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Universität Tübingen Institut für Politikwissenschaft Betreuer der Arbeit: Dr. Werner Lang Zweitkorrektor: Prof. Dr. Josef Schmidt Fachbereich: Politische Wirtschaftslehre Arbeit zur Erlangung des Magistergrades im Fach Politikwissenschaft mit dem Thema Änderungen der Konjunkturpolitik und deren Theorie seit 1967 in der BRD vorgelegt von Joachim Walliser Neckarhalde 32 72070 Tübingen

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Universität Tübingen

Institut für Politikwissenschaft

Betreuer der Arbeit: Dr. Werner Lang

Zweitkorrektor: Prof. Dr. Josef Schmidt

Fachbereich: Politische Wirtschaftslehre

Arbeit zur Erlangung des Magistergrades im Fach Politikwissenschaft mit

dem Thema

Änderungen der Konjunkturpolitik und deren Theorie seit 1967

in der BRD

vorgelegt von

Joachim Walliser

Neckarhalde 32

72070 Tübingen

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Widmung

An dieser Stelle möchte ich mich bei meinen Eltern bedanken und Ihnen die vorliegende Arbeit

widmen. Mein ganzes Studium wäre ohne ihre Hilfe, ihre Erziehung und ihren Zuspruch nicht zu

einem Ende gekommen.

Ein Dank gilt auch meiner Frau Rebecca Roy, die mich während meines Studiums immer wieder

unterstützt und ermutigt hat und die mich sicher durch die Enge der niederen Mathematik

geschleust hat.

Für diese Voraussetzungen bin ich meinem Gott sehr dankbar.

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Gliederung

0. Abkürzungsverzeichnis ...........................................5

1. Einleitung.................................................................6

2. Makroökonomische Voraussetzungen ....................8

2.1 keynesianische Theorie versus Neoklassische Theorie.13

2.1.1 Neoklassisches Grundmodell ................................................. 14

2.2.2 Keynesianische Theorie ......................................................... 17

2.2 Strukturalistische Makroökonomie .................................22

2.2.1 Phillips.................................................................................... 22

2.2.2 NAIRU .................................................................................... 24

3. Phasen angewandter Wirtschaftspolitik ................29

3.1 1967 – 1973 (Neoklassische Synthese).........................30

3.1.1 Stabilitätsgesetz ..................................................................... 31

3.1.2 Zyklusorientierte Globalsteuerung.......................................... 37

3.1.3 Erweitertes IS/LM Modell ....................................................... 39

3.1.4 Probleme mit der Globalsteuerung......................................... 43

3.1.5 Bretton Woods........................................................................ 44

3.1.6 Stagflation .............................................................................. 45

3.2 1973 – 1982 (Neuklassische Ökonomie) .......................46

3.2.1 Stabilitätspolitik....................................................................... 48

3.2.2 Verstetigung ........................................................................... 49

3.2.3 Politik-Ineffektivitäts-These .................................................... 52

3.2.4 Potentialorientierte Verstetigungspolitik ................................. 53

3.3 1982 – 2003 (Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik).....57

3.3.1 1982 – 1989 (Mehr Markt und weniger Staat) ........................ 59

3.3.1.1 Quantitative Konsolidierung.......................................................61

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3.3.1.2 Inflationsbekämpfung.................................................................61 3.3.1.3 Strukturreform............................................................................64 3.3.1.4 Privatisierung Teil 1 ...................................................................65

3.3.2 1990 – 1998 (im Zeichen der Wiedervereinigung).................. 66

3.3.2.1 Die Deutsche Wiedervereinigung ..............................................67 3.3.2.2 Hohe Staatsquote ......................................................................69 3.3.2.3 Privatisierung Teil 2 ...................................................................72 3.3.2.4 Verfehlte Lohnpolitik ..................................................................72

3.3.3 1998 – 2003 ........................................................................... 73

3.3.3.1 Neue Ökonomie .........................................................................75 3.3.3.2 Zusammenbruch der neuen Ökonomie .....................................77

3.3.4 Aktuelle Bewertung ................................................................ 78

4. Resümee..................................................................87

5. Anhang .....................................................................91

5.1Quellenangaben/ Literaturverzeichnis.............................91

5.2 Abbildungen ...................................................................96

5.3 Eidestattliche Erklärung .................................................98

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0. Abkürzungsverzeichnis

ε Außenwert der inländischen Währung

C reale Konsumnachfrage

D Nachfrage (,demand')

G Investitionen

k durchschnittliche Kassenhaltungsdauer

M nominales Geldangebot

N Beschäftigung in Arbeitstunden pro Periode

NAIRU Nonaccelerating inflationrate of Unemployment

P Preisniveau

R Nominalzins

T Zeit

Temp temporär

U Arbeitslosenquote

VGR volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

W Nominallohn

W/P Reallohn

y Realeinkommen

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1. Einleitung

Unter welchen konzeptionellen und strategischen Gesichtspunkten wird

und wurde in der Bundesrepublik Deutschland Konjunkturpolitik betrieben?

Dieses Forschungsinteresse liegt dieser Magisterarbeit zu Grunde.

Es ist gerade deswegen so interessant, weil es doch heilsam wäre fern

jeglicher „ideologischer Grabenkämpfe“ eine Beurteilungsbasis der

wirtschaftlichen Istsituation als ordnendes Moment der politischen

Auseinandersetzung zu gewinnen. Ein gutes Beispiel dafür ist doch jedes

Jahr die Veröffentlichung der wirtschaftlichen Gesamtrechnung, nach der

alle Parteien und Verbände in Ihren Positionen und Forderungen bestätigt

werden.

Um die Konjunkturpolitik beurteilen zu können, wurden die seit 1967

entwickelten Theorien sowie deren Umsetzung genauer betrachtet. Die

Entscheidung für genau diesen Zeitraum liegt in der geschichtlichen

Entwicklung begründet, da 1967 die erste wirtschaftspolitische Krise der

BRD markiert.

Nachfolgend wird also auf die Konjunkturpolitik und ihre Entwicklung in der

Bundesrepublik Deutschland eingegangen. Zudem erfolgt ein qualitativer

Vergleich verschiedener volkswirtschaftlicher Denkansätze der

Stabilisierungspolitik und der Stabilitätspolitik. Der Schwerpunkt liegt im

Vergleich der theoretischen Ansätze und deren Realisation, daher wird auf

die theoretische Herleitung nur soweit erforderlich eingegangen, und

ansonsten auf die einschlägige Literatur verwiesen. Die Wahl für den

Vergleich des theoretischen Rüstzeugs fiehl dabei auf neoklassische und

keynesianische Ansätze und wird von deren Grundannahmen her weiter

entfaltet. Dies entspricht dem Vorgehen, die Konjunkturpolitik von ihren

Hauptansätzen aus zu verstehen, daher auch die Wahl der beiden

Theorien und deren Weiterentwicklung.

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Aus den Untersuchungen der praktisch umgesetzten Wirtschaftspolitik

ergaben sich Phasen, die immer an Regierungswechseln eine Wende

erfahren. Genau diesem Sachverhalt wird im praktischen Teil dieser Arbeit

das ganze Augenmerk gelten.

Um nicht den Rahmen dieser Arbeit zu überschreiten finden die,

zweifelsfrei bedeutsamen, Auswirkungen eines europäischen

Binnenmarkts keine Berücksichtigung. Auch andere externe Einflüsse wie

beispielsweise die Weltkonjunktur werden zwar als Auslöser für eine

Änderung in der realen Konjunkturpolitik (als externe Schocks) untersucht,

deren tiefere Struktur und Begründung gehört allerdings nicht zum

Untersuchungsgegenstand.

Der Nutzen dieser Arbeit ist rein ordnender Natur. Sagt an dieser Stelle

doch schon Montaigne: „Nichts wird so fest geglaubt wie das, was wir am

wenigsten wissen.“1

1 Heise Arne, 2001, S. 7

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2. Makroökonomische Voraussetzungen

Das Wirtschaftssubjekt ist seit jeher bestrebt sein Leben in berechenbare

Bahnen zu lenken. Überraschungen sind nicht willkommen, sofern es sich

um eine Unbill des metrologischen Werdegangs oder dem Kursverlauf

einer Aktie handelt. Dies gilt sowohl für die Menschen der

landwirtschaftlich geprägten Gesellschaft des Mittelalters als auch für den

Börsenmakler, der Postmoderne.

Um sich nicht nur auf die Vorhersagen von Sterndeutern oder sonstigen

Sehern verlassen zu müssen, wurde von der Menschheit die

Volkswirtschaftslehre als wissenschaftliche Disziplin entwickelt. Sie erkennt

wirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten und versucht den künftigen Verlauf,

wenn auch nicht zu prophezeien, dann doch wenigstens zu

prognostizieren. Sie wird bereitwillig von der Gesellschaft als beratende

Institution zur Gestaltung der Wirtschaftspolitik herangezogen.

Die Makroökonomie, als ein Hauptbestandteil der volkswirtschaftlichen

Theorie, betrachtet wirtschaftliche Größen, die sich auf die Volkswirtschaft

als ganzes Beziehen. Marktteilnehmer sind private Haushalte,

Unternehmen und der Staat. Es fließen nicht einzelne Haushalte,

Unternehmen oder Güter in die Betrachtung mit ein, sondern das gesamte

Aggregat. Die Wirtschaftssubjekte werden also zu Sektoren, Güter zu

Güterbündeln zusammengefasst2. Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei

auf die Untersuchung von Konjunktur, Beschäftigung und Wachstum. Als

sehr hilfreich erwies es sich dabei, das Modell einer Volkswirtschaft als

Kreislauf, ähnlich dem menschlichen, aufzufassen3. Das Modell fungiert als

stark vereinfachtes Abbild der Realität. Die aggregierten

2 Vgl. Felderer/ Homburg, 1999, S. 18 3 ursprünglicher Ansatz von Tableau économique von Fancoise Quesnay

(www.wissen.de)

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Wirtschaftssubjekte werden zu Polen, viele Märkte zu wenigen, die

Leistungsbeziehungen zwischen diesen zu Strömen zusammengefasst4.

Bei dieser Auffassung gilt das Kreislaufaxiom, welches besagt, dass für

jeden Sektor die Wertgröße aller hineinfließenden gleich der Wertgröße

aller herausfließenden Ströme ist.

Figure 1 Geldströme und relevante Märkte In der geschlossenen Volkswirtschaft

Um die Zusammenhänge zwischen den Sektoren besser begreifen zu

können, Bedient man sich vor allem der volkswirtschaftlichen

Gesamtrechnung (VGR) und liefert dazu für die empirische Analyse

gesamtwirtschaftlicher Fragen aufbereitetes Datenmaterial. In der VGR

sind auf den hiesigen Märkten sämtliche Transaktionen und ökonomischen

Aktivitäten erfasst und ex-post dargestellt. Ermöglicht wird dadurch die

Beschreibung der kurzfristigen Entwicklung (Konjunkturbeobachtung), die

auf Quartalsdaten basiert, und die auf Jahresdaten fußende mittel- und

langfristige Entwicklung (Wachstum und Strukturveränderungen). Auch

4 Vgl. Felderer/ Homburg, 1999, S. 32

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wenn in der Praxis der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ein stark

erweitertes Modell genutzt wird, genügt der folgende graphische Entwurf

zur Veranschaulichung, da sich die folgenden makroökonomischen

Theorien auch auf eine geschlossene Volkswirtschaft beziehen5.

Figure 2 Geschlossene Volkswirtschaft mit staatlicher Aktivität

Ziel der makroökonomischen Theorie ist die Bereitstellung von

Erkenntnissen über die Auswirkungen von Verhaltensänderungen der

Sektoren auf die wichtigsten gesamtwirtschaftlichen Zielgrößen. Die

weitaus größte Bedeutung kommt dabei dem Einkommensbegriff der VGR

zu. Das Volkseinkommen lässt sich auf drei verschiedenen Wegen

berechnen:

a) In der Entstehungsrechnung lautet die Frage, in welchen Sektoren der

Volkswirtschaft das Sozialprodukt entstanden ist. b) Das

Bruttoinlandsprodukt gibt Aufschluss über den Verwendungszweck von

Gütern und Dienstleistungen und ergibt der Komponente der

Verwendungsrechnung.

c) Die Verteilungsrechnung schließlich eruiert, wie die bei der Produktion

des Sozialprodukts erwirtschafteten Einkommen auf Unternehmen und

5 Vgl. Felderer/ Homburg, 1999, S. 35

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Haushalte verteilt wurden. Die Dimensionierung erfolgt anhand des

Bruttosozialprodukts respektive Bruttonationaleinkommens.

Figure 3 Kategorien der Sozialproduktsberechnung

Im Folgenden werden die, drei Einkommensrechnungen repräsentativ für

das Jahr 2001 visualisiert6.

6 Quelle: Statistisches Bundesamt, 2002, Angaben für 2001, eigene Berechnungen

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Figure 4 Bruttowertschöpfung & Verwendung des Bruttoinlandsprodukts

Figure 5 Verteilung des Sozialprodukts

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2.1 keynesianische Theorie versus Neoklassische

Theorie

Im Streit um die richtige Interpretation gesamtwirtschaftlicher Vorgänge

haben sich im Laufe der Zeit zwei dominierende Denkrichtungen

herauskristallisiert, die in einigen Grundfragen korrespondieren, in vielen

anderen aber konträrer Auffassung sind. Eine Theorie lässt sich direkt

einem Mann zuordnen, der von 1883 - 1946 lebte, John Maynard Keynes.

Sein Buch "The General Theory of Employment, Interest and Money"

begründete den Keynsianismus und griff direkt die bis dahin geltende

Lehrmeinung an, die sich in der neoklassischen Theorie manifestiert hatte.

Innerhalb der beiden Denkansätze sind mehrere Strömungen

auszumachen, die wie im Fall der Postkevnesianer, fast bis zur Ablehnung

der „Urtheorie“ reichen. Der deutlichste Unterschied der beiden Dogmen

liegt in der Auffassung der Markträumung. Die Neoklassiker glauben an

den Preismechanismus und die Selbstheilungskräfte des Marktes.

