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FREIWILLIG UND VON GANZEM HERZEN… KOLLEKTEN IM GOTTESDIENST Praktische Anregungen und theologische Überlegungen Eine Handreichung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck

KOLLEKTEN IM GOTTESDIENST - ekkw.de und... · ANLIEGEN UND UMSETZUNG Im Oktober 2010 hat der Rat der Landeskirche eine neue Kollektenordnung be-schlossen (siehe HINWEISE). Ziel dieser

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FREIWILLIG UND VON GANZEM HERZEN… KOLLEKTEN IM GOTTESDIENST

Praktische Anregungen und theologische Überlegungen

Eine Handreichung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck

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INHALT

VORWORT

DIE NEUE KOLLEKTENORDNUNG

Anliegen und Umsetzung

Häufig gestellte Fragen

PRAKTISCHE ANREGUNGEN FÜR DEN UMGANG MIT KOLLEKTEN

Einführung: Kollekten im Gottesdienst

Praktische Impulse Werben statt bekannt machen Auf den Kopf gestellt – der Klingelbeutel Jahresplanung für freie Kollekten Beten hilft – Dank und Fürbitten für Geber und Empfänger der Kollekte Alles langweilig? – Beteiligung von Konfirmandinnen und Konfirmanden Dankopfer – Kollekten im Abendmahlsgottesdienst Roter Faden – mit der Kollekte beginnen Aktion „Anvertraute Pfunde“

Themengottesdienst GGG: Gott – Geld – Glück

Anhang zum Gottesdienst

„SIE GABEN’S DEM HERRN FREIWILLIG UND VON GANZEM HERZEN…“

Theologische Überlegungen

HINWEISE

IMPRESSUM

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VORWORT

Das Einsammeln von Kollekten ist eine schöne Tradition in unseren Gottes-diensten. Aber müssen sie wirklich sein? Es gibt doch die Kirchensteuer, daneben Bitten um Kirchgeld, um Unterstützung von Fördervereinen und anderes mehr. Und überhaupt, passt das zusammen: Gottesdienst und Geld?

Solche Fragen und Vorbehalte sind gut verständlich. Aber schon in urchrist-licher Zeit ist im Gottesdienst gesammelt worden, um andere zu unterstützen: nicht als Pflicht, sondern als Ausdruck christlich begründeter Solidarität. Kollekten werden „freiwillig und von ganzem Herzen gegeben“ (I. Chr. 29,9). Sie sind etwas Zusätzliches und von daher nicht fest planbar. Wie kann diese Besonderheit der Kollekten heute zum Ausdruck kommen?

Unsere Landeskirche hat dazu eine neue Kollektenordnung beschlossen, die mit dem Kollektenplan 2012/2013 zum 1. Januar 2012 wirksam wird. Sie antwortet auf die Frage nach der Besonderheit der Kollekten mit der Einführung der Projekt-förderung. So soll der ursprüngliche Zusammenhang von Gottesdienst und Solida-rität, Liturgie und Diakonie heute neu sichtbar werden.

Die vorliegende Handreichung leitet zu einem tieferen Verständnis der Kollek-ten und ihrer lebendigen Gestaltung in unseren Gottesdiensten an. Sie nimmt Fragen und Sorgen auf, die sich mit der Einführung der neuen Ordnung verbinden, und be-schreibt, was sich verändert und wo neue Handlungsspielräume entstehen.

Ich danke der Arbeitsstelle Gottesdienst und dem Gottesdienstreferat für die Erklärung der neuen Ordnung und die praktischen Anregungen sowie der Theolo-gischen Kammer für die grundlegenden Überlegungen. Es freut mich zu sehen, wie sich verschiedene Kräfte unserer Kirche in dem Anliegen bündeln, Kol lekten nicht als lästige Pflicht, sondern als lebendigen Ausdruck unseres Glaubens heute neu hervortreten zu lassen.

Meine Hoffnung ist, dass die Handreichung die Kirchenvorstände und die, die Gottesdienste gestalten, veranlasst, sich näher mit der Kollektenfrage zu befassen, sie als Teil der Bildungsaufgabe nicht zuletzt in der Konfirmandenarbeit ernst zu nehmen und nach kreativen Formen vor Ort zu suchen, die so anschaulich und lebendig sind, dass Menschen erleben: „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“ (2 Kor 9,7).

Marita NattPrälatin

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DIE NEUE KOLLEKTENORDNUNG

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ANLIEGEN UND UMSETZUNG

Im Oktober 2010 hat der Rat der Landeskirche eine neue Kollektenordnung be-schlossen (siehe HINWEISE). Ziel dieser neuen Ordnung ist, den Sinn der Kollekten unter sich wandelnden gesellschaftlichen Bedingungen neu hervortreten zu lassen.

Biblische Tradition

Nach biblischer Tradition sind Kollekten eine freiwillige Gabe der Gemeinden. Sie dienen dazu, ärmere Gemeinden zu unterstützen und Not in der eigenen Gemein de zu lindern. Kollekten sind als freiwillige Gaben etwas Zusätzliches und deshalb nicht fest planbar. Darin besteht ihre Besonderheit im Gegenüber zur Kirchensteuer.

Wie kann diese Eigenart heute zum Ausdruck kommen? Die neue Kollekten-ordnung antwortet auf diese Frage mit dem Prinzip der Projektförderung. Sie ist bib-lisch zwar nicht vorgegeben. Aber sie kann als ein Weg verstanden werden, der bibli-schen Absicht unter heutigen Bedingungen neu Gestalt zu geben.

Neues Spendenverhalten

Zu diesen Bedingungen ist ein neues Spendenverhalten zu zählen. Einst waren die Kollekten im Gottesdienst selbstverständlich. Eine Kollekte gab man, weil man den Bedarf voraussetzte und der Kirche eine sinnvolle Verwendung zutraute. Dieses Verhalten ist dankbar zu würdigen. Heute zeichnet sich hier jedoch eine Veränderung ab: Wer etwas gibt, will wissen, was mit seinem Geld passiert: Wofür ist es gedacht? Was wird konkret unterstützt? Kommt das Geld auch wirklich vor Ort an? Deshalb ist es erforderlich, bei der Bitte um Kollekten deren Zweck möglichst konkret und anschaulich zu beschreiben. So kann die Bereitschaft, etwas in den „Klingelbeutel“ oder „Opferstock“ zu geben, wachsen.

Pflichtkollekten und Wahlpflichtkollekten

Die neue Kollektenordnung führt neben den altbekannten Pflichtkollekten „Wahlpflichtkollekten“ ein. Auch darin kommt zum Ausdruck, dass Kollekten heute nicht mehr primär der Tradition, sondern dem Prinzip der Wahl folgen.

Bei Pflichtkollekten werden an einem Sonntag landeskirchenweit Projekte einer Einrichtung gefördert, beispielsweise Projekte von „Brot für die Welt“ am 1. Advents-sonntag. Bei landeskirchlichen Wahlpflichtkollekten werden an einem Sonntag Pro-jekte mehrerer Einrichtungen zur Wahl gestellt, beispielsweise Projekte der Hospiz-arbeit, der Posaunenarbeit und der Jugendarbeit. Hier entscheiden die Kirchen-vorstände bei der Aufstellung ihres Kollektenplans, welche Projekte welcher Ein-richtungen sie unterstützen wollen.

Die Anträge um Aufnahme als Pflicht- und Wahlpflichtkollekte werden beim Landeskirchenamt in Kassel gestellt.

Das Besondere der Wahlpflichtkollekten ist, dass sie thematisch ausgerichtet sind. Sie lassen es zu, von Jahr zu Jahr verschiedene kirchliche Handlungsfelder mit Mitteln der Kollekten in besonderer Weise zu unterstützen.

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Kirchenkreiskollekten und Sprengelkollekten

Bisher gab es neben den landeskirchlichen Pflichtkollekten auch Sprengel-kollekten und Kirchenkreiskollekten. Diese sind auch mit der neuen Ordnung als Wahlpflichtkollekten möglich. Die Ortsnähe dieser Kollekten lässt erwarten, dass hier kleinere und mittlere Projekte besonders gut gefördert werden können.

Anträge werden bei den Kirchenkreisen und Sprengeln nach den Richtlinien der neuen Ordnung gestellt. Auch die inhaltliche Entscheidungshoheit bleibt vor Ort.

Freie Kollekten

Neben Pflichtkollekten und Wahlpflichtkollekten gibt es wie bisher auch „freie“ Kollekten, also solche Kollekten, die von den Kirchengemeinden verantwortet werden. Neu ist, dass der Kollektenplan zwei „freie“ Kollekten pro Monat vorsieht (Kollekten-ordnung § 4.2). Damit wird der Gestaltungsspielraum der Kirchengemeinden gestärkt.

Auswertung

Die neue Kollektenordnung wird mit dem Kollektenplan 2012/2013 zum ersten Mal umgesetzt, beginnend mit dem 1. Januar 2012. Fragen, die sich ergeben, sollen nicht zurückgehalten werden, im Gegenteil: Sie werden vom zuständigen Referat im Landeskirchenamt gern entgegengenommen, um nach der ersten „Erfahrungsrunde“ besser beurteilen zu können, was dem theologischen Anliegen des Rates der Landes-kirche dienlich ist und was gegebenenfalls überdacht werden muss (siehe HINWEISE).

HÄUFIG GESTELLTE FRAGEN

Es ist verständlich, dass sich mit der neuen Kollektenordnung Fragen verbin-den. Denn sie fordert auch eine neue Einstellung: Weil Kollekten ihre angestammte Selbstverständlichkeit verlieren, muss man sich um sie bemühen – aber man kann sich auch um sie bemühen, weil neue Spielräume entstehen.

Muss immer ein Antrag gestellt werden?

Ja, ein Antrag muss immer gestellt werden – ohne Antrag keine Berücksichtigung bei der Vergabe der Kollektenplätze. Denn diese Plätze sind nicht mehr fest vorgege-ben, sondern entstehen erst je nach Lage der eingegangenen Anträge.

Der Antrag muss eine Projektskizze, einen Finanzierungsplan und einen An-kündigungstext für den Gottesdienst enthalten. Dabei kann sich erneut um Aufnah-me in den landeskirchlichen Kollektenplan nur bewerben, wer die Verwendung der bisher erhaltenen Kollektenmittel nachweisen kann.

Dieses Verfahren gilt auch für die Wahlpflichtkollekten der Sprengel und Kir-chenkreise. Anders verhält es sich bei den „freien“ Kollekten der Kirchengemeinden: Sie sind nicht an ein formales Verfahren gebunden.

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Wer entscheidet?

Über die Anträge auf Aufnahme in den landeskirchlichen Kollektenplan ent-scheidet der Rat der Landeskirche jeweils für ein Doppeljahr.

Über die Aufnahme in die Liste der Wahlpflichtkollekten der Kirchenkreise und Sprengel entscheiden diese selbst nach Maßgabe der neuen Kollektenordnung.

Über die Aufnahme der Wahlpflichtkollekten in ihren Kollektenplan entscheiden die Kirchenvorstände. Sie entscheiden auch über die Vergabe der „freien“ Kollekten. Sie sollen dabei berücksichtigen, dass der ursprüngliche Sinn der Kollekten in der Solidarität mit anderen Gemeinden in materieller Notlage besteht.

Wie wird entschieden?

Nach der neuen Kollektenordnung finden primär solche Anträge auf Aufnahme in den Kollektenplan Berücksichtigung, die ein Projekt mit einem Finanzierungsplan beschreiben und für dieses Projekt einen Ankündigungstext für den Gottesdienst verfassen. Dabei lässt sich an Hand von vier Kriterien benennen, was ein Projekt ist:

1. Einmaligkeit des Prozesses; 2. zeitliche Begrenzung mit klarem Anfang und Schluss; 3. Festlegung der Ziele, die erreicht werden sollen und 4. Zielbestimmung unter Berücksichtigung der zeitlichen, finanziellen und personellen Ressourcen.

Was ist Aufgabe des Kirchenvorstands?

Die neue Ordnung stärkt die Verantwortung und den Entscheidungsspielraum des Kirchenvorstands. § 2 der neuen Ordnung formuliert: „Der Kirchenvorstand ist für die Erhebung und Abführung der Kollekten verantwortlich. Er bestimmt den Kollek-tenzweck, sofern dieser nicht durch den landeskirchlichen Kollektenplan festgelegt ist.“ Da die neue Ordnung zwei „freie“ Kollektenplätze pro Monat vorsieht (§ 4.2), wird der Entscheidungsspielraum des KV gegenüber der alten Ordnung gestärkt.

Darüber hinaus muss der Kirchenvorstand eine Entscheidung über die Wahl-pflichtkollekten treffen und so „eine auf die Kirchengemeinde spezifizierte Fassung“ (§ 5.2) des Kollektenplans beschließen.

Was ist mit denen, die bisher gefördert worden sind?

Was bedeutet die neue Ordnung für Kollektenempfänger, die bisher verlässlich mit einer Kollekte für ihre Arbeit haben rechnen können? Diese Frage ist berechtigt und nachvollziehbar. Im Grundsatz aber gilt der Anspruch der neuen Ordnung: Da Kollekten etwas Zusätzliches sind, kann und soll über sie keine Regelfinanzierung feststehender Aufgaben erfolgen.

Das bedeutet konkret: Die, die bisher gefördert worden sind und nach wie vor Förderung erhalten wollen, müssen einen Antrag auf Aufnahme in den Kollekten-plan stellen. Das gilt für alle drei Ebenen, die landeskirchliche, die Sprengel- und die Kirchenkreisebene.

