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Können wir durch Sparen die Alterslast künftiger Generationen vermindern? Author(s): Helmut Schneider Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 46, H. 2 (1988), pp. 368-396 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40912179 . Accessed: 11/06/2014 10:47 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 91.229.229.92 on Wed, 11 Jun 2014 10:47:34 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Können wir durch Sparen die Alterslast künftiger Generationen vermindern?

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Können wir durch Sparen die Alterslast künftiger Generationen vermindern?Author(s): Helmut SchneiderSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 46, H. 2 (1988), pp. 368-396Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40912179 .

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Können wir durch Sparen die Alterslast künftiger Generationen vermindern?

von

Helmut Schneider*

1. Einleitung

(1) Daß die Abnahme des Bevölkerungs Wachstums und die damit ver- bundene Überalterung die volkswirtschaftlichen Kosten der Altersvorsorge wesentlich steigern werden, ist in nahezu allen westlichen Industrieländern in den letzten 10-15 Jahren in das öffentliche Bewußtsein gedrungen. Die daraus entstehenden Defizite der staatlichen Altersversicherung haben die Diskussion darüber aufleben lassen, wie „sicher" das gegenwärtige System der Altersvorsorge ist. Da die Institution der staatlichen Altersversicherung sicherlich bestehen bleiben wird, läuft das auf die Frage hinaus, wie die ansteigenden Lasten der Altersvorsorge in Zukunft zwischen den Rentnern und den Erwerbstätigen verteilt werden sollen bzw. auf welche Weise eine „zu starke" Reduktion der Renten einerseits, eine „zu starke" Erhöhung der Beiträge oder Staatszuschüsse andererseits verhindert werden könn- ten.

In diesem Zusammenhang ist vermutet worden, das Kapitaldeckungs- verfahren könne dem heute bei den staatlichen Altersversicherungen ange- wendeten Umlageverfahren in einigen wesentlichen Punkten überlegen sein: Die Beiträge sind bei ihm nicht nur unabhängig von der Bevölkerungs- entwicklung, grundsätzlich gibt es auch keine interpersonellen Umvertei- lungseffekte, da die Renten aus dem vom Versicherten selbst angesparten Deckungskapital finanziert werden. Solange daher die Garantie des priva- ten Eigentums besteht, können die Renten in einem so finanzierten System nicht gekürzt ausgezahlt werden.

(2) Diese Präferenz für das Kapitaldeckungsverfahren steht im Gegen- satz zur Auffassung, die man noch vor wenigen Jahren anläßlich der Ein-

* Meinen Assistenten danke ich für die kritischen Anregungen zu früheren Fassun- gen ; die verbliebenen Fehler gehen nur zu meinen Lasten.

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führung der obligatorischen zweiten Säule in der Schweiz geäußert hat1: Beim Kapitaldeckungsverfahren sind wegen des Beitragsprimates die Bei- tragssätze nur von den Versicherungsleistungen abhängig, die im Normal- fall etwa 1/4 des letzten Arbeitseinkommens betragen sollten. Während der „Anlaufzeit" entstehen bei den Institutionen der zweiten Säule Beitrags- überschüsse, die, so wurde behauptet, wegen des in der Schweiz bereits bestehenden Überangebots auf dem Kapitalmarkt nicht zur Bildung (zu- sätzlichen) Realkapitals beitragen könnten : Das Kapitaldeckungsverfahren führe deswegen zu einer unnötigen Beitragsbelastung der Versicherten.

(3) Bei dieser Auseinandersetzung geht es eigentlich darum, ob und wie eine Volkswirtschaft als Ganzes Kaufkraft in die Zukunft übertragen kann : Zweifellos ist der Realkonsum der Rentner jeweils aus dem laufenden So- zialprodukt zu decken, was insoweit immer eine reale Umverteilung bedeu- tet. Die Belastung der Erwerbstätigen kann jedoch in dem Ausmaß vermie- den werden, in dem die Rentner in ihrem Erwerbsleben Realkapital akku- mulieren und so das Sozialprodukt in ihrer Rentnerzeit entsprechend erhö- hen : Die Behauptung, die Finanzierung der zweiten Säule nach dem Kapi- taldeckungsverfahren sei „zu teuer", impliziert deshalb, dem Versicherten würde in seinem Erwerbsleben eine Konsumreduktion auferlegt, ohne daß durch entsprechende Realkapitalbildung das Sozialprodukt in der Zukunft erhöht werden könne.

Diese Behauptung läßt sich schwer beurteilen, weil dazu drei verschie- dene Wirkungen miteinander verglichen werden müssen: Erstens geht es um die Frage, ob die Anlage von Beitragsüberschüssen am Kapitalmarkt wirklich zu einer Realkapitalerhöhung führt oder nicht ; schließlich sind die Zinssätze in der Schweiz nicht nur niedrig, die Schweiz muß - nach dem Saldo der Ertragsbilanz zu urteilen - auch Nettoexporteur von Kapital sein. Unterstellt man trotzdem eine zusätzliche Realkapitalbildung, dann

1 Die obligatorische Altersvorsorge in der Schweiz besteht aus einer ersten und der zweiten Säule, die zusammen etwa 2/3 des letzten Einkommens des Versicherten gewähr- leisten sollen: 1988 betrug die einfache Altersrente der ersten Säule

9000 < 7200 + 0,2 • E < 18 000 , wobei E das durchschnittliche versicherte Jahreseinkommen ist. Die Beiträge betragen i. a. - ohne Einkommensgrenzen - 8,4 % des Erwerbseinkommens; sie sollen zur Finan- zierung der jährlichen Rentenzahlungen ausreichen. Der Ausgleichsfond dient grund- sätzlich nur zum Ausgleich vorübergehend entstehender Defizite (vgl. Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung [AHVG], Art. 34 ff.).

Das Gesetz über die obligatorische zweite Säule ist am 1 . 1 . 1985 in Kraft getreten (vgl. Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVG]). Eine ausführliche Beschreibung der damit entstandenen Probleme gibt C. Helbling: Personalfürsorge und BVG, 3. Aufl., Bern - Stuttgart 1987.

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steigt zwar dadurch die Kapitalintensität. Die Entwicklung des Sozial- produktes ist aber zweitens nicht so klar, weil die Bevölkerung im erwerbs- fähigen Alter etwa vom Jahr 2005 an abnimmt. Da drittens gleichzeitig die Gesamtbevölkerung etwa bis zum Jahr 2025 ansteigt, ist die zeitliche Ent- wicklung des möglichen Pro-Kopf- Konsums nicht unmittelbar abschätz- bar.

Wegen der Beitragsüberschüsse der ersten Jahre sind die Beitragssätze beim Kapitaldeckungsverfahren höher als beim Umlageverfahren; ein Übergang vom Umlage- zum Kapitaldeckungsverfahren wäre insoweit mit einer Anhebung der Beitragssätze verbunden. Das kann man als eine Erhö- hung der gesamtwirtschaftlichen Sparneigung darstellen. Wegen des Multi- plikatorprozesses steigt dabei das gesamtwirtschaftliche Spavvolumen nur in dem Ausmaß der zusätzlich induzierten Investitionen. Die folgenden Ausführungen dienen nicht der Analyse, in welchem Ausmaß solche Inve- stitionen induziert werden, vielmehr sollen die Bedingungen aufgezeigt wer- den, unter denen eine Volkswirtschaft durch (kollektives) Sparen in der Gegenwart die Belastung zukünftiger Generationen vermindern kann ; des- halb wird - für eine geschlossene Volkswirtschaft - das Entstehen von Beitragsüberschüssen mit einer Erhöhung der Realkapitalbildung gleich- gesetzt.

Da bei der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung sich analytisch da- für fast keine allgemeinen Aussagen mehr ableiten lassen, werden im 4. Abschnitt Simulationsrechnungen mit der Bevölkerungsprognose des (schweizerischen) Bundesamtes für Statistik und einer für die Schweiz geschätzten Produktionsfunktion vorgestellt. Danach kann eine Erhöhung der Kapitalakkumulation (etwa bis zum Jahr 2005) durchaus eine Reduk- tion des zukünftigen Pro-Kopf-Konsums verhindern, der Konsumverzicht der heutigen Erwerbstätigen die reale Belastung der zukünftigen Generatio- nen mindestens vermindern.

Ob eine solche reale Altersvorsorge politisch wünschbar ist, hängt ab von der Gewichtung des gegenwärtigen Konsumverzichts und der zukünftigen Belastungsminderung, also von der (relativen) Wertschätzung des zukünfti- gen Konsums (genauer: von der sozialen Diskontrate). Unterstellt man, die Beitragsüberschüsse würden tatsächlich zu einer verstärkten Kapitalakku- mulation führen, dann impliziert die Empfehlung, mindestens einen Teil der Altersvorsorge über das Kapitaldeckungsverfahren zu finanzieren, eine genügend hohe Bewertung des zukünftigen Konsums, also eine entspre- chend niedrige soziale Diskontrate.