"Anbieter und Nachfrager [gehen] davon aus, dass die zum gegebenen

Preis angebotenen bzw. nachgefragten Mengen auch tatsächlich absetzen

bzw. kaufen zu können"7. Keynesianer nehmen das genaue Gegenteil an,

nämlich dass die Marktteilnehmer ihre Pläne nicht verwirklichen können.

Ausgangspunkt von Keynes' Überlegungen war die Weltwirtschaftskrise

von 1929. Die "große Depression" beendete die Vision stetigen Fortschritts

und einer Zukunft in materiellem Überfluss. Sie führte zu

Massenarbeitslosigkeit, Wachstumseinbrüchen und war nicht nur in

Deutschland der Nährboden für ein totalitäres Regime. Der schwarze

Montag erschütterte aber auch das Vertrauen in das Potential des Marktes.

Das System und mit ihm die neoklassische Theorie gerieten ins Kreuzfeuer

der Kritik, obwohl das Auftreten von Krisen durchaus im "Spielplan" der

7 Felderer/ Homburg, 1999, S. 154, Hervorhebung vom Autor

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Neoklassik vorgesehen war. Um die Essenz der Lehrgebäude zu

extrahieren, ist die Grundlage der sich anschließenden Ausführungen eine

marktwirtschaftliche Ordnung auf Basis des Privateigentums und

vollständige Konkurrenz auf vollkommenen Märkten. Aktivitäten des

Staates und des Auslands werden nicht berücksichtigt8.

2.1.1 Neoklassisches Grundmodell

Die Marktwirtschaft in ihrer reinen Form ist das Idealbild, welches der

Doktrin nacheifert, die Pläne der Wirtschaftssubjekte würden automatisch

über den Preismechanismus angepasst. Die Entwicklung einer

Volkswirtschaft bewege sich ohne Eingriffe von außen einem stabilen

Gleichgewichtszustand entgegen. Diese Zerlegung des

Preisfindungsprozesses mündet in die Wert- oder Preistheorie und ragt

neben der makroökonomischen Dichotomie, also der Unabhängigkeit

realer und monetärer Größen in einer Volkswirtschaft, als große

Errungenschaft der Klassiker hervor.

Das Modell, durch welches diese Annahmen hergeleitet wurden, ist sehr

schematisch. Es existieren nur zwei Marktteilnehmer, Haushalte und

Unternehmen9. Letztere stellen unter Verwendung der drei Faktoren Arbeit,

Kapital und Boden nur ein homogenes Gut her, tätigen Investitionen und

fragen Arbeitskräfte nach. Die privaten Haushalte fragen die Güter nach,

sparen und bieten ihre Arbeitkraft an. Betrachtet man die realen Größen,

ergibt sich folgendes Bild: Es herrscht Vollbeschäftigung, da

Arbeitsnachfrage und Arbeitsangebot bei entsprechendem Reallohn

übereinstimmen. Der Kapitalmarkt ist geräumt, da der natürliche Zins die

Deckungsgleichheit von Ersparnis und Investitionsvolumen veranlasst. Der

8 Vgl. dazu Mankiw 2003, S. 583 9 Vgl. Felderer/ Homburg, 1999, S. 50

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Gütermarkt ist ebenfalls im Gleichgewicht, das Güterangebot erfüllt die

Investitions- und Konsumnachfrage.

Der monetäre Aspekt der neoklassischen Lehre führt zur Quantitätstheorie

des Geldes; ihr Charakter ist dichotom. Geld erfüllt im neoklassischen

Weltbild nur eine Zahlungsmittelfunktion. Da nur unverderbliche Waren als

Zahlungsmittel Verwendung finden können, kann Geld auch als

Wertaufbewahrungsmittel fungieren, obwohl die Geldanhäufung dem

rationalen Verhalten widerspricht, da es keinen Zins einbringt. Das

Preisniveau wird durch das Realeinkommen, die

Geldumlaufgeschwindigkeit und die Geldmenge bestimmt. Ändert sich die

Geldmenge, verändert sich proportional nur das Preisniveau, die realen

Größen bleiben unvermindert. Dies ergibt den sogenannten Cambridge-

Effekt.

Ein zentraler Kernpunkt der neoklassischen Überlegungen ist das Saysche

Theorem10, welches besagt, dass durch die Ausdehnung der Produktion

zusätzliches Einkommen entsteht, was wiederum zu erhöhter Nachfrage

führt. Dieser Lehrsatz ist notwendig, um eine Überproduktion und die

Nachfragelücke im neoklassischen Modell auszuschliessen, schließlich

beabsichtigt jeder Produzent auch, selbst zu konsumieren.

In der folgenden Abbildung wurde versucht, das neoklassische Modell

graphisch darzustellen. Auf eine algebraische Herleitung wird verzichtet.

10 Vgl. Felderer/ Homburg, 1999, S.50

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Figure 6 Arbeits- und Gütermarkt im Gleichgewicht11

Im klassisch- neoklassischen Modell bewerkstelligen die Marktkräfte ein

Gleichgewicht erst in einem langen Zeitraum. Wirtschaftliche Störungen

resultieren aus Beeinträchtigungen des Regulierungsmechanismus, etwa

die Vermachtung der Märkte oder staatliche Eingriffe.

Figure 7 Kapitalmarkt im Gleichgewicht

11 Herleitung aus Mankiw, 2003, Kapitel 10-13

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Quadrant I gibt den Gütermarkt wieder, das Güterangebot entspricht der

Güternachfrage.

In Quadrant II ist die Funktion der Produktion abgetragen, die gemäß dem

Gesetz des von Anfang an abnehmenden Grenzertrages verläuft. Im

neoklassischen Modell wird der Kapitalmarkt durch den Zinsmechanismus

in ein Gleichgewicht gebracht.

In Quadrant III wurde dies als Schnittpunkt der Spar- und Investitionskurve

abgetragen. Aus der Cambridge-Gleichung lässt sich der Graph für

Quadrant IV ableiten.

Der Reallohn und das Preisniveau sind für Quadrant V vorgegebene

Größen und bestimmen die Höhe des Nominallohns.

2.2.2 Keynesianische Theorie

Durch die Weltwirtschaftskrise rückte vor allem ein Phänomen in den

Vordergrund, die Massenarbeitslosigkeit. Dass diese mit einer

galoppierenden Inflation einherging, war ob der zahlreichen

Beschäftigungslosen peripher. Das Vertrauen in die Marktkräfte und damit

in die neoklassischen Thesen war verloren gegangen. Unter den

zahlreichen Kritikern stach vor allem die epochale "General Theorie" von

Keynes hervor. Als bedeutendstes ökonomisches Werk dieses

Jahrhunderts gefeiert – doch genauso sehr kritisiert – sieht Keynes das

Leugnen des Sayschen Theorems als eine der Eckpfeiler seiner

Argumentation an und erachtet konsequent die effektive Nachfrage, die

sich ihr Angebot schafft, als ausschlaggebend für das Produktionsniveau,

welches von der Absatzseite bestimmt wird12.

Keynes geht davon aus, dass der tatsächliche Konsum sehr stark vom

Realeinkommen abhängt, in seinem Einkommen- und Ausgabenmodell

12 Vgl. Felderer/ Homburg, 1999, S.102

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besteht tatsächlich nur ein bestimmtes Realeinkommen, bei dem sich

Angebot und Nachfrage auf dem Gütermarkt gegenseitig die Waage

halten. Investitionsentscheidungen sind nicht von der Grenzproduktivität

des Kapitals, also vom Zinsniveau, oder dem Arbeitsmarkt abhängig,

sondern orientieren sich an den erwarteten Kapitalerträgen. Die – sehr

unbeständige und damit unkalkulierbare Investitionsnachfrage G verändert

das Realeinkommen Y in Form des Multiplikatorprozesses, eine geringe

Variation der Investitionshöhe G bewirkt einen explosiven Anstieg oder

drastischen Rückgang.

Figure 8 Der Multiplikatorprozess

Bald war ersichtlich, dass das keynesianische Einkommen-/

Ausgabenmodell nur eine rudimentäre Auslegung zuließ. Eine verfeinerte

Sicht der Dinge liefert das IS/LM-Modell von Sir Richard Hicks. Die

Abkürzung bedeuten "Investment=Savings" und "Liquidity=Money supply".

Die LM-Kurve modifiziert die neoklassische Erklärung der Geldnachfrage

durch die Liquiditätspräferenztheorie, die Wirtschaftssubjekte bestimmen

demnach selbst über die Form und die Höhe der Ersparnis; sie agieren

nach dem Vorsichts- und dem Spekulationsmotiv.

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Der Valuta wird neben der Zahlungsmittel- nun auch eine

Wertaufbewahrungsfunktion zugestanden "Die LM-Kurve ist der

geometrische Ort aller Kombinationen von Realeinkommen und

Zins, die einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem

Geldmarkt schaffen“.13 Simultan verkörpert sie das Gleichgewicht für den

Geld- und Wertpapiermarkt, auf den der Zins als Verteilungsfaktor wirkt.

Figure 9 Das IS/LM-Modell

Die IS-Kurve offenbart den negativen Zusammenhang zwischen Zinssatz

und Einkommen. Aus ihr folgt, dass auf dem Gütermarkt bei höherem

Zinssatz das Einkommen niedriger sein muss. Die Investitionen

hängen negativ vom Zinssatz ab, der Grund dafür ist, dass ein

Investitionsprojekt erst dann durchgeführt wird, wenn sein interner Zinsfuß,

die Effektivverzinsung des jeweils gebundenen Kapitals, höher ist als der

Marktzins. Um so niedriger also der Zinssatz, desto mehr Projekte werden

rentabel, und desto mehr wird investiert.

13 Felderer/ Homburg, 1999, S. 126

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Die Kombination der beiden Kurven ergibt schließlich das IS/LM-Modell. Es

existiert genau ein Punkt (Y*,r*), in dem der Geld- und Kapitalmarkt im

Gleichgewicht ist.

Quadrant I: Güterangebot zu hoch, überhöhte Geldnachfrage.

Quadrant II: Güternachfrage und Geldnachfrage sind überhöht.

Quadrant III: Nachfrageüberschuss nach Gütern, Überangebot an Geld.

Quadrant IV: Angebot an Gütern und Geld ist zu hoch. Bei diesen

möglichen Balancestörungen sorgt der Multiplikatorprozess zusammen mit

dem Zinsmechanismus stets für ein erneutes Gleichgewicht.

In das keynesianische Weltbild, welches sich bald als ebenbürtige

Alternative zum neoklassischen Denken etablierte, fügt sich also das

IS/LM-Modell als Nachfragesektor ein. Der Angebotssektor wurde

unverändert von den "Widersachern" übernommen. Da auch die

Quantitätstheorie in ihrem Wesen - der Keynes-Effekt führt zum selben

Ergebnis wie der Cambridge-Effekt - übernommen wurde, spricht man

auch von der neoklassischen Synthese.

In der keynesianischen Theorie ist noch eine Reihe von Spezialfällen

denkbar, zu ihnen gehört die Liquiditätsfalle, die Investitionsfalle und ein

Szenario mit starren Löhnen, die zu einer theoretischen Erklärung der

Unterbeschäftigung beitragen.

Trotz vieler Gemeinsamkeiten berührt die keynesianische Theorie die

ökonomische Realität mehr. Die identifizierten Marktunvollkommenheiten

legen staatliche Eingriffe nahe. Im folgenden Marktmodell von Keynes

bildet Quadrant I den Arbeitsmarkt ab. Die Produktionsfunktion in Quadrant

II bleibt gegenüber dem neoklassischen Ansatz unverändert.

Quadrant IV offenbart das angesprochene IS-LM-Modell. Der Nominallohn

wird in Quadrant V präsentiert. Als Letztes wird in Ouadrant III der

Gütermarkt projeziert, der sich von der neoklassischen Lösung

unterscheidet. Die Quadranten I und II bilden den Angebots-, Quadrant IV

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den Nachfragesektor. Diese beiden Sektoren treffen im Quadrant III

aufeinander und bestimmen so das Preisniveau.

"Die Güterangebotsfunktion Ys ordnet jedem Preisniveau ein bestimmtes

Güterangebot zu"14. Damit ist Ys vom Preisniveau unabhängig und weist

folgerichtig eine senkrechte Kurve auf.

Figure 10 Keynesianischer Arbeits-, Güter- und Kapitalmarkt

14 Vgl. Felderer / Homburg, 1999, S. 136, Hervorhebungen vom Autor

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2.2 Strukturalistische Makroökonomie

Die neoklassische Synthese lieferte das Rüstzeug für die

Wirtschaftspolitik aber auch einen breiten Interpretationsspielraum. Später

zeigte sich, dass sie den mannigfaltigen Herausforderungen nur bedingt

gewachsen war. Veränderungen und Anpassungen waren notwendig, um

den komplexen Zusammenhängen des Wirtschaftslebens und neuen

Erkenntnissen gerecht zu werden. Viele Wissenschaftler bemühten sich,

die Lehre zu vervollkommnen, andere, ihr Fundament Stein um Stein

abzutragen, um das Gesamtgebäude zu schwächen. Dazu zählen

monetaristische, neuklassische und neokeynesianische Ansätze. Nach

dem wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegsjahre, in dem es galt,

inflationäre Tendenzen zu bekämpfen, rückte wiederum die

Beschäftigungspolitik ins Zentrum der Betrachtung. Die keynesianische

Vollbeschäftigungspolitik wurde als marktzerstörend erachtet, da sie die

Funktionsfähigkeit des Preismechanismus beeinträchtigt, indem sie

versucht Arbeitslosigkeit durch Inflation entgegenzuwirken. Da die Theorie

lediglich mit aggregierten Durchschnittsgrößen arbeitet, wird nur der

gesamtwirtschaftliche Wert, nicht aber der Aufbau der relativen Preise und

Mengen berücksichtigt.

