14

Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Kenntnisreich, leidenschaftlich und (selbst-)ironisch lässt Axel Klingenberg die Geschichte des Punks Revue passieren – und zeigt gleichzeitig, dass dieser kollektiv erzeugte Lärm immer mehr war als bloß ein Musikstil.

Citation preview

Page 1: Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

endversion280112

Samstag, 28. Januar 2012 16:53:34

Page 2: Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

Keine Zukunft für immerDas Punk-Lexikon

Axel Klingenberg

reiffer

punklexikon_lp.indd 1 04.02.2012 10:52:58

Page 3: Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

Axel KlingenbergKeine Zukunft für immer – Das Punk-Lexikon

Umschlaggestaltung: Patrick Schmitz (www.pottzblitz.de)Satz und Layout: Andreas Reiffer

1. Auflage 2012, Originalausgabe© Verlag Andreas Reiffer

Druck und Weiterverarbeitung: CPI books, LeckISBN 978-3-934896-67-3

Verlag Andreas Reiffer, Hauptstr. 16 b, D-38527 Meinewww.verlag-reiffer.dewww.facebook.com/verlagreiffer

punklexikon_lp.indd 2 04.02.2012 10:52:58

Page 4: Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

Inhalt

Vorwort ........................................................... 5

Bauwagenplatz, der ...................................... 7Berlin ............................................................... 7Black Metal, der ............................................ 8Chaostage, die ............................................... 9Clash, The ..................................................... 15Crass .............................................................. 18Crossover, der .............................................. 23Dead Kennedys ........................................... 24Drogen, die ................................................. 28Hausbesetzungen, die ................................ 30Hunde, die ................................................... 35Iro, der .......................................................... 35Lederjacke, die ............................................. 38Nirvana ....................................................... 39Penny ........................................................... 47Pogues, The ................................................. 48Polizisten, die .............................................. 51Pogo, der ...................................................... 52Ramones, die wegweisenden .................... 53Ratten, die .................................................... 59Sex Pistols ................................................... 60Sid & Nancy ................................................ 70Skinhead, der .............................................. 73Spucken, das ................................................ 81Ton Steine Scherben ................................... 84

punklexikon_lp.indd 4 04.02.2012 10:52:58

Page 5: Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

Pogues, The (1982 – 1996, seit 2001): Die Pogues mach-ten das Unmögliche möglich. Sie verbanden Punkrock mit Volksmusik bzw. mit irischem Folk. Allerdings mach-ten sie damit nicht den Punk sauberer, sondern den Folk schmutziger. Die erste Single veröffentlichten sie daher konsequenterweise auch noch unter dem Namen Pogue Mahone, was soviel wie »Küss meinen Arsch« heißt. Man könnte also auch sagen: Sie führten den Folk auf sich selbst zurück. Und vergriffen sich dabei auch an diver-sen Klassikern der traditionellen irischen und englischen Musik, wie z.B. an »Dirty Old Town« von Ewan MacColl – ein Lied über die englische Kleinstadt Salford, Lan-cashire, die man besser mit einer Axt kleinkloppen sollte. Das nenne ich wahre Heimatliebe! Ähnlich patriotisch ist auch die Coverversion des Songs »And the Band Played Waltzing Matilda« von Eric Bogle. Bogle war Australier und der Song nimmt Bezug auf Australiens inoffizielle und äußerst melancholische Nationalhymne »Waltzing Matilda«. Bogle beschreibt hier in diesem Lied die Grau-en des 1. Weltkriegs und stellt die naheliegende Frage, was der ganze Scheiß eigentlich soll.

