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meteorologische fortbildung Klima und Wetter der Tropen Jahrgang 32 Heft 3 2006

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meteorologische fortbildung

Klima und Wetter der Tropen

Jahrgang 32 Heft 32006

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promet, Jahrg. 32, Nr. 3, 114-122 (August 2006)© Deutscher Wetterdienst 2006

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1 Einleitung

Die Niederschläge in den westafrikanischen Tropenzeigen im weltweiten Vergleich sehr ausgeprägteSchwankungen und Trends auf Zeitskalen von Dezen-nien. Für drei homogene Niederschlagsregionen West-afrikas zeigt Abb. 2-1 die Anomalien des auf dem Hö-hepunkt der Regenzeit von Juni bis September akku-mulierten Niederschlags für den Zeitraum 1921-2005.Der westliche und zentrale Sahel (vgl. Karte inAbb. 2-1c), in welchem in den oben genannten Mona-ten fast der gesamte Jahresniederschlag fällt, erlebteum die 1930er und um die 1950er Jahren eine jeweilsnahezu kontinuierliche Abfolge von feuchten Jahren(Abb. 2-1a). In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre er-folgte ein rascher Übergang in ein trockeneres Nieder-schlagsregime mit schwerwiegenden Dürrejahren zuBeginn der 1970er und Mitte der 1980er Jahre. Obwohlin jüngster Zeit wieder einzelne sehr feuchte Jahre be-obachtet wurden (1999, 2003 und 2005), kann von einerRückkehr zu den überdurchschnittlichen Mengenwährend der oben genannten Zeiträume des letztenJahrhunderts nicht gesprochen werden.

Die Monsunniederschläge in der dichter besiedeltenund feuchteren Guineaküstenregion und Teilen derSudanzone (Abb. 2-1c und 2-2), deren Anomalien hochmit denjenigen der Küstenregion korreliert sind, zei-gen eine viel höhere Jahr-zu-Jahr-Variabilität(Abb. 2-1b). Aber auch hier überwiegen seit 1970 zu

trockene Sommermonsunmonate Juni bis September.Dabei ist die Niederschlagsanomalie in diesem kurzen,viermonatigen Zeitraum auch an der Küste ein guterIndikator für die Regenmengen der längeren Gesamt-regenzeit. Diese hohe Niederschlagsvariabilität betrifftLänder, deren Bruttosozialprodukt bis zu 80 % vomAgrarsektor abhängt, deren stark wachsende Bevölke-rung oft Subsistenzlandwirtschaft in marginalen Zo-nen betreibt, und/oder deren Stromversorgung, wie beieinigen Küstenstaaten, stark von der Wasserkraft ab-hängt.

Vor dem Hintergrund dieser Anfälligkeit gegenüberWitterungs- und Klimaschwankungen stellt das Ver-ständnis des komplexen westafrikanischen Monsun-systems eine wichtige Voraussetzung dar, nutzbarejahreszeitliche Niederschlagsprognosen (vgl. HAS-TENRATH, dieses Heft) und Szenarien der zukünfti-gen Klimaentwicklung in dieser Region zu entwi-ckeln. In dem folgenden kurzen Beitrag sollen einigehochaktuelle, Westafrika betreffende Forschungsfel-der thematisiert werden: die Dynamik der wichtigstenmesoskaligen Konvektionssyteme mit ihren Skalen-wechselwirkungen sowie der Einfluss der Ozeanober-flächentemperaturen und des Zustandes der Land-oberfläche auf den Niederschlag. Im Abschnitt 2 wer-den einige wichtige klimatische Komponenten deswestafrikanischen Monsunsystems vorgestellt. Im Ab-schnitt 3 wird der Einfluss von synoptischen Wellen-störungen auf westafrikanische Böenliniensysteme er-

Das Westafrikanische Monsunsystem

The West African monsoon system

A. H. FINK

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ZusammenfassungDie seit Ende der 1960er Jahre vorherrschenden unterdurchschnittlichen Niederschläge in der westafrikanischenMonsunregion stellen einen der weltweit markantesten Klimatrends auf der dekadischen Zeitskala dar. Im Nor-den der Monsunregion sind mesoskalige, hochgradig organisierte Böenliniensysteme der wichtigste Nieder-schlagstyp. In Richtung der feuchten Südküste Westafrikas tragen zunehmend andere Typen organisierter undunorganisierter Feuchtkonvektion zum Jahresniederschlag bei. Im vorliegenden Beitrag werden die Gründe fürdie Existenz der Böenlinien und ihre Wechselwirkung mit synoptischen Wellenstörungen dargelegt. Abschlie-ßend erfolgt eine Erörterung der Rolle von Veränderungen der Landoberfläche und von weltweiten Anomaliender Meeresoberflächentemperaturen, sowie von mineralischen Staubaerosolen für die jahreszeitlichen bis deka-dischen Schwankungen des Monsunniederschlages.

AbstractThe persistence of below-normal rainfall over the West African subcontinent since the late 1960s constitutes oneof the most striking decadal climate anomaly worldwide.The most important rain-bearing weather systems in thenorthern parts of tropical West Africa are organised mesoscale squall line systems. Equatorward, towards themoister Guinea Coast, other types of organised and unorganised convection become more and more important.In the present article, the reasons for the formation of squall line systems and their interaction with synoptic wa-ve disturbances are discussed. In the final chapter, the influence of variations in the land surface characteristics,in the global tropical sea-surface temperatures and in the mineral dust loading of the atmosphere on the inter-annual to decadal rainfall variability will be reviewed.

