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G. BREUNIG ; K. MERKEL, FKTG Die Migration des „Free Universe Networks“ (F.U.N.) Vor zwei Jahren wurde im Heft 7/1999 der FKT über die Hintergründe und die Grundkonzepte der technischen Plattform des F.U.N. berichtet. Wesentliche techni- sche Komponente der F.U.N.-Plattform war damals — und ist bis heute — das API OpenTV. Seit der Verfügbarkeit des ersten MHP-Standards stehen die techni- schen Weiterentwicklungen bei F.U.N. ganz im Zeichen dieses neuen DVB-Stan- dards. Seit der Gründung von F.U.N. wur- de DVB-MHP als Ziel der API-Entwicklung angestrebt; die Entwicklungsarbeiten und den Standardisierungsprozess unterstütz- ten zahlreiche F.U.N.-Mitgliedsunterneh- men im europäischen DVB-Projekt. 1. Allgemeine Anforderungen an eine offene Plattform Die heutige Situation der „frühen Märk- te für digitales Fernsehen in Europa“ ist durch eine vertikale Marktstruktur gekenn- zeichnet. Der Begriff „vertikaler Markt“ steht für eine Situation, in der alle Ebenen der Wertschöpfungskette (das Programm, die Programmbündelung, die Verschlüs- selung, die Verteilwege und der Decoder als das Empfangsgerät) kommerziell und technisch in einer unternehmerischen Hand liegen. Beispiele für solche in sich geschlossenen Netzwerke sind die Platt- formen zur Vermarktung der Programm- pakete von PremiereWorld in Deutsch- land, BSkyB in England oder TPS und Ca- nal+ in Frankreich. Diese kommerziell orientierten Unter- nehmen, die man durchaus als Pioniere bei der Einführung des digitalen Pay-TV- Fernsehens in Europa bezeichnen könn- te, konnten in einzelnen europäischen Märkten Fuß fassen und die eigenen pro- prietären technischen Plattformen dort als Grundlage für die mediale Versorgung von Pay-TV-willigen Kunden durchaus er- folgreich etablieren. Fehlende attraktive Free-TV-Angebote haben in einigen europäischen Ländern diese Entwicklung zwar begünstigt, trotz- dem blieb der große Durchbruch aber auch dort noch aus, wie Branchenkenner immer wieder bescheinigen. Der Mensch ist als „Konsument von digitalen und multi- medialen Angeboten“ klar identifiziert. Nun muss es den kommerziellen Anbie- tern nur noch gelingen, die Masse der Menschen vom Mehrwert und dem Nut- zen digitaler Fernsehangebote nachhaltig zu überzeugen. Vor allem in Deutschland, einem Land mit einem reichhaltigen Free-TV-Angebot (öffentlich rechtlich und werbefinanziert), ist es, anders als in europäischen Nach- barländern, eine ungleich schwerere Auf- gabe, dem Verbraucher den persönlichen Nutzen und den persönlichen Mehrwert von Pay-TV-Angeboten glaubhaft zu ver- mitteln. Angesichts begrenzter und bereits heftig strapazierter Medienbudgets in den privaten Haushalten scheint die Konsum- bereitschaft nur begrenzt vorhanden und das Marktpotenzial für digitales Pay-TV in Deutschland angesichts stagnierender Entwicklungszahlen weitestgehend aus- geschöpft zu sein. In diesen in ihrer Reichweite begrenz- ten Pay-TV-Märkten herrschen digitale Decoder vor, die vom jeweiligen Anbieter definiert, bei Endgeräteherstellern in grö- ßeren Stückzahlen bestellt und an die ei- genen Kunden weiterverliehen werden. Sowohl für die „Verschlüsselung“ als auch für die „Schnittstelle für interaktive Anwen- dungen API“ werden vom jeweiligen Platt- formbetreiber verschiedene technische Komponenten eingesetzt, die für den ei- genen Markt optimal erscheinen und eine größtmögliche technische, operative und kommerzielle Kontrolle ermöglichen. Technik hat in vertikalen Pay-TV-Märkten durchaus auch die Funktion, für eine klare Abgrenzung der eigenen Plattform gegen- über potenziellen Mitwettbewerbern zu sorgen und damit den eigenen Markt zu schützen. Aus Unternehmersicht der verschiede- nen Plattformbetreiber ist die Folge des durchaus nachvollziehbaren Vorgehens Sonderdruck aus FERNSEH- UND KINO-TECHNIK – 55. Jahrgang – 2001 1 MHP MHP Multimedia Home Platform Mit dem neuen DVB-API-Standard „MHP“ stehen für alle Bereiche des digitalen Fernsehens einheitliche DVB-Standards zur Verfügung. Ideale Voraussetzungen also, um Offenheit und Wettbewerb in den Markt für di- gitales Fernsehen zu bringen und die Förderung eines horizontalen Mark- tes zu verstärken. Gleichzeitig ist MHP der Ausgangspunkt der API-Mi- gration der technischen Plattform der Medien- und Technikallianz F.U.N. Der Beitrag stellt die Anforderungen an eine offene technische Plattform für digitales Fernsehen dar, erläutert den Hintergrund der API-Migration und zeigt die Konzepte auf, die F.U.N. zur Realisierung entwickelt hat. Dipl.-Ing. Klaus Merkel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am IRT (Institut für Rundfunktech- nik). Gerald Breunig ist Mitarbeiter des Baye- rischen Rundfunks. Beide arbeiten aktiv für das „Technical Interface“ des F.U.N. „F.U.N. goes MHP“

