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Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit Modul 2: Das Christentum in seiner Geschichte Universität Duisburg-Essen, Winter-Semester 2006/07 Frömmigkeitseliten Alternative Formen christlichen Lebens

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Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit

Modul 2: Das Christentum in seiner Geschichte

Universität Duisburg-Essen, Winter-Semester 2006/07

Frömmigkeitseliten

Alternative Formen christlichen Lebens

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KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 - Frömmigkeitseliten2

Übersicht

1. Täufer und Spiritualisten

2. Das „miles christianus“ (christlicher Ritter bzw. christl. Streiter) Motiv und die Jesuiten

3. Die Pietisten zwischen innerkirchlicher Erneuerung und Separatismus

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1.1 die Täufer - Begriffe

• Täufer, polemisch auch Wiedertäufer oder Anabaptisten genannt– Gemeinschaft, die die Kindertaufe als unbiblisch ablehnt; der Taufe

muss ein bewusst vollzogener Bekenntnisakt vorausgehen; Ziel: authentisches, den Evangelien gemäßes Christentum; pazifistisch gesinnt, waren sie strengen Verfolgungen ausgesetzt.

• Schleitheimer Artikel, 1527 - ältestes und wichtigstes Bekenntnisformular der Täufer– von Michael Sattler¹ redigiert; der Name leitet sich her vom Tagungsort

der Synode im Kanton Schaffhausen; Ziel: Abwehr libertinistischer und schwärmerischer Bestrebungen im oberdeutsch-schweizerischen Raum; sind geprägt durch eine elitäre - pazifistische Frömmigkeit.

• Gottesreich zu Münster, 1534-35 – endzeitliche Täuferdiktatur– Anführer Jan Matthys, Jan Bockelson (von Leiden), Berhard Rothmann,

Bernd Knipperdolling; die Idee verdankt sich der apokalyptischen Prägung des Täufertums seit 1530 vor allem durch Melchior Hofmann; das Reich wurde von einer Koalition aus alt- u. neugläubigen Fürsten vernichtet

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1.2 die Täufer – der Separatismus

• Zum vierten haben wir uns über die Absonderung geeinigt. Sie soll geschehen von den Bösen und vom Argen, das der Teufel in die Welt gepflanzt hat, damit wir ja nicht Gemeinschaft mit ihnen haben, ... Nun gibt es nie etwas anderes in der Welt und in der ganzen Schöpfung als Gutes und Böses, gläubig und ungläubig, Finsternis und Licht, Welt und solche, die die Welt verlassen haben, Tempel Gottes und die Götzen, Christus und Belial, und keins kann mit dem andern Gemeinschaft haben ...

Michael Sattler, Schleitheimer Artikel (1527) Art. IV

Conrad Grebel (1498 – 1526)

Felix Manz (*1498 – 1527)

seit 1523 Mitstreiter Zwinglis, seit 1525 wegen der Erwachsenentaufe harte Gegner

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1.3 die Täufer – kein Zweck kann die Mittel heiligen

• Nun wird von vielen ... gefragt, ob auch ein Christ das Schwert gegen den Bösen zum Schutz und Schirm des Guten und um der Liebe Willen führen könne und solle. Die Antwort ist einmütig folgendermaßen geoffenbart: Christus lehrt und befiehlt uns [Mt11,29] dass wir von ihm lernen sollen; ... Nun sagt Christus zur heidnischen Frau, die im Ehebruch ergriffen worden war, nicht, dass man sie steinigen solle nach dem Gesetz seines Vaters ..., sondern spricht 'nach dem Gesetz‚ der Barmherzigkeit und Verzeihung ...

Michael Sattler, Schleitheimer Artikel (1527) Art. VI

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1.4 die Täufer – der Gewaltverzicht

• Aus dem allen sollen wir lernen, dass alles, was nicht mit unserem Gott und mit Christus vereinigt ist, nichts anderes ist als Greuel, die wir meiden und fliehen sollen. ... So werden dann auch zweifellos die unchristlichen, ja, teuflischen Waffen der Gewalt von uns fallen, als da sind Schwert, Harnisch und dergleichen und jede Anwendung davon, sei es für Freunde oder gegen Feinde - kraft des Wortes Christi: «Ihr sollt dem Übel nicht widerstehen» [Mt 5,39].

