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UMID 2 • 2014 Seite 102 Kernkraftwerke in Deutschland – Neue Entwicklungen im anlagenexternen Notfallschutz Nuclear powerplants in Germany – Recent developments in off-site nuclear emergency preparedness and response Florian Gering Abstract The reactor accident in Fukushima, Japan, in 2011 triggered a thorough review of the off-site emergency preparedness and response for nuclear power plants in Germany. “Off-site emergency preparedness and response” includes all actions to protect the public outside the fence of a nuclear power plant. This review resulted in several changes in off-site emergency preparedness and response, which are briefly described in this article. Additionally, several recent activities are described which may influence emer- gency preparedness and response in the future. Zusammenfassung Nach dem Reaktorunfall 2011 im japanischen Fukushima wurde in Deutschland der anlagenexterne Notfallschutz für Kernkraftwerke umfassend überprüft. Zum anlagenexternen Notfallschutz zählen alle Maßnahmen außerhalb eines Kernkraftwerks, die im Notfall zu ergreifen sind. Nach der Überprüfung ha- ben sich Änderungen in diesem Bereich ergeben, die im folgenden Artikel kurz erläutert werden. Zusätz- lich werden Entwicklungen dargestellt, die in den nächsten Jahren Auswirkungen auf den Notfallschutz haben können. Einleitung Der Reaktorunfall im Jahr 2011 im japanischen Fu- kushima gab sowohl national als auch international Anlass, die Bewältigung dieser Krise und die damit verbundenen radiologischen Konsequenzen ein- gehend zu analysieren. Von verschiedenen Seiten wurden Fragen nach entsprechenden Konsequen- zen für den Notfall- beziehungsweise Katastro- phenschutz gestellt. In diesem Zusammenhang hat die Strahlenschutzkommission (SSK) die fachli- chen Grundlagen für den Notfallschutz in Deutsch- land und das dazugehörige Regelwerk überprüft. Danach haben sich einige Änderungen für den anla- genexternen Notfallschutz von Kernkraftwerken in Deutschland ergeben, die im Folgenden beschrie- ben werden. Zum anlagenexternen Notfallschutz zählen alle Maßnahmen, die im Notfall außerhalb eines Kernkraftwerks zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen sind. Neue radiologische Grundlagen Das grundlegende deutsche Konzept für die Pla- nung und Durchführung von Schutzmaßnahmen bei einem Ereignis mit einer erheblichen Freisetzung radioaktiver Stoffe hat die deutsche Strahlenschutz- kommission Anfang 2014 in einer Empfehlung dar- gestellt (SSK 2014a). Bei der Überarbeitung der darin enthaltenen radiologischen Grundlagen wur- den die Lehren aus dem Unfall in Fukushima durch die SSK berücksichtigt. Außerdem hat sie neuere Empfehlungen der internationalen Strahlenschutz- kommission ICRP zum Notfallschutz umgesetzt (ICRP 2007; ICRP 2009a; ICRP 2009b). Die Maßnahmen des Notfallschutzes nach SSK (2014a) haben dabei ein gemeinsames Ziel: Die Strahlenexposition der Menschen soll reduziert werden. Schwerwiegende strahlenbiologische Ef- fekte, die sich auf die Funktion von Zellen und Organen des Menschen auswirken und schwere Beeinträchtigungen der Lebensqualität nach sich ziehen (deterministische Effekte), sollen vermie- den werden. Die individuelle Strahlendosis soll auf Werte unterhalb der Schwellendosen für schwer- wiegende deterministische Effekte beschränkt werden. Zusätzlich soll auch das Risiko für Krebs, Leukämie und Schäden am Erbgut (stochastische

Kernkraftwerke in Deutschland – Neue Entwicklungen im ... · PDF fileUMID 2 • 2014 . Seite 103 Effekte) durch geeignete Maßnahmen begrenzt . werden. Die in . Tabelle 1 aufgeführten

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Kernkraftwerke in Deutschland ndash Neue Entwicklungen im anlagenexternen Notfallschutz

Nuclear powerplants in Germany ndash Recent developments in off-site nuclear emergency preparedness and response

Florian Gering

AbstractThe reactor accident in Fukushima Japan in 2011 triggered a thorough review of the off-site emergency preparedness and response for nuclear power plants in Germany ldquoOff-site emergency preparedness and responserdquo includes all actions to protect the public outside the fence of a nuclear power plant This review resulted in several changes in off-site emergency preparedness and response which are briefly described in this article Additionally several recent activities are described which may influence emer-gency preparedness and response in the future

ZusammenfassungNach dem Reaktorunfall 2011 im japanischen Fukushima wurde in Deutschland der anlagenexterne Notfallschutz fuumlr Kernkraftwerke umfassend uumlberpruumlft Zum anlagenexternen Notfallschutz zaumlhlen alle Maszlignahmen auszligerhalb eines Kernkraftwerks die im Notfall zu ergreifen sind Nach der Uumlberpruumlfung ha-ben sich Aumlnderungen in diesem Bereich ergeben die im folgenden Artikel kurz erlaumlutert werden Zusaumltz-lich werden Entwicklungen dargestellt die in den naumlchsten Jahren Auswirkungen auf den Notfallschutz haben koumlnnen

Einleitung

Der Reaktorunfall im Jahr 2011 im japanischen Fu-kushima gab sowohl national als auch international Anlass die Bewaumlltigung dieser Krise und die damit verbundenen radiologischen Konsequenzen ein-gehend zu analysieren Von verschiedenen Seiten wurden Fragen nach entsprechenden Konsequen-zen fuumlr den Notfall- beziehungsweise Katastro-phenschutz gestellt In diesem Zusammenhang hat die Strahlenschutzkommission (SSK) die fachli-chen Grundlagen fuumlr den Notfallschutz in Deutsch-land und das dazugehoumlrige Regelwerk uumlberpruumlft Danach haben sich einige Aumlnderungen fuumlr den anla-genexternen Notfallschutz von Kernkraftwerken in Deutschland ergeben die im Folgenden beschrie-ben werden Zum anlagenexternen Notfallschutz zaumlhlen alle Maszlignahmen die im Notfall auszligerhalb eines Kernkraftwerks zum Schutz der Bevoumllkerung zu ergreifen sind

Neue radiologische Grundlagen

Das grundlegende deutsche Konzept fuumlr die Pla-nung und Durchfuumlhrung von Schutzmaszlignahmen bei

einem Ereignis mit einer erheblichen Freisetzung radioaktiver Stoffe hat die deutsche Strahlenschutz-kommission Anfang 2014 in einer Empfehlung dar-gestellt (SSK 2014a) Bei der Uumlberarbeitung der darin enthaltenen radiologischen Grundlagen wur-den die Lehren aus dem Unfall in Fukushima durch die SSK beruumlcksichtigt Auszligerdem hat sie neuere Empfehlungen der internationalen Strahlenschutz-kommission ICRP zum Notfallschutz umgesetzt (ICRP 2007 ICRP 2009a ICRP 2009b)

Die Maszlignahmen des Notfallschutzes nach SSK (2014a) haben dabei ein gemeinsames Ziel Die Strahlenexposition der Menschen soll reduziert werden Schwerwiegende strahlenbiologische Ef-fekte die sich auf die Funktion von Zellen und Organen des Menschen auswirken und schwere Beeintraumlchtigungen der Lebensqualitaumlt nach sich ziehen (deterministische Effekte) sollen vermie-den werden Die individuelle Strahlendosis soll auf Werte unterhalb der Schwellendosen fuumlr schwer-wiegende deterministische Effekte beschraumlnkt werden Zusaumltzlich soll auch das Risiko fuumlr Krebs Leukaumlmie und Schaumlden am Erbgut (stochastische

UMID 2 bull 2014 Seite 103

Effekte) durch geeignete Maszlignahmen begrenzt werden

Die in Tabelle 1 aufgefuumlhrten Eingreifrichtwerte wurden von der SSK im Jahr 2014 nicht geaumlndert lediglich die bisherigen Eingreifrichtwerte fuumlr die Maszlignahmen bdquotemporaumlre Umsiedlungldquo und bdquoperma-nente Umsiedlungldquo sind entfallen Stattdessen gibt es jetzt einen neuen sogenannten Referenzwert von 100 mSv fuumlr die verbleibende Dosis im ersten Jahr nach einem schweren Kernkraftwerksunfall Dieser Referenzwert der verbleibenden Dosis be-zieht sich auf die Dosis die Personen im Laufe des ersten Jahres uumlber alle Expositionspfade erhalten bdquoVerbleibende Dosisldquo bedeutet dabei dass die Re-duzierung der Dosis durch Schutzmaszlignahmen und durch die normale Lebensweise der Bevoumllkerung beruumlcksichtigt wird

Die Eingreifrichtwerte aus Tabelle 1 dienen der schnellen Entscheidung fuumlr konkrete Schutzmaszlig-nahmen waumlhrend der Referenzwert der verbleiben-den Dosis ein zusaumltzliches Kriterium ist mit dessen Hilfe die Wirksamkeit der Schutzmaszlignahmen beur-teilt und gegebenenfalls uumlber zusaumltzliche Maszlignah-men entschieden werden kann

Neue Planungsgebiete

Nach dem Unfall in Japan hat die SSK beschlos-sen die Notfallplanung staumlrker an den potenziellen Auswirkungen als an der berechneten Eintrittswahr-scheinlichkeit von Unfaumlllen auszurichten Zukuumlnftig sind daher auch Unfaumllle deren radiologische Aus-wirkungen denen des Unfalls in Fukushima entspre-

chen wuumlrden in die Planung des Notfallschutzes und damit auch in die Festlegung von Planungsge-bieten aufzunehmen Als Planungsgebiete werden diejenigen Gebiete um Kernkraftwerke bezeichnet in denen Schutzmaszlignahmen wie zum Beispiel Eva-kuierung im Detail vorgeplant werden

Zur Festlegung der neuen Planungsgebiete wurde eine analytische Methode gewaumlhlt Dabei wurde zuerst ein Referenzunfall fuumlr die Notfallplanung festgelegt Fuumlr diesen Referenzunfall wurden dann durch das Bundesamt fuumlr Strahlenschutz (BfS) die Gebiete ermittelt in denen die Eingreifrichtwerte fuumlr Schutzmaszlignahmen uumlberschritten werden koumlnn-ten Dazu berechnete das BfS mit dem Entschei-dungshilfesystem RODOS uumlber 5000 Fallbeispiele (Raskob Gering 2010 siehe auch httpwwwro-dosfzkde) Die so ermittelten Gebiete wurden als Grundlage zur Bestimmung von neuen Planungsge-bieten verwendet

Auf dieser Basis veroumlffentlichte die SSK 2014 eine neue Empfehlung die einige wesentliche Aumlnderun-gen fuumlr die Notfallschutz-Planungsgebiete enthaumllt (SSK 2014b Tabelle 2)

