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Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit Modul 2: Das Christentum in seiner Geschichte Universität Duisburg-Essen, Winter- Semester 2006/07 Reform zwischen Restauration und Erneuerung

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Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit

Modul 2: Das Christentum in seiner Geschichte

Universität Duisburg-Essen, Winter-Semester 2006/07

Reform

zwischen Restauration und Erneuerung

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Übersicht

1. „ad fontes“ - zu den Quellen: der Humanismus

2. Reformation und Gegenreformation

3. Reform als Entwicklung

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1.1 die Neuausgabe des griechischen Neuen Testaments

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1.2 das Titelblatt

N e u e s T e s t a m e n tvollständig und sorgfältig von E r a s m u s v o n R o t t e r d a m

durchgesehen und verbessert, nicht nur an Hand der griechischen Sprache,sondern auch nach der Überlieferung vieler Codices beider Sprachen, derenAlter und Qualität feststeht, schließlich nach Zitaten, Verbesserungen und

Auslegungen, zuverlässigster Autoren, vor allem des Origenes, Chrysostomos, Kyrill, der Vulgata, Hieronymus, Cy-

prian, Ambrosius, Hilarius, Augustinus,zusammen mit Anmerkungen, die den

Leser unterrichten sollen, was auswelchem Grund verändert wurde.

Wer auch immerdie wahreTheologie

liebt, der lese,verstehe, und urteile dann.

Sei nicht sofort beleidigt, wenndir eine Veränderung anstößig ist, sondern

erwäge, ob es nicht zum Besseren verändert worden ist.

Bei dem in ganz Deutschland berühmtenBasler [Buchdrucker]

Mit dem Privilegdes erhabenen Kaisers Maximilian,

dass kein anderer im Bereich des heiligenrömischen Reichs, im Zeitraum von vier

Jahren [nach]druckt, oder von anderswohereinen Druck einführt.

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1.3 NT – zweite Auflage, 1518

Quisquis igitur amas veram Theologiam, lege, cognosce, ac deinde iudica. ... Nam morbus est, non iudicium, damnare quod non inspexeris.

Solltest Du die wahre Theologie lieben, lies, überlege, und erst dann urteile. ... Denn eine Krankheit, nicht ein Urteil, ist es, das, was man nicht untersucht hat, zu verwerfen.

Motto:

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1.4 Erasmus von Rotterdam und das Ideal der „bonae litterae“

• 1466/69 – 1536– Studium in Paris (1495-99),

Italien (1506-09), London (1509-14)

– ab 1516 in Basel und Freiburg

• Werke:– Adagia¹ 1500– Encomium moriae², 1509/11– NT – Ausgabe, 1516– Colloquia familiaria³, 1518– Kirchenväterausgaben,

1520ff– De libero arbitrio,4 1523Gemälde von Quentin Massys, 1517, 59 x 46,5, Öl auf Holz, Galleria Nazionale d'Arte Antica (Palazzo Barbarini), Rom

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1.5 humanistische Gelehrsamkeit und Buchdruck

Johannes FROBEN, Buchdrucker in Basel, 1460 - 1527.

• Studium der alten Sprachen in Basel• Korrektor bei Amerbach• 1491 in eigener Druckerei: „Biblia integra“ • 1516 NT-Ausgabe seines Freundes Erasmus von

Rotterdam• Väterausgaben:

– Hieronymus (s. d.)¹, Cyprian (s. d.)² und Rufinus (s. d.)³, Tertullian (s. d.)4, Hilarius (s. d.)5 und Ambrosius (s. d.)6

• Sein Sohn Hieronymus und sein Schwiegersohn Nikolaus Episcopius und seine Enkel Ambrosius Aurelius F. setzten das Geschäft fort.

