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1 WECHSELWIRKUNG VON VOKALEN UND GUTTURALEN IM SEMITISCHEN UNTER DEM EINFLUSS ANDERER SPRACHEN: DIE BEISPIELE DES AKKADISCHEN UND HEBRÄISCHEN JAN KEETMAN ISTANBUL Abstract In this article it is argued that the sound shifts (*ai >) e > i and pharyngeal + a > e > e (both long and short) from Imperial Akkadian to Old Babylonian prove the existence of two vowel qualities of e in Imperial Akkadian. This may well be explained if we regard the sec- ond sound shift as the shift of the pressing of the pharynx from a consonant to a vowel, probably under Sumerian influence, resulting in a vowel near a, like German ä, which may have existed in Sumerian. While in Akkadian some consonants where lost but left an imprint on the vowels, in Hebrew auxiliary vowels evolved which sus- tained the pronunciation of nearly the same consonants. While Akkadian made a compromise, Hebrew resisted when its daily use faded or was even reconstructed in some communities in antiquity. a) Akkadisch Zu den Verdiensten des Buches von Rebecca Hasselbach über die syllabischen Texte des sargonischen Akkadischen 1 gehört die nahezu lückenlose Beweisführung dafür, dass das Sargonic Akkadian (hier hinfort „Reichsakkadisch“) ein Vorläufer des Altbabylonischen (und mithin auch des Ur III-Akkadischen) ist. 2 Übereinstimmungen mit Journal of Semitic Studies LIV/1 Spring 2009 doi:10.1093/jss/fgn038 © The author. Published by Oxford University Press on behalf of the University of Manchester. All rights reserved. 1  Hasselbach 2005. 2  Neben Stärken hat diese Arbeit leider auch zwei grundsätzliche Schwächen. Die erste ist die Vernachlässigung der Personennamen. Zwar hat Hasselbach Recht damit, dass das Material der Personennamen vom übrigen sprachlichen Material zu trennen ist, doch sollte auch es möglichst vollständig gesammelt und für sich er- schlossen werden. Manche Probleme und auch Missverständnisse kommen daher, dass diese Arbeit nicht unternommen wurde. Die andere Schwäche ist die zum Teil ungenügende Rezeption ihrer Vorgänger. Man lese sich dazu z. B. die zum Teil at Bibliothek der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften on January 25, 2013 http://jss.oxfordjournals.org/ Downloaded from

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This paper looks at the influence 'laryngeals' have on adjacent vowels, exemplified by Hebrew and Akkadian.

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DIE BEISPIELE DES AKKADISCHEN UND HEBRÄISCHEN

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WECHSELWIRKUNG VON VOKALEN UNDGUTTURALEN IM SEMITISCHEN UNTER

DEM EINFLUSS ANDERER SPRACHEN:DIE BEISPIELE DES AKKADISCHEN UND

HEBRÄISCHEN

JAN KEETMAN

ISTANBUL

Abstract

In this article it is argued that the sound shifts (*ai >) e > i andpharyngeal + a > e > e (both long and short) from Imperial Akkadianto Old Babylonian prove the existence of two vowel qualities of e inImperial Akkadian. This may well be explained if we regard the sec-ond sound shift as the shift of the pressing of the pharynx from aconsonant to a vowel, probably under Sumerian influence, resultingin a vowel near a, like German ä, which may have existed inSumerian. While in Akkadian some consonants where lost but left animprint on the vowels, in Hebrew auxiliary vowels evolved which sus-tained the pronunciation of nearly the same consonants. WhileAkkadian made a compromise, Hebrew resisted when its daily usefaded or was even reconstructed in some communities in antiquity.

a) Akkadisch

Zu den Verdiensten des Buches von Rebecca Hasselbach über diesyllabischen Texte des sargonischen Akkadischen1 gehört die nahezulückenlose Beweisführung dafür, dass das Sargonic Akkadian (hierhinfort „Reichsakkadisch“) ein Vorläufer des Altbabylonischen (undmithin auch des Ur III-Akkadischen) ist.2 Übereinstimmungen mit

Journal of Semitic Studies LIV/1 Spring 2009 doi:10.1093/jss/fgn038© The author. Published by Oxford University Press on behalf of the University of Manchester.All rights reserved.

1 Hasselbach 2005.2 Neben Stärken hat diese Arbeit leider auch zwei grundsätzliche Schwächen.

Die erste ist die Vernachlässigung der Personennamen. Zwar hat Hasselbach Rechtdamit, dass das Material der Personennamen vom übrigen sprachlichen Material zutrennen ist, doch sollte auch es möglichst vollständig gesammelt und für sich er-schlossen werden. Manche Probleme und auch Missverständnisse kommen daher,dass diese Arbeit nicht unternommen wurde. Die andere Schwäche ist die zum Teilungenügende Rezeption ihrer Vorgänger. Man lese sich dazu z. B. die zum Teil

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dem Assyrischen erklärt Hasselbach als Archaismen, die im späterenBabylonischen ausgefallen sind.3 L. Kogan und K. Markina habeneine Reihe berechtigter Einwände gegen diesen Standpunkt formu-liert. Unserer Meinung nach wird Hasselbachs These dadurch aberinsgesamt nicht widerlegt. Da dieser Artikel eigentlich schon abge-schlossen war, kann ich auf Kogan und Markina nur knapp eingehenund empfehle ihre Rezension zu Hasselbach 2005 auf jeden Fall zurLektüre.4

Mit Hasselbach und Sommerfeld ist der Autor der Meinung, dassbei den Verba II inf. reichsakkadisch juken nur mit altbabylonisch(aB) ukin zu verbinden ist. Eine Angleichung von (j)uken an das star-ke Verbum als uka’’ in wie altassyrisch (aA) wäre zwar denkbar, istaber wegen des Schwundes des Stimmabsatzes im Akkadischen un-wahrscheinlich. Also ist die Nähe zur babylonischen Form, anders alsKogan und Markina meinen, für die Dialektgeschichte relevant.

Der pleonastische Gebrauch der „Subjunktivendungen„ u + ni >-uni wie im Assyrischen ist zwar innovativ, doch das Argument wirddadurch geschwächt, dass –uni auch aA selten ist, reichsakkadischauch nur –u belegt ist und –ni aB auch nach Vokal fast vollständigausgefallen ist.