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Wer im Kollektenplan nicht berücksichtigt wird, hat – das fördert die neue Ordnung – die Möglichkeit, sich als Einrichtung künftig auch bei Kirchen gemeinden um Aufnahme in deren je eigenen Kollektenplan zu bemühen.

Was ist mit kleineren Projekten?

Da es nicht das Ziel der neuen Ordnung ist, kleinere Initiativen an der Basis, die über kein professionelles Projektmanagement verfügen, „auszuhebeln“, werden für die Umsetzung der neuen Ordnung bereits vorhandene Infrastrukturen der Pro-jektförderung genutzt, so beispielsweise im Bereich der Diakonie, der Friedensarbeit oder der Kirchenmusik. Bedingung ist, dass die eigenen Vergaberichtlinien der Pro-jektförderung zu prüfen und gegebenenfalls den Kriterien der neuen Kollekten-ordnung anzupassen sind.

Zusätzlicher Aufwand?

Bedeutet die neue Ordnung zusätzlichen Aufwand? Ja, die neue Ordnung macht mehr Arbeit und zwar denen, die einen Antrag stellen und denen, die über die An-träge entscheiden und einen Plan erstellen müssen. Da die neue Ordnung nicht mehr nach der Logik institutioneller Verlässlichkeit funktioniert, sondern sich an der Organisationslogik ausrichtet, ist ein Mehraufwand unumgänglich. Das ist der Preis für Wettbewerb um Kollektenplätze und Transparenz der finanziellen Mittel. Deshalb ist schon im Vorfeld versucht worden, zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu begren-zen. So ist der Antrag, der als solcher relativ schlank ist, nicht von Jahr zu Jahr zu stellen, sondern dem Haushaltsrhythmus entsprechend jeweils für zwei Jahre.

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PRAKTISCHE ANREGUNGEN FÜR EINEN LEBENDIGEN UMGANG MIT KOLLEKTEN

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EINFÜHRUNG: KOLLEKTEN IM GOTTESDIENST

Das Einsammeln von Geld im Gottesdienst ist eine uralte Tradition, vermutlich urchristliche Praxis (siehe 1 Kor 16,1-2). Paulus berichtet im 2. Brief an die Korinther von der „Jerusalemer Kollekte“: Auch wenn die Gemeinden Mazedoniens arm seien, hätten sie dennoch reichlich für die Gemeinde in Jerusalem gegeben. Darin, so fasst Paulus den Sinn dieser Gabe zusammen, „gaben sie sich selbst, zuerst dem Herrn und danach uns, nach dem Willen Gottes.“ (2 Kor 8, 5)

„Wer da kärglich sät …“

Biblisch gesehen sind die Kollekten Ausdruck der Verbundenheit mit Gott und der daraus entspringenden solidarischen Verbundenheit untereinander. Sie sind eine „Gabe des Segens und nicht des Geizes“ (2 Kor 9, 5): „Wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, der wird auch ernten im Segen.“ (2 Kor 9, 6)

Wird Gottesdienst gefeiert, soll eben auch dies zum Ausdruck kommen: Wir denken nicht nur an uns, sondern wir geben, weil Gott uns reichlich gibt, auch denen reichlich, die es nötig haben – in anderen Gemeinden wie in der eigenen Gemeinde. Die Kollekte ist theologisch gesehen die Antwort des Menschen auf Gottes Zuwen-dung, in Dank an Gott und in Solidarität an die Mitmenschen gerichtet.

Begriffe

Begrifflich wird zwischen „Dankopfer“ und „Kollekte“ im engeren Sinn unter-schieden. Die Gaben, die im Verlauf des Gottesdienstes eingesammelt werden, heißen „Dankopfer“ (im Volksmund: „Klingelbeutel“), die am Ausgang „Kollekten“. Beide, Dankopfer und Kollekte im engeren Sinn, werden unter dem weiteren Begriff „Kol-lekte“ zusammengefasst.

Das „Kollektengebet“ steht nicht im Zusammenhang mit den Kollekten, sondern ist der sammelnde („Kollekte“) Gebetsabschluss des ersten Gottes-dienstteils, der auch „Tagesgebet“ genannt wird. Hingegen steht das „Dankopfergebet“ im Zusammenhang mit der Kollekte: Es kann nach der Vorbereitung des Abendmahltischs gesprochen werden.

Vorbehalte gegen Geld im Gottesdienst

Mancherorts ist das Dankopfer abgeschafft worden, „damit die Gemeinde nicht zweimal um Geld gebeten wird“, vielleicht auch weil der Umgang mit Geld im Gottes-dienst als Störung empfunden wird (Begleitbuch 2005, 77). Tatsächlich werden immer wieder Vorbehalte gegen das Sammeln von Geld im Gottesdienst – zumal beim Singen eines Liedes – laut: Stört das „Klimpern“ nicht die „heilige Andacht“? Oder noch grundsätzlicher: Muss die Kirche auch noch in ihren Gottesdiensten Geld sammeln? Reicht ihr nicht die Kirchensteuer?

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Diese Vorbehalte sind ernst zu nehmen und dürfen nicht einfach übergangen werden. Aber sie sprechen nicht grundsätzlich gegen die Kollekte. Denn in ihr kommt zum Ausdruck, dass Liturgie und Leben, Gottesdienst und Geld als „das grundlegende Lebensmittel“ (Josuttis 1991, 92) heute, zusammengehören. Dabei wird der Sinn des Geldes theologisch bestimmt: Es hat keinen Wert an sich, sondern erweist seinen Wert dann, wenn es als Mittel der Solidarität zur Entfaltung kommt.

Opfer?

In „Dankopfer“ steckt der Begriff „Opfer“. Er war und ist heute erneut umstrit-ten, wenn es um die Deutung des Todes Jesu geht. Evangelisch verstanden, kann es sich auch beim Dankopfer der Kollekte nicht um ein sich opferndes „Einkaufen“ in das Heil, auch nicht um ein „Loskaufen“ aus der Verantwortung handeln – auch wenn solche Bedeutungen mitschwingen mögen. Es geht um ein „Opfer“ aus Dankbarkeit Gott gegenüber. So lässt sich vom Opferbegriff her allenfalls fragen, ob es sich bei unseren Kollekten um etwas noch „Wehtuendes“ oder nur um ein „bescheidenes Trinkgeld“ (Krimm) handelt (siehe dazu Nicol 2009, 261f).

Wann wird gesammelt?

Die Frage, wann im Gottesdienst eine Kollekte eingesammelt wird, verrät etwas über ihren theologischen Sinn. Ist der gottesdienstliche Weg bis zur Predigt nach in-nen und damit auf die Frage der eigenen Identität gerichtet (Wer sind wir als christ-liche Gemeinde?), weitet sich dieser Weg nach der Predigt nach außen und damit auf Fragen der christlichen Weltverantwortung (Was können wir als christliche Gemeinde tun?).

… nach der Predigt

Wird das „Dankopfer“ nach der Predigt eingesammelt, tritt ihr Antwortcharak-ter deutlich hervor: Aus dem Hören des Wortes Gottes entspringt das Bedürfnis, Gott zu danken und als Ausdruck dieses Dankes sich solidarisch mit anderen zu verbinden. Als „Dankopfer“ verbindet es sich dann besonders eng mit den Fürbitten, wenn auch diejenigen in die Bitten eingeschlossen werden, für die gesammelt wird.

… am Ausgang

Wird die Gabe als „Kollekte“ am Ausgang eingesammelt, öffnet sich der Blick auf die Welt und Weltverantwortung, gestärkt vom Empfangen des Segens her: Die, die Gottes Segen empfangen, werden zum Segen für andere, indem sie sich – unter anderem – in Form der Kollekte am Ausgang anderen in ihrer finanziellen Bedürftig-keit – auch dem „fremden Nächsten“ (Brot für die Welt) – zuwenden. Darin wird aber nicht nur dem „Mangel der Heiligen“ abgeholfen, sondern die Kollekte „wirkt auch überschwänglich darin, dass viele Gott danken.“ (2 Kor 9, 12)

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Gottesdienst und Diakonie neu entdecken

Kollekten sind also mehr als Geld. Sie lassen sich als symbolische Handlungen verstehen, in denen das Selbstverständnis des christlichen Glaubens in besonderer Weise zum Ausdruck kommt. Sie machen den „tiefen Zusammenhang von Gottes-dienst und Diakonie augenfällig“ (Grethlein 21991, 131).

Umso erstaunlicher ist es, dass Kollekten in unseren Gottesdiensten nur selten einen eigenen Schwerpunkt haben (und auch nur selten ein Thema der Gottesdienst-lehre sind). Wie oft werden sie so routiniert vollzogen, dass sich ihr tieferer Sinn gar nicht entfalten kann. Erst Störungen in der Routine lassen aufhorchen und regen zum Nachdenken an. Eine solche Störung war der gottesdienstliche Aufbruch der 1968er-Zeit. Er ist auch für die Frage der Kollekten heute aufschlussreich.

Aufbruch

Der Gottesdienst wurde Mitte/Ende der 1960er Jahre zunehmend als erstarrt erlebt. Die Sprache wurde als formelhaft empfunden. Kollekten wurden leidenschafts-los und ohne tieferes Interesse angekündigt. Man gab seinen Obulus routiniert, ohne innere Beteiligung.

Wie die Gesellschaft, so kommt auch der Gottesdienst in Bewegung. Es werden neue Formen ausprobiert – und der Sinn der Kollekten neu entdeckt. Sie bekommen ein eigenes Gewicht. Der Gottesdienst überspielt diese Station nicht, sondern macht hier Halt, um die Menschen anzusprechen und zu bewegen. Menschen werden ein-geladen, um von ihrer oder der Not anderer zu berichten. Weil sich der Glaube „welt-bezogen“ versteht, bleiben die Kollekten nicht in der Kirche: Eine Delegation des Gottesdienstes macht sich auf, nimmt die Kollekte und übergibt sie der Initiative, für die gesammelt worden ist. Auch hier wird noch einmal deutlich: Mit der Kollekte ist mehr verbunden als das Sammeln von Geld. Es ist ein Handeln mit tieferer Bedeu-tung: In ihm bringt die Gemeinde zum Ausdruck, dass sie sich von der Not in ihrem näheren und weiteren Umfeld berühren lässt.

Verblüffend aktuell

Der Rückblick ist aufschlussreich: Deutlich wird, wie sich in der Frage der Kollek-ten das eigene theologische Selbstverständnis spiegelt: Was ist das für eine Gemeinde, die sich da versammelt? Bleibt sie bei sich selbst? Oder geht sie, von Gott angespro-chen, aus sich heraus – und auf die Not anderer zu?

Unsere Zeit heute ist eine andere. Sie tendiert eher dazu, sich auf spirituelle Such-bewegungen, also auf das „Innere“ des eigenen Glaubens zu konzentrieren statt sich von da aus nach außen zu öffnen. Vielleicht lässt deshalb der gottesdienst liche Auf-bruch damals heute aufhorchen, weil er uns anhält nach dem zu fragen, was unser Selbstverständnis ist und wie es sich in der – nur scheinbar nebensächlichen – Frage zeigt, wie wir mit unseren Kollekten umgehen.

Die folgenden praktischen Anregungen zu einer lebendigen Gestaltung der Kol-lekten wollen insofern nicht „technisch“ verstanden werden, sondern in einem tieferen Sinn theologisch. Die biblische Kollektenpraxis zeigt sich „verblüffend aktuell“ (Beyer 2009, 13). Auch wenn die Anregungen auf die gottesdienstliche Praxis im engeren

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PRAKTISCHE IMPULSE

Werben statt bekannt machen

Damit Gottesdienstteilnehmer sich mit einem Kollektenzweck identifizieren können, braucht es einen persönlichen Anknüpfungspunkt oder ein persönliches Gegenüber, von dem sie sich vorstellen können, dass gerade diesem Menschen ihre Gabe zugutekommt.

Beispiel: 2. Advent 2012 und 2013 Bekanntmachung: Die Kollekte ist bestimmt für die Arbeit der Bahnhofsmission.

Werbung: Vielleicht fahren auch Sie gelegentlich mit der Bahn. Da kommt es schon mal zu Verspätungen. Oder Sie haben einen Zug verpasst. Warteräume gibt es auf deutschen Bahnhöfen kaum noch. Wo also die Zeit verbringen? Am Ende landen Sie bei der Bahnhofsmission. Sie bekommen einen Kaffee. Und Zeit für ein Schwätzchen haben die auch. Es ist ordentlich was los bei der Bahnhofsmission: Schüler warten auf den Zug nach Hause und spielen Karten. Obdachlosen wird ein Brot geschmiert. Wer sein Portemonnaie mit der Fahrkarte verloren hat, bekommt hier Hilfe und wer nicht weiß, wie seine Anschlüsse funktionieren, auch. Neuerdings gibt es sogar Be-gleitdienste für Kinder von einer Großstadt in die andere. Das alles und noch mehr ist die Bahnhofsmission. Gemeinsam mit den Katholiken. Eine sinnvolle Sache!

Möglich nur mit Unterstützung von uns allen.

Beispiel: Lätare 2012Bekanntmachung: Die Kollekte ist bestimmt für das Projekt „Mit Kindern neu anfangen“.

Werbung: Sind wir als Gemeinde für die Jüngsten interessant? Manche Familien wis-sen kaum, was Kirche ihnen zu bieten hat. Deshalb gibt es das Projekt: „Mit Kindern neu anfangen“. Einladung zur Taufe, Impulse für die religiöse Erziehung, Gestaltungs-ideen für Feste in der Familie, gute Kinderbücher. Auch ein Besuch der Pfarrerin zum Tauftag oder Geburtstag und Einladung zu kindgemäßen Gottesdiensten gehört dazu. Das Material dafür kostet Geld. Stellen Sie sich vor, dass die Aktion auch Ihren Kin-dern oder Enkelkindern zugutekommt.

