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Originalarbeit Österr Wasser- und Abfallw 2017 · 69:125–139 DOI 10.1007/s00506-017-0375-2 Kombinative Betrachtung von Naturmessung, physikalischer und numerischer Modellierung des Geschiebetransports an großen alpinen Wasserfassungen Manuel Plörer · Johann Neuner · Stefan Achleitner · Markus Aufleger Online publiziert: 6. März 2017 © Der/die Autor(en) 2017. Dieser Artikel ist eine Open-Access-Publikation. Zusammenfassung Die Tiroler Wasser- kraft AG (TIWAG) plant im Zuge des Ausbaus des Kraftwerks Kaunertal die Errichtung von zwei großen Wasser- fassungen an Sperrenbauwerken an der Gurgler Ache und an der Venter Ache im Ötztal/Tirol. Hinsichtlich einer effekti- ven Geschiebebewirtschaftung sollen regelmäßige Spülungen der Stauräu- me durchgeführt werden. Die in die- sem Zusammenhang stehenden tech- nischen Fragestellungen wurden am Arbeitsbereich Wasserbau der Univer- sität Innsbruck durch Untersuchungen an einem physikalischen Modellver- such, mit numerischen Berechnungen und mit Naturmessungen bearbeitet. Die dargestellte Untersuchungsmetho- dik zeigt die Kalibrierungs- und Va- lidierungsschritte für die Simulation der Verlandungsvorgänge, der Stau- raumspülungen und der Spülungen der unmittelbaren Unterwasserstrecke mit dem 2D-numerischen Geschie- betransportmodell Hydro_GS-2D. Die Kalibrierung der numerischen Simula- tionen wurde mithilfe der Erkenntnisse und der Ergebnisse aus einem physi- kalischen Modellversuch für die Was- serfassung Gurgler Ache durchgeführt. Die Simulationen erfolgten mit drei verschiedenen Modelltypen, welche für eine schrittweise Übertragung der re- levanten Parameter im Modellmaßstab bis hin zum Naturmaßstab verwendet DI M. Plörer (Assoz.-Prof. DI Dr. S. Achleitner · Univ.-Prof. Dr.-Ing. M. Aufleger Arbeitsbereich Wasserbau Institut für Infrastruktur, Universität Innsbruck, Technikerstraße 13, 6020 Innsbruck, Österreich [email protected] Dr.-Ing. J. Neuner TIWAG – Tiroler Wasserkraft AG, Eduard-Wallnöfer-Platz 2, 6020 Innsbruck, Österreich [email protected] wurden. Eine zusätzliche Validierung der gewählten Einstellungen konnte mit der numerischen Modellierung des Spülvorganges an einer bereits beste- henden Anlage, wo umfangreiche Na- turmessungen als Berechnungsgrund- lage vorliegen, erreicht werden. Das Ineinandergreifen der drei Modellteile – Numerik, physikalischer Modellver- such und Naturmessung – ermöglicht eine wissenschaftliche Absicherung der Berechnungsergebnisse in den nume- rischen Simulationen und eine Eva- luierung von Modellierungsproblemen und Unsicherheiten. Mit den gewählten Ansätzen können die Verlandungsvor- gänge im Stauraum und die Spülungen in der Unterwasserstrecke mithilfe von 2D-numerischen Simulationen sehr gut abgebildet werden. Daneben zeigt sich, dass der Geschiebetransport während der Stauraumspülung mit etablierten Transportparametern um den Faktor 2 bis 3 unterschätzt wird, und damit eine entsprechende Anpassung notwendig wird. Combined assessment of bed- load transport at major alpine water intakes: field study, numerical and physical modeling Abstract As part of the Kaunertal hy- dro power plant expansion, the Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG) is planning to construct two large front-type wa- ter intakes at the Gurgler Ache and at the Venter Ache in Ötztal, Tyrol. To ensure an effective bed-load transport management, the connected reservoirs should be regularly flushed. The De- partment of Hydraulic Engineering at the University of Innsbruck has investi- gated the technical aspects of this pro- cess using a physical model, numerical simulations and field measurements. The research methods presented show the calibration and validation steps for the simulations of the reser- voir sedimentation and flushing pro- cesses, as well as flushing in the area immediately downstream using the 2D- hydrodynamical simulation software Hydro_GS-2D. The numerical models were calibrated on the basis of results and findings from the physical model study carried out for the water intake Gurgler Ache. The simulations were based on three different model types, which were used to extrapolate the rel- evant parameters from model to full- scale on a step-by-step basis. In ad- dition, a validation of the selected pa- rameters was conducted by a numerical simulation of the flushing process at an already existing water intake structure which is similar to the planned struc- tures. Herein extensive field data is available. The integration of the three model parts – field study, numerical and phys- ical modeling – allows to validate the re- sults of the numerical simulations and to evaluate modeling problems and un- certainties. Employing the selected ap- proaches shows that the sedimentation processes in the reservoir and flushing processes downstream can be modeled using two-dimensional simulations. It is also revealed that simulations based on established transport parameters underestimate the bed-load transport during the reservoir flushing by a fac- tor of 2 to 3, making a corresponding adjustment necessary. 1 Einleitung 1.1 Kurzbeschreibung der projektierten Wasserfassungen Gurgler Ache und Venter Ache Das Speicherkraftwerk Kaunertal ist die größte Anlage der Kraftwerksgruppe der Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG). Der Nutzinhalt des Speichers Gepatsch be- trägt ca. 139 Mio. m 3 und die jährliche Einzugsfracht umfasst durchschnittlich 323 Mio. m 3 . Die Regeljahreserzeugung umfasst 660 GWh. Neben dem natürli- Kombinative Betrachtung von Naturmessung, physikalischer und numerischer Modellierung des Geschiebetransports an. . . 125

KombinativeBetrachtungvonNaturmessung ... · steps for the simulations of the reser-voir sedimentation and flushing pro-cesses, as well as flushing in the area immediately downstream

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Originalarbeit

Österr Wasser- und Abfallw 2017 · 69:125–139DOI 10.1007/s00506-017-0375-2

Kombinative Betrachtung vonNaturmessung,physikalischer und numerischerModellierung desGeschiebetransports an großen alpinenWasserfassungenManuel Plörer · Johann Neuner · Stefan Achleitner · Markus Aufleger

Online publiziert: 6. März 2017© Der/die Autor(en) 2017. Dieser Artikel ist eine Open-Access-Publikation.

Zusammenfassung Die Tiroler Wasser-kraft AG (TIWAG) plant im Zuge desAusbaus des Kraftwerks Kaunertal dieErrichtung von zwei großen Wasser-fassungen an Sperrenbauwerken an derGurgler Ache und an der Venter Ache imÖtztal/Tirol. Hinsichtlich einer effekti-ven Geschiebebewirtschaftung sollenregelmäßige Spülungen der Stauräu-me durchgeführt werden. Die in die-sem Zusammenhang stehenden tech-nischen Fragestellungen wurden amArbeitsbereich Wasserbau der Univer-sität Innsbruck durch Untersuchungenan einem physikalischen Modellver-such, mit numerischen Berechnungenund mit Naturmessungen bearbeitet.Die dargestellte Untersuchungsmetho-dik zeigt die Kalibrierungs- und Va-lidierungsschritte für die Simulationder Verlandungsvorgänge, der Stau-raumspülungen und der Spülungender unmittelbaren Unterwasserstreckemit dem 2D-numerischen Geschie-betransportmodell Hydro_GS-2D. DieKalibrierung der numerischen Simula-tionen wurde mithilfe der Erkenntnisseund der Ergebnisse aus einem physi-kalischen Modellversuch für die Was-serfassung Gurgler Ache durchgeführt.Die Simulationen erfolgten mit dreiverschiedenen Modelltypen, welche füreine schrittweise Übertragung der re-levanten Parameter im Modellmaßstabbis hin zum Naturmaßstab verwendet

DI M. Plörer (�) ·Assoz.-Prof. DI Dr. S. Achleitner ·Univ.-Prof. Dr.-Ing. M. AuflegerArbeitsbereich Wasserbau Institut fürInfrastruktur, Universität Innsbruck,Technikerstraße 13, 6020 Innsbruck,Ö[email protected]

Dr.-Ing. J. NeunerTIWAG – Tiroler Wasserkraft AG,Eduard-Wallnöfer-Platz 2, 6020 Innsbruck,Ö[email protected]

wurden. Eine zusätzliche Validierungder gewählten Einstellungen konntemit der numerischen Modellierung desSpülvorganges an einer bereits beste-henden Anlage, wo umfangreiche Na-turmessungen als Berechnungsgrund-lage vorliegen, erreicht werden. DasIneinandergreifen der drei Modellteile– Numerik, physikalischer Modellver-such und Naturmessung – ermöglichteine wissenschaftliche Absicherung derBerechnungsergebnisse in den nume-rischen Simulationen und eine Eva-luierung von Modellierungsproblemenund Unsicherheiten. Mit den gewähltenAnsätzen können die Verlandungsvor-gänge im Stauraum und die Spülungenin der Unterwasserstrecke mithilfe von2D-numerischen Simulationen sehr gutabgebildet werden. Daneben zeigt sich,dass der Geschiebetransport währendder Stauraumspülung mit etabliertenTransportparametern um den Faktor 2bis 3 unterschätzt wird, und damit eineentsprechende Anpassung notwendigwird.

