegen in Rant
einen revolutionären Traditionsbruch mit dem einheitlichen
Geifte der übrigen Rulturnationen vollzogen. der zu den Groß-
taten der menfclxlicljen Geiftesgefchichte gehört; aber er hatihn er-
kauft mit einer geiftesgefchiclytlichen Ifolierung. Und
er hat weder die Rraft gehabt. aus diefer Ifolierung den Itolz
und das Ielbftbewußtfein zu fchöpfen. zu denen fie berechtigte.
noch dies Erbe fo fortzubilden. wie es nötig gewefen wäre.
um ihn zu einem dauernden geiftigen Befiß zu machen: einer-
feits den wahrheitsgehalt. der in der Loslöfung des Rechtlichen
vom Ioziologifchen liegt. feftzuhalten. ohne einer Herabdrückung
des Ioziologifchen zum bloß ftofflichen Iubftrat zu verfallen.
und anderfeits die in Rants Teleologie-Lehre und Gefchichts-
philofophie enthaltenen Anfäße zu einer Ioziologie des gei-
ftigen Lebens um- und weiterzubilden. Im Reukantianismus
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ift die intelligib ele Ordnung des Rechtlichen zum ab ftrakt-
Allgemeinen oder gar zum rechts-technifchen F01-
malismus entartet und das metarechtlich-Ioziologifche zum
wertfreien Iubfumtions-Material degradiert. Unfer Denken
über die gefegllfchaftlichen phänomene hat etwas Itarres.
Itatifches. Doktrinäres und Formal-Iuriftifches
bekommen und zu einer Unterfchäßung der foziologi-
fchen Rräfte. wie zu einer Ueberfchäßung der Rechts-
formen geführt. die inner- und äußerpolitifch gleich verhäng-
nisvoll find.
Den von Rant inaugurierten Bruch vollendete die Roman-
tik und die hiftorifche Ichule. Mit Rant richtet fie fich
gegen den konftruktiven Rationalismus des Raturrechts. aber
nicht. wie er. wegen der eudämoniftifchen und empiriftifchen
Grundlage. auf der er ruhte. fondern vor allem. “ weil er durch
die vereinfachende rationale pfgchologie. die aus *beftimmten
*einfachften Ieeleneigenfchaften die foziale welt verftehen und
„rechtfertigen" wollte. die unendliche Rompliziertheit der
fozialpfgchologifchen prozeffe verkannt fah und die damit
gegebene Mechanifierung und Technifierung des geiftigen
und .fozialen Lebens bekämpfen wollte. Aber g e g e n
Rant fuchte fie die verbindung zwifchen dem Recht und
dem foziologifchen Iubftrat neu und vertieft zu knüpfen. die
diefer zerriffen hatte. Hierin fteht fie mit d em Ratur-
r e cht gegen Rant. lehnt nur die naturrechtliche einfache
pfgchologie und rationale Ronftruktion ab und eröffnet damit
einen weg zum verftändnis deffen. was fowohl bei Rant wie
beim Raturrecht unter den Tifch fallen mußte: der kon-
kreten Geiftigkeit der einzelnen gefchicht-
li ch e n p h ä n o m e n e. Denn deren Dignität war bei
beiden vernichtet: im Raturrecht durch die Rechtfertigung
alles Gefchichtlichen durch die bloß rationale Ronftruktion aus
der fich -ewig gleichbleibenden Menfchennatur. bei Rant
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durch die Betrachtung alles Gefchichtlichen als bloßer Itufe im
Fortfchritt der Menfchheit. alfo als bloßen Mittels zu einem
höheren Ziel. Die metaphgfifche Eigenwürde jeder
konkreten Geiftigkeit war fo vernichtet; die hiftorifche Ichule
erobert fie. indem fie alle perioden gleich nahe zu Gott ftellt.