Beispiel: Das Kollekten-Interview… gehört zu den wirksamsten Werbemaßnahmen für Kollektenzwecke. Ein/e Vertre-ter/in der betreffenden Initiative wird in den Gottesdienst eingeladen und wird vom

Sinn bezogen sind, ist zu bedenken, dass „Gottesdienst“ biblisch gesehen auch der „Gottesdienst im Alltag der Welt“ ist und es von daher auch darauf ankommt, eine neue „Dankeshaltung gegenüber Gott“ (Beyer 2009, 141) einzuüben, „angefangen beim Tischgebet bis zum Teilen der Gaben mit der Not des Nächsten“ (ebd.).

Vom biblischen Verständnis der Kollekten her ist es angemessen, nicht nur bei Kasualien als anlassbezogenen, sondern auch bei besonderen Gottesdiensten in an-derer Form Kollekten einzusammeln – sie sollen dort so selbstverständlich sein wie sie es im Gottesdienst mit Kindern sind.

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Pfarrer oder Mitarbeitenden (auch Konfirmandinnen und Konfirmanden!) zum Kol-lektenzweck befragt oder erzählt von seiner/ihrer Arbeit. Das kann auch schon im Rahmen der Predigt geschehen. Je persönlicher und konkreter erzählt wird, desto stärker wird die Lust zu einer Gabe angeregt. „Lydia braucht einen Rollstuhl“ wirkt deutlicher als: „Unsere Einrichtung braucht Rollstühle.“

„Wir brauchen drei neue Gehhilfen. Eine kostet 300 Euro“ wirkt motivierender als: „Jährlich wird neues medizinisches Gerät benötigt.“ Auch das Vorzeigen eines Ge-rätes oder mitgebrachte Fotos verstärken den lebendigen Eindruck eines sinnvollen und nützlichen Zwecks.

Beispiel: Während des Gospelkirchentags in Hannover 2007 wurde wäh-rend eines Gottesdienstes in der Gospelkirche zur Unterstützung einer Gospelinitiative im Gefängnis aufgerufen. Der Gefängnisgeistliche war eingeladen und erzählte von der musikalischen Arbeit mit den Gefängnis-insassen. „Im November wollen wir wieder einen workshop anbieten. Dafür fehlen uns noch genau 500 Euro“. Ein Korb wurde herum ge-reicht. Am Ende des Gottesdienstes waren die 500 Euro beisammen.

Auf den Kopf gestellt – der Klingelbeutel

In W. wird auf Beschluss des Kirchenvorstandes die Sonntagskollekte mit dem Klingelbeutel beim Lied nach der Predigt eingesammelt und zum Altar gebracht (vgl. Begleitbuch 2005, 77). Im Rahmen der Predigt nimmt die Pfarrerin auf den Kollekten-zweck Bezug. Die Kollekte am Ausgang ist über einen längeren Zeitraum für bestimmte Zwecke in der eigenen Gemeinde vorgesehen, die im Rahmen der Bekanntmachungen erwähnt werden. Seit der Einführung dieser Regelung hat sich die Sonntagskollekte deutlich erhöht.

Die Verantwortlichen vermuten, dass es aus langer Tradition bei den Gottes-dienstteilnehmern noch „so drin“ ist, den Klingelbeutel großzügiger zu bedenken als die Ausgangskollekte. Es könnte auch sein, dass die Predigt stärkere Aufmerksamkeit bindet als die Bekanntmachungen und der Kollektenzweck die Gedanken der Zuhö-renden in diesem Zusammenhang nachhaltiger und verbindlicher beschäftigt. Viel-leicht ist es aber auch einfach so, dass die erste Sammlung in einem Gottesdienst immer die größere Chance hat als die am Ausgang, weil sie von denen, die mit dem Gottesdienst nicht so vertraut sind, wohl für „die“ Kollekte gehalten wird und sie kaum verstehen, dass man die „wichtigere“ Kollekte zeitlich nachordnet.

Jahresplanung für freie Kollekten

Da die neue Kollektenordnung deutlich mehr freie Kollekten vorsieht als bislang (zwei pro Monat), braucht es eine langfristige und umsichtige Planung für den jähr-lichen Kollektenplan. Im Kirchenvorstand wird dazu ein Kollektenausschuss gebildet. Dieser stellt einen Jahresplan für die Verwendung freier Kollekten auf. Dazu werden die verschiedenen Notwendigkeiten gesichtet und geprüft. Kriterien für die Bestim-mung können sich ergeben aus: Themen des Kirchenjahres, Projekten der Gemeinde, Beziehungen zu Partnergemeinden/-kirchen, Jahresthemen der Gemeinde, z. B. „Taufe“. Die freien Kollekten werden schwerpunktmäßig für Projekte mit Kindern und Jugend-lichen eingesetzt, für einen Glaubenskurs, für Arbeit mit jungen Familien usw.

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Der Jahresplan wird vom Ausschuss dem Kirchenvorstand vorgelegt und von diesem beschlossen.

Zu den Aufgaben des Kollektenausschusses kann auch gehören, die Informations-texte für den Kollektenplan kritisch auf ihre Werbewirksamkeit zu prüfen, gegebenen-falls weitere Infos dazu einzuholen und Einladungen an Interviewpartner zu organi-sieren.

Beten hilft – Dank und Fürbitten für Geber und Empfänger der Kollekte

Mitglieder des Kollektenausschusses (siehe oben) formulieren eine Sequenz für das Fürbittengebet des betreffenden Sonntags. Ein deutlicher Zusammenhang zwi-schen Fürbitte und Kollektenzweck macht die innere Verbindung zwischen beidem deutlich: An wen ich im Gebet denke, den bedenke ich auch mit meiner Gabe.

Beispiel für Ostersonntag / Kantate 2012: KirchenmusikWir danken dir Gott für die Musik,die uns stärkt, fröhlich macht, begeistert,schwere Gedanken vertreibt und uns Deine Nähe spüren lässt.Wie gut,dass wir singen und spielen, hören und genießen dürfen,wie Klänge uns verwandeln,uns den Himmel erahnen lassen.Wir bitten dich für alle,die unsere Kirchenräume mit Musik erfüllen,ihre Zeit und Kraft einsetzen,sich Mühe geben, damit alles schön gelingt.Segne ihr Tun, Gott.Lass sie Freude haben und Dankbarkeit erleben...

Alles langweilig? – Beteiligung von Konfirmandinnen und Konfirmanden

Konfirmandinnen und Konfirmanden können den Klingelbeutel herumgeben und gemeinsam mit Kirchenvorstehern die Kollekte am Ausgang einsammeln. Beim Zählen der Kollekte können sie den Verantwortlichen helfen. Im Rahmen der Bekannt-machungen wird ihr Name genannt und für ihren Dienst gedankt. Ist ein „Konfi-Pass“ eingeführt, wird der Kollektendienst darin als eine Wahlmöglichkeit angeboten.

Im Unterricht sollte über den Sinn gottesdienstlicher Kollekten gesprochen werden. Gelegentlich können Konfirmandinnen und Konfirmanden den Werbetext für eine Sonntagskollekte verfassen. Auch ein „Sparschwein“, mit dem die Konfir-mandengruppe für ein eigenes Jahresprojekt sammelt, für das sie Sponsorenlauf, Floh-markt, Verkaufsaktionen organisiert, macht Sinn – und den Konfirmanden Spaß.

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Dankopfer – Kollekten im Abendmahlsgottesdienst

Das Begleitbuch zur Agende I reflektiert das „Dankopfer“ bzw. „Dankopfer-gebet“ als fakultatives Element sowohl im Rahmen des Predigtgottesdienstes (77) als auch im Rahmen des Abendmahlsgottesdienstes (90).

Auch dort, wo der „Klingelbeutel“ kein selbstverständlicher Brauch ist, kann die Kollekte im Abendmahlsgottesdienst in deutlicher Verbindung zum Abendmahl „inszeniert“ werden und so ihr innerer Sinn als Ausdruck von Dankbarkeit und Freude gegenüber Gottes Wohltaten ebenso wie als Ausdruck von Geschwisterlichkeit / Soli-darität sinnenfällig werden. Da sich dieser innere Sinn für viele nicht von selbst ver-steht, sollte die Predigt in einem Abschnitt „Abendmahlsbesinnung“ (vgl. Reformierte Liturgie) darauf eingehen.

Die Gaben werden dann während des Liedes nach der Predigt (statt am Ende des Gottesdienstes) eingesammelt. Gleichzeitig wird der Abendmahlstisch bereitet. Die Kollektengaben werden zu den Gaben Brot und Wein auf den Altar gelegt, die „Gaben-bereitung“ mit einem kurzen Dankopfergebet abgeschlossen: Wir nehmen mit Freude und Dankbarkeit und teilen, geben weiter, was wir empfangen. Beides sind „zwei Seiten einer Medaille“. Es ist deshalb sinnvoll, sie in einem Ritual zu verbinden.

In diesem Zusammenhang ist der alte kurhessische Brauch zu erwähnen, nach Amtshandlungen oder nach dem Gang zum Abendmahl den Altar zu umrunden und die Kollekte auf dem Altar abzulegen. In diesem Brauch kommt der enge Zusammen-hang zwischen Empfangen und Geben für andere zum Ausdruck – die Bereitschaft, hier zu geben, ist hoch, denn wer wollte nach einem solchen Erleben „dem lieben Gott nur mit Pfennigen kommen“? Aber es muss auch gesehen werden, dass es eben dieser enge Zusammenhang ist, der in einem gewissen Sinn die Gefahr fördert, dass die Kollekte als „Bezahlung für das Abendmahl“ missverstanden werden könnte.

Roter Faden – mit der Kollekte beginnen

Verfremdungen wecken neue Aufmerksamkeit und sind geeignet, allzu einge-spielte Routinen zu durchbrechen. In einem thematisch ausgerichteten Gottesdienst zum Thema „Geld“ wird die Kollekte bereits am Eingang eingesammelt. Der Korb kann während des Orgelvorspiels nach vorn gebracht und gut sichtbar abgestellt werden. Die Begrüßung kann etwa so beginnen:

„Heute haben Sie Eintrittsgeld bezahlt, liebe Gottesdienstbesucher. Sonst zahlen Sie eher Austrittsgeld. Manchen geht das mit dem Geld bei „Kirchens“ eh zu weit, die machen mit dem Austritt dann richtig ernst und treten ganz aus der Kirche aus, damit sie gar nichts mehr zahlen müssen. Kein einfaches Thema: Geld in der Kirche, Geld im Gottesdienst. Nicht einfach aber wichtig! Deshalb ist es heute dran. Vielleicht erschließt sich Ihnen am Ende, warum wir die Kollekte heute schon am Eingang eingesammelt haben. Wer weiß – womöglich kriegen Sie am Ausgang noch mal Lust dazu! Gehen Sie’s locker an und mit Humor…

(Weiteres siehe unten Gottesdienstentwurf)

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Aktion „Anvertraute Pfunde“

Diese Aktion eignet sich für das „Erwirtschaften“ von Geld für die Finanzierung eines größeren Einzelprojekts (Bauprojekt, Anschaffung eines Instruments, Diakoni-sche und Partnerschaftsinitiativen usw.). Sie wird in einem Gottesdienst angeschoben und ebenso abgeschlossen. Sinnvoller Zeitrahmen: Ein halbes Jahr, etwa von Pfingsten bis zum Advent, Advent bis Ostern oä. Zum Auftakt bietet sich auch ein Gemeinde-fest an.

Ausgehend vom Gleichnis von den anvertrauten Zentnern / Pfunden (Mt 25, 14-30 / Lk 19,11-27), wird im Gottesdienst Geld verteilt (statt eingesammelt). Jeder, der mitmachen will, erhält z. B. 10 Euro. Das Grundkapital / Sicherheit kann aus der Gemeindekasse kommen, es wird ja wieder eingespielt. Oder ein wohlhabendes Ge-meindeglied, eine örtliche Firma etc. stellt den Grundbetrag als Spende zur Verfügung.

Mit dem erhaltenen Geld sollen die Teilnehmenden Zubehör / Material kaufen, um Geld für das Projekt zu erwirtschaften. Ein Handzettel mit Ideen wird mit dem Geld verteilt. Veröffentlichungen in der örtlichen Presse, im Gemeindebrief usw. multiplizieren den Effekt. In einem Abschlussgottesdienst wird der Erfolg gefeiert, das Ergebnis veröffentlicht, das Geld übergeben usw.

Beispiele für Ideen: Noten kaufen und Musik machen in der FußgängerzoneBeeren sammeln, Zucker kaufen, Marmelade kochen, beim Basar u. ä. verkaufen„Ich backe Ihren Geburtstagskuchen“ / Ihr Party-Brot / Brot backen auf BestellungKuchen backen für Gemeindeveranstaltungen Schuhputzzeug kaufen und Passanten die Schuhe putzenCocktails (ohne Alkohol) mixen und Passanten gegen Spende anbietenSuppentopf nach dem Gottesdienst„Ich repariere Ihr Fahrrad – mähe Rasen – schneide die Hecke – schaffe Altglas

weg – kaufe ein – fahre Sie zum Arzt…“ (u. a. Dienstleistungen)Streichholzschachteln bunt bekleben und mit je 1 Streichholzspiel + Anleitung

befüllen. Als Mitbringsel für 1 € verkaufenBücherbasar / Flohmarkt

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GGG: GOTT – GELD – GLÜCK Ein Gottesdienst zum Thema „Kollekten“

Vorbemerkung: In diesem Gottesdienst sollte nach Möglichkeit auch das Abend-mahl gefeiert werden. Wort und Sakrament sind Gaben, die wir empfangen. Sie stehen für alle Wohltaten Gottes. Die Kollekte ist dankbare Antwort darauf: teilen und weiter-geben des Empfangenen. Beides gehört im Gottesdienst zusammen.