Combined assessment of bed-load transport at major alpinewater intakes: field study,numerical and physical modeling

Abstract As part of the Kaunertal hy-dro power plant expansion, the TirolerWasserkraft AG (TIWAG) is planningto construct two large front-type wa-ter intakes at the Gurgler Ache and atthe Venter Ache in Ötztal, Tyrol. Toensure an effective bed-load transportmanagement, the connected reservoirsshould be regularly flushed. The De-partment of Hydraulic Engineering atthe University of Innsbruck has investi-gated the technical aspects of this pro-cess using a physical model, numericalsimulations and field measurements.

The research methods presentedshow the calibration and validationsteps for the simulations of the reser-voir sedimentation and flushing pro-

cesses, as well as flushing in the areaimmediately downstream using the 2D-hydrodynamical simulation softwareHydro_GS-2D. The numerical modelswere calibrated on the basis of resultsand findings from the physical modelstudy carried out for the water intakeGurgler Ache. The simulations werebased on three different model types,which were used to extrapolate the rel-evant parameters from model to full-scale on a step-by-step basis. In ad-dition, a validation of the selected pa-rameters was conducted by a numericalsimulation of the flushing process at analready existing water intake structurewhich is similar to the planned struc-tures. Herein extensive field data isavailable.

The integration of the three modelparts – field study, numerical and phys-ical modeling – allows to validate the re-sults of the numerical simulations andto evaluate modeling problems and un-certainties. Employing the selected ap-proaches shows that the sedimentationprocesses in the reservoir and flushingprocesses downstream can be modeledusing two-dimensional simulations. Itis also revealed that simulations basedon established transport parametersunderestimate the bed-load transportduring the reservoir flushing by a fac-tor of 2 to 3, making a correspondingadjustment necessary.

1 Einleitung

1.1 Kurzbeschreibung der projektiertenWasserfassungen Gurgler Ache undVenter Ache

Das Speicherkraftwerk Kaunertal ist diegrößte Anlage der Kraftwerksgruppe derTiroler Wasserkraft AG (TIWAG). DerNutzinhalt des Speichers Gepatsch be-trägt ca. 139 Mio. m3 und die jährlicheEinzugsfracht umfasst durchschnittlich323 Mio. m3. Die Regeljahreserzeugungumfasst 660 GWh. Neben dem natürli-

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Originalarbeit

Abb. 1 links: Projektgebiet;Mitte: FotomontageWFGurglerAche; rechts: FotomontageWFVenter Ache (TIWAG2016)

chen Einzugsgebiet besitzt die Anlageauch mehrere Zuleitungen, darunterauch die in der Modellierung bearbei-tete Zuleitung von der WasserfassungTaschachbach im Pitztal. Die gesamteEinzugsgebietsgröße aus dem natür-lichen und dem durch Zuleitungenerfassten Einzugsgebiet ergibt 279 km2.Im Zuge der Erweiterung des Kraftwerkssind zwei neue Wasserfassungen anSperrenbauwerken an der Gurgler Acheund an der Venter Ache im Ötztal/Tirolgeplant (Abb. 1). Im Hinblick auf einenwartungsarmen Betrieb der Anlagensoll die Geschiebebewirtschaftung anden Wasserfassungen mit regelmäßigenSpülungen der zugehörigen Stauräumeerfolgen.

Die zwei projektierten Wasserfas-sungen „Gurgler Ache“ und „VenterAche“ sollen in einer Höhe von unge-fähr 1 840 m. ü. A. angeordnet werden.Dabei ergeben sich Stauhaltungen vonjeweils ca. 60 000 m3. Die Einzugsge-biete für die Wasserfassungen besitzeneine Größe von 79.7 km2 an GurglerAche und 179.7 km2 an der Venter Ache.Die maximale Entnahme soll 29 m3/s(Gurgler Ache) bzw. 50 m3/s (VenterAche) umfassen, womit sich spezifi-sche Entnahmen von 364 l/s/km2 bzw.278 l/s/km2 ergeben. Die Hochwas-serentlastungen werden durch festeÜberfälle auf den Bogenstaumauerngewährleistet. Daneben steht an beidenBauwerken eine Grundablassöffnungmit Drucksegment zur Verfügung, mitwelcher der geplante Spülvorgang ge-steuert werden kann. Die bereits be-

stehende Anlage „Taschachbach“ ba-siert auf den gleichen Konstruktions-grundsätzen, ist jedoch hinsichtlich dermaximalen Entnahme und des Stau-raumvolumens deutlich kleiner. Trotzder Unterschiede in den Bauwerks-dimensionen bestehen nachfolgendeGemeinsamkeiten der drei Anlagen,welche zur Wahl der in diesem Beitragdargestellten Bearbeitungsmethodikführte:

a) Charakteristik des Einzugsgebietes:Topografie, Hydrologie, Vegetation,Vergletscherung,

b) Bauwerkskonstruktion: Staumauer,Hochwasserentlastung, steuerbaresGrundablassdrucksegment,

c) Kornzusammensetzung des trans-portierten Geschiebes, Sohlstruktu-ren im natürlichen Gerinne,

d) Gefälleverhältnisse in der Zulauf-strecke und in der Unterwasserstre-cke.

1.2 Zielsetzung der Untersuchungen

Mithilfe eines physikalischen Modell-versuchs, numerischer Simulationenund Naturmessungen soll der Geschie-betransport an den geplanten Wasser-fassungen während der Verlandungs-vorgänge und der Spülvorgänge einge-hend untersucht werden. Damit kannfrühzeitig in der Planungsphase vor-handenes Optimierungspotenzial er-kannt werden. Zusätzlich kann gezeigtwerden, ob die gewählte Methode desGeschiebemanagements langfristig zu

den notwendigen Ergebnissen führt,oder ob andere, begleitende Maßnah-men notwendig werden. Dabei wur-den hinsichtlich des geplanten Regel-betriebs Stauraumbelastungen in derGrößenordnung von einer halben, mitt-leren jährlichen Geschiebefracht (1/2JGF) modelliert. Der Fokus der Untersu-chungen liegt auf der Betrachtung derBelastungen infolge von Hochwasserer-eignissen, wo mit hohen Abflüssen undgroßen, grobkörnigen Geschiebeeinträ-gen in kurzer Zeit zu rechnen ist. Dabeisoll zum einem geklärt werden, obgroße Feststofffrachten vom Stauraumaufgenommen werden können, ohneden Betrieb der Anlage zu beeinträchti-gen. Zudem muss gezeigt werden, dasseine Spülung dieser Geschiebebelas-tungen sowohl im Stauraum als auch inder Unterwasserstrecke möglich ist.

2 Methodik

2.1 Modellkonzept

Aufgrund der vorherrschenden Rah-menbedingungen und der definiertenZielsetzungen entwickelte der Arbeits-bereichWasserbau der Universität Inns-bruck in Zusammenarbeit mit der Tiro-ler Wasserkraft AG eine Bearbeitungs-methodik, um eine effektive und wis-senschaftlich belastbare Untersuchungder Verlandungs- und Spülprozessean den zwei geplanten Wasserfassun-gen sowie an der bereits bestehendenAnlage Taschachbach durchzuführen(Abb. 2).

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Abb. 2 Modellierungskonzept (KV=Kornverteilung;DefinitionFeinanteile nachAbschnitt 2.2)

Abb. 3 VergleichKornverteilungen(Material1,2)desGeschiebesnachNaturmessungenund imModellversuch (Naturmaßstab)

In einem ersten Schritt wurde diegeplante Wasserfassung an der GurglerAche im Wasserbaulabor der Univer-sität Innsbruck mit einem physikali-schen Modellversuch im Maßstab 1:30untersucht (Kapitel 3). Die Ergebnis-se wurden verwendet um numerischeSimulationen im Modellmaßstab zu ka-librieren (Kapitel 4). Die verwendetenmaßstabsabhängigen Parameter wur-den dann für Simulationen im Natur-

maßstab skaliert. Schließlich erfolgteeine Übertragung der Parameter deskalibrierten Modells „Gurgler Ache“zur numerischen Simulation der An-lage „Venter Ache“. Die numerischeSimulation einer realen Spülung an derWasserfassung „Taschachbach“ dientder Validierung der gewählten Modell-einstellungen und führt damit zu einerAbsicherung der vorangegangen Para-meterwahl (Kapitel 5).

2.2 Beschreibung der modellbedingtenRahmenbedingungen undEinschränkungen

2.2.1 Reiner Geschiebetransport

Die Simulationen der Verlandungs-und Spülvorgänge basieren auf demAnsatz eines reinen Geschiebetrans-ports. Auf eine Berücksichtigung derSchwebstoffanteile wird aufgrund dessehr kleinen Verhältnisses von Stau-raumvolumen zu Jahreszufluss (Spei-cherkennzahl < 0.001) verzichtet. DieseAnnahme bezieht sich u. a. auf dieUntersuchungen von Brune (1953),wonach der zurückgehaltene Schweb-stoffanteil im Verlandungskörper beiStauräumen mit Kennzahlen kleinerals 0.003 gegen Null geht. Vereinfa-chend kann für die Bearbeitung davonausgegangen werden, dass Schwebstof-fe teilweise eingezogen werden, überdie Mauer transportiert werden, oderim Falle einer Rückhaltung bei einerSpülung wieder als Schwebstoffe imWasserkörper transportiert werden undes damit zu keiner Absetzung in derUnterwasserstrecke kommt.