Komposit Standardbildschirm „F.U.N.goesMHP“ FKTG Die ... · Komposit Standardbildschirm. eine grundlegende und beabsichtigte In-kompatibilität der verschiedenen Netzwer-ke bzw

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G. BREUNIG ; K. MERKEL, FKTG

Die Migration des

„Free Universe Networks“ (F.U.N.)

Vor zwei Jahren wurde im Heft 7/1999der FKT über die Hintergründe und dieGrundkonzepte der technischen Plattformdes F.U.N. berichtet. Wesentliche techni-sche Komponente der F.U.N.-Plattformwar damals — und ist bis heute — dasAPI OpenTV. Seit der Verfügbarkeit desersten MHP-Standards stehen die techni-schen Weiterentwicklungen bei F.U.N.ganz im Zeichen dieses neuen DVB-Stan-dards. Seit der Gründung von F.U.N. wur-de DVB-MHP als Ziel der API-Entwicklungangestrebt; die Entwicklungsarbeiten undden Standardisierungsprozess unterstütz-ten zahlreiche F.U.N.-Mitgliedsunterneh-men im europäischen DVB-Projekt.

1. Allgemeine Anforderungen aneine offene Plattform

Die heutige Situation der „frühen Märk-te für digitales Fernsehen in Europa“ istdurch eine vertikale Marktstruktur gekenn-zeichnet. Der Begriff „vertikaler Markt“steht für eine Situation, in der alle Ebenender Wertschöpfungskette (das Programm,die Programmbündelung, die Verschlüs-selung, die Verteilwege und der Decoderals das Empfangsgerät) kommerziell undtechnisch in einer unternehmerischenHand liegen. Beispiele für solche in sichgeschlossenen Netzwerke sind die Platt-formen zur Vermarktung der Programm-pakete von PremiereWorld in Deutsch-land, BSkyB in England oder TPS und Ca-nal+ in Frankreich.

Diese kommerziell orientierten Unter-nehmen, die man durchaus als Pionierebei der Einführung des digitalen Pay-TV-Fernsehens in Europa bezeichnen könn-te, konnten in einzelnen europäischenMärkten Fuß fassen und die eigenen pro-prietären technischen Plattformen dort alsGrundlage für die mediale Versorgungvon Pay-TV-willigen Kunden durchaus er-folgreich etablieren.

Fehlende attraktive Free-TV-Angebotehaben in einigen europäischen Länderndiese Entwicklung zwar begünstigt, trotz-

dem blieb der große Durchbruch aberauch dort noch aus, wie Branchenkennerimmer wieder bescheinigen. Der Menschist als „Konsument von digitalen und multi-medialen Angeboten“ klar identifiziert.Nun muss es den kommerziellen Anbie-tern nur noch gelingen, die Masse derMenschen vom Mehrwert und dem Nut-zen digitaler Fernsehangebote nachhaltigzu überzeugen.

Vor allem in Deutschland, einem Landmit einem reichhaltigen Free-TV-Angebot(öffentlich rechtlich und werbefinanziert),ist es, anders als in europäischen Nach-barländern, eine ungleich schwerere Auf-gabe, dem Verbraucher den persönlichenNutzen und den persönlichen Mehrwertvon Pay-TV-Angeboten glaubhaft zu ver-mitteln. Angesichts begrenzter und bereitsheftig strapazierter Medienbudgets in denprivaten Haushalten scheint die Konsum-bereitschaft nur begrenzt vorhanden unddas Marktpotenzial für digitales Pay-TV inDeutschland angesichts stagnierenderEntwicklungszahlen weitestgehend aus-geschöpft zu sein.

In diesen in ihrer Reichweite begrenz-ten Pay-TV-Märkten herrschen digitaleDecoder vor, die vom jeweiligen Anbieterdefiniert, bei Endgeräteherstellern in grö-ßeren Stückzahlen bestellt und an die ei-genen Kunden weiterverliehen werden.Sowohl für die „Verschlüsselung“ als auchfür die „Schnittstelle für interaktive Anwen-dungen API“ werden vom jeweiligen Platt-formbetreiber verschiedene technischeKomponenten eingesetzt, die für den ei-genen Markt optimal erscheinen und einegrößtmögliche technische, operative undkommerzielle Kontrolle ermöglichen.Technik hat in vertikalen Pay-TV-Märktendurchaus auch die Funktion, für eine klareAbgrenzung der eigenen Plattform gegen-über potenziellen Mitwettbewerbern zusorgen und damit den eigenen Markt zuschützen.