2.2.1 Phillips

Nach Keynes ist die Veränderung der Beschäftigung abhängig von

Schwankungen in der Investitions- und Exportgüternachfrage. Der Staat

hat die Aufgabe, diese Schwankungen durch Nachfragesteuerungen zu

egalisieren, um so ein stabiles Beschäftigungsniveau zu etablieren.

Keynes stellte den Zusammenhang zwischen Güternachfrage und

Beschäftigung unter der Annahme her, dass der Lohn konstant sei. Gerät

die Wirtschaft in eine Situation der Unterbeschäftigung, muss der Staat

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sein Möglichstes tun, die Güternachfrage zu erhöhen, was einen Anstieg

der Güterpreise zur Folge hat. Dies ist nur realisierbar durch eine

Ausdehnung der Staatsausgaben und eine Steuersenkung. Nur so lässt

sich laut Keynes das Ziel der Vollbeschäftigung erreichen. Mit diesem

Modell war man nicht in der Lage, das Phänomen der Lohninflation zu

erklären.

Figure 11 Originäre

Phillipskurve

Figure 12 Modifizierte Phillipskurve

Dies gelang jedoch dem Engländer Phillips, der eine Beziehung zwischen

den Lohnbewegungen und der Arbeitslosigkeit am Beispiel Englands

empirisch für den Zeitraum von 1861 bis 1957 nachwies.

Die Phillipskurve in ihrer Originalversion formuliert die Annahme, dass

hohe Steigerungen der Nominallöhne mit geringer Arbeitslosenquote

korrespondieren – und vice versa.

Die von Phillips konstruierte Kurve postulierte eine langfristige stabile

negative Relation zwischen Lohnbewegungen und Arbeitslosenrate. Lipsey

wiederum stellte, ausgehend von der Phillipskurve, die Hypothese auf,

dass Lohnsatzänderungen nicht symmetrisch, sondern asymmetrisch in

Bezug auf die jeweilige Marktsituation realisierbar sind. Samuelson und

Solow, die ihrerseits Untersuchungen in den USA über die 50er und 60er

Jahre tätigten, veränderten die Phillipskurve, indem sie die Änderungsrate

der Geldlöhne durch die Inflationsrate ersetzten. Daraus ergibt sich für den

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24

Lohnsatz als Funktion der Arbeitslosenrate, die der Inflationsrate als eine

Funktion der Unterbeschäftigungsrate. Die Hypothese lautete jetzt, dass

eine geringe Arbeitslosenrate einhergeht mit einer hohen Inflationsrate und

umgekehrt. Dadurch formulierten Samuelson und Solow einen "trade-off"

der Wirtschaftspolitik, die entweder nur ein stabiles Preisniveau oder eine

geringe Arbeitslosigkeit erreichen kann, nicht beide Ziele gemeinsam. Als

neue Möglichkeit eröffnet sich der Wirtschaftspolitik dadurch die Auswahl

durch ein Zielmenü mit hinreichenden Vorgaben für Arbeitslosigkeit und

Inflation zu steuern.

2.2.2 NAIRU15

Diese Auffassung hielt sich noch bis weit in die 70er Jahre des letzten

Jahrhunderts, obwohl Phleps und Friedman bei unterschiedlichen

Inflationserwartungen und Angebotsbedingungen schon Ende der 60er

Jahre Zweifel anmeldetet hatten16. Milton Friedman entwarf ein Konzept,

um der vorherrschenden Meinung zu widersprechen, man könne

Arbeitslosigkeit durch expansive Wirtschaftspolitik auf Kosten der Inflation

senken. Friedman beschrieb die natürliche Arbeitslosenquote17 als das

Niveau der Arbeitslosigkeit, das auf einem geräumten Arbeitsmarkt

bestünde, wenn es um tatsächliche Strukturmerkmale von Märkten, z.B.

Informations- oder Mobilitätskosten, erweitert würde. Natürliche

Arbeitslosigkeit im friedmanschen Sinne ist langfristig ausschließlich

freiwilliger Natur. Ihre Existenz resultiert aus Grenznutzen-/Grenzkosten-

Kalkülen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

15 Nonaccelerating inflationrate of Unemployment 16 Vgl. Landmann/ Jerger (1999), S. 115 17 durchschnittliche Arbeitslosenquote um die die Arbeitslosenquote im Zeitverlauf

schwankt. Vgl. Dazu Mankiw, 2003, S. 184

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25

Phelps dagegen erachtete die natürliche Arbeitslosenrate nicht als

Gleichgewichtszustand für die Vollbeschäftigung, sieht also nicht den

Arbeitsmarkt als ausschlaggebend, sondern die Identität der Erwartungen

und der tatsächlichen Entwicklung.

Figure 13 Lang- versus kurzfristige Phillipskurve

Beide argumentierten, dass für die Akteure auf dem Arbeitsmarkt bei den

Tarifverhandlungen nicht nominale, sondern reale Werte von Relevanz

wären sie also die Inflation systematisch falsch einschätzen würden und

forderten als zweite, bedeutende Modellanpassung die Einbindung von

Inflationserwartungen als Verschiebungsparameter der Phillipskurve.

Das hat verschiedene Konsequenzen, je nach zugrundeliegender

Vorstellung über den Erwartungsbildungsprozess18. Bei adaptiver

Erwartungsbildung besteht der "trade-off" der Phillipskurven nur noch

kurzfristig, bei rationaler Inflationserwartung überhaupt nicht mehr. Der

letzte große Schritt auf dem Weg zur modernen Phillipskurve war die

explizite Wahrnehmung von Angebotsschocks bei der Preisbestimmung,

um, mit Hilfe eines zusätzlichen Verschiebungsparameters, steigende

Inflationsraten bei gleichzeitig wachsender Unterbeschäftigung während

18 Vgl. Mankiw, 2003, S. 424 -426

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26

der 70er Jahre adäquat erklären zu können19. Es erfolgte die Verwendung

einer variablen, vergangenheitsabhängigen NAIRU, einer

inflationskonstanten Arbeitslosenquote, indem man speziell das Verhalten

der Akteure auf dem Arbeitsmarkt und die Eigenarten des

Bildungsprozesses von Sachkapital näher analysierte.

Figure 14 Arbeitsmarkt im Gleichgewicht

Als Erklärungsansatz für Gleichgewichtsarbeitslosigkeit kann dieses Modell

für Verteilungskämpfe mögliche Ursachen durch die Insider- Outsider-

Theorie oder den Prozess der Sachkapitalbildung aufdecken20. Die NAIRU

trennt die Arbeitslosigkeit in ein konjunkturelles und ein strukturelles

Element. Nur letzteres versucht man aktiv zu bekämpfen, da die

Stimulierung der Nachfrage die Arbeitslosenquote nur auf ihren vorherigen

Stand reduzieren kann. Die NAIRU schränkt das Potential des

wirtschaftspolitischen Instrumentariums erheblich ein, da Versuche, sie

wirtschaftspolitisch zu manipulieren, die Inflationsrate erhöhen. Die NAIRU

erhöht sich im Zeitablauf (Akzelerationstheorem)21, es ergibt sich eine

19 Vg. Franz (1989b), S.9 20 Vgl. Mankiw 2003, S. 193, 194 21 Vgl. Felderer/ Homburg, 1999, S. 268 sowie Mankiw, 2003, S.607

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stabile Inflationsrate, die mit einer immer höheren Arbeitslosigkeit einher

geht. Wenn die Kosten und der Schwierigkeitsgrad steigen, schiebt die

Wirtschaftspolitik die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auf.

Figure 15 NAIRU Akzelerationstheorem

Die Kosten der Inflationsbekämpfung mittels restriktiver Geld- und

Fiskalpolitik erhöhen sich dann ebenfalls, das Erreichen einer niedrigen

Inflationsrate wird so mit höheren Arbeitslosenzahlen erkauft. Die Kosten

einer kontraktiven Geld- und Finanzpolitik ließen sich durch Maßnahmen

senken, die den Druck hoher Arbeitslosigkeit auf die Löhne gezielt

verschärfen. Staatlich geförderte Umschulungs- und

Weiterbildungsmaßnahmen während der Erwerbslosigkeit könnten die

tatsächliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt steigern, ebenso eine

Lockerung des Kündigungsschutzes.

Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist weitgehend strukturell bedingt. Der

Sachverständigenrat schließt sich in seinem Jahresgutachten 1999/200022

den Einschätzungen der OECD an, die einen Anteil der strukturellen

Arbeitslosigkeit im Jahre 1998 von rund 84 v.H. berechnete. Demnach

22 Vgl. Sachverständigenrat, 1999, Ziffer 337

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hätte die strukturelle Arbeitslosenquote in Gesamtdeutschland 9,3% und in

Westdeutschland 7,9% betragen.

Figure 16 Relation Arbeitslosigkeit und Intflation

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29

3. Phasen angewandter Wirtschaftspolitik

In den nun folgenden Abschnitten wird die tatsächlich angewandte

Wirtschaftspolitik in der Bundesrepublik Deutschland behandelt. Dabei

handelt dieser Aufsatz von angewandter Wirtschaftspolitik, nicht von der

Wirtschaftsgeschichte. Das Hauptinteresse liegt auf der langen Kette von

Entscheidungen, nicht auf der bloßen Aufzählung historischer Tatsachen.

Insbesondere soll aufgezeigt werden, welcher Politik der Vorzug gegeben

wurde, der Stabilisierung oder der Stabilität.

Jeder Wechsel der politischen Ausrichtung der herrschenden Regierung

oder durch den Wechsel der Regierung selbst, findet seinen Niederschlag

in der Instrumentenwahl zur Einflussnahme auf das Wirtschaftsgeschehen.

Doch auch externe Krisen und Drucksituationen erfordern eine

wirtschaftspolitische Einflussnahme, da immer wieder neue

Herausforderungen, als Beispiel sei nur die Ölkrise von 1973 genannt, am

Horizont auftauchten und sich oftmals althergebrachte Methoden als

unangemessen oder schlichtweg fatal erwiesen.

Teilweise waren die theoretischen Zusammenhänge überhaupt noch nicht

entdeckt worden und daher Phänomene der wirtschaftlichen Strömung im

Rahmen der bestehenden Theorien noch nicht erklärbar, wie

beispielsweise die Stagflation Mitte der 70er Jahre.

Schon alleine die Entscheidung, auf welche wirtschaftlichen Größen man

besonders achten sollte, war nicht immer eindeutig zu klären. War die

Arbeitslosigkeit in den 50er und 60er Jahren kein Problem, dem man

besondere Aufmerksamkeit schenken musste, entschied die Entwicklung

der Arbeitslosenquote in der Folgezeit über Wohl und Wehe ganzer

Regierungen.

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30

3.1 1967 – 1973 (Neoklassische Synthese)

Die Wirtschaftswunderjahre, mit denen nicht einmal führende Ökonomen

gerechnet hatten, fanden mit dem Boomjahr 1960 ihren Endpunkt23 und

brauchen im Folgenden nicht mehr diskutiert werden. Erwähnenswert ist

die Einführung eines fünfköpfigen unabhängigen Gremiums 1963, dem

Sachverständigenrat, der dem Ruf nach einer professionellen Institution

zur Beurteilung der makroökonomischen Politik gerecht wurde.

Die erste Periode von Interesse ist das Jahr 1966/1967, in der von einer

ersten wirklichen Rezession mit negativem Wachstum gesprochen werden

kann. Wahrscheinlich führte dieser Umstand nach nur drei Jahren Amtszeit

mit Kurt-Georg Kiesinger auch zur Ablösung von Bundeskanzler Ludwig

Erhardt. Die makroökonomische Situation war durch eine signifikant

niedrige Arbeitslosenquote gekennzeichnet, die niedrigste in diesem

Jahrhundert.

Figure 17 Arbeitslosenzahlen 1950 - 2000

Die Zahl der offenen Stellen überstieg mit Ausnahme des Jahres 1967 die

Zahl der Arbeitslosen, daher ist die Periode von 1967–1973

gekennzeichnet von einem Nachfrageüberhang, nicht von

23 Vgl. Giersch/ Paqué/ Schmieding, 1992, S. 3

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Vollbeschäftigung24. Ausschlaggebend für diesen Umstand war die

Tatsache, dass die Grenzproduktivität der Arbeit bei Vollbeschäftigung sich

permanent über dem Realeinkommen bewegte. Unter diesen

Gesichtspunkten lag für die Wirtschaftspolitik, die zu diesem Zeitpunkt

unter dem Einfluss des Ordoliberalismus25 von der Nachfrageseite

dominiert wurde, das Hauptinteresse in der Bekämpfung der Inflation26.

Dies war unter anderem dem Aspekt zuzuschreiben, dass keine Störungen

des Gütermarktes von der Angebotsseite her zu beobachten waren.

Figure 18 Entwicklung der Inflationsrate 1950 - 2000

3.1.1 Stabilitätsgesetz

Die Rezession von 1966/67 leitete eine Umorientierung der

Wirtschaftspolitik ein. Dem Staat wurde im Juni 1967 durch das

24 Vgl. Giersch/ Paqué/ Schmieding, 1992, S. 126 25 Eine Variante des Neoliberalismus, die eine Ergänzung der freien Wirtschaft durch eine

Sozialordnung vorsieht 26 Vg. Giersch/ Paqué/ Schmieding, 1992, S. 139

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"Stabilitäts- und Wachstumsgesetz" eine konjunkturpolitische

Stabilisatorrolle zugewiesen. Insbesondere die Verpflichtung des Staates

zur Sicherung eines hohen Beschäftigungsstandes stellt eine Abkehr vom

ordoliberalen Denken und eine Hinwendung zum Postkeynesianismus dar.

Die sozialen Sicherungssysteme wurden perfektioniert, der Staatsanteil

erhöht und die Mitbestimmung ausgebaut. Insgesamt ist diese Phase

relativ stark von der freiheitlichen Sozialdemokratie und vom

postkeynesianischen Denken geprägt.

Zentral ist § 1 des Stabilitätsgesetzes.

Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen

Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts

zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der

marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus,

zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem

Gleichgewicht bei einem stetigen und angemessenen

Wirtschaftswachstum beitragen.