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Abb. 4 SystemskizzephysikalischerModellversuchWasserfassungGurgler Ache

2.2.2 Zusammensetzung derGeschiebefracht

Die Kornverteilungen des Geschiebe-materials wurden mit Naturmessungen(Linienzahlanalysen, Baggerschürfe) imProjektgebiet bestimmt. Daraus wurdefür den physikalischen Modellversuchund für die numerischen Berechnungenfür das transportierte Geschiebe folgen-de Regelung festgelegt (AB Wasserbau2012; AB Wasserbau 2015a; Plörer et al.2013a):• AbflussbereichQ<60m3/s: kein Auf-

reißen der Deckschicht; feine Korn-zusammensetzung entsprechendGeschiebematerial 1 nach Abb. 3.

• Abflussbereich Q > 60 m3/s: Aufrei-ßen der Deckschicht; grobe Kornzu-sammensetzung entsprechend Ge-schiebematerial 2 nach Abb. 3.

Der Schwellenwert wurde auf Basisder hydrologischen Kennwerte an derGurgler Ache bestimmt. Im Bereich dergeplanten Wasserfassung ist das 5-jähr-liche Hochwasser (HQ5) mit einemSpitzenabfluss von ca. 60 m3/s defi-niert. Für die Bestimmung der Geschie-bezusammensetzung geht man voneiner stabilen Deckschicht bis zu die-sem Abfluss aus. Liegt der Abfluss über

60 m3/s, beginnt die Deckschicht auf-zureißen und es wird verstärkt grobesMaterial transportiert. Diese Annahmeermöglicht die Berücksichtigung groberGeschiebeeinträge während hoher Ab-flüsse und den Eintrag von Material mitgeringerer Korngröße während einesüber das Jahr verteilten, quasi-kontinu-ierlichen Verlandungsprozesses. Diesevereinfachten Zusammenhänge wur-den auch für die Untersuchungen ander Venter Ache übernommen.

2.2.3 Mindestkorndurchmesser

Die Kornverteilungen des Geschiebe-materials wurden für die Experimenteim Labor modifiziert und vergröbert.Der Grund dafür liegt in der notwen-digen Einhaltung von Mindestkorngrö-ßen von etwa 0.5 mm im hydraulischenVersuchswesen, womit eine Übertra-gung der Modellergebnisse in die Naturmöglich wird. In Anbetracht des Mo-dellmaßstabes von 1:30 können nurKorngrößen bis 15 mm berücksichtigtwerden. Um die Massenbilanz nichtzu verändern, wurden Sedimente miteinem Korndurchmesser kleiner als15 mm der feinsten darstellbaren Frak-tion zugeordnet (Abb. 3). Mit dieser An-nahme ist die Kornzusammensetzung

des Geschiebes deutlich gröber als inNatur, womit die ermittelten Trans-portleistungen im Modell tendenziellgeringer sein dürften als in der Naturund hinsichtlich einer Bewertung derSpülleistungen auf der sicheren Seiteliegen.

In diesem Zusammenhang wird voneiner „Kornverteilung ohne Feinantei-le“ bzw. einer „abgeschnittenen Korn-verteilung“ gesprochen. Diese abge-schnittene Kornverteilung wurde vomModellversuch in das numerische Mo-dell M1 übernommen (Abb. 2). DieParameter des kalibrierten Modells M1im Maßstab 1:30 wurden skaliert undauf die numerische Simulation in Na-turmaßstab übertragen. Hier wird zwi-schen zwei Modelltypen, M2 und M3,unterschieden. Bei M2 handelt es sichum eine Simulation im Naturmaßstabmit der skalierten Kornverteilung ohneFeinanteile, entsprechend dem Mo-dellversuch. Diese Feinanteile werdenhingegen in Modelltyp M3 berücksich-tigt. Mit dieser Vorgehensweise könnenneben den Skalierungseffekten auchmögliche Einflüsse der Feinanteile inder Geschiebezusammensetzung aufden Verlandungs- und Spülprozess inden Berechnungen dargestellt werden.

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Tab. 1 Bemessungsgeschiebe-frachtenamModelleinlauf (Feststoff-volumen)

GurglerAche

VenterAche

1/2 JGF 4.150 m3 8.960 m3

Aug 1987 22.614 m3 60.572 m3

Sep 1999 16.345 m3 21.584 m3

2.3 Übertragung der Modellparameterzur Wasserfassung Venter Ache

Aufgrund der beschriebenen Rahmen-bedingungen in Abschnitt 2.1 (ähnlicheBauwerkskonstruktionen, Stauraum-geometrie, Einzugsgebietscharakteris-tika, hydrologische Verhältnisse, Gefäl-leverhältnisse, Kornzusammensetzungdes transportierten Geschiebes) wurdefür die zweite geplante WasserfassungVenter Ache auf einen weiteren Modell-versuch verzichtet und die Modellpa-rameter vom Modelltyp M3 „GurglerAche“ auf das numerische Modell Mo-delltyp M3 „Venter Ache“ übertragen.Mit dieser Methode soll gewährleis-tet werden, dass auch ohne direkteKalibriergrößen aus einem Modellver-such für die Wasserfassung Venter Achedie Ergebnisse der numerischen Be-rechnungen für belastbare Aussagenherangezogen werden können.

2.4 Allgemeine Problemstellungen undLösungsansätze

Für die Erläuterung der Modellierungs-probleme ist kurz auf die Ergebnissevorzugreifen. Für die Verlandungs-vorgänge und für die Spülungen inder Unterwasserstrecke konnten inner-halb weniger Kalibrierschritte sehr guteÜbereinstimmungen mit den Resulta-ten im Modellversuch erzielt werden.Hingegen zeigten die ersten Ergeb-nisse der numerischen Berechnungender Stauraumspülungen einen starkverminderten Transport im Vergleichzum Modellversuch. Die Anpassungder räumlichen und zeitlichen Diskre-tisierung und von verschiedenen Mo-dellparametern ergaben nur eine be-schränkte Steigerung des Transportes.Auch eine Reduktion der dimensions-losen kritischen Schubspannung führtenicht zu der notwendigen Erhöhung derTransportraten. Damit wurde in einemletzten Schritt versucht, den Geschie-betransport durch eine lineare Skalie-rung zu verstärken. Da diese Skalierungeine Abweichung zu etablierten undbekannten Literaturwerten darstellt,

wurde im Sinne einer wissenschaftlichbelastbaren Begründung der Modell-einstellungen ein zusätzlicher Validie-rungsschritt durchgeführt. Basierendauf Daten der realen Spülung an derWasserfassung Taschachbach wurdeder Spülvorgang mit dem verwendeten2D-numerischen Ansatz „nachmodel-liert“. Diese Ergebnisse zeigen, dass dieVerwendung eines Skalierfaktors einevertretbare Methode ist, um den Trans-port zu steuern. Mit dieser Maßnahmekönnen nahezu idente TransportratenimModellversuch und in der 2D-nume-rischen Simulation bestimmt werden.

3 Physikalischer ModellversuchWasserfassung Gurgler Ache(H0)

3.1 Überblick Modellversuch

Der Modellversuch Gurgler Ache ba-siert auf den Froude’schen Modellge-setz. Dieser Ansatz im wasserbaulichenVersuchswesen für die Modellierungder Fließzustände an offenen Gerin-nen beschreibt, dass die Froude’scheZahl bei den Strömungsvorgängen imModellversuch gleich groß ist wie inNatur. Mit diesem Zusammenhang las-sen sich die Maßstabzahlen für anderephysikalische Größen bestimmen. Ba-sierend auf einem geometrischen Maß-stab von 1:30, ergeben sich damit einDurchflussmaßstab von 1:4930 und einZeitmaßstab von 1:5.48. Das bedeutet,dass die Prozesse im Modellversuch derWasserfassung Gurgler Ache in etwa5.5-mal so schnell ablaufen wie in derNatur.

Es wurden ca. 800 m von der Zu-laufstrecke und vom Stauraum sowierund 600 m von der Strecke nach demSperrenbauwerk modelliert (Abb. 4).Im Bereich der Zulaufstrecke und imStauraum wurde die Modellsohle be-weglich ausgeführt und im Bereich derUnterwasserstrecke fixiert. Der Zulaufzum Modell konnte mit einer vordefi-nierten Ganglinie gesteuert werden underfolgte über einen Einlaufbehälter. Amoberen Modellrand fand die manuelleGeschiebezugabe statt. Das Druckseg-ment in der Grundablassöffnung wur-de beweglich ausgeführt, womit derAbsenkvorgang im Stauraum gelenktwerden konnte. Am unteren Modellen-de wurde ein Sandfang angeordnet, indem sich das aus dem Modell trans-portierte Geschiebe absetzte und so einEinzug von Sedimenten in den Tiefbe-hälter vermieden wurde (AB Wasserbau

2012; Plörer et al. 2013a; Plörer et al.2013b).

Die Abflussganglinien und der da-mit verbundene Geschiebeeintrag fürdie untersuchten Stauraumbelastun-gen (siehe 3.2) stammen aus einer miteinem hydrologischen Modell kombi-nierten Geschiebetransportberechnungnach Gems et al. (2009) und Gems(2011). Der Zufluss wurde entspre-chend der ermittelten Ganglinien insModell geführt und das transportierteGeschiebe manuell laut der berechne-ten Transportraten zugegeben, womitein entsprechender Verlauf des Verlan-dungsvorganges realistisch abgebildetwerden konnte.