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läutert. Der anschließende Abschnitt 4 beschäftigtsich mit Fragen des atmosphärischen Wasserdampf-haushaltes. Im abschließenden Abschnitt 5 werden un-ter anderem der derzeitige Wissenstand im Hinblickauf die Rolle weltweiter Anomaliemuster der Ozean-oberflächentemperaturen für den Monsunnieder-schlag und die mögliche Überprägung dieses „exter-nen“ Antriebs durch die Landoberflächencharak-teristik auf dem westafrikanischen Subkontinent dis-kutiert.

2 Hauptbestandteile des westafrikanischen Monsuns

Neben dem australisch-asiatischen Monsunkomplex(vgl. PAETH, dieses Heft) ist der westafrikanischeMonsun das zweite große Monsunsystem der Erde.Sein Einflussbereich reicht vom Kap Verde im Westenbis an den Fuß des äthiopischen Hochlandes im Osten.Die in diesem Artikel behandelte Kernregion deswestafrikanischen Monsuns endet im Osten schon beietwa 20° E (Abb. 2-2). In der Abb. 2-2 findet sich aucheine grobe Einteilung der Untersuchungsregion in dieklimageographischen Zonen des Sahel, des Sudansund der Guineaküste. Abb. 2-3 zeigt den mittleren Jah-resniederschlag über Westafrika basierend auf den Da-ten von 890 Niederschlagssammlern für die Referenz-periode 1951-1989. Auffallende Merkmale sind die ho-hen Niederschläge von über 2000 mm/Jahr im Luv vonGebirgssystemen (Oberguineaberge, Kamerungebirge,siehe Abb. 2-2) und in Küstenregionen mit maximalauflandigen Monsunwinden (z. B. östlicher IvorischerGolf und Golf von Benin sowie die Oberguineaküste).

A. H. Fink: Das Westafrikanische Monsunsystem

Abb. 2-1: Abweichungen des Juni bis September-Niederschla-ges für die Periode 1921–2005: (a) im Westsahel unddem zentralen Sahel und (b) in der Guineaküstenre-gion. Für alle Stationen einer Region wurde die Ab-weichung des Juni-September-Niederschlags vomMittel der Bezugsperiode 1951–1990 mit der einfa-chen Standardabweichung dieses Zeitraumes nor-miert. Anschließend wurden diese Stationsanomalienüber das Gebiet gemittelt. Die durchgezogenen Li-nien stellen das 11-jährig gleitende Mittel dar. Diedrei Niederschlagsklimazonen und die Lage der ver-wendeten Stationen entnehme man der Karte in (c).

Abb. 2-2: Karte von Westafrika mit grober Einteilung in dieKlima- und Vegetationszonen des Sahel, des Sudansund der Guineaküste. Die Orographie (in m) ist fürvier verschiedene Höhenstufen schattiert dargestellt.Im Text genannte geographische Bezeichnungen sindin die Karte eingetragen.

Abb. 2-3: Mittlerer Jahresniederschlag in mm für die Periode1951-1989. Datenbasis für ganz Westafrika: 890 Statio-nen. Leicht verändert nach: VOLLMERT et al. 2003.

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Höhenstufen in m

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An der nahezu Ost-West orientierten Guineaküstefällt eine ausgeprägte Trockenzone an den Küsten vonGhana und Togo ins Auge (vgl. Karte in Abb. 2-2), diesich weiter landeinwärts in einer Südwest-Nordostorientierten Trockenschneise fortsetzt. Die sich west-lich und östlich dieser trockeneren Region erstrecken-den natürlichen, immergrünen, tropischen Regenwäl-der werden hier von einer Savannenzone unterbro-chen, die als „Dahomey Gap“ (Der Staat Dahomeyheißt heute Benin) bezeichnet wird (JENIK 1984). Ei-ne Ursachendiskussion für diese Trockenzonen gebenVOLLMERT et al. (2003). Abschließend sei auf diestarke meridionale Drängung der Isohyeten nördlichvon etwa 11° N hingewiesen.

Die Niederschläge auf dem westafrikanischen Subkon-tinent stehen in Zusammenhang mit der jahreszeit-lichen Wanderung der Region der maximalen tropo-sphärischen Wasserdampfsäulenkonvergenz, d. h. derInnertropischen Konvergenzzone (engl. „InterTropi-cal Convergence Zone“, ITCZ). Die ITCZ erreicht ih-re nördlichste Position im August bei etwa 11° N undzieht sich im Nordwinter auf den Golf von Guinea zu-rück, wo sie in Äquatornähe verharrt. Die Position derITCZ ist nicht mit derjenigen der für Afrika spezifi-schen, innertropischen Front (engl. „InterTropicalFront“, ITF) zu verwechseln. Die Lage der ITF ist alsBodenkonfluenzzone des feuchtkühlen Südwestmon-suns und des trockenheißen, saharischen Nordostpas-sates (Harmattan-Winde) definiert. Sie ist besondersals „Taupunktsfront“ gut zu identifizieren, jedoch au-ßer gelegentlich auftretenden Staubstürmen ohne Wet-teraktivität. Aufgrund ihrer einfachen Identifizierungim Stromlinien- und Taupunktsfeld wird die ITF in je-der handanalysierten Bodenkarte der regionalen Vor-hersagezentren eingetragen. Ihre oft mäandrierendeBreitenposition markiert für den Synoptiker den Standdes jahreszeitlichen Eindringens bzw. des Rückzugsdes Monsuns auf den Subkontinent. Die ITF befindetsich im Nordsommer knapp nördlich von 20° N undbleibt im Nordwinter bei etwa 7° N liegen, so dass dieKüstenregion nahezu ganzjährig im Bereich der Süd-westmonsunwinde und somit schwülwarmer Luftmas-sen bleibt. Nur während einiger Tage im Nordwinterund -frühjahr wehen die staubreichen und trockenenHarmattanwinde über die Guineaküste hinaus auf denGolf von Guinea. Die synoptische Entwicklung einerbesonders eindrucksvollen Periode atmosphärischenStaubtransportes auf den Golf von Guinea und denAtlantik hinaus, welche sich Anfang März 2004 ereig-nete, beschreiben KNIPPERTZ und FINK (2006).BEHR (2001) weist darauf hin, dass die episodischenStaubtransporte aus der Sahara auf den Atlantik hin-aus in einen kontinuierlichen und ganzjährigen Mine-ralstaubexport eingebettet sind und dass dieser Mine-ralstaub u. a. zur Düngung der Regenwälder in Vene-zuela beiträgt. Die Quellen und Ursachen des Staub-eintrages in die Atmosphäre sowie die Ausbreitungs-richtung variieren im Jahresgang (vgl. BEHR 2001;FINK und KNIPPERTZ 2006, sowie die dort angege-

