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49 Management 4/2013 Der Fachkräftemangel – insbesondere bei Klinikärzten – erfordert eine nähere Betrachtung des Arbeitsplat- zes Krankenhaus. Um die Attrakti- vität als Arbeitgeber mit gezielten Maßnahmen zu steigern, muss eine Klinik die Wünsche und Erwartungen der Mitarbeiter nicht nur verstehen, sondern auch berücksichtigen. Die auf das Gesundheitswesen speziali- sierte strategische Personalberatung MHC search hat im Rahmen der Stu- die ,Arbeitsplatz Krankenhaus 2012’ untersucht, ob dem Management von Kliniken tatsächlich bewusst ist, worauf es Ärzten bei ihrer beruflichen Tätigkeit ankommt. I m Kliniksektor zeigt sich seit meh- reren Jahren ein unverändertes Bild: Während die Zahl der Betten, die Belegungstage und die Verweil- dauer in den Kliniken kontinuierlich zurückgehen, steigen die Fallzahlen hingegen stetig an. Gleichwohl ist die Zahl der Kranken- häuser in Deutschland seit Jahren rückläufig. Trotzdem nimmt die Zahl der hauptamtlichen Ärzte (Vollkräfte) an deutschen Kliniken zu: von rund 122.000 im Jahr 2005 auf inzwischen rund 135.000 im Jahr 2010. Und die Nachfrage nach Klinikärzten steigt weiter – und mit ihr nimmt der Ärztemangel zu: Klinikmanager schätzen Studie zufolge Wünsche und Erwartungen von Klinikärzten nicht immer richtig ein Klinikmanager sollten umdenken Gemäß einer Studie des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) aus dem Jahr 2010 könnten bis 2019 rund 37.000 Klinikärzte fehlen. Laut DKI- Berechnungen waren 2010 rund 5.500 Stellen im ärztlichen Dienst der Krankenhäuser vakant. Aktuelle Zahlen in Deutschland ausgeschriebener Stellen für Klinik- ärzte untermauern dies. Gemäß dem auf Klinikjobs fokussierten Stellenportal medirandum.de, das automatisch alle im Internet aus- geschriebenen Vakanzen für Klinik- ärzte in Deutschland erfasst, wer- den derzeit Klinikärzte für rund 5.000 offene Positionen gesucht. Bewusstsein für die richtige Personalpolitik schaffen Im Wettbewerb um Fachkräfte gilt es, sich als Arbeitgeber gut zu posi- tionieren und Mitarbeiter langfristig zu binden. Dafür muss in den Kliniken zunächst einmal bei allen Personal- Mit ihrer Studie ,Arbeitsplatz Krankenhaus 2012’ zeigt die auf das Gesundheitswesen spezialisierte strategische Personalberatung MHC search, dass Manager und Ärzte bei ihrer Beurteilung oft weit auseinander liegen. Bilder: MHC search Falk H. Miekley, geschäftsführender Gesell- schafter der MHC search GmbH, Hamburg: „Die Ergebnisse der Studie sind ein wichtiger Anhaltspunkt dafür, dass in vielen Kliniken der Ernst der Lage nicht erkannt wird.“

Klinikmanager schätzen Studie zufolge Wünsche und ... · Mit ihrer Studie ,Arbeitsplatz Krankenhaus 2012’ zeigt die auf das Gesundheitswesen spezialisierte strategische Personalberatung

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Page 1: Klinikmanager schätzen Studie zufolge Wünsche und ... · Mit ihrer Studie ,Arbeitsplatz Krankenhaus 2012’ zeigt die auf das Gesundheitswesen spezialisierte strategische Personalberatung

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Der Fachkräftemangel – insbeson derebei Klinikärzten – erfordert einenähere Betrachtung des Arbeitsplat-zes Krankenhaus. Um die Attrakti -vität als Arbeitgeber mit gezieltenMaßnahmen zu steigern, muss eineKlinik die Wünsche und Erwartungender Mitarbeiter nicht nur verstehen,sondern auch berücksichtigen. Dieauf das Gesundheitswesen speziali-sierte strategische PersonalberatungMHC search hat im Rahmen der Stu-die ,Arbeitsplatz Krankenhaus 2012’untersucht, ob dem Managementvon Kliniken tatsächlich bewusst ist, worauf es Ärzten bei ihrer beruflichen Tätigkeit ankommt.