Die „assyrische“ Form des Verbaladjektivs Gt pitarsum statt pitrus-um stammt aus der Liebesbeschwörung MAD 5, 8, die obwohl in Kisgefunden, von den anderen reichsakkadischen Texten ebenso wie vonder babylonischen und assyrischen Tradition des Akkadischen starkabweicht.5 Daher ist der Text aus der Betrachtung auszuscheiden.

massive Kritik an Sommerfeld auf den Seiten 59–60 (betrifft die Zeichen DU undGU) durch und das was Sommerfeld 1999, 21 zu dem Thema geschrieben hat (zuden Belegen vgl. auch noch aus Hasselbachs Index pataqum und sadadum). Nichterkennbar ist auch, warum Hasselbach auf S. 87 betont, dass in ihrer Arbeit (im Ge-gensatz zu Gelb, 1961) I = /yi/ gebraucht wird. Vgl. dazu GAG3 §22c*, §75e* u. a.Wie es bei diesem Thema kaum anders sein kann, vertritt der gegenwärtige Autoran vielen Stellen von Hasselbach abweichende Auffassungen. Doch solche Differen-zen schmälern nicht den Wert der von Hasselbach vorgelegten Arbeit.

3 Vgl. die Zusammenstellung bei Sommerfeld 2003: 572–3. Der dort genanntePlural m. cas. obl. Reichsakkadisch und Assyrisch –e, babyl. –i geht wohl ebenfallsauf –ai zurück. Vgl. Hasselbach 2005: 179–80 Anm.100; Cross 2003: 355–6.Noch offensichtlicher ist dies beim Stativ der Verbaladjektive der Verben II inf. Vgl.paris zu ken (assyr. Reichsakkad.), kin babyl.

4 Siehe Kogan und Markina 2006.5 Eben deshalb ist die Interpretation schwierig. Als Abweichungen kann man

sehen: 1) Verbalpräfix ti- statt ta- (sonst nur Ebla und Mâri). Einzige Darstellungvon etymologischem *g durch GA: ru-GA-tim „des Geifers“ (rgw) MAD 5, 8, 12,cf. Kogan und Markina 2006, 567. 3) Akkadisch sonst nicht belegte Wurzeln a)Òawarum „Hals“ MAD 5, 35; 36, cf. AHw 1087; b) duarum „um jemanden herum-laufen“ (arab. dur) MAD 5, 8, 21; 22.

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DIE BEISPIELE DES AKKADISCHEN UND HEBRÄISCHEN

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Mit der Einführung von Dativsuffixen sind beide Dialekte inno-vativ. Die assyrischen Formen in einigen Königsinschriften und Ei-gennamen sind also echte Assyriasmen und keine Archaismen. Essind aber auch Suffixe nach babylonischem Muster belegt.6

Gegenüber diesen spärlichen und nie ohne babylonische Varianteauftretenden Assyriasmen verbinden die Formen der Imperative,sowie Infinitive und Verbaladjektive von D- und S-Stamm, purris,supris, purrus und suprus das Reichsakkadische mit dem babyloni-schen Dialekt.7 Ebenso der beginnende Schwund von –ni und dieMorphologie der Verba II inf.

Nähe zum Altbabylonischen ist auch aus anderen Gründen zu er-warten, schließlich ist das durch Textfunde zugängliche Verbrei-tungsgebiet des Reichsakkadischen weitgehend identisch mit der spä-teren Verbreitung des Altbabylonischen.

Bezüglich des bereits im Reichsakkadischen eingetretenen Lautwan-dels ai > e führt Hasselbach aus, dass er nicht notwendig eine Isoglossezum Assyrischen darstelle. Der Lautwandel könnte im Babylonischenin zwei Schritten vollzogen worden sein, nämlich ai > e > i.8

Der zweite Schritt setzt aber im Babylonischen offenbar den erstenvoraus, denn sonst bleibt e erhalten. Ein Lautwandel kann aber kaumauf eine Form Rücksicht nehmen, die längst nicht mehr gesprochenwurde. Hier liegt das größte Problem, das Hasselbachs Ansatz aufwirft.

Nun gibt es für e im Babylonischen außer ai im wesentlichen nurzwei Quellen, die in das Reichsakkadische zurückreichen: 1) a > e inNachbarschaft zu den alten Pharyngalen Ì, ¨ain und vielleicht von g9

und Längung. 2) Fernwirkung eines Pharyngals (oder von g) mittelsder babylonischen Vokalharmonie.10

6 Cf. Kogan und Markina 2006, 578–80.7 Siehe Hasselbach 2005, Abschnitt 4. 5. 8 auf S. 210 und 4. 5. 10 mit Anm.

178 auf S. 211.Beim Imperativ des S-Stammes der Verben I-w ist im Reichsakkadischen nur su-belegt, nicht se- wie im Assyrischen normal. Bei den übrigen Formen ergibt sich je-doch ein anderes Bild. Im Süden wird mit –su- gebildet, in einem Text aus Kis wieim Altbabylonischen überwiegend mit –sa-, ansonsten von Kis an nach Norden,wie im Assyrischen mit –se-. Doch ist die Bildung des Vokals nach dem s desS-Stammes bei den Verben I-w im Akkadischen durchweg durch konkurrierendeFormen und Unstetigkeiten geprägt. Z. B. gehört wabalum altbabyl. zur a-Klasse,mittelbabyl. zur e-Klasse. Vgl. Belege und Diskussion bei Hasselbach 2005: 224–6.

8 S. 91 Anm. 186.9 Vgl. Kogan 2001. Trotz der Einwände bei Keetman 2004, 7 Anm. 7 ist Kogan

sicher darin zuzustimmen, dass die auslösende Wirkung von g auf a > e ungenü-gend belegt ist.

10 Wohl noch nicht reichsakkadisch (Hasselbach 2005: 121), aber auf dem un-ter 1) genannten Prozess fußend. Bei der historischen Betrachtung solcher Prozesse

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Die mögliche Entwicklung a > e in Gegenwart von r und l ist alt-babylonisch, aber nicht altassyrisch und reichsakkadisch belegt undkann hier übergangen werden.

Dass die unterschiedlichen Prozesse nicht in einem Schritt zurgleichen Vokalqualität führen, ist durchaus Einsichtig. Die Ver-schmelzung von ai liefert am ehesten einen langen Vokal in der Mittezwischen a und i, den wir e schreiben wollen und der vermutlichauch späterem e im Akkadischen entsprach.