Leider sahen sich die Pogues jedoch nach einigen voll-trunkenen Jahren gezwungen, sich von ihrem charis-matischen Sänger Shane MacGowan zu trennen, da sie dessen Alkohol- und Drogenexzesse inkl. der daraus resultierenden Unzuverlässigkeit nicht länger ertragen konnten. Aber was sind die Pogues ohne Shane? Nichts, deswegen spielen sie ja schon seit einigen Jahren wieder zusammen.

punklexikon_lp.indd 5 04.02.2012 10:52:58

Page 6: Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

Zudem er mit seiner neuen Band, die er in aller Be-scheidenheit Shane MacGowan and The Popes nannte – nicht sonderlich erfolgreich war. Auch die Pogues wurden nach der Trennung nicht gerade vom Erfolg verfolgt, obwohl sie immerhin Joe Strummer von ►The Clash überreden konnten, bei ihnen zu singen. Allerdings kam er bei vie-len Fans tatsächlich nicht besonders gut an – obwohl er durchaus authentisch kaputt rüberkam –, so dass sich schließlich Pogues-Gründungsmitglied Spider Stacy selbst ans Mikrofon stellte. Zudem die Zusammenarbeit auch für Strummer selbst nicht ganz einfach war, wie er später zugab:

Das war unglaublich toll, aber ich habe erst nach zwölf Auftritten begriffen, wie sie arbeiten, das war für mich eine völlig neue Methode, weil ich kein großartiger Musiker oder sonst was bin. Bei The Clash habe ich im allgemeinen immer mit Topper, der den Rhythmus auf seinen Snare Drums vorgab, zusammengespielt, aber bei den Pogues ist der Schlagzeuger genauso unabhängig wie alle anderen Bandmitglieder. Wenn er also zu einem Refrain kommt und schneller spielen will, tut er’s. Ich war erst mal völlig verloren.

Die mit Stacy entstandenen Alben waren übrigens auch durchaus okay, konnten aber niemals an die Erfolge von »Red Roses for Me«, »Rum, Sodomy and the Lash« und »If I Should Fall from Grace with God« anknüpfen. Und

punklexikon_lp.indd 6 04.02.2012 10:52:58

Page 7: Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

wenn ich mir was wünschen dürfte, wäre es, dass die Pogues noch mal zusammen ins Studio gehen, um Coverversio-nen diverser Folk- und Country-Songs einzuspielen. Ach wäre das herrlich! Rick Rubin, übernehmen Sie!

Die Pogues haben übrigens viele Epigonen gefunden, die auch durchaus respektable Resultate hervorbrachten, wie z.B. die Dropkick Murphys (Boston), Flogging Molly (Los Angeles) und die Real McKenzies (Vancouver). Allerdings darf man sich wohl fragen, ob diese Bands tatsächlich verstanden haben, um was es bei den Pogues eben auch ging – um ein subversives Spiel mit der Folk-Musik, wes-halb sie auch keine Probleme damit hatten, auch latein-amerikanische Einflüsse oder Jazz zu verwenden.

Folkpunk ist nämlich eben keine Volksmusik, sondern Weltmusik – ich bitte um Entschuldigung für dieses häss-liche, hippiemäßige Wort. Man greift auf musikalische Traditionen zurück, um sie innovativ zu bearbeiten und mit anderen Stilen zusammenzuführen. Nur so kann man der Gefahr entgehen, patriotische Hymnen zu schreiben. Denn dafür wurde der Punk nicht erfunden, Jungs!Es gibt übrigens natürlich keine bessere Musik, um sich zu betrinken, als die Pogues. Sie sind der perfekte Sound-track zum Alkoholexzess! Allerdings kann man sich an Shane auch die negativen Seiten des Saufens ansehen. Shane MacGowan, der betrunken mit einer unbekann-ten Rockband in einer Kneipe singt (bzw. zu singen ver-sucht) – das ist kein schöner Anblick, aber wer vor nichts zurückschreckt, kann sich das Elend ja mal bei YouTube anschauen ...

punklexikon_lp.indd 7 04.02.2012 10:52:58

Page 8: Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

Anspieltipp: Wie nah die Pogues an der irischen Folkmu-sik sind, merkt man dann immer am besten, wenn sie Traditionals spielen. Und wenn sie mit anderen Folkern auftreten, z.B. mit den Dubliners, mit denen sie schon mal in einer Fernsehsendung zusammen »The Irish Rover« gespielt haben. Und Shane war auch gar nicht so doll be-trunken – jedenfalls nicht betrunkener als der Sänger der Dubliners.