Wie häufig bei politischen Auseinandersetzungen ist es in der oben er- wähnten Diskussion wohl nicht so sehr darum gegangen, ob eine solche intertemporale Kaufkraftübertragung unter den aktuellen Bedingungen der Schweiz möglich ist oder nicht, sondern um ihre politische Wertung.

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(4) Unmittelbar beziehen sich die folgenden Überlegungen zwar auf die schweizerische Altersvorsorge, sie mögen trotzdem auch für die deutsche Situation von Interesse sein : Auch in Deutschland führt die zu erwartende Bevölkerungsentwicklung zu einem erheblichen Finanzierungsproblem bei allen umlagefinanzierten Alterssicherungsinstitutionen2. Selbst wenn man die vollständige Umstellung der bestehenden Altersversicherung durch die Ausgabe von Staatspapieren auf das Kapitaldeckungsverfahren außer Acht läßt3, kann dieses Finanzierungsproblem durch eine relative Senkung der Renten (etwa durch die Beschränkung ihrer Anpassung an die Inflation) bei gleichzeitigem Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge entschärft werden. Die hier beschriebenen Simulationen deuten darauf hin, daß eine Volkswirtschaft als Ganzes auf diese Weise die (reale) Belastung der zu- künftigen Generationen vermindern kann.

2. Die intertemporale Kaufkraftübertragung

(5) Gegen die Anwendung des Kapitaldeckungsverfahrens ist eingewen- det worden, in den Zeiten von Beitragsüberschüssen sei es „zu teuer", die Beitragssätze wären also höher als notwendig.

Daß die Beitragsleistungen eigentlich für die Beurteilung des Finanzie- rungsverfahrens nicht zentral sind, sieht man aus folgender Überlegung: Wegen des Beitragsprimates berechnet sich die Rente eines einzelnen Ver- sicherten nach dem während seines Erwerbslebens angesparten Deckungs- kapital4, dessen Aufbau deshalb Teil seines Sparprozesses (seiner Vermögensbildung) ist, der das zeitliche Auseinanderfallen des Ein- kommens- und Ausgabenstromes kompensieren soll. Die Altersvorsorge

2 Dazu gehören alle nach dem Umlageverfahren oder aus den laufenden Steuerein- nahmen finanzierten Renten und Pensionen, vor allem die der gesetzlichen Rentenver- sicherungen. Vgl. R. Kolb: Gesetzliche Rentenversicherung, in: Sachverständigenkom- mission Alterssicherungssysteme : Darstellung der Alterssicherungssysteme und der Be- steuerung von Alterseinkommen, Gutachten der Sachverständigen-Kommission vom 19.2. 1983, Berichtsband 2, Stuttgart u.a.O. 1983, S. 7-126.

3 Vgl. M. Neumann: Möglichkeiten zur Entlastung der gesetzlichen Rentenversiche- rung durch kapitalbildende Vorsorgemaßnahmen, Tübingen 1986; ders. : Entlastung der Gesetzlichen Rentenversicherung durch kapitalbildende Maßnahmen, in: B. Felderer (Hrsg.): Kapitaldeckungsverfahren versus Umlageverfahren, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N.F., Bd. 163, Berlin 1987, S.27-53.

4 Außerdem müssen zum Ausgleich des Invahditäts- und Sterberisikos und zur Ver- sorgung der Hinterbliebenen gewisse versicherungsmathematische Grundsätze erfüllt sein, und das Konkursrisiko der Vorsorgeeinrichtung muß in geeigneter Weise minimiert werden (etwa über Anlagevorschriften, einer Rückversicherung o. ä.). Auf die Problema- tik solcher Vorschriften wird hier nicht eingegangen.

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kann deshalb sowohl an dem (Netto-) Einkommens- als auch an dem ent- sprechenden Ausgaben- oder Konsumstrom gemessen werden. Wir wählen im folgenden den letzteren Ansatz und beurteilen die angewendete Finan- zierungsmethode anhand des Zeitpfades des realen Konsums c(t).

Die Behauptung, das Kapitaldeckungsverfahren führe zu einer unnötig hohen Beitragsbelastung und sei insoweit zu teuer, impliziert in dieser Sicht, daß zu hohe Beiträge in der Gegenwart zu einer Konsumreduktion führen, denen keine (nennenswerten) Konsumerhöhungen in der Zukunft, sei es bei den Erwerbstätigen oder den Rentnern, gegenüberstehen. Dann ist es den gegenwärtigen Erwerbstätigen nicht möglich, Kaufkraft in die Zukunft anders zu übertragen als durch den Erwerb von reinen Umvertei- lungsansprüchen.

(6) Soll eine nach dem Kapitaldeckungsverfahren finanzierte Alterssiche- rung nicht ausschließlich auf eine personelle Umverteilung des laufenden Sozialprodukts innerhalb jeder Periode hinauslaufen, muß eine Volkswirt- schaft Kapazitäten zur Produktion von Konsumgütern dadurch freistellen, daß

- entweder die Erstellung dauerhafter Güter (typischerweise : Investitions- güter) zeitlich vorgezogen wird

- und/oder mit dem durch die Beitragsüberschüsse zusätzlich gebildeten Realkapital zusätzliche Kapazitäten gebildet werden.

Das letztere ist das klassische Akkumulationsproblem, das das Zusam- menspiel zwischen dem heutigen Konsumverzicht, der dadurch möglichen Realkapitalbildung und dem zukünftigen Konsum beschreibt.

Für die folgende Analyse sind zwei Einschränkungen erforderlich: Da das Versagen des Kapitaldeckungsverfahrens bei der Finanzierung der zweiten Säule in der Schweiz nicht damit begründet worden ist, die Bei- tragsüberschüsse würden wegen spezifischer Unvollkommenheiten des (schweizerischen) Kapitalmarktes nicht zu einer entsprechenden Realkapi- talbildung führen, wird im folgenden stets von einem vollkommenen Kapi- talmarkt ausgegangen, Konsumverzicht und Realinvestitionen werden also gleichgesetzt : In dem aus der Wachstumstheorie bekannten Analyserahmen werden Realinvestitionen nur durch die Freisetzung entsprechender Pro- duktionskapazitäten, also letztlich durch Konsumverzicht möglich.

Wegen der starken außenwirtschaftlichen Verflechtung der Schweiz läßt sich der schweizerische Kapitalmarkt eigentlich nicht ohne explizite Be- rücksichtigung der internationalen Kapitalströme behandeln, was insbe- sondere bei flexiblen Wechselkursen automatisch entsprechende grenzüber- schreitende Güterströme impliziert. Wir gehen im folgenden trotzdem von

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einer geschlossenen Volkswirtschaft aus, weil an dieser Stelle die Problema- tik der Kapitalanlage im Ausland nicht näher untersucht werden soll.

Zur intertemporalen Kaufkraftübertragung bleibt einer Volkswirtschaft deshalb nur die Realkapitalbildung im Inland. Über die Bedingungen, un- ter denen sie die Konsummöglichkeiten in der Zukunft erhöht, bestehen allerdings in der Öffentlichkeit große Unklarheiten - insbesondere über die dafür erforderliche Größe der Grenzproduktivität des Kapitals. Zu ihrer Ableitung muß man die Auswirkung einer zusätzlichen Investition heute auf die Produktion der nächsten 40 Jahre abschätzen ; und da das (fast) nicht möglich ist, rekurriert man meistens auf einfache Modelle des (steti- gen) optimalen Wirtschaftswachstums bei stetig zunehmender Bevölke- rung. Welche Schlußfolgerungen hieraus auf die gegenwärtige Situation zu ziehen sind, in der sicherlich kein „golden age"- Wachstum herrscht und in der mit einer in absehbarer Zukunft schrumpfenden Bevölkerung zu rech- nen ist, bleibt allerdings unklar. Ziel der folgenden Überlegungen ist es, die intertemporale Kaufkraftübertragung unter diesen speziellen Bedingungen zu überprüfen.

(7) Seien die Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft in einer endlichen Planungsperiode (l,...,T) durch eine Produktionsfunktion

(2.1) Yt = Y(At,Kt) A := Arbeit K : = Kapital (-stock)

beschrieben, für die die üblichen neoklassischen Annahmen gelten mögen. Bei exogener Bevölkerungsentwicklung sei das Beschäftigungspotential A (t) stets voll ausgelastet. Dann hängt der Zeitpfad des Produktionspoten- tials Y(t)5 nur noch von der Bewegungsgleichung des Kapitalstocks ab6:

(2.2) Kt+1 = Kt{'-d) + {Yt-ctBt).

Sei ct der Pro-Kopf-Konsum7 und Bt die Bevölkerung. Bei einer Produk- tion Yt betragen die möglichen Bruttoinvestitionen (Yt - ctBt). Unterstellt

5 Obwohl in diskreter Zeit argumentiert wird, wird der Zeitpfad einer Variablen, etwa (Y1, Y2,...,YT) durch die Funktion Y{t) gekennzeichnet.

