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Plenary Lectures Hauptvortr ige Klassische chemische Analytik, gibt es die noch? w. Huber BASF Aktiengesellschaft, ZAM/Analytik, D-6700 Ludwigshafen, Bundesrepublik Deutschland Classical Chemical Analysis -- Is it Still of any Importance? Moderne Analytik ist stets eine Mischung prinzipiell verschiede- ner Methoden. Es ist daher angebracht, den Begriff chemische Analytik, die sich ebenso wie alle anderen Disziplinen in einem laufenden ModernisierungsprozeB befindet, nfiher zu definie- rcn. Analytische Methoden lassen sich in drei Hauptgruppen einteilen: Chemische Methoden (Basis: Chemische Umsetzungen auf st6chiometrischer Grundlage); Physikalische Methoden (Basis: Messung eines physikali- schen Parameters); Trennmethoden. Da jede Analyse auch einen physikalischen MeBvorgang enthfilt, k6nnen chemische Methoden und Trennmethoden ffir sich allein nicht existieren. Das gilt ffir eine einfache Titration mit einer Volumenmessung ebenso, wie ffir ein klassisches gravi- metrisches Verfahren, in dem eine chemische Umsetzung, eine Wfigung und ein einfacher TrennprozeB enthalten sind. Schema- tisch 1/iBt sich dieser Zusammenhang in einem Diagramm zei- gen, in dem alle analytischen Methoden dargestellt werden k6n- nen (Abb. 1). Als Uberbau zu dieser zweidimensionalen Darstel- lung k6nnte man noch das Niveau der jeweiligen Instrumentali- sierung einbringen. Es erhebt sich nun das Problem, wo die Grenzlinie zwischen den chemischen Methoden und den anderen Verfahren zu ziehen ist. Das entscheidende Kriterium ist die Art der Errechnung des Resultats. Wird zu dieser Berechnung die St6chiometrie in irgendeiner Form angewendet, sollte man die Methode als eine chemische betrachten, auch dann, wenn der angewendete physi- kalische MeBvorgang sehr kompliziert ist. Ein instruktives Beispiel ist die Bestimmung der Komplexbil- dungskapazit/it von Seewasser gegenfiber Kupfer, die fiber eine Titration mit einer Kupferl6sung durchgeffihrt wird [1]. Die Konzentration an freien Kupferionen wird dabei fiber eine in- versvoltammetrische Differential-Puls-Methode verfolgt. Der physikalische Megvorgang ist offenbar kompliziert und aufwen- dig, aber es liegt trotzdem eine chemische Methode vor, da Stoffmengenanteile in die Berechnung eingehen. Umgekehrt ist natfirlich eine einfache pH-Messung keine chemische, sondern eine physikalische Methode. Die sich aus dieser Definition ergebenden Konsequenzen sind schwerwiegend und yon prinzipieller Natur. Sie setzen die Akzente ffir die St/irken und die Schw/ichen der jeweiligen Me- thode (siehe auch Tabelle 1). Betrachtet man etwa das obige Beispiel der Komplexbildungskapazit/it, so f/illt auf, dab die Bestimmung voraussetzungslos gemacht wurde, d.h. es existier- ten keinerlei Informationen fiber die chemische Zusammenset- zung der Komplexbildner, keine Testsubstanzen waren vorhan- den. Eine Trennmethode hfitte evtl. die einzelnen Komponenten CHEMISCHE METHODEN ~CDC GC,HPLC skopie\ TRENNMETHODEN PHYSIKALISCHEMETHODEN Abb. 1. Zusammenhang zwischen den analytischen Methoden Tabelle 1. Vor- und Nachteile der analytischen Methoden Stfirken Schw~chen Chemische Methoden Basismethoden ffir summarische Gr6Ben (Gehalte, Stoff- bilanzen) Kalibrierung kann entfallen Testsubstanzen nicht unbedingt erforderlich Geringe Selektivit/it gegenfiber Einzel- substanzen Hohe Anzahl von Einzelvorschriften Probleme bei der Automatisierung Physikalische Methoden Basismethoden zur Ermittlung yon Megwerten und physikalischen Kenn- gr6Ben Sehr detaillierte und schnelle Ergebnisse Gute Vorbedingungen ffir die Automatisie- rung Ergebnisse bedfirfen der Kalibrierung mit Testsubstanzen Gruppenbestimmun- gen kaum m6glich Trenn- methoden Basismethoden zur Be- Ergebnisse bedfirfen stimmung von Einzet- komponenten in komplexen Gemischen Gute Vorbedingungen ffir die Automatisie- rung der Kalibrierung mit Testsubstanzen Gruppenbestim- mungen nur mit Einschr/inkungen m6glich voneinander trennen, vielleicht sogar unter Arbeitsbedingun- gen, die wir noch nicht kennen, fiber einen Reaktionsdetektor die komplexbildende Eigenschaft der Einzelverbindungen nach- weisen k6nnen. Eine Berechnung der Gesamtkomplexbildungs- 685

Klassische chemische Analytik, gibt es die noch?