Die Ermittlung der Verlandungsvo-lumen, der Spülfrachten und Trans-portraten erfolgte durch eine Volumen-bilanzierung. Dazu wurde zunächstvor jedem Versuch die Ausgangssohlemittels Laserscanning vermessen undschließlich definierte Zwischenzustän-de während der Versuche sowie derEndzustand der Sohle bestimmt. Durchden Vergleich der Vorher/Nachher-Si-tuation konnten Auflandungshöhen,Erosionstiefen und die zeitabhängigenTransport- bzw. die Spülraten ermitteltwerden.

3.2 Untersuchte Stauraumbelastungen

Der geplante Betrieb der Anlagen siehtjährlich zwei Spülungen der Stauräu-me vor. Aus diesem Grund ist zu-nächst eine Stauraumbelastung mit ei-ner halben jährlichen Geschiebefracht(1/2 JGF = 4 150 m3 Feststoffvolumenam geplanten Standort der Wasserfas-sung Gurgler Ache, Tab. 1) von großemInteresse. Eine Belastung infolge vonHochwassereinträgen wurde mit zweiverschiedenen historischen Hochwas-serereignissen, bezogen auf einen Er-eigniszeitraum von 72 h, untersucht.Das Hochwasser vom August 1987 istbestimmt durch eine große kumulativeWasserfracht und eine Geschiebefrachtin der Größenordnung von ca. 275 %der Jahresgeschiebefracht (22 614 m3).Der Spitzenabfluss ist äquivalent zuder Größe eines 10-jährlichen Hoch-wassers (HQ10) (Abb. 5). Das Hoch-wasserereignis vom September 1999ist geprägt durch eine Ganglinie mitstarkem Anstieg und Rückgang des Ab-flusses und einem Spitzenabfluss in derGröße von einem HQ100 (Abb. 5) amgeplanten Standort der Wasserfassung.Der Geschiebeeintrag in den Stauraum

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Abb. 5 Abflussbzw.HochwasserganglinienmitDefinitiondesSpülbeginns für dieStauraumbelastungen1/2JGF,Aug1987,Sep1999anderGurgler Ache (GA) undander Venter Ache (VA)

beträgt ca. 200% der Jahresgeschiebe-fracht (16 345 m3).

3.3 Spülmuster und Stellenwert desFreispiegelabflusses durch denGrundablass

Die Spülung der halben Jahresgeschie-befracht an der Gurgler Ache basiert aufeinem stationären Abfluss von 20 m3/s.Die Frachten aus den Hochwasserereig-nissen wurden mit einem instationärenAbfluss entsprechend des abfallendenBereiches der Hochwasserganglinie ge-spült. Hier wurde zusätzlich manuelleingegriffen. Ab dem Zeitpunkt, abdem keine Daten für die Hochwasser-ganglinie vorhanden waren, wurde ver-einfachend ein Spülabfluss von 20 m3/sberücksichtigt (Abb. 5).

Die Erkenntnisse aus dem Modell-versuch bestätigten erste Annahmen,dass bei Stauraumspülungen ein effek-tiver Geschiebetransport durch denGrundablass erst bei Erreichen ei-nes Freispiegelabflusses auftritt. Damitspielt der Abstau (Vorgang vom Öffnendes Grundablasses bis zum Erreichendes Freispiegelabflusses) eine unterge-ordnete Rolle für die Bestimmung desGeschiebetransports durch den Grund-ablass. In den nachfolgenden Darstel-lungen der Ergebnisse wurde die Dauerdes Abstauvorgangs nicht berücksich-tigt. Die Spülleistungen beziehen sichdamit nicht auf den Zeitpunkt der Öff-nung des Grundablasses, sondern aufeinen Nullpunkt, welcher den Beginndes Freispiegelabflusses definiert.

3.4 Auswahl der Ergebnisse als Basisfür die Kalibrierung desnumerischen Modells

3.4.1 Verlandungsvorgang

Die Verlandungsvorgänge zeigten, dassalle Stauraumbelastungen im Stauraumaufgenommen werden können (Abb. 6).EineweiterführendeUntersuchung hin-sichtlich des Verlandungsverhaltensführte zu einem zusätzlichen Versuchmit der doppelten Stauraumbelastungeines Hochwassers August 1987 (550 %der JGF). Selbst bei dieser äußert un-wahrscheinlichen Belastung konntekeine Beeinträchtigung der Wasserfas-sung und der Betriebseinrichtungenfestgestellt werden. Die Verlandungs-zustände aus den Untersuchungen imphysikalischen Modellversuch wurdenmit vier Parametern beschrieben:• Abstand der Verlandungsfront zum

Grundablass/zurMauer,• relative Verlandungshöhe bezogen

auf die Ausgangssohllage,• absolute Höhe der Verlandungsfront

und• mittleres Gefälle des Verlandungs-

körpers.

Diese Werte bildeten die Vergleichsgrö-ßen für die Kalibrierung der numeri-schen Simulationen der Verlandungs-vorgänge. Ergänzend wurden für dasHochwasserereignis September 1999Geschiebeproben aus dem Verlan-dungskörper im Modellversuch ent-nommen. Die ermittelten Kornvertei-lungen dieser Proben wurden mit den

Kornverteilungen des Verlandungsma-terials in den numerischen Berechnun-gen verglichen (AB Wasserbau 2015a).

3.4.2 Spülvorgang

Die Vergleichsgrößen für die Stauraum-spülung und die Spülung der Unter-wasserstrecke sind die zeitbezogenenSpülfrachten (kumulativer Transport/Spülleistungen) (dicke/rote Linien inAbb. 7). Zusätzlich wurden bei derSpülung der Geschiebefracht aus demHochwasserereignis September 1999 –analog zum Verlandungsvorgang – Pro-ben imModellversuch entnommen, umdiese mit den Ergebnissen in den nu-merischen Berechnungen vergleichenzu können.

Die Spülung einer halben Jahres-geschiebefracht mit einem stationärenZufluss von 20 m3/s ergibt eine not-wendige Spüldauer von 4 h. Im Bereichder Unterwasserstrecke können in die-sen 4 h ca. 1 000 m3 Feststoffvolumengespült werden, womit es zunächst zuAuflandungen im Bereich der Unter-wasserstrecke kommt, welche jedochmit fortlaufender Spüldauer reduziertwerden können.

Beim Hochwasser August 1987 kanndie Ereignisfracht innerhalb von 7 hgespült werden. Aufgrund der damitauftretenden hohen Transportratenkommt es zu starken Auflandungen imBereich der Unterwasserstrecke, welcheaber wie bei der Spülung der halbenJahresgeschiebefracht wieder reduziertwerden können. In 21 h können ca.17 500 m3 aus der unmittelbaren Un-terwasserstrecke transportiert werden(Abb. 7).

Auch beim Hochwasser September1999 zeigt die Stauraumspülung guteErfolge (12 600 m3 in 7 h). Im Bereichder Unterwasserstrecke können in 9 haber nur ca. 5 000 m3 dieser Frachttransportiert werden. Der Hauptgrundliegt dabei in der schnellen Abnahmedes Spülabflusses auf 20 m3/s. Mit die-sem Abfluss wird der Transport vongrobem Geschiebematerial infolge ei-nes Hochwassereintrages erschwert. Esverlängert sich damit die erforderlicheSpüldauer für eine Reduktion der Auf-landungen und den Transport aus derUnterwasserstrecke (Abb. 7).

130 Kombinative Betrachtung von Naturmessung, physikalischer und numerischer Modellierung des Geschiebetransports an. . .

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Originalarbeit

Abb. 6 ErgebnisseVerlandungsvorgangimphysikalischenModellversuchH0unddenSimulationenM1,M2,M3aufBasis vonθcrit= 0.030undscf =0.8; oben: 1/2JGF;Mitte:Aug1987; unten: Sep1999

4 Numerische ModellierungWasserfassungen Gurgler Acheund Venter Ache (M1, M2, M3)

4.1 Allgemeines

Für die Simulation der Verlandungsvor-gänge reichen die Berechnungsnetzevom oberen Modellrand bis zum Aus-lauf aus der Unterwasserstrecke. Beiden Spülvorgängen bzw. bei Abflussdurch den Grundablass kommt es zu

einer starken Einschnürung und zu ei-ner plötzlichen Erweiterung, welcheinsbesondere beim GeschiebetransportInstabilitäten und Oszillationen hervor-rufen. Zusätzlich erhöht sich das Sohl-gefälle im Bereich der Grundablässe aufbis zu 10 %. Aus Stabilitätsgründen istin den 2D-numerischen Berechnungeneine Teilung des Rechennetzes in zweiTeilmodelle notwendig. Teilmodell 1reicht vom Zulauf des Gesamtmodellsbis zum Grundablass, das Teilmodell 2

reicht von Grundablass bis zum Auslaufdes Gesamtmodells (Abb. 8).

Die Bearbeitung mit zwei Teilmo-dellen entkoppelt den Spülvorgang imStauraum von dem Spülvorgang in derUnterwasserstrecke und ist damit zu-nächst als Abweichung zur Spülung imModellversuch zu sehen. Der Einflussder Unterwasserstrecke auf die Stau-raumspülung, insbesondere der Ein-fluss der Auflandungen im Nahbereichdes Grundablasses, wird damit in dennumerischen Berechnungen bewusstnicht berücksichtigt (AB Wasserbau2015a; Plörer et al. 2013a).