Michael Sattler, Schleitheimer Artikel (1527) Art. VI

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1.5 das aggressive apokalyptische Täufertum

Jan van Leiden, Zeichnung, Heinrich Aldegrever, 1535¹

1. Phase: innerstädtische Opposition zwischen Rat und Gilden; Zünfte radikal reformatorisch, um den Prediger Bernhard Rothmann; um Frieden zu wahren, gibt der Rat nach; der Fürstbischof Franz von Waldeck 1533 erkannte im Dülmener Vertrag die reformatorische Neuordnung des Gottesdienstes in den städtischen Pfarrkirchen an.

2. Phase: die radikale Predigt Rothmanns zieht Täufer aus den Niederlanden und anderen Teilen des Reiches nach Münster; Täufer gewinnen die Mehrheit im Stadtrat. Die Belagerung der Stadt beginnt.

3. Phase: Das erwartete Weltende bleibt aus. Der prophetische Führer der Täufer, der Holländer Jan Matthijs, wird bei einem Ausfallversuch getötet. Sein Nachfolger, Jan van Leiden, will aus Münster ein „Vorbild für die Welt“ machen: Abschaffung des Geldverkehrs, Gütergemeinschaft, Ehepflicht für Frauen, Mehrehe für Männer, Errichtung eines Königreiches: Wie im Alten Testament David der Friedensherrschaft König Salomons voranging, so wollte er als neuer David die Friedensherrschaft Christi vorbereiten.

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1.6 Mennoniten und Spiritualisten

• Mennoniten, auf Menno Simons (1496-1561) zurückgehende Religionsgemeinschaft– hervorgegangen aus niederländischen und norddeutschen

Täufergruppen; für Trennung von Kirche und Staat, gegen Kindertaufe, Eidesleistung, Ehescheidung, Wehrdienst; Ideal: Nachfolge Jesu Christi im Sinne der Bergpredigt; heute weltweit ca. 850 000 Anhänger

• Spiritualisten, polemisch auch Schwärmer oder Schwarmgeister genannt– auch als "linker Flügel" der Reformation bezeichnet; verbanden

urchristliches Ideal der Reform mit der mystischen Tradition innerer Erneuerung (Geistchristentum); Kritik am starren Biblizismus, sakramentalem Realismus und dem Kompromisschristentum der verfassten Kirchen (Denk, Schwenckfeld, Franck u.a.)

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1.7 der mystische Spiritualismus – Kaspar von Schwenckfeld

• Zum sechsten wird der neue gläubige Mensch ... gesalbt ... durch das Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung durch den Heiligen Geist, ... Zum zehnten und letzten wendet der beschriebene Christenmensch allen Fleiß daran, dass er in Christus allen Sünden, allen Begierden ganz und gar absterbe ... Darum ist auch der Tod ein auserwähltes Mittel für alle Heiligen Gottes, obwohl das Fleisch sich dagegen sträubt und sich davor fürchtet. Denn dadurch kommen sie von Angst und Not in Wonne, Freude und ewige Seligkeit

Kaspar von Schwenckfeld, Von den Graden der Wiedergeburt (1529)

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1.8 die unsichtbare Kirche der Spiritualisten

• Die Kirche ist ja nicht etwa ein besonderer Haufen und eine mit Fingern zu zeigende Sekte, gebunden an ein Element, eine Zeit, Person und Stätte, sondern ein geistlicher, unsichtbarer Leib aller Glieder Christi, aus Gott geboren, und in einem Sinn, Geist und Glauben; aber nicht in einer Stadt oder etwa an einem Ort äußerlich versammelt, dass man sie sehen und mit Fingern zeigen könnte, sondern [eine Gemeinschaft], die wir glauben und nicht sehen, es sei denn mit gleich geistlichen Augen des Gemüts ...

Sebastian Franck, Paradoxa (1534) , fol. VIII

„Ich glaube aber bestimmt, dass die äußerliche Kirche Christi gleich nach den Aposteln verwüstet und zerstört worden ist. Das beweisen mir die Wölfe, d.h. die Kirchenväter zur Genüge, obwohl die Schrift nichts davon bezeugt. Denn es ist doch alles, was sie lehren, eitel Kinderspiel, wenn man sie mit den Aposteln vergleicht. Weil nun aber die äußerlichen Satzungen und Sakramente ... missbraucht und besudelt worden sind, ließ Gott alle Dinge ... in Wahrheit durch den Geist in seiner unsichtbaren Kirche geschehen“ (Sebastian Franck an Johann Campanus, 1531)

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1.9 der pietistische Individualismus – Friedrich Christoph Ötinger

• Geist und Wahrheit sind die wesentlichen Stücke meiner selig machenden Religion; die genau und pünktliche Erfüllung aller Arten einer echten und uneigennützigen Liebe ist mein unausgesetzter Gottesdienst. Meine Kirche ist der Tempel meines Leibes, der .. zur Wohnung des dreieinigen Gottes bereitet ist. Jesus ist darin allein der Prediger, der mein Gewissen zur Kanzel auserlesen und bestimmt hat. .. Wenn er auftritt und sein leibliches Evangelium verkündet, ist's Sonntag ..