Ob ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht vorliegt, bemisst sich seit

diesem Erlass an der Erreichung und Maximierung von vier Zielen: der

Preisniveaustabilität, einer niedrigen Arbeitslosenquote,

außenwirtschaftlichem Gleichgewicht und angemessenem

Wirtschaftswachstum27.

Eine gerechte Einkommensverteilung ist nicht explizit genannt, da sie nicht

mit stabilisierungspolitischen Instrumenten erwirkt werden kann.

Gleichwohl war dieses Idealbild eine Nebenbedingung, dem ebenso

Bedeutung in diesem traditionellen Modell der neoklassischen Synthese

beikam. Mit dieser Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik ist ein ganzes

Bündel an gesamtwirtschaftlichen Intentionen um die Erhaltung der, in den

stabilitätspolltischen Zielen normierten Sollzustände der Wirtschaft

27 Vgl. Kock, 1975, S. 17

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33

verbunden28. Darum spricht Wagner auch von Stabilisierungspolitik,

während er Stabilitätspolitik als Sammelbegriff für die politischen

Möglichkeiten, die Stabilität des ökonomischen Systems zu verbessern

oder u.U. auch erst zu gewährleisten definiert29.

Das Provokative an diesem Gesetz war gleichzeitig seine

Hauptintention, die, zumindest teilweise, nicht Vereinbarkeit der einzelnen

Ziele. Leider stand wohl weniger im Vordergrund, inwiefern die

Stabilisierung eines Zieles zur Stabilisierung des Gesamtsystems

beitragen kann. Die Unvereinbarkeit mancher Ziele stand schon lange fest,

um so leichtfertiger war es, die "trade-off" - Analyse zu vernachlässigen, da

sie allein Aufschluss darüber geben kann, "welche Ziele unter welchen

Bedingungen, mit welchen Kosten"30 verbunden sind.

Das "magische Vieleck" ist Gegenstand des Allgemeinwissens, kein

Lehrplan wird auf diesen Begriff verzichten wollen. Dennoch sind die in ihm

formulierten Ziele nur eine Etappe auf dem Weg zur effizienten Allokation,

privatem Wohlstand oder weiteren ökonomischen Großzielen31.

Einer der deutlichsten und meistdiskutierten "trade-offs" zeigt sich in der

Beziehung zwischen Vollbeschäftigung und Preisstabilität, der in der

Diskussion um die Phillipskurve seinen Höhepunkt fand. Dieser implizite

Zusammenhang ist aus einer langfristigen empirischen Studie der VGR

heraus entdeckt worden und fand bei Politikern jedweder Couleur reges

Interesse, da durch die kurzfristige Veränderung der Inflationsrate eine

Beeinflussung der Arbeitslosenquote machbar erschien. Wie schon

ausgeführt wurde, bedürfte es einer laufenden Steigerung der Lohnsätze,

womit sich aber auch die Inflationsrate ständig erhöhen würde. Die

Inflationskonstante bzw. Natürliche Arbeitslosenrate war zu diesem

Zeitpunkt noch unbekannt.32

28 Vgl. Wagner, 1998, S. 1 29 Ebenda S. 1, Hervorhebungen vom Autor 30 Vgl. Tichy, 1999, S. 27 31 Ebenda, S. 28 32 Vgl. Mankiw 2003, S. 184-187

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Figure 19 Phillipskurve fur dieBundesrepublik Deutschland

Die Auswirkungen des Zieles der Vollbeschäftigung zu den anderen Zielen

war weit weniger Gegenstand hitziger Debatten. Zum

außenwirtschaftlichen Gleichgewicht verhält sie sich negativ, da eine

erhöhte Arbeitsnachfrage die Leistungsbilanz passiviert33.

Die Erhöhung des Wirtschaftswachstums ist verknüpft mit einem Anstieg

der Erwerbstätigen, es besteht ein positiver "trade-off" zwischen diesen

beiden Zielen. Die Steigerung der Verbraucherpreise wird während der

neoklassischen Synthese in Nachfrageinflation, Kosteninflation und

importierte Inflation differenziert.

Während eine Überbeanspruchung der Kapazitäten zur Deckung der

Nachfrage zu Nachfrageinflation führt, erklärt sich Kosteninflation durch

Marktmacht der Unternehmer oder durch übertriebene und durchgesetzte

Lohnforderungen der Gewerkschaften, mit denen der

Produktivitätsprogress und die bestehende Inflationsrate nicht Schritt

halten können. Güter, die im Ausland nicht substituiert werden können,

33 Vgl. Tichy, 1999, S. 57

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35

müssen aus dem Inland exportiert werden. Verteuern sich diese Güter

oder entsteht überhaupt eine verstärkte Nachfrage nach inländischen

Produkten, kommt es zur importierten Inflation. Schon relativ lange war die

Messung des Wirtschaftswachstums zur Bestimmung der

gesamtwirtschaftlichen Situation bekannt. Die Debatte beschränkt sich

inzwischen auf die Betrachtung drei- bis siebenjähriger Wellen, dem

Konjunkturzyklus. Dieser bewegt sich entlang einem langfristigen

Wachstumspfad und ist durch vier Phasen gekennzeichnet:

Einer längeren Aufschwungphase folgt der zur Plateaubildung neigende

Boom34, im Anschluss daran gerät die Volkswirtschaft in die Rezession, bis

die Entwicklung die Talsohle, die Depression, erreicht, der nach

Durchschreitung ein erneuter Aufschwung folgt.

Maßgeblich für die Identifikation von Konjunkturphasen sind die

Konjunkturindikatoren, die sich in drei Gruppen aufteilen lassen: die

vorauseilenden, die gleichlaufenden und die nachhinkenden. Zur ersten

Kategorie werden Aktienkurse, Auftrags- und Lagerbestände, Arbeitszeiten

in der Industrie, Baugenehmigungen, Gewinneinkommen und die reale

Geldmenge gezählt. Gleichlaufende Indikatoren sind die

Industrieproduktion, die Arbeitslosenquote und der Reallohn. Der

Konjunkturentwicklung hinken die Lohnstückkosten, die Verbraucherpreise

und das Lager/Umsatz-Verhältnis hinterher35.

34 Vgl. Tichy, 1999, S. 8 35 Ebenda S. 9

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36

Figure 20 Der Konjunkturzyklus

Im Bereich der Zielgrößen ist das Wirtschaftswachstum aufgrund dieser

konjunkturellen Auslegungsmöglichkeiten fragwürdig, erfasst die

Veränderung des Bruttoinlandprodukts doch nur marktmäßige

Transaktionen, gibt aber über den Umfang des „Ressourcenverzehrs“ und

der Wohlstandsminderung durch negative externe Effekte, etwa auf

Umwelt oder Gesundheit36 keinerlei Aufschluss.

Das Ziel außenwirtschaftliches Gleichgewicht stellt ein Hilfsziel zur

Erreichung anderer, im Stabilitätsgesetz genannter, Aufgaben dar. Seine

Definition ist umstritten. In einer langen Phase der neoklassischen

Synthese bestand das feste Wechselkurssystem von Bretton Woods, auf

das später detailliert eingegangen wird. In diesem wurden bestehende,

kurz- und langfristige Verbindlichkeiten gegenüber ausländischen

Gläubigern durch eine entsprechende Währungsreserve gedeckt. Jedoch

wird oft auch der Ausgleich von Zahlungs- und Leistungsbilanz gefordert.

In beiden Fällen ist ein Ausgleichsposten vonnöten, zum Beispiel die

Devisenbestände der Zentralbanken37.

36 Vgl. Tichy, 1999, S. 59 37 Ebenda, S. 70

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37

Tichy sieht dagegen nicht die Höhe von Beständen oder die

Ausgeglichenheit von Stromgrößen als ausschlaggebend, sondern

erachtet das außenwirtschaftliche Gleichgewicht als gegeben, "solange für

Kapitalimporte Zinssätze unter den Ertragsraten der Investitionen gezahlt

werden, mit denen diese Kapitalimporte finanziert werden"38.

Generell kann eine Stabilisierung der Leistungs- und Zahlungsbilanz nur

über die anderen Ziele erreicht werden. Werden strukturelle Ursachen

beseitigt, führt das zu einer allgemeinen Erholung der Gesamtwirtschaft.

Besteht ein Leistungsbilanzdefizit aufgrund von Nachfrage- oder

Inflationsstörungen, wirkt sich eine Nachfragesenkung auf die

Arbeitslosenquote negativ, auf Wachstum und Preisniveau positiv aus.

3.1.2 Zyklusorientierte Globalsteuerung

Der Stabilisierungspolitik während der Geltungsdauer der neoklassischen

Synthese lag eine Stabilisierungsphilosophie zugrunde. Das Konzept

umschloss dabei vier Kriterien: Die Diagnose beinhaltete die Prüfung der

Zielverfehlungen. Die Leitlinien, im Rahmen derer die zu treffenden

Maßnahmen beschlossen wurden, waren in den Grundprinzipien artikuliert.

Ohne eine Abfassung der relevanten Zielvariablen, wäre das Vorhaben

nicht zu realisieren gewesen. Die Methoden endlich waren geprägt von der

Vorgehensweise, die Zielvariablen unter Einhaltung der Grundprinzipien

umzusetzen. Die Analyse erfolgte im wesentlichen durch Beobachtung der

Schwankungen des Wirtschaftswachstums, folglich aus der Veränderung

der Nachfrage. Diese spiegelte sich wider in den Produktionsauslastungen.

Dem Preismechanismus wurde auf Marktebene eine

Koordinierungsfunktion unterstellt. Diese existierte zwischen den Märkten

aber nicht. Die "visible hand" des Staates sollte dieses Gebrechen durch

antizyklische Eingriffe beheben.

38 Vgl. Tichy, 1999, S. 71, Hervorhebungen vom Autor

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38

Möglich war dies nur durch eine globale makroökonomische Steuerung der

gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, repräsentiert durch die private Konsum-

und Investitionsnachfrage, dem Außenbeitrag und der staatlichen Güter-

und Dienstleistungsnachfrage. Gibt es Anzeichen für ein Überhitzen der

Konjunktur in Boomperioden muss die Nachfrage gedämpft werden; ist das

Wachstum in einer Rezessionsflaute eher verhalten, wird die Konjunktur

durch eine Nachfrageerhöhung geglättet und erholt sich.

Mögliche Instrumente sind die Fiskal- und Geldpolitik, die sich bei einer

Globalsteuerung fest in Händen des Staates befinden. Die Geldpolitik als

untergeordnetes Werkzeug hat die Aufgabe, den Liquiditätsspielraum der

Banken und die Kreditkosten festzulegen. Eine expansive Fiskalpolitik

kann die private Investitionsnachfrage zurückdrängen, es kommt zum

"crowding out", dem finanziellen Verdrängungswettbewerb39. Dieses soll

nun wiederum durch expansiven Instrumenteneinsatz der Geldpolitik

unterbunden werden.

Interventionen am Devisenmarkt führten zur Wechselkursstabilisierung und

damit zur außenwirtschaftlichen Absicherung. Den Arbeitgebern und den

Gewerkschaften oblag die Pflege eines stabilen Preisniveaus. Die

Beschäftigungsproblematik wurde dem Staat und der Zentralbank, die das

vollbeschäftigungskonforme Preisniveau festlegen musste, übertragen40.

Das Stabilitätsgesetz verordnete die Kooperation zwischen Regierung,

Notenbank, den Gebietskörperschaften und somit die "konzertierte Aktion",

einem "Kommunikationsinstrument zwischen allen wirtschaftlich relevanten

Gruppen"41. Die mittelfristige Finanzplanung und Investitionsprogramme

ermöglichten es, nötige Schritte einzuplanen. Finanzinstrumente waren

die Ausgaben-, Einnahmen-, Rücklagen- Schulden- und Geldpolitik.

39 Quelle: LEO, http://dict.leo.org/ 40 Vgl. Prinz, 1999, S. 89 41 Ebenda S. 90

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39

Die private Konsumnachfrage konnte über die Anpassung der

Einkommenssteuervorauszahlungen oder durch eine Umgestaltung der

Einkommenssteuer, die höchstens 10% betragen und höchstens ein Jahr

dauern durfte beeinflusst werden. Ähnlich wirkte die Steuerung der

Investitionsnachfrage von Unternehmen. Hier wurde der Hebel über die

Steuerhöhe, Anpassung der Steuervorauszahlungen und die Art der

Abschreibungsmöglichkeiten angesetzt. Dem Staat wurde die Bildung

einer Konjunkturrücklage in Boomperioden auferlegt. Diese Rücklage

konnte er in Krisenzeiten expansiv nutzen. Außerdem war es ihm möglich,

Investitionsvorhaben bei Expansion zu beschleunigen oder zu

verschieben bzw. stillzulegen, um einen kontraktiven Effekt zu erzielen42.

3.1.3 Erweitertes IS/LM Modell

Die makroökonomische Theorie, die sich hinter der zyklusorientierten

Globalsteuerung verbirgt, ist ein IS/LM-Modell mit keynesianischen

Gründzügen und wurde bereits diskutiert. In diesem Modell bestimmt der

Absatz den Output und damit den Arbeitseinsatz, es ist jedes Outputniveau

als Gleichgewicht möglich, selbst wenn es sich dabei um ein

Unterbeschäftigungsgleichgewicht handelt. Da die Preise exogen

vorgegeben sind, ist eine Anpassung nur über Mengen möglich, daher ist

ein staatlicher Eingriff unentbehrlich. Bei diesem Ansatz werden allerdings

die außenwirtschaftlichen Beziehungen vernachlässigt, es gibt nur

Aufschluss über das binnenwirtschaftliche bzw. interne Gleichgewicht.

Diesen Mangel beseitigt das erweiterte IS/LM oder Mundell-Fleming-

Modell, indem das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz in Form der BP-

Kurve43 mit berücksichtigt wird.