4.2 Verwendete Software

4.2.1 Strömungsberechnung

Hydro_GS-2D ist eine Erweiterung der2D-numerischen Strömungssimulati-onssoftware Hydro_AS-2D (Nujic 2009;Nujic 2015). Die Rechennetze werdenmit einem linearen unstrukturiertenOberflächennetz aus Dreieck- und Vier-eckelementen erzeugt. Die Eigenschaf-ten der Sohle und die Materialeigen-schaften können dabei jedem Knotenbzw. jedem Element zugeordnet wer-den. Die Berechnung der hydraulischenGrößen erfolgt durch numerische Lö-sung der vollständigen zweidimensio-nalen Flachwassergleichungen. Für dieräumliche Diskretisierung wird die Fi-nite-Volumen-Methode (FVM) und fürdie zeitliche Diskretisierung das Runge-Kutta-Verfahren 2. Ordnung (Prädiktor-Korrektor-Methode) verwendet. DerReibungsterm in den Gleichungen wirdnach Darcy/Weissbach ermittelt.

4.2.2 Transportberechnung/Sohländerungen

Die verwendete Version Hydro_GS-2D3.14 erlaubt die Definition der Korn-verteilungen des Geschiebes mit bis zuzwölf Korndurchmessern bzw. Korn-klassen. In diesem Projekt wurden be-zugnehmend auf die Arbeit von Um-ach (2014) die Kornverteilungen mitnur fünf Kornklassen definiert. Umachzeigt, dass der Mehrwert der Ergebnis-se bei 2D-numerischen Berechnungenmit der Verwendung von mehr als fünfKornklassen gering ist und die Rechen-zeit durch diese Begrenzungen verrin-gert werden kann. Für die Transportbe-rechnung wird die von Hunziker erwei-terte Formel von Meyer-Peter und Mül-ler zur Modellierung von fraktioniertemGeschiebe verwendet (Hunziker 1995;

Kombinative Betrachtung von Naturmessung, physikalischer und numerischer Modellierung des Geschiebetransports an. . . 131

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Originalarbeit

Abb. 7 Zeile 1: ErgebnissederKalibrierungsberechnungen für dieStauraumbelastung1/2JGF,HW1987undHW1999; Zeile 2: Er-gebnissederStauraumspülung fürModelltypeM1,M2undM3aufBasis einesθcrit = 0.03undscf =2.0 (1/2JGF)bzw. scf =3.0 (HW1987,HW1999); Zeile 3: ErgebnissederSpülungderUnterwasserstrecke fürModelltypM1,M2undM3aufBasis einesθcrit= 0.03undscf =1.0 (1/2 JGF,HW1987,HW1999)

Hunziker et al. 2009). Die Berechnungdes abgelagerten bzw. transportierenGeschiebes erfolgt mit den Exner-Glei-chungen. Die Sohle wird mittels dreiSchichten, der Austauschschicht, derUnterschicht und der Grundschichtdargestellt. Eine Einführung in die mor-phodynamische Modellierung und einegenaue Beschreibung der Modellkom-ponenten können im Handbuch fürHydro_GS-2D (Nujic 2015) und in denArbeiten der angeführten Autoren ge-funden werden.

4.3 Beschreibung der Parameter für dieKalibrierung

4.3.1 Modellparameter

Für die Kalibrierung des numerischenModells kann zwischen den allgemei-nen Modellparametern und Parame-tern für die Geschiebetransportformelunterschieden werden. Im Teilbereich„Modellparameter“ führt eine zeitlich

und räumlich höher aufgelöste Diskre-tisierung zur Verbesserung der Darstel-lung von hoch instationären Prozessen.Der Nachteil einer feinen Diskretisie-rung liegt im klar erhöhten Rechen-aufwand und damit in einer längerenBerechnungsdauer. Es sind folgendeMaßnahmen möglich:

a) Verfeinerung des Berechnungsnet-zes; insbesondere in Bereichen mithoch-instationären Strömungsvor-gängen.

b) Reduktion des ModellparametersHmin; dieser definiert die minimaleWassertiefe, die an einem Knotenvorherrschen muss, damit dieserzur Berechnung herangezogen wird.Eine Verkleinerung dieses Wertes er-gibt eine Erhöhung der Rechenzeit,kann aber bei instationären Vorgän-gen zu besseren Ergebnissen führen.

c) Reduktion von ModellparameterAmin; definiert die minimale Ele-mentgröße; das Residuum wird bei

kleinen Elementen stärker gedämpftals bei großen. Bis zu dieser defi-nierten Elementgröße kommt es zukeiner Dämpfung an den Elementen.Ein großer Amin-Wert kann das Er-reichen eines stationären Zustandesverzögern.

d) Reduktion der Courant-Friedrichs-Lewy-Zahl (CFL-Zahl), eine indirek-te Einflussnahme auf den diskretenZeitschritt in der numerischen Be-rechnung:

CFL= u · ΔtΔx

(1)

mitu GeschwindigkeitΔt diskrete ZeitschrittΔx diskrete Ortschritt

e) Schubspannungsschwankungen:Werden Schubspannungsschwan-kungen nicht berücksichtigt, so wer-

132 Kombinative Betrachtung von Naturmessung, physikalischer und numerischer Modellierung des Geschiebetransports an. . .

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Originalarbeit

Abb. 8 Berechnungsnetze für die numerischenSimulationen; links:Gurgler Ache; rechts: Venter Ache

den einzelne Spannungsspitzen ge-dämpft und gemittelt. Das Einbe-ziehen der Schwankungen erhöhtdie Rechenzeit. Dennoch hat sichinsbesondere bei den Spülvorgän-gen gezeigt, dass diese Spitzen denTransport begünstigen und zu höhe-ren Spülleistungen führen.

f) Reduktion der Anpassungslänge La;die Anpassungslänge definiert dasVerhältnis zwischen Transportkapa-zität und tatsächlichem Transport;geht die Anpassungslänge gegenNull so entspricht der Transport derTransportkapazität.

4.3.2 Parameter für denGeschiebetransport

Die Transportberechnungen für frak-tioniertes Geschiebe basieren in Hy-dro_GS-2D auf der durch Hunziker(Hunziker 1995; Hunziker et al. 2009)adaptierten MPM-Formel (Meyer-Peterund Müller 1949):

qb = scf ·∑

Fi ·8 ·(ϕi · (μ · θ− θcms ))(3/2)

(2)

mit

μ=(kst

kr

)(3/2)· h · J

(ρsρw

−1)· dms

(3)

und

θcms = θcr i t · (dmss

dms)(1/3) (4)

scf Skalierfaktor für den Geschiebe-transport; Die MPM-Formel inihrer ursprünglichen Form bein-haltete den Faktor 8 (Glg. 2). Wei-terführende Untersuchungen er-läutern, dass dieser Faktor ehergeringer ist und bei ca. 5 liegt.Dieser Wert ist auch der Start-wert in Hydro_GS-2D und wirdindirekt durch einen scf-Wert von0.625 (= 5/8) erreicht

Fi Fraktion iφi Ausgleichsfunktionμ Faktor aus dem Verhältnis Ge-

samtrauheit zu Kornrauheit undShields-Parameter

θcms kritische dimensionslose Schub-spannung einer Mischung, bezo-gen auf den mittleren Korndurch-messer der Austauschschicht

θcrit kritische dimensionslose Schub-spannung für Einheitskorn

dmss charakteristischer Korndurch-messer der Unterschicht

dms charakteristischer Korndurch-messer der Ausgleichsschicht

Die ersten Berechnungen mit denDefault-Parametern (Grundeinstellun-gen des Programms) zeigten sehr gerin-ge Spülleistungen, teilweise waren auchnumerische Instabilitäten im Bereichdes Grundablasses zu beobachten. Mitden oben angeführten Maßnahmen fürdie Modellparameter alleine wurdendie Ergebnisse aus dem Modellversuchnicht erreicht. Die Spülleistungen imModellversuch übertrafen die Spülleis-tungen in der Numerik um das Zwei-bis Dreifache. Damit wurde eine Ka-

librierung der Transportvorgänge mitEinflussnahme auf die Geschiebetrans-portformel notwendig.

Aus der Formelstruktur ist ersicht-lich, dass u. a. der scf-Wert, der Faktor μund die dimensionslose kritische Sohl-schubspannung θcrit einen Einfluss aufden Transport haben. Im Zuge der Kali-brierung und der Variantenberechnungzeigte sich, dass die Simulationen aufeine Veränderung dieser Parameter amstärksten reagieren. Der scf-Wert beein-flusst den Transport linear, d. h. eineVerdoppelung dieses Werts führt in Ab-hängigkeit von der Transportkapazitätbis zu einer Verdoppelung des Trans-ports. Einen wichtigen Einfluss auf dasgesamte Transportverhalten hat die di-mensionslose kritische Sohlschubspan-nung θcrit. Diese ist entsprechend derUntersuchungen nach MPM mit 0.047angesetzt, kann aber in Hydro_GS-2Dmanuell definiert werden. Der Faktor μwird durch das Verhältnis von Gesamt-rauheit zur Kornrauheit im Gerinne be-stimmt. Werden beide Größen ident an-genommen, so ergibt sich keine Verklei-nerung des Transports durch den Faktorμ,da „(kst/kr)^(3/2)“ in Gleichung 3 einsergibt.