Friedrich Christoph Oetinger, Ein Glaubensbekenntnis, um 1762

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Übersicht

1. Täufer und Spiritualisten

2. Das miles christianus Motiv und die Jesuiten

3. Die Pietisten zwischen innerkirchlicher Erneuerung und Separatismus

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2.1 die Legende vom hlg. Georg • Divus Georgus christianorum militum propugnator

• Der hl. Georg, der Anführer der christlichen Streiter

Georg war ein aus Kappadokien stammender römischer Soldat, der nach seiner Bekehrung unter Diokletian den Märtyrertod starb. Als Heiliger wurde er zur Identifikationsfigur der Ritter und Krieger.

Hans Burgkmair d.Ä., 1518

Königstochter und Lamm, die zur Beschwichtigung des Drachens geopfert werden sollten.

der Drache, Sinnbild des Bösen, liegt besiegt am Boden.

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2.2 der ritterliche Kampf gegen das Laster

Enchiridion militis Christiani, Handbuch eines christlichen Ritters, Antwerpen 1503, Neuausgabe Löwen 1515

Untertitel: mit den heilsamsten u. gegen alle Verführungen der Sünden wirksamsten Anweisungen angefüllt, u. systemat. Erörterung

des wahren Christentums 1520/1521 mehrfach ins Deutsche

übersetzt

miles christianus - Metapher für den täglichen Kampf der Tugend gegen das Laster

Erasmus von Rotterdam

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2.3 Regel des Jesuiten-Ordens, 1539, 1540 bestätigt

Jeder, der in unserer Gemeinschaft... unter dem Banner des Kreuzes Gott Kriegsdienste leisten und allein dem Herrn und dem röm. Papst als seinem Stellvertreter auf Erden dienen will, muss sich nach dem feierlichen Gelübde ewiger Keuschheit vor Augen halten, dass er Teil jener Gesellschaft ist, die vor allem dazu gegründet wurde, dass sie sich um den Fortschritt der Seelen in christl. Leben und christl. Lehre und um Ausbreitung des Glaubens durch Predigten... geistl. Übungen... christl. Unterweisung... Beichte bzw. Beichthören und Seelsorge. …

Da wir wissen, dass unser Herr Jesus Christus seinen Dienern, die allein nach dem Reiche Gottes trachten [Mt 6,33], alles Notwendige an Nahrung und Kleidung zur Verfügung stellen wird, so sollen alle für sich und als Gemeinschaft ewige Armut geloben ...

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2.4 die Verschärfung des Gehorsamsgelübdes in den Konstitutionen

• Alles müssen wir als gut und richtig ansehen, ... unser eigenes Urteil gewissermaßen in blindem Gehorsam verleugnen, und zwar ausnahmslos allen Anordnungen des Oberen gegenüber, von denen nicht klar erkennbar ist, dass sie mit einer Sünde im Zusammenhang stehen. Jeder, der unter dem Ordensgehorsam lebt, muss darin einwilligen, dass seine Oberen nach Gottes Vorsehung so mit ihm umgehen können, wie wenn er ein lebloser Körper wäre, d.h., dass er sich überall hinschicken und auf jede Weise behandeln lässt.

Ignatius von Loyola, Konstitutionen (1541) , VI.1

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2.5 Ignatius von Loyola (1491-1556)

Gottvater empfiehlt Ignatius und seine Gefährten dem mit dem Kreuz beladenen Sohn

Ignatius vor der Kapelle von La Storta (bei Rom)

Jesus zu Ignatius: 'Ich werde Euch in Rom gnädig sein'

Canisiuskonvikt, Ingoldstadt, um 1610

Analysieren Sie das nebenstehende Bild

- obere Bildhälfte

• Gott Vater, von Putten umgeben, darunter der hlg. Geist

- untere Bildhälfte. links

• Christus, seine Botschaft ist auf dem Kreuzarm eingraviert

- untere Bildhälfte, rechts

• Ignatius und seine Pariser Gefährten

- Kapelle und Stadt im Hintergrund

• La Storta, südlich von Rom

- Was soll mit der Vision legitimiert werden?