42 Ebenda S. 91 43 Vgl. dazu Mankiw 2004, S. 362 ff. balance of payments

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Figure 21 Die BP-Kurve

Figure 22 Das Mundell-Flemming-Modell

Wie in der geschlossenen Ökonomie beschreibt jetzt der Schnittpunkt

zwischen IS- und LM-Kurve ein simultanes Gleichgewicht im Güter-, Geld-

und Wertpapiermarkt. Das Konzept der BP-Kurve erlaubt es, die Frage zu

beantworten, ob dieses interne Gleichgewicht auch ein

außenwirtschaftliches bzw. externes Gleichgewicht darstellt. Die BP-Kurve

repräsentiert alle Zinssatz- und Einkommenskombinationen (r,Y), in

welchen sich die Zahlungsbilanz im Gleichgewicht befindet. Der

Devisenbilanzsaldo ergibt sich im wesentlichen aus dem

Leistungsbilanzsaldo und dem Saldo der Kapitalbilanz, wobei ersterer als

Differenz von Exporten minus Importen von den relativen Preisen und vom

inländischen Einkommen abhängig ist, und die Kapitalbilanz vom

Marktzinssatz. Ein höherer Marktzinssatz führt zu Kapitalimporten also

Zuflüssen von Devisen da es dann für die Anleger attraktiver ist, Geld im

Inland anzulegen. Wenn der Schnittpunkt von IS- und LM Kurve genau auf

der BP-Kurve liegt, so ist das interne Gleichgewicht auch ein externes.

Im Punkt (r*, Y*) sind nicht nur Geld- und Gütermarkt, sondern mit ihnen

auch die Zahlungsbilanz im Gleichgewicht. Interne Gleichgewichte, die

nicht auf der BP-Kurve liegen, können keine stabilen Zustände erlangen,

da sich durch einen Devisenbilanzüberschuss oder ein Devisenbilanzdefizit

die Geldmenge verändert, wenn die Notenbank eine Politik der fixen

Wechselkurse betreibt, was in der Bretton-Woods-Ära der Fall war.

Betreibt die Notenbank eine Politik der flexiblen Wechselkurse, kann sich

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aufgrund des Ungleichgewichtes am Devisenmarkt auch der Wechselkurs

verändern. Im ersten Fall würde sich die LM-Kurve verschieben, im

zweiten die BP- und IS-Kurve.

Der Regierung standen im Rahmen dieses Modells drei Möglichkeiten zur

Verfügung: Fiskal-, Geld- und Wechselkurspolitik in Form von Auf- bzw.

Abwertungen. Letztere geht nicht in die Betrachtung mit ein. Wollte die

Regierung mittels Fiskalpolitik das Gleichgewichtseinkommen erhöhen,

konnte sie dies durch eine Ausweitung der Staatsausgaben oder eine

Verringerung der Steuern versuchen. Eine Erhöhung der Staatsausgaben

verschob sowohl die IS-Kurve als auch die LM-Kurve nach rechts. Im Fall

einer Politik fixer Wechselkurse offenbarten sich fiskalpolitische

Maßnahmen als (relativ) wirksamer als in geschlossenen

Volkswirtschaften. Der Grund lag in der expansiven Fiskalpolitik.

Die Notenbank musste die Geldmenge erhöhen, um den Erwerb der

Devisen überhaupt durchführen zu können.

Figure 23 Fiskalpolitik bei festen Wechselkursen

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42

Das löste einen weiteren expansiven Impuls aus. Diese Überlegungen

galten nur, solange die Notenbank nicht versuchte, durch kompensierende

Offenmarktgeschäfte die Ausweitung der Geldmenge zu unterbinden. Sie

konnte versuchen, durch den Verkauf von Wertpapieren die durch die

Devisenankäufe induzierte Erhöhung der Geldmenge zu unterbinden.

Hätte die Notenbank solch eine Stabilisierungspolitik betrieben, so wäre

die Wirtschaft verharrt.

Figure 24 Geldpolitik bei festen Wechselkursen

Als zweite prinzipielle Möglichkeit zur Erhöhung des

Gleichgewichtseinkommens stand dem Staat eine Erhöhung der

Geldmenge durch die Notenbank zur Verfügung. Die Notenbank führte

daraufhin diese Maßnahme durch Offenmarktankäufe von Effekten durch.

Die LM- Kurve hätte sich dann nach rechts verschoben. Im Schnittpunkt

mit der IS- Kurve erhält man das neue binnenwirtschaftliche Gleichgewicht.

Der jetzt notwendige Verkauf von Währungsreserven verringerte die

Geldmenge und die LM-Kurve verschob sich wieder in ihre Ausgangslage

zurück. Daraus ließ sich ableiten, dass bei fixen Wechselkursen

längerfristig die Geldpolitik keine Auswirkung auf Zinssatz und Einkommen

hat, weil die durch Devisenankäufe bzw. verkäufe induzierten Änderungen

der Geldmenge die ursprüngliche Geldmengenänderung genau

kompensiert.

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43

3.1.4 Probleme mit der Globalsteuerung

In der wirtschaftspolitischen Praxis ergaben sich schon bald gravierende

Probleme. Das Stabilitätsgesetz hatte freilich Vorgaben zur Bildung von

Koordinierungsausschüssen gegeben, deren Schlagkraft ließ aber zu

wünschen übrig. Insbesondere die Gemeinden, die einen Großteil des

öffentlichen Investitionsvolumens vereinnahmen, verhielten sich weiterhin

prozyklisch, was auf die zyklisch verlaufenden Steuereinnahmen

zurückzuführen ist44. Auch die Steuerung der Staatsnachfrage,

hauptsächlich der Konsumausgaben für Löhne und Gehälter, erwies sich

als außerordentlich schwierig. Als Hauptproblem der Stabilisierungspolitik

kristallisierten sich die zeitlichen Verzögerungen, die "lags", heraus. Im

"recognition lag" führt im benötigten Zeitpunkt fehlende statistische

Material zu Erkennungsschwierigkeiten der Zielverfehlungen. Die Mühlen

der Bürokratie mahlen langsam, daher verstreicht auch zwischen der

Analyse und dem Vollzug von Lösungen zwangsläufig etwas Zeit, was zum

"decision lag" führt. Dieser Effekt kann auch nicht durch die zur schnellen

Entscheidungsfindung gedachten "Schubladenprogramme" behoben

werden, da diese sehr schnell veralteten verhinderten, dass eine

Maßnahme durch die wirtschaftspolitischen Instrumente sofort eine

Wirkung zeigt. War der Einsatz von nachfragewirksamen Instrumenten

sofort spürbar, verhielt es sich beispielsweise bei einer Beschränkung der

Abschreibungen deutlich anders.

Bis eine entsprechende rechtliche Grundlage geschaffen wurde, die

Anpassungen in den Betrieben vorgenommen waren und schließlich Mittel

flossen, konnte eine lange Frist verstreichen. Die tatsächlich praktizierte

Globalsteuerung von 1967 - 1973 war gezeichnet von dauerhaftem

Arbeitskräftemangel, inflationärem Druck und verfehlten

44 Vgl. Prinz 1999, 127

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44

außenwirtschaftlichen Gleichgewichten45. Auf die, nicht nur für die Bürger,

schockierende Fehlentwicklung von 1967 wurde mit einer expansiven

Wirtschaftspolitik nach keynesianischem Vorbild reagiert, die unter den

Prämissen des neu geschaffenen Stabilitätsgesetzes auch offensichtlich

Wirkung zeigte. Maßgeblich für den erneuten Aufschwung von 1968 war

aber ein Wiedererstarken der deutschen Exportwirtschaft.

3.1.5 Bretton Woods

1968 war der Goldpool annulliert worden, es entstand der Dollarstandard.

1971 gab die Federal Reserve Bank der USA die Goldkonvertierung des

Dollar auf. Unter dem Eindruck eines starken Zuflusses der

amerikanischen Währung ging Deutschland vom festen Wechselkurs zu

einem flukturierenden über, was von einer raschen Abwertung des Dollars

begleitet wurde. 1973 wurden feste Wechselkurse allgemein aufgegeben,

nachdem der Versuch gescheitert war, ein neues System, den "central

rates" einzuführen 46.

Ursachen hierfür waren die höheren Inflationsraten der USA gegenüber

der Bundesrepublik und die notorischen Überschüsse der hiesigen

Leistungsbilanz. Steigende Preise in den USA führten zu einer Zunahme

der Importe und einem Leistungsbilanzdefizit, was zur Akkumulation des

US-Dollar in Deutschland führte. Durch den Zusammenbruch des

Festkurssystems war es der Bundesbank jetzt aber möglich, eine

eigenständige Geldpolitik zu betreiben. Exemplarisch für die Gängelung

der Notenbank steht der 1.März 1973, als Dollar im Wert von 7,5 Milliarden

DM aufgekauft werden mussten47. „Dies nutzte sie für eine sehr restriktive

Politik, um die Inflationsrate zu senken.“48

45 Vgl. Prinz, 1999, S. 131 46 Vgl. Giersch/ Paqué/ Schmieding, 1992, S. 179 47 Ebenda S. 80 48 Vgl. Prinz 1999, S. 132

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45

Der Zusammenbruch von Bretton Woods hatte weitreichende

Konsequenzen. Der Wechselkurs wurde nun ausschließlich von den

Marktkräften bestimmt und nahm immer einen Wert an, der zu einem

Gleichgewicht am Devisenmarkt führte. Eine Erhöhung der

Staatsausgaben verschiebt die IS-Kurve nach rechts. Jede

Überschussnachfrage nach heimischer Währung am Devisenmarkt führte

sofort zu einer Aufwertung der Deutschen Mark, was zu einem fallenden

Wechselkurs führt. Dies bewirkt eine Linksverschiebung von IS- und BP-

Kurve. Fiskalpolitische Maßnahmen haben demnach bei flexiblen

Wechselkursen vergleichsweise geringe Auswirkungen. Jetzt musste die

Notenbank intervenieren. Dies führt in solchen Fällen zu einer Aufwertung

der heimischen Währung. Dies verringerte die Konkurrenzfähigkeit der

heimischen Waren. Es wurde daher weniger exportiert und mehr importiert.

Geldpolitische Maßnahmen haben bei flexiblen Wechselkursen stärkere

Auswirkungen, da durch eine Geldmengenerhöhung Zinssatzsenkung

erzielt werden, was eine Abwertung der heimischen Währung verursacht.

Diese Abwertung verstärkt den expansiven Prozess, heimische Güter

werden also konkurrenzfähiger.

3.1.6 Stagflation

Die inflatorische Schlagseite der postkeynesianischen Konjunkturpolitik,

die Überforderung der Wirtschaft im Zeichen der Finanzpolitik und die

strukturkonservierenden Effekte, führten zuerst zur Beschleunigung der

Inflation und schließlich zu einer Investitions-, Wachstums- und

Beschäftigungskrise. Der Weg in die Stagflation - Stagnation plus Inflation -

der 70er Jahre hat sicherlich viele Ursachen. Eine dieser Ursachen ist

nach Überzeugung der Neoklassiker die Wirtschaftspolitik im Zeichen des

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46

Keynesianismus. Die beiden Ölkrisen von 1973 und 1979 haben den

Stagflationsprozess noch beschleunigt. Zudem ging der Anstieg der

Arbeitslosigkeit seit der zweiten Hälfte der 70er Jahre nicht nur auf die

Wachstums- und Investitionsschwäche der deutschen Wirtschaft zurück,

sondern lag auch an der demographisch bedingten Arbeitslosigkeit.

Zweifellos wäre aber die Eingliederung der geburtenstarken Jahrgänge in

den Arbeitsmarkt leichter gelungen, wenn die Wachstumsdynamik der

deutschen Wirtschaft ausgeprägter gewesen wäre. Dass eine dynamisch

wachsende Wirtschaft in erheblichem Ausmaß neue Arbeitsplätze schaffen

kann, hat vor allem die Entwicklung in den 80er Jahren nachdrücklich unter

Beweis gestellt. In der Zeit von 1983 bis 1991 wurde die Erwerbstätigkeit

immerhin um nahezu drei Millionen Personen gesteigert, doch dazu später.

3.2 1973 – 1982 (Neuklassische Ökonomie)

Der neue Ansatz der Neuklassischen Ökonomie kann als ein Versuch

verstanden werden, das Theorem des allgemeinen

Konkurrenzgleichgewichts direkt auf eine makroökonomische

Problemstellung anzuwenden, mittels mikroökonomischer Ansätze. In der

neuklassischen Ökonomie wurden die Annahmen freier Konkurrenz, des

Nutzenmaximierungsprinzips sowie des rationalen Verhaltens der

Wirtschaftssubjekte, welche auch die Hauptelemente des neoklassischen

Modells umfassten, beibehalten. Obgleich die Annahme vollständiger

Information anfänglich relativiert wurde, wird nach wie vor davon

ausgegangen, dass die Wirtschaftssubjekte die gegebenen Informationen

effektiv verwenden und dadurch einen optimalen Zustand, mithin ein

Marktgleichgewicht, erreichen können. In diesem Prozess bilden die

rationalen Erwartungen der Wirtschaftssubjekte den Brückenkopf.

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47

Verständlich, dass sich die Vertreter dieser Denkrichtung in ihren Analysen

auf dieses Phänomen konzentrierten, weshalb diese Theorie auch den

Beinamen "Rational Expectations School" erhielt. Diese beschäftigt sich in

ihrer Analyse bei der Herausbildung von Erwartungen nur mit realen

Größen. Rezessionen sind, infolge jederzeit vollständiger Markträumung,

selbstkorrigierend, sobald sie sich zu erkennen geben. Charakteristisch für

den Beginn eines Konjunkturrückgangs ist die Hortung von Geld, bis nach

einigen Quartalen die Wirtschaftssubjekte die drohende Krise

durchschauen.

Die in diesem Zeitraum herrschende Unsicherheit schwindet, und der

Markt erholt sich rasch. Die Produzenten senken die Preise, um die Güter

wieder wettbewerbsfähig zu machen, die Arbeitnehmer dämpfen ihre

Lohnforderungen, um Beschäftigung zu erhalten.