Im Kliniksektor zeigt sich seit meh-reren Jahren ein unverändertes

Bild: Während die Zahl der Betten,die Belegungstage und die Verweil-dauer in den Kliniken kontinuierlichzurückgehen, steigen die Fallzahlenhingegen stetig an. Gleichwohl ist die Zahl der Kranken-häuser in Deutschland seit Jahren

rückläufig. Trotzdem nimmt die Zahl der hauptamtlichen Ärzte (Vollkräfte) an deutschen Klinikenzu: von rund 122.000 im Jahr 2005auf in zwischen rund 135.000 im Jahr 2010. Und die Nachfrage nachKlinikärzten steigt weiter – und mit ihr nimmt der Ärztemangel zu:

Klinikmanager schätzen Studie zufolge Wünsche und Erwartungen von Klinikärzten nicht immer richtig ein

Klinikmanager sollten umdenkenGemäß einer Studie des DeutschenKrankenhausinstituts (DKI) aus demJahr 2010 könnten bis 2019 rund37.000 Klinikärzte fehlen. Laut DKI-Berechnungen waren 2010 rund5.500 Stellen im ärztlichen Dienstder Krankenhäuser vakant.Aktuelle Zahlen in Deutschland ausgeschriebener Stellen für Klinik-ärzte untermauern dies. Gemäß dem auf Klinikjobs fokussierten Stellenportal medirandum.de, dasautomatisch alle im Internet aus -geschriebenen Vakanzen für Klinik-ärzte in Deutschland erfasst, wer-den derzeit Klinikärzte für rund5.000 offene Positionen gesucht.

Bewusstsein für die richtige Personalpolitik schaffen

Im Wettbewerb um Fachkräfte giltes, sich als Arbeitgeber gut zu posi-tionieren und Mitarbeiter langfristigzu binden. Dafür muss in den Klinikenzunächst einmal bei allen Personal-

Mit ihrer Studie ,Arbeitsplatz Krankenhaus 2012’ zeigt die auf das Gesundheitswesen spezialisierte strategische

Personalberatung MHC search, dass Manager und Ärzte bei ihrer Beurteilung oft weit auseinander liegen. Bilder: MHC search

Falk H. Miekley, geschäftsführender Gesell-

schafter der MHC search GmbH, Hamburg:

„Die Ergebnisse der Studie sind ein wichtiger

Anhaltspunkt dafür, dass in vielen Kliniken

der Ernst der Lage nicht erkannt wird.“

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verantwortlichen das Bewusstseinfür die Konsequenzen mangelnderund mangelhafter Personalpolitikgeschaffen werden. So kommt eshäufig vor, dass freie Positionen aufgrund eines fehlenden fundier-ten Auswahlprozesses überstürztbesetzt werden.Auf Dauer führen solche Nachlässig-keiten zu einer Enttäuschung aufbeiden Seiten und können die Un -ternehmenskultur einer Klinik beein-trächtigen. Erst auf der Basis einesklaren Verständnisses der negativenFolgen verfehlter Personalpolitik las-sen sich Veränderungen angehen,um die Attraktivität als Arbeitgeberzu steigern.Bereits 2010 hatte MHC search Klinik-ärzte danach befragt, welche Krite-rien einen Arbeitsplatz im Klinik -sektor attraktiv machen. In der Folgestellte man sich eine weitere wich -tige Frage: Ist dem Klinikmanage-ment tatsächlich bewusst, worauf esÄrzten bei ihrer beruflichen Tätig-keit ankommt? Die Vermutung war,dass die Bedürfnisse von Klinikärztenüberwiegend falsch eingeschätztwerden. Der Ausgangspunkt für dieStudie ,Arbeitsplatz Krankenhaus2012’ war daher, diese Vermutungzu überprüfen.Für die Studie wurden sowohl Klinikärzte als auch Klinikmanager

aus dem Personalbereich zu 31 aus-gewählten Kriterien befragt. Dieselassen sich in die acht übergeord -neten Bereiche einordnen: • Führungsmethoden,• Arbeitsbedingungen, • persönliche und berufliche