• weitere Väterausgaben: – Augustinus (s. d.), Basilius (s. d.)7 und

Chrysostomus (s. d.)8

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1.6 humanistische Frömmigkeit: Reform durch Lektüre der Quellen

• Der ist mir ein wahrer Theologe, der nicht mit künstlich zusammen gedrechselten Syllogismen, sondern mit Herzenswärme,... durch sein persönliches Leben lehrt, dass man den Reichtum verachten müsse, dass der Christ nicht auf den Schutz dieser Welt vertrauen solle; dass man kein Unrecht vergelten dürfe,... Wenn einer dieses und ähnliches, vom Geiste Christi angetrieben, predigt,... dazu ermahnt, einlädt und ermuntert, der ist letzten Endes ein wahrer Theologe, und sei er auch ein Ackersmann oder Tuchweber.

Desiderius Erasmus von Rotterdam, Paraclesis ad lectorem pium¹, Vorwort zur Neuedition des griechischen Neuen Testaments (1516)

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Testbeispiel

• „Leidenschaftlich rücke ich von denen ab, die nicht wollen, dass die heiligen Schriften in die Volkssprache übertragen und auch von Laien gelesen werden, ... als ob man die christliche Religion dadurch schützen könne, dass sie unbekannt bleibt ... Ich würde wünschen, dass alle Weiblein das Evangelium lesen, auch dass sie die Paulinischen Briefe lesen. Wären doch diese in die Sprache aller Völker übertragen, damit sie nicht nur von den Schotten und Iberern, sondern auch von den Türken und Sarazenen gelesen ...“

1. Welche Textsorte?

2. Anderer Begriff für „heilige Schriften“?

3. Was bedeuten die drei Punkte: „…“?

4. Wer kommt als Verfasser in Frage?

5. In welcher Sprache sind die Heiligen Schriften zu dieser Zeit gewöhnlich abgefaßt?

Einleitung / Konzilstext / Ordnung

Bibel

Auslassungen

Erasmus von Rotterdam

Latein

Desiderius Erasmus von Rotterdam, Paraclesis ad lectorem pium¹, Vorwort zur Neuedition des griechischen Neuen Testaments (1516)

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1.7 das Ideal des Humanismus: Zusammenfassung

• Humanismus - Bildungsbewegung in der Renaissance• ausgerichtet auf das geistige Gut der wieder entdeckten antiken

Autoren (Motto: ad fontes - zurück zu den Quellen); Ziel: Reform durch Bildung und Wissenschaft (Erasmus: 'bonae litterae'); Methode: eine an Cicero ausgerichtete lebendige Sprache, die sich kritisch gegen Scholastik und konservative Kleriker wendet

• ad fontes - dt.: „zu den Quellen“, Begriffsprägung von Erasmus von Rotterdam

• unterstellt ist eine allgemeiner Niedergang von Sprache und Kultur im Verlaufe des Mittelalters. Die Wiederentdeckung der antiken Autoren wird zur Überwindung des geistigen und moralischen Verfalls führen

• bonae litterae – dt.: „gute Literatur“, Begriffsprägung von Erasmus von Rotterdam

• der Begriff drückt die Überzeugung aus, dass eine gute Sprache und eine an den antiken Autoren geschulte Bildung den Menschen sittlich und geistig bessern werden

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Übersicht

1. „ad fontes“ - zu den Quellen: Humanismus

2. Reformation und Gegenreformation

3. Reform als Entwicklung

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2.1 die Reformschriften Martin Luthers aus dem Jahre 1520

• An den christlichen Adel von des christlichen Standes Besserung

Allgemeines Priestertum aller Getauften

• Von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche– De captivitate Babylonica ecclesiae. Praeludium

die Messe ist kein Opfer und kein gutes Werk

• Von der Freiheit eines Christenmenschen– De libertate christiana

über evangelische Freiheit und evangelischen Dienst

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• An den christlichen Adel

2.1.1 die Reformschriften Martin Luthers aus dem Jahre 1520: Adelsschrift

Alle Christen sind durch die Taufe gleichen Standes.

Die Trennung zwischen Geistliche und Laien ist bloße Menschensatzung.