Während sich die Preise erholen, wird die Kaufkraft, der Währung gestärkt.

Dieser Effekt kommt der Erhöhung der Geldmenge gleich. Folglich sollte

eine Regierung nichts tun und die Korrektur abwarten; eine Intervention

wäre ineffektiv oder schädlich. Die Zentralbank ist demnach nicht in der

Lage, die Anzeichen einer Rezession durch Interpretation der

Wirtschaftsindikatoren schneller zu durchschauen, als die

Wirtschaftssubjekte selbst, die ebenso über geeignete Informationsquellen

verfügen. Auch aufgrund von Erkennungs- und

Entscheidungsverzögerungen geschieht eine Erhöhung der Geldmenge

nicht vor der Entscheidung der Wirtschaftssubjekte, ihre Preise an die

neue Konstellation anzupassen. Ein Umstand kam noch erschwerend

hinzu: Falls die Zentralbank explizit eine Antirezessionspolitik betreibt, wird

jede Erhöhung der Arbeitslosigkeitsrate um ein Prozent mit einer

äquivalenten Erhöhung der Geldmenge beantwortet. Rational handelnde

Marktteilnehmer können diese Zunahme erwarten, daher auch die

Bezeichnung "rational expectations", und Automatismen, welche auf die

Geldpolitik reagieren, in ihrem Preisfindungsprozess integriert. Um

überhaupt einen positiven Effekt zu erzielen, müsste die Notenbank die

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48

Unternehmen mit einer Geldmengensteigerung überraschen. Gerade aber

diese Unberechenbarkeit würde die Wirtschaft destabilisieren.

Dieses Konstrukt wurde insbesondere von Robert Lucas auf eine Art und

Weise gestützt49, die viele neue mathematische und statistische Techniken

hervorbrachte.

3.2.1 Stabilitätspolitik

Im Jahre 1973 ergab sich für die Stabilisierungspolitik eine neue Situation.

Waren bisher vornehmlich Probleme von der Nachfrageseite her zu lösen,

ergaben sich nun zum ersten Mal Angebotsschocks in Form der Ölkrise,

gefolgt von einem überdurchschnittlichen Nominallohnanstieg. Mächtige

Innovationen im theoretischen Gerüst, maßgeblich waren vor allem

monetaristische Überlegungen, taten ein Übriges, die Stabilisierungspolltik

abzulösen. Was folgte war eine kleine Revolution. Zielte die

Wirtschaftspolitik eben noch auf die aktive Bekämpfung der dem

Wirtschaftssystem eigenen Instabilitäten, wurde nun unterstellt, dass nur

der Verzicht auf staatliche Eingriffe die Stabilität des Gesamtsystems

garantierte, vielmehr noch, dass die Eingriffe selbst Ursache der Störungen

waren.

Belebt wurde die Reform durch das Jahresgutachten des

Sachverständigenrates von 1974/7550, welches von revidierten

Grundvoraussetzungen ausging. Es wurde gefordert, das

wirtschaftspolitische Handeln zu verstetigen und jedem Akteur ein Ziel

zuzuordnen. Jetzt war es nicht mehr Aufgabe des Staates und der

Geldpolitik, die Beschäftigung zu gewährleisten, die damit auch überfordert

49 Vgl. Mankiw S. 445 50 Vgl. Prinz, 1999, S. 200

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49

waren. Dieser Herausforderung haben sich seither die Tarifparteien

gestellt. Zur Erleichterung dieser Berufung wurde die

"kostenniveauneutrale oder produktivitätsorientierte Lohnpolitik

entwickelt"51. Diese Entscheidung fußte auf der Überlegung, dass

Gewerkschaften und Arbeitgeber die Entwicklung des Preisniveaus kennen

und über den Nominallohn auch den Reallohn bestimmen, welcher

wiederrum auf die Beschäftigungshöhe einwirkt. Bund, Länder und

Gemeinden entdeckten wieder ihre ursprüngliche Aufgabe, die

konjunkturneutrale "Versorgung der Volkswirtschaft mit öffentlichen

Gütern"52.

Der Zusammenbruch des festen Wechselkurssystems erleichterte die

Aufgabe der Zentralbank, für ein Gleichgewicht der Außenwirtschaft zu

sorgen, erheblich. Wie bereits ausgeführt, regelte sich nun ein

Ungleichgewicht in der Zahlungsbilanz über die Marktkräfte selbst, eine

Intervention der Bank war überhaupt nicht mehr nötig.

Als neue Konstante wurde die Wettbewerbspolitik ins Leben gerufen, um

Missbrauch von Marktmacht, durch einen intakten Wettbewerbsrahmen zu

unterbinden.

3.2.2 Verstetigung

Geld- und finanzpolitische Maßnahmen wurden zu Stützpfeilern in diesem

Konzept der Verstetigungspolitik. Die Regierung hatte nur die Aufgabe,

abzuwarten und eine Intervention in jedem Fall zu unterlassen, um dem

Konjunkturverlauf nicht unproduktiv oder destruktiv zuzusetzen. Daher wird

auch von der passiven Konjunkturpolitik53 gesprochen. Wieder Anhand

51 Ebenda, S. 201 52 Vgl. Prinz, 1999, S. 200 53 Ebenda, 1999, S.199

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50

eines IS/LM-Modells lässt sich das makroökonomische Gerüst zeigen, und

erwartete und überraschende Fiskal- und Geldpolitik unterscheiden.

Figure 25 Erwartete Fiskalpolitik

Wird die Staatsnachfrage den Erwartungen gemäß erhöht, verschiebt sich

die IS-Kurve aus Punkt A. Die Folgen sind steigende Preise und ein Sinken

der realen Geldmenge. Das jetzt herrschende Ungleichgewicht auf dem

Geld- und Kapitalmarkt wird mit einer Verschiebung der LM-Kurve nach

links bis zum neuen Gleichgewicht B kompensiert.

Figure 26 Erwartete Geldpolitik

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51

Lauern die Wirtschaftssubjekte auf eine Erhöhung der Geldmenge,

verschiebt sich nach deren Durchführung die LM-Kurve nach rechts, um

nur kurz im Punkt Atemp zu verweilen. Bei erhöhter Nachfrage bleibt das

Güterangebot unverändert, es kommt ebenfalls nur zu Preissteigerungen

und einem Schwinden der realen Geldmenge. Die LM-Kurve fällt in ihren

Ausgangspunkt zurück. Folgern lässt sich aus dieser Sichtweise, dass

sowohl erwartete Fiskal- als auch Geldpolitik inflatorische Tendenzen

aufweisen. Die Fiskatpolitik führt darüber hinaus auch zu

Zinssteigerungen.54

Im Falle überraschender wirtschaftspolitischer Maßnahmen ergibt sich ein

ähnliches Bild, allerdings mit deutlich positiveren Resultaten. Bei einer

überraschenden Fiskalpolitik verschiebt sich die IS-Kurve aus Punkt A

nach Nordost. Ähnlich dem vorherigen, erwarteten Fall, werden

Preisanstiege ausgelöst und dadurch die reale Geldmenge verringert.

Figure 27 Überraschende Fiskalpolitik

54 Vgl. Prinz, 1999, S. 207

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Figure 28 Überraschende Geldpolitik

Dies lässt die LM Kurve nach Links wandern, bis ein neues optimales

Gleichgewicht B erreicht ist. Der Output hat sich aber tatsächlich zu Lasten

eines gestiegenen Zinssatzes erhöht. Sollte sich die Bundesbank dazu

entschließen, unangekündigt die Geldmenge zu erhöhen, bewegt sich die

LM-Kurve nach Südost bis kurzzeitig Punkt Atemp erreicht wird.

Die aufgestockte Konsumnachfrage löst einen so großen Produktionseffekt

aus, der ausreicht, die inflationäre Tendenz in einem Maße zu überflügeln,

dass die LM-Kurve nicht mehr in ihren Ursprungspunkt zurückfällt, sondern

im neuen Gleichgewicht bei erhöhtem Output und gesunkenem Zinssatz

verweilt.

Leider sind die beschriebenen Effekte nicht von Dauer. Mit den

gesunkenen Reallöhnen werden sich die Arbeitnehmer nicht zufrieden

geben und schließlich eine Erhöhung derselben fordern, was den

Arbeistmarkt negativ beeinflusst55.

3.2.3 Politik-Ineffektivitäts-These

Selbst wenn Fiskal- oder Geldpolitik überraschend erfolgt, ergeben sich

nur kurzfristig messbare Auswirkungen zur Stabilitätssicherung. Wenn

diese Maßnahmen wiederholt durchgeführt werden, verschwindet das

55 Vgl. Prinz, 1999, S. 214

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53

Überraschungsmoment gänzlich und macht einer Erwartungshaltung Platz,

die sich als überaus negativ erweist. Im Extremfall verkehrt sich die

beabsichtigte Wirkung ins genaue Gegenteil, insbesondere wenn die

erwartete Politik entfällt. In dem Modell der neuklassischen

Makroökonomie besteht also keine Gelegenheit, „systematisch antizyklische Fiskal- oder Geldpolitik zu betreiben"56. Diese stellt den

Kern der Politik-Ineffektivitäts-Hypothese dar, auch wenn der Begriff etwas

diffus formuliert zu sein scheint. Ausgeschlossen von dieser Hypothese ist

die Bekämpfung der Inflation, eine Größe, der stets Interesse gilt. Diese

These stellte das gesamte Konzept der Stabilisierungspolitik in Frage, da

sie eine antizyklische Politik qualitativ unterscheidet. Wird ein Eingreifen

erwartet, bewirkt das nichts, ebenso kann überraschende Geld- und

Fiskalpolitik, wenn auch unter anderen Voraussetzungen,

zyklusverstärkend wirken. Daraus ergibt sich als Konsequenz, dass nur

eine Stabilisierungspolitik in simplen, vorhersehbaren Mustern betrieben

werden soll.

Am 05. Dezember 197457 reagierte die Deutsche Bundesbank auf diese

Entwicklung mit der erstmaligen Bekanntgabe des monetären

Wachstumsziels für 1975 in Höhe von 8%.

3.2.4 Potentialorientierte Verstetigungspolitik

Im Juli 1978 versetzte ein Ereignis der Globalsteuerung endgültig den

Todesstoß. Auf dem in Bonn stattfindenden Wirtschaftsgipfel wurde die

schon länger bestehende Forderung der bundesdeutschen

Handelspartner, allen voran die Vereinigten Staaten, die Wirtschaft

expansiv auszuweiten, unüberhörbar laut: "West Germany was urged to

56 Ebenda, S. 215, Hervorhebungen vom Autor 57 Vgl. Heilemann, 1996, S. 96

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54

take over the role of a cyclical demand locomotive to pull other countries

out of their apparent growth slac"58.

Figure 29 Expansive Politik 1978 - 1980

Das daraufhin initialisierte Wachstumsprogramm sollte den privaten

Konsum und die Investitionen erhöhen. Die Ökonomie war aber zu dieser

Zeit normal ausgelastet, was zu einer hochgradigen Inflationssteigerung

und einer beträchtlichen Verminderung der Arbeitslosenquote führte.

Dieses Ereignis führte, mit tatkräftiger Hilfe des Sachverständigenrates, zu

einem neuen Denkansatz bei der Bundesbank. Durch konjunkturneutrale

geldpolitische Maßnahmen wollte man in Zukunft der Inflation die Stirn

bieten, dies schloss den Verzicht auf antizyklische Maßnahmen mit ein.

Durch die Verkündigung von Geldmengenzielen sollte eine "Stabilisierung

der Inflationserwartungen der Wirtschaftssubjekte“59 erreicht und eine

Vertrauensbasis geschaffen werden. Ziel dieser Verstetigungspolitik ist es,

die exogenen Schocks zu verringern und die Erwartungen der

Wirtschaftssubjekte zu stabiliesieren.

Besonders die Vorgabe von Geldmengenzielen war nicht unproblematisch.

Wurde von 1975 bis 1978 noch eine reine Vorgabe der

58 Vgl. Giersch/ Paqué/ Schmieding, 1992, S. 186 59 Vgl. Prinz, 1999, S.221

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Geldmengenerhöhung als ausreichend empfunden, wechselte die

Bundesbank im Dezember 1978 ihre Strategie und ging dazu über, sich

einen Spielraum vorzubehalten.

Diese Bandbreitenregelung60 ergab sich aus den Verfehlungen bei der

Punktzielerreichung. Die Resonanz war ablehnender Natur, bedeutete es

doch einen herben Verlust an Informationen für die Wirtschaftssubjekte.

Die Bank entgegnete dieser Beanstandung, indem die Geldmengenziele

turnusmäßig überprüft wurden, wie zum Beispiel am 18. Juni 1979, als

man sich bemühte "das Geldmengenwachstum [...] auf den unteren Rand

der Zielmenge zu beeinflussen"61. Dahinter verbarg sich auch die Absicht,

eine Option auf antizyklische Geldpolitik zu bewahren.

Die Zentralbank orientierte sich bei der Bestimmung der Geldmengenziele

am Produktionspotential, dessen Wachstum allerdings geschätzt wurde.

An dieser Stelle sei an den Konjunkturzyklus erinnert. Dort werden die

Grenzen des Produktionspotentials bei verschiedenen Auslastungsgraden

der Volkswirtschaft deutlich. Die Geldmenge sollte ausreichen, das

Produktionspotential (in der Höhe) zu decken. Aber auch eine Abweichung

kann durchaus zu erwünschten Nebenwirkungen führen. Ist die

Geldmenge zu hoch, wirkt die Geldpolitik stabilisierend, da die Zinssätze

nachgeben können und damit Raum für neue Investitionen geben62. Auch

andere Unbekannte, wie die Veränderung der Umlaufgeschwindigkeit und

die Preisnorm, das "Inflationsziel der Bundesbank", können eine Rolle

spielen63.