Aus Unternehmersicht der verschiede-nen Plattformbetreiber ist die Folge desdurchaus nachvollziehbaren Vorgehens

Sonderdruck aus FERNSEH- UND KINO-TECHNIK – 55. Jahrgang – 2001 1

MHPMHPMultimedia Home Platform

Mit dem neuen DVB-API-Standard

„MHP“ stehen für alle Bereiche des

digitalen Fernsehens einheitliche

DVB-Standards zur Verfügung. Ideale

Voraussetzungen also, um Offenheit

und Wettbewerb in den Markt für di-

gitales Fernsehen zu bringen und die

Förderung eines horizontalen Mark-

tes zu verstärken. Gleichzeitig ist

MHP der Ausgangspunkt der API-Mi-

gration der technischen Plattform der

Medien- und Technikallianz F.U.N.

Der Beitrag stellt die Anforderungen

an eine offene technische Plattform

für digitales Fernsehen dar, erläutert

den Hintergrund der API-Migration

und zeigt die Konzepte auf, die F.U.N.

zur Realisierung entwickelt hat.

Dipl.-Ing. Klaus Merkel ist wissenschaftlicherMitarbeiter am IRT (Institut für Rundfunktech-nik). Gerald Breunig ist Mitarbeiter des Baye-rischen Rundfunks. Beide arbeiten aktiv fürdas „Technical Interface“ des F.U.N.

„F.U.N. goes MHP“

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eine grundlegende und beabsichtigte In-kompatibilität der verschiedenen Netzwer-ke bzw. digitalen Plattformen. Dritte undkonkurrierende Programmanbieter sollendie Decoderinfrastruktur im Markt, in dievom Pay-TV-Anbieter meist in beträchtli-chem Umfang investiert werden musste,nicht ohne kommerzielle Absprachen nut-zen können (Bild 1). Den Nachteil diesertechnischen Unverträglichkeiten bekommtim vertikalen Markt aber letztendlich derVerbraucher zu spüren, da jede Plattformeinen eigenen anbieterspezifischen Deco-der voraussetzt.

Ganz anders der horizontale, offeneMarkt für digitales Fernsehen. Hier soll,wie bislang im analogen Fernsehen und inallen Bereichen der Unterhaltungselektro-nik üblich, jeder Anbieter seine Program-me und Diensteangebote auf allen Gerä-ten darstellen können. Erst in einer sol-chen Umgebung, in der das Zusammen-spiel einer Vielfalt von Programmangebo-ten und Geräten gesichert ist, und in derder Wettbewerb unter den Hersteller vonDecodern auch für Innovationen undmarktgerechte Preise sorgt, wird der Kun-de bereit sein, sich grundsätzlich auf die-ses neue Medium einzulassen.

Das Empfangsgerät der Zukunft dürftevor allem aus der Sicht des Verbrauchersder „Universaldecoder“ sein. Er wird demVerbraucher beim Satellitendirektemp-fang, im Kabel oder künftig beim digital-terrestrischen Empfang die größteOptionsvielfalt für den Empfang von digi-talen Angeboten bereit halten. Ohnedirekt auf spezielle Anbieter festgelegt zusein, eröffnet sich so das ganze Ange-botsspektrum des „Digitalen Fernsehens“vom Free-TV über Pay-TV bis hin zu inter-aktiven Diensten und allen Spielarten dese-Commerce.

Der Wettbewerb der Programmanbie-ter wird über diese offenen Universaldeco-der viele neue, attraktive und interessanteDiensteangebote bringen. Erst mit demEntstehen eines horizontalen Marktes

wird sich digitales Fernsehen zu einemMassenmedium ersten Ranges entwi-ckeln.

Mit dem Ziel der Förderung dieses hori-zontalen Marktes und zur Abstimmungder dafür nötigen Verabredungen undRandbedingungen (Bild 2) wurde im Fe-bruar 1999 die Medien- und Technikalli-anz „Free Universe Network“ (F.U.N.) ge-gründet. F.U.N. hat mittlerweile knapp 50Mitgliedsfirmen. Sie setzen sich aus Pro-grammanbietern, Decoderherstellern,Netzbetreibern, Softwarehäusern und an-deren auf das digitale Fernsehen speziali-sierten Sparten zusammen.

Mit „NorDig“ hat sich in den nordischenLändern (Dänemark, Finnland, Island,Norwegen, Schweden) eine F.U.N. sehrähnliche Allianz gebildet, die ebenfallsden horizontalen Markt für digitales Fern-sehen fördert und sich für die weitestge-hende Verwendung von DVB-Standardsim Bereich der Endgeräte ausgesprochenhat. Auch NorDig wird in den nächstenMonaten der API-Migration verstärkt Auf-merksamkeit widmen und sich — wie der-zeit das F.U.N. — besonders mit den netz-werkspezifischen Interoperabilitätsfragenintensiv auseinander setzen.

2. Bisherige Entwicklungen

2.1. OpenTV als API bei F.U.N.

Da für das API zu der Zeit der Grün-dung von F.U.N. kein DVB-Standard ver-fügbar war, musste auf andere verfügbareLösungen zurückgegriffen werden. DieWahl fiel auf OpenTV, ein leistungsfähigesProdukt eines neutralen und wirtschaftlichvon Programmanbietern unabhängigenAPI-Anbieters, das schon weltweit in vie-len Märkten eingesetzt wurde.

