3
( Sollen alte Wand-, Fundament- und Fußboden·· sowie Trümmerreste im Baugrund verbleiben (Polster), ist zuvor ein Baugrundingenieur zu Um die S teifigkeitsunterschiede von Altbau- substanz umgebendem Lockergestein hin- reichend auszugleichen, ist häufig eine Polsterüberdeckung aus nichtbindigem' Locker- gestein von 0,3 bis 0,5 mausreichend. Der Einbau einer Lage Geotextil als Trenn- schicht zwischen Polster und verbleibenden Trümmermassen ist zu empfehlen (Erdstoff- umlagerung durch Fremdwassereinwirkungen). 5. Begleit- und Folgeerscheinungen bei Anbauten Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß mit jedem Anbau Einflüsse auf die vorhandene Bausubstanz einhergehen. Wesentlich ist es, die Art der Einflüsse zu erkennen und nach- teilige Begleit- und in vertretbaren Grenzen zu halten. Neben den in Abschnitt 2.8. genannten anbautypischen Erscheinungen, die sich letztlich alle ,in Form von Rißbildungen und -erweiterungen, ggf. auch Schiefstellungen oder Fußbodeh- senkungen am Altbau äußern können, sind das folgende Erscheinungen: Lärm- und Erschütterungen bei Baugruben- sicherung mit Rammelementen (ggf. sogar Einrüttelung lockerliegender Lockergesteins- schichten unter Gründung des Altbaus) - der des Altbaus oder seitliche bei der Ausführung von Bohrungen und Schach- tungen neben dem Altbau, z. B. -für Pfähle /8/ und Schlitzwände - Sackungserscheinungen infolge Feinkorn- entzug aus Grundwasserabsenkungen aufgrund ungeeigneter oder defekter . Filter - Vertikalverschiebungen, die bei Unter- fangungen zur Herstellung des Kraftschlus- ses der neuen Gründungselemente in der Regel unabdingbar sind - Horizontalverschiebungen, die die Elemente der Baugrubensicherung erfahren müssen, um wirksam und kraftschlDssig zu werden (Verbauelemerite, Verankerungen usw.) und die damit einhergehenden VerdrDckungen in' der GrDndungsschicht des Altbaus. Wird der Anb,u von Grundwasserabsenkungen begleitet, können zusätzlich von Bedeutung werden: - Hohllagen und EinbrDche infolge Sackung oder Verrottung des unter dem Kellerfuß- boden des Altbaus verbliebenen Locker- gesteins - Fäulnis benachbarter HolzpfahlgrDndungen - Vertikalverschiebungen in folge Rohwichte- änderung (negative Mantelreibung). 6. Zusammenfassung Anbauten und die damit zusammenhängenden Sicherungsmaßnahmen gehören zu den komplizier- ten Bauaufgaben, bei denen das Maß nachtei- liger Beeinflussungen der Altbausubstanz wesentlich von den Kenntnissen, Fertigkeiten und dem Verantwortungsbewußtsein der Projek- tierenden und AusfDhrenden abhängt. Die Lösung der GrDndungsaufgaben von Anbauten sollte daher ste ts von , Betrieben ausgefDhrt werden, die Dber entsprechende Erfahrungen verfDgen. Literatur /1/ Grundbautaschenbuch. Teil II. - Berlin: Verl. Ernst & Sohn, 1986 /2/ Zur AusfDhrung von Unterfangungsarbeiten an vorhandenen Fundamenten / Ditz, M. _ In: Bauzeitung. - Berlin 42(1988)2 /3/ DIN 4123 Gebäudesicherung im Bereich von Ausschachtungen, Gründungen und , fangungen • - 1972 /4/ Abst ' Dtzungen und LJnterfangungen , / Wiss. Inst. fDr Aus- und Weiterbildung im Bauwesen; Mönch. - Leipzig, 1985 /5/ Gebäudesicherung bei Ausschachtungen, GrDndungen und Unterfangungen / Weißenbach, A. - In: Bauwirtschaft, Wiebaden 26(1912). - S. 883 891 /6/ TGL 11 463/03 BauwerksgrDndungen; FIßchengründungen. - 1979 /7/ Die GrDndung von Hoch- und Ingenieur- bauten / Plagemann; Langner. - Leipzig: Teubner Verlagsgesellschaft, ' 1958 /8/ Bauakademie der DDR: Katalog IWG 7826, Teil 3, Abschnitt 11.1. Giebelsicherungen /9/ Weisung 42/85 des Leiters der Staatli- chen Bauauf sicht im MfB zur Gewährlei- stUng der Bausicherheit bei LDckenschlie- ßungen im innerstädtischen Wohnungsbau vom' 3. 11. 1988 Dipl.-Ing. Baumgarten, H. Staatliche Bauau fsich t SPG Grund-, Tief- und Wasserbau Dipl.-Lng. Böttcher, W. VEB SBK Wasserbau KB Baugrund Berlin Kommentar zur Vorschrift 120/82 (Teil 1) und 120/83 (Teil 2) "Bewehrte Erde" In weniger als 20 hat sich eine neue Bauweise mit der Bezeichnung "Bewehrte Erde " weltweit durchgesetzt. Dabei handelt es sich bekanntermaßen um die Anordnung von zugfesten Materialien (Bewehrungen, Armie- rungen) in Lockergesteinen (VerfDllmaterial), bei der eine WechselWirkung zwischen Beweh- rungen und VerfDllmaterial ausschließlich über die Reibung in den Kontaktflächen (Grenzflächenscherfe s tigkeit) erreicht wird. Infolge der Grenzflächenscherfestigkeit kommt es bei einer Belastung von bewehrter Erde zur Mitwirkung der Armierungen in der Form, daß axiale (auf die Bewehrung bezogene) Verformungen behindert werden. Auf diese' ' Weise entsteht ein& Verbundwirkung, die zu einer erheblichen Vergrößerung der Belast- barkeit gegenüber dem Unbewehrten Zustand fDhren kann. Auf Grund der Tatsache, daß man zur Errichtung bewehrter Erdbauwerke vorwiegend nichtbindige Locke rgesteine ver- wendete, wird die Wirkung einer Bewehrung häufig mit der Erieugung einer scheinbaren Kohäsion bei rolligen Erdstoffen verglichen. Die Berechnung und die bauliche Durchbildung von S tützkonstruktionen aus bewehrter Erde wird in der DDR mit der Vorschrift 120/82 (Teil 1) und 120/83 (Teil 2) der Staatlichen BauaufSicht verbindlich vorgeschrieben. Diese Vorschrift ist bereits 1983 (Teil 1) bzw. 1984 (Teil 2) veröffentlicht, bislang aber weder ergänzt noch Dberarbeitet worden. Der Teil 3 "Bewehrte Gründungspolster" wird derzeit Eine zusammenfassende NeubearbeituQ9 der gesamten Vorschrift StBA (1989) 6 45