• der Zug nach Rom, anstatt das Gelübde, ins heiligen Land zu pilgern, zu erfüllen

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2.6 Petrus Canisius (1521-1597)

Museum für Kunst und Geschichte, Freiburg Ue.

der entscheidende Vertreter der S. J. in Deutschland

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2.7 Il Gesù – die Hauptkirche des Jesuitenordens

Hauptkirche des Jesuitenordens von Giacomo Vignola und Giacomo della Porta, 1568 im Auftrag des Kardinals Alessandro Farnese begonnen Ignatius Grabaltar

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2.8 das Verbot des Jesuiten-Ordens

Papst Clemens XIV. löst die Gesellschaft Jesu auf, 1773

Rückseite:

Christus, von Petrus und Paulus begleitet, weist die Jesuiten von sich

Umschrift:

Numquam novi vos descedite a me omnes; Unterschrift: EXAVG[uratio] SOC[ietatis] IESV MEMOR[ia], MDCCLXXIII, PS CXVII 23[?] Niemals habe ich euch gekannt - weichet alle von mir; Unterschrift: Zur Erinnerung an die Aufhebung der Gesellschaft Jesu, 1773

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Übersicht

1. Täufer und Spiritualisten

2. Das miles christianus Motiv und die Jesuiten

3. Die Pietisten zwischen innerkirchlicher Erneuerung und Separatismus

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3.1 Johann Arndt, Vier Bücher vom wahren Christentum (1605)

«Vater» der lutherischer

Frömmigkeitsliteratur, 1555-1621

Was für ein großer und schädlicher Missbrauch des heiligen Evangeliums in dieser letzten Welt sei, ..., bezeugt genugsam das gottlose unbußfertige Leben derer, die sich Christi und seines Worts mit vollem Munde rühmen und doch ein ganz unchristliches Leben führen, gleich als wenn sie nicht im Christentum, sondern im Heidentum lebten. Solch gottlos Wesen hat mir zu dem Büchlein Ursach gegeben, ... Es ist nicht genug, Gottes Wort wissen, sondern man muss auch dasselbe in die lebendige tätige Übung bringe

Vorwort

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3.2.1 Philipp Jakob Spener, der Hauptvertreter des Pietismus

• Philipp Jakob Spener 1635-1705

• 1666 Senior in Frankfurt/M

• 1675 Pia Desideria• 1686 Oberhofprediger

Dresden• 1691 Propst

Nicolaikirche Berlin

Kupferstich v. B. Kilian nach einem Gemälde von Joh. Georg Wagner (1683)

Pia desideria. Herzliches Verlangen nach Gottgefälliger Besserung der wahren evangelischen Kirche samt einigen einfältig dahin abzweckenden christlichen Vorschlägen.

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3.2.2 Spener; Pia Desideria – die Programmschrift des Pietismus

• Sollte auch ... vielleicht nicht undienlich sein, wenn wir wiederum die alte apostolische Art der Kirchenversammlungen in Gang brächten: Wo neben unseren gewöhnlichen Predigten auch andere Versammlungen gehalten würden auf die Art, wie Paulus 1. Kor. 14 dieselbe beschreibt, wo nicht einer allein auftritt zu lehren ..., sondern auch andere, welche mit Gaben und Erkenntnis begnadet sind, jedoch ohne Unordnung und Zank, mit dazu reden und ihre gottseligen Gedanken über die vorgelegte Materie vortragen ...

I Kor 14,26-40: Sooft ihr zusammenkommt, hat jeder einen Psalm, oder er hat eine Lehre, hat eine Offenbarung, hat eine Zungenrede, hat eine Auslegung; alles geschehe zur Erbauung (26), [Frauen schweigen (34)], aber wohlanständig und in Ordnung (40)

Reformzelle: Collegium pietatis

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3.3.1 August Hermann Francke und der Hallesche Pietismus

Kupferstich von Wolfgang S. R. Sc., Berlin, (1729)

Pastor an St. Georgen in Glaucha, Vorstadt von Halle

• Prof. f. Griech. u. orient. Sprachen Uni. Halle

• ab 1695 Aufbau der Anstalten:

– Volksschule

– Lateinschule

– Paedagogium Regium

– Apotheke

– Buchhandlungen

– Verlag

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3.3.2 August Hermann Francke – die Bekehrung

• Erst konnte ich gleichsam die Sünden zählen, aber bald öffnete sich auch die Hauptquelle [der Sünde], nämlich der Unglaube oder bloße Wahnglaube, womit ich mich selbst so lange betrogen. Und da wurde mir mein ganzes Leben und alles, was ich getan hatte, als Sünde und ein großer Greuel vor Gott vorgestellt. .. In solcher Angst legte ich mich nochmals nieder auf meine Knie und rief an den Gott ..