GLOCKENGELÄUT

KOLLEKTE AM EINGANG (!) – siehe oben „Roter Faden“

ORGELVORSPIEL

Wer Lust und Fähigkeit zum Improvisieren an der Orgel hat, kann bekannte Schlager zum Thema anklingen lassen. Sie sollten das Vorspiel nicht dominieren, sondern nur zum „Auf-horchen“ anregen. Beispiele: Money, Money (ABBA), Wenn ich einmal reich wär (Musical „Anatevka“), Money makes the world go round (Musical „Cabaret“), Ohne Moos nix los (G. Gabriel), Was frag ich viel nach Geld und Gut (Volkslied) …

Nach einer kleinen Zäsur schließt sich die Heilig-Geist-Bitte an.

BITTE UM DEN HEILIGEN GEIST, EG 156 oder ein anderes Lied BEGRÜSSUNG

LITURGISCHER GRUSS (ortsüblich)

FREIE BEGRÜSSUNG UND EINFÜHRUNG INS THEMAEs wird immer schlimmer, liebe Gemeinde. Das haben Sie doch bestimmt beim Hereinkommen heute Morgen gedacht. Jetzt verlangen sie bei der Kirche auch noch Eintritt! Sonst wird ja wenigstens erst am Ausgang der Teller hingehalten und dann kann man mehr oder weniger rein tun, je nachdem wie die Pfarrerin gepredigt hat. Jetzt soll man wohl schon Vorkasse leisten, wie bei der Reinigung, damit sich keiner drückt oder so…Ach, dass es immer ums Geld gehen muss! Schlimm genug, dass es die Welt regiert! Muss es auch noch in der Kirche, sogar im Gottesdienst ein Thema sein? Geht es da nicht um die höheren Werte, um innere Besinnung, Begegnung mit Gott in seinem Wort und Sakrament? Schlimm genug, dass einen mittendrin immer der Klingelbeutel aus der schönsten Versenkung reißt – muss es mit dem Geld jetzt auch noch anfangen, bevor man die Kirche ganz betreten hat?Es muss, liebe Gemeinde, jedenfalls heute. Denn mit Beginn dieses Jahres treten neue Kollektenpläne in Kraft, nachdem unsere Kirche Ende 2010 eine neue Kol-lektenordnung beschlossen hat. Das ist ein Anlass übers Geld nachzudenken – und was es im Gottesdienst überhaupt zu suchen hat.Alles, was wir tun in dieser Stunde – Gott gebe seinen Segen dazu. (In seinem Na-men feiern wir, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.) Amen

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EINGANGSLIED Geld, Geld, Geld (siehe Anhang)oderEG 272, 1-3 (Str. 2+3 s. Anhang) Ich lobe meinen Gott von ganzem HerzenoderEG 274 Der Herr ist mein getreuer HirtoderEG 279, 1-4 Jauchzt alle Lande Gott zu Ehren

(Bei Wahl eines Psalm-Liedes entfällt der folgende Psalm)

PSALM 23 / EG 711 – von allen gemeinsam gesprochen

AUFFORDERUNG ZUM BITTRUFFrisches Grün, klares WasserNahrung für die Seele und den LeibTrost in dunklen Stunden –wissen wir eigentlich, wie gut es uns geht?Oft genug wissen wir es nicht und nehmen viel Gutes selbstverständlich hin.Ach Gott, erbarme dich!

BITTRUFHerre Gott erbarme dich…

AUFFORDERUNG ZUM LOBPREISManchmal wird uns blitzartig klar,wie viel Gutes wir genießen:Essen und Trinken,Kleider und Schuh,Wohnung, Arbeit – das tägliche Brot.Treue Freunde, gute Nachbarn,ärztlicher Beistand, Frieden: mehr als 60 Jahre schon,und noch viel mehr!„Gottseidank“ sagen wir dann, Gott – sei – Dank, Lob und Ehre im Himmel und auf Erden!

LOBPREISEhre sei Gott in der Höhe…

TAGESGEBETDu sorgst für uns, Gott,wie Eltern für ihre Kinder sorgen.Du hast uns Jesus, deinen Sohn, gegeben,einen Bruder und Freund den Befreier von Angst, Sorge und Schuld.Dein Geist macht dankbare Menschen aus uns,fröhliche, hoffnungsvolle,und treibt allen Griesgram aus.

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Worum sorgen wir uns noch?Du weißt, was wir brauchen.Du weißt, was in uns steckt.Du traust uns viel zu –mehr als wir uns selbst zutrauen.Öffne uns Herz, Verstand und Sinne.Leite uns auf deinem Weg.G: Amen.

LESUNG: Mt 19, 13-26 DIE KINDERSEGNUNG UND DER REICHE JÜNGLINGSpruch: Bei Gott sind alle Dinge möglich! – HallelujaG: HALLELUJA

GLAUBENSBEKENNTNIS (Alternativen: EG Seite 50 in drei Gruppen lesen, z.B. rechte Seite, linke Seite, L und Konfirmandinnen und Konfirmanden; oder: EG Seite 57, alle gemeinsam)

LIED VOR DER PREDIGT EG 197 Herr öffne mir die Herzenstür

PREDIGT ZU MATTHÄUS 19, 13-26 (siehe Lesungstext)Liebe Gemeinde,die Geschichte vom reichen Jüngling eben, der traurig und betrübt davon geht, weil er sich nicht trennen kann von seinem Besitz, macht die uns eigentlich auch traurig? Oder erschreckt sie uns wie die Jünger damals? Oder klammern wir uns an den letzten Satz, ohne den wir die Geschichte vielleicht gar nicht ertragen könnten: Bei Gott sind alle Dinge möglich – ein Glück?Es gibt noch eine andere Geschichte, auch von einem reichen Jüngling, die steht nicht in der Bibel, sondern die haben die Brüder Grimm erzählt. Im Original ist sie so umfangreich, dass es hier zu lange dauern würde, um sie vorzulesen, des-halb erzähle ich sie mit meinen Worten nach:Ein junger Handwerker namens Hans hat seinem Meister sieben Jahre lang treu gedient und möchte jetzt nach Hause. Der Meister entlohnt ihn mit einem Goldklumpen, dick wie sein Kopf. Auf dem Heimweg hat Hans nacheinander verschiedene Begegnungen, mit Menschen, mit Tieren – auch mit sich selbst. Jede Begegnung bringt ihn dazu, seine Habe einzutauschen gegen etwas vermeintlich Besseres. Das zeigt sich im Laufe seines Weges dann auch von einer nachteiligen Seite, weswegen Hans es leichten Herzens weg gibt. So tauscht er den Goldklumpen gegen ein Pferd, das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen ein Schwein, das Schwein gegen eine Gans und die Gans schließlich gegen einen Schleifstein. Der fällt ihm dann zuletzt in einen Feldbrunnen – alles weg! Armer, dummer Hans! Aber von wegen: „So glücklich wie ich“, rief er aus, „gibt es keinen Menschen unter der Sonne.“ Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter war.“So erzählen es die Grimms. Das Märchen von Hans im Glück. Wir belächeln ihn, diesen dummen Jungen. Dumm? Vielleicht beneiden wir ihn auch heimlich, weil er so unverschämt frei und unbeschwert durchs Leben springt. Die Dinge des Lebens sind ihm alle gleich wert und wichtig. Was auf ihn zukommt, das ergreift er, freut sich dran und lässt es bei nächster Gelegenheit wieder fahren: Ich muss mit einer Glückshaut geboren

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sein ruft er bei einem seiner Tauschgeschäfte begeistert aus, alles, was ich wünsche, trifft mir ein wie einem Sonntagskind!

Ich glaube, liebe Gemeinde, Jesus hätte an diesem Hans seine Freude. Weil er selbst so einer ist wie der! Auch ein Sonntagskind! Der, nach dem alle Sonntagskinder die-ser Welt überhaupt ihren Namen haben. Denn der Sonntag ist ja sein Tag. „Tag des Herrn“ sagen wir doch und denken an Ostern und meinen IHN und keinen anderen. Jesus, das Sonntagskind, das alles hingegeben hat – am Ende sich selbst.Jesus, der die Kinder in die Mitte stellt und sagt: Solchen gehört Gottes Reich: das Land des Friedens und der Gerechtigkeit, das Land der reinen Herzen, der Sanft-mut und Barmherzigkeit. Das Land, in dem noch keiner war und nach dem doch viele sich sehnen, himmlische Heimat, die durch Jesus auf die Erde kam, ein für allemal sichtbar wurde.

(An dieser Stelle kann Anhang 3 eingefügt werden. Dann entfällt der folgende Abschnitt und die Predigt wird mit dem übernächsten Abschnitt [„Thema Kollekten“] fortgesetzt.)

Reicher Jüngling – Hans im Glück – Jesus . Alles lange her und weit weg? Vielleicht nicht so weit! Sonst könnten das Märchen und die Geschichte aus biblischer Zeit nicht so lebendig zu uns sprechen. Gerhard Polt, der bayerische Kabarettist, sagt in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: „Rein philosophisch geht es um die Frage: Hab ich es, das Geld, oder es hat mich?“ So einfach kann die Frage sein (obwohl sie für viele Menschen so einfach eben auch nicht ist, z. B. für solche, denen sich die Frage nach „Haben“ gar nicht stellt, weil sie am Existenzminimum leben). Jeder von uns kann sich da an die eigene Nase fassen und sich fragen: Hab ich es oder hat es mich? Wie frei bin ich eigent-lich im Umgang mit meinem Haus, meinem Konto, meinen Versicherungen? Woran hängt letzten Endes mein Herz?

Und damit sind wir beim Thema Kollekten, liebe Gemeinde. Dass in jedem Gottes-dienst Geld gesammelt wird, einmal oder zweimal, das ist nicht, weil „die bei der Kirche“ den Hals nicht voll kriegen oder Spaß daran haben, anderen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Es ist auch nicht als eine Bezahlung für gute Predigt oder schöne Musik zu verstehen. Das Geld im Gottesdienst ist eher eine Art Antwort. Konsequenz aus dem Hören des Evangeliums.Gottes Wort macht uns klar, wer wir sind als Menschen in dieser bunten und ver-worrenen Welt. Wer wir sind als Geschöpfe Gottes und als seine geliebten Kinder. Wer wir sind als Brüder und Schwestern des einen himmlischen Vaters. „Vater unser im Himmel“ beten wir und das bedeutet jedes Mal: Nicht „ich“ sondern „wir“. Wir gehören zusammen: mit anderen Christinnen und Christen, mit anderen Geschöpfen auf dieser Erde, mit denen, die es schlechter haben als wir, mit denen, die uns helfen, wenn wir in Not geraten. Wir gehören zusammen auch mit denen, die unsere Kirche leiten, mit denen, die nichts von der Kirche halten, mit denen, die auf Kosten anderer leben, mit denen, die im Leben scheitern und versagen und mit denen, die Glückspilze sind.

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Im Gottesdienst hören wir, dass nichts im Leben uns von Gott trennt. Dass wir verbunden sind mit ihm, dem Herrn des Lebens und dieses Band reißt nichts und niemand durch. Nichts kann uns trennen von Gottes Liebe, die in Christus Jesus ist, unsrem Herrn, sagt Paulus im Römerbrief. Was soll schon passieren? Ja, passieren kann viel, Grauenhaftes, Schmerzliches, Böses, Tod und Teufel. Das kann passieren und passiert. Aber es muss uns nicht fertig machen. Wir lassen uns nicht unterkriegen, weil Gott auf unserer Seite steht. Das glauben wir. Und manch-mal glauben wir’s auch nicht. Und wir gehen in den Gottesdienst, damit wir’s neu glauben können und unser Gottvertrauen gestärkt wird. So ist es doch. Und dann gibt es diese Momente, wo auf einmal, blitzartig geradezu, alles ganz klar ist und wir spüren, dass wir im Tiefsten unverwundbar sind und keiner uns was kann. Ein wunderbares Gefühl. Ein großer Gedanke. Singen möchtest du dann, wie Paul Gerhardt in seinem Osterlied: Die Welt ist mir ein Lachen mit ihrem großen Zorn. Und dann lachen wir tatsächlich: auch über unsere Sorgen, auch über unsere Geldsorgen und über das schnöde Geld überhaupt. Und wir machen unser Porte-monnaie auf und tun alles rein in den Korb, was drin ist, für „den guten Zweck“. Bei den einen ist das ein Euro und bei anderen zehn und bei einigen 100 – egal! Die ganze Welt könntest du umarmen und beglücken in einem solchen Augen-blick, aus Freude, aus Dankbarkeit, erfüllt von Lebenslust und Lebendigkeit. Und weil das niemand kann, die ganze Welt umarmen und beglücken, beglücken wir doch immerhin die, denen unsere Kollekte zugute kommt. Jeder von uns hat solche Sternstunden des Glaubens schon erlebt und wenn nicht, dann wünsche ich es Ihnen von Herzen. Wir können solche Erlebnisse nicht ma-chen. Sie kommen und sie gehen. Es ist Gottes Geist, der sie wirkt und um den wir bitten, jedes Mal, wenn wir singen „Komm, heiliger Geist“, erfüll unsere Herzen, entzünde das Feuer deiner göttlichen Liebe in uns.Die neue Kollektenordnung tut das ihre dazu, dass wir Freude am Spenden haben können, mehr über die Spendenzwecke erfahren, mehr mitbestimmen können, wofür das Geld eingesetzt wird. Zweimal im Monat dürfen hier Gemeinden jetzt selbst einen Spendenzweck bestimmen, das ist mehr und besser übers Jahr verteilt als früher. Und wer Geld aus dem Kollektentopf haben möchte: Einrichtungen, Projekte, Initiativen, muss das richtig gut begründen und sich dafür bewerben. Darüber haben sich viele schon geärgert, und es ist trotzdem richtig.