Die vorgeplanten Maszlignahmen in der Zentralzone (bis 5 km Entfernung vom Kernkraftwerk) und in der Mittelzone (bis 20 km Entfernung vom Kern-kraftwerk) sind dieselben Trotzdem wird zwischen diesen beiden Zonen unterschieden

bull um in der Zentralzone eine schnellere Umsetzung der Maszlignahmen zu erreichen als in der Mittelzo-ne In der Zentralzone Evakuierung und Vertei-lung von Iodtabletten innerhalb von 6 Stunden

Tabelle 1 Eingreifrichtwerte fuumlr die Maszlignahmen bdquoAufenthalt in Gebaumludenldquo bdquoEinnahme von Iodtablettenldquo und bdquoEvakuie-rungldquo (SSK 2014a)

MaszlignahmeEingreifrichtwerte

Organdosis (Schilddruumlse) Effektive Dosis Integrationszeiten und Expositionspfade

Aufenthalt in Gebaumluden 10 mSv

Aumluszligere Exposition in 7 Tagen und effektive Dosis durch die in diesem Zeitraum inhalierten Radionu-klide bei unterstelltem Daueraufenthalt im Freien

Einnahme von Iodtabletten

50 mSv Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und Schwangere

250 mSv Personen von 18 bis 45 Jahren

Organdosis durch im Zeitraum von 7 Tagen inha-liertes Radioiod bei unterstelltem Daueraufenthalt im Freien

Evakuierung 100 mSvAumluszligere Exposition in 7 Tagen und effektive Dosis durch die in diesem Zeitraum inhalierten Radionu-klide bei unterstelltem Daueraufenthalt im Freien

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in der Mittelzone Evakuierung innerhalb von 24 Stunden Verteilung von Iodtabletten innerhalb von 12 Stunden

bull da in der gesamten Zentralzone Maszlignahmen gleichzeitig in allen Richtungen (d h im gesam-ten Kreisgebiet) durchgefuumlhrt werden sollen waumlhrend in der Mittelzone Maszlignahmen in Ab-haumlngigkeit von der Ausbreitungsrichtung radio-aktiver Stoffe durchgefuumlhrt werden koumlnnen (d h zum Beispiel auch nur in einigen Sektoren in Ausbreitungsrichtung)

Abbildung 1 zeigt ein konkretes Beispiel fuumlr die Erweiterung der Planungsgebiete Dargestellt sind die bisherigen (10 km innerer Kreis) und die neu-en (100 km aumluszligerer Kreis) Planungsgebiete fuumlr die Maszlignahme bdquoAufenthalt in Gebaumludenldquo am Beispiel der Kernkraftwerke Gundremmingen und Isar

Die neue Empfehlung gilt fuumlr deutsche Kernkraft-werke und fuumlr grenznahe auslaumlndische Anlagen (d h bis etwa 100 km Entfernung von der deut-schen Grenze) Die Empfehlung gilt nur fuumlr Kern-kraftwerke im Leistungsbetrieb das heiszligt nicht fuumlr in Stilllegung befindliche Kernkraftwerke

Zukuumlnftige Entwicklungen

NationalDie Weiterentwicklung des anlagenexternen Not-fallschutzes von Kernkraftwerken in Deutschland nach dem Unfall von Fukushima ist noch nicht abgeschlossen Im Folgenden werden einige Ent-wicklungen dargestellt die in den naumlchsten Jahren Auswirkungen auf den Notfallschutz haben koumlnnen

Trotz des fuumlr Deutschland beschlossenen Atomaus-stiegs und der daraus folgenden Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke innerhalb der naumlchsten zehn Jahre wird der Notfallschutz weiterhin erfor-derlich bleiben da Kernkraftwerke in benachbarten Laumlndern weiter betrieben und zum Teil sogar neu gebaut werden Moumlgliche Unfallfolgen muumlssen da-her auch zukuumlnftig fuumlr Deutschland beruumlcksichtigt werden Langfristig ist damit zu rechnen dass sich die Bundeslaumlnder aus dem kerntechnischen Notfall-schutz mehr und mehr zuruumlckziehen und entspre-chende Ressourcen auf Laumlnderseite immer weniger zur Verfuumlgung stehen werden Dies fuumlhrt speziell in den folgenden Bereichen zu besonderen Herausfor-derungen

bull Weiterentwicklung der Notfallschutzplanung

bull Ermittlung und Bewertung der radiologischen Lage (Restrukturierung der Lagezentren)

Tabelle 2 Aumlnderungen der Planungsgebiete fuumlr den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken Aumlnderungen gegenuumlber dem Stand von 2008 sind fett hervorgehoben

Planungsgebiet Bisheriger Stand (2008) Neuer Stand (2014)

Zentralzone

Bis etwa 2 kmbull Aufenthalt in Gebaumludenbull Einnahme von Iodtablettenbull Evakuierung

Bis etwa 5 kmbull Aufenthalt in Gebaumludenbull Einnahme von Iodtablettenbull Evakuierung

Mittelzone

Bis etwa 10 kmbull Aufenthalt in Gebaumludenbull Einnahme von Iodtablettenbull Evakuierung

Bis etwa 20 kmbull Aufenthalt in Gebaumludenbull Einnahme von Iodtablettenbull Evakuierung

Auszligenzone Bis etwa 25 kmbull Einnahme von Iodtabletten

Bis etwa 100 kmbull Einnahme von Iodtablettenbull Aufenthalt in Gebaumluden

Fernzone

Bis etwa 100 kmbull Versorgung von Kindern und Jugendlichen

unter 18 Jahren sowie Schwangeren mit Iod-tabletten

bull Maszlignahmen entsprechend dem Strahlen-schutzvorsorgegesetz (StrVG) insbesonde-re die Durchfuumlhrung von Messprogrammen zur Ermittlung der radiologischen Lageldquo

Gesamtes Staatsgebietbull Versorgung von Kindern und Jugendlichen

unter 18 Jahren sowie Schwangeren mit Iod-tabletten

bull Maszlignahmen entsprechend dem Strahlen-schutzvorsorgegesetz (StrVG) insbesonde-re die Durchfuumlhrung von Messprogrammen zur Ermittlung der radiologischen Lage

UMID 2 bull 2014 Seite 105

bull Entscheidung und Umsetzung von Notfallschutz-Maszlignahmen

bull Aufrechterhaltung von Messkapazitaumlten zur Uumlber-wachung der Umweltradioaktivitaumlt (insbesondere bei Sondernukliden d h Radionukliden die nur mit aufwendigen Messverfahren nachgewiesen werden koumlnnen)

bull Information der Bevoumllkerung

Die Aufarbeitung des Unfalls in Fukushima durch die SSK ist noch nicht abgeschlossen Derzeit ar-beitet die SSK unter anderem an den folgenden Notfallschutz-Themen (Stand Juni 2014)

bull Aumlnderung und Ergaumlnzung der Rahmenempfeh-lungen fuumlr den Notfallschutz der Betreiber

bull Empfehlung fuumlr die Iodblockade in der Umge-bung stillgelegter Kernkraftwerke

bull Empfehlung fuumlr Planungsgebiete in der Umge-bung stillgelegter Kernkraftwerke

bull Empfehlung zur Verbesserung der Prognose und Ermittlung der Freisetzung radioaktiver Stoffe bei Kernkraftwerksunfaumlllen

bull Empfehlung zu Mess- und Probenahmeprogram-men in den Planungsgebieten

bull Empfehlung zur Weiterentwicklung des Notfall-schutzes unter Beruumlcksichtigung der Erfahrun-gen aus Fukushima

bull Empfehlung zur Weiterentwicklung des medizi-nischen Notfallschutzes

bull Da bei einem schweren Kernkraftwerksunfall mehrere Bundeslaumlnder betroffen sein koumlnnen muumlssen die Voraussetzungen fuumlr ein einheitliches Lagebild geschaffen werden Wichtige Arbeits-grundlage dafuumlr sind gemeinsame Lagezentren Die Arbeitsgruppen der Innenbehoumlrden werden deswegen unterstuumltzt zu den Themen einheit-liches Lagebild und Lagezentren Notfallstatio-nen Evakuierung

Anfang 2014 hat die Schutzkommission beim Bundesministerium des Inneren (BMI) eine Stel-

Abbildung 1 Darstellung bisheriger und erweiterter Planungsgebiete am Beispiel der Kernkraftwerke Gundremmingen und Isar

Innerer Kreis bisheriges Planungsgebiet aumluszligerer Kreis erweitertes Planungsgebiet

UMID 2 bull 2014Seite 106

lungnahme zur Umsetzung der Erfahrungen aus Fukushima fuumlr die Planung von Notfallschutzmaszlig-nahmen in Deutschland veroumlffentlicht (Schutz-kommission 2014) Die Schutzkommission haumllt folgende Ergaumlnzungen im anlagenexternen Notfall-schutz in Deutschland fuumlr notwendig

bull Sicherstellung einer unverzuumlglichen Alarmwei-terleitung an alle zustaumlndigen Stellen

bull Einrichtung von laumlnderuumlbergreifenden radiolo-gischen Lagezentren in denen alle relevanten Prognose- und Messdaten zusammengefuumlhrt in eine geschlossene Darstellung uumlberfuumlhrt und ein-heitlich bewertet werden koumlnnen

bull Verbesserung der medizinischen Versorgungs-moumlglichkeiten Betroffener besonders in Not-fallstationen dies betrifft insbesondere die Bewertung der abgeschaumltzten Strahlenexposition durch Aumlrzte

bull Vorbereitung von Maszlignahmen die bei groszligraumlu-migen und lang andauernden Evakuierungsmaszlig-nahmen notwendig werden Dies betrifft auch Maszlignahmen die zunaumlchst dem Katastrophen-schutz dienen spaumlter aber in solche nach Strah-lenschutzvorsorgegesetz uumlbergehen

InternationalDer Unfall in Fukushima hat erneut gezeigt dass die Folgen schwerer Reaktorunfaumllle immer grenz-uumlberschreitend sind Auch aus diesem Grund ist die Harmonisierung der deutschen Notfallschutz-Planung mit derjenigen der europaumlischen Nachbar-staaten und auch weltweit besonders wichtig Seit 2011 gibt es international eine Reihe von Initiativen zur Verbesserung des Notfallschutzes einige davon werden im Folgenden beschrieben