Eine homogene Decoderplattform setztvoraus, dass die Mindestanforderungenan die Decoder verbindlich vereinbartwerden. Das Zusammenwirken der we-sentlichen Decoderkomponenten — dieInteroperabilität — und das grundlegende

Decoderverhalten in den wesentlichenPunkten ist verbindlich zu definieren. Diefür offene Märkte entscheidende Kompati-bilität der Endgeräte ist zu gewährleisten.F.U.N. hat für die eigene Plattform eine In-teroperabilitäts-Spezifikation erarbeitet.Sie ist seither Grundlage für alle F.U.N.-Universaldecoder und für die Verwendungdes F.U.N.-Labels (Bild 3). Die Bereiche,die diese technische Spezifikation ab-deckt (Bild 4), sind für das API OpenTVpraktisch identisch mit denen, die heuteauch bei MHP notwendig sind und dienachfolgend näher beschrieben werden.

Heute sind F.U.N.-Universaldecodervon einer Reihe von Herstellern (zum Bei-spiel Panasonic, Galaxis, Humax) imMarkt. Neben den mit Beginn der IFA 1997erstmals ausgestrahlten elektronischenProgrammführern (EPGs) von „ARD Digi-tal“ und „ZDF.vision“ und dem Onlinekanalder ARD bietet mittlerweile auch RTL (seitIFA 1999) mit „RTL World“ ein vielfältiges,multimediales Free-TV-Angebot, das dem-nächst erstmals umfassende E-mail-Funk-tionen auf das Fernsehgerät bringen soll.Seit der IFA 1999 gibt es bei ARD Digitaldie Show „Verstehen Sie Spaß?“ mit einerinteraktiven Ratespielanwendung — auchbei einigen Krimis der Reihe „Tatort“ konnteschon auf diese Weise mitgeraten werden.Bilder 5 bis 7 zeigen Screenshots dieserneuen Dienste.

2.2. Entwicklung des MHP-Standards

Generell ist eine Verständigung aufStandards für digitales Fernsehen lang-wierig, kompliziert und vom Tauziehen der

2 Sonderdruck aus FERNSEH- UND KINO-TECHNIK – 55. Jahrgang – 2001

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Bild 3. F.U.N.-Label, mittlerweile ein weitver-

breitetes Markenzeichen

Programmanbieter

Decoderhersteller

Netzwerkbetreiber

Kunde

Programm

Progr. A Progr. B

Netzwerk A Netzwerk B

A-Box B-Box

?

Bild 1. Der vertikale Markt und seine Probleme

Programmanbieter

Decoderhersteller

Netzwerkbetreiber

definierte und offene Schnittstellen!

Programm

Kunde

Bild 2. F.U.N.: Der horizontale Markt

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Farbprofil: DeaktiviertKomposit Standardbildschirm

unterschiedlichen Interessengruppen ge-prägt. Bislang ist es aber im europäischenDVB-Projekt stets gelungen, den Konsenszwischen allen Beteiligten herzustellenund richtungsweisende Standards auf denWeg zu bringen. Das gilt gerade für die Di-gitalisierung und Übertragung von Bild-und Tonsignalen, für grundlegende Ver-schlüsselungsalgorithmen sowie für eineuniverselle Decoder-Schnittstelle zum An-schluss verschiedenster Entschlüsse-lungsmodule (DVB Common Interface).

Ein weiterer wichtiger Mosaikstein, dernun in der Frage der Kompatibilität vonEndgeräten einen großen Fortschritt brin-gen wird, ist DVB-MHP (DVB Multi MediaHome Plattform). Dieser europäischeStandard wird, so die Aussagen der Ex-perten, den jahrelangen „Streit“ um eineeinheitliche Softwareschnittstelle (API) beiden Digitaldecodern beenden.

Die Standardisierungsarbeiten began-nen bereits Anfang 1997, mehr als dreiJahre später konnte 2000 eine erste Ver-sion an die europäische Standardisie-rungsinstitution ETSI geschickt werden.Seither wurde an einer neuen, korrigiertenVersion des Standards sowie an erstenWeiterentwicklungen gearbeitet. Paralleldazu verliefen die Implementierungsarbei-ten der Decoderindustrie, und es wurdenim Rahmen des DVB-Projekts die erstenSchritte eingeleitet, um eine „Testsuite“verfügbar zu machen, mit der Decoder aufKonformität mit dem insgesamt sehr kom-plexen Standard getestet werden sollen.

Am Ende all dieser Prozesse wird einProdukt- und Markt-fähiger Standard ste-hen, der die große Chance eröffnet, dieseit dem Scheitern des ersten Versuchs,eine einheitliche Decoderplattform zuschaffen (MMBG 1995/96), divergieren-den Entwicklungen beim digitalen Fernse-hen zu einem offenen und zukunftssiche-ren Markt konvergieren zu lassen (Bild 8).

