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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 211, S. 115--120 (1950). Aus der Medizinischcn Klinik Kiel. Kinetik der H~imiglobinbildung. VI. Mitteilung.*) H~miglobinbildung durch Itydroxylamin. Von MANFRED KIESE und WOLFGANG i~[I~NCHo Mi~ 4 Textabbildungen. (Eingegangen am 20. Februar 1950.) W~rend Phenylhydroxylamin Hgmoglobin nur in Gegenwart yon Sauerstoff in einer gekoppelten Reaktion oxydiert, reagiert Hydroxyl- amin unmittelbar mit H~moglobin auch in Abwesenheit yon Sauer- stoff 1-4. Die Reaktion scheint insofern einfaeher zu sein als die des Nitrits mit dem H~moglobin, als der Umsatz an H£moglobin in Gegen- wart und Abwesenheit yon Sauerstoff gleich ist. Hydroxylamin erschien uns daher zun~chst ffir die Kl~rung einiger Fragen, die sich aus den Dosis-Wirkungsfunktionen der so gut meBbaren H~niglobinbil4ung ergeben, geeignet. Wir haben die H~miglobinbildung durch Hydroxylamin in Hunden gemessen und geflmden, dab die dutch verschiedene Dosen Hydroxyl- amin bewirkte maximale ErhShung der H~miglobinkonzentration der Wirkung ~quimolarer Dosen yon Nitrit sehr ~hnlich ist. Eine H/~mi- globir/konzentration yon 5 g/100 ml Blur wird (lurch 30 mg/kg Hydroxyl- aminhydrochlorid erreicht, w~hrend zur gleichen Wirkungsst/irke 25 mg/kg Natriumnitrit benStigt werden 5. Die Gewichtsdosen sind un- mittelbar vergleichbar, da das Molekulargewicht des Hydroxylamin- hydrochlorids 69,50 und das des Natriumnitrits 69,01 betr/igt. In dem Bereich der untersuchten Dosen yon 1,0--70 mg Hydroxylaminhydro- chlorid/kg ist die Wirkungsst/irke der Dosis praktisch proportional. Genaueres siehe S. 119. Ein auff/illiger Unterschied zwischen Hydroxylamin und Nitrit be- steht jedoch im Ablauf der H~miglobinbildung. Nach intravenSser In- jektion yon grSfleren Dosen Nitrit wird die maximale H~miglobinkonzen- tration nach einer halben Stunde erreicht, und auch nach den kleinsten Dosen mit noch mel3barer Wirkung verstreichen 10 rain, bis die hSchste H/imiglobinkonzentration erreicht ists. Hydroxylamin reagiert vie! *) V. Mitt. Arch. exp. Path. u. Pharmakol. 211,102 (1950). Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 211. 9

Kinetik der Hämiglobinbildung

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  • Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 211, S. 115--120 (1950).

    Aus der Medizinischcn Klinik Kiel.

    Kinetik der H~imiglobinbildung.

    VI. Mitteilung.*)

    H~miglobinbildung durch Itydroxylamin.

    Von

    MANFRED KIESE und WOLFGANG i~[I~NCHo

    Mi~ 4 Textabbildungen.

    (Eingegangen am 20. Februar 1950.)

    W~rend Phenylhydroxylamin Hgmoglobin nur in Gegenwart yon Sauerstoff in einer gekoppelten Reaktion oxydiert, reagiert Hydroxyl- amin unmittelbar mit H~moglobin auch in Abwesenheit yon Sauer- stoff 1-4. Die Reaktion scheint insofern einfaeher zu sein als die des Nitrits mit dem H~moglobin, als der Umsatz an Hmoglobin in Gegen- wart und Abwesenheit yon Sauerstoff gleich ist. Hydroxylamin erschien uns daher zun~chst ffir die Kl~rung einiger Fragen, die sich aus den Dosis-Wirkungsfunktionen der so gut meBbaren H~niglobinbil4ung ergeben, geeignet.