Kommentar zur Vorschrift 120/82 (Teil und 120/83 (Teil 2 ....../1/ Grundbautaschenbuch. Teil II. - Berlin: Verl. Ernst & Sohn, 1986 /2/ Zur AusfDhrung von Unterfangungsarbeiten an

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Kommentar zur Vorschrift 120/82 (Teil und 120/83 (Teil 2 ....../1/ Grundbautaschenbuch. Teil II. - Berlin: Verl. Ernst & Sohn, 1986 /2/ Zur AusfDhrung von Unterfangungsarbeiten an

(

Sollen alte Wand-, Fundament- und Fußboden·· sowie Trümmerreste im Baugrund verbleiben (Polster), ist zuvor ein Baugrundingenieur zu könsul~ieren.

Um die S teifigkeitsunterschiede von Altbau­substanz ~nd umgebendem Lockergestein hin­reichend auszugleichen, ist häufig eine Polsterüberdeckung aus nichtbindigem' Locker­gestein von 0,3 bis 0,5 mausreichend.

Der Einbau einer Lage Geotextil als Trenn­schicht zwischen Polster und verbleibenden Trümmermassen ist zu empfehlen (Erdstoff­umlagerung durch Fremdwassereinwirkungen).

5. Begleit- und Folgeerscheinungen bei Anbauten Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß mit jedem Anbau Einflüsse auf die vorhandene Bausubstanz einhergehen. Wesentlich ist es, die Art der Einflüsse zu erkennen und nach­teilige Begleit- und Folgeerschein~ngen in vertretbaren Grenzen zu halten. Neben den in Abschnitt 2.8. genannten anbautypischen Erscheinungen, die sich letztlich alle ,in Form von Rißbildungen und -erweiterungen, ggf. auch Schiefstellungen oder Fußbodeh­senkungen am Altbau äußern können, sind das folgende Erscheinungen:

Lärm- und Erschütterungen bei Baugruben­sicherung mit Rammelementen (ggf. sogar Einrüttelung lockerliegender Lockergesteins­schichten unter Gründung des Altbaus)

- Auflocke~ung der Gründungssc~icht des Altbaus oder seitliche verdr~ckungen bei der Ausführung von Bohrungen und Schach­tungen neben dem Altbau, z. B. -für Pfähle /8/ und Schlitzwände

- Sackungserscheinungen infolge Feinkorn­entzug aus Grundwasserabsenkungen aufgrund ungeeigneter oder defekter . Filter

- Vertikalverschiebungen, die bei Unter­fangungen zur Herstellung des Kraftschlus­ses der neuen Gründungselemente in der Regel unabdingbar sind

- Horizontalverschiebungen, die die Elemente der Baugrubensicherung erfahren müssen, um wirksam und kraftschlDssig zu werden (Verbauelemerite, Verankerungen usw.) und die damit einhergehenden VerdrDckungen in' der GrDndungsschicht des Altbaus.

Wird der Anb,u von Grundwasserabsenkungen begleitet, können zusätzlich von Bedeutung werden:

- Hohllagen und EinbrDche infolge Sackung oder Verrottung des unter dem Kellerfuß­boden des Altbaus verbliebenen Locker­gesteins

- Fäulnis benachbarter HolzpfahlgrDndungen

- Vertikalverschiebungen in folge Rohwichte-änderung (negative Mantelreibung).

6. Zusammenfassung

Anbauten und die damit zusammenhängenden Sicherungsmaßnahmen gehören zu den komplizier­ten Bauaufgaben, bei denen das Maß nachtei­liger Beeinflussungen der Altbausubstanz wesentlich von den Kenntnissen, Fertigkeiten und dem Verantwortungsbewußtsein der Projek­tierenden und AusfDhrenden abhängt. Die Lösung der GrDndungsaufgaben von Anbauten sollte daher ste ts von , Betrieben ausgefDhrt werden, die Dber entsprechende Erfahrungen verfDgen.

Literatur

/1/ Grundbautaschenbuch. Teil II. - Berlin: Verl. Ernst & Sohn, 1986

/2/ Zur AusfDhrung von Unterfangungsarbeiten an vorhandenen Fundamenten / Ditz, M. _ In: Bauzeitung. - Berlin 42(1988)2

/3/ DIN 4123 Gebäudesicherung im Bereich von Ausschachtungen, Gründungen und Unter~

, fangungen • - 1972

/4/ Abst 'Dtzungen und LJnterfangungen , / Wiss. Inst. fDr Aus- und Weiterbildung im Bauwesen; Mönch. - Leipzig, 1985

/5/ Gebäudesicherung bei Ausschachtungen, GrDndungen und Unterfangungen / Weißenbach, A. - In: Bauwirtschaft, Wiebaden 26(1912). - S. 883 ~ 891

/6/ TGL 11 463/03 BauwerksgrDndungen; FIßchengründungen. - 1979

/7/ Die GrDndung von Hoch- und Ingenieur­bauten / Plagemann; Langner. - Leipzig: Teubner Verlagsgesellschaft, ' 1958

/8/ Bauakademie der DDR: Katalog IWG 7826, Teil 3, Abschnitt 11.1. Giebelsicherungen

/9/ Weisung 42/85 des Leiters der Staatli­chen Bauaufsicht im MfB zur Gewährlei­stUng der Bausicherheit bei LDckenschlie­ßungen im innerstädtischen Wohnungsbau vom' 3. 11. 1988

Dipl.-Ing. Baumgarten, H. Staatliche Bauau fsich t SPG Grund-, Tief- und Wasserbau

Dipl.-Lng. Böttcher, W. VEB SBK Wasserbau KB Baugrund Berlin

Kommentar zur Vorschrift 120/82 (Teil 1) und 120/83 (Teil 2) "Bewehrte Erde"