3. F.U.N.-MHP-Interoperabilitäts-Spezifikation

Der DVB-MHP-Standard bietet zwarein breites Spektrum an Befehlen, mit de-nen sich interaktive Anwendungen reali-sieren lassen, ist aber — wie DVB-Stan-dards generell — nach dem so genannten„Toolbox“-Prinzip aufgebaut. Das bedeu-tet, dass der Standard zunächst eine ge-wisse Mindestfunktionalität zwingend vor-schreibt und darüber hinaus eine Reihevon Optionen bietet, die für jeden „MHP-Decoder“ beliebig kombiniert werden kön-nen. Je nach Anwendungsschwerpunktkönnen verschiedene „Profile“ gewähltwerden, und auch bei der Hardwareaus-stattung sind große Unterschiede möglich.Offen bleibt daher an vielen Stellen dieEinbindung des MHP-Befehlssatzes indas — gerade auch kommerziell relevan-te — Gesamtverhalten des Decoders.

In vertikalen Märkten, in denen ein zen-traler Provider alle Dienste, Decoder undVerteilnetze kontrolliert, wird daher gene-rell, ganz gleich welches API auch immerzum Einsatz kommt, in einer umfangrei-

chen Spezifikation detailliert festgelegt,über welche Optionen und Parameter dieDecoder verfügen sollen. Nur so ist eineeffiziente Planung und Realisierung vonanspruchsvollen Shopping-Anwendungenoder interaktiven Spielen möglich.

In horizontalen Märkten fehlt diesezentrale Instanz zunächst, und daraus fol-gen große Unsicherheiten bei der Pla-nung von vergleichbar anspruchsvollenDiensten. Um daher die Einbindung desMHP-API auch für einen offenen Deco-dermarkt einheitlich und interoperabel zuregeln, hat F.U.N. auch für DVB-MHP eineentsprechende Interoperabilitäts-Spezifi-kation erarbeitet. Sie garantiert das tech-nisch transparente Gesamtverhalten desDecoders und den für einen offenen Marktunverzichtbaren gleichberechtigten Zugriffaller Anbieter auf die verfügbaren Deco-derressourcen.

Da die MHP-Spezifikation, ebenso wiedas bei den früher entstandenen proprie-tären APIs (zum Beispiel OpenTV) derFall war, in gleicher Weise Rücksicht dar-

Sonderdruck aus FERNSEH- UND KINO-TECHNIK – 55. Jahrgang – 2001 3

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Interoperabilität

Basistechnologie

Programm

KundeTechnische Plattform

API

Bild 4 (links). Techni-

sche Komponenten

des F.U.N.

Bilder 5 bis 7 (rechts

von oben nach un-

ten):

Bild 5. EPG der ARD

Bild 6. Onlinekanal

der ARD

DVB/MHP-Standardisierung

Beginn MHP 1.0 an ETSI

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001

FreeTV/F.U.N. OpenTV

OpenTV

MHP

MHP

MMBG Media-H.

d-Box kein API Betanova

Konvergenz (?)

Bild 7. „Verstehen

Sie Spaß? interaktiv

Bild 8 (links). APIs im

deutschen Markt

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auf nehmen muss, weltweit an verschie-denste Marktszenarien anpassbar zusein, resultiert daraus ein erstaunlich ähn-licher Bereich von Komponenten und Pa-rametern, die für eine Interoperabilitäts-Spezifikation zu berücksichtigen sind.

Wie in der Vergangenheit ist es dabeiauch für MHP keineswegs das Ziel, einen„Einheitsdecoder“ zu definieren, der sichvon Hersteller zu Hersteller nicht mehr un-terscheidet. Im Gegenteil, es sollte so vielFreiraum für individuelle und innovativeProdukte wie nur möglich bleiben, aberohne dass die grundlegende Interoperabi-lität mit den Programmanbietern dabei ge-fährdet ist.

Der Umfang der Spezifikation ist imBild 9 schematisch dargestellt. Grundlageist zunächst selbstverständlich alles, wasMHP zwingend (mandatory) vorschreibt.Allerdings treten auch hier schon Punkteauf, die für den offenen Markt genauer ge-regelt werden müssen, als die Spezifika-tion das vorsieht. Ein besonders prägnan-tes Beispiel dafür ist das „File Handling“.MHP definiert zwar Befehle zum Lesenund Schreiben von Files, spezifiziert aberkeine Mindestgröße des File-Systems undkeine Vorschriften, wie der Speicherplatzverwaltet werden soll, wenn mehrere un-abhängige Anbieter Files schreiben undnatürlich später auch wiederfinden wollen.Da dies für viele Anwendungen aber vonentscheidender Bedeutung ist, hat F.U.N.den schon für die OpenTV-Decodergene-ration entwickelten „Slot“-Mechanismusfür MHP angepasst. Er weist den Pro-grammanbietern in einem gewissen Um-fang einen eigenverantwortlich organisier-baren Speicherplatz zu und bietet dortSchutz vor anderen Anwendungen.

Weitere Beispiele für diesen Teil derSpezifikation sind der Umgang mit derFarbpalette, bei Decodern, die „true co-lour“ nicht unterstützen, Leistungskriterienfür die Datenfilterung oder die Synchroni-sation von Timern.