benen Literaturzitate). Dieser Jahresgang des Staubex-portes aus Nordafrika steht im Zusammenhang mit derSüd-Nordverlagerung der ITCZ. Aus diesem Grundeweist die Guineaküsteregion auch eine bimodaleNiederschlagsverteilung mit zwei Regenzeiten, flan-kiert von einer großen Trockenzeit von November bisFebruar und einer „kleinen Trockenzeit“ im Juli undAugust, auf. Zu diesen Zeiten befindet sich die ITCZsüdlich bzw. nördlich der Guineaküstenregion. DieNiederschläge in der ersten Regenzeit von Mai bis Ju-ni sind ausgiebiger als die der zweiten Regenzeit imSeptember und Oktober (VOLLMERT et al. 2003).Nördlich von 9° N erreicht die Regenzeit im August ih-ren Höhepunkt und verkürzt sich gegen die Sahara hinzunehmend. Im nächsten Unterabschnitt wird gezeigtwerden, dass die Land-Meerverteilung in diesem Teilder Tropen ein untypisches, baroklines ITCZ-Umfeldhervorruft, welches durch einen mitteltroposphäri-schen Strahlstrom und häufiges Eindringen von tro-ckener Luft im Jetniveau charakterisiert ist.

2.1 Strahlströme und Wellenstörungen

Abb. 2-4 zeigt einen, für den Längenabschnitt von14° W bis 10° E repräsentativen Nord-Südquerschnittfür die dritte Intensivmessphase von GATE (GARPAtlantic Tropical Experiment), welche in den erstendrei Septemberwochen des Jahres 1974 stattfand (vgl.FINK et al. 2004). Die gestrichelten Linien in Abb. 2-4stellen Isentropen dar. Wo sie horizontal verlaufen, istdie Atmosphäre barotrop. Das nördlich von 10° N zu-nehmend steile Abtauchen der Isentropen in Richtungdes saharischen Hitzetiefs, welches etwas nördlich von20° N liegt, zeigt die ansteigende Baroklinität in denuntersten troposphärischen Schichten an. Diese ent-steht durch den Temperaturkontrast zwischen denkühleren Luftmassen vom Golf von Guinea und derheißen Luft aus der Sahara. Entsprechend bildet sichbei etwa 15° N und 600 hPa der so genannte afrikani-sche Oststrahlstrom (engl. „African Easterly Jet“,AEJ) mit einer maximalen Geschwindigkeit von12 m/s im Gebietsmittel aus (Abb. 2-4). Im AEJ wer-den zeit- und gebietsweise Spitzengeschwindigkeitenvon über 20 m/s erreicht. Durch die starke Tempera-turabnahme in der trockenneutralen, bis zu fünf Kilo-meter mächtigen Grenzschicht über der Sahara drehtsich oberhalb von 600 hPa der meridionale Tempera-turgradient um und entsprechend der thermischenWindbeziehung werden die Ostwinde mit der Höheschwächer.

In der oberen Troposphäre bei etwa 200 hPa und 7° Nbefindet sich der obertroposphärische Ostjet (engl.„Tropical Easterly Jet“, TEJ). Dabei handelt es sichnicht einfach um die Fortsetzung des TEJ über dem In-dischen Ozean (vgl. PAETH, S. 100, dieses Heft), derhöher liegt und dessen Delta weiter nördlich über demSudan und Tschad zu liegen kommt. Der westafrikani-sche TEJ ist eine Folge des zunehmenden Geopotenzi-

A. H. Fink: Das Westafrikanische Monsunsystem

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algradienten an der Südflanke der hochreichendenHöhenantizyklone über der Sahara und – zumindestteilweise – des zonalen obertroposphärischen Ausströ-mens aus der Zone aktiver, hochreichender Feucht-konvektion über Zentralafrika. Klimatologisch befin-det sich die maximale Regenzone, d. h. die ITCZ, zwi-schen dem AEJ und dem TEJ bei etwa 10° N.

Der AEJ erfüllt während des Großteils der Regenzeitdas barotrope Instabilitätskriterium eines baroklinenStrahlstroms (CHARNEY und STERN 1962). NachTHORNCROFT und HOSKINS (1994) ist eine not-wendige Bedingung, dass die meridionalen Ableitun-gen der isentropen potenziellen Vorticity (PV) und derbodennahe Gradient der potenziellen Temperatur einentgegen gesetztes Vorzeichen aufweisen. Der blauePfeil in Abb. 2-4 zeigt für die 315-K Isentrope, dass imBereich des AEJ die PV nach Norden, d. h. in Richtungdes PV-Minimums über der Sahara, deutlich abnimmt.Dagegen nimmt die potenzielle Temperatur am Bodenin Richtung Sahara zu. Als Folge der barotropen Insta-bilität bilden sich im Jetniveau im Bereich der geogra-phischen Länge des Tschadsees westwärts wanderndeWellenstörungen (engl.: „African Easterly Waves“,AEWs) aus. In der Regel ziehen diese über die afrika-nische Westküste auf den Atlantik hinaus und errei-chen schließlich die Karibik oder sogar den Ostpazifik.AEW-Trogregionen bilden die Vorticity-Keimzelle derüberwiegenden Anzahl der atlantischen und ostpazifi-schen Hurrikane.