Zum Schluss noch einmal: Der reiche Jüngling. Traurig geht er davon. Für dieses Mal hat er das „ewige Leben“ verpasst: Die Seligkeit, die in der Freiheit läge, die das pure Gottvertrauen schenkt. Nicht das perfekte Halten der Gebote macht glücklich und frei, nicht die vielen Besitztümer sind es, die das Leben garantieren. Am Ende ist es nur die Liebe, die zählt. Gottes Liebe und die Liebe der Menschen, die um uns sind. Fröhlich und befreit springt der glückliche Hans am Ende des Märchens seiner Mutter in die Arme. Bei Gott sind alle Dinge möglich, sagt Jesus am Ende der Geschichte. Ein wunderbarer Satz, der alle Chancen offenhält: für einen traurigen Jungen ebenso wie für jeden, sei er oder sie reich oder arm oder so „mit-tel“, wie die meisten von uns heute morgen hier in der Kirche. Chancen auch für … (Kollektenzweck des Sonntags beschreiben). So segne Gott unser Geben und Nehmen. Heute und alle Tage unseres Lebens. Amen.

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LIED NACH DER PREDIGTEG 579 Das Weizenkorn muss sterben (v. a., wenn anschließend Abendmahl gefeiert wird)oderEG 251 Herz und Herz vereint zusammen (in Auswahl)oderEG 253 Ich glaube, dass die Heiligen im Geist Gemeinschaft habenoderEG 599 Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt

ABKÜNDIGUNGEN

DANK- UND FÜRBITTENGEBET (für mehrere Sprecherinnen und Sprecher)1. Guter Gott,wir leben von deiner Güte, Tag für Tag.Du machst uns reichdurch dein Wort,durch Spiel und Musik,durch die Liebe von Menschen,durch die Kraft der Natur.Deine Gegenwart durchströmt alles Leben.Dafür danken wir dir.

2.Wir bitten dichfür alle, denen Lebensnotwendiges fehlt:Menschen ohne Heimat und Haus,ohne Liebe und Brot,ohne Hoffnung und Zuversicht.Kinder ohne Eltern,Bauern ohne Land,Arbeit Suchende,schlecht Bezahlte,unwürdig Behandelte,um ihr Geld Betrogene.

Für sie alle rufen wirG: Gott, erbarme dich

3.Wir bitten dich für alle,die zu viel des Guten haben,denen ihr Reichtum das Herz verhärtetund den Blick verstellt,die nicht an andere denken,die nichts für andere wollen,die keine Ahnung davon haben,wie viel Glück im Teilen liegt.

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Für sie alle rufen wirG: Gott, erbarme dich

4.Wir bitten dich für uns selbst:wenn wir kleinkariert denken,wenn wir kleinmütig handeln,wenn wir kleingläubig sind,nur das Negative sehen,uns nichts zutrauen,dem Leben nicht,und vor allem dir nicht, Gott,dem doch alle Dinge möglich sind!

Für uns alle rufen wirG: Gott, erbarme dich

STILLES GEBETVATERUNSER

MITTEILUNGEN

LIED ZUM ABSCHLUSSEG 347 Ach bleib mit deiner GnadeoderEG 170 Komm, Herr, segne uns (v. a. Strophe 2!)

SEGEN

ORGELNACHSPIEL

(Gelegenheit zur Fortsetzung der Kollekte am Ausgang)

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ANHANG ZUM GOTTESDIENST

Strophen zu EG 272: Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen

Predigtbausteine

Die folgenden Beispiele können nach eigenem Ermessen in die Predigt eingefügt werden. Die Stelle ist entsprechend markiert.

Denkbar ist auch, z. B. im Rahmen einer offeneren Gottesdienstform, die Interviews an die Stelle von Teilen der Eingangsliturgie zu setzen. So passt Bushido in den Bereich der Klage, Gerhard Polt in den Bereich des Lobs, Anselm Grün in den Bereich von Lesung und Bekenntnis.

Die Stimmen der Interviewpartner sollten von verschiedenen Männern gelesen werden, am besten nur akustisch wahrnehmbar: die Stimme Bushidos möglichst von einem Jugend-lichen, die Stimme Polts von jemandem mit bayerischer Sprachfärbung.

Reicher Jüngling – Hans im Glück – Jesus. Alles lange her und weit weg. Reiche Jünglinge (oder Ältlinge) und glückliche Hanseln, die gibt es aber heute auch. Und sogar welche in den Fußstapfen Jesu! Vor einiger Zeit hat die Süddeutsche Zeitung eine Interviewreihe veröffentlicht, die jetzt auch in Buchform erschienen ist. Titel: Reden wir über Geld. 50 Interviews über Geld und Leben.

Zum Beispiel der Rapper Bushido (S. 129-132), berühmt-berüchtigt wegen sei-ner krassen, politisch unkorrekten Songtexte. Bushido hat als Jugendlicher mit Drogen gedealt. Der Reporter fragt ihn: Wie kamen Sie vom Dealen los? Bushido: Irgendwann reute mich das Geld für die Drogen. Ich fand Geld haben einfach viel cooler als Kiffen. Geld macht zwar extrem abhängig, aber es ist einfach die geilste Droge von allen.

Später im Gespräch geht es um Liebe. Der Reporter fragt: Haben Sie eine Freundin, eine Liebe? Bushido: Nee. Es gibt zwar eine Menge Frauen, die nur auf mich warten. Aber ich will eine, bei der ich das Bushido-Ding total raushalten kann und mit der ich nicht nur im Bett Spaß habe. Der Reporter: Sie verlieben sich nicht leicht. Bushido: Vielleicht. Irgendwie bin ich einfach nicht glücklich. Manchmal fühle ich mich wie König Midas, dem alles zu Gold wurde, was er anfasste, und der am Ende verhungerte. Leute wie Boris Becker oder die Klitschkos geben mir die Hand und sagen mir, wie cool sie mich finden. Aber am Ende des Tages stehe ich da und denke mir: das soll mein Leben sein? Dann bin ich total depressiv.

Bushido: ein trauriger Jüngling, millionenschwerreich. Was würde ihn glück-lich machen? Eine, die in ihm nicht nur Bushido sieht und sich aus seinem Geld nichts macht, sondern aus ihm selbst, zum Beispiel.

Einen glücklichen Hans, gibt’s den auch in diesem interessanten Buch? Aber gewiss! Nehmen wir doch Gerhard Polt (S. 32-35). Der „größte lebende bayerische Kabarettist“ im Gefolge von Karl Valentin. Gerhard Polt sagt gleich zu Anfang des Interviews: (Geld) Das ist natürlich ein Thema wie Glaube, Liebe, Hoffnung. Da kannst dir Zeit lassen. Das geht ja zurück bis in die frühesten menschlichen Kulturen …

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Rein philosophisch geht es um die Frage, hab ich es, das Geld, oder hat es mich? Später fragt der Reporter: Sind Sie reich? und Polt antwortet: Mei, reich. Vielleicht reich an Erfahrung. Ich bin, wie es im Lateinischen heißt, „bene stante“, also es geht mir gut … Ich hab keine Aktien. Eigentlich bin ich der Meinung, dass Wein die beste Geldanlage ist. So ein schöner Barbera d’Asti … Man geht in den Weinkeller, er reift, man grüßt ihn, man kennt ihn schon.

Wirklich, ein glücklicher Hans, dieser Gerhard Polt, der sein Vergnügen am Leben hat und vor allem an den absurden Seiten des Lebens, sonst wäre er nicht Kabarettist.

Von den prominenten Christen haben sie in ihrem Buch nur einen befragt: Anselm Grün (S. 85-89). Der Benediktinerpater aus dem Kloster Münsterschwarzach hat allein mit seinen Veröffentlichungen Millionen verdient, die alle dem Kloster zu-geflossen sind. Im Kloster ist er der Cellerar, d. h., der Finanzchef. In dieser Funktion macht er auch lukrative Börsengeschäfte. Anselm Grün sagt: Wenn ich unterwegs bin, genehmige ich mir manchmal einen Cappucino in der Raststätte, das ist mein Luxus. Aber ich gebe keine 50 Euro Bargeld im Monat aus.

Der Reporter fragt: Geld reizt Sie nicht? Grün: Geld, das mir gehört? Überhaupt nicht. Ich sehe, wie das Geld viele Menschen hart macht. So will ich nicht werden. Geld gefährdet die innere Freiheit. Eigentlich könnten Menschen mit viel Geld sorg-los und frei sein. Aber oft kreisen gerade reiche Leute mit ihren Gedanken immer nur ums Geld. Es gibt Reiche, die glücklich sind, natürlich. Aber das sind die, die inner-lich frei von diesem Reichtum sind.

Später kommt noch folgende Frage: Wenn Sie über Ihre Einnahmen verfügen würden, könnten Sie mit dem Geld Gutes tun, wann Sie wollen. Die Antwort: Ich entscheide ja gemeinsam mit dem Abt, wo das Geld hin geht – in unsere Schule zum Beispiel. Die Kirche zieht sich aus den Bildungshäusern zurück, dagegen setzen wir ein Zeichen. Manchmal spenden wir. Ich erhalte viele Bettelbriefe…

Einer auf den Spuren Jesu, dieser Mönch. Dem das einfache Leben genügt. Der viel mit Geld zu tun hat – aber es ist eine Art kreatives Spiel für ihn, dem Kloster Ein-nahmen zu verschaffen. Für sich selbst interessiert es ihn nicht.

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„SIE GABEN’S DEM HERRN FREIWILLIG UND VON GANZEM HERZEN…“

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THEOLOGISCHE ÜBERLEGUNGEN*

„Die Kollekte vom vergangenen Sonntag erbrachte 65,75 €. Heute ist die Kollekte am Ausgang für gesamtkirchliche Aufgaben der EKD bestimmt. Im Klingelbeutel sammeln wir für die eigene Gemeinde.“

Spätestens jetzt scheint man beim unangenehmen Teil des Gottesdienstes angelangt. Wen interessiert schon, ob letzte Woche 45 € oder 65 € zusammengekommen sind? Und wer kann sich etwas unter „gesamtkirchlichen Aufgaben der EKD“ vorstellen? Aber man legt etwas Kleingeld ein, weil es nun mal dazugehört. Wer weiß schon so genau, was damit wirklich geschieht?! Und überhaupt: Man zahlt ja schon Kirchensteuer. Dann sammelt noch ein Förderkreis, und regelmäßig tauchen Konfirmanden an der Haustür auf und bitten um Spenden für die Diakonie. Das müsste doch reichen für die kirchlichen Haushalte?

Scheinbar nicht: Kaum betritt man die Kirche, wird man erneut zur Kasse gebeten. Und das nicht einmal, sondern womöglich gleich zweimal! Das einzig Tröstliche: Der Kir-chenvorsteherin mit dem Klingelbeutel scheint die Angelegenheit selbst mindestens genauso peinlich zu sein…

Solche oder ähnliche Gedanken sind vielen Gottesdienstteilnehmern nicht fremd. Sie sind nachvollziehbar, aber sie weisen auch auf ein Defizit hin: Es mangelt vielfach an Verständnis dafür, worum es bei der Kollekte im Gottesdienst eigentlich geht. Und dies scheinbar nicht nur auf Seiten der Gottesdienstteilnehmer, sondern bisweilen auch bei denen, die den Gottesdienst mit gestalten und über Jahre hin Kollekten erbitten. Wie kann diese Bitte überzeugend begründet und kommuniziert werden?

Hier weiter zu helfen, ist das Ziel der vorliegenden Handreichung. Sie geht der Frage nach, was die Kollekte ihrem Ursprung und Wesen nach ist: Was ist ihr Sinn? Worin liegt ihr theologischer Grund? Kann sie als wesentlicher Teil des Gottesdienstes (wieder-)entdeckt werden – und wenn ja: wie?

Diese Fragen werden aus verschiedenen Perspektiven in den Blick genommen: aus biblischen, kirchengeschichtlichen, systematisch-theologischen, praktisch-theo-logischen sowie ökumenischen Perspektiven. Abschließend werden mögliche Kon-sequenzen für die zukünftige Kollektenpraxis bedacht.

Die Bezeichnung „Kollekte“ wird im Folgenden in einem weiten Sinn gebraucht als eine freiwillige, zweckgebundene Geldsammlung in gottesdienstlichem Rahmen, die sowohl den „Klingelbeutel“ als auch die „Ausgangskollekte“ umfasst.

Biblische Perspektiven

Die so verstandene „Kollekte“ gehört, biblisch gesehen, in die grundsätzliche Problematik „Gott und Geld“ hinein. Vor allem zwei Dimensionen sind dabei wichtig, die voneinander unterschieden, aber aufeinander bezogen sind: das Abgabenwesen einerseits und die soziale Verantwortung andererseits.