Spucken, das: Wohlerzogene Menschen spucken nicht. Das gehört sich nicht und ist eklig. Das finde ich auch. Besonders wenn ich wieder mal an der Bushaltestelle in einer Rotzenpfütze stehe, die von einem dieser degene-rierten Jugendlichen angelegt wurde. Wenn das meine Kinder wären, dann …! Sind sie aber zum Glück nicht. Auch im Vereinigten Königreich gehörte in den 70er Jah-ren Spucken nicht unbedingt zum guten Ton. Dazu ist der Engländer als solcher zu gut erzogen. Und da Punk angetreten war, die Umkehrung aller Werte zu vollziehen, tat der gemeine Punkrocker genau das: Er rotzte, wo er nur konnte. Er spuckte sogar seine Bands an. ►The Clash z.B., dessen Sänger und Gitarrist Joe Strummer im Fe-bruar 1978 mit einer schweren Hepatitis ins Kranken-haus eingeliefert werden musste. Er hatte versehentlich einen Schleimklumpen verschluckt, den ihm ein Fan bei einem Auftritt anerkennend ins Gesicht gerotzt hatte. Mit schrecklichen Folgen: Strummer musste nicht nur für elf Tage ins Krankenhaus, sondern auch noch sechs Monate

punklexikon_lp.indd 8 04.02.2012 10:52:58

Page 9: Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

lang auf jeglichen Alkohol verzichten. Das Gerotze ist übrigens auch beim Spielen ein wenig hinderlich. Wenn man so über die Saiten rutscht. Sagt auch Joe Strummer:

Wenn ich an all diese Stunden denke, in denen ich da oben gestanden bin und angespuckt wur-de. Es ist schrecklich. Wenn dein Hemd trocknet, dann hast du darauf überall diese Krusten. Und man kann einfach nicht vermeiden, dass man das Zeugs in den Mund bekommt. Und dann landet das Zeugs auch auf dem Griffbrett der Gitarre, und man merkt das gar nicht, bis man mit seiner Hand drüberrutscht … Inzwischen hole ich mir diese Typen aus dem Publikum und erteile ihnen eine Lektion.

Kein Wunder also, dass dieser Brauch weltweit begeister-te Nachahmer fand. Julien Temple begleitete The Damned, The Clash und die ►Sex Pistols auf einer äußerst desaströ-sen Tour durch Großbritannien:

Es gab da diese riesige Menge an Schleim, weil alle darüber gelesen hatten, dass man Punkbands an-spuckt. Es gab richtige Salven aus Spucke, und sie hingen sich echt rein: John sah phantastisch aus mit dieser ganzen Rotze und Spucke im Haar.

Die Musiker waren, wie gesagt, nicht immer ganz so be-geistert. Aber das sind ja auch nur scheiß Rockstars! Da-

punklexikon_lp.indd 9 04.02.2012 10:52:58

Page 10: Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

bei waren sie es, die damit angefangen haben. Vielleicht der erste Rockrotzer der Musikgeschichte ist Iggy Pop, der schon in den späten Sechzigern mit Auswurf um sich warf:

Wir waren fast am Ende unserer Show, und ich lief einfach nur auf der Bühne rum. Ich trug dieses Umstandskleid und hatte ein weiß geschminktes Gesicht und machte ziemlich unanständige Sa-chen, wie zum Beispiel auf die Leute spucken.