In weniger als 20 ~ahren hat sich eine neue Bauweise mit der Bezeichnung "Bewehrte Erde " weltweit durchgesetzt. Dabei handelt es sich bekanntermaßen um die Anordnung von zugfesten Materialien (Bewehrungen, Armie­rungen) in Lockergesteinen (VerfDllmaterial), bei der eine WechselWirkung zwischen Beweh­rungen und VerfDllmaterial ausschließlich über die Reibung in den Kontaktflächen (Grenzflächenscherfes tigkeit) erreicht wird. Infolge der Grenzflächenscherfestigkeit kommt es bei einer Belastung von bewehrter Erde zur Mitwirkung der Armierungen in der Form, daß axiale (auf die Bewehrung bezogene) Verformungen behindert werden. Auf diese' ' Weise entsteht ein& Verbundwirkung, die zu einer erheblichen Vergrößerung der Belast­barkeit gegenüber dem Unbewehrten Zustand fDhren kann. Auf Grund der Tatsache, daß man zur Errichtung bewehrter Erdbauwerke vorwiegend nichtbindige Locke rgesteine ver­wendete, wird die Wirkung einer Bewehrung häufig mit der Erieugung einer scheinbaren Kohäsion bei rolligen Erdstoffen verglichen.

Die Berechnung und die bauliche Durchbildung von Stützkonstruktionen aus bewehrter Erde wird in der DDR mit der Vorschrift 120/82 (Teil 1) und 120/83 (Teil 2) der Staatlichen BauaufSicht verbindlich vorgeschrieben. Diese Vorschrift ist bereits 1983 (Teil 1) bzw. 1984 (Teil 2) veröffentlicht, bislang aber weder ergänzt noch Dberarbeitet worden. Der Teil 3 "Bewehrte Gründungspolster" wird derzeit era~beitet. Eine zusammenfassende NeubearbeituQ9 der gesamten Vorschrift

StBA ~~ (1989) 6 45

Page 2: Kommentar zur Vorschrift 120/82 (Teil und 120/83 (Teil 2 ....../1/ Grundbautaschenbuch. Teil II. - Berlin: Verl. Ernst & Sohn, 1986 /2/ Zur AusfDhrung von Unterfangungsarbeiten an

·e)

()

unter Einbeziehung bereits vorliegender neuer Kenhtnisse ist in Vorbereitung.

Die V~rschrift 120 gilt · genau genommen nur für Stützbauwerke mit senkrechter Außenhaut, die entweder mit Stahlbändern oder flächen­haft mi~ Geotextilien zu bewehren sind. In Verbindung mit Stahlaußenhautelementen sind auch Geotextilstreifen als Bewehrungen zugelassen. Für praktische Anwendungen wird sich jedoch eine vollflächige Bewehrung kaum umgehen lassen, weil die ohnehin relativ geringe Festigkeit der Geotextilien bei der Berechnung der inneren Stabilität unter Berücksirihtigung des Nutzungsfaktors k (Alterung) teilweise erheblich zu vermindern is t • .

'Noch bis vor w~nigen Jahren sind nahezu aus­schließlich Stützbauwerke aus bewehrter . Erde errichtet worden. Zwischenzeitlich gibt es aber auch zahlreiche Beispiele dafür, daß das Prinzip auf unterschiedlichste ' Kon­struktionen anwendbar ist und dabei zu volks­wirtschaftlich effektiven Lösungen führt /1/. · So wird bewehrte Erde häufig eingese~zt, um die Tragfähigkeit und Standsicherheit bei Gründungen, Dämmen oder Böschungen zu erhöhen. Daneben zeichnet sich eine ständig größer werdende Vielfalt technischer Lösun- I

gen ab, die besonders dadurch gekennzeich-net ist, daß neben konstruktiven Details auch die Kriterien für die Auswahl geeigne­ter Bewehrurigs- und yerfüllmaterialien wei­terentwickelt werden. Im Ergebnis neuerer Forschungsarbeiten /2/ /3/ /4/ sind schwach­bindige Lockergesteine als Verfüllmaterial grundsätzlich einsetzbar, wenn deren Plasti­zitätsindex nicht größer als I p = 0~1 ist. Dabei darf der Arrteil der Körnung bis d = 0,002 mm maximal 10 % uhd bis d ~ 0,02 mm höchstens 30 % betragen /3/ /4/.