Pharyngale bedeuten per definitionem eine Engebildung im Ra-chen, die auch mit der hinteren Zunge möglich ist. Diese Positionder Zunge kommt einem der beiden Merkmale des Kardinalvokals anahe, nämlich der zurückgezogenen Zunge, die damit hinten eineEnge bildet. Es fehlt das zweite Merkmal, die maximale Mund-öffnung. Dies führt zu einer Annäherung an die Stellung von ä.

Man kann dies auch von der akustischen Wirkung her betrachten.Eine Engebildung im hinteren Teil des Ansatzrohres führt zu einerAnhebung der ersten beiden Formanten. Die für a charakteristischeÖffnung vorne hebt ebenfalls den ersten Formanten, senkt aber denzweiten. D. h. der erste Formant erreicht nicht ganz sein Maximum,wie bei a, der zweite ist etwas höher, wie bei den vor a artikuliertenVokalen. Denkt man sich also einen Übergang zwischen einem kon-sonantischen Pharyngal und dem Vokal a, so mag ein etwas nachvorne verlagerter Vokal ä herauskommen. 11

Weiter vorne ist der Grund für die hintere Enge, die zurückgezo-gene Zunge nicht mehr gegeben. Daher dürfte ä der Startpunkt desLautwandels im Akkadischen gewesen sein. Der Lautwandel wurdewahrscheinlich durch einen entsprechenden Vokal im Sumerischenbegünstigt.12

muss auch berucksichtigt werden, dass zwischen Sarkalisarri von Akkad und derzweiten Halfte der Regierungszeit Sulgis von Ur eine Spanne von 100 oder 150 Jah-ren liegt, fur die das Akkadische nur außerst sparlich dokumentiert ist.

11 Dazu ausführlich und mit Erörterung der akustischen Wirkung, Keetman 2004.12 Vgl. den Exkurs am Ende dieses Artikels.

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Zur leichteren Orientierung ist das Verhalten der beiden unterenFormanten F 1 und F 2 in der obigen Graphik angegeben, die nurdie Tendenz aufzeigen soll, die Formanten, ebenso wie die Vokalesind ja ohnehin als Mittelwerte zu verstehen. Für das Hebräischewäre Segol zwischen a und e anzunehmen und PataÌ entweder bei aoder zwischen a und Segol.

Bei einer Verschmelzung eines Pharyngales mit a könnte also äherauskommen, während ein Vokal mit mittlerer Mundöffnung einehintere Enge erschwert13 und außerdem weiter von der Mund-haltung bei a entfernt ist.14

Nehmen wir als Ergebnis dieser Prozesse zunächst ä bzw. langes ä(hier behelfsmäßig ä+ geschrieben) an und für ai > e ein mehrgeschlossenes e, so können wir die weitere Entwicklung zum Alt-babylonischen als parallele Erhöhung und Vorverlagerung der beidenlangen Vokale beschreiben: ä+ > e, e > i. Da ein kurzes e nicht auf aizurückgehen kann, gab es nur ein kurzes ä und folglich nur ä > e,aber keinen e > i parallelen Lautwandel e > i.

Als Motivation für die letzten Schritte kann man den Versuchsehen, bei den kurzen Vokalen gleiche Abstände zwischen a, e, i her-zustellen. Die Bereinigung bei den langen Vokalen wäre dann dieserEntwicklung gefolgt. Man kann sich dies noch in zwei Schritte auf-geteilt denken. Zunächst e in der Mitte zwischen a und i, sowie ä+nahe an a. Dann ein Ausgleich, der gleiche Abstände zwischen denvier Vokalen herstellt. Schließlich in Analogie zu den kurzen Vokalendie Bereinigung des Systems zu 3 Positionen. Dadurch wird das Aus-weichen von älterem e vor e aus ä+ etwas plausibler.

Die babylonische Vokalharmonie wäre dann zunächst eine Anglei-chung von a an ä gewesen, vermutlich unter dem Einfluss derWurzelharmonie des Sumerischen.15 Im Assyrischen, wo es diese An-gleichung nicht gab und ä+ folglich schwächer vertreten war, wäredann ä+ einfach an e angeglichen worden und die Anhebung undVorverlagerung von e aus ai zu i ist unterblieben.

Wenn wir annehmen, dass semitische Pharyngale unter sumeri-schem Einfluss durch einen pharyngalisierten Vokal kurz vor a er-

13 Diese könnte, statt mit dem hinteren Teil der Zunge auch mit den Pharynx-muskeln erzeugt werden. Doch wir gehen von nicht absichtlich herbeigeführtenEffekten bei der Bildung der Vokale aus und betrachten deshalb nur die Bewegungder Zunge.

14 Die zentralisierende Wirkung der Pharyngale auf Vokale belegt auch dasPatach Furtivum im Hebräischen (s. u.).

15 Zur Vokalharmonie innerhalb sumerischer Wortwurzeln vgl. Keetman 2005:11–12.

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setzt wurden, so lässt sich auch die Fernwirkung von Pharyngalen imBabylonischen erklären. Wir nehmen an, in dem Wort *qamÌum„Mehl“, sei das nicht in Nachbarschaft eines Vokales stehende Ìdurch ein kurzes ä ersetzt worden. Durch die babylonische Vokal-harmonie habe dieses auf das a der ersten Silbe gewirkt. Später fiel eswie der Stimmabsatz aus,16 wodurch die erste Silbe zur Erhaltungihrer Quantität gelängt wurde. Also: *qamÌum > *qamäum > *qämäum> qemum.

Wie zu erwarten tritt dieser Effekt im Assyrischen nicht ein, weiles keine Angleichung von a an e gibt (bzw. ursprünglich a an ä).17

Obwohl babylonisch auch r und l den Lautwandel a > e verursachenkönnen, haben sie nicht die gleiche silbenübergreifende Wirkung wiedie Pharyngale. Z. B. qeberum „beerdigen“ aber qabrum „Grab“.18

Auch dies ist nach unserem Modell zu erwarten, weil an ihrer Stellekein Vokal gebildet wird.

Unsere Vermutung, der Lautwechsel a > e in Gegenwart eines ety-mologisch anzunehmenden Pharyngals sei durch sumerischenEinfluss zu erklären, muss aber erst noch in Einklang mit der ge-schichtlichen Entwicklung des Lautwandels gebracht werden.