Studie der Europaumlischen KommissionDie Europaumlische Kommission hat Ende 2012 eine Studie zur Uumlberpruumlfung des anlagenexternen kern-technischen Notfallschutzes in der Europaumlischen Union (EU) und in einigen Nachbarlaumlndern in Auf-trag gegeben die 2013 durch ein oumlsterreichisch-slowakisches Konsortium durchgefuumlhrt wurde (EC 2014) Zentrale Schlussfolgerungen sind

bull Die Regelungen und Faumlhigkeiten der europaumli-schen Laumlnder erfuumlllen im Allgemeinen die An-forderungen der EU und der internationalen Atomenergie-Organisation IAEA

bull Es gibt trotzdem eine Reihe von Defiziten ins-besondere das Fehlen von Strategien fuumlr lang-fristige Notfallschutz-Maszlignahmen und die Wiederherstellung normaler Lebensbedingun-gen sowie die mangelnde Uumlbereinstimmung von Notfallschutz-Regelungen bei grenzuumlberschrei-tenden Unfallfolgen

bull Obwohl der Notfallschutz in allen Laumlndern im Wesentlichen dieselben Ziele verfolgt gibt es zahlreiche Unterschiede zwischen den einzelnen Laumlndern in der praktischen Umsetzung die das Vertrauen der Bevoumllkerung in den Notfallschutz untergraben koumlnnten

bull Die fuumlr den Notfallschutz benoumltigten Ressourcen sind erheblich insbesondere fuumlr kleinere Laumlnder Es gibt Moumlglichkeiten zur verbesserten gemein-samen Nutzung von Ressourcen (wie z B von Hubschrauber-Messsystemen) Noch groumlszligere Vorteile koumlnnten aus der verbesserten Integration des kerntechnischen Notfallschutzes in den all-gemeinen Notfallschutz gezogen werden

Neue Richtlinie der EUEnde 2013 wurde von der Europaumlischen Union die Richtlinie 201359EURATOM zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen fuumlr den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenuumlber ioni-sierender Strahlung veroumlffentlicht (Euratom 2013) Diese Richtlinie muss innerhalb von vier Jahren in nationales Recht umgesetzt werden Die in der Richtlinie genannten Anforderungen betreffen un-ter anderem den Notfallschutz und erfordern zum Teil eine entsprechende Umsetzung in deutschen Regelwerken Einige dieser Anforderungen sind

bull Katalog von Unfallszenarien fuumlr den Notfall-schutz szenarienabhaumlngige Bestandteile in Not-fallplaumlnen

bull nachtraumlgliche Rekonstruktion der Dosis von be-troffenen Einzelpersonen der Bevoumllkerung und von Einsatzkraumlften

bull vorgeplante Strategie zur Bewaumlltigung der Nach-unfallphase

bull Regelungen von maximalen Oberflaumlchenkonta-minationen (Transportmittel und Guumlter)

bull Regelungen zur Sperrung von Luftraumlumen See-gebieten und Straszligen

UMID 2 bull 2014 Seite 107

Gemeinsames NotfallmanagementSeit dem Fruumlhjahr 2014 erarbeitet die gemeinsame Arbeitsgruppe AtHLET der europaumlischen Orga-nisationen WENRA (Western European Nuclear Regulators Association) und HERCA (Heads of European Radiological protection Competent Au-thorities) einen gemeinsamen europaumlischen Ansatz fuumlr das Notfallmanagement bei Kernkraftwerks-unfaumlllen Dieser Ansatz ist fuumlr den speziellen Fall vorgesehen dass schnelle Entscheidungen uumlber Schutzmaszlignahmen getroffen werden muumlssen und nur wenige Informationen verfuumlgbar sind Der Ansatz soll die vorhandenen Konzepte fuumlr das Notfallmanagement in den europaumlischen Laumlndern ergaumlnzen Mit ersten Ergebnissen ist im Herbst 2014 zu rechnen

Literatur

Euratom 2013 Richtlinie 201359Euratom des Rates vom 5 Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen fuumlr den Schutz vor den Gefahren ei-ner Exposition gegenuumlber ionisierender Strahlung ABl 2014 L 13 httpeur-lexeuropaeudeindexhtm (Ab-rufdatum 28072014)

EC 2014 Review of Current Off-site Nuclear Emer-gency Preparedness and Response Arrangements in EU Member States and Neighbouring Countries European Commission ENERD12012-474 httpeceuropaeu (Abrufdatum 28072014)

ICRP 2007 The 2007 Recommendations of the Inter-national Commission on Radiological Protection Inter-national Commission on Radiological Protection ICRP Publication 103 Annals of the ICRP Volume 37(2ndash4)

ICRP 2009a Application of the Commissions Recom-mendations for the Protection of People in Emergency Exposure Situations International Commission on Ra-diological Protection ICRP Publication 109 Annals of the ICRP Volume 39(1)

ICRP 2009b Application of the Commissions Recom-mendations to the Protection of People Living in Long-term Contaminated Areas after a Nuclear Accident or a Radiation Emergency International Commission on Ra-diological Protection ICRP Publication 111 Annals of the ICRP Volume 39(3)

Raskob W Gering F (2010) Key improvements in the simulation modelling for decision support systems deve-loped in the EURANOS project In Radioprotection Vol 45(5) 149ndash159 DOI 101051radiopro2010037

Schutzkommission 2014 Stellungnahme der Schutz-kommission zur Umsetzung der Erfahrungen aus Fuku-shima fuumlr die Planung von Notfallschutzmaszlignahmen in Deutschland Schutzkommission beim Bundesministeri-um des Innern httpwwwschutzkommissionde (Ab-rufdatum 28072014)

SSK 2014a Radiologische Grundlagen fuumlr Entscheidun-gen uumlber Maszlignahmen zum Schutz der Bevoumllkerung bei Ereignissen mit Freisetzungen von Radionukliden Emp-fehlung der Strahlenschutzkommission verabschiedet in der 268 Sitzung der SSK am 1314022014 httpwwwsskde (Abrufdatum 28072014)

SSK 2014b Planungsgebiete fuumlr den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken Empfehlung der Strah-lenschutzkommission verabschiedet in der 268 Sitzung der SSK am 1314022014 BAnz AT 21052014 B4 httpwwwsskde (Abrufdatum 28072014)

KontaktDr Florian Gering Bundesamt fuumlr Strahlenschutz Fachbereich Strahlenschutz und Umwelt Abteilung SW 22 Entscheidungshilfesysteme Lageermittlung und Kommunikation 85764 OberschleiszligheimNeuherberg E-Mail fgering[at]bfsde

[BfS]

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UMID 2 bull 2014 Seite 103

Effekte) durch geeignete Maszlignahmen begrenzt werden

Die in Tabelle 1 aufgefuumlhrten Eingreifrichtwerte wurden von der SSK im Jahr 2014 nicht geaumlndert lediglich die bisherigen Eingreifrichtwerte fuumlr die Maszlignahmen bdquotemporaumlre Umsiedlungldquo und bdquoperma-nente Umsiedlungldquo sind entfallen Stattdessen gibt es jetzt einen neuen sogenannten Referenzwert von 100 mSv fuumlr die verbleibende Dosis im ersten Jahr nach einem schweren Kernkraftwerksunfall Dieser Referenzwert der verbleibenden Dosis be-zieht sich auf die Dosis die Personen im Laufe des ersten Jahres uumlber alle Expositionspfade erhalten bdquoVerbleibende Dosisldquo bedeutet dabei dass die Re-duzierung der Dosis durch Schutzmaszlignahmen und durch die normale Lebensweise der Bevoumllkerung beruumlcksichtigt wird

Die Eingreifrichtwerte aus Tabelle 1 dienen der schnellen Entscheidung fuumlr konkrete Schutzmaszlig-nahmen waumlhrend der Referenzwert der verbleiben-den Dosis ein zusaumltzliches Kriterium ist mit dessen Hilfe die Wirksamkeit der Schutzmaszlignahmen beur-teilt und gegebenenfalls uumlber zusaumltzliche Maszlignah-men entschieden werden kann

Neue Planungsgebiete

Nach dem Unfall in Japan hat die SSK beschlos-sen die Notfallplanung staumlrker an den potenziellen Auswirkungen als an der berechneten Eintrittswahr-scheinlichkeit von Unfaumlllen auszurichten Zukuumlnftig sind daher auch Unfaumllle deren radiologische Aus-wirkungen denen des Unfalls in Fukushima entspre-

chen wuumlrden in die Planung des Notfallschutzes und damit auch in die Festlegung von Planungsge-bieten aufzunehmen Als Planungsgebiete werden diejenigen Gebiete um Kernkraftwerke bezeichnet in denen Schutzmaszlignahmen wie zum Beispiel Eva-kuierung im Detail vorgeplant werden

Zur Festlegung der neuen Planungsgebiete wurde eine analytische Methode gewaumlhlt Dabei wurde zuerst ein Referenzunfall fuumlr die Notfallplanung festgelegt Fuumlr diesen Referenzunfall wurden dann durch das Bundesamt fuumlr Strahlenschutz (BfS) die Gebiete ermittelt in denen die Eingreifrichtwerte fuumlr Schutzmaszlignahmen uumlberschritten werden koumlnn-ten Dazu berechnete das BfS mit dem Entschei-dungshilfesystem RODOS uumlber 5000 Fallbeispiele (Raskob Gering 2010 siehe auch httpwwwro-dosfzkde) Die so ermittelten Gebiete wurden als Grundlage zur Bestimmung von neuen Planungsge-bieten verwendet

Auf dieser Basis veroumlffentlichte die SSK 2014 eine neue Empfehlung die einige wesentliche Aumlnderun-gen fuumlr die Notfallschutz-Planungsgebiete enthaumllt (SSK 2014b Tabelle 2)

Die vorgeplanten Maszlignahmen in der Zentralzone (bis 5 km Entfernung vom Kernkraftwerk) und in der Mittelzone (bis 20 km Entfernung vom Kern-kraftwerk) sind dieselben Trotzdem wird zwischen diesen beiden Zonen unterschieden

bull um in der Zentralzone eine schnellere Umsetzung der Maszlignahmen zu erreichen als in der Mittelzo-ne In der Zentralzone Evakuierung und Vertei-lung von Iodtabletten innerhalb von 6 Stunden

Tabelle 1 Eingreifrichtwerte fuumlr die Maszlignahmen bdquoAufenthalt in Gebaumludenldquo bdquoEinnahme von Iodtablettenldquo und bdquoEvakuie-rungldquo (SSK 2014a)

MaszlignahmeEingreifrichtwerte

Organdosis (Schilddruumlse) Effektive Dosis Integrationszeiten und Expositionspfade

Aufenthalt in Gebaumluden 10 mSv

Aumluszligere Exposition in 7 Tagen und effektive Dosis durch die in diesem Zeitraum inhalierten Radionu-klide bei unterstelltem Daueraufenthalt im Freien

Einnahme von Iodtabletten

50 mSv Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und Schwangere

250 mSv Personen von 18 bis 45 Jahren

Organdosis durch im Zeitraum von 7 Tagen inha-liertes Radioiod bei unterstelltem Daueraufenthalt im Freien

Evakuierung 100 mSvAumluszligere Exposition in 7 Tagen und effektive Dosis durch die in diesem Zeitraum inhalierten Radionu-klide bei unterstelltem Daueraufenthalt im Freien

