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678 HELVETICA CHIMICA ACTh. 99. Komplexone X. Erdalkalikomplexe von 0, 0‘-Dioxyazofarbstoffenl) von G. Schwarzenbach und W. Biedermann. (9. 11. 48.) Bei den in den Artikeln VII, VIII und IX rnitgeteilten Bestim- mungsmethoden fur Metalle wird der Endpunkt der Titration durch einen p,-Effekt erkanntl). Wir haben nun nach Farbenindikatoren gesucht, die auf das zu bestimmende Metallion direkt ansprechen. Insbesondere wiinschten wir uns einen solchen Indikator fur Ma- gnesium. In den 4 Beizenfarbstoffen, deren Formeln nachfolgend angegeben sind, haben wir derartige Indikatoren gefunden, die sich fiir den Nachweis und die komplexometrische Bestimmung des Mg und einiger anderer Kationen vorzuglich eignen. Wir wollen die Farbstoffe hier mit den Nummern, die sie in den Tabellen von Schultx-Lehrnann, 7. Auflage, erhalten haben, bezeichnen. (In Klammer die entspreehende Nummer im Color Index.) Sr. 239 (C. I. 201) Eriochrom- Nr. 240 (C. I. 202) Eriochrom- blauschwarz B blauschwarz R I-) c Sr. 241 (C. I. 203) Eriochrom- Nr. 242 (C. I. 204) Eriochrom- schwarz T schwarz A Schon Brerzner2) hat in einer tabellarischen Zusammenstellung angegeben, dass die Eriochromschwarzfarbstoffe auf Mg ansprechen. Er hat es jedoch unterlassen, die Bedingungen zu studieren, die cin- gehalten werden mussen, damit der Effekt eintritt und hat die dem Farbwechsel zugrunde liegende Reaktion nicht niiher aufgeklgrt. a) Verhalten der Farbstoffe als p,-Indikatoren. Wir wollen zungchst das Verhalten der genannten Farbstoffe bei Abwesenheit mehrwertiger Metallipnen betrachten. Beim Durch- laufen der p,-Skala kann man bei allen vier Farbstoffen zwei Farb- umschlage beobachten: Unterhalb pH = 6 sind die Losungen weinrot, orange oder braungelb gefiirbt, zwischen pE = 8 und’l0 sind sie blau VII, Helv. 31, 331 (1948), VIII ibid. 456, IX ibid. 459. 2, C. Brenner, Helv. 3, 90 (1920).

Komplexone X. Erdalkalikomplexe von o, o'-Dioxyazofarbstoffen

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678 HELVETICA CHIMICA A C T h .

99. Komplexone X. Erdalkalikomplexe von 0, 0‘-Dioxyazofarbstoffenl) von G. Schwarzenbach und W. Biedermann.

(9. 11. 48.)

Bei den in den Artikeln VII, VI I I und IX rnitgeteilten Bestim- mungsmethoden fur Metalle wird der Endpunkt der Titration durch einen p,-Effekt erkanntl). Wir haben nun nach Farbenindikatoren gesucht, die auf das zu bestimmende Metallion direkt ansprechen. Insbesondere wiinschten wir uns einen solchen Indikator fur Ma- gnesium. In den 4 Beizenfarbstoffen, deren Formeln nachfolgend angegeben sind, haben wir derartige Indikatoren gefunden, die sich fiir den Nachweis und die komplexometrische Bestimmung des Mg und einiger anderer Kationen vorzuglich eignen. Wir wollen die Farbstoffe hier mit den Nummern, die sie in den Tabellen von Schultx-Lehrnann, 7. Auflage, erhalten haben, bezeichnen. (In Klammer die entspreehende Nummer im Color Index.)