THORNCROFT (1995) weist darauf hin, dass die ge-ringe trockenstatische Stabilität nördlich des AEJ eineeffektive Wechselwirkung zwischen Störungen am ba-rotrop instabilen AEJ und der nördlich davon liegen-den bodennahen baroklinen Zone ermöglicht. AlsKonsequenz werden südlich des Hitzetiefs, etwa zwi-schen 17° und 20° N, baroklin wachsende zyklonaleWirbel beobachtet, die mit maximaler Amplitude zwi-schen 925 und 850 hPa nach Westen ziehen. Dabei sinddiese Zyklonen an einen höher gelegenen, barotropwachsenden „Zwillingswirbel“ in 700 hPa gekoppelt,welcher sich südlich des AEJ zwischen 8° und 11° Nentwickelt (FINK et al. 2004). Ebenfalls für die dritteIntensivmessphase von GATE zeigt Abb. 2-5 sowohldie Pfade der nördlichen, zumeist in einer wolken-freien Region propagierenden AEW-Wirbel als auchdie parallel ziehenden Wirbel der südlichen Regenzo-ne. Die Bedeutung dieser synoptischen Wellenaktivitätfür die Entstehung von Niederschlagssystemen wird imAbschnitt 3 beleuchtet werden.

2.2 Niederschlagstypen

Die bodennahe, relativ kühle Südwestmonsunströ-mung bildet eine konvektive Sperrschicht, die be-sonders nördlich der ITCZ dazu führt, dass sich eineextrem hohe potenzielle Labilität aufbauen kann. Dar-über hinaus besteht durch die Überlagerung von bo-dennaher Südwestmonsunströmung und dem Ost-strahlstrom eine starke bodennahe Windscherung.Drehen die Winde in Höhe des AEJ auf mehr nord-östliche Richtungen, nimmt die vertikale Scherungweiter zu. Zudem werden dann aus der Sahara bzw.dem nördlichen Sahel trockenwarme Luftmassen he-rangeführt.

A. H. Fink: Das Westafrikanische Monsunsystem

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Abb. 2-4: Meridionalschnitt der Isotachen des Zonalwindes(farbig), der potenziellen Vorticity (PV, durchgezoge-ne Linien, Konturintervall: 0,05 10-6 m2 K s-1 kg-1) undder potenziellen Temperatur (gestrichelte Linien,Konturintervall: 5 K) für den Zeitraum 30. August bis19. September 1974. Die Größen wurden über denLängenausschnitt 14° W und 10° E gemittelt. AEJ:African Easterly Jet; TEJ: Tropical Easterly Jet; ITF:Intertropical Front. Der blaue Pfeil illustriert die PV-Abnahme auf der 315-K Isentrope. Leicht verändertnach FINK et al. 2004.

Abb. 2-5: Zugpfade der sieben nördlichen und südlichen Paar-zyklonen afrikanischer Wellenstörungen (AEWs), dieim Kernzeitraum vom 30. August bis zum 19. Septem-ber 1974 auftraten. Paarweise auftretende Wirbel ha-ben dieselbe Farbkodierung. Die Nummerierung istchronologisch. Die Nummern am Beginn und Endeder Zugpfade geben das August bzw. Septemberda-tum der Entstehung bzw. des Hinauslaufens derAEW aus dem Kartenausschnitt an. Die Pfade wur-den wenn nötig über den obigen dreiwöchigen Zeit-raum hinaus stromauf und stromab verfolgt. Das grauschattierte Band ist die Lage des AEJ. Leicht verän-dert nach FINK et al. 2004.

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Für den Zeitraum vom 5. bis zum 14. Mai 2002 zeigtAbb. 2-6a die Windverhältnisse über der bei 9° N und2° E in der Sudanzone gelegenen Station Parakou inBenin (siehe Abb. 2-2). An dieser Station wurden imRahmen der IMPETUS-Kampagne („IntegrativesManagement Projekt für einen Effizienten und Trag-fähigen Umgang mit Süßwasser in Westafrika“) wäh-rend des Sommermonsuns 2002 von Mai bis MitteOktober zweimal täglich Radiosonden aufgelassenwurden. Im betrachteten Zeitraum lag die ITCZ deut-lich südlich der Station an der Guineaküste und dieScherungs- und thermodynamischen Verhältnisse glei-chen, sieht man einmal vom fehlenden TEJ ab, der Si-tuation zur Zeit des Hochmonsuns im Sahel. Die bis zu1,5 km mächtige Monsunströmung und der AEJ sindin Abb. 2-6a klar erkennbar. Abb. 2-6b zeigt den verti-kalen Verlauf des Temperaturunterschieds zur Umge-bungsluft, den ein aus der Schicht unterhalb von925 hPa pseudoadiabatisch aufsteigendes Luftpakethaben würde. Bis etwa einer Höhe von drei Kilome-tern ist der Auftrieb negativ. Die sehr hohen Über-schusstemperaturen in der mittleren Troposphäre zei-gen einen starken potenziellen Auftrieb an und werdendurch einzelne Regenereignisse abgebaut. Besondersverwiesen sei auf das Böenlinienereignis in der Nachtvom 13. auf den 14. Mai 2002, welches sich in der Re-gion in einem stark gescherten und potenziell sehr in-stabilen Umfeld mit einer starken bodennahen Sperr-schicht entwickelte (Abb. 2-6a und 2-6b). Abb. 2-6czeigt, dass kurz vor dem Ereignis sowohl oberhalb ei-nes Niveaus von fünf Kilometern als auch bei einerHöhe von etwa drei Kilometern ungewöhnlich trocke-ne Bedingungen herrschen. Erstere gehen auf adve-hierte Luftmassen zurück, die in der Antizyklone überder Sahara abgesunken und ausgetrocknet sind. Fürdas am 13./14. Mai beobachtete Böenliniensystem(engl. „squall line system“) ist allerdings der beobach-tete Rückgang der relativen Feuchte unterhalb derNullgradgrenze bei etwa 4,2 km Höhe wichtiger. Indieser Schicht sickert mit einer Winddrehung auf nord-östliche Richtungen trockene Luft aus der Sahara-grenzschicht ein. Nach dem Regenereignis werden gro-ße Teile der Troposphäre angefeuchtet und stabilisiert(Abb. 2-6b und 2-6c).