Weiterentwicklung, • betriebliche Themen,• soziale Anreize,• unternehmerische Heraus -

forderungen,• Geldleistungen, • Bildungs- und Betreuungs -

einrichtungen.

Klinikmanager unterschätzenviele Zufriedenheitsfaktoren

Klinikärzte bewerteten, inwieweitihnen die Kriterien wichtig für dieeigene Zufriedenheit am Arbeits-platz sind (Frage: Wie wichtig istIhnen…?). Zudem konnten sie ihreZufriedenheit mit der Erfüllung der Kriterien angeben. Klinikmana-ger schätzten ein, inwieweit die Kriterien für die Zufriedenheit vonKlinikärzten am Arbeitsplatz mut-maßlich wichtig sind (Frage: Wiewichtig, glauben Sie, ist den Klinik-ärzten … ?). Der Vergleich der Bewertungenzeigt: Klinikmanager schätzen die

Bedeutung vieler Faktoren für dieberufliche Zufriedenheit von Klinik-ärzten falsch ein. Eine Vielzahl derfür die Klinikärzte wichtigsten Kri -terien halten die Klinikmanager für deutlich weniger wichtig. Amstärksten unterschätzen die Klinik-manager folgende, für die Ärztewichtige Faktoren:• Unterstützung und Hilfestellung

unter Arbeitskollegen,• Konsensbildung zwischen Verwal-

tung, Pflege und Ärzteschaft,• Arbeit im Team,• Mitwirkung an Qualitäts -

verbesserungen, • Bedeutung der wirtschaftlichen

Gesamtsituation der Klinik.Hier offenbart sich ein gefährlicherMissstand: Denn wie soll eine Posi-tionierung als attraktiver Arbeit -geber möglich sein, wenn dasManagement die Wünsche undErwartungen der Klinikärzte derartunterschätzt und somit den Hand-lungsbedarf nicht erkennt?

Klinikmanager überschätzenStellenwert von Geldleistungen

Auf der anderen Seite überschätzendie Manager jedoch auch einige Faktoren. Dies ist besonders bei denGeldleistungen der Fall: Manager

Von den zehn wichtigsten Einzelkriterien für die berufliche Zufriedenheit von Klinikärzten liegt das selbständige Arbeiten ganz oben.

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halten ein gutes Gehalt für das wichtigste Kriterium für die beruf -liche Zu friedenheit von Ärzten; für die Klinikärzte selbst liegt dieserPunkt erst auf Rang 13 der für siewichtigsten Faktoren.Auch bei der Bezahlung von Über-stunden überschätzen die Klinik -manager den tatsächlichen Stellen-wert für die Klinikärzte. Gleiches gilt für die Anerkennung und För -derung durch den Vorgesetztensowie für die Flexibilität der Arbeitszeit.Es bleibt unbestritten, dass ein gutes Gehalt – absolut gesehen – ein wichtiges Kriterium für Klinik -ärzte ist und auch als Wechselgrundbei Klinikärzten nicht unerheblichist. Dennoch sollten Geldleistungenseitens der Arbeitgeber nicht über-bewertet werden.Vergleicht man den Wunsch derÄrzte (Wichtigkeit) mit dem Erfül-lungsgrad (Zufriedenheit), so ist der höchste Handlungsbedarf beiden übergeordneten Bereichen ,Führungsmethoden’ und ,betrieb -liche Themen festzustellen. Im Ein -zelnen gibt es die höchsten Unzu-friedenheitswerte bei den Faktoren • mitarbeiterorientierte Führung,• Vereinfachung administrativer

Prozesse und Bürokratieabbau, • Konsensbildung zwischen Ver -

waltung, Pflege und Ärzteschaft,• Maßnahmen zur Personalent -

wicklung.