S r . 239 (C. I. 201) Eriochrom- Nr. 240 (C. I. 202) Eriochrom- blauschwarz B blauschwarz R

I-) c

S r . 241 (C. I. 203) Eriochrom- Nr. 242 (C. I. 204) Eriochrom- schwarz T schwarz A

Schon Brerzner2) hat in einer tabellarischen Zusammenstellung angegeben, dass die Eriochromschwarzfarbstoffe auf Mg ansprechen. Er hat es jedoch unterlassen, die Bedingungen zu studieren, die cin- gehalten werden mussen, damit der Effekt eintritt und hat die dem Farbwechsel zugrunde liegende Reaktion nicht niiher aufgeklgrt.

a) Verha l ten der Fa rbs to f f e als p,-Indikatoren. Wir wollen zungchst das Verhalten der genannten Farbstoffe bei

Abwesenheit mehrwertiger Metallipnen betrachten. Beim Durch- laufen der p,-Skala kann man bei allen vier Farbstoffen zwei Farb- umschlage beobachten: Unterhalb pH = 6 sind die Losungen weinrot, orange oder braungelb gefiirbt, zwischen pE = 8 und’l0 sind sie blau

VII, Helv. 31, 331 (1948), VIII ibid. 456, IX ibid. 459. 2, C . Brenner, Helv. 3, 90 (1920).

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und oberhalb pH = 12 oder 13 orange. Die Partikeln dieser drei Farbstufen seien mit den Formeln H2F, HF und 3’ bezeichnet. (Wir lassen die Ladungen weg.) Es ist klar, dass die dissoziierbaren Pro- tonen der Partikeln H,B und HF von den beiden phenolischen Hydroxylgruppen der Farbstoffmolekeln herstammen, aber sie sind wahrscheinlich nicht nur an die Sauerstoffatome gebunden, sondern bilden Wasserstoffbriicken mit den N-Atomen der Azogruppe. Die Farbumschllge mussen also offenbar folgendermassen formuliert werden :

10 01

A I Y -

101 01

+ f- pH = 13

F

Nur eine derartige Formulierung erklart namlich den batho- chromen Effekt des Verlustes des ersten Protons und den hypso- chromen Effekt beim fhergang von HF zu F. Sie macht es ver- standlich, dass die o-chinonartigen Grenzformen b (deren es zwei gibt) in der mesomeren Partikel HF gegenuber den entsprechenden Grenzformen bei H,F und F stabilisiert sind, so dass das Resonanz- system [a ++ b] der Partikel HF energetisch symmetrischer ist als das entsprechende Resonanzsystem bei H,F und F. Die Grenz- form b ist bei H,P deshalb unstabiler, weil sie einen Oxoniumsauer- stoff und bei F deshalb, weil sie einen Azeniatstickstoff enthllt.

680 HELVETICA CHIMICA ACTA.

Diese grossere hteiligkeit der Grenzform b in HF macht diese Partikel ,,cyaninartiger" (also bei langeren Wellen absorbierend) als HzF und F1).

Der Farbwechsel bei pH 12-13 entspricht einer ganz normalen Indikatorreaktion, indem er innerhalb eines Intervalles von etwa 2 p,-Einheiten stattfindet :

H F r-* F+H+ (1)

Storend maeht sich lediglieh die schlechte Haltbarkeit der orangen Form F bemerkbar, welche im Verlauf einiger Stunden in der stark alkalischen Losung irreversibel zerstort wird.

Hingegen zeigt der Farbumschlag im Neutralgebiet eine Reihe von Eigentiimlichkeiten, welche erkennen lassen, dass hier dem ein- fachen Dissoziationsgleichgewicht :

H,F HF+H+ (2)

blau orange

weinrot blau

eine Polymerisationsreaktion der Partikel HzF uberlagert ist : n H , F =+ (HzF)= (3)

Derartige Polymerisationsprozesse trifft man bei sehr vielen Farbstoffen anz). I n unserem Falle wird die Reaktion durch Fremd- elektrolyte ausserordentlich bewst ig t . Es kommt dabei nicht nur auf die ionale Starke der Losung an, sondern die verschiedenen ein- wertigen Kationen (mehrwertige zeigen ja Komplexbildung mit dem Farbstoff, nnd wurden nicht untersucht) wirken deutlich spezifisch. Li-salze haben z. B. einen vie1 geringeren Einfluss als Na-salze und diese einen etwas geringeren als K- oder NH,-salze. Deshalb kann man in sehr verdiinnten Li-acetat-Puffern die einfache Dissoziations- reaktion (2) studieren, ohne dass die Polymerisation eine Rolle spielt. Sobald man nun aber etwas mehr Salz (besonders K-saJz) zufugt, verandert sich einmal die Farbung der sauren Losung von weinrot nach gelbbraun und der Farbumschlag nach Blau findet nun inner- halb eines engeren p,-Intervalles und bei etwas hoheren p,-Werten statt. Zudem benotigt die Einstellung der Gleichgewichte nun Zeit, und diese sind besonders temperaturempfindlich geworden. All diese Erscheinungen versteht man leicht an Hand der Polymerisations- reaktion ( 3 ) . Da n offenbar eine grosse Zahl ist, ist es klar, dass die Reaktion ( 3 ) kein Momentanvorgang sein kann. Der iiberaus starke Einfluss eines Zusatzes von Fremdelektrolyt ist durch die Ladung