Trockenheit oberhalb der feuchten Monsunschicht istfür die Organisation von zunächst unorganisierten Ge-witterzellen in ein Böenliniensystem wichtig, da sie dieAbwinde in den Cumulonimben verstärkt und die Bil-dung einer bodennahen Dichteströmung bewirkt. Die-se prallt an ihrer südwestlichen Flanke mit der Mon-sunströmung zusammen und hebt in dieser Luftpaketenichthydrostatisch in heftigen Aufwinden über das ineiner Höhe von etwa drei Kilometern gelegene Niveauder freien Hebung (vgl.Abb. 2-6b). Neue Zellen lagernsich daher im Westen und Südwesten an, und es ent-steht eine häufig konvex geformte Linie von Gewitter-zellen. Für ein am 7. September 2002 über Mali liegen-des Böenliniensystem ist diese konvektive Region an-hand der hohen Regenraten gut zu sehen (Abb. 2-7).

Die Regenraten stammen von Daten des auf demTRMM-Satelliten (Tropical Rainfall Measuring Mis-sion, siehe auch: http://trmm.gsfc.nasa.gov/) montier-ten Regenradars. Hinter dem konvektiven Teil einerBöelinie folgt ein durch starkes Absinken in der ges-amten Troposphäre verursachtes Niederschlagsmini-mum. Dieses wird mit einem aus der Radarmeteorolo-gie stammenden Begriff als Reflektivitätstrog bezeich-net (Abb. 2-7). Dahinter folgt der stratiforme Teil einesBöenliniensystems (Abb. 2-7), in welchem unterhalb

A. H. Fink: Das Westafrikanische Monsunsystem

Abb. 2-6: Zeit-Höhenschnitt berechnet aus 12-stündlichen Ra-diosondenaufstiegen (00 und 12 UTC) in Parakou(Benin, 9° N/2° E) für den Zeitraum 5. Mai 200200 UTC bis 14. Mai 2002 12 UTC. (a) rote (blaue)Windpfeile repräsentieren eine West- (Ost-)kompo-nente des Windes und die Farbschattierung stellt diezonale Windgeschwindigkeit in m/s dar. (b) Tempera-turunterschied zur Umgebungsluft in °C für ein ausder Schicht unterhalb von 925 hPa pseudoadiabatischaufsteigendes Luftpaket. (c) wie in (a), nur mit relati-ver Feuchte in % (farbig) und schwarzen Windpfei-len. Die schwarze Linie markiert ein böenlinienarti-ges Regenereignis in der Nacht vom 13. auf den14. Mai 2002.

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Mai 2002

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der Nullgradgrenze mesoskalige Abwinde und darüberAufwinde herrschen. In dieser Region werden ein me-soskaliges Hochdruckgebiet am Boden und ein zyklo-naler mesoskaliger Vortex in der unteren Troposphärebeobachtet. Während der mehrere Stunden dauerndenPassage des stratiformen Teils wehen die bodennaheWinde konstant aus Ost; dies kann durch folgende dreiEffekte erklärt werden: (a) Translation des Systemsvon etwa 50 km/h nach Westen, (b) Aufnahme von öst-lichem Impuls im AEJ-Niveau in den Abwindkanälenund (c) Druckantrieb durch das Mesohoch am Bodenim Bereich der mesokaligen Abwindregion. Eine tiefergehende Beschreibung der mesoskaligen (Thermo-)Dynamik und des Wasserbudgets westafrikanischerBöenlinien geben CHONG und HAUSER (1989) undROUX (1988).

Die Translationsgeschwindigkeit der Böenlinie ist überdie Erzeugung der Abwinde hauptsächlich eine Funk-tion der Untersättigung in der unteren Troposphäre(PETERS et al. 1989). Aufgrund der Nähe zur trocke-nen Grenzschicht über der Sahara ziehen die Böenli-nien im Sahel wesentlich schneller nach Westen undverursachen dort mit geschätzten 80 bis 90 % auch denHauptteil des Jahresniederschlages. Dieser Anteil sinktin der Sudanzone auf etwa 50 % (vgl. FINK et al.2006). Aufgrund der feuchteren Troposphäre im Be-reich der maximalen Regenzone bei 10° N bilden sichhier langsamere, häufig weniger linienhaft angeordne-te „Böencluster“, die mit weniger als 36 km/h nachWesten wandern und an deren Böenwalze geringereWindgeschwindigkeiten auftreten. Das Prinzip ihrerSelbstorganisation entspricht aber dem der Böenli-nien. Im Jahre 2002 erbrachten Böencluster, die auf-grund des hohen Gehaltes an niederschlagbaren Was-ser ähnliche Regenmengen wie die hoch organisiertenBöenliniensysteme verursachen können, 26 % des Jah-

resniederschlages in der Region westlich von Parakou.Während des Höhepunkts des Monsuns im Juli undAugust traten sie in häufiger Abfolge auf.