In zunehmendem Maße werden Bauwerke projek­tiert und ausgeführt, die sich weder in den Gel~ungsbereich der Vorschrift 120 einord­nen noch nach dem dort vorgegebenen Verfah­ren nachweisen lassen. · Das ist grundsätz­lich möglich; bei der Berechnung solcher Konstruktionen sind aber einige Besonder­heiten zu beachten, auf die nachfolgend eingegangen wird: - Es ist allgemein üblich, die Baukonstruk­

tionen so zu bemessen, daß einmal deren Gebrauchsfähigkeit unter vörgegebenen Nutzungsbedingungen nachgewiesen und zum anderen ein Versagen mit einer vorgeschrie­benen Sicherheit ausgeschlos~~n wird. ­Bekanntlich sind bei grundbaustatischen Untersuchungen neben der Tragfähigkeit oder Standsicherheit auch Formänderungen (Setzungen) zu berechrien. -Dazu werden jeweils unterschiedliche Verfahren angewen­det und auch die Belastungen, von denen man dabei ' ausgeht, sind nicht die gleich'en. Diese Unterschiede entstehen dadurch, daß bei der Setzungsberechnung mit Methoden der Elastizitätstheorie für tatsächlich einwirkende Lasten (Normlasten) und Durch­schnittswerte der Steifigkeitspafameter des Lockergesteins die zu erwartenden Verformungen ermittelt werden sollen, wäh­rend bei Tragfähigkeits- und Standsicher­heitsberechnungen nach dem · Abstand zum Versagensfall gesucht wird. Der Versagens­fall selbst wird in der Regel theoretisch ermittelt, wozu in Abhängigkeit von den verwendeten Verfahren unterschiedlich viel Aufwand erforderlich sein kann. Völlig unerheblich ist in dem zusammenhang, ob dieses rechnerische Versagen durch Einwir­kungen herbeigeführt wird, wie das bei der Erddruck- und der Grundbruchberechnung der Fall ist, oder über eine Verringerung der Festigkeit des Lockergesteins, die

46 StBA 13 (1989)6

wiederum für die Verfahren zur Ermittlung der Geländebruchsicherheit typisch ist. Grundsätzlich wird dabei immer von einem Zustand ausgegang~n,bei dessen über­schreitung erst die betreffende Konstruk­tion durch den Bruch des Baugrundes ver­sagt und der deshalb allgemein als Grenz­zustand der Tragfähigkeit bezeichnet werden kann. .

- Für praktische Berechnungen verwendet man in der Regel einfache, vom Belastungsvor­gang unabhängige Verfahren - (Grenzgleich­gewichtsverfahren) • Dabei wird der Versa­gensfalI stets auf einen Bruchzustand, also das Vorhandensein von Gleitflächen, zurückgeführt. Die Tragfähigkeit selbst ergibt sich dann unter Beachtung der 'sta­tischen und der kinematischen Zulässigkeit des Bruchs, wobei 8ine vollständige Lösung dadurch gekennzeichnet ist, daß beide Bedingungen"gleichermaßen . erfüllt sind. Bei den gebräuchlichen Verfahren zur Erddruck-, Geländebrubh- und ·Drundbruch­berechnung werden die kinematischen und die Gleichgewichtsbedingungen grundsätz­lich nur näherungsweise erfüllt. Das gilt vor allem für die seg. Extremalmethoden, die besonders häufig angewendet werden. Diese Grenzgleichgewichtsverfahren eignen sich ,prinzipiell auch zur Tragfähigkeits­berechnung bei bewehrter Erde.

- Das Auftreten von Gleitflächen ist bei Bruchve~suchen immer wieder beobachtet und mit - nahezu allen zwischenzeitlich vorge­~chlagenen Berechnungsmethoden berücksich­tigt worden. Entscheidend ist dabei, daß auch die entlang ddr Gleitflächen aktivier­te Scherfestigkeit des Verfüllmaterials in die Berechnung eingeht. Ein derartiges Vorgehen ist offensichtlich nur dann zu­lässig, wenn sämtliche, im Zusammenhang mit der vollständigen Mobilisierung der Scherfestigkeit des Lockergesteins stehen­den Formänderungen innerhalb des Verfüll­materials für die Bewehrungen ungefährlich sind. Bekanntermaßen sind diese Formände­rungen unter anderem auch von den Bauwerks­abmessungen sowie vom Verlauf de~ entste­henden Gleitflächen abhängig und können infolgedessen sehr unterschiedliche Größen­ordnungen aufweisen. So haben zahlreiche Untersuchungen an Stützbauwerken aus be­wehrter Erde gezeigt, ~aß dort eine ört­liche Gleitflächenbildung mit geringen Verformungen verbunden ist und in der Regel bereits bei der Errichtung einsetzt. Ganz anders sind die Bedingungen b~im Einsatz von Bewehrungen zur Stabilisierung von Gründungspolstern oder Erddämmen. In die­sen Fä llen is t mit wes en t lic h größeren Verformungen bis zum Auftreten durchgehender Bruchflächen im Lockergestein zu rechnen, und demnach sind dann auch höhere Anforde­rungen an die Bruchdehnung des Bewehrungs­materials zu stellen.