60 Vgl. Heilemann, 1996, S. 120 61 Ebenda, S. 123 62 Prinz, 1999, S. 225 63 Ebenda S. 225

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Figure 30 Komponenten der Geldmenge

Der Erfolg war gemischt, ungefähr die Hälfte der Ziele konnte erreicht

werden. Obwohl es offizielles Ziel der Bundesbank war, durch die

Bestimmung der Geldmengensteigerung, Informationssicherheit

bereitzustellen, wird in der Fachliteratur oftmals auf das tatsächlich

inflationsdämpfende Motiv dieser Vorgehensweise verwiesen.64

Rund ein Jahrzehnt später gaben die destabilisierenden Auswirkungen zu

erneutem Umdenken Anlass. Am 11.Januar 1988 erfolgte ein Wechsel in

der Zielgröße. Anstatt für die Zentralbankgeldmenge einen Zielkorridor

festzulegen, beschloss man, das Geldmengenaggregat M3 zu nutzen65.

Um nicht der Entwicklung der Wirtschaftspolitik vorzugreifen, wird auf

diesem Umstand später im Detail eingegangen.

Spezifische Nachteile der Geldmengensteuerung ergeben sich im

Zusammenhang mit ihren Reaktionen auf Schocks. Zwar wirkten sie bei

einer Lohnerhöhung inflationsstabilisierend und ermöglichten eine rasche

Anpassung an die realen Größen, bewirkten aber gleichzeitig einen großen

Verlust des Outputs. Bei einer verstärkten Staatsnachfrage glättet sie

sowohl den Output als auch die Preissteigerungen, zieht aber reale

Aufwertungen der Währung mit sich.

64 Ebenda S. 227 65 Vgl. Heilemann, 1996, S. 189

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Steigt der Auslandszinssatz zeigt ihr Einsatz geringe Output- und

Preisreaktionen, stört aber den realen Wechselkurs. Letztendlich ist sie

statistisch schwer fassbar und "weniger leicht zu kontrollieren"66.

3.3 1982 – 2003 (Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik)

Unter dem Einfluss der zweiten Ölkrise und der daraus entstandenen

Rezession der Weltwirtschaft brach die sozialdemokratisch-liberale

Koalition unter dem damaligen Bundeskanzler Schmidt zusammen. Am

28.September 1982 einigten sich FDP und CDU/CSU auf ein

gemeinsames Koalitionspapier67 was schließlich zu Neuwahlen und einem

Regierungswechsel führte. Die neue Regierung unter Helmut Kohl hat im

nachhinein betrachtet einen grundsätzlichen Wechsel in der Ausrichtung

der Wirtschaftspolitik nach US-amerikanischem Muster mit sich gebracht.

Nachfragepolitik war in erster Linie Konjunkturpolitik, im Vordergrund stand

die Verstetigung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrageentwicklung bei

gegebenen Produktionsmöglichkeiten. Die angebotsorientierte

Wirtschaftspolitik war Teil der Revolution gegen die theoretischen und

wirtschaftspolitischen Mängel der keynesianischen Theorien. Vertreter der

angebotsorientierten Schule fingen an, sich darüber Gedanken zu machen,

wie man die Wachstumsraten der Wirtschaft in ihrer langfristigen

Entwicklung beflügeln könnte.

Als gesamtwirtschaftliche Fehlentwicklung wurde konstatiert, dass

Produktion und Beschäftigung hinter dem zurückblieben, was eigentlich

möglich und erwünscht war. Aus angebotstheoretischer Sicht liegt das

zentrale Problem nicht in einem Nachfragemangel, schon gar nicht in einer

nachfrageseitigen Störung, die aus Geldmangel erwachsen wäre, sondern

66 Tichy, 1999, S. 257 67 Vgl. Heilemann, 1996, S. 150

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in ausbleibender unternehmerischer Aktivität und zu geringer

Investitionstätigkeit. Zukunftsgerichtete Entscheidungen, die unter den

Bedingungen des internationalen Standortwettbewerbs zu treffen sind,

werden mittelfristig durch vielfältige Faktoren belastet.

Hervorzuheben sind die überhöhten Steuer- und Abgabelasten aufgrund

der zu hohen Staatsquote, korreliert mit der Verdrängung privater Initiative.

Des weiteren wirken die hohe Staatsverschuldung und erhebliche

Arbeitskosten bei einer zugleich übertriebenen Gleichschaltung in den

Lohnstrukturen nicht wachstumsfördernd. Die kostentreibenden und

anreizschädlichen Leistungsversprechen in den Systemen der sozialen

Sicherung, welche Arbeit im Bereich niedriger Einkommen bestraft, sowie

die immer noch bestehenden einengenden Regulierungen verhalten sich

demotivierend. Eine zu geringe Eigenkapitalrendite und Risikoprämie, die

Investitionen vor allem im Ausland attraktiver werden lassen, hemmen

ebenfalls die Unternehmen.

Im Grunde genommen stellte die Angebotspolitik eine Weiterentwicklung

der Verstetigungspolitik dar, da die Aufgabenzuweisung aufrecht erhalten

wurde. Die Notenbank kümmerte sich also weiterhin vornehmlich um die

Stabilisierung des Preisniveaus, der Staat stellt die Versorgung mit

öffentlichen Gütern sicher, und die Tarifparteien bemühen sich einen

hohen Beschäftigungsstand zu erreichen - so zumindest die Grundidee.

Ziele der Angebotspolitik, die von der Regierung Ronald Reagans in den

Vereinigten Staaten betrieben wurde, waren eine Flexibilisierung der

Wirtschaft und die Korrektur der Produktionsbedingungen, die ein

verstärktes Wachstum des Produktionspotentials auslösen sollte. Die

Furcht, den Arbeitsplatz zu verlieren, kann durchaus die

Arbeitsproduktivität hemmen, daher sollten die Fähigkeit und Bereitschaft

zu mehr Leistung noch einmal gesteigert werden.

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Methodisch wollte die Angebotspolitik mit Senkungen der Unternehmens-

und Einkommenssteuer den chronischen Unzulänglichkeiten

entgegentreten. Dazu kam ein Abbau der Staatsquote und eine

deregulierende Reform von einschlägigen Normen des Wirtschafts-,

Sozial- und Arbeitsrechts.68 In Opposition zur Globalsteuerung, die auf die

Steuerung von Makrorelationen spezialisiert ist69, steht das

makroökonomische Gerüst der Angebotspolitik auf einem

mikroökonomischen Sockel.

3.3.1 1982 – 1989 (Mehr Markt und weniger Staat)

J. B. Say gilt als Begründer der klassischen "Theorie der Absatzwege".

Danach schafft sich jedes Angebot seine Nachfrage. Das Saysche

Theorem wurde für eine Tauschwirtschaft entwickelt, in der sich tatsächlich

jedes Angebot seine Nachfrage schafft. In einer Geldwirtschaft müssen die

Einkommen, die aus dem Angebot hervorgehen, nicht zwingend wieder

aufgewendet werden; sie können auch gespart werden. Gerade in der

keynesianischen Theorie wird dieses Sparen negativ gewertet, da mit ihm

ja ein "Nachfrageausfall" verbunden ist.

Für den Sachverständigenrat ist das Saysche Theorem gleichwohl auch in

einer Geldwirtschaft eine wichtige Orientierungshilfe für die

Wirtschaftspolitik. Letztendlich entstehen bei der Produktion von Waren

und Dienstleistungen Kosten und damit Einkommen, die sicherstellen,

dass die Produktion auch ihren Absatz findet. Dies ist zwar nicht für jedes

einzelne Produkt gewährleistet, da es das Risiko des Unternehmers ist, die

Produkte dem Absatzmarkt zuzuführen, wohl aber für die Produktion im

ganzen. Auf gesamtwirtschaftlicher Ebene schafft sich das Angebot seine

Nachfrage, die keyneslanische Befürchtung, dass die Einkommen, die bei

68 Vgl. Prinz 1999, S.271 69 Ebenda, S. 272

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der Produktion entstehen, gespart, also nicht wieder nachfragewirksam

werden, ist allenfalls ein vorübergehendes Phänomen.

Der Sachverständigenrat beschreibt diesen Sachverhalt so: "In einer

Geldwirtschaft gibt es eine Garantie gegen Gleichgewichtsstörungen nicht.

Doch dieses Problem hat nur eine Randrolle gespielt, solange die

wirtschaftliche Dynamik im ganzen kräftig war. Die Kräftigung der Dynamik

ist daher die beste Versicherung gegen solche Gleichgewichtsstörungen.

Nachdem erprobt ist, dass diese Kräftigung über Geschenke der

Nachfragepolitik nicht gelingt, ist man auf die Angebotspolitik verwiesen.

Das Theorem, nach dem sich das Angebot seine Nachfrage schafft, ist

deshalb so wertvoll, weil es eine Gleichgewichtsverheißung enthält"70.

Nach Überzeugung des Sachverständigenrates waren also nicht die

Sättigungserscheinungen das zentrale Phänomen moderner

Volkswirtschaften. Schlummernde Bedürfnisse gibt es, ganz im Gegenteil,

genug; es gilt nur, diese Bedürfnisse zu erkunden und entsprechende

Waren und Dienstleistungen am Markt anzubieten. Das ist Aufgabe der

dynamischeren Pionierunternehmer.

In Deutschland vollzog sich dieser Konzeptionswechsel der praktischen

Wirtschaftspolitik auf Raten. Die eigentliche Kehre in der Wirtschaftspolitik

hat die Deutsche Bundesbank, wie ausgeführt, im Jahr 1974 mit ihrer

neuen Geldpolitik eingeleitet, der "Phase des monetaristischen Übergangs

zur Angebotspolitik"71. Die von der Bundesregierung betriebene

Wirtschafts- und Finanzpolitik war zu dieser Zeit noch relativ stark vom

Postkeynesianismus geprägt. Mit der Übernahme der

Regierungsverantwortung durch Bundeskanzler Helmut Kohl im Jahr 1982

erfolgte dann auch in der übrigen Wirtschaftspolitik der

Paradigmenwechsel zum neoklassisch angebotsorientierten Muster der

70 Vgl. Sachverständigenrat, 1982, Ziffer 301 71 Vgl. Pätzold, 1998, S.299

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61

Wirtschaftspolitik. Bis zur deutschen Vereinigung im Jahr 1990 wurde der

angebotsorlentierte Kurs relativ konsequent durchgehalten. Die Botschaft

lautete: "Mehr Markt und weniger Staat".

3.3.1.1 Quantitative Konsolidierung

Der Sachverständigenrat vertritt die Auffassung, dass eine neugestaltete

Finanzpolitik eine Reihe von Elementen enthalten muss. So sind

bestehende Budgetdefizite erst zu konsolidieren. Auch die

Staatsausgaben- und Steuerquote müssen auf ein gesellschaftspolitisch

erwünschtes Maß reduziert werden. Hat die Konsolidierung stattgefunden

und ist die Staatsquote verringert, sind die öffentlichen Haushalte

konjunkturneutral zu gestalten, was wiederum bedeutet, dass sich die

Ausgaben- und Steuerentwicklung am Wachstum des

Produktionspotentials orientieren muss. Schließlich ist auch darauf zu

achten, dass die öffentlichen Haushalte wachstumsfreundlicher gestaltet

werden.

3.3.1.2 Inflationsbekämpfung

Die Stabilität der Preise ist Grundlage für eine wachstumsfördernde

Wirtschaftspolitik. Eine strikt am Ziel der Preisniveaustabilität ausgerichtete

Geldpolitik setzt voraus, dass die Geldmenge nicht schneller wächst, als

die reale Produktion gesteigert werden kann. Um die Zentralbankpolitiker

an strengere Regeln zu binden, traten die Monetaristen unter der Führung

Milton Friedmanns sogar für eine verfassungsrechtliche Verankerung der

potentialorientierten Geldpolitik ein. Der Sachverständigenrat ging nicht

ganz so weit; dennoch forderte er eine eindeutige Vorgabe für das

Wachstum der Geldmenge, und zwar in Form eines eng bemessenen

Punktziels. Im Gegensatz dazu peilte die tatsächlich betriebene

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Bundesbankpolitik einen Zielkorridor an. Zudem sollte das Geldmengenziel

nicht nur für ein Jahr, sondern für eine mittelfristige Periode bekannt

gegeben werden.

Es war das erklärte Ziel, die unvermeidliche Inflationsrate – von der

Bundesbank als "normative Preiskomponente"72 – bezeichnete

Inflationsrate möglichst schonend auf Null herunterzusetzen bzw. zu

stabilisieren. Die Berücksichtigung einer unvermeidlichen Inflationsrate und

eines Zielkorridors machen jedoch deutlich, dass das Bundesbankkonzept

keynesianische Elemente enthält, die es ihr ermöglichen, von einem strikt

monetaristischen Kurs abzuweichen.

Die Zielformulierung erfolgte bis 1987 an Hand der Zentralbankgeldmenge;

von 1988 bis 1998, seither ist die EZB für die Geldpolitik verantwortlich,

diente die Geldmenge M3 als Zielgröße. Die Erfolge der Neuen Geldpolitik

sind durchaus ermutigend: Seit 1974 konnte die Inflationsrate von damals

knapp 7 Prozent auf erträgliche Zahlen gesenkt werden. Exemplarisch sei

noch die Entwicklung der Geldmenge M3 in den Jahren vor 1990

angeführt. "Das von der Bundesbank bevorzugte Geldmengenaggregat

M3, das in den vorangegangenen drei Jahren um durchschnittlich 6½ %

gestiegen war, verminderte seinen Anstieg gegenüber dem Vorjahr

schrittweise auf 4%."73

72 Vgl. Deutsche Bundesbank, 1995, S.176 73 Vgl. Gemeinschaft zum Schutz der deutschen Sparer, 1990, S. 19

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Figure 31 Entwicklung der Geldmenge M3

Als Ergebnis der Geldpolitik der Bundesbank kann festgehalten werden,

Geldwertstabilität zu sichern und so für günstige Angebotsbedingungen zu

sorgen. Mit Erfolg, wie die mittlerweile niedrigen Preissteigerungsraten und

niedrigen Zinsen zeigen. Hier zum Vergleich die aktuelle Entwicklung:

Figure 32 Wachstum der Geldmenge M3 in der EWU

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3.3.1.3 Strukturreform

Sozial- und Arbeitsmarktpolitik haben dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit

Rechnung zu tragen. Leistungen sind effizient zu erbringen,

Rationalisierungsreserven zu erschließen und auszuschöpfen. Die

Aufgaben- und Kostenverantwortung soll klar zugewiesen und transparent

gemacht werden.