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in der Mittelzone Evakuierung innerhalb von 24 Stunden Verteilung von Iodtabletten innerhalb von 12 Stunden

bull da in der gesamten Zentralzone Maszlignahmen gleichzeitig in allen Richtungen (d h im gesam-ten Kreisgebiet) durchgefuumlhrt werden sollen waumlhrend in der Mittelzone Maszlignahmen in Ab-haumlngigkeit von der Ausbreitungsrichtung radio-aktiver Stoffe durchgefuumlhrt werden koumlnnen (d h zum Beispiel auch nur in einigen Sektoren in Ausbreitungsrichtung)

Abbildung 1 zeigt ein konkretes Beispiel fuumlr die Erweiterung der Planungsgebiete Dargestellt sind die bisherigen (10 km innerer Kreis) und die neu-en (100 km aumluszligerer Kreis) Planungsgebiete fuumlr die Maszlignahme bdquoAufenthalt in Gebaumludenldquo am Beispiel der Kernkraftwerke Gundremmingen und Isar

Die neue Empfehlung gilt fuumlr deutsche Kernkraft-werke und fuumlr grenznahe auslaumlndische Anlagen (d h bis etwa 100 km Entfernung von der deut-schen Grenze) Die Empfehlung gilt nur fuumlr Kern-kraftwerke im Leistungsbetrieb das heiszligt nicht fuumlr in Stilllegung befindliche Kernkraftwerke

Zukuumlnftige Entwicklungen

NationalDie Weiterentwicklung des anlagenexternen Not-fallschutzes von Kernkraftwerken in Deutschland nach dem Unfall von Fukushima ist noch nicht abgeschlossen Im Folgenden werden einige Ent-wicklungen dargestellt die in den naumlchsten Jahren Auswirkungen auf den Notfallschutz haben koumlnnen

Trotz des fuumlr Deutschland beschlossenen Atomaus-stiegs und der daraus folgenden Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke innerhalb der naumlchsten zehn Jahre wird der Notfallschutz weiterhin erfor-derlich bleiben da Kernkraftwerke in benachbarten Laumlndern weiter betrieben und zum Teil sogar neu gebaut werden Moumlgliche Unfallfolgen muumlssen da-her auch zukuumlnftig fuumlr Deutschland beruumlcksichtigt werden Langfristig ist damit zu rechnen dass sich die Bundeslaumlnder aus dem kerntechnischen Notfall-schutz mehr und mehr zuruumlckziehen und entspre-chende Ressourcen auf Laumlnderseite immer weniger zur Verfuumlgung stehen werden Dies fuumlhrt speziell in den folgenden Bereichen zu besonderen Herausfor-derungen

bull Weiterentwicklung der Notfallschutzplanung

bull Ermittlung und Bewertung der radiologischen Lage (Restrukturierung der Lagezentren)

Tabelle 2 Aumlnderungen der Planungsgebiete fuumlr den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken Aumlnderungen gegenuumlber dem Stand von 2008 sind fett hervorgehoben

Planungsgebiet Bisheriger Stand (2008) Neuer Stand (2014)

Zentralzone

Bis etwa 2 kmbull Aufenthalt in Gebaumludenbull Einnahme von Iodtablettenbull Evakuierung

Bis etwa 5 kmbull Aufenthalt in Gebaumludenbull Einnahme von Iodtablettenbull Evakuierung

Mittelzone

Bis etwa 10 kmbull Aufenthalt in Gebaumludenbull Einnahme von Iodtablettenbull Evakuierung

Bis etwa 20 kmbull Aufenthalt in Gebaumludenbull Einnahme von Iodtablettenbull Evakuierung

Auszligenzone Bis etwa 25 kmbull Einnahme von Iodtabletten

Bis etwa 100 kmbull Einnahme von Iodtablettenbull Aufenthalt in Gebaumluden

Fernzone

Bis etwa 100 kmbull Versorgung von Kindern und Jugendlichen

unter 18 Jahren sowie Schwangeren mit Iod-tabletten

bull Maszlignahmen entsprechend dem Strahlen-schutzvorsorgegesetz (StrVG) insbesonde-re die Durchfuumlhrung von Messprogrammen zur Ermittlung der radiologischen Lageldquo

Gesamtes Staatsgebietbull Versorgung von Kindern und Jugendlichen

unter 18 Jahren sowie Schwangeren mit Iod-tabletten

bull Maszlignahmen entsprechend dem Strahlen-schutzvorsorgegesetz (StrVG) insbesonde-re die Durchfuumlhrung von Messprogrammen zur Ermittlung der radiologischen Lage

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bull Entscheidung und Umsetzung von Notfallschutz-Maszlignahmen

bull Aufrechterhaltung von Messkapazitaumlten zur Uumlber-wachung der Umweltradioaktivitaumlt (insbesondere bei Sondernukliden d h Radionukliden die nur mit aufwendigen Messverfahren nachgewiesen werden koumlnnen)

bull Information der Bevoumllkerung

Die Aufarbeitung des Unfalls in Fukushima durch die SSK ist noch nicht abgeschlossen Derzeit ar-beitet die SSK unter anderem an den folgenden Notfallschutz-Themen (Stand Juni 2014)

bull Aumlnderung und Ergaumlnzung der Rahmenempfeh-lungen fuumlr den Notfallschutz der Betreiber

bull Empfehlung fuumlr die Iodblockade in der Umge-bung stillgelegter Kernkraftwerke

bull Empfehlung fuumlr Planungsgebiete in der Umge-bung stillgelegter Kernkraftwerke

bull Empfehlung zur Verbesserung der Prognose und Ermittlung der Freisetzung radioaktiver Stoffe bei Kernkraftwerksunfaumlllen

bull Empfehlung zu Mess- und Probenahmeprogram-men in den Planungsgebieten

bull Empfehlung zur Weiterentwicklung des Notfall-schutzes unter Beruumlcksichtigung der Erfahrun-gen aus Fukushima

bull Empfehlung zur Weiterentwicklung des medizi-nischen Notfallschutzes

bull Da bei einem schweren Kernkraftwerksunfall mehrere Bundeslaumlnder betroffen sein koumlnnen muumlssen die Voraussetzungen fuumlr ein einheitliches Lagebild geschaffen werden Wichtige Arbeits-grundlage dafuumlr sind gemeinsame Lagezentren Die Arbeitsgruppen der Innenbehoumlrden werden deswegen unterstuumltzt zu den Themen einheit-liches Lagebild und Lagezentren Notfallstatio-nen Evakuierung

Anfang 2014 hat die Schutzkommission beim Bundesministerium des Inneren (BMI) eine Stel-

Abbildung 1 Darstellung bisheriger und erweiterter Planungsgebiete am Beispiel der Kernkraftwerke Gundremmingen und Isar

Innerer Kreis bisheriges Planungsgebiet aumluszligerer Kreis erweitertes Planungsgebiet

UMID 2 bull 2014Seite 106

lungnahme zur Umsetzung der Erfahrungen aus Fukushima fuumlr die Planung von Notfallschutzmaszlig-nahmen in Deutschland veroumlffentlicht (Schutz-kommission 2014) Die Schutzkommission haumllt folgende Ergaumlnzungen im anlagenexternen Notfall-schutz in Deutschland fuumlr notwendig

bull Sicherstellung einer unverzuumlglichen Alarmwei-terleitung an alle zustaumlndigen Stellen

bull Einrichtung von laumlnderuumlbergreifenden radiolo-gischen Lagezentren in denen alle relevanten Prognose- und Messdaten zusammengefuumlhrt in eine geschlossene Darstellung uumlberfuumlhrt und ein-heitlich bewertet werden koumlnnen

bull Verbesserung der medizinischen Versorgungs-moumlglichkeiten Betroffener besonders in Not-fallstationen dies betrifft insbesondere die Bewertung der abgeschaumltzten Strahlenexposition durch Aumlrzte

bull Vorbereitung von Maszlignahmen die bei groszligraumlu-migen und lang andauernden Evakuierungsmaszlig-nahmen notwendig werden Dies betrifft auch Maszlignahmen die zunaumlchst dem Katastrophen-schutz dienen spaumlter aber in solche nach Strah-lenschutzvorsorgegesetz uumlbergehen

InternationalDer Unfall in Fukushima hat erneut gezeigt dass die Folgen schwerer Reaktorunfaumllle immer grenz-uumlberschreitend sind Auch aus diesem Grund ist die Harmonisierung der deutschen Notfallschutz-Planung mit derjenigen der europaumlischen Nachbar-staaten und auch weltweit besonders wichtig Seit 2011 gibt es international eine Reihe von Initiativen zur Verbesserung des Notfallschutzes einige davon werden im Folgenden beschrieben

Studie der Europaumlischen KommissionDie Europaumlische Kommission hat Ende 2012 eine Studie zur Uumlberpruumlfung des anlagenexternen kern-technischen Notfallschutzes in der Europaumlischen Union (EU) und in einigen Nachbarlaumlndern in Auf-trag gegeben die 2013 durch ein oumlsterreichisch-slowakisches Konsortium durchgefuumlhrt wurde (EC 2014) Zentrale Schlussfolgerungen sind

bull Die Regelungen und Faumlhigkeiten der europaumli-schen Laumlnder erfuumlllen im Allgemeinen die An-forderungen der EU und der internationalen Atomenergie-Organisation IAEA

bull Es gibt trotzdem eine Reihe von Defiziten ins-besondere das Fehlen von Strategien fuumlr lang-fristige Notfallschutz-Maszlignahmen und die Wiederherstellung normaler Lebensbedingun-gen sowie die mangelnde Uumlbereinstimmung von Notfallschutz-Regelungen bei grenzuumlberschrei-tenden Unfallfolgen

bull Obwohl der Notfallschutz in allen Laumlndern im Wesentlichen dieselben Ziele verfolgt gibt es zahlreiche Unterschiede zwischen den einzelnen Laumlndern in der praktischen Umsetzung die das Vertrauen der Bevoumllkerung in den Notfallschutz untergraben koumlnnten

bull Die fuumlr den Notfallschutz benoumltigten Ressourcen sind erheblich insbesondere fuumlr kleinere Laumlnder Es gibt Moumlglichkeiten zur verbesserten gemein-samen Nutzung von Ressourcen (wie z B von Hubschrauber-Messsystemen) Noch groumlszligere Vorteile koumlnnten aus der verbesserten Integration des kerntechnischen Notfallschutzes in den all-gemeinen Notfallschutz gezogen werden