Aber auch diefer Großtat des deutfchen Geiftes. mit der
er fich von einer zweiten Ieite aus der
wefteuropäifchen Geiftesgefchichte loslöfte.
fehlte die große weltgefchichtliclje Auswirkung. Denn der
Rantianismus ftand ihr ebenfo feindlich gegenüber wie
der wefteuropäifche Rationalismus; nur die politifche Reak-
tion verftand ihren metaphgfifchen Gehalt politifch aus-
zumünzen. während der deutfche Liberalismus. was an fich
durchaus möglich gewefen wäre. aus ihm nicht zu fchöpfen
verftand. vielmehr im nachkantifchen und wefteuropäifchen
Rationalismus verankert blieb. Die hiftorifche Ichule verftand
es weder. von einer zeitlich geordneten Dar-
ftellung der gefchicljtlichen und foziologifchen probleme
zu einer fachlichen Erforfchung der gefell-
fchaftlichen phänomene als folcher. noch zu
einer neuen Gefchichts- und Iozialphilofophie vorzudringen 1.
wie der Bruch mit dem 18. Iahrhundert. den Rant vollzogen
hatte.* eine eigene deutfche konftruktive. Ioziologie nicht hatte
aufkommen laffen. fo verhinderte das Iteckenbleiben der
hiftorifchen Ichule in der zeitlich geordneten Darftellung und
ihr verfagen in Bezug auf eine große Gefchichts- und Iitten-
metaphgfik das Entftehen einer nicht-rationalen*foziologifchen
Erforfchung der Beziehungen und Bedingtheiten der gefell-
fchaftlichen phänomene. Es ift v. Below gewiß darin rechtzu-
1 Die Rechts- und Itaatsphilofophie von Itahl. die ich in
meinen Itudien zur Itaatslehre des monarcljifchen prinzips zu
analgfieren verfucht habe. ift der wertvollfte philofophifche Ertrag diefer
Richtung: fie enthält Anfäße. aber eben nur Anfäße. zu einer Gefchichts-
und Iozialphilofophie.
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geben. daß fich eine Fülle von foziologifchen Erkenntniffen in
unferen großen gefchichtswiffenfchaftlichen Forfchungen zer-
ftreut findet. Aber es fehlte eben doch an der Ignthefe diefer
Ergebniffe: ein übertriebener Ikeptizismus in bezug auf --
wenn auch vorläufige und korrekturbedürftige - verall-
gemeinerungen hielt die fozialwiffenfchaftliche Forfchung in
den Banden einer nur die individuellen Bedingtheiten und
verknüpfungen berückfichtigenden. generalifierungsfcheuen
Methodik. die einem philologismus und Hiftorismus. den
Zwillingsbrüdern eines nicht metaphgfifch verankerten pofi-
tivismus. den weg bereiten mußte. Empiriftifcher Hiftoris-
mus und formaler neukantifcher Rationalismus1 gehören
fo. auch von diefer Ieite aus gefehen. geiftesgefchichtlich
zufammen. -Und wie der metaphgfikfreie for-
male Rationalismus der Reukantianer in feiner
Iubftanzlofigkeit nur bei den leßten und inhaltleerften Abftrak-
tionen haltmachen konnte. fo mußte der metaphgfikfreie
Hiftorismus in feiner Iubftanzlofigkeit dazu führten. mit
einer hiftorifchen pfg cholo gie zu arbeiten. die
an Trivialität. ja teilweife an materialiftifcher Brutalität
kaum zu überbieten ift. fofern nicht der intuitive Tiefblick
eines Genies feinere foziologifche Zufammenhänge inftinkt-
haft herauszulefen verftand, windelband charakterifiert die
pfgcljologie. mit der die pragmatifche Gefchichtswiffenfchaft
arbeitet. gewiß nicht fehlerhaft. wenn er fie - bezeichnender-
weife übrigens nicht tadelnd. fondern als im wefen der Iache
begründet - als die pfgchologie „des täglichen Lebens".
als die der „Menfchenkenntnis und Lebenserfahrung des ge-
meinen Mannes" charakterifiert. Und je mehr bei dem Ab-
fterben der Metaphgfik als einzige die des ökonomifchen Mate-
rialismus von Marx übrig blieb. um fo mehr mußte die hifto-
1 vgl. Auswärtige Gewalt und Rolonialgewalt in den ver-
einigten Itaaten I. 11c.- 61311811111 I, 711.