Ein zweiter Bereich der Spezifikationtrifft Festlegungen im Bereich der Optio-nen von MHP. Eine Grundentscheidungfür das von MHP angebotene „InteractiveBroadcast Profile 1“ legt dabei schon eine

Reihe von Merkmalen (Features) fest, dieteilweise noch etwas ergänzt werden(zum Beispiel um das HTTP-Protokoll)oder für die eine Mindestanforderung defi-niert wird (zum Beispiel für den Rückka-nal). Mit diesem Schwerpunkt ist bei allenF.U.N.-Decodern für eine gute Grundaus-stattung gesorgt, die eine Vielzahl vonrückkanalbasierten Diensten erlaubt.

Hierzu gehört weiterhin die Fernbedie-nung, für die die F.U.N.-Spezifikation überden von MHP definierten Mindesttasten-satz hinaus weitere Tasten definiert. Damitsind etwa die heute üblichen Farbtastenauch für MHP-Anwendungen verfügbar,weiterhin sind Tasten für die Programm-umschaltung sowie das sichere Verlassenvon Anwendungen vorgesehen.

Weiterhin regelt die Spezifikation Be-reiche, die in MHP nicht behandelt wer-den, für das Gesamtverhalten des Deco-ders aber entscheidend sind.

Das betrifft zunächst den Navigator,der für das Auffinden und die Darstellungder Dienste maßgeblich ist. Hier wird fest-gelegt, welche Dienste nach einem Such-lauf angezeigt werden sollen; ebenso dieDarstellung der „Bouquets“, also komplet-ter Programmpakete, die bei vielen Deco-dern oft große Schwierigkeiten machen.Auch Eingabemöglichkeiten für einen al-tersabhängigen Jugendschutz sind nebenanderen Details vorgesehen.

Neben dem Navigator gibt es noch ei-nen weiteren Bereich MHP-unabhängigerMerkmale, die behandelt werden. Wichtig-stes Beispiel hierfür ist das „DVB Com-mon Interface“, das eine ganze Reihenachträglicher Hardwareerweiterungendes Decoders erlaubt. Seine wichtigsteAnwendung findet es aber heute in der In-tegration verschiedener Verschlüsse-lungssysteme (CA-Systeme). Nur überdieses Interface ist jeder F.U.N.-Decoderin der Lage, Pay-Dienste von verschiede-nen Anbietern zu empfangen, die oft auchmit verschiedenen CA-Systemen ver-schlüsselt sind, die allesamt nicht standar-disiert sind. Auch dies ist ein wichtiger Bei-trag zur Offenheit dieser Decoder.

Eine erste Arbeitsversion dieser Spezi-fikation wurde im Februar 2001 einem

großen Kreis von Firmen und Institutionenbekannt gemacht, in denen alle wichtigenMarktpartner vertreten sind. Dazu gehö-ren unter anderem die Deutsche TV-Platt-form e.V., der VPRT, Callahan, e-Kabel,BetaResearch sowie die „DVB Implemen-tersgroup“. Seither wurden noch von ver-schiedenen Seiten eine Reihe von Ände-rungen und Ergänzungen eingebrachtund eine erste Version dieser Spezifika-tion steht rechtzeitig für die erste Genera-tion von MHP-Decodern zur Verfügung.

Die jeweils aktuelle Version der Spezifi-kation ist im Internet unter www.fun-tv.deerhältlich.

4. Migration von OpenTV zu MHP

Seit über zweieinhalb Jahren sind nunDecoder nach dem alten F.U.N./OpenTV-Standard im Markt, ebenso wie eine Rei-he von Diensten verschiedener Anbieter,wie sie schon kurz vorgestellt wurden.

Da die beiden APIs OpenTV und MHPtechnisch zunächst inkompatibel sind,OpenTV-Applikationen also auf MHP-De-codern nicht „laufen“ und umgekehrt, stelltsich die Frage, wie in der Übergangspha-se (Migrationsphase) der Umstieg zwi-schen den Systemen marktverträglich er-folgen kann. Marktverträglich heißt kon-kret, dass folgende Bedingungen zu be-rücksichtigen sind:

• Die bislang verkauften Decoder müs-sen, da sie nicht einfach ausge-tauscht werden können, von den Pro-grammveranstaltern noch für etlicheJahre bis zum Ende ihrer Lebensdau-er unterstützt werden.

• Diese Decoder sind in ihrer Hardware-ausstattung so beschränkt, dass siesich auf das aufwändigere, JAVA-ba-sierte MHP nicht „upgraden“ lassen.

• Die Datenrate auf den Verteilwegenist ein knappes und teures Gut, sodass die Programmveranstalter nichtohne weiteres umfangreiche interakti-ve Dienste parallel für verschiedeneSysteme senden können.

Im folgenden soll das Migrationskonzeptkurz beschrieben werden, das F.U.N. imHinblick auf die bereits absehbare API-Standardisierung schon früh propagiert hat.