weinrot braungelb

l) G. Schwurzenbuch, Z. El. Chem. 47, 40 (1941), Helv. 27, 576 (1944); L.G. 8. Brooker, Resonance and Organic Chemistry in ,,Frontiers in Chemistry", Interscience Publishers, Inc. New York 1945.

2, Siche z. B. E. Rabinowitch und L. F. Epstein, Am. Soc. 63, 69 (1941) und weiter G.Scheibe, Z. El. Ch. 47, 73 (1941); dort wcitcre Literatur. Sheppurd, Am. Snc. 66, 1995, 2003 (1044).

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der polymerisierenden Partikel H,F erklarbar, die ja noch eine ionogene Sulfogruppe enthdt. Weiter ist vorauszusehen, dass die Polymerisation eine grosse Reaktionsentropie haben wird, der Vor - gang also stark temperaturabhangig sein wird, indem man durch Erwarmen Depolymerisation erreichen kann. Schliesslich nimmt die Polymerisation dem Gleichgewicht (2) die Partikel H,F weg, so dass der Umschlag nach Blau bei hoheren p,-Werten eintritt. Eine An- wendung des Massenwirkungsgesetzes auf die Kombination von (2) und ( 3 ) zeigt sofort, dass die Polymerisation eine Verzerrung des Puffergebietes zur Folge haben muss, so dass der Farbumschlag (gelbbraun z-? blau) nun in einem engeren p,-Bereich stattfindet. Bei der potentiometrischen Aufnahme der Neutralisationskurven der Farbstoffe mit Hilfe der Antimonelektrode, konnten wir die Verflachung des Puffergebietes bei pH = 7 ebenfalls feststellen.

Die Farberscheinungen lassen sich am besten an Hand der mit dem Leifophotometer aufgenommenen Extinktionskurven der Fig. 1-4 beschreiben. Diese Kurven gelten f k r eine Wellenlange von etwa 6100 A (Zeiss-Filter S 61), bei welcher die Farbstufen H2F, (H,F), und F nur wenig absorbieren, wahrend HF einen molaren Extink- tionskoeffizienten von etwa 2200 besitzt. Die in den Figuren einge- tragenen Ordinatenwerte E sind also ungefahr proportional der Kon- zentration von HI.”.

Die ausgezogene Kurve I illustriert das Verhalten bei Abwesen- heit mehrwertiger Kationen. Der Ast Id zeigt den normalen Indikator- umschlag der Reaktion (1). Auch der Ast Ia entspricht einem nor- malen Umschlag, namlich der Reaktion (2), aufgenommen in sehr verdiinnten Li-acetat-Puffern, wo die Polymerisation von H,F noch unbedeutend ist. Beim Ast Ib (Fig. 1 und 3) waren die verwendeten Acetat- und Hydrazinpuffer von der konstanten ionalen Starke von 0,08, die durch Zusatz von (KCI) erreicht wurde. Man erkennt, dass der Umschlag durch den Salzzusatz nach rechts riickt und verzerrt wird, so dass die Kurve stark von der klassischen Form abweicht. Bei den Farbstoffen 240 und 242 (Fig. 2 und 4) ist der Umschlag nicht in so starken Salzlosungen, sondern in verdiinnten Hydrazin- puffern ausgemessen worden, wobei die Kurvenaste Ic entstanden. Der Vergleich der Aste Ic und Ia zeigt den spezifischen Einfluss des Hydraziniumions N,H5+ gegenuber dem Li*. Da die ionale Stiirke hier nur etwa 0,008 betragt, ist der Effekt natiirlich wesentlich geringer als bei den Kurven Ib der Fig. 1 und 3. Es scheint, dass der Farbstoff 242 am meisten zur Polymerisation neigt, indem sich hier be- reits der geringe Li-gehalt bei der Aufnahme der Hurve Ia bemerkbar machte, so dass die Extinktionswerte beim Stehen der Losung ab- sanken. Bei allen Figuren wurde deshalb Kurve Ia stets. dadurch er- halten, dass die Extinktion sofort nach dem Mischen von Farbstoff (dieser befand sich in der Vorratslosung in der blauen Farbstufe HF)