Hohe Unzufriedenheit bei den Führungsmethoden

Demnach haben die Kliniken diePrinzipien einer mitarbeiterorien -tierten Führung, bei denen Feed-back- und Austauschmöglichkeitenzwischen Vorgesetzten und Mit -arbeitern fester Bestandteil sind, bislang offenbar nur in unzureichen-dem Maß umgesetzt. Hier sind vorallem die Personalmanager in denKliniken gefordert, die nötigen Füh-rungskonzepte zu implementieren.Die hohe Unzufriedenheit bei be -trieblichen Themen zeigt, dass Klinik ärzte sehr intensiv über denTellerrand des eigenen Arbeits -platzes hinausschauen – und dortFehlentwicklungen aus gemachthaben.

Der Handlungsbedarf bei den be -trieblichen Themen sollte nichtdurch Verweis auf externe Zwänge,wie zum Beispiel regulatorische Vorgaben, abgetan werden.

Selbstständiges Arbeiten alsGrundprinzip beruflicher Tätigkeit

Während der Bürokratieabbausicherlich noch am stärksten unterdem Einfluss externer Vorgabensteht, sind die Vereinfachung ad -ministrativer Prozesse, die Konsens-bildung zwischen Verwaltung, Pflege und Ärzteschaft sowie Maß-

nahmen zur PersonalentwicklungAufgaben, denen sich das Klinik -management mit Nachdruck in eigener Regie annehmen sollte.Blickt man isoliert auf die Kriterien,die für die berufliche Zufriedenheitvon Klinikärzten am wichtigsten sind,wird die große Bedeutung selbst-ständigen Arbeitens deutlich: 84 Pro-zent der befragten Ärzte bewertetendieses als sehr wichtig, 16 Prozent alswichtig. Das Klinik management soll-te eigenständiges Arbeiten daher alsGrundprinzip der beruflichen Tätig-keit ihrer Mit arbeiter ansehen.Was dies in der Praxis bedeutet, kannnur individuell in jeder Klinik und

Mitarbeiterorientierte Führung und Kommunikation mit Vorgesetzten

ist für Klinikärzte von hoher Bedeutung.

Mit der Arbeit im Team sind viele Ärzte sehr zufrieden.

Unterstützung und Hilfe unter Arbeitskollegen hat für Klinikärzte eine hohe Priorität.

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kannt. Das Ausmaß, das anhand derErgebnisse der Studie offenbar wird,überrascht dennoch: Zwei Drittel der befragten Klinikärzte, die instrukturstarken städtischen Regio-nen arbeiten, können sich grund-sätzlich nicht vorstellen, berufs -bedingt in eine eher strukturschwä-chere länd liche Region umzuziehen.

Ärzte wollen nicht in ländliche Regionen wechseln

Kliniken in strukturschwächerenRegionen sollten daher mit Nach-druck daran gehen, ihre Rekrutie-rungsmaßnahmen daraufhin anzu-passen. Dabei sind innovative Wegegefragt, um sich als guter Arbeit -geber zu zeigen und noch stärkerauf Vorteile einer ländlichen Regionzu verweisen.Die Ergebnisse der Studie könnenselbstverständlich nicht verallge -meinert werden. Sie sind jedoch einwichtiger Anhaltspunkt dafür, dassin vielen Kliniken der Ernst der Lagenicht erkannt wird. Das Klinikmana-gement sollte sich daher auf Basisdieser Ergebnisse nicht nur fragen,welche Bedürfnisse der bei ihnentätigen Ärzte überhaupt bekanntsind, sondern auch, ob die Wichtig-keit dieser Bedürfnisse auch richtigeingeschätzt wird. Nur wenn dieDringlichkeit des Handelns bei denfür die Ärzte wichtigsten Kriterienauch auf Seiten des Klinikmanage-ments erkannt wird, kann eine Ver-änderung gelingen und die Attrak -tivität als Arbeitgeber steigen.Die Studie kann laut MHC searchkostenlos als PDF oder Printausgabeunter www.mhcsearch.de/newsangefordert werden.