Dazu ist im Bild 10 schematisch darge-stellt, wie sich über die Jahre hinweg dieinsgesamt exponentiell anwachsendeZahl der F.U.N.-Universaldecoder zusam-mensetzen wird. Dabei wird davon ausge-gangen, dass etwa alle 18 Monate eineneue Generation von Decodern in denMarkt kommt, die über neue Leistungs-merkmale verfügt. Die Verkaufszahlen fürdie „dann ältere Generation“ gehen zu-

4 Sonderdruck aus FERNSEH- UND KINO-TECHNIK – 55. Jahrgang – 2001

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MHPoptional

MHPmandatory

weitere Komponentenund Optionen

Navigator

z.B. Darstellung von Dienstenund Bouquets

F.U.N. Interopera-bilitäts-Spezifikation

z.B. Rückkanaloptionfür alle Decoderz.B. Filehandling

z.B. Common Interface fürPay-Dienste

Bild 9. Umfang der

Interoperabilitäts-

spezifikation

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rück, deren Bestand steigt damit langsa-mer an, schließlich werden diese Geräteüberhaupt nicht mehr verkauft und ihr Be-stand nimmt über die Zeit langsam ab.Insgesamt ergibt sich damit die dargestell-te Schichtung von Gerätegenerationen,und es ist zu erkennen, dass auf dem offe-nen Decodermarkt zu jeder Zeit Geräteverschiedener Ausstattung anzutreffenund von den Programmanbietern zu be-rücksichtigen sind.

Ein Programmanbieter, der heute ei-nen elektronischen Programmführer(EPG) im System OpenTV anbietet, wirddiesen EPG, sowie eventuell noch weitereDienste, bald auch für MHP-Decoder an-bieten wollen. Eine technisch einfache Lö-sung wäre zunächst der volle „Simulcast“,also die zusätzliche parallele Ausstrah-lung des kompletten EPG in MHP sowieweiterer MHP-Dienste wie im Bild 11 ge-zeigt. Die existierenden Decoder werdendamit weiter unterstützt, ebenso neueMHP-Decoder. Der große Nachteil dieserLösung ist die hohe Datenrate, die für die-ses Verfahren aufgewendet werden muss.

An diesem Punkt greift nun das Lö-sungskonzept, bei dem der entscheiden-

de Gedanke in der Trennung von Datenund Anwendungen liegt. Der größte Anteilder Datenrate wird bei den meisten Dien-sten durch mitgesendete Texte und vor al-lem Bilder bestimmt. Dadurch ergibt sichdie im Bild 12 dargestellte Möglichkeit,Datenrate einzusparen.

Die eigentlichen Daten für den EPGwerden so formatiert und paketiert, dasssie sowohl aus OpenTV- als auch ausMHP-Anwendungen lesbar sind. Die API-spezifische EPG-Anwendung übernimmtdann nur noch die Darstellung und die Na-vigation durch die Daten und kann entspre-chend kleingehalten werden. Diese Dop-pelnutzung der Daten erhöht den Aufwand

an Datenrate für die Unterstützung beiderAPIs also nur unwesentlich.

Damit ist eine marktverträgliche Migrati-on von OpenTV zu MHP realisierbar, dasAPI entwickelt sich weiter, ohne dass diegrundlegenden Eigenschaften der F.U.N.-Plattform wie Offenheit und Interoperabili-tät angetastet werden (Bild 13).

Die Firma SCIP in Hamburg(www.scip.tv), die sehr viel Know-how zuAPIs im digitalen Fernsehen hat, entwi-ckelte aus diesem Konzept mittlerweile einProdukt. Dieses Produktionssystem, das inder beschriebenen Weise die parallele Un-terstützung von verschiedenen APIs er-laubt, wird mittlerweile bei mehreren Pro-grammanbietern eingesetzt.

Generell muss neben der beschriebenenAPI-Migration mit unterschiedlichen Deco-dergenerationen, die sich gleichzeitig imMarkt befinden, umgegangen werden. Beider Konzeption jeder Anwendung mit neuentechnischen Merkmalen muss bedacht wer-den, wie sich diese Anwendung auf älterenDecodern, die solche „Features“ nicht unter-stützen, verhalten soll. Solche Decoder wer-den beim Start einer neuen Generation übli-cherweise in der Mehrzahl sein. Deren Besit-zer dürfen nicht durch nur noch fragmenta-

risch laufende und „nur bedingt nutzbare“Anwendungen verschreckt werden.

5. Aktueller Entwicklungsstand

Mit den ersten Versionen des MHP-Standards und der ergänzenden F.U.N.-Spezifikation sind die wesentlichen techni-schen Rahmenbedingungen für die Imple-mentierung von MHP für den offenen Marktgegeben. Die Realisierung von MHP-Deco-dern durch die Industrie ist weit fortgeschrit-ten, und zur IFA 2001 haben eine Reihe vonHerstellern Prototypen vorgestellt. Gleich-zeitig bereiten sich die Programmveranstal-ter auf das neue API vor und demonstrier-

ten ebenfalls zur IFA eine Fülle von neuenDiensten sowohl über Satellit als auch vonlokalen Servern (Bild 14).

Während dieser „IFA-Phase“ wird sichdie Technik noch weiter konsolidieren undnoch auftretende Kompatibilitätsproblemekönnen gelöst werden.