4.4 Kalibrierung und Validierung

4.4.1 Stauraumverlandung

Die ersten Berechnungen für den Ver-landungsvorgang infolge einer Stau-raumbelastung mit einer halben Jah-resgeschiebefracht basieren auf einerdimensionslosen kritischen Sohlschub-

Kombinative Betrachtung von Naturmessung, physikalischer und numerischer Modellierung des Geschiebetransports an. . . 133

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Originalarbeit

spannung von 0.047 und einem scf-Wert von 0.625 (entspricht 5/8). Die-ser scf-Wert definiert den Einfluss vonFormrauheiten, welcher zu einer Ver-kleinerung des Geschiebetransportsführt. Die Resultate dieser Berechnun-gen zeigten bereits eine große Über-einstimmung mit den Ergebnissen ausdem Modellversuch. Es kam noch ver-einzelt zu starken Auflandungen im Be-reich der Zulaufstrecke, welche so nichtim Modellversuch beobachtet wurden.Eine geringfügige Erhöhung des scf-Wertes auf 0.8 bzw. die Reduktion desEinflusses von Sohlformen und die Ver-ringerung von θcrit führten schließlichzu den besten Resultaten und zeigteneine sehr gute Übereinstimmung desVerlandungskörpers nach ModelltypM1 mit jenem aus dem physikalischenModellversuch H0 (Abb. 6). Diese Ein-stellungen wurden für die Modellierungder Verlandung infolge der Hochwas-serereignisse August 1987 und Septem-ber 1999 übernommen und es konntenauch hier sehr gute Ergebnisse erreichtwerden. Abb. 6 zeigt den Vergleich derVerlandungskörper im Modelltyp M1und imModellversuchH0 für das Hoch-wasserereignis August 1987 und dieErgebnisse der Verlandungsvorgangesfür das Hochwasserereignis September1999.

4.4.2 Stauraumspülung

Im Gegensatz zur Stauraumverlandungerforderte die Spülung des Stauraumseinen längeren Kalibrierungsprozess.Mit der Reduktion von θcrit und einerErhöhung des scf-Wertes auf den lautLiteratur maximalen Wert von 1.0 konn-te der Transport erhöht werden, jedochwaren die Spülfrachten deutlich gerin-ger als im Modellversuch. Daraufhinwurden in Anlehnung an Abschnitt 4.3Maßnahmen gesetzt, um den Transportweiter zu verbessern. Insbesondere dieVeränderung der Anpassungslänge La

resultierte in einem starken Anstieg desGeschiebetransportes. Dennoch konn-ten immer noch nicht die Referenzwer-te aus dem Modellversuch erreicht wer-den. Als letzter Schritt wurde mit einemscf-Wert größer als eins versucht, denTransport zu verstärken. Mit θcrit = 0.030und scf = 1.5 liegt der Transport nochdeutlich unter jenem im Modellversuch(Abb. 7). Eine zusätzliche Steigerungauf 2.0 führte zu guten Resultaten. EinTest mit scf = 3.0 zeigte einen zu großenGeschiebetransport. Die Parameterein-stellungen θcrit = 0.030 und scf = 2.0

wurden daraufhin für die Bestimmungder Stauraumspülung mit den Hoch-wasserbelastungen August 1987 undSeptember 1999 verwendet. Hier zeigtesich, dass mit einem scf = 2.0 nicht dergewünschte Transport erreicht wird.Damit wurde der scf-Wert weiter er-höht, zunächst auf 2.5, und schließlichauf 3.0. Für beide Hochwasserereignis-se konnte mit scf = 3.0 ein Transportermittelt werden, welcher nah an je-nem im Modellversuch liegt (Abb. 7).Beim Hochwasser August 1987 kommtes in den numerischen Berechnungenzu einem verminderten Transport amEnde des Spülvorganges, welcher so imModellversuch nicht beobachtet wer-den konnte. Der Versuch einer weiterenAnpassung an die Ergebnisse aus demModellversuch konnte auch mit Simu-lationen basierend auf einen scf-Wertvon 4.0 nicht erreicht werden. Insbe-sondere im Bereich des Grundablassestraten numerische Instabilitäten auf.

4.4.3 Spülung Unterwasserstrecke

Im Bereich der Unterwasserstrecke lie-gen die hydraulischen Bedingungennäher an gewohnten Fließzuständen inoffenen, natürlichen Gerinnen als imBereich des Stauraums. Im Zuge derKalibrierung konnte bei der Spülungder halben Jahresgeschiebefracht mitθcrit = 0.030 und einem scf-Wert von1.0 eine gute Übereinstimmung zwi-schen Modellversuch und Numerik er-reicht werden. Eine Übertragung dieserStellgrößen zu den Berechnungen derHochwasserereignisse August 1987 undSeptember 1999 führte auch dort zuÜbereinstimmungen. Zusätzlich zeigtdie Auswertung der Auflandungs- undErosionsmuster während der Spülungdie gleichen Eigenschaften wie im Mo-dellversuch. Die Auflandungen infolgeder hohen Spülfrachten werden mitfortlaufendem Spülvorgang wieder re-duziert. Insbesondere bei einer Be-lastung mit einer halben jährlichenGeschiebefracht können die Auflan-dungen nach 12 h wieder mobilisiertwerden (Abb. 7, Abb. 9). Beim Hochwas-serereignis August 1987 kann ein Groß-teil des Geschiebes aus dem Staurauminnerhalb von 24 h aus der unmittel-baren Unterwasserstrecke transportiertwerden. Zu stärkeren Ablagerungenkommt es beim HochwasserereignisSeptember 1999, wo innerhalb 16 hnur etwa die Hälfte der Ereignisfrachttransportiert werden kann (Abb. 7). Hiersind für einen weiteren Abbau der Ab-

lagerungen in der Unterwasserstreckeeine längere Spüldauer und ein höhererSpülabfluss notwendig.

4.5 Übertragungen derModellparameter von Modelltyp M1auf M2 und M3

Die Modellparameter der kalibriertenModelle M1 wurden schließlich auf denModelltyp M2 übertragen. Neben einergeometrischen Skalierung der Berech-nungsnetze umfasste dieser Vorgangauch die Skalierung der Kornverteilungdes Geschiebes mit dem Maßstabsfak-tor 30. Auf Basis dieser Einstellungenwurden die gleichen Simulationen wiebeim Modelltyp M1 durchgeführt. DerÜbertragungsschritt hin zumModelltypM3 beinhaltete nun noch die Berück-sichtigung der feinsten Anteile in denKornverteilungen. Auch hier wurdensowohl die Verlandungsvorgänge, dieStauraumspülungen und die Spülun-gen der Unterwasserstrecke für die Be-lastung aus einer halben Jahresgeschie-befracht und mit den Hochwasserer-eignissen August 1987 und September1999 untersucht.

Die Modellparameter der Simula-tionen „Gurgler Ache“ Modelltyp M3für die drei Teilbereiche Stauraumver-landung, Stauraumspülung und Spü-lung der Unterwasserstrecke wurdenin einem letzten Schritt zur numeri-schen Simulation für die „Venter Ache“Modelltyp M3 übertragen. Die Simu-lationen umfassen hier das gleicheModellierungsprogramm wie bei derGurgler Ache unter Berücksichtigungeines höheren stationären Abflusses fürden Spülvorgang im Stauraum und inder Unterwasserstrecke (Q = 30 m3/s)(Abb. 5). Bedingt durch die Nähe derbeiden Standorte der Wasserfassun-gen und der Rahmenbedingungen fürdie hydrologische Modellierung zeigensich qualitativ ähnliche Abflussgangli-nien für die Hochwasserereignisse wiean der Gurgler Ache. Der Spitzenabflussbeträgt für das Hochwasser August 1987142 m3/s und für das Hochwasser Sep-tember 1999 114 m3/s. Die halbe Jah-resgeschiebefracht wurde am geplan-ten Standort der Wasserfassung VenterAche mit 8 960 m3 berechnet. Die Ereig-nisfrachten betragen 60 572 m3 für dasHochwasser August 1987 und 21 584 m3

für das Hochwasser September 1999(Tab. 1).

134 Kombinative Betrachtung von Naturmessung, physikalischer und numerischer Modellierung des Geschiebetransports an. . .

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Originalarbeit

Abb. 9 EntwicklungderGeschiebeablagerungen inderUnterwasserstreckewährendderStauraumspülungder halbenJahresge-schiebefracht (1/2 JGF) anderWasserfassungGurgler Ache

4.6 Ergebnisse

Abb. 7 zeigt die Gegenüberstellungender Resultate aus den numerischen Be-rechnungen mit den Modelltypen M1,M2 und M3 mit jenem aus dem Mo-dellversuch, H0. In den Ergebnissensind leichte Abweichungen zwischenden Modelltypen erkennbar. Währendbei einer halben Jahresgeschiebefrachtund beim Hochwasserereignis August1987 nur geringe Unterschiede auf-treten, so erkennt man eine größereAbweichung zwischen den Berechnun-gen im Modelltyp M1 zu M2 und M3beim Hochwasserereignis September1999. Mit einer Gesamtbeurteilung derResultate lässt sich keine generelle Aus-sage über die Gründe dieser Ergebnissetreffen. Betrachtet man die Resultatemit einer halben Jahresgeschiebefrachtund beim Hochwasserereignis August1987, so zeigt sich, dass es weder durchdie Veränderung des Modellmaßstabs(Modelltyp M1 <> Modelltyp M2, M3),noch aufgrund der Berücksichtigungder Feinanteile (Modelltyp M1, M2 <>Modelltyp M3) zu wesentlichen Ände-rungen des Transportes kommt. EineErklärung kann im starken Abfall desSpülabflusses beim Hochwasserereig-nis September 1999 liegen, welcher sichin den numerischen Simulationen imModellmaßstab möglicherweise stärkerauswirkt.