* Der folgende Text ist eine ursprünglich eigenständig konzipierte Handreichung der Theologischen Kammer. Insofern kommt es zu geringfügigen Überschneidungen mit den bisherigen Überlegungen.

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Altes Testament (AT)Das im AT ausführlich thematisierte Abgabenwesen umfasst etwa die Darbrin-

gung des Zehnten (3. Mose 27,30ff u.a.) und der Erstlinge von Tieren und Früchten (2. Mose 13,15 u.a.), ferner pflichtmäßige und freiwillige Abgaben für Bau, Unter-haltung und Betrieb des Heiligtums (2. Mose 25), Weihegaben in Gestalt von Grund-stücken, Lebewesen oder Geld für den Tempel bzw. sein Personal und überhaupt die vielerlei freiwilligen Leistungen wie Gelübde, Dankopfer etc. (z. B. Psalm 66,13f.). In manchen Fällen haben diese Gaben eine soziale Komponente, insofern sie mit ande-ren geteilt werden (etwa der „Armenzehnte“ oder auch viele Opfermahlzeiten – s. 5. Mose 14,28f.); primär aber geht es in all dem um Opfergaben an Gott, in denen die von Abhängigkeit, Dankbarkeit und Verpflichtung geprägte Beziehung zu ihm eine verbindliche, institutionelle Gestalt gewinnt.

Die Dimension der sozialen Verantwortung über-schneidet sich teilweise mit dem Abgabenwesen, soweit sie die Bereitschaft zur Freigiebigkeit gegenüber Armen einschließt. Sie geht aber entscheidend darüber hinaus und hat ein ganz eigenes Gewicht. Das zeigt sich beson-ders daran, dass das Zivilrecht der Tora selber Grund-regeln des Erbarmens und der Fürsorge festschreibt, wie etwa in den Bestimmungen über Pfandnehmen, Zinsverbot, Schuldenerlass, Landrückgabe, Sklavenfreilassung u. v. m.: Die sozial Schwachen sind damit nicht allein von freiwilligen Almosen ab-hängig, sondern haben einen Rechtsanspruch auf ein Mindestmaß an gesellschaft-licher Unterstützung.

Worin sich diese biblische Theorie und Praxis von dem sonst im Alten Orient Üblichen besonders charakteristisch unterscheiden, ist die fundamentale theologi-sche Begründung, die sie in der Tora erhalten: nämlich die Befreiung Israels aus der Sklaverei durch Gott (5. Mose 6,20ff. u. v. a.), daneben auch der Segen Gottes, aus dem sein Volk lebt. Beides, Befreiung und Segen, zielen darauf, im alltäglichen Mit-einander als tragende Grundlagen entdeckt und bewährt zu werden: Das von ihnen her gestaltete, alttestamentliche Abgaben- und Sozialwesen dient darum der Ein-übung in ein Leben als Befreite und Gesegnete (s. z. B. 5. Mose 14,23f.).

Diese hier grob skizzierte Programmatik (in der theologischer Anspruch und soziale Wirklichkeit durchaus zweierlei sind) ist im AT auch darum so vielfältig aus-gearbeitet, weil vielgestaltiger, starker Widerstand menschlicher Gier und Selbst-behauptung nicht zu unterschätzen war und ist: Die schneidende Kritik von Propheten wie Amos, Jesaja, Jeremia und anderen weist auf die eine stets aktuelle Versuchung hin, Gottesdienst und soziale Verantwortung voneinander zu trennen; demgegen-über machen gerade die Propheten geltend, dass die Abgaben an den Tempel und der Einsatz für die Armen um des rettenden Gottes willen unlöslich zusammengehören (Amos 5,21-24; Jesaja 58 etc.). Die andere, noch elementarere Verlockung, Abgaben überhaupt zu verweigern oder nur widerwillig herzugeben, wird in den Texten eben-so erkennbar: sei es durch ausdrückliche Thematisierung der Konflikte darum (Nehe-mia 10,33ff. u. a.), sei es durch programmatische Gegengeschichten, etwa von der überschwänglichen Spendenbereitschaft beim Bau des Zeltheiligtums der Mosezeit in der Wüste (2. Mose 35,20ff.) und später bei der Vorbereitung zum Tempelbau unter David (1. Chronik 29,1-14). In dem ‚utopischen Überschuss‘ dieser beiden Szenen, die mit der geschichtlichen Wirklichkeit erkennbar kontrastieren, wird das eigent-liche Anliegen allen Gebens, nämlich die bestimmende Dankbarkeit gegenüber Gott und das auf seine Barmherzigkeit antwortende freie, fröhliche Herz beispielhaft vor

Die sozial Schwachen haben einen Rechtsanspruch auf ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Unterstützung.

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Augen gestellt: „Das Volk war fröhlich, weil sie so willig waren; denn sie gaben es dem HERRN freiwillig und von ganzem Herzen…“ (1. Chronik 29,9).

Ins Universale geweitet erscheint der hier aufscheinende utopische Überschuss schließlich in der Hoffnungsvision einiger prophetischer Stimmen, dass eines Tages alle Völker aus freiem Antrieb zum Zion strömen und ihre Schätze herbeibringen wer-den, um mit allem, was sie sind und haben, versöhnt miteinander und mit Israel, im Dienst des Einen Gottes zu leben (v. a. Jesaja 60,1-6).

Neues Testament (NT)Die Botschaft vom angebrochenen Reich Gottes erneuert und radikalisiert im NT

die Abwendung von allen weltlichen Sicherheiten, um Gott allein das Feld zu bereiten. „Gott oder Mammon“ – ins Licht dieser Alternative rückt Jesus den Evangelien zufolge das Verhältnis seiner Jüngerinnen und Jünger zum Besitz (Matthäus 6,24). Er selbst lebt

den Besitzverzicht radikal vor und verlangt ähnliches von denen, die er zu seinen Gesandten beruft (Lukas 9,1-3). Zugleich empfängt die sich um ihn sammelnde Bewegung beträchtliche materielle Unterstützung durch Sympathi-santinnen und Sympathisanten (Lukas 8,3), von denen keineswegs derselbe radikale Besitzverzicht erwartet wird.

Die Apostelgeschichte (2,44-47) bewahrt die Erfah-rung und den Anspruch der Frühzeit auf: die, die im Licht des Reiches Gottes leben, können im Grunde nicht anders als fröhlich und frei allen Besitz mit anderen zu tei-len; so geben sie an ihrer Stelle Zeugnis von der begonnenen messianischen Ver-wandlung der Welt. Laut der lukanischen Darstellung hat darum die Urgemeinde in Jerusalem radikale Güter gemeinschaft um des Evangeliums willen praktiziert – offen-bar so radikal, dass sie bald als „die Armen“ apostrophiert und schließlich auch durch Spenden aus den heidenchristlichen Missionsgemeinden unterstützt wurden (Galater 2,10; 2. Korinther 8,14; Apostelgeschichte 11,29; Römer 15,26).

Was diese insbesondere durch Paulus bekannte „Kollekte“ wesentlich von einer rein karitativen Sammlung unterscheidet, ist die verwandelnde Erfahrung, die ihr zugrunde liegt und die Paulus auf die Kurzformel bringt (2. Korinther 8,9): „Christus, ob wohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, damit ihr durch seine Armut reich würdet.“ Menschen werden hier darauf angesprochen, dass ihr größtes Glück und ihr ent scheidender Reichtum darin bestehen, unverdient in die Gemeinschaft mit Gott hineingeholt worden zu sein. Sie kann es, so meint Paulus, nicht kalt lassen, was dieses Geschehen den Gesalbten Gottes selber gekostet hat; und darum werden sie auch seinen Boten, der Urgemeinde in Jerusalem, die um der Bezeugung des Evan-geliums willen arm geworden ist, die nötige Hilfe nicht verweigern. Damit gewinnt diese Kollekte ein ökumenisches Profil besonderer Art: als Ausdruck der Verbunden-heit von Menschen aus der Völkerwelt mit den jüdischen Jüngerinnen und Jüngern des Messias Jesus war die Sammlung gleichsam eine praktische Probe aufs Exempel der urchristlichen Verkündigung, der zufolge das bisher kaum Denkbare wirklich ge-worden, nämlich der „Zaun der Feindschaft“ (Eph. 2,14) zwischen Juden und Heiden niedergelegt und die von den Propheten für die Endzeit angekündigte, neue Welt Got-tes angebrochen war. Daher die herausragende Bedeutung, die diese Kollekte Paulus zufolge bei der grundlegenden Missionsvereinbarung in Jerusalem hatte (Galater 2,10) und die er ihr selber bei seinen Reisen beimaß, indem er nachdrücklich für diese Samm-lung warb (1. Korinther 16,1f.; 2. Korinther 8f.) und den Ertrag schließlich eigenhän-dig nach Jerusalem brachte (Römer 15,25-28).

Jesus lebt den Besitzverzicht radikal vor und verlangt ähnliches von denen, die er zu seinen Gesandten beruft.

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Über den Sammlungsvorgang im Einzelnen lässt sich kaum Sicheres sagen; ob 1. Korinther 16,2 auf eine sonntägliche Kollekte im Gemeindegottesdienst hindeutet, ist ungewiss. Wichtiger für die hier vorliegende Fragestellung aber ist, wie Paulus den Sinn der Kollekte bestimmt; in 2. Korinther 9,12-14 nennt er die vier Dinge, um die es v. a. geht: die Milde-rung materieller Not, die Danksagung an Gott (durch die Empfänger der Gabe!) und die wachsende Gemeinschaft von Gebenden und Empfangenden im Teilen und Feiern der Frohen Botschaft, verbunden mit dem fürbittenden Eintreten füreinander. In der Kollekte kommt insofern verdichtet zum Ausdruck, dass die gottesdienstliche Ver-sammlung und der „vernunftgemäße Gottesdienst“ im Alltag der Welt (Römer 12,1) unaufhebbar verbunden sind, weil Gebet und Gabe, geistliche und materielle Verant-wortung füreinander vor Gott von der Ursprungssituation der Kollekte her zusammen-gehören. Es ist daher ein Stück gemeinsame Auslegung des Evangeliums, was im Geben und Empfangen der Kollekte geschieht, weil dieser Vorgang in drei facher Weise antwortet auf die Botschaft von der Gnade Gottes über Juden und Heiden: Not lindernd, Gott lobpreisend, Gemeinschaft stärkend. Diese Antwort ist als solche nicht zu trennen von der Verkündigung des Evangeliums selbst; insofern gehört sie der Sache nach grundsätzlich in den christlichen Gottesdienst hinein.

Ertrag: Es ist eine biblische Grunderfahrung: Wo die Gnade Gottes menschliche

Herzen erreicht, werden sie auch frei zum Abgeben, Teilen und Eintreten für andere in Not; so gewinnt die Gemeinschaft derer Gestalt, die sich – im Geben wie im Emp-fangen – miteinander als von Gott Beschenkte und zu seinem Lob Berufene wissen.

Die Exodusgeschichte im AT, das Christusgeschehen im NT und in beiden Teilen der Bibel die Erfahrung des Segens Gottes sind darum die entscheidenden theologischen Koordinaten auch für alle Regelungen zum Kollektenthema.

Die biblischen Schriften setzen dabei nicht darauf, dass alles, was dem Leben aus der Befreiungstat Gottes entspricht, immer spontan und aus eigenem Antrieb ge-schieht. Darum kennt besonders das AT Systeme von Pflichtabgaben und sichert das Eintreten für die Bedürftigen auch in rechtsförmiger Gestalt. Es gibt insofern eine „Einübung“ in das Leben der Befreiten, die die Bereitschaft des Herzens anbahnen hilft, aber nicht voraussetzt.

Der eigentliche Sinn all dieser Regelungen aber kommt dort ans Licht, wo ein Mensch die von Gott geschenkte Freiheit auch zum Abgeben und Teilen von ganzem Herzen praktiziert – aus Liebe zu ihm und seinen Geschöpfen.

Dabei kommt dem Unterschied zwischen pflichtmäßigen und freiwilligen Gaben nur relative Bedeutung zu: denn auch Freiwilligkeit als solche kann berechnend sein, wie umgekehrt Pflichterfüllung von ganzem Herzen nicht nur denkbar ist, son-dern erhofft und angebahnt wird (5. Mose 10,12 u. v. ö.). Dem entspricht, dass Paulus (2. Korinther 8f.) einerseits eine Kollektenverpflichtung der Gemeinden als Ganzen kennt (Galater 2,10) und zugleich um deren freiwillige, würdige Erfüllung wirbt in dem Wissen, dass die Höhe der Gaben ins individuelle Ermessen gestellt ist (2. Korinther 8,8).

Für eine biblisch verantwortete kirchliche Kollektenpraxis heute hängt dem-nach Entscheidendes davon ab, ob es gelingt, das Evangelium von dem, „der reich ist und doch arm wurde, damit wir durch seine Armut reich würden“ im Gottesdienst

Geben und Empfangen antwortet auf die Botschaft von der Gnade Gottes: Not lindernd, Gott lob-preisend, Gemeinschaft stärkend.

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auf solche Weise laut werden zu lassen, dass die Kollekte als praktischer Kommentar hierzu eine fröhliche Selbstverständlichkeit werden kann.

Kirchengeschichtliche Perspektiven

Alte Kirche und MittelalterIn der Alten Kirche kommen Kollekten vor allem unter dem Aspekt des Almosen-

gebens in den Blick. Ausgehend von der Aufforderung Almosen zu spenden, ver-wendet z. B. Leo I. in seinen Predigten das Wort „Kollekte“ im Sinn einer gezielten (zusätzlichen) Sammlung (collectio) für die Armen.