Nachdem damit alle technischen Vor-aussetzungen für einen offenen Markt fürdigitales Fernsehen in Deutschland gege-ben sind, gilt es jetzt dafür Sorge zu tra-gen, dass der DVB-MHP-Standard markt-und medienpolitisch verträglich umgesetztwird. Es bedarf hier des gemeinsamenWillens der Marktteilnehmer, alles dafürzu tun, dass die auch medienpolitisch ge-forderte Offenheit der Decodersystemedauerhaft gewährleistet wird.

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Zeit Jahre

De

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erp

op

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tion

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MHP X

MHP 1.0

OpenTV EN 2

OpenTV EN 1.1

Bild 10. API-Ausstattung verschiedener Deco-

dergenerationen

De

cod

er

Da

ten

rate

OpenTV-EPG

MHP-EPG

neue MHP-Applikationen

JahreZeit

„Migration”

Bild 13. Migrationsweg von OpenTV zu MHP

Deco

der

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te

JahreZeit

OpenTV-EPG

EPG-Daten

OpenTV-EPG (nur Applikation)

MHP-EPG (nur Applikation)

neue MHP-Applikationen

Bild 12. Migration: Trennung von Daten und Applikationen

Bild 11 (links). Voller Simulcast der Applikationen

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Farbprofil: DeaktiviertKomposit Standardbildschirm

Ein offener horizontaler Markt für digi-tales Fernsehen ist auch in Deutschlandnach wie vor noch keine Selbstverständ-lichkeit. Dieses Marktmodell muss sichgegenüber den heutigen vertikalen Mo-dellen noch behaupten und durchsetzen.Besonders im Zuge des Verkaufs von Ka-belnetzen der Deutschen Telekom AG anneue Investoren könnte sich die Situationhinsichtlich einer technischen Fragmentie-rung des deutschen Kabelmarkts durch-aus noch weiter verschärfen. Anders alsim analogen Fernsehen soll sich der Ka-belkunde nun daran gewöhnen, dass imdigitalen Fernsehen auch das Endgerätvom Kabelnetzbetreiber vorgegeben wird.

Die Situation, dass die bekannte Ka-beldose den „Netzabschluss“ bildet, sollnach den gängigen Vorstellungen derneuen Investoren der Vergangenheit an-gehören. Mit der Situation, dass dann

a) jeder Kabelnetzbetreiber seine eige-ne Endgerätetechnik in den Marktbringen wird,

b) das Entstehen eines offenen Kabel-decodermarkts verhindert wird,

c) die Einschränkungen für Programm-anbieter hinsichtlich der Darstellbar-keit eigener Angebote vorprogram-miert sind und sich

d) hieraus mögliche Zugangsbeschrän-kungen und ein erhebliches Diskrimi-nierungspotenzial ableiten lassen,

wird man sich in den nächsten Monatenauf medienpolitischer und regulatori-scher Ebene sicherlich noch intensiv be-fassen. Die Kritik an diesem Modell wirddeutlich stärker spürbar und die Wider-stände wachsen vor allem bei Pro-grammanbietern und der Endgerätein-dustrie. Hier wird das Entstehen von Ab-hängigkeiten gesehen bzw. man fürch-tet, von einem Wachstumsmarkt langfri-stig ausgegrenzt zu werden.

Eine standardisierte Softwareschnitt-stelle im Decoder wird alleine nicht verhin-dern können, dass einzelne Unternehmen

weiter an der Monopolisierung nationalerMedienmärkte arbeiten. Die entscheiden-den Mechanismen, die eine Monopolisie-rung verhindern, leiten sich letztendlichnur aus geeigneten medien- und markt-politischen Rahmenbedingungen ab. So-wohl auf Länder- als auch auf EU-Ebenesetzt man auf den neuen Standard hiergroße Hoffnungen. In den politischen Dis-kussionen konnten sich bislang eindeutigegesetzliche Vorgaben zu seiner verbindli-chen Anwendung nicht durchsetzen.

Für MHP bleibt es daher vorläufig denMarktkräften der einzelnen Länder über-lassen, diese von DVB definierten Vorga-ben sinnvoll mit Leben zu erfüllen und inkonkrete und abgestimmte Maßnahmenzu überführen. Entscheidend für den Er-folg dieses Technikstandards wird jedochsein, dass sich in Deutschland ein Ver-ständnis für die Notwendigkeit eines offe-nen, horizontalen Marktmodells für digita-les Fernsehen einstellt. F.U.N. versuchthier, die notwendige Koordinations- undKommunikationsarbeit zu leisten und mitseiner Interoperabilitäts-Spezifikation dienötigen technischen Rahmenbedingun-gen zu schaffen.

Internet

F.U.N. im Internet http://www.fun-tv.de

6 Sonderdruck aus FERNSEH- UND KINO-TECHNIK – 55. Jahrgang – 2001

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Bild 14. Screenshot eines neuen MHP-Dienstes

6E:\FKT\Beitraege\Heft08_9\Sonderdruck\Merkel.vpSamstag, 11. August 2001 09:00:31

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