Je weiter man sich der Küste nähert, desto mehr sinktdie Bedeutung der Böenlinien und der Böencluster. Inder Küstenregion selbst treten insbesondere am Ran-de der Hauptregenzeit Gewitter an der Land-Seewind-Konvergenz auf. Weiterhin erhöht sich die Bedeutungunorganisierter Gewitter, welche in einer ungescher-ten, barotropen ITCZ-Umgebung auftreten. Schließ-lich weisen FINK et al. (2006) auf länger anhaltende,synoptisch angetriebene Regenfälle hin, die in Zu-sammenhang mit Konvergenzen an einem untertro-posphärischen quasi-stationären Wirbel und vermut-lich günstigen Ausströmbedingungen im TEJ-Niveaustehen. Aufgrund der überragenden Bedeutung deroben beschriebenen Böenlinien im Sahel wurde in derLiteratur untersucht, ob ein Zusammenhang zwischenverringerter AEW-Aktivität einerseits und trockenenJahren im Sahel andererseits besteht. Hierzu gibt eswidersprüchliche Aussagen unter anderem, weil dasProzessverständnis dieser Wechselwirkung noch nichtim Detail verstanden ist. Allerdings sind einige statis-tisch-klimatologische Studien durchgeführt worden,die einen Zusammenhang zwischen bestimmten Pha-sen der AEW und einer Böenlinienentstehung nahe le-gen.

3 Wechselwirkung zwischen Böenlinien und afrika-nischen Wellenstörungen

Wegweisende statistische und synoptische Arbeitenzur Phasenbeziehung zwischen Niederschlag bzw.Böenliniensystemen und AEWs entstanden im Gefol-ge des GATE-Experimentes (siehe z. B. REED et al.1977). Dabei wurde eine erhöhte Existenzwahrschein-lichkeit für eine Böenlinie bzw. Niederschlag vor undim Trog einer AEW, sowie im trockeneren Sahel zu-sätzlich in der Region maximaler Südwinde hinter demTrog postuliert. Die GATE-Arbeiten beziehen sichaber im Wesentlichen auf die Verhältnisse nahe derWestküste und über dem Ostatlantik. Arbeiten, die dieVerhältnisse in und um den Greenwich-Meridianuntersuchten, fanden dagegen keinen Zusammenhang(z. B. ROWELL und MILFORD 1993).

FINK und REINER (2003) verfolgten die Pfade von344 Böenlinien und von 81 AEWs, die in den zwölfMonaten von Mai bis Oktober 1998 und 1999 auftra-ten. 66 % aller Böenlinien entstanden in einer beliebi-gen Phase der zugehörigen AEW und 42 % in denoben genannten Phasen (vgl. die Schemazeichnung inAbb. 2-8), in denen nach derzeitigem Kenntnisstandein Beitrag der Wellen zur Böenliniengenese anzuneh-men ist. Dieser erfolgt wegen der starken Sperrschicht(vgl. Abb. 2-6b) wahrscheinlich nicht über die synopti-sche Hebung an der Trogvorderseite, die nur wenigecm/s beträgt. Vielmehr ändert die trogvorderseitige,

A. H. Fink: Das Westafrikanische Monsunsystem

Abb. 2-7: Aus Daten des Regenradars auf dem TRMM-Satelli-ten abgeleitete Regenraten (TRMM-Produkt 2A25)einer Böenlinie über Mali vom 07.09.2002 um 21:45UTC.

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auf Nordost drehende Strömung das thermodynami-sche Profil sowie die Scherung so, dass eine günstigeUmgebung für die Selbstorganisation von Böenliniengeschaffen wird (vergleiche Abschnitt 2.2). Ein ähn-licher Effekt wird in der trogrückseitigen Südwindre-gion durch den Anstieg der potenziellen Labilität in-folge des Heranführens feuchterer bodennaher Luft-massen in den Sahel vermutet. Die Auslösung derBöenlinien erfolgt dann z. B. über Gebirgen, durch dieWechselwirkung des Ausflusses kalter Luft aus sichauflösenden bzw. ehemaligen mesoskaligen, konvekti-ven Komplexen mit der Orographie, oder durch me-soskalige, thermisch direkte Zellen als Folge unter-schiedlicher sensibler Wärmeflüsse in zuvor beregne-ten und nicht beregneten Gebieten des Sahel (vgl.hierzu TAYLOR et al. 2005).

FINK und REINER (2003) weisen darauf hin, dass dieAEWs östlich des Greenwich-Meridians höchstens zu20 % an der Auslösung von Böenlinien beteiligt sind.Dieser Anteil steigt bis zur Küste auf mindestens 50 %an.Wie oben erwähnt, konnte ein Zusammenhang zwi-schen der interannuellen AEW-Aktivität und der Qua-lität der Regenzeit noch nicht zweifelsfrei nachgewie-sen werden. Grund ist unter anderem die durch dieKonvektion hergestellte starke Wechselwirkung zwi-schen kleinskaligen turbulenten Energieflüssen amBoden und in der Grenzschicht und der synoptischenSkala. Diese starken Wechselwirkungen führen dazu,dass die Gewichtung von Prozessen am Boden und inder Grenzschicht, die an der Auslösung der mesoskali-gen organisierten Konvektion beteiligt sind, nicht gutverstanden ist bzw. modelliert werden kann. Hinzukommt, dass großskalige Prozesse, welche das obertro-

posphärische Ausströmen aus den konvektiven Zellenbestimmen, ebenfalls die Selbstorganisation beeinflus-sen können. Dies wird im abschließenden Abschnitt 5weiter diskutiert.