Almosen/Kollekten sind die biblisch gebotenen Gaben für die Armen und Ausdruck der christlichen Nächstenliebe. Sie werden in guter Absicht zum Wohl an-

derer Menschen gegeben, aber zugleich auch als ver-dienstlich für das eigene Seelenheil aufgefasst.

Klar umrissen wird ebenso, dass in Wahrheit (nach Matthäus 25) Christus der Empfänger der Almosen ist.

Darüber hinaus wurde mit dem Begriff „Opfer“ der Sachverhalt bezeichnet, dass die Gläubigen während des Gottesdienstes Gaben auf den Altar legten, die für Auf-gaben der Gemeinde, namentlich den Unterhalt der

Kleriker und die Unterstützung der Armen, Verwendung fanden. Aus dieser Praxis entwickelte sich der spätere „Klingelbeutel“.

ReformationIn der vorreformatorischen Kirche waren die freiwilligen Abgaben der Gläubi-

gen, insbesondere Stiftungen, aber auch Spenden und Almosen eine wichtige Größe, um die kirchlichen Aufgaben zu finanzieren. Die Reformation führte hier zu einem Bruch mit einigen der bisherigen Einkommensquellen, wie Messstiftungen oder Ab-lass. Im Wesentlichen wurden die Einkommensarten jedoch beibehalten.

Dazu gehörten auch – trotz Verneinung der Verdienstlichkeit der guten Werke – die Almosen. Gemeinschaft der Gemeinde und gottesdienstliche Feier bleiben auch in reformatorischer Perspektive notwendig mit der konkreten Sorge für die Bedürf tigen verbunden. Entsprechend fordert z. B. die hessische Kastenordnung von 1533 die Prediger auf, die Gemeindeglieder zum Almosengeben anzuhalten. Diese sollten nach den Gottesdiensten an der Kirchentür gesammelt, anschließend gezählt und dann in den „Kasten“ geschüttet werden.

Dieser „Gotteskasten“ oder „gemeine Kasten“ stellt eine Neuerung der Refor-mationszeit dar. In ihm sammelte die Gemeinde neben der Kollekte zentral alle wei-teren Einnahmen. Ohne festen Verteilungsschlüssel, sondern nach Notwendigkeit wurden aus den Einkünften des Kastens folgende Aufgaben mitfinanziert: die Versor-gung der Pfarrer, Fürsorge für die Armen und Kranken sowie die Pflege der Kirchen-gebäude.

Theologisch spiegelt sich darin die Trennung der Almosen von der Verdienst-lichkeit für das eigene Seelenheil: Unterstützung für die Armen ist kollektive Aufgabe „der Kirche“, zu der alle Gläubigen ihren Beitrag leisten. Diese Gabe ist selbstverständ-licher Ausdruck christlicher Liebe, ohne dabei auf die mögliche Verdienstlichkeit des Tuns zu spekulieren, wie z. B. Luther, ebenfalls unter Bezug auf Matthäus 25, ausführt (vgl. Luther, Vorrede 1523, WA 12, 13, 20-30, insbesondere 26-30).

Almosen/Kollekten sind die biblisch gebotenen Gaben für die Armen und Ausdruck der christlichen Nächsten-liebe.

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NeuzeitSeit dem 17. Jahrhundert traten neben die regelmäßigen gemeindebezogenen

Sammlungen durch den „Klingelbeutel“ zusätzliche Kollekten am Ausgang, die von der Kirchenleitung angeordnet und verwaltet wurden. „Kollekte“ wird dabei definiert als Gabe „… der gesammten(!) Kirchenangehörigen für die Nothdurft(!) einzelner Kirchen …“ (Büff 1861, 722.).

Die „Kollekte“ steht in Beziehung zum landesherrlichen „ius collectandi“, d. h. dem Recht Steuern zu erheben. Bevor diese Praxis zu einem Recht wurde, handelte es sich auch auf staatlicher bzw. territorialer Ebene um „freiwillige“ Gaben für besondere Aufgaben oder aufgrund besonderer Anlässe. Dieses ius collectandi wurde im kirch-lichen Bereich so beibehalten. Häufig begegnet der Begriff „Kollekte“ auch im Sinn von Haussammlung.

Die Entscheidung über die Kollekten lag in Hessen-Kassel und Kurhessen bei den jeweiligen Konsistorien, wobei die Kollektenzwecke sich nicht auf deren Zuständig-keitsbereich beschränken mussten. Etwa acht bis neun Mal im Jahr wurden solche Kollekten angeordnet und dienten vor allem zur Unterstützung von Baumaßnah-men. Um in den Genuss einer solchen Kollekte zu kom-men, mussten die Gemeinden beim Konsistorium einen Antrag stellen und unter Angabe ihres Vorhabens (Projekts) nachweisen, dass sie der Unterstützung bedürftig, aber auch würdig waren. Über diese „ordentlichen“ Kollekten hinaus konnten bei Notfällen so genannte „außerordent liche“ Kollekten angeordnet werden (z. B. Brand-kollekte).

Die Einführung der Kirchensteuer im 19. Jahrhundert verfolgte das Ziel, die kirchlichen Vermögensverhältnisse angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen (z. B. Industrialisierung, zunehmende Auflösung der konfessionellen Homogenität und beginnende Trennung von Kirchengemeinde und Bürgergemeinde) zu stabili-sieren. Die eingeübte Praxis der freiwilligen Gabe(n) im Gottesdienst blieb daneben weiterhin bestehen, verlor aber als Beitrag zu den Kirchenfinanzen insgesamt an Be-deutung. Die Regelungen der Weimarer Reichsverfassung festigten diese kirchlichen Finanzstrukturen.

Während des Dritten Reichs wurde auf Seiten der Bekennenden Kirche eine andere Strukturierung der Einnahmen notwendig, um die Gemeindearbeit unabhän-gig von nationalsozialistisch beeinflussten Kirchenleitungen leisten zu können und um etwa die Gehälter von Pfarrern der Bekennenden Kirche zu bestreiten, die aus dem landeskirchlichen Dienst entlassen worden waren. Die „freiwilligen Gaben“ der Ge-meinden erlangten vor diesem Hintergrund größere Bedeutung. Dietrich Bonhoeffers Fragment gebliebene These über die Zukunft der Kirche, die ihren Unterhalt ausschließ-lich aus Spenden der Gemeinden sichert, ist auch vor diesem Hintergrund zu inter-pretieren (vgl. Dietrich Bonhoeffer Werke 1998, 560).

Nach 1945 haben sich diese „Alternativkonzepte“ kirchlicher Finanzstrukturen nicht durchgesetzt. Vielmehr wurde an das bestehende Kirchensteuersystem und das bisher geübte Kollektenwesen angeknüpft.

Ertrag Der gottesdienstliche Bezug der freiwilligen Gaben (Almosen, Opfer, Kollek-

ten) ist in der Kirchengeschichte durchgängig erkennbar und drückt die Verbindung von Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten aus.

Die Einführung der Kirchensteuer im 19. Jahrhundert verfolgte das Ziel, die kirchlichen Vermögensverhält-nisse zu stabili sieren.

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Empfänger der Gabe ist letztlich Gott, dem damit etwas zurückgegeben wird. Almosen/Opfer sind aber auch gute Werke und werden bis zur Reformation als ver-dienstlich für das Seelenheil angesehen.

Die Reformatoren lehnen diese Verdienstlichkeit der Gaben ab und betonen den Gemeinschaftsbezug als Ausdruck christlicher Nächstenliebe.

Bereits früh lässt sich eine Unterscheidung erkennen zwischen einem „inter-nen“ Zweck der Gabe (Opfer, Klingelbeutel), v. a. um gottesdienstliches Handeln zu ermöglichen und einem „externen“ Zweck (Almosen, Kollekte), um andere zu unter-stützen.

Insgesamt sind die Zweckbestimmungen klar umrissen: Versorgung der Pre-diger und Erhalt der Gebäude, Bildung und diakonische Aufgaben (Unterstützung der Armen und Kranken).

Wie die Almosen weisen die Kollekten bereits früh über den Horizont der Ortsgemeinde hinaus. Sie werden insbesondere in der Neuzeit Zeichen einer mit-unter sogar grenzüberschreitenden Solidarität und haben damit eine ökumenische Dimension.

Die Einführung der Kirchensteuer reagierte auf die sinkenden Einnahmen der Kirche. Sie verringerte die quantitative Bedeutung der Kollekten für die Kirchen-finanzen.

Systematisch-theologische Perspektiven

Das Wesen des GottesdienstesIm Gottesdienst wird primär die Gemeinschaft Gottes mit dem Menschen voll-

zogen und gefeiert: in Lesung und Predigt, im Sakrament, im Gebet. Genauer: auf der einen Seite steht die gemeinsame Erkenntnis bzw. das Bekenntnis der Sünde, also dessen, was den Menschen von Gott, vom anderen Menschen, vom wahren Leben trennt. Auf der anderen Seite steht die Verkündigung des Evangeliums, also die Zu-sage und Feier der in Christus geschenkten, unverdienten Gemeinschaft Gottes mit uns.

Die tätige Liebe gehört zum GottesdienstGottesdienst und christliches Leben sind nicht zu trennen. Der Gottesdienst

im Kirchenraum ist die „Einübung in das Leben als Gottesdienst“ (Ebeling, Dogmatik 1979, 363. Vgl. auch Römer 12,1). Er ist die intensivste Gestalt dieses Lebens: Von ihr als Zentrum aus organisiert sich das Leben als Gottesdienst.

Zum Leben als Gottesdienst gehört wesentlich die tätige Liebe als Frucht des Evangeliums. Denn unsere unverdiente Rechtfertigung vor Gott befreit uns von der Knechtschaft der Selbstsorge zu dem liebevollen Leben, zu dem wir bestimmt sind. Die Gemeinschaft Gottes mit uns Sündern befreit uns, spontan das Eigene für den

Bedürftigen hinzugeben. Positiv motiviert ist diese Hin-gabe dann einerseits in der Bedürftigkeit der Anderen, an-dererseits im eigenen Bedürfnis, Gott zu danken. Außer-dem entspricht sie nicht nur der Hingabe Christi für uns, sondern ist Dienst an der Gemeinschaft, die Christus selbst ist.

„Nu ist keyn grosser gottis dienst denn Christlich liebe, die den duerfftigen hilfft und dienet“ (Luther 1523, WA 12, 13, 26f)

Gottesdienst und christliches Leben sind nicht zu trennen.

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Die tätige Liebe gehört notwendig zum Leben als Gottesdienst. Sie ist aber nicht in gleicher Weise ein im gleichen Sinn notwendiger Bestandteil des liturgischen Gottes-dienstes. Allerdings ist sie in Gestalt der Kollekte am Ausgang oder des Klingelbeutels ein sinnvoller Bestandteil. Denn es ist sinnvoll und natürlich, dass etwa der konkreten Fürbitte für Andere auch ein konkretes Engagement der versammelten Gemeinde entspricht. Und da der Gottes-dienst selber im Beten, Hören, Singen usf. eine Gemein-schaft vollzieht, ist es sinnvoll und natürlich, dass sich dieser Gemeinschaftsvollzug zugleich auch nach außen richtet. Insbesondere indem der sonntägliche Gottes-dienst „Einübung in das Leben als Gottesdienst“ ist, er-scheint also die Kollekte am Ausgang bzw. der Klingel-beutel nicht nur als sinnvoller, sondern auch dem Wesen des Gottesdienstes entsprechender Bestandteil. Klingelbeutel und Kollekte sind nicht eine regelmäßige Pflichtübung, sondern Ausdruck der menschlichen Gemeinschaft, zu der uns das Geschenk der Gottesgemeinschaft befreit. Doch ist die Unterschei-dung zwischen der Gemeinschaft Gottes mit uns, die im Gottesdienst gefeiert wird, und den guten Werken nicht einzuebnen. Die Bereitschaft, mit anderen Menschen zu teilen, folgt wesentlich aus der geschenkten Gottesgemeinschaft, ist aber nicht ihre Bedingung.

Praktisch-theologische Perspektiven

Liturgische AspekteNur die gottesdienstliche Gemeinde gibt die Kollekte. Durch den Gottesdienst

unterscheidet sich die Kollekte von anderen Geldsammlungen in der christlichen Gemeinde.

Die Kollekte gehört (neben vielen anderen Elementen) zur ganzheitlichen Ant-wort des Menschen auf das Wort Gottes. Diesem ganzheitlichen Geschehen entspricht es, die irdische Gabe im Gottesdienst als Dankopfer zu bezeichnen. Je nach örtlicher Tradition wurde und wird teilweise immer noch das Dankopfer auf dem Altar oder den Altarstufen abgelegt. Die Bezeichnung Dankopfer verhindert die Verwechslung mit einem verdienstlich verstandenen „Sühnopfer“.

Die Verbindung des Kollektenzwecks mit dem Thema des Sonntags, mit der Predigt oder den Fürbitten motiviert die Gemeinde für die Kollekte. An diesen Stellen berühren sich Gottesdienst und Diakonie.