6 Alle Bestandsgrößen werden am Beginn einer Periode gemessen; Kt + l ist also der Kapitalstock, der in der Periode t + 1 zur Produktion zur Verfügung steht.

7 Der Einfachheit halber wird im folgenden nicht zwischen dem Pro-Kopf-Konsum der Erwerbstätigen und der Rentner unterschieden. Eine allgemeine Formulierung findet sich in H. Schneider: Ausgleich der Rentenlast zwischen den Generationen. Zur Wir- kungsweise eines Ausgleichsfonds in einer offenen Volkswirtschaft, in: B. Felderer (Hrsg.): Kapitaldeckungsverfahren versus Umlageverfahren, a.a.O., vor allem S. 116 ff.

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man eine geometrische Abnutzung des Kapitalstocks mit der Rate d, wächst der Kapitalstock um die Nettoinvestitionen (Kt+l - Kt) oder ( Yt - ct - Bt - d - Kt): Bei gegebenem Anfangskapitalbestand Kx determi- niert damit der Konsumpfad c{i) das ganze System.

Statt die vielen Zeitpfade c(t), die für den Konsum regelmäßig zulässig sind, direkt miteinander zu vergleichen, kann man nach den Bedingungen fragen, unter denen sich die Änderung eines bestimmten Konsumpfades lohnt, etwa indem der Pro-Kopf-Konsum einer bestimmten Periode t ge- senkt wird : Bei voller Auslastung des Produktionspotentials erlaubt jede Konsum-Minderung um Ac, eine Erhöhung der (Brutto- und Netto-)Inve- stitionen der Periode t um (-kctBt). An sich wird dadurch der ganze zukünftige Zeitpfad des Kapitalstocks, K(t) für í + 1 < t < T+ 1, beein- flußt - und damit auch derjenige der zukünftigen Produktion. Der Einfach- heit halber beschränken wir uns darauf, zwei aufeinanderfolgende Perioden zu untersuchen, also das zeitliche Vorziehen einer Investition aus der Periode / + 1 in die Periode t. Wir unterstellen damit eine kompensierende Änderung des Pro-Kopf-Konsums in der Periode t+ 1, so daß alle K(t), t + 2 < x < T+ 1, von dieser Änderung der Zeitstruktur des Konsumpfades unbeeinflußt bleiben. (Das ist die Standardannahme der Variationsrech- nung.)

Die dadurch ausgelöste Änderung des Kapitalstocks beträgt :

(2.3) AKt+2 = AKt+1(l-d) + AYt+l-Act + iBt+l = 0,

AKt+1 = -ActBt.

Wegen der Produktionsfunktion (2.1) und der Exogenität von A(t) folgt daraus8

(2.30 Act+lBt+1= -(YKt + 1 + l-d) ActBt=-('-d+YKt+l)ActBt.

Hieraus findet man die Grenzrate der zeitlichen Transformation

(2.3») ^li.-d-^y^)^--1"^^1, Ac, Bt+1 1 + wt Ac, Bt+1 1 + wt

wenn wt die Wachstumsrate der Bevölkerung von der Periode / zur Periode t + 1 mit 1 + wt = Bt + l/Bt ist.

Man sieht, daß diese Grenzrate der Transformation i. a. negativ ist: Der Nenner des Bruches auf der rechten Seite ist immer positiv - selbst bei

8 Wie üblich werden die partiellen Ableitungen durch die Indizierung der abhängigen Variablen gekennzeichnet; dY/dK wird also als YK geschrieben.

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sinkender Bevölkerung. Da erstens Investitionen von privaten Unterneh- men nur dann durchgeführt werden, wenn die Grenzproduktivität des Ka- pitals wenigstens nicht negativ ist, und da zweitens die Abschreibungsrate immer (deutlich) kleiner als 1 ist, ist der Zähler positiv: Der Konsumver- zicht in der Periode t ist also immer mit einer Erhöhung des Pro-Kopf- Konsums der Periode / + 1 verbunden.

(8) Eine andere Frage ist, ob sich ein solcher Konsumverzicht lohnt. Man fragt zunächst danach, ob die Grenzrate der Transformation ihrem absolu- ten Wert nach größer oder kleiner als 1 und damit die mögliche Konsumer- höhung größer oder kleiner ist als der Konsumverzicht heute. Dazu wird die „Netto-Grenzproduktivität" des Kapitals mit der Wachstumsrate der Bevölkerung verglichen :

(2.4) YKt+1-d>wt.

Vernachlässigen wir für die Interpretation d, dann folgt aus (2.4), daß der Pro-Kopf-Konsum selbst dann noch steigen kann, wenn die Grenzproduk- tivität des Kapitals Null oder negativ ist, die Bevölkerung aber sinkt. Aller- dings muß die (absolute) Grenzrate der Transformation nicht unbedingt größer als 1 sein, wenn nämlich die Bevölkerung noch wächst und die Grenzproduktivität des Kapitals genügend klein geworden ist.

Fassen wir zusammen : Eine intertemporale Kaufkraft-Übertragung ist unter den üblichen Annahmen für eine Volkswirtschaft in dem Sinne mög- lich, daß die Grenzrate der zeitlichen Transformation negativ ist. Im allge- meinen wird man sogar davon auszugehen haben, daß diese Grenzrate ihrem absoluten Wert nach größer als 1 ist - vor allem dann, wenn mit einer kaum wachsenden oder sinkenden Bevölkerung gerechnet wird. Insoweit wäre das Kapitaldeckungsverfahren gerade wegen der zunächst entstehen- den Beitragsüberschüsse dem Umlageverfahren vorzuziehen.

(9) Damit ist allerdings nur gezeigt worden, daß eine Änderung der Zeitstruktur des Konsumpfades möglich ist oder - was äquivalent ist - daß verschiedene zulässige Konsumpfade existieren. Offen geblieben ist die Bewertung einer solchen Änderung oder der Vergleich der verschiedenen Pfade. Angenommen, dieses Abwägen könne durch eine (soziale) Präfe- renzordnung beschrieben werden, die ihre Abbildung auf den Zahlenstrahl erlaubt. Diese Abbildung nennen wir eine soziale Wohlfahrtsfunktion9

9 Vgl. etwa K. J. Arrow: Social Choice and Individual Values, New York - London 1951, S.23; M. E. Streit: Theorie der Wirtschaftspolitik, 2. Auflage, Düsseldorf 1982, S. 16ff.

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(2.5) W = W(cl9c29...cT;KT+1).

Dabei wird angenommen, daß die wirtschaftspolitische Entscheidung für eine endliche Planungsperiode [l,...,r] getroffen wird. Der Entschei- dungsträger ist sich aber bewußt, daß der Konsum auch noch nach Ende der Planungsperiode gewährleistet sein muß. Deshalb hängt die „soziale Wohlfahrt" auch vom End-Kapitalstock KT+l ab, der die Produktions- möglichkeiten nach dem Zeitpunkt T bestimmt.

Ob sich die oben beschriebene Variation des Konsumpfades lohnt oder nicht, ersehen wir aus der Änderung der sozialen Wohlfahrt im Ausmaß von

(2.6) AW = Wct ■ Act + Wct+1 ■ Ac(+1 > 0

für

(2.60 J^>_^±!. ~ W ~ Ar

Auf der linken Seite von (2. 6') steht die soziale Grenzrate der Substitution zwischen dem Konsum der Perioden / + 1 und t; i. a. ist davon auszugehen, daß sie nicht nur negativ ist, sondern von dem ganzen ursprünglichen Zeit- pfad c(t) abhängt.

Setzen wir die Grenzrate der Transformation aus (2. 3") in (2.60 enl> so erhalten wir die Bedingung dafür, daß sich eine Änderung der Zeitstruktur c(t) lohnt:

(2.7) 1 } J^_>_lz^îk±l. - (2.7) 1 } Wa+1

- l+wt

Angenommen, die soziale Wohlfahrt ließe sich durch Konsumverzicht in der Periode t und einen entsprechenden Mehrkonsum in der Periode t + 1 erhöhen. Unter den üblichen Annahmen über die Wohlfahrt s- und Produk- tionsfunktion wird dann W durch fortgesetzte Reduktion von ct maximiert, weil dadurch der Grenznutzen von ct steigt, der von ct+1 sinkt und die Grenzproduktivität des Kapitals mit steigender Kapitalintensität sinkt, die beiden Grenzraten also gegenläufig verändert werden. Sind beide Seiten von (2.7) in allen Perioden te(l,...,T) gleich geworden, ist der optimale Wachstumspfad erreicht.

An dieser Stelle sollen nicht die Bedingungen für den optimalen Wachstumspfad abgeleitet werden (vgl. dazu den Anhang). Die Maximie- rung von W ist ein gemischtes Anfangs-Endwert-Problem, bei dem sich

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i. d. R. keine allgemeinen Aussagen über den optimalen Zeitpfad des Kon- sums oder der Kapitalintensität der Produktion ableiten lassen, solange die Entwicklung der Erwerbs- und der Gesamt-Bevölkerung nicht in expliziter und genügend einfacher Form gegeben ist. Die Bedingungen, die in der Literatur10 für das optimale Wachstum abgeleitet worden sind, beziehen sich regelmäßig nicht nur auf sehr einfache soziale Wohlfahrtsfunktionen, sondern unterstellen auch eine gleichmäßig wachsende Bevölkerung.