Falk H. Miekley

Kontakt

MHC search GmbHFalk H. MiekleyGeschäftsführender GesellschafterHermannstraße 1820095 HamburgTel.: +49 40 374136090Tel.: +49 40 [email protected]

Im Grunde sind viele Klinikärzte mit ihrer Arbeit und mit der Zusammenarbeit

unter Kollegen zufrieden.

Mit der Förderung durch den Vorgesetzten sind viele Ärzte zufrieden.

Ärzten ist die Vereinfachung administrativer Prozesse in Krankenhäusern ganz besonders wichtig.

Nur zwei Drittel der Klinikärzte sind mit ihrer wirtschaftlichen Situation zufrieden.

für jede Position separat definiertwerden. Voraussetzung dafür ist,dass Klinikmanagement und Klinik -ärzte gemeinsam den Handlungs-spielraum und die Entscheidungs -

freiheit ausloten, die mit einer be -stimmten Position verbunden sind.Dass Kliniken in ländlichen RegionenSchwierigkeiten haben, qualifiziertesFachpersonal zu rekrutieren, ist be -

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Wie können sechs große Kliniken an einem Tag mitsamt Patienten,darunter viele Intensivpatienten,OP- und Notfallbetrieb umziehen?Am Universitätsklinikum Ulm küm-merte sich ein fächerübergreifendesTeam mit vielen Partnern um die Planung und Umsetzung eines dergrößten Klinikumzüge in der Ge -schichte Baden-Württembergs.

Die Ulmer Universitätsmedizin hat mit dem Neubau der neuen

Chirurgie auf dem Oberen Esels-berg das in ihrer Geschichte größteNeubauprojekt mit einem Volumenvon insgesamt 240 Mio. Euro um -gesetzt. Auf einer Nutzfläche vonvier Fußballfeldern ist in vierjährigerBauzeit ein Haus der Maximalve -rsorgung mit sechs Kliniken, 15 OP-Sälen, 267 Normalpflege- und 80Intensiv- bzw. Überwachungsbettenentstanden.Für den Tag des Umzugs mussten zur Aufrechterhaltung der über -regionalen medizinischen Maximal-versorgung für Ostwürttemberg,Donau/Iller und Bodensee-Ober-schwaben die notfallrelevantenFunktionsbereiche – Notfallaufnah-me, OP- und Intensivbetrieb – paral-lel am alten und am neuen Standortsichergestellt werden.

Sechs Kliniken ziehen an einem Tag um – planerische und logistische Herausforderung am Universitätsklinikum Ulm

Großeinsatz für Adrenalin und Co.

Schwer abzuschätzen und daherkaum planbar waren die zu erwar-tende Belegungsquote, die Zahl derNotfälle und die zu kalkulierendeZahl intensivpflichtiger Patienten. Im Detail mussten Lösungen zumTransport von Adipositaspatientenoder solchen mit Infektionsstatusgefunden werden. Auch die Vor -gehensweise bei sterbenden Patien-ten war festzulegen.Für einen reibungslosen Ablauf soll-ten im alten und neuen GebäudeKreuzungspunkte vermieden undder Patiententransport aus Kapa zi -tätsgründen vom Güterverkehr ge -trennt werden. Auch die Speisen ver -sorgung aller Beteiligten – Patientenwie Helfer – war zu realisieren. Zu -dem wollten Fragen zu außerklini-schen Ereignissen wie Verkehrs -unfällen auf der Streckenführung,der Umgang mit den zu erwartetenzahlreichen Me dienvertretern sowieder Öffentlichkeit berücksichtigt sein.