- Zu beachten ist weiterhin, daß die Verform­barkei! von Geotextilien durch das ' Verfüll­material ' erheblich beeinträchtigt sein kann. Entsprechende Versuche mit Vliesen und Filzen ergaben bereits bei geringen Verschiebungswegen eine Aktivierung großer Zugkräfte auf kurzen Längen /3/. Somit besteht die Gefahr, daß die Bewehrung trotz einer an sich ausreichenden Bruch­dehnung früher bricht als das Lockergestein.

_ Die Praxis hat gezeigt, daß bewehrie Erde sehr gut für anspruchsvolle Konstruktionen, wie Brückenwiderlager und Rampen, angewen­det werden kann. Dadurch erlangt die Pro­blematik der Eigensetzungen und vor allem die der Horizontalverformungen eine größere Bedeutung, so daß zum Nachweis der Nützungs-

e

Page 3: Kommentar zur Vorschrift 120/82 (Teil und 120/83 (Teil 2 ....../1/ Grundbautaschenbuch. Teil II. - Berlin: Verl. Ernst & Sohn, 1986 /2/ Zur AusfDhrung von Unterfangungsarbeiten an

(

e )

fähigkeit derartiger Bauwerke die in de~ gegenwärtigen Fassung der Vorschrift 120 geforderte Untersuchung der Auswirkung von Baugrundsetzungen nicht -mehr ausreicht.

- Da bei Modellversuchen und Messungen an ausgeführten Bauwerken unter Nutzlasten keine durchgehenden Gleit- oder Bruch­flächen bemerkt wurden, ist die Anwendung der Elastizitätstheorie zur Verformungs­berechnung naheliegend . _Danach ist es , z. B. möglich, die Horizontalve~formu~gen infolge des nutzlastbeding t en H~n~erful­lungsdrucks mit Hilfe aer Ideal1s1erung der Stützkonstruktion als Kragscheibe zu bEl,rEichnen. Während zur Berechnung der Satzung eines auf - der Bauwerksoberfläche belasteten Fundaments (z. B. Aufiagerbank) die Verti­kalspännungsverteilung nach TGL 11 464/01 genügend genau bestimmbar ist, muß bei der Ermittlung der Horizontalspannungen der durch die Bewehrung aufrechterhaltene innere 'spannungszustand berücksichtigt wer'den. Formal läßt sich nach diesem Stan­dard auch die Setzung ein~r Gründung auf einem System aus steifer Deckschicht und weicherem Baugrund berechnen. Diese Ver­fahrensweise setzt jedoch voraus, daß die Deckschicht die ihr implizit zugeordnete Schub- und Biegebeanspruchung aufnehmen kann. ~

Bei nichtbindigem Schichtmaterial ist die?e beim "'!ts -Verfahren" nach TGL 11 464/01

getroffene Annahme nicht erfüllt. Auch wenn die Deckschicht bewehrt ist und da­durch ein Teil der Biegebeanspruchung der Bewehrung zugeordnet werden kann, bleibt die Schubbelastung des Lockergesteins bestehen. Allein daraus ist ersichtlich, · daß einer Beeinflussung der Setzungen durch Erhöhung der Bewehrungsst~ifigkeit Grenzen gesetzt sind.

- Wird andererseits berücksiqhtigt, daß es bereits im Nutzungszustand zur plastischen Formänderung, z. B. infolge 'von horizon- . ta len Ve rdrückun gen ode r Durchs tanze rsche i­nungen, komm~, ergeben sich bei Einsatz einer Bewehrung insbesondere durch den Aufbau zusätzlicher Horizontaldruckspan­nungen im Lockergestein Effekte der Set­zungsreduzierung. Vergleichsbasis f~r die Baugrundverbesserung durch Bewehrung ist deshalb nicht die TGL 11 464/01, sondern sind neben Versuchen solche Berechnungs­verfahren, mit denen die Erscheinung der örtlichen Plastizierung erfaßt werden kön-nen /5/. Große Bedeutung hat in diesem Zusammenhang eine, die Methode der finiten Elemente nicht voraus~etzende bodenme~ha­nische ModelIierung des Vorgangs d~~ hori­zontalen Verdrückung.