(10) Solange die soziale Wohlfahrtsfunktion nicht bekannt ist, läßt sich (2.7) weder für eine Beurteilung der Finanzierung der Alterssicherung be- nutzen, noch läßt sich daraus der optimale Wachstumspfad einer Volks- wirtschaft ableiten. In dieser Situation kann man in Analogie zur Theorie der offenbarten Präferenzen die soziale Wohlfahrtsfunktion als Entschei- dungsfunktion der Wirtschaftspolitiker auffassen. Wenn wir gewisse An- nahmen ( = Axiome) über die Präferenzordnung akzeptieren, können wir diese Wohlfahrtsfunktion aus den Handlungen der Wirtschaftspolitiker ableiten. Genauer: Wir benutzen die Argumentation eines Wirtschaftspoli- tikers (etwa in der Diskussion um die Finanzierung der zweiten Säule), um aus ihr auf die Parameter seiner Entscheidungsfunktion zu schließen, nach- dem wir uns auf den Funktionstyp geeinigt haben.

Eine Beurteilung der Aussage, das Kapitaldeckungsverfahren der zweiten Säule führe zu einer unnötigen Belastung der gegenwärtigen Erwerbstäti- gen, ist damit allerdings nicht mehr möglich, denn zu (nahezu) jedem er- reichbaren Konsumpfad läßt sich eine Parameterkonstellation der Wohl- fahrtsfunktion finden, so daß er optimal ist. Die in der Diskussion um die Finanzierung der Alterssicherung gemachte Aussage, der Konsum sei z. B. gegenwärtig zu niedrig, läßt sich umformen in eine Aussage über die Para- meter der von jenem Wirtschaftspolitiker benutzten Wohlfahrtsfunktion : Ein Votum für einen höheren Gegenwartskonsum interpretieren wir als die Äußerung einer genügend hohen sozialen Diskontrate.

(11) In Abschn.4 werden Simulationen des optimalen Wachstumspfades beschrieben, die den technischen Produktionsbedingungen und der Bevöl- kerungsentwicklung in der Schweiz bei unterschiedlichen Parameterwerten der Wohlfahrtsfunktion entsprechen. Optimale Wachstumspfade müssen

10 Vgl. hierzu F. H. Hahn und R.C. O. Matthews: The Theory of Economic Growth : A Survey, in : Surveys of Economic Theory, prepared for the American Econo- mic Association and the Royal Economic Society, London - Melbourne -Toronto 1965, vor allem S. 99 ff. ; W. Krelle und G. Gabisch unter Mitarbeit von J. Burgermeister: Wachstumstheorie, Berlin - Heidelberg - New York 1982, S.58ff.; K. Jaeger: Wachs- tumstheorie, Stuttgart u.a.O. 1980, S. 193 ff.; ders.: Optimale Anpassung der Renten- finanzierung bei abnehmenden Wachstumsraten der Bevölkerung, in: B. Felderer (Hrsg.): Kapitaldeckungsverfahren versus Umlageverfahren, a.a.O., S. 91-114.

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aber vor allem zulässig sein. Da es eine Vielzahl solcher Pfade gibt, kann man in der Wirtschaftspolitik zwischen ihnen wählen. Durch geeignete Realkapitalbildung kann der Konsum in der Zukunft erhöht und die Alterslast der zukünftigen Erwerbstätigen verringert werden.

In der politischen Auseinandersetzung über die zweite Säule ging es in dieser Sicht nicht um das Technisch-Machbare, vielmehr sind die Ansichten darüber aufeinandergeprallt, in welchem Ausmaß gegenwärtig bzw. zu- künftig Erwerbstätige durch das Alterssicherungssystem belastet werden sollen.

3. Empirische Grundlagen

(12) Ob bei der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung ein Sinken des realen Pro-Kopf-Konsums durch zusätzliche Realkapitalbildung vermie- den werden kann, bedarf einer langfristigen Analyse, die sich über einen Zeitraum von rd. 45 Jahren erstrecken muß. Da es keine Anhaltspunkte für die konjunkturelle Entwicklung in diesem Zeitraum gibt, wird im folgenden von einer gleichmäßigen Ausnutzung des Produktionspotentials, also von Vollbeschäftigung in diesem Sinn ausgegangen. Dann hängt die Entwick- lung des Produktionspotentials nur noch von der Produktionsfunktion und der Bevölkerungsentwicklung ab, die im folgenden beschrieben werden.

(13) Nachdem Zorinnejadan11 eine Zeitreihe für den Kapitalstock in der Schweiz konstruiert hat, haben Büttler, Ettlin und Ruoss12 für die Periode 1950-1984 sowohl eine Cobb-Douglas- als auch eine CES- Produktionsfunktion geschätzt. Für ihre Prognose des Produktionspoten- tials verwenden sie eine CoBB-DouGLAS-Funktion13 der Form

(3.1) Yt = e- eßt • AvKl~'

11 M. Zorinnejadan: Construction d'une série de stock de capital de la Suisse (1948 -1981), miméo, Département d'Economie politique, Université de Genève, 1983.

12 H.J. Büttler, F. Ettlin und E. Ruoss: Empirische Schätzung des Wachstums der potentiellen Produktion in der Schweiz, in : Geld, Währung und Konjunktur, Quar- talshefte der Schweizerischen Nationalbank, 1/1987, S.61 -71.

13 Ebenda, S. 68: „Ein Vergleich der technischen Fortschrittsraten und der Vertei- lungsparameter in bezug auf den Faktor Arbeit . . . [der CES-Produktionsfunktionen, H. S.] mit jenen [der Cobb-Douglas-Funktion, H. S.] zeigt, daß die geschätzten Koeffi- zienten konsistent sind. Zudem sind die Substitutionsparameter hinreichend nahe bei Null, so daß die Cobb-Douglas-Produktionsfunktion als Näherung für die volkswirt- schaftliche Produktionsfunktion angesehen werden kann."

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Vermindert Sparen die Alterslast künftiger Generationen? 379

Wegen des Strukturbruchs 1974/75 schätzen sie für die Perioden 1950-1974 und 1975-1984 je zwei verschiedene Produktionsfunktionen, die sich ent- weder durch den konstanten Faktor (ihre Gleichung 6) oder durch die Produktionselastizität (v) in bezug auf den Faktor Arbeit unterscheiden. Für v erhalten sie die Werte 0,71 (mit einem /-Wert von 21,47) bzw. 0,55 (wobei die Differenz zwischen den beiden Werten einen /-Wert von nur - 1,36 hat). Der Strukturbruch zeigt sich auch in der HiCKS-neutralen Fortschrittsrate, die von 2,4 % in der ersten Periode auf 0,5 % in der zwei- ten sinkt. Für unsere Berechnungen gehen wir von v = 0,71 und der pessi- mistischeren Schätzung der Fortschrittsrate aus; die verwendete Produk- tionsfunktion lautet deshalb

(3.10 Yt = £• e0'005^^0'71^0'29.

(14) Zur Berechnung eines Produktionspotentials benötigt man neben der Produktionsfunktion auch die Entwicklung der Faktorbestände. Bei den Si- mulationen zum Akkumulationsproblem werden die Investitionen endogen erzeugt, damit liegt der Zeitpfad des Kapitalstocks fest. Die Bevölkerungs- entwicklung wird exogen bestimmt durch die Prognose des schweizerischen Bundesamtes für Statistik in Zusammenarbeit mit dem Per- spektivstab der Bundesverwaltung („Hauptszenario 1A" vom 25. 1. 1985)14.

Die „wirtschaftlich relevante Bevölkerung"15 läßt sich zerlegen16 in - die Jugendlichen als die Einwohner zwischen 0 und 19 Jahren, - die Erwerbsfähigen als die Einwohner zwischen 20 und 64 Jahren, - die Rentner als die Einwohner mit 65 und mehr Jahren.

Für die Simulationen wurden die Bevölkerungszahlen der Jahre inner- halb der 5-Jahres-Intervalle jeweils mit konstanten Wachstumsraten inter- poliert.

Die mittlere wirtschaftlich relevante Bevölkerung steigt danach von rund 6,3 Mio. im Jahr 1980 auf rund 6,8 Mio. im Jahr 2010 an, um bis 2025 auf 6,8 Mio. zu sinken. Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (von 20-64 Jahren) steigt von 3,7 Mio. im Jahr 1980 auf 4,1 Mio. im Jahr 2005 und

14 Bundesamt für Statistik: Szenarien zur Entwicklung der Bevölkerung in der Schweiz 1984-2025, Bern, 25. 1. 1985.

15 Unter der „wirtschaftlich relevanten Bevölkerung" wird dort verstanden - Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz, - Jahresaufenthalter und Niedergelassene, - Funktionäre internationaler Organisationen und Angestellte ausländischer diplomati-

scher Vertretungen mit ihren Familienangehörigen mit Wohnsitz in der Schweiz, - Saisonarbeiter und Grenzgänger. 16 Vgl. ebenda, Tabelle 7 (Mittlere wirtschaftlich relevante Bevölkerung), S. 1A-15.