Hasselbach schreibt: „(…) the change of /a/ and /i/ to /e/ in anyenvironment was more advanced in the northern periphery, that is inthe Diyala region, than in northern and southern Babylonia. Thesound change probably originated in the North and then graduallyspread further South.“19

Das steht im offenen Widerspruch zu der Untersuchung von PiotrSteinkeller zu der Wurzel b¨l „Herr“ in Personennamen der Fara-Zeitund prasargonischen Zeit, mit Belegen insbesondere aus Fara undIsin, also Sudbabylonien.20 Die Träger dieser Namen scheinen zumguten Teil längere Zeit in dem Gebiet ansässig gewesen zu sein. Beider Wurzel sm¨ „hören“ ergibt sich sogar, dass die älteren Namen ausBabylonien bereits e haben, während es in der sargonischen Zeiteinen Rückgriff auf a in den nun verfügbaren Textbelegen gibt.

16 Vor diesem kurzen ä ist natürlich ein Stimmabsatz zu denken, der hier derÜbersichtlichkeit wegen ausgelassen wurde.

17 Tropper 1999 schlägt eine andere Erklärung, nämlich Metathese desPharyngals vor. Eine Metathese gerade dieser Konsonanten kurz vor ihrem Ausfall,die im wesentlichen auf das Babylonische beschränkt bliebe, ist jedoch nicht sehrwahrscheinlich. Vgl. auch Keetman 2004: 11 mit Anm. 14.

18 GAG3 §9b.19 Hasselbach 2005: 120.20 Steinkeller 2004: 12–14.

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In Lagas arbeitete unter Lugalanda und Irikagina ein in den Ur-kunden häufig genannter Brauer mit Namen ì-lí-be6(PI)-lí.21 Vgl.auch das Lehnwort be6-lu5-da < belutum „Herrschaft“.22

In einer Fara-Zeitlichen oder wenig jungeren Kaufurkunde wirdmehrfach ein „Bauer“ (engar) is-me-ì-lum erwähnt,23 der beim Ver-kauf dabeisitzt. Vermutlich ein Nachbar,24 der mit seiner Anwesen-heit bekräftigt, dass er keine Ansprüche erhebt. Jedenfalls jemand,der nicht auf der Durchreise ist.

Im gleichen Text kommt der Name bé-li-li vor.25 Der Träger istZeuge des Feldverkaufs und mithin mit Sicherheit ortsansässig. Die-ser meist BE-lí-lí geschriebene Name steht fast sicher für bel-ili oderbeli-ili „Mein Gott ist der/mein Herr“26 Das Zeichen BI = bé ist so-wohl im Sumerischen als auch im Reichsakkadischen das normaleZeichen für be.27

Der Name begegnet auch in Fara selbst als Bé-li-li28 in einerRationenliste(?), die Leute mit verschiedenen Berufsbezeichnungenwie „Schreiner“, „Baumeister“, „Schreiber“ auffuhrt. Soweit erkenn-bar sind die ubrigen Namen fast alle sumerisch und mehrere habenals theophores Element die Stadtgottheit von Fara/Suruppak dsùd.Die Alternative, in Bé-li-li einen „banana name“ zu sehen, ist un-

21 VS 25, 41 v 10; AWL 43 iii 8; 64 ii 4; Nik I 22 vii 2 passim.22 Ukg. 4 vii 26 = 5 vii 9. Vgl. Selz 1998: 324 mit Anm. 195 und Literatur dort.23 ELTS 15 i 24; ii 23; iii 21 passim.24 Gelb, Steinkeller und Whiting 1991: 237–8 stellen fest, dass ENGAR hier für

ENGAR.US steht und dass ihnen und dem „(field) scribe“ bei Hausverkäufen der„master house surveyor“ und der „street herold“ gegenüberstehen. Daraus schließensie, der ENGAR(.US) müsse „a high administrative official in charge withagricultural activities“ sein. Andererseits ist die Bedeutung US = ús „angrenzen, be-nachbart sein“ altsumerisch gut bezeugt (Behrens und Steible 1983: 361–2). Neh-men wir nun eine Parallele zwischen dem „master house surveyor“ (um-mi-a lú-é-és-∞ar) und dem „(field)scribe“ (dub-sar(-gána)) an, so steht der „street herald“ (ni∞ir-sila) dem engar (-ús) gegenüber. Während die ersten beiden Berufe mit Vermessung,bzw. Niederschrift zu tun haben, dient der ni∞ir-sila wohl der Bekanntmachung derneuen Verhältnisse im Viertel. Auf dem Land gibt es weniger Nachbarn und esreicht vielleicht, wenn man sie einfach bittet, doch beim Kauf anwesend zu sein.

25 ELTS 15 xii 20; xiii 4.26 Vgl. Di Vito 1993: 94, mit Hinweis u. a. auf sargonisch EN-ì-lí, be-lí-

DINGIR und Ur III EN.DINGIR.MU. Als ältere Form zum präsargonisch inLagas belegten ì-lí-be6-lí ist beli-ili (bzw. ba‘li-ili) wegen der Veränderung der Wort-stellung zu erwarten. Siehe Di Vito 1993: 289–90. Die einzige reale Möglichkeitfür einen Irrtum wäre, dass uns ein „banana name“ einen Streich spielt. Zwar gibtes in ELTS 15 einen ähnlichen „banana name“ Ki-lí-lí, doch findet sich bé/be6-li-liauch in Fara, wo diese Namensbildung ziemlich unublich ist.

27 Cf. Sommerfeld 2003: 572.28 NTSS 569 Rs.(?) iii 6’.

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wahrscheinlich, weil „banana names“ in Fara sehr selten sind.29 AusFara gibt es dann noch die Schreibung des Namens als be6-li-li.30

In den syllabischen Texten der Akkad-Zeit gibt es hingegenin Südbabylonien nur einen Beleg für a > e in Gegenwart von Ÿ. DerVerfasser des betreffenden Briefes ist ein Mann namens Me-zi.31 Zu-gleich ist Me-zi auch der einzige Absender, der Briefe in Akkadischund Sumerisch schreibt. Einen Brief fängt er mit akkadischer Ein-leitungsformel an, schreibt den eigentlichen Brief aber auf Sume-risch.32 Es ist daher möglich, dass Mezi aus einer an Zweisprachigkeitgewöhnten Gegend stammte und folglich auch sein Akkadisch eherdem Akkadischen des Südens entsprach.