    Wir haben die H~miglobinbildung durch Hydroxylamin in Hunden gemessen und geflmden, dab die dutch verschiedene Dosen Hydroxyl- amin bewirkte maximale ErhShung der H~miglobinkonzentration der Wirkung ~quimolarer Dosen yon Nitrit sehr ~hnlich ist. Eine H/~mi- globir/konzentration yon 5 g/100 ml Blur wird (lurch 30 mg/kg Hydroxyl- aminhydrochlorid erreicht, w~hrend zur gleichen Wirkungsst/irke 25 mg/kg Natriumnitrit benStigt werden 5. Die Gewichtsdosen sind un- mittelbar vergleichbar, da das Molekulargewicht des Hydroxylamin- hydrochlorids 69,50 und das des Natriumnitrits 69,01 betr/igt. In dem Bereich der untersuchten Dosen yon 1,0--70 mg Hydroxylaminhydro- chlorid/kg ist die Wirkungsst/irke der Dosis praktisch proportional. Genaueres siehe S. 119.

    Ein auff/illiger Unterschied zwischen Hydroxylamin und Nitrit be- steht jedoch im Ablauf der H~miglobinbildung. Nach intravenSser In- jektion yon grSfleren Dosen Nitrit wird die maximale H~miglobinkonzen- tration nach einer halben Stunde erreicht, und auch nach den kleinsten Dosen mit noch mel3barer Wirkung verstreichen 10 rain, bis die hSchste H/imiglobinkonzentration erreicht ists. Hydroxylamin reagiert vie!

    *) V. Mitt. Arch. exp. Path. u. Pharmakol. 211,102 (1950). Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 211. 9

  • 116 ~ANFRED~IESE un~WoLFGA~G~UNCK:

    sehneller. Bei allen angewandten Dosen ~arde die hSchste H~miglobin- konzentration bereits 1--2 min nach Beendigung der intravenSsen Injektion gefunden.

    Die Oxydation yon Hi~moglobin durch Hydroxylamin verl/~uft au.ch in L6sungen auBerhalb der roten Zellen schnell. Wir haben diese Re- aktion eingehend untersucht und werden die MeBergebnisse spS~ter mit- teilen. Unten sollen lediglich einige Daten zur Veranschaulichung der Reaktionsgeschwindigkeit mitgeteilt werden. Von den Messungen der Umsetzung yon Hydroxylamin und Himoglobin in vitro interessiert hier noch das Umsetzungsverh/iltnis: Weitgehend unabla/ingig yon der H~moglobinkonzentration wird bei niedrigem Verh~ltnis Hydroxyl- amin/Hiimoglobin (

  • : Kinetik der Hamiglobinbildung, 117

    vitro. Sie weisen darauf hin, dab bei der Umsetzung yon Hydroxy lamin mit H/~moglobin ein Stoff entsteht, der mit ger inger Geschwin4igkeit ebenfal]s H~moglobin zu HKmiglobin oxydieren kann.:Die 1 ~quiva lent Hi~miglobin je Mol Hydroxylamin iibersteigende ,Ausbeute bei der Um- setzung yon Hgmoglobin und Hydroxy lamin in vitro ist wohl auch in diesem Sinne zu deuten.

    Versuche. a) Methoden.

    Ffir die in dieser Mitteilung besehriebenen Messungen der Reaktion zwischen Hydroxyl~min und I-IEmoglobin in vitro wurden LSsungen yon Rinderhi~moglobin in 0,1 molaren Phosphatl6sungen vom p~ 5,8 verwandt. LSsungen verschiedener Konzentration wurden im Wasserb~d yon 37C mit verschiedenen Konzentrationen van }Iydro- xylaminhydrochlorid versetzt und in verdiinnten LSsungen durch Probenentnahme zu verschie- denen Zeiten der Ablauf der H~miglobinbildung verfolgt oder in konzentrierteren LSmmgen, in denen die Reaktion sehr schnell verlief, lediglich die Ausbeute an H~miglobin gemessen. Bei den kinetischen Messungen wurden die entnommenen Proben sofort mit Wasser, das mit Kohlenoxyd ges/~ttigt war, verdfinnt, um die l~eaktion dureh Bindung des HEmoglobins an Kohlenoxyd zu unterbrechen.