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Page 1: Klassische chemische Analytik, gibt es die noch?

Plenary Lectures Hauptvortr ige

K l a s s i s c h e c h e m i s c h e A n a l y t i k , g ibt es die n o c h ?

w. Huber

BASF Aktiengesellschaft, ZAM/Analytik, D-6700 Ludwigshafen, Bundesrepublik Deutschland

Classical Chemical Analysis -- Is it Still of any Importance?

Moderne Analytik ist stets eine Mischung prinzipiell verschiede- ner Methoden. Es ist daher angebracht, den Begriff chemische Analytik, die sich ebenso wie alle anderen Disziplinen in einem laufenden ModernisierungsprozeB befindet, nfiher zu definie- rcn .

Analytische Methoden lassen sich in drei Hauptgruppen einteilen:

Chemische Methoden (Basis: Chemische Umsetzungen auf st6chiometrischer Grundlage);

Physikalische Methoden (Basis: Messung eines physikali- schen Parameters);

Trennmethoden. Da jede Analyse auch einen physikalischen MeBvorgang

enthfilt, k6nnen chemische Methoden und Trennmethoden ffir sich allein nicht existieren. Das gilt ffir eine einfache Titration mit einer Volumenmessung ebenso, wie ffir ein klassisches gravi- metrisches Verfahren, in dem eine chemische Umsetzung, eine Wfigung und ein einfacher TrennprozeB enthalten sind. Schema- tisch 1/iBt sich dieser Zusammenhang in einem Diagramm zei- gen, in dem alle analytischen Methoden dargestellt werden k6n- nen (Abb. 1). Als Uberbau zu dieser zweidimensionalen Darstel- lung k6nnte man noch das Niveau der jeweiligen Instrumentali- sierung einbringen.

Es erhebt sich nun das Problem, wo die Grenzlinie zwischen den chemischen Methoden und den anderen Verfahren zu ziehen ist. Das entscheidende Kriterium ist die Art der Errechnung des Resultats. Wird zu dieser Berechnung die St6chiometrie in irgendeiner Form angewendet, sollte man die Methode als eine chemische betrachten, auch dann, wenn der angewendete physi- kalische MeBvorgang sehr kompliziert ist.

Ein instruktives Beispiel ist die Bestimmung der Komplexbil- dungskapazit/it von Seewasser gegenfiber Kupfer, die fiber eine Titration mit einer Kupferl6sung durchgeffihrt wird [1]. Die Konzentration an freien Kupferionen wird dabei fiber eine in- versvoltammetrische Differential-Puls-Methode verfolgt. Der physikalische Megvorgang ist offenbar kompliziert und aufwen- dig, aber es liegt trotzdem eine chemische Methode vor, da Stoffmengenanteile in die Berechnung eingehen. Umgekehrt ist natfirlich eine einfache pH-Messung keine chemische, sondern eine physikalische Methode.

Die sich aus dieser Definition ergebenden Konsequenzen sind schwerwiegend und yon prinzipieller Natur. Sie setzen die Akzente ffir die St/irken und die Schw/ichen der jeweiligen Me- thode (siehe auch Tabelle 1). Betrachtet man etwa das obige Beispiel der Komplexbildungskapazit/it, so f/illt auf, dab die Bestimmung voraussetzungslos gemacht wurde, d.h. es existier- ten keinerlei Informationen fiber die chemische Zusammenset- zung der Komplexbildner, keine Testsubstanzen waren vorhan- den. Eine Trennmethode hfitte evtl. die einzelnen Komponenten

CHEMISCHE METHODEN

~CDC GC, HPLC skopie\

TRENNMETHODEN PHYSIKALISCHE METHODEN

Abb. 1. Zusammenhang zwischen den analytischen Methoden

Tabelle 1. Vor- und Nachteile der analytischen Methoden

Stfirken Schw~chen

Chemische Methoden

Basismethoden ffir summarische Gr6Ben (Gehalte, Stoff- bilanzen)