Zugegeben, die Belege für den Vollzug des Lautwechsels a > e inGegenwart von Ÿ in Namen von sicher ortsansässigen Personen ausSüd- und Mittelbabylonien vor dem Reich von Akkad sind spärlich.Die Träger von sargonischen Namen, die a > e dokumentieren, etwaaus Nippur und Umma, könnten mit den Sargoniden gekommensein, auch wenn ihre Namen nicht den Dialekt der Königsinschriftendokumentieren. Doch zwei Faktoren werten unsere Beispiele auf: Siestammen aus einem eher konservativen sprachlichen Material und soweit der Autor sieht stehen ihnen keine Belege für den Erhalt von ain Gegenwart von Ÿ in präsargonischen Personennamen aus dem Sü-den gegenüber.

Die Beobachtungen passen ferner zu Walter Sommerfelds „vorläu-figem Ergebnis“ , dass das geschriebene Akkadisch der Akkad-Zeit,„konsequent als offizielle Sprache eingeführt wurde“.33 DasAkkadisch, welches wir in Babylonien, vor allem im Süden finden,scheint das Akkadisch einer mit den Sargoniden gekommenen, even-tuell nur dünnen Schicht zu sein, das dem ebenfalls mehr archai-schen Akkadisch der Königsinschriften nahe stand.34

29 Der im gleichen Text Rs.(?) i 3’ genannten Namen ha-li-li ist wegen ha-lí-lum, WF 22 ix, vermutlich als hal-ili „Mein Gott ist ein Onkel (mütterlicherseits)“zu deuten. Für ähnliche Namen vgl. AHw 314b oben.

30 RTC 12 iii 2.31 Ad 3, 17–19: BE-lí É-wa-a-ti [l]i-/is-me\ „Mein Herr möge mein Wort hö-

ren!“ Das letzte Wort ist stark beschädigt, aber nach der Kopie hinreichend sicher.32 Kienast undVolk 1995: 43; cf. Michalowski 1993: 28–30.33 Sommerfeld 2003: 585; ähnlich Westenholz 1999: 33. Allerdings spielt bei

beiden Autoren auch noch der Ubergang aj > e statt i wie im Altbabylonischen eineRolle bei der Trennung des Reichsakkadischen vom lokalen Akkadisch Babyloniens.

34 Eine ähnliche Analyse erwägt auch Hasselbach 2005: 232, zieht aber nichtden Schluss, dass mithin die angenommene Vorreiterrolle der Diyala-Region, nichtzu beweisen ist.

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DIE BEISPIELE DES AKKADISCHEN UND HEBRÄISCHEN

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b) Eine alternative Erklärung für a > e im Akkadischen?

In einem kürzlich35 erschienen Artikel behandelt N.J.C. Kouwenbergdie Veränderung protosemitischer Gutturale im Altassyrischen.36 Dadieser Artikel, wenn auch eher beiläufig, eine alternative Erklärungfür den Lautwandel a > e (bzw. ä) nennt, müssen wir auf ihn kurzeingehen.

Kouwenberg kommt, insbesondere durch Beobachtungen anschwachen Verben, zu dem Ergebnis, dass alter Stimmabsatz und ¨aineinen Stimmabsatz im Altassyrischen ergeben. Zu den gutturalenFrikativen stellt Kouwenberg fest: „h, Ì have been dropped andreplaced by a long vowel or a glide, depending on their position inthe word“.37

Diese Resultate werden überzeugend begründet.38 Im Zusammen-hang mit den hier vertretenen Thesen muss aber ein Zwischenschrittin Kouwenbergs Argumentation erörtert werden. Unter Hinweis aufBlake39 führt Kouwenberg zu Ì aus: „the fact that it causes E-colouring suggests that before being lost it underwent palatalization,at least after a vowel“.40

Wenn E-Färbung von a nur durch Palatalisierung des Konsonan-ten zu erklären wäre, dann müsste dies auch für ¨ain gelten. Dies istmit der von Kouwenberg festgestellten Entwicklung dieses Konso-nanten zu einem laryngalen Verschlusslaut nicht vereinbar und wirdvon ihm auch nicht behauptet. Eine Palatalisierung vor und hinter aist außerdem nicht gerade eine wahrscheinliche Entwicklung.Schließlich sollte *aj im Altbabylonischen am ehesten wie *ai zu iund nicht wie *aÌ zu e führen.41

35 Das Manuskript zu diesem Artikel wurde bis auf kleine Änderungen imJanuar 2007 abgeschlossen.

36 Kouwenberg 2006.37 Kouwenberg 2006: 175.38 Man könnte nur einwenden, dass sich von Beobachtungen an schwachen

Verben nicht in jedem Fall allgemeine Lautgesetze ableiten lassen. Doch ein Gegen-satz zwischen *’, *¨ und h, Ì im Altassyrischen ist hinreichend klar und kann kaumals Sonderentwicklung bei schwachen Verben erklärt werden.

39 Blake 1945.40 Kouwenberg 2006: 151. Kouwenberg scheint auf Blakes Argument selbst

nicht allzu sehr zu vertrauen, jedenfalls diskutiert und gebraucht er es kaum. Kurznach der zitierten Stelle schreibt Kouwenberg überdies: „In intervocalic positionE-colouring doubtless created a palatal glide“ (Kouwenberg 2006: 151). Gemeintist E-Färbung vor Ì, obwohl Blake Ursache und Wirkung gerade umgekehrt sieht.

41 Vgl. *baitum > bitum „Haus“, *¨ainum > inum „Auge“ etc. Hingegen *raÌmum> remum „Erbarmen“. Ferner *jadum > jidum (reichsakkadisch) > idum „Seite“ und*Ìamum > emum „Schwiegervater“ etc.

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DIE BEISPIELE DES AKKADISCHEN UND HEBRÄISCHEN

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Die E-Färbung ist daher besser von dem Ort her zu erklären, andem die beiden Pharyngale ursprünglich artikuliert wurden, alsdurch eine hypothetische und zugleich weite Verschiebung eines die-ser Laute. Ein Gleitlaut mag dabei als Folge der Vokalfärbung anmanchen Stellen hinterher entstanden sein.

Außerdem kann man, ausgehend von Kouwenbergs Beobachtung,dass ¨ain mit dem Stimmabsatz zusammenfiel, argumentieren dassdeshalb Verben, die ursprünglich h oder Ì enthielten, einem anderenParadigma angeglichen wurden. Das wäre eine Verteilung auf ein be-reits vorgegebenes System entsprechend dem Kriterium: Unterbre-chung des Luftstromes oder keine Unterbrechung.