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rifche pfgchologie in den Bann diefer brutalen und ungeiftigen
rationaliftifchen konftruktiven Gefchichtsmetaphgfik. dem leßten
Ausläufer des konftruktiven foziologifchen Raturrechts. ge-
zogen werden. Die foziologifchen und hiftorifchen vorgänge
erfchienen in ihrem eigentlichen wefen erft wirklich erkannt.
wenn fie auf den Generalnenner diefer „rationalen pfgcho-
logie". irgendein wirtfchaftliches Macht-
inter effe. gebracht waren. wie der metaphgfikfreie
Rationalismus in *pofitiviftifchem Empirismus verfanden muß.
fo muß der metaphgfikfreie Hiftorismus in einem pfgcholo-
gifchen Rationalismus ausmünden: beides die notwendigen
Begleiterfcheinungen eines materialiftifcljen Zeitalters. Der
Marxismus bietet die leßten Formeln für eine folche Epoche.
er muß darum ihre ftärkfte Rraft fein; zumal wenn man
dazu bedenkt. daß der Marxismus fich nicht damit begnügt.
die traurige verftricktheit der Menfchheit in den Banden
der ftets mit Ausbeutungen verknüpften. harten ökonomifchen
Gefeßlichkeiten zu fchildern. fondern leßtlich diktiert ift von der
Iehnfucht. diefe Bande abzuftreifen. und darum eine Lehre
von der Erlöfung des Menfchengefchlechts darftellt. Es mag
ideengefcljickjtlicl) halb richtig fein. daß Rant bereits den Marxis-
mus durch feine Zerftörung der „rationalen pfgchologie" „über-
wunden" hatte. daß Marx im Grunde „vorkantianer" ift, Aber
Rant hatte die foziologifchen probleme aus feinem *Igftem
und aus der Iphäre wiffenfchaftlicher Erforfchbarkeit verbannt;
- fie find jedoch nicht zu bannen. weil fie ewige probleme
find. Der Reukantianismusfidie „fragwürdige Geftalt". in der
der „Geift" Rants unter uns umgeht. konnte ihre Fragen erft
recht nicht zum Ichweigen bringen. vor allem aber in unferem
Geiftesleben nicht die Gegengifte bilden. die nötig gewefen.
wären. um das gefährliche materialiftifche und utopifche Gift des
Marxismus zu paralgfieren. Daß das Eigentum Diebftahl fei und
der Itaat ein kapitaliftifcher Ausbeutungsmechanismus. das find
Erich Aaufmanrukiritik. 7
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Lehren. an die man glauben kann. die anfchaubar. die erlebbar 1
find. Aber daß der Itaat eine verfahrensgrundreihe. ein
Zurechnungspunkt fei und das Eigentum eine leßte Entfcheidung.
das ift fchlecljthin unerlebbar und darum als weltanfchauung
oder als Grundlage einer weltanfchauung des „Iinnes" ent-
behrend. .
Die neukantifche philofophie war ausgegangen von dem
weltanfchauungsmäßigen Beftreben. ein Reich abfoluter werte
über der wirklichkeit als deren Halt und Maßftab ficherzuftellen,
Dies Ziel ift verfehlt worden. weil er in einem erkenntnis-
theoretifch-formalen Rationalismus ftecken blieb. und ftecken
bleiben mußte. da er - legtlich doch felbft aus dem Geifte der
Zeit geboren - dem empirifchen pofitivismus keine pofitive
M e t a p h g fik entgegenzuftellen wagte. Iein erkenntnistheoreti-
fcher Rationalismus fteht an weltanfchauungsmäßigem Gehalt
weit hinter dem Rationalismus der vorkantifchen Zeit und dem
Rants zurück. Denn es fehlt ihm deren Ieele: der berge-
verfegende Glaube an die Rationalität der empirifchen wirk-
lichkeit. an die unendliche perfektibilität des Menfchen und
den ewigen Zortfchritt in der Gefchichte. wo er Anklänge an
diefe leßten Hoffnungen hat. wurzeln fie nicht in feinen eigenen
Grundlagen. fondern find im widerfpruche zu ihnen erfchlichen.
aus früheren Metaphgfiken entlehnt und darum philofophifch
unglaubhaft, Und doch beruht natürlich auch fein Gedanken-
gebäude auf einer beftimmten Metaphgfik. da Metaphgfik
„etwas Unvermeidliches ift": „fie ift kein Luxus. den man auch
nicht treiben könnte" 1, Daß fein p hilo fo ph if ch es Er-
kenntnisbedürfnis in erkenntnistheore-
tifchen Abftraktionen zur Ruhe kommen.
1 Max webers wegwerfender Ausruf: „wer .Ichau* wünfckft.
gehe ins Lichtfpiel" - braucht nicht zu fchrecken.