Neue Richtlinie der EUEnde 2013 wurde von der Europaumlischen Union die Richtlinie 201359EURATOM zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen fuumlr den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenuumlber ioni-sierender Strahlung veroumlffentlicht (Euratom 2013) Diese Richtlinie muss innerhalb von vier Jahren in nationales Recht umgesetzt werden Die in der Richtlinie genannten Anforderungen betreffen un-ter anderem den Notfallschutz und erfordern zum Teil eine entsprechende Umsetzung in deutschen Regelwerken Einige dieser Anforderungen sind

bull Katalog von Unfallszenarien fuumlr den Notfall-schutz szenarienabhaumlngige Bestandteile in Not-fallplaumlnen

bull nachtraumlgliche Rekonstruktion der Dosis von be-troffenen Einzelpersonen der Bevoumllkerung und von Einsatzkraumlften

bull vorgeplante Strategie zur Bewaumlltigung der Nach-unfallphase

bull Regelungen von maximalen Oberflaumlchenkonta-minationen (Transportmittel und Guumlter)

bull Regelungen zur Sperrung von Luftraumlumen See-gebieten und Straszligen

UMID 2 bull 2014 Seite 107

Gemeinsames NotfallmanagementSeit dem Fruumlhjahr 2014 erarbeitet die gemeinsame Arbeitsgruppe AtHLET der europaumlischen Orga-nisationen WENRA (Western European Nuclear Regulators Association) und HERCA (Heads of European Radiological protection Competent Au-thorities) einen gemeinsamen europaumlischen Ansatz fuumlr das Notfallmanagement bei Kernkraftwerks-unfaumlllen Dieser Ansatz ist fuumlr den speziellen Fall vorgesehen dass schnelle Entscheidungen uumlber Schutzmaszlignahmen getroffen werden muumlssen und nur wenige Informationen verfuumlgbar sind Der Ansatz soll die vorhandenen Konzepte fuumlr das Notfallmanagement in den europaumlischen Laumlndern ergaumlnzen Mit ersten Ergebnissen ist im Herbst 2014 zu rechnen

Literatur

Euratom 2013 Richtlinie 201359Euratom des Rates vom 5 Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen fuumlr den Schutz vor den Gefahren ei-ner Exposition gegenuumlber ionisierender Strahlung ABl 2014 L 13 httpeur-lexeuropaeudeindexhtm (Ab-rufdatum 28072014)

EC 2014 Review of Current Off-site Nuclear Emer-gency Preparedness and Response Arrangements in EU Member States and Neighbouring Countries European Commission ENERD12012-474 httpeceuropaeu (Abrufdatum 28072014)

ICRP 2007 The 2007 Recommendations of the Inter-national Commission on Radiological Protection Inter-national Commission on Radiological Protection ICRP Publication 103 Annals of the ICRP Volume 37(2ndash4)

ICRP 2009a Application of the Commissions Recom-mendations for the Protection of People in Emergency Exposure Situations International Commission on Ra-diological Protection ICRP Publication 109 Annals of the ICRP Volume 39(1)

ICRP 2009b Application of the Commissions Recom-mendations to the Protection of People Living in Long-term Contaminated Areas after a Nuclear Accident or a Radiation Emergency International Commission on Ra-diological Protection ICRP Publication 111 Annals of the ICRP Volume 39(3)

Raskob W Gering F (2010) Key improvements in the simulation modelling for decision support systems deve-loped in the EURANOS project In Radioprotection Vol 45(5) 149ndash159 DOI 101051radiopro2010037

Schutzkommission 2014 Stellungnahme der Schutz-kommission zur Umsetzung der Erfahrungen aus Fuku-shima fuumlr die Planung von Notfallschutzmaszlignahmen in Deutschland Schutzkommission beim Bundesministeri-um des Innern httpwwwschutzkommissionde (Ab-rufdatum 28072014)

SSK 2014a Radiologische Grundlagen fuumlr Entscheidun-gen uumlber Maszlignahmen zum Schutz der Bevoumllkerung bei Ereignissen mit Freisetzungen von Radionukliden Emp-fehlung der Strahlenschutzkommission verabschiedet in der 268 Sitzung der SSK am 1314022014 httpwwwsskde (Abrufdatum 28072014)

SSK 2014b Planungsgebiete fuumlr den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken Empfehlung der Strah-lenschutzkommission verabschiedet in der 268 Sitzung der SSK am 1314022014 BAnz AT 21052014 B4 httpwwwsskde (Abrufdatum 28072014)

KontaktDr Florian Gering Bundesamt fuumlr Strahlenschutz Fachbereich Strahlenschutz und Umwelt Abteilung SW 22 Entscheidungshilfesysteme Lageermittlung und Kommunikation 85764 OberschleiszligheimNeuherberg E-Mail fgering[at]bfsde

[BfS]

Page 3: Kernkraftwerke in Deutschland – Neue Entwicklungen im ... · PDF fileUMID 2 • 2014 . Seite 103 Effekte) durch geeignete Maßnahmen begrenzt . werden. Die in . Tabelle 1 aufgeführten

UMID 2 bull 2014Seite 104

in der Mittelzone Evakuierung innerhalb von 24 Stunden Verteilung von Iodtabletten innerhalb von 12 Stunden

bull da in der gesamten Zentralzone Maszlignahmen gleichzeitig in allen Richtungen (d h im gesam-ten Kreisgebiet) durchgefuumlhrt werden sollen waumlhrend in der Mittelzone Maszlignahmen in Ab-haumlngigkeit von der Ausbreitungsrichtung radio-aktiver Stoffe durchgefuumlhrt werden koumlnnen (d h zum Beispiel auch nur in einigen Sektoren in Ausbreitungsrichtung)

Abbildung 1 zeigt ein konkretes Beispiel fuumlr die Erweiterung der Planungsgebiete Dargestellt sind die bisherigen (10 km innerer Kreis) und die neu-en (100 km aumluszligerer Kreis) Planungsgebiete fuumlr die Maszlignahme bdquoAufenthalt in Gebaumludenldquo am Beispiel der Kernkraftwerke Gundremmingen und Isar

Die neue Empfehlung gilt fuumlr deutsche Kernkraft-werke und fuumlr grenznahe auslaumlndische Anlagen (d h bis etwa 100 km Entfernung von der deut-schen Grenze) Die Empfehlung gilt nur fuumlr Kern-kraftwerke im Leistungsbetrieb das heiszligt nicht fuumlr in Stilllegung befindliche Kernkraftwerke

Zukuumlnftige Entwicklungen

NationalDie Weiterentwicklung des anlagenexternen Not-fallschutzes von Kernkraftwerken in Deutschland nach dem Unfall von Fukushima ist noch nicht abgeschlossen Im Folgenden werden einige Ent-wicklungen dargestellt die in den naumlchsten Jahren Auswirkungen auf den Notfallschutz haben koumlnnen

Trotz des fuumlr Deutschland beschlossenen Atomaus-stiegs und der daraus folgenden Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke innerhalb der naumlchsten zehn Jahre wird der Notfallschutz weiterhin erfor-derlich bleiben da Kernkraftwerke in benachbarten Laumlndern weiter betrieben und zum Teil sogar neu gebaut werden Moumlgliche Unfallfolgen muumlssen da-her auch zukuumlnftig fuumlr Deutschland beruumlcksichtigt werden Langfristig ist damit zu rechnen dass sich die Bundeslaumlnder aus dem kerntechnischen Notfall-schutz mehr und mehr zuruumlckziehen und entspre-chende Ressourcen auf Laumlnderseite immer weniger zur Verfuumlgung stehen werden Dies fuumlhrt speziell in den folgenden Bereichen zu besonderen Herausfor-derungen

bull Weiterentwicklung der Notfallschutzplanung

bull Ermittlung und Bewertung der radiologischen Lage (Restrukturierung der Lagezentren)

Tabelle 2 Aumlnderungen der Planungsgebiete fuumlr den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken Aumlnderungen gegenuumlber dem Stand von 2008 sind fett hervorgehoben

Planungsgebiet Bisheriger Stand (2008) Neuer Stand (2014)

Zentralzone

Bis etwa 2 kmbull Aufenthalt in Gebaumludenbull Einnahme von Iodtablettenbull Evakuierung

Bis etwa 5 kmbull Aufenthalt in Gebaumludenbull Einnahme von Iodtablettenbull Evakuierung

Mittelzone

Bis etwa 10 kmbull Aufenthalt in Gebaumludenbull Einnahme von Iodtablettenbull Evakuierung

Bis etwa 20 kmbull Aufenthalt in Gebaumludenbull Einnahme von Iodtablettenbull Evakuierung

Auszligenzone Bis etwa 25 kmbull Einnahme von Iodtabletten

Bis etwa 100 kmbull Einnahme von Iodtablettenbull Aufenthalt in Gebaumluden

Fernzone

Bis etwa 100 kmbull Versorgung von Kindern und Jugendlichen

unter 18 Jahren sowie Schwangeren mit Iod-tabletten

bull Maszlignahmen entsprechend dem Strahlen-schutzvorsorgegesetz (StrVG) insbesonde-re die Durchfuumlhrung von Messprogrammen zur Ermittlung der radiologischen Lageldquo

Gesamtes Staatsgebietbull Versorgung von Kindern und Jugendlichen

unter 18 Jahren sowie Schwangeren mit Iod-tabletten

bull Maszlignahmen entsprechend dem Strahlen-schutzvorsorgegesetz (StrVG) insbesonde-re die Durchfuumlhrung von Messprogrammen zur Ermittlung der radiologischen Lage

UMID 2 bull 2014 Seite 105

bull Entscheidung und Umsetzung von Notfallschutz-Maszlignahmen

bull Aufrechterhaltung von Messkapazitaumlten zur Uumlber-wachung der Umweltradioaktivitaumlt (insbesondere bei Sondernukliden d h Radionukliden die nur mit aufwendigen Messverfahren nachgewiesen werden koumlnnen)

bull Information der Bevoumllkerung

Die Aufarbeitung des Unfalls in Fukushima durch die SSK ist noch nicht abgeschlossen Derzeit ar-beitet die SSK unter anderem an den folgenden Notfallschutz-Themen (Stand Juni 2014)

bull Aumlnderung und Ergaumlnzung der Rahmenempfeh-lungen fuumlr den Notfallschutz der Betreiber

bull Empfehlung fuumlr die Iodblockade in der Umge-bung stillgelegter Kernkraftwerke

bull Empfehlung fuumlr Planungsgebiete in der Umge-bung stillgelegter Kernkraftwerke

bull Empfehlung zur Verbesserung der Prognose und Ermittlung der Freisetzung radioaktiver Stoffe bei Kernkraftwerksunfaumlllen

bull Empfehlung zu Mess- und Probenahmeprogram-men in den Planungsgebieten

bull Empfehlung zur Weiterentwicklung des Notfall-schutzes unter Beruumlcksichtigung der Erfahrun-gen aus Fukushima

bull Empfehlung zur Weiterentwicklung des medizi-nischen Notfallschutzes

bull Da bei einem schweren Kernkraftwerksunfall mehrere Bundeslaumlnder betroffen sein koumlnnen muumlssen die Voraussetzungen fuumlr ein einheitliches Lagebild geschaffen werden Wichtige Arbeits-grundlage dafuumlr sind gemeinsame Lagezentren Die Arbeitsgruppen der Innenbehoumlrden werden deswegen unterstuumltzt zu den Themen einheit-liches Lagebild und Lagezentren Notfallstatio-nen Evakuierung