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E

4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 !4

a s t em-----

4 5 6 7 8 3 I0 1I 12 13 14

Fig. 1. Umschlagskurven des Farbstoffes 239. Fig. 2. Umschlagskurven des Farbstoffes 240. Fig. 3. Umschlagskurven des Farbstoffes 241. Pig. 4. Umschlagskurven des Farbstoffes 242.

Abszissen = pE-Werte der Pufferlosungen. Bei den Kurven I a , I b , I c und Id sind mehrwertige Metallionen abwesend und die Puffer

enthalten etwas &hylendiamintetraacetat.

Ordinaten = dekadischer Extinktionsmodul von 0,010 g Farbstoff pro Liter.

Kurven I a : Essigsaure-Lithiumacetat, ionale Starke 0,008. Kurven I b : Hydraziu- und Acetatpuffer mit {KCl), ionale Starke 0,08. Kurven Ic : Hydrazinpuffer, ionale Starke 0,008. Kurven I d : Piperidiupuffer und { KOH), bis pH 13 ionale StLrke 0,08. Kurve Ie: Hydrazinpuffer init { ICC1 t, ionale Starke 0,08, ohne H,Y-Zusatz.

Bei denKurven I I a und I1 b ist Magnesium anwesend (c = Bei den Kurven 111 ist Calcium anwesend c =

u n d l W ) , ionale Starke 0,08. die Puffer enthalten aber kein { KCl },

ionale Stiirke etwa 0,02.

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und Puffer zur Messung kam, um das durch die langsam verlaufende Polymerisation moglichst ungestorte Indikatorgleichgewicht zu er- halten.

Beim Erwiirmen der Losungen kann man folgende, durch De- polymerisation bewirkte Farbeffekte beobachten : Erhitzt man eine salzhaltige Losung vom p,-Wert 4-5, so geht das Braungelb des Polymerisates in das Weinrot des monomeren H,F iiber. Erhitzt man dagegen eine braungelbe Losung vom p,-Wert 6-6,5, so erhiilt man nicht Weinrot, sondern Blau. Der Fremdelektrolyt verschiebt namlich das einfache Gleichgewicht (2), wie das bei Dissoziations- gleichgewichten von Anionsiiureri stets der Fall istl), zugunsten der Dissoziationsprodukte. Die ejnfache Umschlagskurve wiirde bei An- wesenheit von Fremdelektrolyt also links von Ia liegen. Deshalb gelangen wir in gewissen p,-Bereichen beim Erhitzen direkt vom Polymerisat (H&')n zum blauen Ion HF. Man kann eine Depoly- merisation nicht. nur durch Erhitzen, sondern auch durch Zusgtze von Alkohol oder Aceton bewirken.

Wenn man mit konzentrierterer Farbstofflosung arbeitet, so kann die Polymerisation ein Gel-artiges Erstarren der Fliissigkeit bewirken. Wird der Farbstoff bei p,-Werten von weniger als 6 aus- gesalzen, so erhiilt man meistens flockige oder gallertartige Nieder- schlage. Hingegen entstehen aus Losungen oberhalb pH = 8 leichter Krystalle, da offenbar die Partikel HF weniger zur Polymerisation neigt.

b) Die Komplexbildung. Bei Gegenwart von Mg-salzen fanden wir die Umschlagskurven

11s und IIb der Fig. 1-4. Abgesehen von einer gewissen Einwirkung auf das Polymerisationsgleichgewicht, wird der Farbumschlag im Neutralgebiet durch das Erdalkaliion nicht beeinflusst. Hingegen riickt der zweite Umschlag, welcher bei Abwesenheit mehrwertiger Kationen erst oberhalb 11 stattfindet, um mehrere p,-Einheiten nach links. Die Verschiebung ist derart stark, dass das linke Ende der Umschlagskurven I1 ins Umschlagsgebiet H,F ---L HF hineingelangt, so dass der maximale Extinktionswert E, nicht mehr erreicht werden kann. Auf diese Art und Weise werden die Kurven I1 glockenformig. Der linke Ast dieser Kurven stimmt dabei ungefiihr iiberein mit den Kurven Ib oder Ic. Eine genaue Ubereinstimmung kann deshelb nicht zustande kommen, weil das in diesem Gebiet massgebliche Gleichgewicht : (H2F)n z r r n HF durch einzelne Ionen der Losung spezifisch beeinflusst wird, so dass das bei den Kurven I1 anwesende Mg auch einen Effekt susuben wird.