Patientenumzug als Teil der Inbetriebnahme

Parallel zur baulichen Umsetzungbeschäftigte sich ein interdiszipli -näres Kernprojektteam mit der Inbetriebnahme des Neubaus und

koordinierte die daraus resultieren-den 13 Einzelprojekte. Die Team -zusammensetzung aus ÄrztlichemDienst, Pflegedienst, Verwaltungund einer externen Beratungsgesell-schaft stellte sicher, dass in allen Phasen der Inbetriebnahme internesWissen ausreichend berücksichtigtwurde.Das Kernprojektteam war für dieoperative Ausführung der Inbe trieb -nahme verantwortlich. Alle relevan-ten Entscheidungen wurden durchdie Lenkungsgruppe Neubau Chirur-gie getroffen, die vom Kli ni kums -vorstand für alle neubaurelevantenEntscheidungen autorisiert war unddie Rahmenbedingungen für die ver-schiedenen Teilprojekte festlegte.

Sieben Monate Planung bis zum Patientenumzug

Durch die Projektuntergruppe Pa -tientenumzug war auch die Abwick-lung des Patientenumzugs Teil derGesamtorganisation der Inbetrieb-nahme. Die Kernaufgabe des Teil-projekts bestand vor allem darin,alle Patienten innerhalb eines defi-nierten Zeitraums vom alten Klinik-standort Safranberg zum acht Kilo-meter entfernten Neubau auf den

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Der Umzug der Chirurgie des Universitätsklinikums Ulm vom Safranberg in den Neubau am Oberen Eselsberg war für alle eine Herausforderung,

die mit sehr viel planerischem Aufwand und viel Engagement umgesetzt wurde. Bilder: Universitätsklinikum Ulm

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Oberen Eselsberg zu bringen. Inallen Entscheidungen sollte Sicher-heit und Komfort der Patientenhöchste Priorität besitzen.Die Planungsarbeit begann siebenMonate vor dem voraussichtlichenUmzugstermin. In 14-tägigen Projekt-sitzungen wurden alle relevantenFragen diskutiert und entschieden.Durch eine strukturierte und diszipli-nierte Organisation der Sitzungenwar es möglich, die Aufgabe in die-sem Zeitraum abzuarbeiten.

Urlaubssperre für fünf Wochen

Grundlage der Planung war zu nächsteine Analyse der Ist-Situation, in derBelegung, Fahrtzeiten und Personal-bestand festgestellt wurden. DasProjektteam berechnete die Patien-tenzahl dann auf eine ge schätzteBelegung von 70 Prozent. Durch diege schätzte Vollbelegung der Inten-sivstationen sollten unvorhergesehe-ne Ereignisse wie eine große Anzahlvon Verletzten oder Anschlagssze na -rien berücksichtigt werden.Die Patienten wurden in drei Gruppenmit dem jeweils benötigten Trans-portmittel eingeteilt:• gehfähige Patienten (Mann-

schaftstransportwagen/Minibus),• nicht gehfähige Patienten

(Krankentransportwagen),• Intensivpatienten (Rettungswagen

mit Notarztbesetzung).m am Umzugstag ausreichend Perso-nal zur Verfügung zu haben, wurdefür die Mitarbeiter zwölf Monate vor

dem Umzug eine Urlaubssperre ver-einbart: zwei Wochen vor und dreiWochen nach dem Umzug. Zudemwurden die Schüler der Akademiefür Pflegeberufe des Universitäts -klinikums Ulm als Patientenbegleiterfür Patienten der Allgemeinpflege-stationen eingesetzt. Mitarbeiter derKlinikumsverwaltung unterstütztenden Umzug als Streckenposten imAlt- und Neubau.Die Integration des Katastrophen-schutzbeauftragten der Stadt Ulmstellte Absprachen mit Polizei, Ord -nungsamt und Katastrophenschutzsicher. Auf der Grundlage der Ana lyse -daten konnte ein realisierbares Pla-nungskonzept festgelegt werden. DieBeteiligten überprüften dieses Kon-zept im Rahmen einer Stabsübung.