Anfang 2014 hat die Schutzkommission beim Bundesministerium des Inneren (BMI) eine Stel-

Abbildung 1 Darstellung bisheriger und erweiterter Planungsgebiete am Beispiel der Kernkraftwerke Gundremmingen und Isar

Innerer Kreis bisheriges Planungsgebiet aumluszligerer Kreis erweitertes Planungsgebiet

UMID 2 bull 2014Seite 106

lungnahme zur Umsetzung der Erfahrungen aus Fukushima fuumlr die Planung von Notfallschutzmaszlig-nahmen in Deutschland veroumlffentlicht (Schutz-kommission 2014) Die Schutzkommission haumllt folgende Ergaumlnzungen im anlagenexternen Notfall-schutz in Deutschland fuumlr notwendig

bull Sicherstellung einer unverzuumlglichen Alarmwei-terleitung an alle zustaumlndigen Stellen

bull Einrichtung von laumlnderuumlbergreifenden radiolo-gischen Lagezentren in denen alle relevanten Prognose- und Messdaten zusammengefuumlhrt in eine geschlossene Darstellung uumlberfuumlhrt und ein-heitlich bewertet werden koumlnnen

bull Verbesserung der medizinischen Versorgungs-moumlglichkeiten Betroffener besonders in Not-fallstationen dies betrifft insbesondere die Bewertung der abgeschaumltzten Strahlenexposition durch Aumlrzte

bull Vorbereitung von Maszlignahmen die bei groszligraumlu-migen und lang andauernden Evakuierungsmaszlig-nahmen notwendig werden Dies betrifft auch Maszlignahmen die zunaumlchst dem Katastrophen-schutz dienen spaumlter aber in solche nach Strah-lenschutzvorsorgegesetz uumlbergehen

InternationalDer Unfall in Fukushima hat erneut gezeigt dass die Folgen schwerer Reaktorunfaumllle immer grenz-uumlberschreitend sind Auch aus diesem Grund ist die Harmonisierung der deutschen Notfallschutz-Planung mit derjenigen der europaumlischen Nachbar-staaten und auch weltweit besonders wichtig Seit 2011 gibt es international eine Reihe von Initiativen zur Verbesserung des Notfallschutzes einige davon werden im Folgenden beschrieben

Studie der Europaumlischen KommissionDie Europaumlische Kommission hat Ende 2012 eine Studie zur Uumlberpruumlfung des anlagenexternen kern-technischen Notfallschutzes in der Europaumlischen Union (EU) und in einigen Nachbarlaumlndern in Auf-trag gegeben die 2013 durch ein oumlsterreichisch-slowakisches Konsortium durchgefuumlhrt wurde (EC 2014) Zentrale Schlussfolgerungen sind

bull Die Regelungen und Faumlhigkeiten der europaumli-schen Laumlnder erfuumlllen im Allgemeinen die An-forderungen der EU und der internationalen Atomenergie-Organisation IAEA

bull Es gibt trotzdem eine Reihe von Defiziten ins-besondere das Fehlen von Strategien fuumlr lang-fristige Notfallschutz-Maszlignahmen und die Wiederherstellung normaler Lebensbedingun-gen sowie die mangelnde Uumlbereinstimmung von Notfallschutz-Regelungen bei grenzuumlberschrei-tenden Unfallfolgen

bull Obwohl der Notfallschutz in allen Laumlndern im Wesentlichen dieselben Ziele verfolgt gibt es zahlreiche Unterschiede zwischen den einzelnen Laumlndern in der praktischen Umsetzung die das Vertrauen der Bevoumllkerung in den Notfallschutz untergraben koumlnnten

bull Die fuumlr den Notfallschutz benoumltigten Ressourcen sind erheblich insbesondere fuumlr kleinere Laumlnder Es gibt Moumlglichkeiten zur verbesserten gemein-samen Nutzung von Ressourcen (wie z B von Hubschrauber-Messsystemen) Noch groumlszligere Vorteile koumlnnten aus der verbesserten Integration des kerntechnischen Notfallschutzes in den all-gemeinen Notfallschutz gezogen werden

Neue Richtlinie der EUEnde 2013 wurde von der Europaumlischen Union die Richtlinie 201359EURATOM zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen fuumlr den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenuumlber ioni-sierender Strahlung veroumlffentlicht (Euratom 2013) Diese Richtlinie muss innerhalb von vier Jahren in nationales Recht umgesetzt werden Die in der Richtlinie genannten Anforderungen betreffen un-ter anderem den Notfallschutz und erfordern zum Teil eine entsprechende Umsetzung in deutschen Regelwerken Einige dieser Anforderungen sind

bull Katalog von Unfallszenarien fuumlr den Notfall-schutz szenarienabhaumlngige Bestandteile in Not-fallplaumlnen

bull nachtraumlgliche Rekonstruktion der Dosis von be-troffenen Einzelpersonen der Bevoumllkerung und von Einsatzkraumlften

bull vorgeplante Strategie zur Bewaumlltigung der Nach-unfallphase

bull Regelungen von maximalen Oberflaumlchenkonta-minationen (Transportmittel und Guumlter)

bull Regelungen zur Sperrung von Luftraumlumen See-gebieten und Straszligen

UMID 2 bull 2014 Seite 107

Gemeinsames NotfallmanagementSeit dem Fruumlhjahr 2014 erarbeitet die gemeinsame Arbeitsgruppe AtHLET der europaumlischen Orga-nisationen WENRA (Western European Nuclear Regulators Association) und HERCA (Heads of European Radiological protection Competent Au-thorities) einen gemeinsamen europaumlischen Ansatz fuumlr das Notfallmanagement bei Kernkraftwerks-unfaumlllen Dieser Ansatz ist fuumlr den speziellen Fall vorgesehen dass schnelle Entscheidungen uumlber Schutzmaszlignahmen getroffen werden muumlssen und nur wenige Informationen verfuumlgbar sind Der Ansatz soll die vorhandenen Konzepte fuumlr das Notfallmanagement in den europaumlischen Laumlndern ergaumlnzen Mit ersten Ergebnissen ist im Herbst 2014 zu rechnen

Literatur

Euratom 2013 Richtlinie 201359Euratom des Rates vom 5 Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen fuumlr den Schutz vor den Gefahren ei-ner Exposition gegenuumlber ionisierender Strahlung ABl 2014 L 13 httpeur-lexeuropaeudeindexhtm (Ab-rufdatum 28072014)

EC 2014 Review of Current Off-site Nuclear Emer-gency Preparedness and Response Arrangements in EU Member States and Neighbouring Countries European Commission ENERD12012-474 httpeceuropaeu (Abrufdatum 28072014)

ICRP 2007 The 2007 Recommendations of the Inter-national Commission on Radiological Protection Inter-national Commission on Radiological Protection ICRP Publication 103 Annals of the ICRP Volume 37(2ndash4)

ICRP 2009a Application of the Commissions Recom-mendations for the Protection of People in Emergency Exposure Situations International Commission on Ra-diological Protection ICRP Publication 109 Annals of the ICRP Volume 39(1)

ICRP 2009b Application of the Commissions Recom-mendations to the Protection of People Living in Long-term Contaminated Areas after a Nuclear Accident or a Radiation Emergency International Commission on Ra-diological Protection ICRP Publication 111 Annals of the ICRP Volume 39(3)

Raskob W Gering F (2010) Key improvements in the simulation modelling for decision support systems deve-loped in the EURANOS project In Radioprotection Vol 45(5) 149ndash159 DOI 101051radiopro2010037

Schutzkommission 2014 Stellungnahme der Schutz-kommission zur Umsetzung der Erfahrungen aus Fuku-shima fuumlr die Planung von Notfallschutzmaszlignahmen in Deutschland Schutzkommission beim Bundesministeri-um des Innern httpwwwschutzkommissionde (Ab-rufdatum 28072014)

SSK 2014a Radiologische Grundlagen fuumlr Entscheidun-gen uumlber Maszlignahmen zum Schutz der Bevoumllkerung bei Ereignissen mit Freisetzungen von Radionukliden Emp-fehlung der Strahlenschutzkommission verabschiedet in der 268 Sitzung der SSK am 1314022014 httpwwwsskde (Abrufdatum 28072014)

SSK 2014b Planungsgebiete fuumlr den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken Empfehlung der Strah-lenschutzkommission verabschiedet in der 268 Sitzung der SSK am 1314022014 BAnz AT 21052014 B4 httpwwwsskde (Abrufdatum 28072014)

KontaktDr Florian Gering Bundesamt fuumlr Strahlenschutz Fachbereich Strahlenschutz und Umwelt Abteilung SW 22 Entscheidungshilfesysteme Lageermittlung und Kommunikation 85764 OberschleiszligheimNeuherberg E-Mail fgering[at]bfsde

[BfS]

Page 4: Kernkraftwerke in Deutschland – Neue Entwicklungen im ... · PDF fileUMID 2 • 2014 . Seite 103 Effekte) durch geeignete Maßnahmen begrenzt . werden. Die in . Tabelle 1 aufgeführten

UMID 2 bull 2014 Seite 105

bull Entscheidung und Umsetzung von Notfallschutz-Maszlignahmen

bull Aufrechterhaltung von Messkapazitaumlten zur Uumlber-wachung der Umweltradioaktivitaumlt (insbesondere bei Sondernukliden d h Radionukliden die nur mit aufwendigen Messverfahren nachgewiesen werden koumlnnen)

bull Information der Bevoumllkerung

Die Aufarbeitung des Unfalls in Fukushima durch die SSK ist noch nicht abgeschlossen Derzeit ar-beitet die SSK unter anderem an den folgenden Notfallschutz-Themen (Stand Juni 2014)

bull Aumlnderung und Ergaumlnzung der Rahmenempfeh-lungen fuumlr den Notfallschutz der Betreiber

bull Empfehlung fuumlr die Iodblockade in der Umge-bung stillgelegter Kernkraftwerke

bull Empfehlung fuumlr Planungsgebiete in der Umge-bung stillgelegter Kernkraftwerke

bull Empfehlung zur Verbesserung der Prognose und Ermittlung der Freisetzung radioaktiver Stoffe bei Kernkraftwerksunfaumlllen

bull Empfehlung zu Mess- und Probenahmeprogram-men in den Planungsgebieten

bull Empfehlung zur Weiterentwicklung des Notfall-schutzes unter Beruumlcksichtigung der Erfahrun-gen aus Fukushima

bull Empfehlung zur Weiterentwicklung des medizi-nischen Notfallschutzes

bull Da bei einem schweren Kernkraftwerksunfall mehrere Bundeslaumlnder betroffen sein koumlnnen muumlssen die Voraussetzungen fuumlr ein einheitliches Lagebild geschaffen werden Wichtige Arbeits-grundlage dafuumlr sind gemeinsame Lagezentren Die Arbeitsgruppen der Innenbehoumlrden werden deswegen unterstuumltzt zu den Themen einheit-liches Lagebild und Lagezentren Notfallstatio-nen Evakuierung