Die Palatalisierung von Ì steht auch im Widerspruch zum ortho-graphischen Befund der reichsakkadischen Texte. Wegen des bereitsbeginnenden Übergangs a > E (ä) wäre hier j für Ì insbesondere inGegenwart von a zu erwarten.

Die anschließende Tabelle gibt einen Überblick über den Zeichen-gebrauch:42

42 Cf. Hasselbach 2005: 34. E für *hi wurde als unsicher ausgelassen. Vgl. ibid.79. Nach ibid. 81 wurde E für *Ìe ergänzt (bei Hasselbach wohl ausgelassen, weil Ìhier reichsakkadisch wahrscheinlich bereits ausgefallen ist).

43 In Ur III-Texten gibt es keine für [ji], [ju] reservierte Zeichen mehr. DazuHilgert 2002: 120–1, cf. GAG3 §22c*.

44 Die spätere Festlegung von I auf [i] beruht natürlich auch auf der Beobach-tung, dass I nicht nur beim Präfix, sondern auch an anderen Stellen für [i] gebrauchtwird und älteres ì hier weitgehend verdrängt. Doch das mag mit Verzögerung gesche-hen sein oder es ist bei den wenigen Texten, bei denen der Abfall von anlautendem jeintritt, nur zufällig nicht bezeugt, was gut möglich ist, da i am Silbenanfang weit

Das Fragezeichen nach E für [ji] stammt von Hasselbach. Ú für [ju]wurde vom Autor eingeklammert, da er es für wahrscheinlich hält,dass die wenigen Texte, die das Präfix ju- als ú- schreiben, den begin-nenden Lautwandel [ju-] > [u-] dokumentieren, der schon in der UrIII-Zeit ganz vollzogen ist.43 Da dieser Wandel offenbar auch die Le-sung des Zeichens I von ji zu i verändert, ist es möglich, dass der be-ginnende Abfall von j zuerst beim Präfix [ju-] zu beobachten ist.44

’V A E Ì Ù, Ú

¨V A, Á E Ì Ú

hV A, Á, É - - -

ÌV É E E -

jV Ì + A E I, E? U (Ú)

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DIE BEISPIELE DES AKKADISCHEN UND HEBRÄISCHEN

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Unsicher ist U für *Ìu weil der einzige Beleg li-ip-te-u-ma (ptÌ) sehrwahrscheinlich als liptajuma „sie sollen öffnen“ mit einem nach demAbfall von Ì und Färbung des Vokals entstandenen Gleitlaut zu in-terpretieren ist.45

Die Tabelle zeigt, dass das Reichsakkadische j relativ klar von allenübrigen Zeilen trennt. Die einzige Ausnahme ist das zugleich amwenigsten spezifische Zeichen E. Man könnte einwenden, dassKouwenberg die Palatalisierung nur nach Vokal zwingend verlangt hat-te. Doch dann brauchen wir einen anderen sprachlichen Mechanismus,um Ìa > E (ä) zu erklären und wenn ein solcher existiert, gibt es keinenGrund mehr, die Palatalisierung nach einem Vokal anzunehmen.

Das etwas ältere Syllabar der Ebla-Texte ist weniger systematischaufgebaut als das reichsakkadische Syllabar. Davon heben sich die le-xikalischen Texte mit ihrer mehr einheitlichen Schreibweise ab. Au-ßerdem ist die Interpretation in den lexikalischen Listen zuverlässigerals bei einsprachigen Texten oder gar in den Eigennamen. Daherscheint es geraten das Syllabar der lexikalischen Texte zum Vergleichheranzuziehen.46

seltener ist als das Verbalpräfix ji- bzw. i-. Dazu kommen orthographische Besonder-heiten, wie die noch lange übliche Schreibung von ili „mein Gott“ als NI.NI = ì-lí.

45 Cf. Hasselbach 2005: 81 und Kouwenberg 2006: 151 mit der gleichen Inter-pretation.

46 Die Tabelle folgt der Zusammenstellung bei Rubio 2006: 115–16. Auf einigeunsichere Lesungen wurde verzichtet. Der Lautwert ji für I ist auch lexikalisch belegtund zwar in dem Wort jidum, das in Ebla offenbar nicht wie sonst im Akkadischenfür „Arm“, „Seite“ steht, sondern (noch) wie westsemitisch jad, „Hand“ bedeutet.Vgl. die Belege bei Pettinato 1982 unter VE 515, VE 531, VE 557, VE 012 undkontrastierend ì-sa-tù (isatum) „Feuer“, VE 783. Für die interessante Gleichung VE802: den-líl = i-li-lu (besser: ji-li-lu) vgl. den möglichen Gebrauch von EN zurSchreibung von [je/in], cf. Sommerfeld 1999: 20 Anm. 29. Auf die strittige Etymo-logie dieses Namens kann hier nicht eingegangen werden. Siehe zuletzt Sommerfeld2006: 74. Cf. auch VE 799a/b dEN.ZI/ZU sú-i-nu (= sú-ji-nu) für den semitischenNamen des Mondgottes (ganz genau: [tsujin] oder [tsujain] > [tsujin]?).

Insgesamt zeigt die Tabelle die von Kouwenberg genannte Über-einstimmung in den letzten beiden Spalten. Doch die erste Spalte

’V A, Ì - Ì Ù

‘V A - Ì Ù

hV É, A - I U9

ÌV É, Ì - I, Ì U9

jV A - I U9, U

4

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DIE BEISPIELE DES AKKADISCHEN UND HEBRÄISCHEN

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ergibt das umgekehrte Ergebnis. Insbesondere das Zeichen, welchesh und Ì mit der größten Sicherheit anzeigt, É wird weder in Eblanoch reichsakkadisch auch für jV gebraucht. Wenn die Schreibungvon *Ìi und *Ìu eine Palatalisierung anzeigen sollte, so würde dieOrthographie dies für h sogar noch besser belegen. Dies steht imWiderspruch dazu, dass h den Lautwandel a > E normalerweise nichtauslöst.

Kouwenbergs Untersuchung zeigt, dass wir insbesondere den Ge-gensatz zwischen hartem und weichem Ansatz auch bei der Wahl derZeichen im Eblaitischen und älteren Akkadischen als einen Aspektunter mehreren berücksichtigen müssen. Tendenzen bei der Zeichen-wahl können anzeigen, dass für semitische Muttersprachler eineÄhnlichkeit in der Aussprache bestand. Da aber kein System mit ei-ner eindeutigen Zuordnung von Phonem und Graphem geschaffenwurde, sind Schlüsse nur in einer Richtung einigermaßen zuverläs-sig: Wenn die Grapheme zwei aus der Etymologie erschlossene Pho-neme eindeutig trennen, dann ist auch eine phonetische Unterschei-dung sehr wahrscheinlich.