Siehe z. B. Harned und Owen, ,,Physical Chemistry of Electrolytic Solutions", Reinhold Publish. COT. New York 1943.

684 HELVETICA CHIMICA ACTA.

Die Kurven I1 zeigen aber eindeutig, dass das Erdalkaliion einzig mit dem Ion F einen Komplex zu bilden vermag, nicht aber mit H,F oder HF. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Komplex- bildung, wenigstens wenn die Konzentration des Mg diejenige des Farbstoffes ubersteigt, zum Ion MgF fuhrt, dem wir die folgende Formel geben durfenl) :

H,O OH, -

,o % 0,

0 3 S c > - x = - N f J 3 j Das Komplexion MgF: L

Leider genugt die Genauigkeit der Extinktionsmessungen nicht, um eine Analyse der Form der Kurven I1 zu ermoglichen, mit der sich die Abwesenheit der hoheren Komplexe MgF, beweisen liesse. Die bisherige Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass jede Komplexbildung stufenweise erfolgt,), und es ist theoretisch zu folgern, dass die ein- zelnen Stufen um so weiter auseinander liegen werden, je hoher die als Liganden dienenden Ionen geladen sind3).

Die Farbe des Komplexions MgF ist weinrot und derjenigen der monomeren Form von H,F zum Verwechseln ahnlich. Es ist interes- sant, dass dieser Ahnlichkeit der Farbe eine Ahnlichkeit der Struktur der beiden Partikeln entspricht, wenn man die obige Formel fur MgF als richtig annimmt (vgl. mit Formel a von H,F S. 679). Ein Zusatz von Mg bewirkt also oberhalb pH = 13 einen Farbumschlag von Orange nach Weinrot (dem dann sofort die Ausflockung von ange- farbtem Mg-Hydroxyd folgt) und bei p,-Werten von 8-11 einen solchen von Blau nach Weinrot, der ausserordentlich brilliant ist. Dieser letztere Farbwechsel ist natiurlich auf die folgende Reaktion zuruckzufuhren :

HF+Mg+, ;-L [MgB] -t H+ (4)

deren Gleichgewichtskonstante Kkac aus den Umschlagskurven IIa und IIb leicht berechnet werden kann.

blau weinrot

Die Extinktion der Kurveii I1 liefcrt uns die Konzentration von HF, da weder MgB noch H,F oder F bei 6100 d wesentlich absorbieren. Fur die Berechnung benotigt man den pH-Wert des Puffers, dic Konzentrationen yon Mg (= c) und vom Barbstoff (: cf), sowie die Extinktionen in der Pufferlosung (= E ) und cm. Dann gilt:

[MgF] = cf - [HF] [Mg+*] = c - [MgF] LHI( 3 = c f . L? Em

I ) K. Drew und Mitarbeiter haben bereits derartige Formulierungen fur die Kupfer- komplexe von Oxyazofarbstoffen verwendct. Siehe C. 1938, 11, 61 ; 1939, 11, 2916; 1941, I, 1958, 2962.

,) J . Bjerrum, ,,Metal ammine formation in aquous solution", Copenhagen 1941 ; Flood und Loras, Tidskr. for Kjemi, Bergvesen og Metallurgi 5, 35 (1944).

3, Gute Beispiele hierfur sind die Komplexe mit Imlnodiessigsaurederivaten. Siehe Komplexonarbeiten I bis V, Helv. 28,828,1133 (1945); 29,364 (1946) 30,1303,1798 (1947).

Volumen XXXI, Fasciculus 111 (1948). 685

Daraus erhalt man die Gleichgewichtskonstante der Reaktion 4, fur die man deshalb den folgenden einfachen Ausdruck erhiilt, weil man in der zweiten der obigen Gleichungen [MgF] im Vergleich zu c vernachliissigen darf. Die Metallkonzentration betrug niimlich 10-2 und wiihrend cf nur von der Grossenordnung 10-5 war.