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380 Helmut Schneider

Tabelle I

Bevölkerungsentwicklung in der Schweiz (in 1000)

Jahr 0-19 20-64 65 und mehr total

1980 1744,5 3711,8 868,9 6325,2 1985 1617,5 3932,2 913,8 6463,5 1990 1531,8 4053,3 972,5 6557,6 1995 1521,7 4106,7 1020,0 6648,4 2000 1530,8 4128,5 1064,7 6724,0 2005 1514,1 4156,3 1106,7 6777,1 2010 1484,8 4130,8 1200,6 6816,2 2015 1457,1 4084,5 1299,3 6840,9 2020 1443,7 4041,2 1365,8 6850,7 2025 1442,4 3969,7 1428,8 6840,9

Quelle: Bundesamt für Statistik: Szenarien zur Entwicklung der Bevölkerung in der Schweiz 1984 -2025, Bern 1985, S. 1A - 15.

Abb. 1

Entwicklung der Bevölkerungsstruktur: Anteile der Altersgruppen an der Gesamtbevölkerung

100 1 -

65 und mehr

0-19

20-64

1980 2000 2025

sinkt von da an auf 4,0 Mio. im Jahr 2025. Die Rentnerquote (= Anteil der über 64 Jahre alten an der Gesamtbevölkerung) wächst deshalb von 13,5 v.H. auf 20,5 v.H. Der Anteil der Erwerbsfähigen bleibt dagegen ver- gleichsweise konstant; er steigt zunächst von 59,3 v.H. auf 62,4 v.H. im

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Vermindert Sparen die Alterslast künftiger Generationen? 381

Jahr 1990 und sinkt dann auf 60,6 v.H. im Jahr 2025. Diese relative Kon- stanz liegt an dem starken Sinken der Jugendquote (= Anteil der unter 20 Jahre alten an der Gesamtbevölkerung).

(15) Die Auslastung der Faktorbestände war in der Vergangenheit keines- wegs konstant :

a) Büttler, Ettlin und Ruoss berechnen einen Kapitalauslastungs- grad, der von 1950-1984 im Durchschnitt 86,1 % beträgt. Daß er nicht nur von der Investitionstätigkeit abhängt, sondern auch von der Nachfrage, sieht man daran, daß er recht gut die konjunkturelle Entwicklung wider- spiegelt (vgl. Abb. 2).

Abb. 2

Auslastungsgrad der Kapazität

in v.H. 100]

70-

60-

504 . ■ . 1 . 1 . 1 . , . 1 . 1 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985

Jahr Quelle: H. J. Büttler, F. Ettlin und E. Ruoss: Empirische Schätzung des Wachstums

der potentiellen Produktion in der Schweiz, a.a.O., S.71.

b) Ähnliche Probleme ergeben sich bei dem Arbeitspotential. Zwar ist die Arbeitslosenquote in der Schweiz niedrig, jedoch ist die Erwerbsquote (= Anteil der Erwerbstätigen an den Erwerbsfähigen) seit 1960 deutlich gesunken (vgl. Abb. 3), weshalb mindestens teilweise mit einem dauerhaft geänderten Anbieterverhalten auf dem Arbeitsmarkt gerechnet werden mußi7.

17 Vgl. Expertengruppe „Wirtschaftslage": Lage und Probleme der schweizeri- schen Wirtschaft 1977/78, Band I, Bern 1977, S. 2 17 ff. Unter der Erwerbsquote wird der

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382 Helmut Schneider

Abb. 3 Zeitliche Entwicklung der Erwerbsquote

in v.H. 54 1

46-

44-

42-

401 ,,,,,,,■!,■.! 1960 1965 1970 1975 1980 1985

Jahr Quelle: Gesellschaft zur Förderung der schweizerischen Wirtschaft: Zahlen-

spiegel der Schweiz, Zürich 1985, S. 11.

Zur Bestimmung des Produktionspotentials müßte eigentlich die maxi- mal mögliche Auslastung dieser Faktorbestände bekannt sein, die durch- schnittliche Auslastung (oder ihre Extrapolation) genügt dazu nicht18.

(16) Die inländische Produktion (= das Inlandsprodukt) steht nicht voll für Konsum und Kapitalakkumulation zur Verfügung: Selbst wenn man das Bruttoinlands- bzw. -Sozialprodukt als ein Maß hierfür akzeptiert, müs- sen der staatliche Konsum und der Außenbeitrag subtrahiert werden (so- fern man bereit ist, den staatlichen Investitionen denselben Kapazitäts- effekt wie den privaten zuzuschreiben). Abb. 4 zeigt, daß auch dieser Anteil seit 1960 keineswegs konstant geblieben ist; im Durchschnitt beträgt er rd. 14 v.H.

Anteil der Ganz- und Teilzeitbeschäftigten an der gesamten Wohnbevölkerung nach dem Pro-Kopf-Prinzip verstanden.

18 Vgl. hierzu etwa den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamt- wirtschaftlichen Entwicklung: Alternativen außenwirtschaftlicher Anpassung, Jahresgutachten 1968/69, Stuttgart - Mainz 1968, S. 102ff.

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Vermindert Sparen die Alterslast künftiger Generationen? 383

Abb. 4 Der Anteil von Staatskonsum und Außenbeitrag am Bruttoinlandsprodukt

in v.M. 20-1 -

8-

6; 4: 2*.

oi » ■ ■ i ■ ■ ■ i ■ i ' > » ' ■ i ■ ' » i 1960 1965 1970 1975 1980 1985

Jahr Quelle: Gesellschaft zur Förderung der schweizerischen Wirtschaft: Zahlen-

spiegel der Schweiz, a.a.O.; Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (Hrsg.): Die Volkswirtschaft, verschiedene Jahrgänge; Arbeitsgruppe für Wirtschaftsprognosen (Hrsg.): Wirtschaftsspiegel, verschiedene Jahrgänge.

(17) Bis zu einem gewissen Ausmaß vermeidet man die Prognose - des Kapitalauslastungsgrades, - der Beschäftigungsquote der Erwerbsfähigen, - der Anteile von Staatskonsum, Export und Import am BIP,

indem man die Produktionsfunktion (3.1) in Wachstumsraten formuliert:

(3.2) (1 + wY) = e" • (1 + wAy (1 + H^)1"*.

Die Produktion eines Jahres / ist dann

(3.3) Yt=Yt_,- 1,005 • (1 + hu)0'71 • (1 + wK)°>29.

Für die Simulationen bleibt nur die Wahl eines Basisjahres19. Im folgenden wird hierfür das Jahr 1980 benutzt mit einem realen Bruttoinlandsprodukt ( = in Preisen von 1970) in Höhe von 102,6 Mrd. Fr. Abgesehen davon, daß

19 Vgl. dazu das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts des Sachverständi- genrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im

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384 Helmut Schneider

1980 gerade das Anfangsjahr der 1984/85 erstellten Bevölkerungsprognose ist, liegt der Auslastungsgrad des Kapitalstocks mit 86,9 % fast im Durch- schnitt der Periode 1950-1984 (mit 86,1 %), die Arbeitslosenquote beträgt 0,197 % und erreicht damit fast ihr Minimum des Jahres 1981 ( = 0,183 %).

(18) Vermindert man das reale BIP von 1980 um den Staatskonsum und den Außenbeitrag, so erhält man 96 Mrd. Fr. Es wurde zu privatem Kon- sum in Höhe von 64,7 Mrd. Fr. und zu Bruttoinvestitionen in Höhe von 31,1 Mrd. Fr. verwendet. Der (reale) Pro-Kopf-Konsum (die Steuerungs- größe der folgenden Simulationen) hat 10228,93 Fr./Kopf betragen. Das sind die Ausgangswerte für die folgenden Simulationen.

Um die Erhöhung des Kapitalstocks aus den Bruttoinvestitionen zu be- rechnen, sind die Abschreibungen gemäß Nationaler Buchhaltung in Ver- hältnis zu dem von Büttler, Ettlin und Ruoss verwendeten Kapital- stock gesetzt worden. Für die Periode 1975-1982 erhält man auf diese Weise eine Abschreibungsrate von 2,44 %20. Deshalb wird von der folgen- den Bewegungsgleichung für den Kapitalstock ausgegangen :

(3.4) Kt+l = Kt(l - 0,0244) + ^- C, = 0,9756 - Kt+Yt-ct- Bt.

Zum Vergleich wird später die „Kapitalintensität" als Maß für die Kapital- ausstattung eines Arbeitsplatzes berechnet. Da die Beschäftigungsquote nicht explizit ausgewiesen ist, wird dazu der Kapitalstock durch die Zahl der Erwerbsfähigen dividiert. Für das Jahr 1980 ergibt das 110791 Fr./ Kopf.