Test mit eigens entwickelter Simulationssoftware

Mit einer möglichst realistischen undzeitnahen Generalprobe verfolgtedas Projektteam das Ziel, theoretischeAnnahmen zu überprüfen, Schwach-stellen aufzuzeigen und dennoch für notwendige Korrekturen hin -reichend Zeit zu haben.Im Zuge der Stabsübung wurde dasLagezentrum einen Monat vor demUmzugstermin mit umfangreicher IT-Ausstattung, festen und schnurlosenTelefonen sowie Faxgerät eingerich-tet. Von hier aus sollte am Umzugs-tag die gesamte Überwachung desUmzugs erfolgen, unter anderemüber ein eigens angelegtes Software-

tool, das den Weg jedes Patientenvom Verlassen der alten Klinik biszum Bezug des Zimmers in derneuen Klinik ermöglichte.Während der Stabsübung wurdenWegezeiten interner und externerPatiententransporte im Echtbetriebermittelt. Diese gab man, unter Zu -grundelegung einer Vollbelegungder Intensivstationen und einer 70-prozentigen Belegung der All -gemeinstationen, in die eigens da-für entwickelte Simulationssoftwareein. Für zusätzlichen Realitätsbezugar beitete das Planungsteam zusätz-lich zu Testzwecken mit zeitlichenStörgrößen wie Aufzugsstörungen,Verkehrsstau und Unfällen.Die in der Übung gewonnenenErkenntnisse führten zu folgendenVeränderungen:• Standortwechsel des Lagezen-

trums aufgrund Platzmangels,• zeitnahe Überprüfung der inter-

nen Wege auf Hindernisfreiheit,• Sperrung nicht frequentierter Auf-

zugshaltestellen am Umzugstag,• Optimierung der Funkkommu -

nikation im Rettungsdienst,• Erarbeitung von Lösungskonzep-

ten bei technischen Problemen(Aufzugstörung).

Nachdem weder intern noch externausreichend Erfahrung zu einemPatientenumzug dieser Größen ord -nung vorhanden war, hatte sich dieProjektgruppe entschlossen, mithilfeder Firma GBU, Stuttgart, ein Simu -lationsmodelle zu entwickeln. Dies hatte zwei wesentliche Vorteile:Die Modellerstellung zwingt zu einer

Das Engagement der Mitarbeiter setzte viele Kräfte frei.

In nur fünf Stunden wurden 118 Patienten inklusive

21 Intensivpatienten in den Neubau gebracht.

Mit 38 Fahrzeugen führte das Deutsche Rote Kreuz durchschnittlich

alle 2,4 Minuten einen Patiententransport durch.

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sehr detaillierten Prozessbeschrei-bung, was wiederum Unstimmig -keiten rasch demaskiert. Anderer-seits erschloss sich die Möglichkeit,Erfahrungen mit Problemen zu sam-meln. Der Ausfall von Aufzügen,Fahrzeugen oder Begleitpersonalkonnte im Rahmen der Stabsübungsimuliert, im Anschluss Lösungskon-zepte erarbeitet und für den Um -zugstag vorgehalten werden.

Einmal-Tragetücher und Patientenbegleitkarten

Am 15. Juni 2012 trafen sich die Ak teu -re – Abholteams, Streckenposten undMitarbeiter der Hilfsorganisationen– zunächst um 7 Uhr zu kurzen Ein-satzbesprechungen. Die Streckenpos -ten erhielten unter anderem Aufzug -schlüssel, Schnurlostelefone und Te -lefonlisten sowie zur besseren Er ken -nung farbige T-Shirts. Die Kranken-,Rettungs- und Notarztwagen, In ten -siv mobile und Mannschaftstransport-wagen stellten sich in vorgesehenenZonen auf. Parallel erfolgte die letztePatientenerhebung, so dass im Lage-zentrum letzte logistische Entschei-dungen getroffen werden konnten.Bereits im Vorfeld waren die Stations-bereiche mit Einmal-Tragetüchernund Patientenbegleitkarten ausge-stattet worden, um Patienten zügigan die internen Abholteams überge-ben zu können. Zwischenzeitlichnahmen erste Begleitpersonen Kon-takt zu ,ihren’ Patienten auf undbereiteten sie vor.Zur Erhöhung des Patientenkomfortsbekam jeder Patient eine feste Be -gleitung zur Seite gestellt, Schwer-kranke wurden ausschließlich von