Alle Christen, insbesondere die von Gott mit einem politischen Amt betrauten Christen, sind aufgerufen, für eine Reform der kirchlichen Missstände Sorge zu tragen.

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2.1.2 die Reformschriften des Jahres 1520: De captivitate

• De captivitate babylonica ecclesiae praeludium

Ein Vorspiel von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche

• Es gibt nur zwei Sakramente¹

• Die Messe ist kein Opfer und kein gutes Werk, sondern Verkündigung

• Alles, was durch die Heilige Schrift nicht abgedeckt ist, ist Menschensatzung

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2.1.3 die Reformschriften des Jahres 1520: Von der Freiheit eines Christenmenschen

• lat.: Tractatus de libertate Christiana

• Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan.

• Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.-

Diese zwei Lehrsätze sind klar: • Paulus, 1Kor 9,19: «Ich bin frei von jedermann und habe

mich eines jedermanns Knecht gemacht». • Ebenso Röm 13,8: «Seid niemand etwas schuldig, außer

dass ihr euch untereinander liebet.» Liebe aber, die ist dienstbar und untertan dem, was sie lieb hat.

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2.2 Reform im Volksmund, eine Flugschrift von 1521

Fritz: Was sagt man Gutes zu Tübingen? Wie verhält sich die Hohe Schule gegenüber dem Luther? –

Kunz: Es ist gleich wie anderswo: Welcher viele Pfründen hat, der ist dem Luther feind, und sie schelten ihn einen Ketzer, aber die arme Rotte hat ihn lieb. –

Fritz: Sie sind allein dem Luther feind, daß er aus den heiligen Lehren Pauli und Christi ihnen ihre verdammte Weise, Schalkheit und Büberei anzeigt. Er bringt nichts Neues hervor, er bringt sie aber in Zorn, daß er ihnen die Wahrheit sagt. Denn was meinst du, was die dekretischen Doctores¹ und der ganze babylonische Hof zu Rom mit ihren kurtisanischen Zuständen gelten werden, wenn man die Decretales, Dekret-Copisterei und dergleichen Lügenschulen und päpstliche Träume abschafft?

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2.3 Huldrych Zwingli – der Reformator von Zürich

• 34. Die sogenannte geistliche Gewalt hat für ihre Pracht keinen Grund in der Lehre Christi; 35. aber die weltliche Gewalt hat Kraft und Begründung in der Lehre und Tat Christi [Mt 22,21]. 36. Alle Gerichtsbarkeit, welche sich die sogenannte geistliche Gewalt anmaßt, kommt der weltlichen Gewalt zu [Lk 12,13f], sofern diese christlich sein will. 37. Der weltlichen Gewalt sind auch alle Christen, niemand ausgenommen, Gehorsam schuldig [Röm 13,1f], 38. insofern sie nichts gebietet, was wider Gott ist [Apg 5,29]

Die 67 Schlussreden (1523)

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2.4 Calvin – der Reformator von Genf

... noch niemand hat uns bewiesen, dass wir etwas geändert hätten, was Gott befohlen hat, ...

im Gegenteil ist es eine bekannte Tatsache, dass wir unsere Kirche reformiert haben nach der reinen Lehre Gottes, die allein Richtschnur ist, die Kirche recht instand zu setzen und zu erhalten. Die Ordnung aber, die uns unser Herz eingegeben hat, muss auf ewig unverletzlich bleiben. ...

Die Hauptsache im Christentum ist doch die rechte Anbetung Gottes. Nun haben wir erkannt, daß die Form der Anbetung, die wir früher brauchten, falsch und verkehrt war. Denn sie geschah nicht in Geist und Wahrheit (Joh. 4), sondern in äußerlichen Zeremonien, ja sogar abergläubischen Handlungen. Dazu beten sie [die Papisten] noch nicht einmal Gott allein an, sondern an seiner Statt Holz und Stein, Gemälde, Totenschreine und ähnliche Dinge

Jean Calvin, Brief an François de Mandallaz

(September 1543)

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2.5 das Konzil von Trient, 3. Sitzungsperiode 1562/63