-I--., 12,5 7 $4

241 1 6,3 11,55 I 7,O 240 1 7 ,0 1 13,5 1 7,56

242 ~ 6,2 1 13,0 I 7,2

Mit Hilfe der zweiten Aoiditatskonstante K, des Farbstoffes (erhalten aus dem Kur- venast Id) gewinnen wir dann die Komplexbildungskonstante Kk :

5,7

5,4 5,25

5,25 I

Aus den beiden unabhangig voneinander aufgenommenen Kur- ven 11% und IIb wurden recht gut ubereinstimmende Werte f i i r die Komplexbildungskonstante K, erhalten, was ebenfalls auf die Richtigkeit der hier gegebenen Interpretation der beschriebenen Farbeffekte hinweist. In der folgenden Tabelle sind die AciditBts- konstanten K, und K, der vier Farbstoffe, sowie die Komplexbil- dungskonstanten fur Mg und Ca zusammengestellt.

Tabelle. Aciditats- und Kornplexbildungskonstanten bei Eriochromschwarzfarbstoffen.

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sind wegen der Gefahr des Ausfallens von Magnesiumhydroxyd nicht giinstig. Neben dem p,-Wert ist das Produkt der Konstanten K,.K, fiir die Empfindlichkeit massgebend, denn nach den Gleichungen (5) und (6) erhiilt man fur die Konzentration des Erdalkaliions den folgenden Ausdruck :

(H+).[MgFl - (H+) .[rot] K, . Kk. [HF] [Mg+'] = K,. Kk .[blau]

Aus den Werten der Tabelle ergibt sich, dass der Nachweis so- wohl des Mg als auch des Ca rnit dem Farbstoff 241 am empfindlichsten sein wird, da das Produkt Kk.K2 hier am grossten ist. Sowohl die Uberschlagsrechnung, als auch einige durchgefiihrte Versuche zeigten, dass man mit Mg von der Konzentration bis lo-' Mole pro L und mit Ca von bis LO-5 Mole pro L noch deutliche Farbeffekte bekommt, dass man also beim Mg noch Rruchteile von einem y nachweisen kann.

Bei der Durchfuhrung der Messungen hat es sich gezeigt, dass manche der verwendeten Reagenzien Erdalkali enthielten. So haben wir mit reinster, kiiuflicher (KOH} oder (NaOH} bei den Farbstoffen nie einen Farbwechsel nach Orange, sondern stets einen solchen nach Weinrot beobachtet, weil die Hydroxyde offenbar etwas Ca ent- hielten. Man erhiilt aber die auf das freie Ion F zuruckzufuhrende orange Fiirbung sofort, wenn man eine Spur Athylendiamintetra- essigsiiure zufiigt. Gleicherweise fanden wir, dass das reinste (KCl) das wir bekommen konnten, um es zur Konstanthaltung der ionalen Starke den Puffern zuzusetzen, etwa Molprozente Mg enthielt. Diese Verunreinigung wirkt sich so aus, dass anstelle der Umschlags- kurve Id die Kurve Ie erhalten wird (eingetragen in der Fig. 3) . Aueh hier kann die Verunreinigung durch Zusatz einer Spur Athylen- diamintetraessigsiiure unschiidlich gemacht werden. Wie in einem anderen Artikell) beschrieben wird, kann man mit Hilfe des Farb- stoffes 241 auch sehr schon das Austreten von Erdalkaliionen aus dem Glas demonstrieren.

Die analytische Verwendung dieser Farbstoffe wird im Artikel ,,Komplexone XI" heschriebenl).

Experimenteller Teil. a) Eriochromblauschwarz B supra, Eriochromblauschwarz R supra, Eriochrom-

schware T supra und Eriochromschwarz A supra wurden uns von der Fa. Geigy, Basel, zur Verfiigung gestellt. Alle vier Farbstoffe wurden vor der Verwendung umkrystallisiert.

Farbstoff 239 wurde in warmem Ammoniak gelost und zu der filtrierten Losung {NaCl) gegeben, wobei blaue Sttibchen auskrystallisierten. Vor Gebrauch wurde im Vakuum getrocknet.

Farbstoff 240 wurde mehrmals itus neutraler, wasseriger Losung ausgesalzen, wobei schliesslich feine, violette Nadeln erhalten wurden, die im Vakuum getrocknet wurden.