• Da erhörte mich der Herr … wie man eine Hand umwendet, so war mein Zweifel hinweg; ich war versichert in meinem Herzen ... ich konnte Gott nicht allein Gott, sondern meinen Vater nennen, alle ... Unruhe des Herzens wurde auf einmal weggenommen ... - Meine Vernunft stand nun gleichsam von ferne, der Sieg war ihr aus den Händen gerissen, denn die Kraft Gottes hatte sie dem Glauben untertänig gemacht

Der Bekehrungsbericht, um 1690

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3.4 die Reaktion der konservativen Orthodoxie gegen die Pietisten

• 2. Dass sie das evangelische Predigtamt unter dem Namen Babel .. verlästern. 4. Dass sie sich des heiligen Nachtmahls, welcher einiger Meinung nach nur für die auserwählten Jünger Christi, anderer nach nur für die Schwachgläubigen eingesetzt, entweder gänzlich oder wenigstens in öffentlicher Versammlung aus der Ursache enthalten, weil ihre pharisäische Einbildung nach unter den übrigen Kommunikanten auch Unwürdige befindlich. 12. Dass sie das Lachen und Tanzen für eine Todsünde ausgeben, ...

Braunschweigisch-Lüneburgische Landes-Ordnungen (1703)

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3.5.1 Zinzendorf und die Herrnhuter Brüdergemeine

• Nikolaus Graf von Zinzendorf, Gründer und Bischof der Herrnhuter Brüdergemeine

• 1700-1760

• Laientheologe, verbindet pietistische Ideen mit der Tradition der böhmischen Brüder

• kombiniert ekstatisch, spiritualistische Ideen, oft in höchst sinnlicher Metaphorik mit Gemeinde-Strukturierung

• Entscheidungsfindung durch «Losung»

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3.5.2 Zinzendorf und der sentimentale Pietismus

• ... dass in unserer Gemeine nicht ein Herz übrig bleibe, das nicht an die Wunden glaube, das nicht in die Wunden hineinfahre und darinnen hier in der Zeit seinen Sitz und Ruhestätte bestelle, das sanfte Bett der Sabbatherzlein, davon .. alle Tage erfahren wird, insonderheit zu solchen Stunden und Augenblicken, wenn sich aus unserem Kämmerlein, aus unserer bestellten Wohnung, der Blutstrom ergießt und übers ganze Täublein fließt, wie es so geschieht bei des Herrn Mahl im Sakrament ...

Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, Öffentliche Gemeindereden (1747)

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3.6 reformierter Pietismus am Niederrhein: Gerhard Tersteegen

• * 25. November 1697 in Moers † 3. April 1769 in Mülheim an der Ruhr

"Meinem Jesus! Ich verschreibe mich dir, meinem einzigen Heiland ... zu deinem völligen und ewigen Eigentum. Ich entsage von Herzen allem Recht und aller Macht über mich selbst. Von diesem Abend an sei dir mein Herz und meine ganze Liebe auf ewig zum schuldigen Dank ergeben und aufgeopfert. ... Befehle, herrsche und regiere in mir!"

• "Verschreibung“, Gründonnerstag 1724

»Gott ist gegenwärtig«»Jauchzet ihr Himmel, frohlocket ihr Engel in Chören«»Ich bete an die Macht der Liebe«

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3.7 Erweckungsbewegung

• Charakteristika:

• anti-rationalistisch, gegen die Vernunftsreligion der Aufklärung

• Bekehrung als bewusste Hinwendung zu einem christlichen Leben

• emotionale Vergewisserung des Glaubens

• Heiligung des familiären Alltags• soziales Engagement (Diakonie)

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• Erweckungsbewegung der 1720er Jahre, hervorgegangen aus der anglikanischen Kirche

3.8 der Methodismus

John Wesley

Charles Wesley

– Initiatoren: John und Charles Wesley– Milieu: Studentenzirkel Oxford– Ziel: individuelle Vergewisserung des

eigenen Glaubens und des Angenommenseins durch Gott

– Medium: Kleine Gruppen (Klassen), angeleitet von einem Klassenleiter, systematische, methodische Anleitung zum geistlichen Fortschritt

– Bekehrung: emotionale Selbstvergewisserung des Angenommenseins durch Gott

– Methodistische Kirche: weltweit, allein in den USA ca. 13 Mio. Mitglieder