• Wir wollen in dieser ... Stadt ein freies ökumenisches Konzil abhalten, um die Ketzerei auszurotten, in der katholischen Kirche wieder Frieden herzustellen und die verdorbenen Sitten des christlichen Volkes zu bessern. ... Wir haben nämlich den unsterblichen Gott und das christliche Volk sehr beleidigt,... Ja, ich möcht sagen, die jetzige Ketzerei der Lutheraner haben in gewisser Weise wir verursacht durch unsere verdorbenen und verkehrten Sitten: wir sind der Ursprung, wir die Ursache.

Konzil von Trient. Eröffnungspredigt zur Sessio XVIII (1562)

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2. Reformation und Gegenreformation

3. Reform als Entwicklung

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3.1 Francis Bacon – der Bruch mit der Antikengläubigkeit

• Das günstige Vorurteil für die Alten [bei den Humanisten] ist aber ganz grundlos und steht fast mit dem Wort selbst in Widerspruch...

• In der Tat ist jedoch eine genauere Kenntnis menschlicher Angelegenheiten und ein reiferes Urteil eher von dem bejahrten Manne als von dem Jüngling zu erwarten, weil jener mehr gesehen, gehört, gedacht und erfahren.

• Ebenso dürften wir uns auch von unserem Zeitalter ... weit mehr versprechen, weil es das reifere und an Erfahrungen und Beobachtungen unendlich reichere ist

Francis Bacon, Novum Organon¹ scientiarum (1620)

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3.2 Johann Lorenz Mosheim, der erste moderne Kirchenhistoriker

Endlich ist jene engherzige Art der Rede, welche die alten Schulen liebten [sc. Scholastik], von einer gesunderen abgelöst worden [sc. in der Reformationszeit]. Aber diese Fortschritte sind keineswegs so weit gediehen, dass den Nachfahren nichts weiter verblieben wäre, das sie nicht zu verbessern und zu vervollkommnen hätten. Nein, es ist ihnen viel zu tun übrig gelassen worden. Aber derjenige wäre undankbar .., der leugnen würde, dass in diesem Zeitalter der Grundstein gelegt worden ist, ...

Johann Lorenz von Mosheim, Institutiones historiae ecclesiasticae (1755) , XVI.II.10 1

1694-1755

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3.3.1 Immanuel Kant, der Reformauftrag des Gelehrten

Ebenso [wie in anderen gesell-schaftlichen Bereichen] ist ein Geistlicher verbunden, seinen Katechismusschülern und seiner Gemeinde nach dem Symbol der Kirche, der er dient, seinen Vortrag zu tun; denn er ist auf diese Bedingung angenommen worden. Aber als Gelehrter hat er volle Freiheit, ja sogar den Beruf dazu, alle seine sorgfältig geprüften und wohlmeinenden Gedanken über das Fehlerhafte in jenem Symbol, und Vorschläge wegen besserer Einrichtung des Religions- und Kirchenwesens, dem Publikum mitzuteilen ...

Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784)

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3.3.2 Immanuel Kant, Was ist Aufklärung? 1784

• Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.

• Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.

• Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen.

• Sapere¹ aude!² Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.

Akademie Ausgabe, VIII, 33

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Kodex - Buch im Gegensatz zur Schriftrolle

• lat. codex, Pl. Codices, Baumstamm, • Schreibtafel aus gespaltenem Holz, als Notizbuch,

Inventar etc. verwendet, • dann als Einband (Buchdeckel) mehrerer Lagen aus

Pergament- oder Papierblätter, teilw. kostbar ausgestattet: Edelstein, Elfenbein

• Bezeichnung für Buch allgemein im Gegensatz zur Schriftrolle

• schließlich repräsentative Sammlung im Buchformat: Codex Manesse (mittelhochdeutsche Liedersammlung), Codex iuris canonici, Codex Iustinianus;

• daraus abgeleitet übertragen auch: Sammlung von Normen und Regeln (Ehrenkodex)