1 vgl. meine Itudien zur Itaatslehre des monarchifchen Prinzips
I. 6.
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in ihnen B e f r i e d i g u n g finden kann. beruht auf einem
beftimmten Lebensgefühl. beftimmten leßte n
geiftigen Einftellungen. Und diefe charakterifie-
ren fich als eine Flucht aus der bedrückenden und erdrückenden
unendlichen Mannigfaltigkeit der wirklichkeit. der gegenüber
als leßte Zufluchtsftätte bloß noch abftrakte. bloß noch for-
male und eindimenfionale Begriffsbildungen. die alles Itoff-
liche und Anfchauliche ausgefchieden haben. Ruhe gewähren
können. Ermattet und geängftigt von der Fülle der „Im-
preffionen". findet er für fein inneres Befreiungsbedürfnis
nur noch die geometrifche Formenfprache:
aber nicht fo fehr als Ausdrucksform für ein pofitives Lebens-
gefühl. fondern als bloße Re g a ti o n d e r L e b ens-
fülle. Bei den Marburgern ift noch ein größeres Erbteil
aus der vorkantifchen rationaliftifchen Metaphgfik. mehr pofi-
tiver Glaube an die Rationalität und Rationalifierbarkeit der
-welt. und darum auch mehr Gefühl für die pofitiven
werte der eindimenfionalen Formenfprache lebendig. Aber
bei beiden Richtungen beweift bereits die w ahl d i e f er
Formenfpra che. als eines Ausdrucks für ihr
Lebensgefühl und Befreiungsbedürfnis.. eine
charakteriftifche Blindheit für die konkreten geiftigen werte.
die die wirklichkeit erfüllen 1. Und diefe Blindheit konnte fich
ebenfo mit einer R e f p e k t 1 o figk e it vor diefen werten
verbinden wie mit einem müden. kraft- und fubftanzlofen
1 Bei dem philofophifch vielfach nach der Richtung des füdweft-
deutfchen Denkens orientienten Max web er ift die - durchaus be-
wußte -- wahl der rationalen Formenfprache der Ausdruck eines
höchft pofitiven und ftarken Lebensgefühls: verzicht auf jede theo-
retifch e weltanfchauung. harte Ielbfizuchtund „innerweltliclje Askefe".
ftählerne „verantwortlichkeitsethikt* und bei alledem doch eine legte
unbefriedigte Iehnfucht nach dem Ueber-Rationalen. das aber jenfeits
alles theoretifchen verhaltens zu laffen pflichtgebot ift. wer Gefühl
für die Formenfprache hat. dem können die hier nur angedeuteten
entfcheidenden Unterfchiede nicht entgehen.
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Relativismus. zwei geiftigen Einftellungen. die die Zeit als
Maffenerfcheinungen hervortrieb. Beiden leiftet der Reu-
kantianismus vorfchub. Denn die abftrakteften. jedes konkreten
Inhaltes entleerten Allgemeinbegriffe find bei ihm die Iurro-
gate von weltanfchauungsmäßigen werten geworden. der ab-
ftrakte kategoriale Zormgehalt der wirklichkeit vikariiert für
ethifche Rormen. die abfoluten werte find zu formalen inhalt-
lofen Gültigkeiten degradiert. die Realitäten des geiftigen Lebens
find ausgehöhlt. und ihr wertgehalt ift ftatt in konkrete lebendige
Geiftigkeit in leere*Formen und begriffliche Abftraktionen ver-
legt. wo von Iinn und Gültigkeiten gefprochen wird. find es
unter den analgtifcljen Gefichtspunkten der Erkenntniskritik ge-
wonnene lo gifch e Abftraktionen. keine fchaubaren und
e r l e b b a r e n werte. Abftrakte. unfinnliche. inhaltsleere.
rationale „Reinheit" ift zu metaphgfifcher und überfinnlicher
Reinheit umgedeutet. Aushöhlung und Entleerung alles
Lebendigen ift das leßte wort. Erkenntnistheorie ohne
wahrheitsbegriff. pfgchologie *ohne Ieele. Rechtswiffenfchaft
ohne Rechtsidee. formale Gefinnungsethik ohne Iittlichkeits-
begriff. Geifteswiffenfchaften ohne Gefühl für konkrete Geiftig-
keiten find die Rinder der Zeit. nirgends ein fefter Halt
in den uferlofen Meeren der leeren Formen und der vom
Denken nun einmal nicht auflösbaren empirifchen Tatfäch-
lichkeiten. Io wurde der Reukantianismus. ohne es felbft
zu ahnen. das Gegenteil deffen. was er wollte: der unmit-
telbare wegebereiter jener an fich felbft verzweifelnden
Ipengler-Itimmung. der jüngften Erkrankung unferer. einer
Metaphgfik des Geiftes beraubten volksfeele.