    Tierversuche wurden ausschlieBlich an I-[unden durchgefiihrt. Nach Blutentnahme zur Bestim- mung des Gehaltes an l-I/~mo- und H/~miglobin, wurde den Tieren eine L5sung yon ttydroxylamin- hydrochlorid in isotoner KochsalzlSsung langsam (Injektionsdauer 1 rain) i.v. injiziert. Eine Minute nach Beendigung der Injektion wurde aus einer anderen Vene die erste Blutprobe entnommen und weitere zun~chst in kurzen, sp~ter in l~ngeren Zeitabst~nden. Unmittelbar nach der Entnahme wurden jeweils 0,5 ml Blut mit etwa 80 ml Wasser verdiinnt, das mit Kohlenoxyd

    7,Z 1, x ~'J

    Z,O

    0 5 70 /5 ZO rain

    Abb. 1. Ablauf der H/imiglobin- bfldung dutch t Iydroxy lamin in H~moglobinlSsnngen. H~moglobin- konzentrationen 2,2 10 - s ~&qui- valente/1, PH ~ 5,8, Temp. 370 C. A. 1010- t ; B. 610-4 ; C. 310 -~

    Mol Hydroxylamin/1.

    ges/~ttigt war, um eine Fortsetzung der Reaktion nach tier Blutentnahme aus dem Tier zu unterbinden.

    H~miglobin und H/imoglobin wurde mit unserer Kohlenoxydmethode: ge- messen, ftir die Photometrie wurde das Ger~t yon HAVE'ANN s benutzt.

    b) Ergebnisse. ~) Die Oxidation des Hdimoglobins dutch Hydroxylamin in vitro.

    In ausreichend verdi innten LSsungen ist tier Verlauf der H~moglobin- oxy4ation durch Hydroxy lamin mel~bar durch Analyse yon Proben des Reaktionsgemisches zu verschiedenen Zeiten. In Abb. 1 ist der l:~eaktionsablauf in LSsungen yon 2,2 x 10 -3 Aquivalent H~moglobin und 3 - 10 10 -4 Mol Hydroxylamin je Liter dargestellt. Die Daten

    9*

  • 118 ~g[A~FRED K IESE und WOLFGANG ~][0NCH:

    lassen bereits erkennen, dal3 die Reaktionsgeschwindigkeit der Hydroxyl- aminkonzentration nahezu proportional ist. Der Einflul3 der H~mo- globinkonzentration ist st/~rker, so dab die l~eaktionsgeschwindigkeit in LSsungen hSherer tti~moglobinkonzentration nur mit registrierenden Methoden zu messen war.

    Ohne diese Messungen hier schon ausfiihrlicher zu beschreiben ist verst/~ndlich, dab im Blute des Tieres, in dem nach i.v. Injektion yon ttydroxylaznin Konzen- trationen von 10 -4 bis l0 -a Mol Hydroxylamin und 1-- 2 X 10 -~ Aquivalent tti~mo- globin je Liter aufeinander einwizken, fiber 90% des ttydroxylamins bereits nach 1--2 min umgesetzt sind.

    In LSsungen yon 10 -a bis 1,5 x 10 -~ J(quivalent Hi~moglobin und 10 -a bis 5 x 10 -a Mol Hydroxylamin je Liter, in denen das Verhi~ltnis

    ,70

    g,8

    o

    I I 1

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    - ! i i

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    4

    o,2 o,q LTG 0,0 ,70 7,Z ~,~ ,76" ,78 ~0 ~z 14oi llydroxylam/n

    Aqulkalenl llSmoglobin

    Abb. 2. Abh~ingigkeit der Ausbeute an H~imiglobin bei der Reaktion yon Hiimoglobin mit Hydroxyl- amin yore Yerh/iltnis Hydroxylamin/Hiimoglobin in LOsungen verschiedener tt/imoglobinkonzen- tration. Zeichen X X X . . . ooo -4 -++

    H~imoglobinkonzentration in Xquivalent/ l 10 -a 2 x 10 -a 6,5 x 10 -a 14 10 -s

    Hydroxylamin/Hi~moglobin zwischen 0,1 und 10 variierte, wurde 30 min nach tier Mischung die erreichte H~miglobinkonzentration gemessen und die Ausbeute an H/imiglobin je Mol Hydroxylamin errechnet. Die Ergebnisse sind in Abb. 2 niedergelegt. Die Oxydation des Hi~moglobins durch Sauerstoff (ohne Hydroxylamin) wurde in Kontrollansi~tzen ge- messen und ist in Abzug gebracht. Unabh~ngig yon der Hi~moglobin- konzentration wurden bei einem Quotienten Hydroxylamin/H~moglobin Q

  • Kinetik der H~miglobinbildung. 119

    bei hohen Q-Werten sehon an der griinen Verf'arbung der LSsungen erkennbar waren.

    fl) Die Hdmiglobinbildung dutch Hydroxylami'~ in vivo. Die H~miglobinbildung durch intravenSse Injektion yon 1--70 mg/kg

    Hydroxylaminhydrochlorid wurde an Hunden gemessen. Dosen bis 50 mg/kg fiberlebten die Tiere, w/~hrend 2 Tiere 3 min naeh der Injektion yon 60 bzw. 70 mg/kg Hydroxylaminhydrochlorid starben.