Kalibrierung kann entfallen

Testsubstanzen nicht unbedingt erforderlich

Geringe Selektivit/it gegenfiber Einzel- substanzen

Hohe Anzahl von Einzelvorschriften

Probleme bei der Automatisierung

Physikalische Methoden

Basismethoden zur Ermittlung yon Megwerten und physikalischen Kenn- gr6Ben

Sehr detaillierte und schnelle Ergebnisse

Gute Vorbedingungen ffir die Automatisie- rung

Ergebnisse bedfirfen der Kalibrierung mit Testsubstanzen

Gruppenbestimmun- gen kaum m6glich

Trenn- methoden

Basismethoden zur Be- Ergebnisse bedfirfen stimmung von Einzet- komponenten in komplexen Gemischen

Gute Vorbedingungen ffir die Automatisie- rung

der Kalibrierung mit Testsubstanzen

Gruppenbestim- mungen nur mit Einschr/inkungen m6glich

voneinander trennen, vielleicht sogar unter Arbeitsbedingun- gen, die wir noch nicht kennen, fiber einen Reaktionsdetektor die komplexbildende Eigenschaft der Einzelverbindungen nach- weisen k6nnen. Eine Berechnung der Gesamtkomplexbildungs-

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P enafg Lecterns

kapazit/it w/ire damit trotzdem noch nicht m6glich gewesen, da noch wesentliche Informationen fehlen, die nur fiber einen Vergleich mit Testsubstanzen zu erhalten sind. Dasselbe gilt ffir evtl. vorstellbare rein physikalische MeBmethoden.

Chemische Methoden besitzen fiber die St6chiometrie schon Vorinformationen, die anderen Methoden versagt sind. Sie sind pr/idestiniert fiir summarische Bestimmungen yon chemischen Parametern und ffir diesen Zweck unersetzlich. Experimentell von gr6gtem Wert ist dabei der Umstand, dab Kalibrierungen im Prinzip entfallen k6nnen und Testsubstanzen nur zur Opti- mierung der experimentellen Bedingungen ben6tigt werden.

Dieser positiven Seite stehen die Nachteile gegenfiber: Die Selektivit/it gegenfiber Einzelverbindungen ist gering. In vielen F/illen existiert keine geeignete chemische Reaktion, die man anwenden k6nnte, obwohl die chemische Analytik einen uner-

h6rt grogen Methodenfundus besitzt. Das ist auch ihre Schw/i- che. Es ist oft schwierig, die optimale Methode zu finden. Die Arbeitsbedingungen k6nnen/iul3erst verschieden sein, was me- chanisierte Serienanalysen erheblich erschwert. Aber ihre enge Verknfipfung mit der Chemie hat zur Folge, dab die Ergebnisse Basisgr6gen auch ffir andere Methoden darstellen. Es ist zwar sicher, dab die chemische Analytik Marktanteile verloren hat. Aber von ihrer Bedeutung hat sie nichts eingebfil3t.

L i t e r a t u r

1. Nfirnberg HW (1984) Anal Chim Acta 164:1

Fresenius Z Anal Chem (1985) 320:685-686 �9 Springer-Verlag 1985

Analytik von Kohle und Kohleumwandlungsprodukten

W o l f g a n g R i e p e

Bergbau-Forschung GmbH, Franz-Fischer-Weg 61, D-4300 Essen-Kray, Bundesrepublik Deutschland

A n a l y s i s o f C o a l and C o a l C o n v e r s i o n P r o d u c t s

Kohle ist ein organisches Sedimentgestein, das vergesellschaftet mit der begleitenden Mineralsubstanz vorkomrnt. Ziel analyti- scher Untersuchungen an Kohle ist die Gewinnung von Infor- mationen fiber die rohstoffiichen, chemischen, physikalischen und seit einiger Zeit auch fiber die umweltrelevanten Eigenschaf- t e n .

Je nach Fragestellung sind dazu unterschiedliche analytische Analysenverfahren erforderlich. Diese geben im allgemeinen Auskunft fiber: - Maceralzusammensetzung und Inkohlungsgrad; - Mineralzusammensetzung; - Elementzusammensetzung der organischen Matrix; - Elementzusammensetzung der anorganischen Matrix; - Beteiligung yon Spurenelementen; - chemische Konstitution.