4. Die Simulationen

(19) Um aus der Argumentation eines Wirtschaftspolitikers auf seine Präferenzordnung schließen zu können, müssen wir zunächst die Variablen festlegen, von denen seine Entscheidung abhängen soll. Mit einer Wohlfahrtsfunktion

Jahresgutachten 1967/68: Stabilität im Wachstum, Stuttgart - Mainz 1967, Tz. 184ff., und im Jahresgutachten 1968/69: Alternativen außenwirtschaftlicher Anpassung, Stutt- gart-Mainz 1968, Tz. 115 ff.

20 Für die (ganze) Periode 1960-1982 ergibt sich dabei eine mittlere Abschreibungs- rate von 2,97 % (bei einer Varianz von 13,9 %). Für die zweite Teil-Periode 1975-1982 beträgt die Abschreibungsrate 2,44 % mit einer Varianz von 5,2 %.

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Vermindert Sparen die Alterslast künftiger Generationen? 385

(4.1) W = W(cl,c2,...,cT;KT + 1)

werden drei wichtige Annahmen gemacht: (i) Das Alterssicherungssystem wird beurteilt nach dem realen Konsum,

den es den Individuen ermöglicht. Die Vermögensbildung an sich ist als wertlos angenommen; Vermögen dient ausschließlich dazu, den Einnahmen- und Ausgabenstrom zeitlich zu synchronisieren.

(ii) Der gesamte Realkonsum einer Periode bestimmt sich aus der Diffe- renz der gesamtwirtschaftlichen Produktion (als Funktion des Kapi- talstocks und der Zahl der Erwerbsfähigen) und der Bruttoinvestitio- nen. Bei der Berechnung des Pro-Kopf-Konsums wird der so be- stimmte Konsum durch die Bevölkerung dividiert. Der Einfachheit halber wird also von einer konstanten Verteilung der Güter auf die Individuen bzw. auf die Gruppen der Jugendlichen, Erwerbstätigen und Rentner ausgegangen, d. h. daß alle Bevölkerungsgruppen glei- chermaßen an der „Alterslast44 partizipieren. Insoweit spielen weder die Beitragssätze eine Rolle noch die Aufteilung der Gruppe der Nicht-Erwerbsfähigen in Jugendliche und Rentner: Das Problem des Familien-Lastenausgleichs wird als gelöst vorausgesetzt.

(iii) Die wirtschaftspolitische Planung erstreckt sich bis zum Ende der Periode T: Die Versorgung späterer Generationen hängt von der Größe des vererbten Kapitalstocks ab, was durch die Bewertung des End-Kapitalstocks in der Wohlfahrtsfunktion ausgedrückt wird. Der Einfachheit halber wird im folgenden nur der physische Kapitalstock berücksichtigt und die Ausstattung mit natürlichen Ressourcen und Humankapital vernachlässigt.

(20) Für die folgenden Simulationen benötigt man die explizite Form der Wohlfahrtsfunktion. Dazu wird zunächst angenommen, daß sie sich additiv in die Periodennutzen ut und der Endbewertung V zerlegen läßt :

(4.2) W = ¿wfo) (1 + e)-f + V(KT+1), i

wobei Q die soziale Diskontrate21 ist. Die Perioden-Nutzenfunktion u(ct) wird dabei durch die spezielle Form

(4.3) u(ct) = "o + tt^T- Cr(1~a) (1 -a)

beschrieben.

21 q ist eigentlich ein sozialer Zinssatz, der Diskontsatz A ist (1 - A) = 1/(1 + q) .

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386 Helmut Schneider

Setzt man die „Einkommenselastizität" des Perioden-Grenznutzens22 rj = 0L> 1, dann wird der Bruch in (4.3) negativ: Der Periodennutzen strebt für wachsendes ct gegen einen festen Wert u0 . Wie bei allen Nutzen-Index- Funktionen ist dieser Wert arbiträr und kann Null gesetzt werden23.

Die bei den Simulationen benutzte soziale Wohlfahrtsfunktion lautet also

(4.20 W = -^-. ¿c,«1-* (1 + c)-i +_!_. jfT+1ci-/o 1 - a ! 1 - ß mit 0 < ß < 1 .

Bei der Entscheidung über den optimalen Konsumpfad muß der Nutzen- zuwachs einer Konsumerhöhung mit dem Nutzenentgang verglichen wer- den, den spätere Generationen durch die Verringerung des End-Kapital- stocks erleiden. Der erste Term auf der rechten Seite von (4.2') ist der „Barwert" der Periodennutzen des Pro-Kopf-Konsums, der zweite Term die Bewertung des End-Kapitalstocks. Bei ihrem Vergleich ergibt sich ein Dimensionsproblem: Der Pro-Kopf-Konsum bezieht sich auf einen Ein- wohner, der Kapitalstock auf die ganze Erwerbsbevölkerung.

Der Parameter œ dient dem Abwägen dieser beiden Argumente. Dabei drückt œ - in gewisser Weise wie g - die Gegenwartsvorliebe der Wirt- schaftspolitiker aus : œ gewichtet den Konsum der ganzen Planungsperiode und drückt, wenn man es so formulieren will, die Minderschätzung der Bedürfnisse zukünftiger Generationen aus; dagegen beschreibt g die Gegenwartsvorliebe innerhalb der Planungsperiode.

(21) Bei gegebenem Anfangskapitalstock und Vollbeschäftigung des Ar- beitspotentials ist das Sozialprodukt der ersten Periode determiniert. Der Konsum der ersten Periode entscheidet dann über die Investitionen und damit über den Kapitalstock der zweiten Periode usw. : Das ganze System

22 Den Verlauf der Kurve des Grenznutzens beschreibt man mit y' : = 'ut" • ct/u,'' = <x .

rj gibt die prozentuale Änderung des Grenznutzens des Konsums an, der durch eine Variation des Konsums um 1 Prozent verursacht wird. Aus der Diskussion um die Opfertheorien ist r' als die Einkommenselastizität des Grenznutzens bekannt. Eine pro- gressive Einkommensteuer läßt sich aus den Opfertheorien bekanntlich nur bei einem genügend großen r' ableiten. Vgl. etwa K. Schmidt: Die Steuerprogression, Basel - Tübingen 1960, S. 16 ff. ; ders.: Grundprobleme der Besteuerung, in: F. Neumark, N. Andel und H. Haller (Hrsg.): Handbuch der Finanzwissenschaft, 3. Auflage, Band II, Tübingen 1980, S. 145 ff.

23 Vgl. J. v. Neumann und O. Morgenstern: Theory of Games and Economic Behavior, 3. ed., Princeton 1953, Chapt. 3: The Notion of Utility, p. 1 5 f f . , und Appendix: The Axiomatic Treatment of Utility, S.617ff.

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Vermindert Sparen die Alterslast künftiger Generationen? 387

wird über den Konsumpfad c{t) gesteuert. Für den optimalen Zeitpfad des Konsums findet man zwei Bedingungen (vgl. Anhang):

(4.4) <o-KT+iß = ct«{'+q)tBt

und

Ì45Ì (4.5) c'-c e, -*_, '■ l-d+Y« Ì45Ì (4.5) c'-c e, -*_, '■ {ì+q).Bi/Bii

Etwas vereinfachend kann man diese beiden Bedingungen als die Bestim- mung des Niveaus (4.4) und der Zeitstruktur des optimalen Konsumpfades (4.5) auffassen:

Aus der rechten Seite von (4.5) sieht man, wie (Real-) Konsum in die Zukunft übertragen werden kann : Man kann erstens in der Periode / - 1 den Konsum vermindern und dafür ein dauerhaftes Gut (hier : ein Investi- tionsgut) kaufen ; es wird in der nächsten Periode dadurch konsumierbar, daß dann weniger investiert werden muß, und zwar genau (1 -d). Und zweitens kann mehr konsumiert werden, weil mit dem erhöhten Kapital- stock mehr produziert werden kann ; das Ausmaß hängt von der Grenzpro- duktivität des Kapitals YK ab. Da dieser Mehrkonsum erst eine Periode später zur Verfügung steht, muß mit (1 + q) abdiskontiert und das Wachs- tum der Bevölkerung berücksichtigt werden : Die optimale Wachstumsrate des Konsums hängt deshalb von der Grenzproduktivität des Kapitals, der sozialen Diskontrate und der Wachstumsrate der (Gesamt-) Bevölkerung ab.

Das Niveau des optimalen Konsumpfades bestimmen wir aus (4.4): In der letzten Periode wird der Nutzen gegeneinander abgewogen, der aus der Konsumerhöhung bzw. aus der Erhöhung des End-Kapitalstocks um eine Mengeneinheit herrührt.