Unsere Kritik betrifft Kouwenbergs Feststellungen nur in einem fürseine eigene Analyse unwichtigen Nebenpunkt, den er selbst nichtweiter ausdiskutiert. Dass den Assyriologen bisher nichts besseres alsdie leicht angreifbare Idee von Blake eingefallen ist, zeigt nebenbeiauch, wie schwierig es ist, den plötzlichen Verlust zahlreiches semiti-scher Phoneme als innersprachliche Entwicklung zu deuten. DasAkkadische erfährt einen Kahlschlag seiner Phoneme außerdem nichtnur bei den Gutturalen. Reichsakkadisch beginnt auch der Verlust desim Arabischen als À erscheinenden Phonems47 und des Gleitlautes jaußer zwischen Vokalen.48 Dass so viele, in unterschiedlicher Weiseund an verschiedenen Stellen artikulierte Phoneme fast gleichzeitigverschwinden, ist am besten durch äußeren Einfluss zu erklären.

c) Hebräisch

Wie im Akkadischen geraten die hinteren Konsonanten ebenfalls un-ter Druck. Dies lässt sich u. a. an der Regel ablesen, dass sie nichtverdoppelt werden dürfen und an zahlreichen Verwechslungen, ins-besondere in den Qumran-Texten. Doch hat das Hebräische diesemDruck bis zu einem gewissen Grad widerstanden. Dabei tritt eine ei-genartige Erscheinung auf, das PataÌ furtivum und die Îatef-Vokale.

47 Hasselbach 2005: 143.48 Siehe oben.

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DIE BEISPIELE DES AKKADISCHEN UND HEBRÄISCHEN

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Beschränken wir uns der Einfachheit halber zunächst auf dasPataÌ furtivum. Schließen die Pharyngale ח ,ע oder der Laryngal הeine Silbe, die einen Vokal anders als a, a enthält, so wird ein kurzesa eingeschoben. Also *ruÌ > ruaÌ „Geist“ etc.

Erklärt wird diese Erscheinung als phonetischer Zwang oder alsVersuch einer deutlicheren Aussprache.49 Aber warum kommen dieseVokale dann im Arabischen nicht vor und warum scheinen diePharyngale im Hebräischen a zu stärken, während sie imAkkadischen meist a > e herbeiführen? Letzteres wird besonders of-fensichtlich, wenn man bedenkt, dass bei der Aufspaltung vonDoppelkonsonanz am Wortende (Segolierung) vor ע und ח und auchhäufig nach diesen Pharyngalen im Hebräischen statt üblichem Segol(æ) PataÌ (a) eintritt, während im Akkadischen die gleichenPharyngale in einer Silbe normalerweise a > e bewirken.

Rekapitulieren wir zunächst die Bildung des Vokals a. Dieser Vo-kal ist einerseits durch eine maximale Öffnung des Mundes gekenn-zeichnet, andererseits durch einen Rückzug der Zunge, die damithinten eine Enge bildet. Diese Enge hat der Vokal a mit denpharyngalen Konsonanten gemeinsam. Bei ע ist es ein stimmhafterVerschluss, bei ח eine stimmlose Friktion.

Stellen wir uns nun einen Sprecher vor, der an die Aussprache vonPharyngalen nicht gewöhnt ist und folglich auch die Pharynx-muskeln bis auf die Hilfestellung des am Zungenbein ansetzendenConstrictor pharyngis medius beim Zurückziehen der Zunge zumSprechen nicht einsetzt. Will dieser einen Pharyngal bilden, so wirder dies vor allem oder ausschließlich mit der Rückverlagerung derZunge tun. Dabei ist anzunehmen, dass er dies im Zusammenspielder Muskeln tut, wie er es für die Rückverlagerung der Zunge ge-wohnt ist, d. h. bei der Bildung des Vokals a. Bei der Bildung desPharyngals durchläuft er also die Mundstellung für a.

Vergleichen lässt sich die Übernahme von ungewohnten Lautenaus einer fremden Sprache. Sehr häufig wird versucht, den Laut mitHilfe des gewohnten Inventars irgendwie nachzustellen. Z. B. wirdlanges französisches ü im Englischen häufig zu [iu] oder [yu]. VieleSprecher des Deutschen geben französisches balcon [balkõ] durch[balko∞] wieder. D. h. obwohl das Schriftbild im Deutschen eineAussprache [balkon] nahe legt und ∞ im Deutschen nur als sekundä-rer Laut aus ng existiert, wird versucht, den hinteren Nasalvokal õdurch den entsprechenden nichtnasalen Vokal und einen hinterenNasal nachzubilden.

49 Z. B.: „ein willkürlicher Gleitlaut (…) vgl. in deutschen Mundarten iach fürich, Buech für Buch.“ Jenni 1977: 36.

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DIE BEISPIELE DES AKKADISCHEN UND HEBRÄISCHEN

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Schließt der Pharyngal direkt an einen Vokal an, so sind ein Luft-strom von der Lunge und schwingende Stimmbänder vorhanden,weswegen tatsächlich kurz a hörbar wird. Steht der Pharyngal hinge-gen am Silbenanfang, so ist die Bildungsphase nicht hörbar. Das Lö-sen der hinteren Enge mag leichter fallen als die Bildung der Enge,weswegen vor Vokal kein PataÌ furtivum zu hören ist.

Sieht man in PataÌ und dann auch in PataÌ furtivum kein a, son-dern eher ein ä, so lässt sich dies durch Abschwächung der für dieBildung einer hinteren Enge nicht gebrauchten, aber für a wichtigenvorderen Öffnung erklären.50Wir wären dann in einer Situation ähn-lich dem Akkadischen, nur dass die im Akkadischen anzunehmendeweitere Vorverlagerung zu einem in der Mitte zwischen a und i ste-henden e durch Segol blockiert war. Segol selbst wird von ∑ere amweiteren Ausweichen nach vorne gehindert.

Bei der Segolierung, bei der es keinen Grund gibt, den Vokal an-ders als passend zu wählen, kann man im Prinzip den gleichen Effektwie beim PataÌ furtivum beobachten, wobei auch hier die Wirkungvor dem Pharyngal größer ist.