Zusammenfassend muß also eingeschätzt werden, daß eine Anwendung von bewehrter Erde außer­halb des Geltungsbereichs der Vorschrift 120 nicht unproblematisch ist und grundsätzlich Spezialkenntnisse erfordert. Aus diesem Grund~ sind solche Vorhaben bei der Spezial­prüfgruppe Grund-, Tief- und Wasserbau iri Erfurt zur bauaufsichtlichen Prüfung einzu­reichen. Es wird empfohlen, bei der Vorbe­reitung derartiger Bauwerke auf diesem Gebiet anerkannte Spezialisten, z. B. des VEB Forschungsanstalt für Schiffahrt , Wasser­und Grundbau Barlin, der Dresdner Hochschule fü~ Verkehrswesen oder der Wilhelm-Pieck­Universität Rostock, einzubeziehen.

Literatur /1/ Entwicklungsstand, Berechnungs- und

Ausführungsbeispiele sowie wissenschaft­liche Weiterentwickl~ng der Bauweise "Bewehrte Erde" in der DDR / Autoren­kollektiv. - Berlin: VEB Forschungs­anstalt für Schiffahrt, Wasser- und Grundbau, 1987. - (Mitteilungen; 52)

/2/

/3/

/4/

/5/

Untersuchung zur Verwendung von schwach­bindigen Erdstoffen im Rahmen der Bau­weise der bewehrten Erde / R. Strate. -1986. - Rostock, Wilhelm-Pieck-Universi~ tät, Diss. A Beitrag zum Einsatz von Sekundärrohstof­fen als Bewehrungsmaterialien für Bau­werke aus bewehrter Erde sowie zur Grenzflächenscherfestigkei~ zwischen Bewehrung und Lockergestein / Wilhelm­Pieck-Univ~rsität, Köhler, U. - Rostock, 1~88

Substitu~ion von Bewehrungsmaterialien und Erweiterung von ·Einsatzkriterien für bewehrte'Erde : S:/E-Bericht / VEB Forschungsanstalt für Schiffahrt, Wasser- und Grundbau. ~ Berlin, 1988

Untersuchungen zum Grenzzustand der Nut­zungsfähigkeit bewehrter Erdbauwerke / Wilhelm-Pieck-Universität; Nietiedt, H. W. - Rostock, 1988

Dipl.-Ing. H. W. Nieti~dt Dipl.-Ing. P. Otte Prof. Dr. sc . techn.::J. Riße

Sicherheitsgefährdende Schäden an Dachp!atten aus Glasstahlbeton

Zur Erzielung lichtdurchlässiger Abschluß­decken, Kellerlichtschächte und dergleichen sind zwischen 1950 und 1960 mehrfach Kon­struktionen ßUS Glasstahlb~ton nach /1/ ausgeführt worden. Ihr Einsatz erfolgte als Oberlichte für Werkhallen, Schwimmbäder und größere Kfz-Hallen /2/ ohne ausreichende Beachtung ihres Langzeitverhaltens.

Die Plattenkonstruktionen sind gekennzeich­net durch kreuzweise angeordnete ~xtrem feingliedrige Stahlbetonrippen mit ~azwischen­liegenden Glaskörpern, wobei die in der Druckzone liegenden Glaskörper als stati~ch wirksam in Rechnung gestellt wurden (Bild 1 und 2).

Als Mindestwerte waren

Rippenhöhe Rippenbreite

vorgeschrieben:

~ 60 mm

Dicke der Glaskörpe~ Rippenbewehrung Abstand der Tragbewehrung Abstand der Querbewenrung MindestbetoDgüte

f: 30 mm ~ 20 mm G: 6 mm

;:;;'250 mm ~ 300 mm

B 160 "ausreichend wasserdicht" .

Die Ausführung erfolgte in der Regel als -ein­achsig bewehrte, zweiseitig fre~ aufliegende vorgefertigte Glasstahlbetonplatte. ::Jede Einzelplatte war mit einem hinreichend breiten Stahlbetonrahmen zu umschließen. Brei te und 'Höhe des Rahmens mußten ' der Rippenhöhe entsprechen. Infolge der gerin­gen Rippenabmessungen .ergaben sich Beton­überdeckungen der Bewehrungsstäbe c < 15 mm. Die Oberseiten der Glasstahlbetonplatten waren den Witterun~se~nflüssen schutzlos

StBA13(1989)6 41 ·