Sind die Wachstumsraten des Konsums aus (4.5) gegeben, dann ver- schiebt eine Variation des Konsums in der letzten Periode den Konsum- pfad. Damit ändern sich die Perioden-Investitionen und insofern auch der Kapitalstock : Die Bestimmung des optimalen Wachstumspfades ist also ein Anfangswert-Problem, soweit es um die Akkumulation des Kapitalstocks geht, und ein Endwert-Problem bei der Verknüpfung des End-Kapital- stocks mit dem Niveau des optimalen Konsumpfades.

(22) Wie sich unter den mit der Produktionsfunktion beschriebenen tech- nischen Bedingungen und der von dem Bundesamt für Statistik pro- gnostizierten Bevölkerungsentwicklung in der Schweiz die Kaufkraft in die Zukunft übertragen läßt, soll an einer speziellen Parameter-Konstellation

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388 Helmut Schneider

Abb. 5 Pro-Kopj r- Konsum und Kapitalintensität im Zeitablauf

Index i i

lOo'^^^- - .^Tp^rnrrr^c

1 1 1 1 1 1 I 1 ^ 1980 2000 2025

Jahr

der Wohlfahrtsfunktion diskutiert werden, die den in Abb. 5 dargestellten Zeitverlauf impliziert .

In Abb. 5 sind die Parameter der Wohlfahrtsfunktion (arbiträr) auf co = 50, einer sozialen Diskontrate von 0,02, der Einkommenselastizität des Grenznutzens ( = a) von 1 , 1 und ß = 0, 1 (mit der entsprechenden Elastizi- tät der Endbewertung von 0,9) gesetzt. 1980 hat der Pro- Kopf-Konsum 10229 Fr./Ein wohner betragen; dieser Wert ist in der Abb. 5 durch die Indexlinie „100" gekennzeichnet.

Der (bei diesen Parameter- Werten) optimale Wachstumspfad startet mit einem Pro-Kopf-Konsum von 10470 Fr. /Einwohner, steigt etwa bis zur Jahrtausendwende an, um dann auf 10 108 Fr./Einwohner zu sinken: Der optimale Konsum ist also in jedem Jahr höher als der tatsächliche des Jahres 1980; allerdings kann nicht verhindert werden, daß er mit dem Schrumpfen der Erwerbsbevölkerung sinkt.

Da die wahre Wohlfahrtsfunktion nicht bekannt ist, ist eine Beurteilung der seit 1980 eingetretenen Entwicklung des Konsums nicht möglich. Mit diesem Simulationslauf kann man nur zeigen, daß es eine Parameter-Kon- stellation der Wohlfahrtsfunktion gibt, die zu dem dargestellten optimalen Konsumpfad führt. Daß auf ihm der Pro-Kopf-Konsum trotz der Abnahme der Erwerbsbevölkerung immer über dem Ausgangswert gehalten werden

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Vermindert Sparen die Alterslast künftiger Generationen? 389

kann, ist nur wegen des Ansteigens des Kapitalstocks und damit der Kapi- talintensität möglich: Die Kapitalintensität steigt von rd. 110791 Fr. /Arbeitsplatz im Jahre 1980 (das ist ihr vorgegebener Anfangswert) auf 568 536 Fr./Arbeitsplatz im Jahre 2025, also etwa auf das Fünffache.

Damit sinkt die Grenzproduktivität des Kapitals - wegen des unterstell- ten autonomen technischen Fortschritts nur - in diesem Beispiel von rd. 6,5 % im Jahr 1980 auf rd. 2,5 % im Jahr 2025, was immer noch ein er- staunlich hoher Wert ist, wenn man ihn mit einem durchschnittlichen realen Zinssatz vergleicht, der seit dem Zweiten Weltkrieg nur knapp über Null liegt.

Aus diesem Simulationslauf läßt sich schließen, daß es in der Schweiz mit den bekannten technischen Produktionsbedingungen und der zu erwar- tenden Bevölkerungsentwicklung durchaus möglich ist, den mit der Über- alterung der Bevölkerung verbundenen Rückgang des Pro-Kopf-Konsums wenigstens teilweise durch eine wesentliche Erhöhung der Kapitalintensität der Produktion zu kompensieren.

(23) Ob man die oben beschriebene Erhöhung der Kapitalintensität für wünschbar hält, hängt von den Parametern der Wohlfahrtsfunktion ab. Im folgenden soll gezeigt werden, daß man durch eine geeignete Variation der Parameter der Wohlfahrtsfunktion (nahezu) jeden gewünschten Verlauf des Konsumpfades erzeugen kann. Im folgenden beschränken wir uns aller- dings darauf, die Parameter q, œ und oc in der Umgebung des oben dar- gestellten Simulationslaufes zu variieren und ihren Einfluß auf die Gestalt des optimalen Konsumpfades darzustellen.

(24) Wie man aus (4.5) sieht, hängt die Zeitstruktur des Konsumpfades von der sozialen Diskontrate ab. In Abb. 6 a ist dargestellt, wie sich ihre Variation auswirkt : Jede Erhöhung der sozialen Diskontrate impliziert eine Minderbewertung des zukünftigen und eine entsprechende Höherbewer- tung des gegenwärtigen Konsums und führt deshalb zu einer Verlagerung des Konsums in die Gegenwart. Das reduziert zu Beginn der Planungs- periode die Kapitalakkumulation, so daß die Produktion und der Pro- Kopf-Konsum gegen Ende der Planungsperiode stärker als bisher sinken, obwohl etwa ab 2000 bei sinkender Erwerbsbevölkerung die Kapitalintensi- tät zunimmt.

Eine Erhöhung von q ist also gleichbedeutend mit einer stärkeren Be- lastung zukünftiger Generationen.

(25) Das optimale Niveau des Konsumpfades wird durch den Vergleich des Grenznutzens des Konsums (der letzten Periode) mit demjenigen des End-Kapitalstocks gefunden, œ gibt dabei das Gewicht an, das der Wirt-

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390 Helmut Schneider

Abb. 6a Pro-Kopf -Konsum in Abhängigkeit von der sozialen Diskontrate q

Index i i

1 1 1 1 1 1 1 1 ► 1980 2000 2025

Jahr

Schaftspolitiker dem Konsum in der Planungsperiode zumißt : Eine Erhö- hung von œ erhöht deshalb cet. par. das Niveau des Konsumpfades zu Lasten des Kapitalstocks, der an die Generationen nach dem Ende der Planungsperiode vererbt wird.

Aus Abb. 6 b wird deutlich, daß man für kleine Variationen von œ den Einfluß auf die Zeitstruktur des Konsumpfades vernachlässigen kann, daß im wesentlichen nur sein Niveau beeinflußt wird.

(26) Daß durch eine geeignete Variation der Parameter der Wohlfahrts- funktion (fast) jeder vorgegebene Zeitpfad des Pro-Kopf-Konsums als optimal erzeugt werden kann, soll exemplarisch an zwei solchen Pfaden gezeigt werden:

In Abb. 7 sind zwei Konsumpfade dargestellt: Bei dem ersten, c*(t), steigt der Pro-Kopf-Konsum monoton von 8467 Fr./Einwohner im Jahr 1980 auf 14450 Fr./Einwohner im Jahr 2025 an, bei dem zweiten sinkt er von 13207 auf 3 820 Fr./Einwohner.

Soll ein Sinken des Pro-Kopf-Konsums wie im 2. Fall vermieden werden, dann muß der Kapitalstock entsprechend stärker erhöht werden. Abb. 8 zeigt die unterschiedliche Entwicklung der Kapitalintensität.

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Vermindert Sparen die Alterslast künftiger Generationen? 391

Abb. 6b

Pro-Kopf-Konsum in Abhängigkeit von œ

Index i i

1'JU T ••••••••• -••»•.»•--.... - . ................ ......... _ ... ......... ..... •«•- - Ï^^^^^^^/V** ^(J ^^ 45

1 1 1 1 1 1 1 1 ► 1980 2000 2025

Jahr

Abb. 7

Zulässige Zeitpfade des Pro-Kopf- Konsums

Index i i

c*

1 1 i 1 1 1 i i ^~ 1980 2000 2025

Jahr

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Tabelle 2

Vergleich zweier Zeitpfade

c*(t) c**(t)

Parameter œ 30 60 a 1,1 1,1 ß 0,1 0,1 Q 0 0,05

1980 Pro-Kopf-Konsum 8 467 13 207 Kapitalintensität 110770 1 1 0 770

2025 Pro-Kopf-Konsum 1 4 450 3 820 Kapitalintensität 56 1 920 785 710

Die Kapitalintensität des Pfades c**(¿) ist zunächst höher, aber dann niedriger als diejenige bei c*(¿), wobei der Schnittpunkt in die Zeit fällt, in der die Erwerbsbevölkerung absolut sinkt. Damit läßt sich das Sinken des Pro-Kopf-Konsums entlang des Zeitpfades c**(t) auf zwei Ursachen zu- rückführen: Wegen des hohen Ausgangskonsums ist die Kapitalbildung und deshalb auch die Kapitalintensität der Produktion und die (durch- schnittliche) Arbeitsproduktivität in den ersten Jahren relativ niedrig. Be- ginnt die Erwerbsbevölkerung etwa ab 2005 zu sinken, kann zwar eine drastische Kapitalintensivierung den Rückgang der Produktion bremsen, jedoch impliziert das erhöhte Investitionen und insoweit einen Rückgang der volkswirtschaftlich möglichen Konsumgüterproduktion: In dieser Pha- se ist es nicht mehr möglich, durch entsprechende hohe Realkapitalbildung den Pro-Kopf-Konsum auf das Niveau des Pfades c*(t) zu erhöhen.