    Die ersten Blutproben, die in der gr6Bten Zahl der Versuche 1 rain nach der Injektion entnommen warden, wiesen in jedem Falle die hSch- sten H~miglobinkonzentrationen auf. An den schnellen Anstieg der

    6

    5:

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    ~ 300 min 86'P

    Abb. 3. ~nderung der H~miglobinkonzentration ira Blute des Hundes mit der Zeit nach intraven6ser Injektion yon 30 mg Hydroxylaminhydrochlorid/kg. Kurve A gibt die ersten Minuten nach der Injektion wieder und geh6rt zum oberen Abszissenma~stab. Kurve B (unterer Abszissenmal]stab) gibt den Ablauf der $-nderung der H~miglobinkonzentration bis zu deren Riickkehr in den Bereich

    normaler Werte wieder.

    H/~miglobinkonzentration schloB sich ein allm~hlicher Abfall an. Die Zeit, die bis zur Riickkehr der H/~miglobinkonzentration in den Bereieh normaler Werte verstrich, war yon der GrSBe der Dosis abh~ngig. In Abb. 3 ist der Ablauf der ~mderung der H/~miglobinkonzentration nach der Injektion yon 30 mg/kg Hydroxylaminhydrochlorid dargestellt.

    Die maximale g~miglobinkonzentration war in dem untersuchten Dosenbereieh der Dosis fast proportional. Genau war die H~miglobin- konzentration D, 95 proportional, wie aus der Wiedergabe der Dosis- Wirkungsfunktion in Abb. 4 hervorgeht. Aus dieser ergibt sich die Wirkungsst~ke des Hydroxylamins zu Ws ---- 0,19 D, 95 [ W8 = Wir- kungsstgrke (g H~miglobin/100 ml Blut), D----Dosis (rag Hydroxyl- aminhydroehlorid/kg Hund)].

    Die Berechnung der gesamten je 100 ml Blur gebildeten H~miglobin- menge aus der Geschwindigkeit der H/~miglobinreduktion ergibt ent- sprechend dem langsamen Abfall der H~miglobinkonzentration Werte, die erheblich fiber der maximalen H~miglobinkonzentration liegen.

  • 120 MANFRED KIESE u. WOLFGANO M~NCH: K inet ik der H~mig lob inb i ldung.

    Diese Daten sirid in Abb. 4 ebenfalls eingetragen. Aus ihnen ergibt sich die Dosis-WirkungsgrSl~enfunktion zu W~ = 0,22 D~, ~. [W~ ~ Wir- kungsgrSl3e (g Hi~miglobin/100 ml Blut), D ~ Dosis (mg Hydroxy l - aminhydrochlor id/kg Hund)]. Die WirkungsgrSBe n immt also mit der Dosis starker zu als die Wirkungssti~rke.

    Zusammen/assung. Die Oxydat ion des Hi~moglobins durch Hydroxy lamin verl~uft

    schnell. In roten Zellen ist in 1 min schon mehr als 90/o des Hydroxy l -

    : i : ;:!t[~t !~

    0,5 1 P J~ 8370 ZO qOFOIO0 ~g //ydroxy/am/19 #ydfOCl~/Or/d/~g

    Abb. 4. Wirkungsst~rke (maximale H~tmi- globinkonzentration, Kurve A) und Wir- kungsgr613e (je 100ml Blut gebildete Menge Hitmiglobin, Kurve B) des Hydroxylamins in Abhiingigkeit yon der intravenSs in- jizierten Dosis. Abszisse und Ordinate loga- rithmisch geteilt. Die Marken sind die Mittel aus mehreren Yersuchen. Die senkrechten Geraden dutch die Kreise der Kurve A

    geben die Streuung der Mittel an.

    amins umgesetzt. Bei einem Quotienten Hydroxy lamin/H~moglob in