4 Feuchtequellregionen und -transporte

Die Frage, welcher Anteil des Wasserdampfs, der inden beschriebenen Konvektionssystemen in Nieder-schläge umgesetzt wird, direkt aus ozeanischer Ver-dunstung stammt, und welcher aus der kontinentalenEvapotranspiration herrührt, ist von hoher praktischerBedeutung. Den nur so ließe sich der Einfluss der inden letzten Jahren beobachteten und weitgehenddurch menschliche Aktivitäten verursachten Degrada-tion der Vegetation und der Böden, sowie der Land-nutzungsänderungen auf das Niederschlagsklimaquantifizieren. Prinzipiell gilt, dass je weiter eine Sta-tion im Landesinneren Westafrikas liegt, desto höherist der Anteil des recycelten Wasserdampfes an der lo-kalen Niederschlagsbildung. Prozentuale Zahlen ge-hen aber unter anderem wegen der zuvor genanntenkomplexen Transportprozesse im und über dem Bo-den, sowie in den Wolken weit auseinander. NICHOL-SON (2000) zitiert Arbeiten, die zu Beiträgen des lo-kalen Niederschlagsrecyclings zwischen 27 % und über90 % kommen. Als konkretes Beispiel sei die Arbeitvon BRUBAKER et al. (1993) genannt, die den Anteildes recycelten Wasserdampfs im HochmonsunmonatAugust auf fast 50 % schätzt.

Auf der großen Skala lassen sich mit Hilfe von Rück-wärtstrajektorien und Horizontalverteilungen desWasserdampfflussvektors die Herkunftsregionen desWasserdampfes abschätzen, der über die Küste land-einwärts strömt. Ein bedeutender Teil des Wasser-dampfes, der über die zonal orientierte Guineaküsteauf den Kontinent strömt, wird in der Region der star-ken Passatwinde im Südostatlantik vor Angola undüber dem Golf von Guinea aufgenommen (Abb. 2-9).An den Küsten Oberguineas (vgl. Karte in Abb. 2-2)erfolgt ein Einströmen mehr aus westlichen Richtun-gen mit Verdunstungsregionen im tropischen Ostatlan-tik. Während in den untersten drei Kilometern die ma-ximale Wasserdampfkonvergenz in der Region der ITFbei 20° N erfolgt (Abb. 2-9), befindet sich die über diegesamte Troposphäre integrierte, maximale Säulen-konvergenz in der ITCZ Region bei 10° N (nicht ge-zeigt). Der in der ITF-Region konvergierende Wasser-dampf wird im aufsteigenden Ast der flachen, ther-misch direkten Hitzetiefzirkulation bis etwa 4–5 kmHöhe gehoben und von dort aus quasi-horizontaläquatorwärts in den Bereich des AEJ bei 15° N zurückadvehiert. Der AEJ befördert einen beträchtlichen Teildieses Wasserdampfes wieder auf den Atlantik hinaus.Bisherige Studien zeigen bezüglich einer Korrelationder Monsunniederschläge mit der eingeströmten Was-serdampfmenge kein klares Bild. Dies liegt nicht zu-letzt daran, dass der Wasserdampf teilweise erst durch

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Abb. 2-8: Schema einer AEW in 850 bis 700 hPa und ihren imTrog liegenden zyklonalen „Zwillingswirbeln“. Diebevorzugten Regionen, in denen sich Böenliniensys-tem bilden, sind durch die stilisierten Regenraten ei-nes solchen Systems relativ zur gezeigten AEW an-gedeutet.

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die von den Konvektionssystemen selbst erzeugte, me-soskalige Zirkulation konvergiert bzw. umgesetzt wird.Letztere werden allgemein in den dreidimensionalen,operationellen Analysen der Vorhersagezentren nurungenau wiedergegeben, zumal das aerologische Netz-werk über Westafrika extrem dünn ist. Es sei an dieserStelle angemerkt, dass ein ungewöhnlich starkes Ein-strömen von Wasserdampf mit der Monsunströmungdurch einen anomal starken AEJ teilweise balanciertwerden kann. Es ist bekannt, dass der AEJ in vielentrockenen Jahren der Vergangenheit anomal stark war(NEWELL und KIDSON 1984).

5 Abschlussbemerkungen und Ausblick

Im Folgenden sollen weitere größerskalige Betrach-tungen angestellt werden. Wie eingangs erläutert, sindnutzbare Vorhersagen der Qualität der Regenzeit, desMonsunbeginns sowie von Trockenphasen innerhalbdes Monsuns von besonderer Bedeutung für die Men-schen in Westafrika. Auch eine Abschätzung der Ent-wicklung der nächsten Jahrzehnte ist vor dem Hinter-grund der Bevölkerungsentwicklung von beachtlicherRelevanz. Im Hinblick auf die intrasaisonale Variabi-lität und den Monsunbeginn werden tropische nieder-frequente Wellenphänomene, wie z. B. die mit derMadden-Julian-Oszillation verknüpften obertropos-phärischen Kelvinwellen (WHEELER und KILADIS1999) diskutiert. Auf der interannuellen Zeitskalascheint in El Niño-Southern Oscillation (ENSO)Warmjahren die verstärkte Konvektion über dem fer-nen Ostpazifik zu einer Verschiebung der äquatorialenWalkerzellen zu führen, so dass über dem Sahel ano-males Absinken in der Regenzeit vorherrscht (JONESund THORNCROFT 1998). Schließlich weisen BA-

DER und LATIF (2003) auf eine dekadische Anoma-lie der zonalen Walkerzellenzirkulation infolge ver-stärkter Feuchtkonvektion über dem erwärmten Indi-schen Ozean als mögliche Ursache für die rezente Sa-heltrockenheit hin.