Anfang 2014 hat die Schutzkommission beim Bundesministerium des Inneren (BMI) eine Stel-

Abbildung 1 Darstellung bisheriger und erweiterter Planungsgebiete am Beispiel der Kernkraftwerke Gundremmingen und Isar

Innerer Kreis bisheriges Planungsgebiet aumluszligerer Kreis erweitertes Planungsgebiet

UMID 2 bull 2014Seite 106

lungnahme zur Umsetzung der Erfahrungen aus Fukushima fuumlr die Planung von Notfallschutzmaszlig-nahmen in Deutschland veroumlffentlicht (Schutz-kommission 2014) Die Schutzkommission haumllt folgende Ergaumlnzungen im anlagenexternen Notfall-schutz in Deutschland fuumlr notwendig

bull Sicherstellung einer unverzuumlglichen Alarmwei-terleitung an alle zustaumlndigen Stellen

bull Einrichtung von laumlnderuumlbergreifenden radiolo-gischen Lagezentren in denen alle relevanten Prognose- und Messdaten zusammengefuumlhrt in eine geschlossene Darstellung uumlberfuumlhrt und ein-heitlich bewertet werden koumlnnen

bull Verbesserung der medizinischen Versorgungs-moumlglichkeiten Betroffener besonders in Not-fallstationen dies betrifft insbesondere die Bewertung der abgeschaumltzten Strahlenexposition durch Aumlrzte

bull Vorbereitung von Maszlignahmen die bei groszligraumlu-migen und lang andauernden Evakuierungsmaszlig-nahmen notwendig werden Dies betrifft auch Maszlignahmen die zunaumlchst dem Katastrophen-schutz dienen spaumlter aber in solche nach Strah-lenschutzvorsorgegesetz uumlbergehen

InternationalDer Unfall in Fukushima hat erneut gezeigt dass die Folgen schwerer Reaktorunfaumllle immer grenz-uumlberschreitend sind Auch aus diesem Grund ist die Harmonisierung der deutschen Notfallschutz-Planung mit derjenigen der europaumlischen Nachbar-staaten und auch weltweit besonders wichtig Seit 2011 gibt es international eine Reihe von Initiativen zur Verbesserung des Notfallschutzes einige davon werden im Folgenden beschrieben

Studie der Europaumlischen KommissionDie Europaumlische Kommission hat Ende 2012 eine Studie zur Uumlberpruumlfung des anlagenexternen kern-technischen Notfallschutzes in der Europaumlischen Union (EU) und in einigen Nachbarlaumlndern in Auf-trag gegeben die 2013 durch ein oumlsterreichisch-slowakisches Konsortium durchgefuumlhrt wurde (EC 2014) Zentrale Schlussfolgerungen sind

bull Die Regelungen und Faumlhigkeiten der europaumli-schen Laumlnder erfuumlllen im Allgemeinen die An-forderungen der EU und der internationalen Atomenergie-Organisation IAEA

bull Es gibt trotzdem eine Reihe von Defiziten ins-besondere das Fehlen von Strategien fuumlr lang-fristige Notfallschutz-Maszlignahmen und die Wiederherstellung normaler Lebensbedingun-gen sowie die mangelnde Uumlbereinstimmung von Notfallschutz-Regelungen bei grenzuumlberschrei-tenden Unfallfolgen

bull Obwohl der Notfallschutz in allen Laumlndern im Wesentlichen dieselben Ziele verfolgt gibt es zahlreiche Unterschiede zwischen den einzelnen Laumlndern in der praktischen Umsetzung die das Vertrauen der Bevoumllkerung in den Notfallschutz untergraben koumlnnten

bull Die fuumlr den Notfallschutz benoumltigten Ressourcen sind erheblich insbesondere fuumlr kleinere Laumlnder Es gibt Moumlglichkeiten zur verbesserten gemein-samen Nutzung von Ressourcen (wie z B von Hubschrauber-Messsystemen) Noch groumlszligere Vorteile koumlnnten aus der verbesserten Integration des kerntechnischen Notfallschutzes in den all-gemeinen Notfallschutz gezogen werden

Neue Richtlinie der EUEnde 2013 wurde von der Europaumlischen Union die Richtlinie 201359EURATOM zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen fuumlr den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenuumlber ioni-sierender Strahlung veroumlffentlicht (Euratom 2013) Diese Richtlinie muss innerhalb von vier Jahren in nationales Recht umgesetzt werden Die in der Richtlinie genannten Anforderungen betreffen un-ter anderem den Notfallschutz und erfordern zum Teil eine entsprechende Umsetzung in deutschen Regelwerken Einige dieser Anforderungen sind

bull Katalog von Unfallszenarien fuumlr den Notfall-schutz szenarienabhaumlngige Bestandteile in Not-fallplaumlnen

bull nachtraumlgliche Rekonstruktion der Dosis von be-troffenen Einzelpersonen der Bevoumllkerung und von Einsatzkraumlften

bull vorgeplante Strategie zur Bewaumlltigung der Nach-unfallphase

bull Regelungen von maximalen Oberflaumlchenkonta-minationen (Transportmittel und Guumlter)

bull Regelungen zur Sperrung von Luftraumlumen See-gebieten und Straszligen

UMID 2 bull 2014 Seite 107

Gemeinsames NotfallmanagementSeit dem Fruumlhjahr 2014 erarbeitet die gemeinsame Arbeitsgruppe AtHLET der europaumlischen Orga-nisationen WENRA (Western European Nuclear Regulators Association) und HERCA (Heads of European Radiological protection Competent Au-thorities) einen gemeinsamen europaumlischen Ansatz fuumlr das Notfallmanagement bei Kernkraftwerks-unfaumlllen Dieser Ansatz ist fuumlr den speziellen Fall vorgesehen dass schnelle Entscheidungen uumlber Schutzmaszlignahmen getroffen werden muumlssen und nur wenige Informationen verfuumlgbar sind Der Ansatz soll die vorhandenen Konzepte fuumlr das Notfallmanagement in den europaumlischen Laumlndern ergaumlnzen Mit ersten Ergebnissen ist im Herbst 2014 zu rechnen

Literatur

Euratom 2013 Richtlinie 201359Euratom des Rates vom 5 Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen fuumlr den Schutz vor den Gefahren ei-ner Exposition gegenuumlber ionisierender Strahlung ABl 2014 L 13 httpeur-lexeuropaeudeindexhtm (Ab-rufdatum 28072014)

EC 2014 Review of Current Off-site Nuclear Emer-gency Preparedness and Response Arrangements in EU Member States and Neighbouring Countries European Commission ENERD12012-474 httpeceuropaeu (Abrufdatum 28072014)

ICRP 2007 The 2007 Recommendations of the Inter-national Commission on Radiological Protection Inter-national Commission on Radiological Protection ICRP Publication 103 Annals of the ICRP Volume 37(2ndash4)

ICRP 2009a Application of the Commissions Recom-mendations for the Protection of People in Emergency Exposure Situations International Commission on Ra-diological Protection ICRP Publication 109 Annals of the ICRP Volume 39(1)

ICRP 2009b Application of the Commissions Recom-mendations to the Protection of People Living in Long-term Contaminated Areas after a Nuclear Accident or a Radiation Emergency International Commission on Ra-diological Protection ICRP Publication 111 Annals of the ICRP Volume 39(3)

Raskob W Gering F (2010) Key improvements in the simulation modelling for decision support systems deve-loped in the EURANOS project In Radioprotection Vol 45(5) 149ndash159 DOI 101051radiopro2010037

Schutzkommission 2014 Stellungnahme der Schutz-kommission zur Umsetzung der Erfahrungen aus Fuku-shima fuumlr die Planung von Notfallschutzmaszlignahmen in Deutschland Schutzkommission beim Bundesministeri-um des Innern httpwwwschutzkommissionde (Ab-rufdatum 28072014)

SSK 2014a Radiologische Grundlagen fuumlr Entscheidun-gen uumlber Maszlignahmen zum Schutz der Bevoumllkerung bei Ereignissen mit Freisetzungen von Radionukliden Emp-fehlung der Strahlenschutzkommission verabschiedet in der 268 Sitzung der SSK am 1314022014 httpwwwsskde (Abrufdatum 28072014)

SSK 2014b Planungsgebiete fuumlr den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken Empfehlung der Strah-lenschutzkommission verabschiedet in der 268 Sitzung der SSK am 1314022014 BAnz AT 21052014 B4 httpwwwsskde (Abrufdatum 28072014)

KontaktDr Florian Gering Bundesamt fuumlr Strahlenschutz Fachbereich Strahlenschutz und Umwelt Abteilung SW 22 Entscheidungshilfesysteme Lageermittlung und Kommunikation 85764 OberschleiszligheimNeuherberg E-Mail fgering[at]bfsde

[BfS]

Page 5: Kernkraftwerke in Deutschland – Neue Entwicklungen im ... · PDF fileUMID 2 • 2014 . Seite 103 Effekte) durch geeignete Maßnahmen begrenzt . werden. Die in . Tabelle 1 aufgeführten

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lungnahme zur Umsetzung der Erfahrungen aus Fukushima fuumlr die Planung von Notfallschutzmaszlig-nahmen in Deutschland veroumlffentlicht (Schutz-kommission 2014) Die Schutzkommission haumllt folgende Ergaumlnzungen im anlagenexternen Notfall-schutz in Deutschland fuumlr notwendig

bull Sicherstellung einer unverzuumlglichen Alarmwei-terleitung an alle zustaumlndigen Stellen

bull Einrichtung von laumlnderuumlbergreifenden radiolo-gischen Lagezentren in denen alle relevanten Prognose- und Messdaten zusammengefuumlhrt in eine geschlossene Darstellung uumlberfuumlhrt und ein-heitlich bewertet werden koumlnnen

bull Verbesserung der medizinischen Versorgungs-moumlglichkeiten Betroffener besonders in Not-fallstationen dies betrifft insbesondere die Bewertung der abgeschaumltzten Strahlenexposition durch Aumlrzte

bull Vorbereitung von Maszlignahmen die bei groszligraumlu-migen und lang andauernden Evakuierungsmaszlig-nahmen notwendig werden Dies betrifft auch Maszlignahmen die zunaumlchst dem Katastrophen-schutz dienen spaumlter aber in solche nach Strah-lenschutzvorsorgegesetz uumlbergehen