4.7 Bewertung der Parameterwahl

Die Verlandungsprozesse sind auf-grund der hydraulischen und mor-

phologischen Randbedingungen (lang-same Änderung der Verlandung, klei-ne Energielinien- und Sohlgefälle, ge-ringe Fließgeschwindigkeiten) mit der2D-numerischen morphodynamischenSoftware Hydro_GS-2D sehr gut zu si-mulieren. Allerdings ist die angenom-mene dimensionslose kritische Sohl-schubspannung θcrit mit 0.030 sehrklein. Die hoch instationären Erosions-und Auflandungsprozesse während derStauraumspülung (schnelle und großeSohlveränderungen, große Energielini-engefälle und Fließgeschwindigkeiten)führen in der Modellierung zu Pro-blemen, die nicht vollständig gelöstwerden konnten. Bei einer zweidimen-sionalen hydrodynamischen Berech-nung sind Vereinfachungen notwendig,die Auswirkungen auf die Berechnun-gen haben und damit Abweichungenzu den Abläufen in der Natur dar-stellen. Um näher an die Ergebnissedes physikalischen Modellversuchs zukommen, sind Parametereinstellungenin den Simulationen zu treffen, die vonLiteraturwerten abweichen.

Im Bereich der Unterwasserstreckekonnten die Ergebnisse aus dem Mo-dellversuch mit einem scf-Wert von1.0 erreicht werden, welcher die nachLiteraturwerten obere Grenze darstelltund den Einfluss von Formrauheitennicht berücksichtigt. Auch hier wurdeeine kleine dimensionslose kritischeSohlschubspannung (θcrit = 0.030) ver-wendet.

Trotz der angeführten Parameter-wahl zeigt die Gesamtbetrachtung derErgebnisse, dass ein Modellkonzept,

das die Übertragung der Modellpara-meter eines kalibrierten numerischenModell Gurgler Ache im Modellmaß-stab (M1) auf ein numerisches Mo-dell in Naturmaßstab (M2/M3) mitanschließender Übertragung auf dasnumerische Modell Venter Ache vor-sieht, seine Berechtigung findet. Auchfür den Verlandungsprozess an der Ven-ter Ache konnten plausible Resultateerzielt werden. Bei der Simulation derSpülung des Stauraums konnten ähnli-che Abhängigkeiten der Spülerfolge voneinzelnen Modellparametern (θcrit, scf-Wert) beobachtet werden wie bei derGurgler Ache (AB Wasserbau 2015a).

5 Naturmessungen undnumerische ModellierungWasserfassung Taschachbach(N1)

5.1 Kurzbeschreibung WasserfassungTaschachbach

Die Wasserfassung Taschachbach istdie größte Wasserfassung des Kraft-werks Kaunertal und liegt im Pitztal/Tirol auf 1 800 m. ü. A. (Stauziel). DieFassung befindet sich an einer kleinenBogenstaumauer, welche überströmbarausgeführt ist und damit zur Entlas-tung herangezogen werden kann. DieFassung wurde als Frontentnahme amSperrenbauwerk konzipiert und kannbis zu 12m3/s ausleiten. Die Entnahme-leitung führt durch die Bogenmauer zuden beiden Entsandern am orografischlinken Ufer. Durch den Überleitungs-tollen wird das Wasser dem Speicher

Kombinative Betrachtung von Naturmessung, physikalischer und numerischer Modellierung des Geschiebetransports an. . . 135

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Originalarbeit

Abb. 10 StauraumspülungWasserfassungTaschachbacham24.07.2014

Gepatsch im Kaunertal zugeführt. Dasgesamte Einzugsgebiet der Fassung be-trägt ca. 60.6 km2 und ist etwa zu einemFünftel vergletschert. Aufgrund des vor-handenen Moränenmaterials gibt esein großes Potenzial an Sedimenten,welches in den Stauraum transportiertwerden kann. Aus diesem Grund wirdder Stauraum mit einer hydraulischenSpülung durch den Grundablass imMittel zwei- bis dreimal jährlich ge-spült. Während der Spülung wird keinWasser eingezogen, womit der volleZufluss für die Spülung zu Verfügungsteht (AB Wasserbau 2015b). Die lang-jährigen Aufzeichnungen zeigen, dassbei den Regelspülungen sehr gute Spü-lerfolge erreicht werden (Tschada undHofer 1990).

5.2 Beschreibung der Naturmessungen

Am 24.07.2014 führte die TIWAG eineSpülung des Stauraums der Wasserfas-sung Taschachbach durch (Abb. 10). ImZuge dieser Regelspülung wurde einumfangreiches Messprogramm abgewi-ckelt (AB Wasserbau 2015b):• Vermessung des Stauraums vor und

nach der Spülung: Vor der Spülungwurde der Stauraum mit Lotmessun-gen aus einem Boot vermessen. Nachder Spülung bzw. bei freiem Durch-fluss wurde der Stauraum mittelsLaser aufgenommen. Damit wur-de der Verlandungszustand abge-leitet und in das numerische Mo-dell übertragen. Aufbauend auf denplausiblen Ergebnissen der Verlan-dungsmodellierung an der Gurglerund Venter Ache wurde auf eine zu-sätzliche numerische Modellierung

der Stauraumverlandung verzichtet.Mit dem Vergleich der Stauraum-verlandung vor und nach der Spü-lung konnte das gespülte Feststoff-volumen (Referenzvolumen) für dienumerische Simulation mit 440 m3

bestimmt werden.• Aufnahme der hydrologischen Be-

dingungen: Für die Spülung wurdedas zeitliche Intervall der Aufnahmedes Abflusses an einem Pegel in derUnterwasserstrecke auf 1 Minute re-duziert. Mit dieser Abflussgangliniekonnten der Zufluss zur Fassung undder Spülabfluss rekonstruiert wer-den.

• Messungen an 7 Querprofilen in derUnterwasserstrecke umfassten u. a.sogenannte Trübemessungen zur Be-stimmung des Schwebstoffgehalts.

• Bestimmung der Kornverteilungendes Verlandungsmaterials: Währendder Spülung wurden im StauraumProben des Verlandungskörpers ent-nommen, die im Labor des Arbeits-bereichs Wasserbau gesiebt und aus-gewertet wurden. Damit ergebensich wichtige Informationen überdie Kornzusammensetzung, welcheschließlich auch in das numerischeModell implementiert werden.

• Vermessung der Unterwasserstre-cke und Bestimmung des Sohlma-terials in der Unterwasserstrecke imNahbereich der Grundablassöffnungmit Linienzahlanalysen. Diese Infor-mationen von der Ausbildung derDeckschicht und der Unterschichtsind eine wichtige Eingangsgröße fürweitere geplante numerischen Simu-lationen.

• Begleitende Foto- und Videodoku-mentation.

Da sich die Daten der Sohllagen imStauraum auf den Anfangs- und Endzu-stand im Stauraum beschränken, kannein genauer zeitlicher Verlauf der Stau-raumspülung nicht bestimmt werdenund es sind vereinfachte Annahmenzu treffen. Der sehr beschränkte Sedi-menttransport vor Erreichen des Frei-spiegelabflusses kann durch die Trübe-messungen im Unterlauf und durch vi-suelle Beobachtungen bestätigt werden.Der eigentliche Geschiebetransport be-ginnt erst nach ca. 1 h nach Öffnungdes Grundablasses mit Freispiegelab-fluss. Aus diesen Erkenntnissen leitetsich eine „Spülkurve“ bzw. ein Bereichnach Abb. 11 ab, der durch die mini-male Spüldauer tf,min und die maximaleSpüldauer tf,max bestimmt ist. Laut visu-ellen Beobachtungen und Ableitungenaus den Trübemessungen wurde dasReferenzvolumen von 440 m3 innerhalbdieses Zeitraums transportiert.

5.3 Zielsetzung der numerischenUntersuchung N1

Die numerische Nachrechnung derStauraumspülung der WasserfassungTaschachbach ermöglicht eine Verifi-zierung modellrelevanter Parameter,welche für die Simulation der Spülun-gen an den geplanten WasserfassungenGurgler Ache und Venter Ache verwen-det wurden. Die wichtigsten Modell-parameter und Einstellungen sind diedimensionslose kritische Sohlschub-spannung θcrit, der scf-Wert für dieGeschiebetransportformel und die zeit-

136 Kombinative Betrachtung von Naturmessung, physikalischer und numerischer Modellierung des Geschiebetransports an. . .

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Originalarbeit

Abb. 11 Ergebnisseder numerischenSimulationderStauraumspülunganderWas-serfassungTaschach; Spülleistungen inAbhängigkeit vonθcrit unddemscf-Wert

liche und räumliche Diskretisierung desnumerischen Modells.