Aus den Fernwirkungen mit den Wassertemperaturentropischer Meere kann bereits derzeit eine gewisseVorhersagegüte für den Sahel abgeleitet werden (vgl.HASTENRATH, S. 157, dieses Heft). Statistisch be-trachtet besteht ebenfalls eine hohe erklärte Varianzvon bis zu 46 % zwischen der Wassertemperatur unddem Bodendruck im tropischen Atlantik einerseitsund den Niederschlägen in der Guineaküstenregionandererseits (PAETH und HENSE 2003). Die Nutz-barkeit dieses Zusammenhanges wird im Wesentlichendadurch begrenzt, dass die Temperaturentwicklung inder ozeanischen Mischungsschicht des Guineagolfesschlecht vorhersagbar ist.

Auf der saisonalen wie auch auf längeren Zeitskalenwird die Rolle des Wassergehaltes in der Vegetationund im Boden bisher auf Grund fehlender Daten undunzureichender Modellierung der Wechselwirkung At-mosphäre-Biosphäre kontrovers diskutiert. KOSTERet al. (2004) weisen auf die extrem hohen Unterschie-de verschiedener Modelle in der Kopplung der Atmo-sphäre an die Landoberfläche in bestimmten Regionender Erde, u. a. Westafrika, hin. Umstritten ist auch, obes – ähnlich wie im Ozean – im Boden und der Vegeta-tion ein Langzeitgedächtnis gibt, durch das Anomalieneiner Regenzeit in die nächste transferiert werdenkönnen. Einige Arbeiten weisen darauf hin, dass dieVegetation in Westafrika auf dekadischen Zeitskalenvon außen aufgeprägte Niederschlagssignale verstärkt,und dass sie die Effekte einer Trockenheit zu Beginnverzögert und am Ende verlängert (NICHOLSON2000). Im Hinblick auf Klimavorhersagen weisen jüng-ste Modellstudien darauf hin, dass die starke anthro-pogene Degradierung von Vegetation und Böden inWestafrika einen durch die Treibhausgase allein indu-zierten positiven Niederschlagstrend umdrehen könn-te (PAETH und THAMM 2006).

Schließlich muss auf die wichtige klimatische Rolleder in der Sahara und im Sahel aufgewirbelten mine-ralischen Staubaerosole hingewiesen werden.TOMPKINS et al. (2005) zeigen, dass die Einführungeiner verringerten und monatlich variierenden opti-schen Dicke die Fünftagesvorhersage des AEJ imECMWF-Vorhersagemodell erheblich verbessert.HAYWOOD et al. (2005) weisen auf den sehr gro-ßen Unterschied der am Oberrande der Atmosphäregemessenen gegenüber der mit der Vorhersagever-sion des britischen Meteorological Office Unified-Model simulierten langwelligen Ausstrahlung in derRegion des westsaharischen Hitzetiefs hin. Sie ver-muten die ungenügende Modellierung der Strah-lungseigenschaften mineralischer Aerosole in dieserRegion als Ursache.

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Abb. 2-9: Von 1000 bis 700 hPa integrierter Wasserdampffluss-vektor in kg m-1 s-1 für den Zeitraum Juli bis Septem-ber 1987–1993. Farbig unterlegt sind Gebiete mit Was-serdampfkonvergenz in kg m-2 s-1. Die Datenquelle istdie erste Generation der ECMWF Re-Analysen(ERA-15).

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Die Ausführungen dieses Beitrages verdeutlichen dieKomplexität des westafrikanischen Monsuns und dieHerausforderung im Hinblick auf das Prozessver-ständnis und die Modellierung. Ein Teil der Problem-stellungen wird in der internationalen, multidisziplinä-ren Wissenschaftsinitiative AMMA (AfrikanischerMonsun – Multidisziplinäre Analysen, http://www.am-ma-international.org) unter Verwendung von durch ei-ne Intensivmesskampagne im Sommer 2006 gewonne-nen Daten behandelt werden. Auf der Anwenderseitewerden im Rahmen der nationalen GLOWA-Voltaund GLOWA-IMPETUS Initiativen Entscheidungs-hilfen im Hinblick auf Szenarien der Wasserverfügbar-keit in den nächsten beiden Dezennien an lokale Poli-tiker und Behörden in Westafrika weitergegeben.

Danksagung

Simone Kotthaus und Volker Ermert seien jeweils fürihre Mithilfe an der Erstellung der Abb. 2-1 und 2-2 ge-dankt. Susan Pohle war an der Erstellung der Abb. 2-6beteiligt. Peter Knippertz und Volker Ermert gabenAnregungen, die das Manuskript verbessert haben.Ein Großteil der Arbeiten entstand im Rahmen desvom BMBF (Förderkennzeichen: 01 LW 0301A) unddem Land NRW (Förderkennzeichen: 313-21200200)geförderten IMPETUS-Projekts. Die Kontakte zu denafrikanischen Forschungseinrichtungen AGRHYMETund ACMAD zur Vervollständigung der Abb. 2-1 zu-grunde liegende Niederschlagsdaten entstanden durchdas von der EU geförderte AMMA-Projekt (004089GOCE).

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