5. Zusammenfassung

(27) Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Behauptung, bei der An- wendung des Kapitaldeckungsverfahrens im Rahmen der zweiten Säule seien die Beitragssätze „zu hoch", die Altersvorsorge für die heutige Gene- ration der Erwerbstätigen „zu teuer". In der wirtschaftspolitischen Diskus- sion ist unterstellt worden, daß die Beitragsüberschüsse, die bei der zweiten Säule in den nächsten Jahren entstehen, zu einer Vergrößerung des inländi- schen Sparens führen werden, weil die Versicherten ihr freies Sparen nicht genau im Ausmaß der obligatorischen Altersvorsorge reduzieren.

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Vermindert Sparen die Alterslast künftiger Generationen? 393

Abb. 8 Die Entwicklung der Kapitalintensität

Index i i

100 """ '■■■ ~~7^7Z. ..

1 1 1 1 1 1 1 1 ► 1980 2000 2025

Jahr

Die vorstehenden Ausführungen beschäftigen sich ausschließlich mit der Frage, ob eine solche Erhöhung des Sparens - falls sie eintritt - volkswirt- schaftlich wünschbar wäre. Dazu wird zunächst der durch die Beiträge erzwungene Konsumverzicht als die Kosten der Altersvorsorge definiert. Die oben erwähnte Behauptung läuft dann darauf hinaus, daß das Kapital- deckungsverfahren den realen Konsum in der Gegenwart zu stark reduziert und entweder keine entsprechende Realkapitalbildung möglich ist oder/ und dadurch nur „unbedeutende" Konsumerhöhungen in der Zukunft er- reicht werden können.

(28) Ist es überhaupt möglich, durch stärkeren Konsumverzicht in der Gegenwart dafür zu sorgen, daß der Pro-Kopf-Konsum in der Zukunft höher ist? Kann die heutige Generation insoweit die Alterslast kommender Generationen vermindern? Wie die Simulationsrechnungen zeigen, kann diese Frage selbst dann bejaht werden, wenn man die Produktionsbedin- gungen in der Schweiz mit einer ökonometrisch geschätzten Produktions- funktion beschreibt und die Entwicklung der Erwerbs- und Gesamtbevöl- kerung mit Hilfe der Prognose des Bundesamtes für Statistik abschätzt. So zeigt etwa Abb. 7 einen relativ weiten Bereich, in dem ein technisch zulässiger Zeitpfad für den Pro-Kopf-Konsum liegen kann.

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(29) Ohne Kenntnis der sozialen Wohlfahrtsfunktion der Schweiz kön- nen diese verschiedenen zulässigen Wachstumspfade nicht beurteilt werden. Insoweit ist es auch nicht möglich, aus ihnen auf das sozial wünschbare Finanzierungsverfahren der Alterssicherung zu schließen.

Möglich ist nur, aus den von den Wirtschaftspolitikern vorgebrachten Argumenten auf deren Entscheidungsfunktion zu schließen - analog zur Theorie der offenbarten Präferenzen. Dazu werden die Parameter der Wohlfahrtsfunktion so bestimmt, daß der optimale Wachstumspfad dem geforderten entspricht. Mit den Simulationen wird gezeigt, daß dies in einem weiten Bereich möglich ist.

(30) In der wirtschaftspolitischen Diskussion über die Finanzierung der Altersvorsorge ist es sicherlich auch um die Frage gegangen, welche ge- samtwirtschaftlichen Auswirkungen mit der vorübergehenden Bildung von Beitragsüberschüssen verbunden sind. Die für die Zeit von 1950 bis 1984 geschätzte Produktionsfunktion der Schweiz läßt vermuten, daß die Grenz- produktivität des Kapitals - möglicherweise wegen Unvollkommenheiten des Kapitalmarktes - erheblich über dem realen Kapitalmarktzins liegt. Die durchgeführten Simulationen legen den Schluß nahe, daß sich deshalb der Pro-Kopf-Konsum in der Zukunft und damit die „Alterslast" kommen- der Generationen durch einen Konsumverzicht der heutigen vermindern ließen.

Mindestens implizit ist es in der politischen Diskussion aber auch darum gegangen, wie der Konsumverzicht heute und der Konsumverzicht kom- mender Generationen zu bewerten ist. Die Behauptung, das Kapital- deckungsverfahren sei „zu teuer", bedeutet in dieser Sicht eine hohe soziale Diskontrate und ein hohes Gewicht des Konsums innerhalb einer wirt- schaftspolitischen Planungsperiode; insoweit war dies der eigentliche Gegenstand der Diskussion. Daß die Politiker in der Auseinandersetzung von verschiedenen Werten ausgegangen sind, kann mit Analysen wie der obigen nur aufgedeckt, aber nicht beurteilt werden.

6. Anhang

Gegeben sei eine (soziale) Wohlfahrtsfunktion der Form

(6.1) W = W(cu...,cT9KT+l).

Bezeichnet Ht den realen Exportüberschuß, Ft die realen (Netto-) Auslands- forderungen zu Beginn der Periode t und r den von F unabhängigen

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Zinssatz auf dem Weltkapitalmarkt24. Dann lautet die Bewegungsgleichung des Kapitalstocks

(6.2) Kt+i = Kt('-d)+Yt-ctBt-Ht.

Die (realen) Netto-Auslandsforderungen F ändern sich gemäß

(6.3) Ft+l = Ft(l+r) + Ht.

Aus der LAGRANGE-Funktion

(6.4) L = W(cl,...9cT;KT+1,FT+l)

+ £ {¿t[Kt+l - Kt(' -d)- Y(At,Kt) + ctBt + //,]} i

+ tit[Ft+l-Ft('+r)-Ht]

findet man die Bedingungen für ein Maximum von W

(6.5) LKT+l = WKT+l+XT = 0, LFT+l = WFT+l + nT = 0, LKt = K-i-Ki' -d+Y*) = 0, LFt = fit-i -Ml +r) = 0, Lcf = ^ci + AfÄf = 0, ^Hr = K-Vt = 0.

Die 3., 4. und 6. Gleichung von (6.5) implizieren

(6.6) YKt-d = r.

Die inländische Kapitalintensität der Produktion stellt sich im Optimum also immer so ein, daß die Nettogrenzproduktivität des Kapitals ( = YK -d) gleich dem Zinssatz auf dem internationalen Kapitalmarkt ( = r) ist. Ein solches Optimum wird dadurch erreicht, daß die Inländer sich „beliebig" zur Finanzierung von (Real-)Investitionen im Inland verschul- den, solange (YK - d) > r, und daß sie bei (YK - d)< r ihre Ersparnisse nicht im Inland, sondern auf dem internationalen Kapitalmarkt anlegen.

24 Das setzt voraus, daß das Inland als kleine offene Volkswirtschaft auf dem inter- nationalen Kapitalmarkt zum festen Zinssatz r beliebige Summen anlegen oder aus- leihen kann.

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Realistischerweise muß bei der Formulierung (6.4) nicht nur die Abhän- gigkeit zwischen r und F, sondern auch die Unsicherheit bei der Anlage der Sparmittel im Ausland berücksichtigt werden. Nun wurde in der Diskus- sion zum BVG die Behauptung, das Kapitaldeckungsverfahren sei zu teuer, nicht mit den Besonderheiten der Anlage im Ausland begründet, sondern mit der Situation auf dem inländischen Kapitalmarkt. Deshalb wurde oben davon ausgegangen, daß die Unsicherheit der Anlage im Ausland oder besondere Anlagevorschriften jede direkte oder indirekte Anlage verhin- dern, so daß (6.6) nicht gilt25.

Aus der ersten Zeile findet man

(6.7) XT = -WKT+l

und aus der 3. und 5. Zeile

(6-8) ~w = 1 + *,-! •

(6.7) gibt den Endwert des „Schattenpreises" X(t) an, der von dem End- Kapitalstock abhängt, der wegen der 5. Zeile gerade gleich WcT/BT sein muß. - Die zeitliche Entwicklung des Schattenpreises findet man aus der 3. Zeile:

(6.10) Vi = ^(l-d+r*).

Während für den Schattenpreis k{t) also der Endwert festliegt, ist für die Zeitreihe des Kapitalstocks der Anfangswert Ko gegeben.

25 Entsprechend restriktive Regulationen der Anlage inländischer Vorsorgeeinrich- tungen genügen in diesem Zusammenhang nicht, solange inländische Private und Aus- länder auf Zinssatzdifferenzen reagieren können.

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