InternationalDer Unfall in Fukushima hat erneut gezeigt dass die Folgen schwerer Reaktorunfaumllle immer grenz-uumlberschreitend sind Auch aus diesem Grund ist die Harmonisierung der deutschen Notfallschutz-Planung mit derjenigen der europaumlischen Nachbar-staaten und auch weltweit besonders wichtig Seit 2011 gibt es international eine Reihe von Initiativen zur Verbesserung des Notfallschutzes einige davon werden im Folgenden beschrieben

Studie der Europaumlischen KommissionDie Europaumlische Kommission hat Ende 2012 eine Studie zur Uumlberpruumlfung des anlagenexternen kern-technischen Notfallschutzes in der Europaumlischen Union (EU) und in einigen Nachbarlaumlndern in Auf-trag gegeben die 2013 durch ein oumlsterreichisch-slowakisches Konsortium durchgefuumlhrt wurde (EC 2014) Zentrale Schlussfolgerungen sind

bull Die Regelungen und Faumlhigkeiten der europaumli-schen Laumlnder erfuumlllen im Allgemeinen die An-forderungen der EU und der internationalen Atomenergie-Organisation IAEA

bull Es gibt trotzdem eine Reihe von Defiziten ins-besondere das Fehlen von Strategien fuumlr lang-fristige Notfallschutz-Maszlignahmen und die Wiederherstellung normaler Lebensbedingun-gen sowie die mangelnde Uumlbereinstimmung von Notfallschutz-Regelungen bei grenzuumlberschrei-tenden Unfallfolgen

bull Obwohl der Notfallschutz in allen Laumlndern im Wesentlichen dieselben Ziele verfolgt gibt es zahlreiche Unterschiede zwischen den einzelnen Laumlndern in der praktischen Umsetzung die das Vertrauen der Bevoumllkerung in den Notfallschutz untergraben koumlnnten

bull Die fuumlr den Notfallschutz benoumltigten Ressourcen sind erheblich insbesondere fuumlr kleinere Laumlnder Es gibt Moumlglichkeiten zur verbesserten gemein-samen Nutzung von Ressourcen (wie z B von Hubschrauber-Messsystemen) Noch groumlszligere Vorteile koumlnnten aus der verbesserten Integration des kerntechnischen Notfallschutzes in den all-gemeinen Notfallschutz gezogen werden

Neue Richtlinie der EUEnde 2013 wurde von der Europaumlischen Union die Richtlinie 201359EURATOM zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen fuumlr den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenuumlber ioni-sierender Strahlung veroumlffentlicht (Euratom 2013) Diese Richtlinie muss innerhalb von vier Jahren in nationales Recht umgesetzt werden Die in der Richtlinie genannten Anforderungen betreffen un-ter anderem den Notfallschutz und erfordern zum Teil eine entsprechende Umsetzung in deutschen Regelwerken Einige dieser Anforderungen sind

bull Katalog von Unfallszenarien fuumlr den Notfall-schutz szenarienabhaumlngige Bestandteile in Not-fallplaumlnen

bull nachtraumlgliche Rekonstruktion der Dosis von be-troffenen Einzelpersonen der Bevoumllkerung und von Einsatzkraumlften

bull vorgeplante Strategie zur Bewaumlltigung der Nach-unfallphase

bull Regelungen von maximalen Oberflaumlchenkonta-minationen (Transportmittel und Guumlter)

bull Regelungen zur Sperrung von Luftraumlumen See-gebieten und Straszligen

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Gemeinsames NotfallmanagementSeit dem Fruumlhjahr 2014 erarbeitet die gemeinsame Arbeitsgruppe AtHLET der europaumlischen Orga-nisationen WENRA (Western European Nuclear Regulators Association) und HERCA (Heads of European Radiological protection Competent Au-thorities) einen gemeinsamen europaumlischen Ansatz fuumlr das Notfallmanagement bei Kernkraftwerks-unfaumlllen Dieser Ansatz ist fuumlr den speziellen Fall vorgesehen dass schnelle Entscheidungen uumlber Schutzmaszlignahmen getroffen werden muumlssen und nur wenige Informationen verfuumlgbar sind Der Ansatz soll die vorhandenen Konzepte fuumlr das Notfallmanagement in den europaumlischen Laumlndern ergaumlnzen Mit ersten Ergebnissen ist im Herbst 2014 zu rechnen

Literatur

Euratom 2013 Richtlinie 201359Euratom des Rates vom 5 Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen fuumlr den Schutz vor den Gefahren ei-ner Exposition gegenuumlber ionisierender Strahlung ABl 2014 L 13 httpeur-lexeuropaeudeindexhtm (Ab-rufdatum 28072014)

EC 2014 Review of Current Off-site Nuclear Emer-gency Preparedness and Response Arrangements in EU Member States and Neighbouring Countries European Commission ENERD12012-474 httpeceuropaeu (Abrufdatum 28072014)

ICRP 2007 The 2007 Recommendations of the Inter-national Commission on Radiological Protection Inter-national Commission on Radiological Protection ICRP Publication 103 Annals of the ICRP Volume 37(2ndash4)

ICRP 2009a Application of the Commissions Recom-mendations for the Protection of People in Emergency Exposure Situations International Commission on Ra-diological Protection ICRP Publication 109 Annals of the ICRP Volume 39(1)

ICRP 2009b Application of the Commissions Recom-mendations to the Protection of People Living in Long-term Contaminated Areas after a Nuclear Accident or a Radiation Emergency International Commission on Ra-diological Protection ICRP Publication 111 Annals of the ICRP Volume 39(3)

Raskob W Gering F (2010) Key improvements in the simulation modelling for decision support systems deve-loped in the EURANOS project In Radioprotection Vol 45(5) 149ndash159 DOI 101051radiopro2010037

Schutzkommission 2014 Stellungnahme der Schutz-kommission zur Umsetzung der Erfahrungen aus Fuku-shima fuumlr die Planung von Notfallschutzmaszlignahmen in Deutschland Schutzkommission beim Bundesministeri-um des Innern httpwwwschutzkommissionde (Ab-rufdatum 28072014)

SSK 2014a Radiologische Grundlagen fuumlr Entscheidun-gen uumlber Maszlignahmen zum Schutz der Bevoumllkerung bei Ereignissen mit Freisetzungen von Radionukliden Emp-fehlung der Strahlenschutzkommission verabschiedet in der 268 Sitzung der SSK am 1314022014 httpwwwsskde (Abrufdatum 28072014)

SSK 2014b Planungsgebiete fuumlr den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken Empfehlung der Strah-lenschutzkommission verabschiedet in der 268 Sitzung der SSK am 1314022014 BAnz AT 21052014 B4 httpwwwsskde (Abrufdatum 28072014)

KontaktDr Florian Gering Bundesamt fuumlr Strahlenschutz Fachbereich Strahlenschutz und Umwelt Abteilung SW 22 Entscheidungshilfesysteme Lageermittlung und Kommunikation 85764 OberschleiszligheimNeuherberg E-Mail fgering[at]bfsde

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Page 6: Kernkraftwerke in Deutschland – Neue Entwicklungen im ... · PDF fileUMID 2 • 2014 . Seite 103 Effekte) durch geeignete Maßnahmen begrenzt . werden. Die in . Tabelle 1 aufgeführten

UMID 2 bull 2014 Seite 107

Gemeinsames NotfallmanagementSeit dem Fruumlhjahr 2014 erarbeitet die gemeinsame Arbeitsgruppe AtHLET der europaumlischen Orga-nisationen WENRA (Western European Nuclear Regulators Association) und HERCA (Heads of European Radiological protection Competent Au-thorities) einen gemeinsamen europaumlischen Ansatz fuumlr das Notfallmanagement bei Kernkraftwerks-unfaumlllen Dieser Ansatz ist fuumlr den speziellen Fall vorgesehen dass schnelle Entscheidungen uumlber Schutzmaszlignahmen getroffen werden muumlssen und nur wenige Informationen verfuumlgbar sind Der Ansatz soll die vorhandenen Konzepte fuumlr das Notfallmanagement in den europaumlischen Laumlndern ergaumlnzen Mit ersten Ergebnissen ist im Herbst 2014 zu rechnen

Literatur

Euratom 2013 Richtlinie 201359Euratom des Rates vom 5 Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen fuumlr den Schutz vor den Gefahren ei-ner Exposition gegenuumlber ionisierender Strahlung ABl 2014 L 13 httpeur-lexeuropaeudeindexhtm (Ab-rufdatum 28072014)

EC 2014 Review of Current Off-site Nuclear Emer-gency Preparedness and Response Arrangements in EU Member States and Neighbouring Countries European Commission ENERD12012-474 httpeceuropaeu (Abrufdatum 28072014)

ICRP 2007 The 2007 Recommendations of the Inter-national Commission on Radiological Protection Inter-national Commission on Radiological Protection ICRP Publication 103 Annals of the ICRP Volume 37(2ndash4)

ICRP 2009a Application of the Commissions Recom-mendations for the Protection of People in Emergency Exposure Situations International Commission on Ra-diological Protection ICRP Publication 109 Annals of the ICRP Volume 39(1)

ICRP 2009b Application of the Commissions Recom-mendations to the Protection of People Living in Long-term Contaminated Areas after a Nuclear Accident or a Radiation Emergency International Commission on Ra-diological Protection ICRP Publication 111 Annals of the ICRP Volume 39(3)

Raskob W Gering F (2010) Key improvements in the simulation modelling for decision support systems deve-loped in the EURANOS project In Radioprotection Vol 45(5) 149ndash159 DOI 101051radiopro2010037

Schutzkommission 2014 Stellungnahme der Schutz-kommission zur Umsetzung der Erfahrungen aus Fuku-shima fuumlr die Planung von Notfallschutzmaszlignahmen in Deutschland Schutzkommission beim Bundesministeri-um des Innern httpwwwschutzkommissionde (Ab-rufdatum 28072014)

SSK 2014a Radiologische Grundlagen fuumlr Entscheidun-gen uumlber Maszlignahmen zum Schutz der Bevoumllkerung bei Ereignissen mit Freisetzungen von Radionukliden Emp-fehlung der Strahlenschutzkommission verabschiedet in der 268 Sitzung der SSK am 1314022014 httpwwwsskde (Abrufdatum 28072014)

SSK 2014b Planungsgebiete fuumlr den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken Empfehlung der Strah-lenschutzkommission verabschiedet in der 268 Sitzung der SSK am 1314022014 BAnz AT 21052014 B4 httpwwwsskde (Abrufdatum 28072014)

KontaktDr Florian Gering Bundesamt fuumlr Strahlenschutz Fachbereich Strahlenschutz und Umwelt Abteilung SW 22 Entscheidungshilfesysteme Lageermittlung und Kommunikation 85764 OberschleiszligheimNeuherberg E-Mail fgering[at]bfsde

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