Aber natürlich darf nicht jeder rotzen. Das dürfen nur die besten, z.B. die Sex Pistols, wie Bob Gruen berichtet:

Bei einem unserer Stopps öffnete Johnny Rotten eins der hinteren Autofenster und lehnte sich hin-aus. Sofort kamen die Fans angerannt, und ein Typ hielt ein Album hoch und bettelte: »Würdest du mir bitte ein Autogramm geben?«Johnny beugte sich einfach nur vor und spuckte auf die Platte.Der Typ sagte: »Wow, Mann, vielen Dank! Ich kann’s echt nicht fassen. Echt, vielen, vielen Dank!«

Aber der nächste, der hier herumrotzt, muss nachsitzen und zur Strafe einhundertmal »Ich darf andere Leute nicht anspucken. Nein, auch keine Punks. Und an Bus-haltestellen darf ich auch nicht auf den Boden rotzen.« schreiben. In Schönschrift.

punklexikon_lp.indd 10 04.02.2012 10:52:58

Page 11: Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

Anspieltipp: Was ist schlimmer als Spucken? Kotzen viel-leicht. Oder Pissen. Die Bloodhound Gang beherrscht das gesamte Ekelprogramm (und wir reden hier nicht über ihre Musik) und praktiziert all diese Dinge auf der Büh-ne. Zudem Evil Jared Hasselhoff auch noch einen Hang zum Exhibitionismus hat und gerne Tiere isst – lebende und auf der Bühne wohlgemerkt. Und dann noch diese Sache mit dem Porno-Video zu »Screewing You on the Beach at Night« ...

Aber kann man die Bloodhound Gang überhaupt guten Gewissens empfehlen? Ja, natürlich, wenn man das Ni-veau bewusst runterzieht. Und ist das überhaupt Punk? Na ja, mit sehr viel guten Willen könnte man die Mu-sik als Fun-Punk bezeichnen. Wie wäre es also mit »The Roof Is on Fire«?

punklexikon_lp.indd 11 04.02.2012 10:52:58

Page 12: Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

reiffer | Edition Wissenswertes | www.verlag-reiffer.de

Till BurgwächterVäter, Völker und VandalenEin Parforce-Ritt durch die Geschichte der beliebtesten Volksstämme

Till Burgwächter hat sich die Mühe gemacht und ist (am Com-puter) durch die Welt gereist. Er traf Eskimos, die keinen Fisch mögen. Und Indianer, die die Spur des Hirsches nicht von der eines Traktors unterscheiden können. Mithilfe dieser Eindrü-cke und neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse (Wikipedia) hat er ein Buch verfasst, das die bisherige Geschichtsschrei-bung nichtig macht. Oder sie zumindest sinnlos ergänzt.

Till Burgwächter: Väter, Völker und VandalenFrühjahr 2012, 96 S., ISBN 978-3-934896-68-0, 7,95 EUR

punklexikon_lp.indd 95 04.02.2012 10:53:00

Page 13: Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

Edition The PunchlinerLiteratur, Satire und Slam Poetry in voller Länge

bisher erschienen:

Frank Pichelstein Bröker: verschwIndien2010, 118 S., ISBN 978-3-934896-72-7

Till Burgwächter: Die Wahrheit über Wacken2011, 120 S., ISBN 978-3-934896-35-2

Francis Kirps: Planet Luxemburg2012, 120 S., ISBN 978-3-934896-52-9

Axel Klingenberg: Döner mit Braunkohl und Bier2010, 118 S., ISBN 978-3-934896-73-4

Axel Klingenberg (Hg.): Eintracht und Zwietracht2011, 120 S., ISBN 978-3-934896-32-1

Daniel Terek: Der Weltenmampfer2010, 118 S., ISBN 978-3-934896-71-0

Hauke Trustorff: Die Schändung mit der Maus2010, 118 S., ISBN 978-3-934896-74-1

reiffer | Edition The Punchliner | www.verlag-reiffer.de

punklexikon_lp.indd 96 04.02.2012 10:53:00

Page 14: Keine Zukunft für immer - Das Punk-Lexikon (Leseprobe)

endversion280112

Samstag, 28. Januar 2012 16:53:34