5.4 Wahl der Modellparameter für dienumerische Modellierung derStauraumspülung Taschachbach

Die Modellparameter wurden aufbau-end auf den vorangegangenen Unter-suchungen an den geplanten Wasser-fassungen gewählt. Für eine Varian-tenuntersuchung wurden sowohl derscf-Wert als auch die dimensionslo-se kritische Sohlschubspannung θcritund die Anpassungslänge La variiert.Erste Berechnungen mit hohen Anpas-sungslängen führten zu sehr geringenSpülleistungen. Damit wurde eine klei-ne und konstante Anpassungslänge füralle weiteren Berechnungen verwen-det. Die Detailuntersuchung reduziertesich damit auf sechs Varianten mit dreiverschiedenen scf-Werten (1.0; 2.0; 3.0)und zwei verschiedenen dimensions-losen kritischen Sohlschubspannungenθcrit (0.030; 0.047).

5.5 Ergebnisse

Die Berechnungsvarianten mit scf = 1.0zeigen am Ende der Spülung eine ku-mulative Spülfracht von ca. 400 m3,womit 91 % des Referenzvolumens ge-spült werden können. Trotzdem sindhier die Ergebnisse nicht zufriedenstel-lend, da sich klare Abweichungen zuden hohen Spülraten am Beginn derSpülung ergeben und damit die Dauer

für die Entleerung des Stauraums nichtmit den Naturbeobachtungen überein-stimmt (Abb. 11). Die Varianten mit θcrit= 0.030 und einem scf-Wert von 2.0und 3.0 und jene mit θcrit = 0.047 undeinem scf-Wert von 2.0 zeigen eine ku-mulative Spülfracht zwischen 96 % und99 % des Referenzvolumens (416 m3 bis430 m3). Bei der Variante θcrit = 0.030und scf = 3.0 fällt der Transport zu großaus. Hier werden bereits 110 % (478 m3)gespült.

Eine zusätzliche Bestimmung deszeitlichen Verlaufs der Spülung istbedingt über die Interpretation derSchwebstofffrachten im Unterwassermöglich. Auch wenn eine Gegenüber-stellung von Geschiebetransport mitSchwebstofftransport mit Vorbehalt zuverwenden ist, so lässt sich zumindestein qualitativer Vergleich hinsichtlichdes zeitlichen Verlaufes der Spülungdes Verlandungsmaterials darstellen.Vor Beginn des Freispiegelabflusses istnur eine geringe Konzentration zu er-kennen. Der Maximalwert wird laut denNaturmessungen nach ca. 10 Minutennach Beginn des Freispiegelabflusseserreicht (48 000 mg/l) (Abb. 12). Rech-net man nun die Feststofffrachten amGrundablass von [kg/s] vereinfachendin eine Konzentration in [mg/l] um, sozeigt sich ein Vergleich der Feststoff-konzentrationen. Bei den vier Varian-ten mit einem scf-Wert von 2.0 bzw.3.0 treten die Maxima auch nach ca.10 Minuten Freispiegelabfluss auf. Be-trachtet man die Spülraten, so zeigt

sich, dass die Varianten mit einemθcrit von 0.030 bzw. 0.047 besser mitder Trübemessung übereinstimmen.Da Trübemessungen nach 1 h nachBeginn des Freispiegelabflusses nichtvorhanden sind, kann keine Aussagegetroffen werden, inwieweit die Varian-ten mit θcrit = 0.030/scf = 2.0 und mitθcrit = 0.047/scf = 2.0 in Folge mit denMessungen übereinstimmen.

Mit einer Gesamtbeurteilung der Er-gebnisse ist davon auszugehen, dass dienumerischen Simulationen mit Modell-parameter von θcrit zwischen 0.030 und0.047 und einem scf-Wert von 2.0 dieSpülung sehr gut abbilden. Obwohl dieCharakteristiken der Spülungen auchbei den übrigen Berechnungsvarian-ten zu plausiblen Abläufen führen, istfestzuhalten, dass mit θcrit = 0.030 undeinem scf-Wert von 3.0 der Transportüberschätzt wird und die Spülraten beiden Varianten mit einem scf-Wert von1.0 zu gering sind.

6 ZusammenfassendeInterpretation desModellkonzeptes

Bei der numerischen Modellierung vonVerlandungs- und Spülvorgängen anden Wasserfassungen Gurgler Ache undVenter Ache werden insbesondere beider Stauraumspülung komplexe hy-draulische und morphologische Vor-gänge abgebildet. Durch das Absenkendes Wasserspiegels und die rasche Ver-änderung des Verlandungskörpers tre-ten hoch instationäre Prozesse auf. DieSimulation dieser Vorgänge mit demgewählten 2D-numerischen geschie-behydraulischem Modell erfordert dieVerwendung von Modellparametern,welche von gängigen Literaturwertenabweichen und damit auch zu neuenFragestellungen führen.

Obwohl den Simulationen Ergebnis-se aus einem Modellversuch im Maß-stab 1:30 zugrunde liegen und damitsehr belastbare Vergleichsgrößen vor-handen sind, bietet die numerischeNachrechnung einer realen Spülungeine zusätzliche sinnvolle Möglichkeit,Eingangsgrößen in bisherigen Simu-lationen zu bewerten und Resultatezu verifizieren. Eine Beurteilung derModellierungen auf Basis aller durch-geführten Simulationen zeigt, dass dieParameterwahl vom untersuchten Teil-prozess abhängig ist:• Mit den 2D-numerischen Simula-

tionen können die Verlandungspro-zesse in den Stauräumen der großen

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Originalarbeit

Abb. 12 Vergleichder FeststoffkonzentrationausTrübemessungen inderUnterwas-serstreckemit jenenausdennumerischenBerechnungen

Wasserfassungen sehr gut abgebildetwerden. Große und grobkörnige Ge-schiebefrachten infolge von Hoch-wasserereignissen können zu lokalunnatürlichen Auflandungen führen,welche Anpassungen einzelner Mo-dellparameter erfordern. Die Steue-rung von Auflandungen und Ero-sionen im Bereich der Zulaufstreckekann durch geringe Veränderungendes scf-Wertes und der dimensions-losen kritischen Sohlschubspannungim Rahmen gängiger Literaturwerteerfolgen.

• Im Bereich der Stauraumspülungergibt sich trotz der Veränderungder Modellparameter im Rahmender empfohlenen Literaturwerte eineUnterschätzung des Transports umden Faktor 2 bis 3. Ausgehend vonder korrekten Darstellung der Erosi-onsprozesse im Modellversuch undden umfangreichen Naturmessun-gen bei einer realen Spülung, zeigtsich, dass insbesondere die Erosi-onsprozesse während einer Stau-raumspülung mit den verwendetenFormelsätzen in den numerischenBerechnungen unbefriedigend ab-gebildet werden. Während eine Ver-feinerung der räumlichen und zeit-lichen Diskretisierung des nume-rischen Modells und eine Adapti-on der Anpassungslänge noch als

vertretbare Maßnahmen für die Er-höhung des Geschiebetransportesangesehen werden können, nimmtdie Erhöhung des Transports mit-hilfe einer linearen Skalierung (scf-Wert) eine Sonderstellung ein. Dieerforderliche Skalierung ist abhän-gig vom Verlandungsvolumen, vomSpülabfluss und von der Kornzusam-mensetzung des Geschiebes, undstützt sich ausschließlich auf die Er-gebnisse desModellversuchs und derNaturmessungen.

• Für die Spülung der Unterwasser-strecke führen eine Reduktion derdimensionslosen kritischen Sohl-schubspannung und die Vernachläs-sigung von Formverlusten im Gerin-ne durch entsprechende Definitionder Rauheiten zu einer besseren Mo-bilisierbarkeit des Geschiebes. Zu-sätzlich kann eine Verstärkung desTransports durch die Erhöhung desscf-Werts erfolgen. Die verwende-ten Parameter stellen Grenzwerte derLiteraturgrößen dar, womit die be-sonderen hydraulischen Bedingun-gen auch während der Spülung inder Unterwasserstrecke verdeutlichtwerden.

Die Ergebnisse der Untersuchungenzeigen, dass 2D-numerische Berech-nungen mit einer Definition der Pa-

rametersätze ohne zugrunde liegendeVergleichsgrößen aus einem Modell-versuch und/oder Naturmessungenzu einer großen Unterschätzung derTransportleistungen führen können.Die implementierten Formelsätze sindnicht uneingeschränkt für die Bestim-mung der hoch instationären Erosi-onsprozesse geeignet. Damit sind imZuge der Kalibrierung teilweise signi-fikante manuelle Eingriffe in die Pa-rameterwahl notwendig. Trotz dieserModellierungsprobleme kann mit demdargestellten Modellkonzept, welchesfür die 2D-numerischen BerechnungenKalibrierungs- und Validierungsgrößenaus einem physikalischen Modellver-such und aus Naturmessungen bezieht,eine Beurteilung der Verlandungs- undSpülprozesse an den geplanten Was-serfassungen durchgeführt werden. Eskonnte nachgewiesen werden, dasssowohl bei Regelbetrieb als auch beiHochwasserereignissen die Spülungendes Stauraums und der Unterwasser-strecke erfolgreich durchgeführt wer-den können.

Danksagung Der Arbeitsbereich Was-serbau der Universität Innsbruck be-dankt sich bei der Tiroler WasserkraftAG für die hervorragende Zusammenar-beit, die fachlichen Diskussionen unddie umfangreiche Unterstützung beider Bearbeitung der Projekte, welchedie Grundlage für diese Zusammenfas-sung bilden.

Open access funding provided by Uni-versity of Innsbruck and Medical Uni-versity of Innsbruck.

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Originalarbeit

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