Aber etwas. wie das Ding an fich. ein abfolutes Irratio-
nales. von dem analgtifchen Denken nie zu Durchdringendes.
von ihm nie Aufzulöfendes fehen wir immer ftärker gegen den
neukantifchen Rationalismus und feine erkenntnistheoretifchen
und rechtsphilofophifchen Aeußerungen reagieren. In der
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philofophie lehnt fich immer vernehmbarer etwas Richtratio-
nalifierbares. das zurückgedrängte. aber nicht zurückdräng-
bare „Leben" - oft in chaotifchen Formen: ein Bios ohne
Logos - gegen die rationaliftifche Hgbris der Erkenntnis-
theorie auf. In der Rechtsphilofophie erhebt das „foziale
Leben" wieder immer lauter feine Itimme gegen den er-
drückenden Formalismus der Rechtswiffenfchaft und der Rechts-
philofophie und fordert - auch oft in den wilden und unge-
zügelten Formen eines freirechtlichen Rihilismuz - feine
Rechte. Ein ungebändigter vitalismus und eine völlige Auf-
löfung des Rechtes in Ioziologie find die großen Gefahren.
die dem deutfchen Geifte aus diefen Reaktionen erwachfen.
Denn wir b e d ürfen . um leben zu können. der Formen;
und wir müffen die von uns gefchaffenen Formen immer wieder
zerftören. wenn wir lebendig bleiben wollen. Das ift unfer
Ichickfal. Aber nur die lebendige Form ermöglicht das Leben;
und nur fie teilt das Ichickfal des Lebens. fterben zu können,
Die abftrakte. nur durch rationales Denken gewonnene Form
aber ift hart und ftarr: in ihr ift ein Leben nicht möglich; und
fie kann nicht fterben. weil fie tot ift.
Der deutfche Geift befindet fich in einer Rrife. wie er
fie vielleicht noch nie in feiner tragifchen Gefchichte durchlebt
hat. wird er die Rraft haben. den Rationalismus aus feinem
Dafein auszuftoßen? wird ihm die innere Zucht befchieden fein.
einen ungebändigten Lebensdurft zu zügeln? wird er es
- verftehen. feine Ieele wieder*einen Ankergrund finden zu laffen
im Ewigen? *
Auf dem heute lebenden Gefchlecht. vor allem auf der
heranwachfenden Generation. ruht eine verantwortung. wie
fie vielleicht noch auf keinem Gefchlecht gelaftet hat: fie wird
unferen Glauben an die unerfchöpfliche metaphgfifclje und
mgftifche Tiefe des deutfchen Geiftes nicht zufchanden werden
laffen.
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Uamensverzeichnis.
v. Below 95.
Binder 3. 11. 48. 55. 59. 68. 69. 70. 76. 82. 83.
Cohen 53. .
Comte 93.
v. Gierke 52. 84, 88.
Haenel 52.
Hatfchek 54.
Hegel 1. 2. 36. 50. 61.
Heller 67.
Henfel 35. 891.
Hobbes 89. 93.
v. Ihering 50.
Iellinek. G. 48. 50. 51. 55.
Iellinek. w. 52.
Rant 2. 5. 6. 7. 8, 11. 14. 18. 19. 20. 24. 26. 36. 37. 42 1. 50. 53/4.
54. 56-61. 62. 82. 87. 9()-92. 93. 94. 95. 97.
Relfen 20-35, 35. 49. 51. 52. 53. 63. 64. 711. 79/80. 80. 81. 82. 83,
84. 85. 86.
Laband 50. 52:53. 76/7. 78.
Lask 3. 19. 35. 491. 51, 55.
Marx 2, 3. 76, 96. 97.
Radbruch 3. 48. 65. 711.
Rickert 9. 10. 16. 35, 36. 38. 39. 45/6. 49. 63. 80. 83, 85,
Rümelin 8,
Iander 21. 25. 26. 29. 33. 34. 80. 83. 84,
Ichmitt-Dorotii 48/9.
Itahl 1. 2. 50. 951.
Itammler 3. 8. 11-20. 21. 35. 44. 47. 49. 55. 56. 91.
waldecker 85.
weber. Max 981. 991.
windelband 35. 39. 40-43. 47. 55. 83. 96,
wolzendorf 84. 88.
Zitelmann 50.
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