Ärzten und Pflegefachkräften be -gleitet. Adipositaspatienten warenbereits tags zuvor mit Spezialfahr-zeugen verlegt worden.Acht eingesetzte Transportteams,von einem leitenden Notarzt undnach festem Fahrplan koordiniert,konnten die vom Pflegedienst vor -bereiteten Patienten direkt über -nehmen und zu den verschiedenenÜbergabestellen am Gebäudeaus-gang bringen. Eine Sichtung durcherfahrene Notfallmediziner an derTürschwelle stellte nochmals dieTransportfähigkeit jedes einzelnenPatienten sicher.An Aufzügen, Kreuzungspunktenund im Klinikgelände standen rund100 Streckenposten unterstützendzur Seite – die Verkehrsregelung anneuralgischen Einfahrten und Kreu-zungen im öffentlichen Raum stelltenPolizei und städtisches Ordnungsamtsicher.Abweichend vom Vorgehen im Alt-bau brachten die Fahrzeugbesatzun-gen im Neubau ihre Patienten direktin die Stationsbereiche und über -gaben sie dort dem Pflegedienst.Derweil sorgte ein Koordinator inder Liegendkrankenzufahrt für freieParkplätze und Vorrang für Intensiv-patienten. Fünf Klinikshuttles trans-

portierten die Begleitpersonen füreinen erneuten Einsatz zurück anden Altstandort.

Reges Interesse – bei Patienten,Mitarbeitern und Medien

Den zahlreichen Vertretern von Pres-se, Fernsehen und Hörfunk standenausreichend Ansprechpartner derAbteilung Presse- und Öffentlich-keitsarbeit begleitend und informie-rend zur Seite.Am Umzugstag verließ der erste Pa -tient um 8 Uhr den Altbau am Safran -berg. Bis 12.50 Uhr kamen alle 118Patienten im Neubau der Chirurgie IDermatologie am Oberen Eselsbergan, unter ihnen 21 Intensivpatienten.Das Deutsche Rote Kreuz war mit 38 Fahrzeugen im Einsatz, im Schnittfuhr alle 2,4 Minuten ein Fahrzeugmit Patienten an den neuen Standort.Die multidisziplinäre Projektgruppekonnte nahezu alle Fragestellungenbeantworten und zum größten Teilin Absprache mit der Lenkungsgrup-pe auch entscheiden. Dadurch wareine effiziente und strukturierte Pro-jektarbeit möglich. Der Umzugstagwar von großem medialen Interessebegleitet. Der Umzug selbst verliefim geplanten und vorab simuliertenRahmen. ■

Kontakt

Universitätsklinikum UlmDipl.-Ing. (FH) Martin NeumüllerKrankenhausbetriebstechnik Bereich Bau, Technik, SicherheitDr. Michael RuoffFacharzt für Anästhesie, KernprojektteamAlbert-Einstein-Alle 2989081 UlmTel.: +49 731 [email protected]

Die Zusammensetzung des Teams für die 13 Einzelprojekte bestand aus Ärztlichem Dienst,

Pflegedienst, Verwaltung und einer externen Beratungsgesellschaft. Sie sorgten dafür,

dass während des Umzugs das not wendige Fachwissen zur Stelle war.

Punktlandung: In unzähligen Fragestellungen galt es,

die Leitlinie des Umzugs in jedem Detail umzusetzen und

dabei gleichzeitig vorhandene Ressourcen wie Personal,

Material sowie Fahrzeuge angemessen und sinnvoll einzusetzen.

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