Die Maceralzusammensetzung und der Inkohlungsgrad wer- den dutch lichtmikroskopische Phasenanalyse und Mikroskop- photometrie ermittelt. Diese Verfahren sind sehr zeitintensiv und der subjektiven Bewertung des Operators unterworfen. Der Einsatz von Bildanatysesystemen objektiviert die Messungen und bringt eine erhebliche Zeitersparnis mit sich [1]. Die Mine- ralzusammensetzungen werden heute routinem/iBig durch r6nt- genographische Phasenanalyse oder/und durch infrarotspektro- skopische Analysen ermittelt. Der Einsatz der R6ntgenbeugung setzt eine gewisse Kristallinit/it der Pr/iparate voraus. Sie liefert im allgemeinen definierte Reflexe, die mehr oder weniger gut bestimmten Mineralien zugeordnet werden k6nnen. St6rungen k6nnen einmal dutch mangelnde Kristallinit/it und zu geringe Korngr6Be aber auch durch nicht eindeutig definierte Mineral- systeme, wie sie immer bei natfirlichen Pr/iparaten auftreten, verursaeht werden. Das Ergebnis infrarotspektroskopischer Un- tersuchungen sind Schwingungsspektren von Molekfilen bzw. Molekiilgruppen. Die Problematik besteht darin, diese Schwin- gungsspektren eindeutig bestimmten Mineralgruppen zuzuord- nen. In den letzten Jahren hat der Einsatz yon FT-IR-Techniken mit Rechnereinsatz zur Datenaufnahme und -verarbeitung so- wie zur Spektrensimulierung gewisse Erfolge gezeigt. Die IR- Spektroskopie ist oft die Methode der Wahl, wenn weniger gut

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kristallisierte Systeme oder zu feink6rniges Material vorliegen. Auch zu geringe Probenmengen machen den Einsatz der IR- Spektroskopie erforderlich [2, 3].

Die Elementzusammensetzung der organischen Matrix gibt wichtigen Aufschlul3 zur Beurteilung von Kohlen. Im allgemei- hen werden die Elemente C, H, N, O, S (C1, F) bestimmt, die beiden letzteren kommen teilweise auch in der begleitenden Mineralsubstanz vor. Viele Analysenverfahren erlauben die gleichzeitige Bestimmung mehrerer Elemente aus einer Ein- waage. Besonders der Einsatz der nichtdispersiven IR-Detek- tion bei der Sehwefelbestimmung hat den Zeitbedarf ffir eine Analyse erheblich reduziert. Die Verwendung der Ionen-Chro- matographie zur Bestimmung der Anionen SO 2-, C1- und F - bietet neue Einsatzm6glichkeiten auch bei sehr kleinen Gehalten der Elemente S, C1 und F.

Die klassischen nal3chemischen Verfahren zur Elementana- lyse der anorganischen Matrix sind heute fibel'wiegend durch spektroskopische Verfahren ersetzt. Bewertet man die Schnellig- keit, Variabilit/it und die Automatisierungsm6glichkeit, so steht die R6ntgenfluoreseenzanalyse im Vordergrund. Aus einer Probe k6nnen simultan oder dutch schnelle Sequenzanalyse viele Elemente gleichzeitig oder in kurzer Zeit automatisch be- stimmt werden. Eine Rechnerkopplung fibernimmt Steuerung, (J'berwachung und Auswertung. Aber auch spektroskopische Verfahren fiir die L6sungsanalyse wie Atomabsorptions-Spek- trornetrie (AAS) und Verfahren der optischen Emissionsspek- tralanalyse mit Plasmaanregung (ICP) finden in steigendem Mal3e Anwendung.

Die Analyse auf Spurenelemente bzw. deren Verbindungen hat vor allem im Bereich des Umweltschutzes steigende Bedeu- tung erlangt. Die Spurenelementanalytik hat eine neue Proble- matik der Analyse begrfindet. Dutch die geringen Gehalte (mg/ kg bzw. gg/kg) sind ffir Probenahme, Probenvorbereitung und analytische Bestimmung besondere Techniken bedingt. Die ana- lytische Bestimmung erfolgt in der Regel durch spektroskopi- sche Verfahren. Die Atomabsorptions-Spektrometrie, bei ge- ringstem Gehalt vor allem mit Graphitrohrtechnik, die optische Emissionsspektralanalyse, aber auch die R6ntgenfluorescenz und elektrochemische Verfahren sind die am h/iufigsten verwen- deten Techniken [4]. In Sonderf/illen kommt auch die Neutro- nenaktivierungsanalyse zum Einsatz.

Die vorstehend aufgeffihrten Untersuchungen geben im we- sentlichen Aussagen fiber die rohstoffiichen Eigenschaften der Kohle. Sollen auch Fragen der chemischen Konstitution des Feststoffes beantwortet werden, so mfissen spektroskopische Verfahren eingesetzt werden. Frfiher wurde vor allem die Infra- rotspektroskopie ffir die Strukturgruppenanalyse angewendet [5, 6]. Weitergehende detailliertere Informationen sind aus den 13C-NMR-Spektren des Festk6rpers Kohle zu gewinnen. Die frfiher hohen Linienbreiten im Festk6rper-NMR-Spektrum