Einwenden könnte man, dass ה eigentlich kein Pharyngal ist. Doches ist möglich, dass ה leicht pharyngalisiert gesprochen wurde, insbe-sondere in einem sprachlichen Umfeld, in dem dieser Konsonantnicht üblich war, was die Tendenz zu einer Art Betonung geförderthaben mag. Vielleicht erklären sich so auch einige der gelegentlichenUnregelmäßigkeiten beim Landwandel a > e im Akkadischen.51

Weil bei den Îatef-Vokalen nicht sogleich ein Vokal folgt, derpraktisch ein Loslassen der Zungenstellung bewirkt, tritt hier die Be-günstigung eines Vokals nahe a bei den Pharyngalen und h wohlebenfalls ein. Wohl weil es mit Schwa praktisch kaum noch wahr-nehmbar wäre, wurde auch א einbezogen.

Um das Auftreten von QameÒ Ìa†uf unter den Îa†ef-Vokalen in un-serem Modell zu erklären, muss man annehmen, dass es aus Redukti-on von u (oder o) entstanden ist. Von u nach a steigen beide Formantenkontinuierlich an. Eine hintere Enge hebt beide Formanten und ver-schiebt einen hinteren Vokal also in Richtung a. Kommt hinzu, dassdurch die Flüchtigkeit des Lautes und den angenommenen Gebrauchder Zunge zur Bildung der hinteren Enge, die Mundstellung von uwohl auch insgesamt nicht mehr ganz eingenommen werden kann. Einkurzes å könnte sehr wohl das Ergebnis dieser Veränderung sein.

50 Ich lasse die Frage offen, denn die Nichtverwendung von QameÒ lässt sichauch damit erklären, dass QameÒ in unbetonten, geschlossenen Silben å und nicht avertrat.

51 Für solche Unregelmäßigkeiten vgl. Kogan 2001.

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DIE BEISPIELE DES AKKADISCHEN UND HEBRÄISCHEN

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Fassen wir unsere Betrachtung noch einmal etwas anders zusam-men. Wir haben die Effekte im Akkadischen grob gesprochen vomKonsonanten her zum Vokal betrachtet und im Hebräischen vomVokal her zum Konsonanten. Beide Betrachtungsweisen passen zuden jeweiligen Ergebnissen. Im Akkadischen fallen die Pharyngaleaus, hinterlassen aber einen Abdruck im Vokalismus, nämlich denLautwandel a > e. Im Hebräischen dient eine Veränderung im Voka-lismus offenbar dazu, die betreffenden Konsonanten zu erhalten.

d) Exkurs zu den Silbenzeichen

Das System der akkadischen Silbenzeichen beruhte fast ausschließ-lich auf aus dem Sumerischen geborgten Lesungen. Diese mögenbeim Gebrauch in akkadischen Worten gegenüber der rein sumeri-schen Aussprache modifiziert worden sein. Doch auf diesem Wegewurde keine phonologisch oder gar phonetisch eindeutige Darstel-lung des Akkadischen erreicht. Daher können wir nicht sicher erwar-ten, dass die oben angenommenen Verschiebungen der Vokale auchdurch eine Veränderung in der Schrift eindeutig angezeigt wurden.Z.B. mag das Zeichen E altbabylonisch ein zwischen a und i liegen-des [e] bezeichnen. Es könnte aber reichsakkadisch noch durchausein nahe an a liegendes [ä] bezeichnet haben.

Aufgrund der Präfixharmonie des Sumerischen hat Arno Poebelfür das Altsumerische 6 Vokale postuliert, darunter ein geschlossenese „similar to the (first) e in German sehen, reden, mehr“52, sowie einoffenes e entsprechend deutschem ä. Poebels Ansatz ist nicht ohneAlternative aber auch nicht unwahrscheinlich.53 Wegen der Statistikder Vokale würde der Autor einige von Poebels Vokalen eher etwasverschieben, was uns hier aber nicht zu interessieren braucht.54 Nichtbetroffen hiervon wäre Poebels offenes e (ä). Eric Smith55 hat mitt-lerweile vorgeschlagen, die Präfixharmonie als [-ATR] mit 7 Vokalenzu beschreiben, d. h. auf Pharyngalisierung zurückzuführen, was zuunserem Ansatz, den Ersatz von Pharyngalen durch eine Verände-rung der Vokale im Akkadischen auf sumerische Sprechgewohn-heiten zurückzuführen, ebenfalls passen würde.

52 Poebel 1931: 3.53 Dazu ausführlich Keetman 2005.54 Vorläufig Keetman 2005. Zwei weitere Artikel des Autors hierzu sind in Vor-

bereitung, einer in WdO.55 Smith 2007.

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DIE BEISPIELE DES AKKADISCHEN UND HEBRÄISCHEN

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Was die Silbenzeichen betrifft, so lässt sich vermuten, dass zu-nächst das Zeichen É (sum. „Haus“), weil es als [ä] gesprochen wur-de,56 aber im Sumerischen nicht als Silbenzeichen benutzt wurde,ausgesondert wurde, um Pharyngale im Semitischen zu schreiben.Zu vergleichen wäre PI = be6 zur Schreibung von wa, wi, wu.

Wie Walter Sommerfeld herausgefunden hat, unterscheidet diereichsakkadische Orthographie die Vokale e und i deutlicher als dieKeilschrift späterer Epochen.57 Von den entsprechenden Zeichen-paaren finden einige, nämlich e/ì, bé/bí, me/mi, sè/si auch in der su-merischen Präfixharmonie Verwendung und bezeichnen dort denUnterschied zwischen offenem e ( = [ä]) und sumerischem i.58 Man-gels anderer Alternativen müssen diese Zeichen im Akkadischenauch e < ai übernehmen.59

Später werden die Kä-Zeichen entweder ganz aufgegeben, zuKe-Zeichen verschoben oder genutzt, um eine genauere Abgrenzungder Konsonanten zu erreichen. Vermutlich wegen der Stellung vonsumerischem i hinter akkadischem i aber über späterem akkadischeme werden nun sumerische i-Zeichen verstärkt auch für akkadisches everwandt, wodurch die bekannte Ungenauigkeit bei der Wiedergabevon e und i in der Keilschrift entstanden ist.

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57 Sommerfeld 1999: 18–19; 2003: 572.58 So Poebel 1931, Keetman 2005 und etwas anders formuliert auch Smith 2007.59 Jedenfalls beim Plural m. im casus obliquus. Beispiele bei Sommerfeld 1999: 19.

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