Die kurhessische Agende unterscheidet im Blick auf die Kollekte zwischen 1. dem Klingelbeutel bzw. dem Dankopfer, das überwiegend der eigenen Gemeinde zugute-kommt, und 2. der Kollekte am Ausgang, die für (in der Regel landeskirchlich festge-legte) Zwecke außerhalb der Gemeinde bestimmt ist. Es wird von Liturgikern beklagt, dass das Dankopfer in vielen Gemeinden nicht mehr während des Gottesdienstes eingesammelt, sondern nur am Ausgang abgelegt wird: „Die gleiche Bedeutung für den Zusammenhang von Gottesdienst und Dienst am Nächsten hat die Kollekte. Sie sollte nicht nur am Ausgang, sondern auch mitten im Gottesdienst eingesammelt, möglichst auch zum Altar gebracht und mit einem Gebet verbunden werden, um deutlich zu machen, dass im Sonntagsgottesdienst der Alltagsdienst beginnt, dass beim Hören und Empfangen der Worte und Zeichen der Liebe Gottes die Liebe zum Nächsten „eingeübt“ wird – wie schon durch

Klingelbeutel und Kollekte sind nicht eine regelmäßige Pflichtübung, son-dern Ausdruck der menschlichen Ge-meinschaft, zu der uns das Geschenk der Gottesgemeinschaft befreit.

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die Kollekte, den „Dienst“, den Paulus für die Gemeinde in Jerusalem erbittet (z. B. Römer 15,25ff.)“ (Begleitbuch 2005, 36).

Anthropologische AspekteGaben und Geschenke können Ausdruck einer liebenden und vertrauensvollen

Hingabe sein. Ihre Annahme ist ein Beziehungsgeschehen, das auf Gegenseitigkeit hin angelegt ist. Humanwissenschaftliche Untersuchungen machen jedoch darauf aufmerksam, dass Gaben auch ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Gebern und Empfängern begründen können. Theologisch betrachtet aber begrenzt die Kollekte das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Gebenden und Empfangenden dadurch, dass letztlich der Empfänger der Gabe Gott ist, der sich zuvor bereits in Jesus Christus den Menschen geschenkt hat. Motiv der Gabe ist also gemeinsame Dankbarkeit derer, die schon empfangen haben.

Ökumenische Perspektiven

Für unsere gegenwärtige Fragestellung scheint besonders der Blick auf Partner-kirchen der innerevangelischen Ökumene hierzulande und weltweit anregend – bei aller Unvergleichbarkeit der Finanzierungssysteme insgesamt:

(Frei-)Kirchliche GemeinschaftenEine besondere Bereitschaft, sich auch finanziell an den Aufgaben und Interessen

einer Gemeinde zu beteiligen, findet sich oft in zahlenmäßig überschaubaren (frei-)kirchlichen Gemeinschaften. Die erwartete Identifikation der Mitglieder mit den Glaubensinhalten und den Zielen ihrer Gemeinde fördert eine entsprechend große Spendentätigkeit. Zugehörigkeit und innere Übereinstimmung mit der Gemeinschaft sollen sich somit in der Übernahme finanzieller Mitverantwortung ausdrücken.

Zudem sind die Zwecke, für die Kollekten zusammen gelegt werden, oft in einem Konsensverfahren verabredet und werden entsprechend offensiv in den Gottesdiens-ten und Versammlungen beworben.

Partnerkirchen in Asien und AfrikaBerichten von Delegationen in afrikanische und asiatische Partnerkirchen zu-

folge hat die gottesdienstliche Kollekte in den Kirchen des Südens offensichtlich eine herausragende Bedeutung.

Sie wird durchgehend sorgfältig bekannt gegeben (Ergebnis vom letzten Sonn-tag, Zweck der heutigen Sammlung).

Sie wird ferner an einem oder mehreren liturgisch gut gewählten Zeitpunkten des Gottesdienstes platziert – z. B. nach der Predigt, bisweilen auch nach einem ge-sonderten Votum eines ‚Kollektenstifters‘, der aus persönlichem Dank zu einer Solidar-kollekte einlädt). Vor allem aber wird sie leidenschaftlich und in umfassender Solida-rität begangen: Dabei gehen in der Regel alle Gemeindeglieder, Jung und Alt, nach vorn und legen einen Betrag am Altar in eine Kollektenschale. Dabei ist entscheidend, dass alle Gemeindeglieder einbezogen werden. Diese Form der Sammlung bringt die Kollekte als wesentlichen Bestandteil des Gottesdienstes zur Geltung. Sie schlägt die Brücke zwischen liturgischem und alltäglichem Gottesdienst (Römer 12,1).

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Zusammenfassung und mögliche Konsequenzen für die zukünftige Kollektenpraxis

a) Rückläufige Kirchensteuereinnahmen veranlassen die Kirche mit ihren Werken und Gemeinden dazu, neue Einnahmequellen zu erschließen: Fördervereine sammeln für die Kirchturmsanierung oder die Kindertagesstätte. Das freiwillige Kirchgeld er-gänzt die steuergestützten Einnahmen ebenso wie marktgerechte Mieterträge oder kreative Fundraisingaktionen. Mit ihnen verfolgen die Verantwortlichen die Absicht, die Einnahmesituation zu verbessern und die Finanzierung kirchlicher Arbeit abzu-sichern. Unbeschadet der damit angedeuteten Pluralisierung kirchlicher Finanzierungs-quellen und der sich daraus ergebenden Konkurrenzsituation sollte das gottesdienst-liche Kollektenwesen nicht nur aufrecht erhalten und gepflegt, sondern – aus theo-logischen Gründen – sorgfältig weiterentwickelt werden.

b) Eine zwingende Notwendigkeit, in jedem Gottesdienst eine Kollekte zu er-heben, ist weder biblisch noch anderweitig theologisch zu begründen. Wohl aber gilt, dass ein Gottesdienst, in dem die Erkenntnis der Barmherzigkeit Gottes sich nicht auch in materieller Freigiebigkeit konkretisiert oder in dem gar die soziale Verantwortung de facto ausgeblendet wird, seinem biblischen Sinn nicht gerecht wird. Der Brauch, im Gottesdienst Kollekte zu sammeln, ist – sofern sie als Antwort auf das Evangelium nachvollziehbar wird! – auf jeden Fall das deutlichere Zeichen in einer Kirche, die „mit ihrer Botschaft wie mit ihrer Ordnung“ davon Zeugnis gibt, zu wem sie gehört und aus wessen Trost und Weisung allein sie lebt (vgl. die dritte These der Barmer theologischen Erklärung).

c) Insofern hat die gottesdienstliche Kollekte ihren Ort in der Gottesbeziehung der Glaubenden. Sie ist Resonanz auf die Verkündigung des Evangeliums als der Bot-schaft von der Wohltätigkeit Gottes gegenüber den Menschen und in diesem Sinne Dankopfer. Dieser Zusammenhang soll in der Gestaltung des Gottesdienstes transpa-rent werden. Hier zeigt sich auch ein Unterschied der Kollekte gegenüber dem „Fund-raising“: Während Fundraising, das sich zunehmend als eine geeignete und zeitgemäße Form zur Finanzierung von Non-Profit-Organisationen erweist, auf dem Grundsatz basiert, dass Gebern wie Empfängern durch die Gabe gleichermaßen ein Gewinn er-wachsen, setzt die gottesdienstliche Kollekte voraus, dass dieser Gewinn auf Seiten des Gebers als eines von Gott beschenkten Menschen bereits besteht.

d) Die Kollekte soll aus theologischen Gründen nicht an den Rand gedrängt und auf ein Opfer am Ausgang reduziert, sondern liturgisch sorgfältig platziert und mit den anderen Bestandteilen des Gottesdienstes (Predigt, Fürbittengebet) verzahnt werden. In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, den evangelischen Grund der Frei-heit zum Teilen bzw. Schenken immer einmal wieder ausdrücklich zu thematisieren. Ein Dankgebet nach dem Einsammeln der Kollekte oder auch bei der Bekanntmachung einer früheren Kollekte kann zudem bewusst halten, dass Rechtfertigung und Dienst der Gemeinschaft ein Zusammenhang sind, den insgesamt Gott wirkt – so dass auch ihm dafür zu danken ist.

Die Kollekte soll aus theologischen Gründen nicht an den Rand ge-drängt werden.

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e) Der Anlass der Kollekte sollte weder abstrakt noch routinemäßig oder lustlos kommuniziert werden. Stattdessen ist der Kollektenzweck möglichst konkret und anschaulich (und in der notwendigen Ausführlich-keit) der Gemeinde vor Augen zu halten, und zwar mit dem Ziel, ein herzliches Bedürfnis zu wecken und damit ein spontanes, fröhliches Schenken zu fördern. Ein hilf-reicher Schritt auf dem Weg dorthin könnte auch sein,

den Gemeinden einen größeren Spielraum bei der Bestimmung der Kollektenzwecke einzuräumen.

f) Die verlässliche Finanzierung kirchlicher Aufgaben (etwa in Form der Kirchen-steuer) ist eine Errungenschaft der Kirchengeschichte. Die gottesdienstliche Kollekte ist jedoch als freiwillige Abgabe für einen konkreten Zweck deutlich gegenüber regel-mäßigen Pflichtabgaben zu profilieren.

g) Je schwieriger die Haushaltslage einer Kirchengemeinde ist, desto seltener kann sie es sich gleichwohl leisten, die gottesdienstliche Kollekte für andere – und nicht für eigene – Zwecke zu verwenden. Dabei ist jedoch zwischen geeigneten und ungeeigneten innergemeindlichen Kollektenzwecken zu unterscheiden, vor allem an-hand der Kriterien „Konkretheit“ und „Not-Wendigkeit“: So ist beispielsweise „für die Konfirmandenarbeit, insbesondere für Jugendliche, die nur mit Unterstützung der Gemeinde an der Konfirmandenfahrt teilnehmen können“ eine geeignete Zweck-bestimmung im Rahmen einer Kollektenbekanntmachung, ein unkonkretes „für die eigene Gemeinde“ hingegen nicht.

h) Es entspricht dem Prinzip der grenzüberschreitenden Solidarität und Liebes-tätigkeit des Glaubens, dass Kollektenzwecke außerhalb der eigenen Gemeindegrenzen anvisiert werden. Dass dadurch u.U. Gemeinden in zusätzliche finanzielle Schwierig-keiten geraten, kann hier nur als Dilemma beschrieben werden, das innerkirchlich freilich nicht nach dem Motto „Jeder ist sich selbst der Nächste“ aufgelöst werden kann.

Gute Erfahrungen gibt es in Gemeinden, die der kirchlichen Tradition folgend im Klingelbeutel regelmäßig für Anliegen innerhalb und am Ausgang für Anliegen außerhalb der Gemeinde sammeln – wobei in beiden Fällen die Anliegen so konkret und projektbezogen wie möglich sein sollten. Darüber hinaus kann in den Gemeinden bedacht werden, ob und wie auch anlässlich von Kasualgottesdiensten Kollekten er-beten werden sollen.

Auf allen Ebenen ist darauf hinzuwirken, die Kollekte in ihrer geistlichen Dimen-sion und als wesentlichen Bestandteil des Gottesdienstes zu profilieren. Wenn dies geschieht, wird die Kollekte nicht als künstlich oder unangenehm empfunden, son-dern es wird sich auch weiterhin ereignen, dass Menschen freiwillig und von Herzen geben.

Es entspricht dem Prinzip der grenz-überschreitenden Solidarität und Liebestätigkeit des Glaubens, dass Kollektenzwecke außerhalb der eigenen Gemeindegrenzen anvisiert werden.

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HINWEISE

KollektenordnungKollektenordnung vom 24. 8. 2010, in: KABl 126, 31.01.2011, 29-32 Richtlinie zur Aufnahme von Kollektenzwecken in den landeskirchlichen Kollekten-

plan vom 24.08. 2010, in: KABl 126, 31.01.2011, 33

LiteraturMarc Beise/ Alexander Hagelüken/ Ulrich Schäfer: Reden wir über Geld. 50 Interviews über Geld und Leben. Süddeutsche Zeitung Edition, München 2010 Christiane Berthold-Scholz / Claudia Rudolff: Verstehen, was läuft. Eine Erschließung

der agendarischen Liturgie für Jugendliche und Erwachsene in der Konfirmanden-arbeit, Kassel / Hofgeismar 2011, Kap.17: Geld im Gottesdienst (Erhältlich über PTI Kassel)

Ulrich Beyer: Überfluss und Mangel. Die erste ökumenische Sammlung der Christenheit, Frankfurt/Main 2009

Dietrich Bonhoeffer Werke Bd. 8, hrsg. von Eberhard Bethge, München 1998G. L. Büff: Kurhessisches Kirchenrecht, Kassel 1861Gerhard Ebeling, Dogmatik des christlichen Glaubens Bd. 3, Tübingen 1979Christian Grethlein, Abriss der Liturgik, Gütersloh 21991Manfred Josuttis: Der Weg in das Leben, München 1991Martin Luther, Vorrede zu: Ordnung eines gemeinen Kastens, 1523, WA 12, 13, 20-30Martin Nicol: Weg im Geheimnis. Plädoyer für den evangelischen Gottesdienst,

Göttingen 2009Hans-Hermann Pompe, Gerne geben. Mit Humor zu Kollekten und Spenden

motivieren, Neukirchen-Vluyn 2007Christian Zippert (Hg.): Gottesdienst feiern. Begleitbuch zur Agende I, Kassel 2005

Kontakt für Anregungen und RückfragenPfarrer PD Dr. Lutz FriedrichsReferent für Theologie, Gottesdienst und KirchenmusikLandeskirchenamtWilhelmshöher Allee 33034131 [email protected]

Page 40: KOLLEKTEN IM GOTTESDIENST - ekkw.de und... · ANLIEGEN UND UMSETZUNG Im Oktober 2010 hat der Rat der Landeskirche eine neue Kollektenordnung be-schlossen (siehe HINWEISE). Ziel dieser

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Evangelischer Medienverband Kassel, 2011