Chimia 2, 56 (1948).

Volumen XXXI, Fasciculus 111 (1948). 687

Farbstoff 241 wurde aus der heissen, ammoniakalischen Losung ausgesalzen, wobei kurze, hlaue, oft zu Biischeln vereinigte Nadeln entstanden. Das Krystallisat wurde vakuum-trocken verwendet.

Farbstoff 242 wurde in Ammoniak heiss gelost und (NaCI} zugegeben. Aus dem sich anfanglich bildenden Gel entstanden nach Zugabe von Alkohol feine, violette Nadelchen. Das Krystallisat wurde vakuum-trocken verwendet.

b) Samtliche Losungen wurden mit Wasser zubereitet, welches aus einer geschlos- senen Glasapparatur im Vakuum redestilliert worden war. In einfach destilliertem Wasser konnten geringe Spuren von Kupfer nachgewiesen werden, die sehr storend waren.

c ) Pufferlosungen. 1. Pufferlosungen von der konstanten ionalen Stiirke 0,053.

PH 4,9-5,8 : K-acetat-Essigsiiure, bereitet aus (KOH) und Eisessig. Zusatz von {KCI), analysenrein.

PH 6,4-9,3 : HC1-Hydrazin. Das Hydrazin wurde vor der Verwendung frisch destilliert. Zusatz von (KCl).

p~ 9,8-11,7 : HCI-Piperidin. Die Base wurde als ,,reinst" von Fluck, St. Gallen, bezogen. Zusatz von (KCl).

pH 12,O--14: {KOH) mit Zusatz von {KCI). 2. Fur die Ausmessung der Kurven I11 bei Gegenwart von Ca, dienten (KC1)-freie

HC1-Hydrazinpuffer rnit pH-Werten von 8,9-9,6. Die ionale Stiirke war hier nicht kon- stant. Das {KClIwurde deshalb weggelassen, weil ea Spuren von Mg enthielt.

3. Pufferlosungen der geringen ionalen Stiirke von etwa 0,008 dienten zur Aufnahme der Kurveniiste Ia und Ic, niimlich: pE 4,5-6,6 : Lithiumacetat-Essigsiiure, bereitet aus Li-carbonat und Eisessig. pE 0,%-8,0: HC1-Hydrazin.

Von siimtlichen Pufferlosungen wurden die pH-Werte mit Hilfe der Wasserstoff- elektrode potentiometrisch ermittelt. Die iibliohen Puffersubstanzen fur den pH-Bereich 6 , 6 1 2 wurden deshalb nicht angewendet, weil bei Zugabe von Phosphat, Barbiturat, Glykolat oder Borat mit Calcium und Magnesium entweder Fiillungen entstehen oder Gefahr der Komplexbildung vorhanden ist.

d) Als Erdalkalisalze dienten fur Magnesium ein Handelsprodukt von{ MgCl,, 6H20}, wahrend fur Calcium ein Praparat Verwendung fand, welches sorgfiiltigst von Mg befreit worden war. Dam wurde Ca als Oxalat gefallt, dieses griindlich mit Essigsaure ausge- waschen, durch Gliihen in (CaO} iibergefiihrt und dieses in HCl gelost.

Zusammenf assung. Von vier verschiedenen Eriochromschwarzfarbstoffen wurden die

Aciditatskonstanten gemessen und die Bildungskonstanten der Komplexe rnit Ca und Mg ermittelt. Es wurden Strukturformeln fur die versehiedenen Farbstufen und Komplexionen angegeben.

Die Farbstoffe erwiesen sich als sehr empfindliche Reagenzien, die bei Mg noch auf eine Konzentration bis lo-' Mole pro Liter und bei Ca auf bis Mole pro Liter ansprechen.

Der Eidg. Volkswirtschuftsstiftung und der Chem. Fabrik Uetikon am See danken wir fur finanzielle Unterstutzung dieser Arbeit. Der Firma J . R. Geigy AG., Basel, danken wir fur aer lassung der Farbstoffe. Das verwendete Stufenphotometer und das Potentiometer sind mit Mittelu der Stiftung fur wissenschaftl. Forschung an der Universitat Zurich an- geschafft worden.

Zurich, Chemisches Institut der Universitat.