In der Sozialversicherung ist das Äquivalenzprinzip – Entsprechung von

Beitrag und Leistung – zu stärken. Bei der Bildungs- und

Arbeitsmarktpolitik geht es darum, Leistungsbereitschaft einzufordern und

die Beschäftigungs- und Leistungsfähigkeit der Menschen sicherzustellen.

Effizienz und Qualität der Aus-, Fort- und Weiterbildung sind zu erhöhen,

und der Wettbewerb zwischen den Einrichtungen zu stärken. Statt auf

sinkende Ansprüche wurde auf Leistungsorientierung und Differenzierung

gesetzt. Leistungsstandards wurden festgelegt, Leistungen vergleichbar.

Ein höheres Realeinkommen und Steuererleichterungen, in Form von

Steuersenkungen und Steuervereinfachungen, belohnen die

Leistungsbereitschaft. Dazu war es unabdingbar, dass das Steuersystem

reformiert wurde. Die Änderungen der Ladenöffnungszeiten, der

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, des Kündigungsschutzes, des Arbeits-

, Renten-, Gesundheits- und Arbeitsförderungsrechts würden zur

Modernisierung, Flexibilisierung und Stabilisierung der Wirtschaft und

Sozialsysteme beitragen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen

könnte nicht zuletzt durch diese Maßnahmen maßgeblich verbessert

werden. Auf diesem Wege wurden Arbeitsplätze gesichert und neue

geschaffen. Politik und Tarifvertragsparteien müssen in ihren Bereichen die

Weichen für mehr Arbeistplätze stellen. Die Politik ist verantwortlich für die

Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, wohingegen die

Tarifparteien für die beschäftigungsorientierte Lohnpolitik verantwortlich

sind. Grosses Vorbild für diese Politik waren funktionierende

Erfolgsmodelle anderer Länder, wie etwa in den Niederlanden. Dort wurde

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Anfang der 80er Jahre das Fundament für eine langfristig ausgerichtete

und von Regierungskonstellationen unabhängige Reformpolitik gelegt,

zwischen den Tarifparteien für eine langfristige beschäftigungsorientierte

Lohnpolitik, in der Politik für bessere Rahmenbedingungen zur Stärkung

von Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung.

Die Bundesregierung vor der Ära Kohl war angebotspolitisch viel weniger

konsequent. Was für mehr Wachstum und Beschäftigung, durch die

Ausweitung der Deregulierung und Privatisierung, zu gewinnen war und

tatsächlich gewonnen wurde, ist überlagert worden von

vertrauenschädigenden Versäumnissen in der Sozial- und in der

Finanzpolitik, v.a. die unzureichende Haushaltskonsolidierung und das

Scheitern der Einkommensteuerreform.

3.3.1.4 Privatisierung Teil 1

Wettbewerbsförderungspolitik zielt darauf ab, Marktschranken zu

beseitigen. Weite und wichtige Zweige der deutschen Wirtschaft sind

jedoch vom Wettbewerb ausgeschlossen. Als weitere Maxime der

Angebotspolitik galt es daher, auch diese Ausnahmebereiche des

Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen einer Konkurrenz zu

öffnen. Vor allem neuen innovationsfreudigen und mittelständischen

Unternehmern soll der Zugang zum Markt erleichtert werden. Im Laufe der

Jahre ist ein dichtes Netz staatlicher Regulierungen entstanden, das die

dynamischen Wachstumskräfte, die Beschäftigungsmöglichkeiten und die

internationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft behinderte. Gefordert

wurde die Privatisierung bisher staatlich geführter Bereiche.

Überreglementierung hemmt das Wachstum, beeinträchtigt die

Wettbewerbsfähigkeit und kostet Arbeitsplätze. Eine Volkswirtschaft muss

immer wieder auch darauf durchforstet werden, ob nicht die Möglichkeit

einer Privatisierung besteht.

Es wurde versucht, eine neue Kultur der Vereinfachung des

Rechtssystems und des staatlichen Regelwerkes zu entwickeln, die zur

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Beseitigung unnötiger rechtlicher und verwaltungsmäßiger Vorschriften

führt, so sollten Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung gestärkt werden.

Im Zuge ihrer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik hatte die

Bundesregierung Deregulierungsmaßnahmen auf den Weg gebracht.

Beispiele sind das Beschäftigungsförderungsgesetz vom 26. April 198574,

das mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt schafft und den Abschluss befristeter

Arbeitsverträge ermöglichte, und die Neustrukturierung des Post- und

Fernmeldewesens vom 14. Juni 198975, mit der bestehende

Marktzutrittsbarrieren abgebaut wurden. Hinzu kommen die

Gesetzesnovelle zur Vereinfachung des Baurechts im Baugesetzbuch vom

8. Dezember 198676, die Erleichterung des Börsenzugangs und 1990 die

Einführung der Deutschen Terminbörse77, durch die der deutsche

Finanzplatz gestärkt wurde. Auch der Rückzug des Bundes aus diversen

Industriekonzernen fand seine Würdigung in der wirtschaftspolitischen

Geschichte, so wurden Beteiligungen der VEBA AG (1983/87), VIAG AG

(1986/88), Volkswagen AG (1986/88) und Salzgitter AG (1989)78

vollkommen veräußert, auch wenn die freigesetzten Mittel nicht zur

"Tilgung von Altschulden"79 benutzt wurden.

3.3.2 1990 – 1998 (im Zeichen der Wiedervereinigung)

Nach der Massenflucht von Tausenden DDR-Bürgern,

Massendemonstrationen und dem Fall der Mauer am 9. November 1989

wurde eine Deutsche Einheit greifbar. Die gewählte Koalitionsregierung

74 Quelle Redmark (www.redmark.de/redmark/f/FbeschFG1.html) 75 Quelle Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post

(www.regtp.de/imperia/md/content/aktuelles/publikationen/liberalisierung.pdf) 76 Quelle Baunet Informationsgesellschaft (www.baunet.de/baurecht/htm/baugb.htm) 77 Quelle: FAZ.NET Börsenlexikon (www.boersenlexikon.de/deutterm.htm) 78 Vgl. Sachverständigenrat, 1997, Ziffer 240 79 Ebenda Ziffer 240

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unter der Führung des CDU- Politikers und Ministerpräsidenten Lothar de

Maiziäre verfolgte das Ziel, den Beitritt der DDR zur BRD gemäß Artikel 23

Grundgesetz vorzubereiten. In den folgenden Monaten liefen sowohl

innen- wie auch außenpolitisch die Vorbereitungen und Verhandlungen für

eine Wiedervereinigung auf Hochtouren. Bereits am 18.Mai 1990 wurde

der Vertrag über die Schaffung einer Wirtschafts-, Währungs- und

Sozialunion zwischen der BRD und der DDR unterzeichnet, obgleich viele

Wirtschaftsexperten vor den negativen Folgen für die marode DDR-

Wirtschaft warnten. Die DDR übernahm ab dem 1. Juli 1990 große Teile

der Wirtschafts- und Rechtsordnung der Bundesrepublik, die Deutsche

Mark wurde einziges Zahlungsmittel in der DDR. Damit war die

Eingliederung der DDR in die BRD praktisch vollzogen.

Am 3. Oktober 1990 feierten die Deutschen in Ost und West gemeinsam

die Deutsche Einheit. Am 2. Dezember 1990 wurde mit der ersten

gesamtdeutschen Bundestagswahl der 12. Bundestag gewählt. Natürlich

beherrschte die deutsche Einheit den Wahlkampf, wovon die

Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP profitieren. Am 17.Januar

1990 wählt der Bundestag Helmut Kohl zum ersten gesamtdeutschen

Bundeskanzler. Diese Ereignisse konnten nicht spurlos am

wirtschaftspolitischen Geschehen vorbeiziehen.

3.3.2.1 Die Deutsche Wiedervereinigung

In den übrigen Teilen der Welt fand die lange währende Expansion der

Gesamtwirtschaft allmählich ein Ende. Das war darauf zurückzuführen,

dass die Aufrüstungsinvestitionen allmählich zurückgefahren wurden.80

Dagegen sorgten nachfrageseitige Antriebe, ausgelöst durch die deutsche

Wiedervereinigung, für eine kräftige Anregung der Wirtschaft in den alten

Bundesländern. Diese Impulse entsprangen allerdings einer expansiven

80 Vgl. Sachverständigenrat, 1991, Ziffer 1

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Finanzpolitik, die die Einkommensentwicklung in Ostdeutschland durch

massive Transferleistungen stützte, und führten zu einem Rückgang des

privaten Konsums im Westen Deutschlands, der durch die Einführung des

Solidaritätszuschlages und einer Erhöhung der Mineralölsteuer noch

verstärkt wurde.81

Schon bald wurde offensichtlich, dass die neuen Bundesländer in ihrer

ökonomischen Leistungskraft gegenüber den westlichen weit

hinterherhinkten. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war, dass erst

neue Wirtschaftsstrukturen aufgebaut werden mussten.

Dazu wurde die Privatisierung von Betrieben, welche jahrzehntelang in

staatlicher Obhut ein sorgenfreies Dasein gefristet hatten, vorangetrieben.

Hinzu kam, dass der Installationsprozess von Güter-, Faktor- und

Kapitalmärkten unter harten Wettbewerbsbedingungen noch nicht

abgeschlossen war. Geradezu tödlich wirkte sich der Zusammenbruch der

Handelsbeziehungen zu den ehemaligen Ostblockstaaten auf die

ostdeutsche Exportwirtschaft aus. Betrug das Produktionsvolumen in den

letzten beiden Quartalen von 1990 noch 8,3% des westdeutschen Wertes,

so sank dieser auf 6,7% im zweiten Halbjahr 199182.

Da diese Entwicklung auch in der Folgezeit nicht gestoppt werden konnte,

sind die Auswirkungen bis heute spürbar. Nicht nur in den ehemaligen

Ballungszentren der ostdeutschen Schwerindustrie sind hohe

Arbeitslosenquoten die Regel, ganze Landstriche und Stadteile verwaisten,

weil es die Bewohner in Erwartung einer hoffnungsvolleren Zukunft in den

Westen der Republik zog.

Um die Geldwertstabilität war es zu den Anfangszeiten der

Wiedervereinigung nicht eben gut bestellt, faktisch war die Inflationsrate

81 Ebenda Ziffer 5 82 Ebenda Ziffer 3

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1991 mit 4% so hoch wie seit 1982 nicht mehr83. Dies veranlasste den

Sachverständigenrat zu außerordentlich massiver Kritik.

Auch die Leistungsbilanz geriet aufgrund des massiven Importsogs84 und

der Exportschwierigkeiten erstmals seit 1981 in ein Defizit, was aber

infolge der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nicht anders zu erwarten

und deswegen akzeptabel war.

All diese Ereignisse deuten auf die Notwendigkeit einer angepassten

Wirtschaftspolitik hin. Folgerichtig begehrte der Sachverständigenrat eine

Revidierung und Neuformulierung der Prioritäten. Zusätzlich zur

politischen, sollte so bald wie möglich die wirtschaftliche und soziale

Einheit folgen. Unter wachstumsorientierten Gesichtspunkten sollte der

Staat durch seine Finanzpolitik, welche aber eine stabilitätsgerechte

Geldpolitik ermöglichen muss, günstige steuerliche

Investitionsbedingungen schaffen, die den Ausbau der Infrastruktur in den

neuen Ländern ermöglichte, ohne private Initiative zu verdrängen. Diese

Forderungen wurden zum größten Teil nicht erfüllt.

3.3.2.2 Hohe Staatsquote

Die Staatsquote misst das Verhältnis von Staatsausgaben in der

Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zum

Bruttoinlandsprodukt. Gerechnet wird in nominalen Werten. 1997 betrugen

die Staatsausgaben knapp 1.778 Milliarden DM, das waren 48,8% des

BIP85. Hieraus darf indes nicht der Schluss gezogen werden, der Staat

beanspruche knapp die Hälfte der gesamtwirtschaftlichen Ressourcen.

Denn die Staatsausgaben, die von der Staatsquote erfasst werden, decken

83 Vgl. Sachverständigenrat, 1991, Ziffer 8 84 Ebenda Ziffer 112 85 Quelle: Statistisches Bundesamt – eigene Berechnungen

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weit mehr ab, als die Staatsnachfrage, die auf der Verwendungsseite der

VGR in den Aggregaten Staatsverbrauch und, Investitionen des Staats

verbucht wird. Neben diesen Ausgaben des Staats für Güter und Dienste

gehören zu den gesamten Staatsausgaben die umverteilenden Leistungen

des Staats, also die Transferzahlungen und die Subventionen, sowie der

Zinsaufwand"86.

Die Transfers, die Subventionen und die Zinszahlungen des Staats sind

keine direkten Bestandteile der Entstehungs- und Verwendungsrechnung

der VGR, sondern werden nur indirekt über deren Effekte auf das

verfügbare Einkommen und damit auf die Konsum- und

Investitionsausgaben des privaten Sektors erfasst. Insofern ist die

Staatsquote eine unechte Quote87. Vor diesem Hintergrund leuchtet ein,

dass eine steigende Staatsquote nicht mit einer besseren Versorgung mit

öffentlichen Gütern gleichgesetzt werden darf. Zum einen stellt sich hier

das Problem der Unwirtschaftlichkeit des Staats88. Zum anderen schlägt

die Bereitstellung öffentlicher Güter nur in der Teilmenge "sonstige

Ausgaben"89 zu Buche.

Insofern liegt die wesentliche Aussagekraft der gesamten Staatsquote auf

ordnungspolitischer Ebene: Die Quote erfasst die vom Staat

kassenwirksam kontrollierten gesamtwirtschaftlichen Ströme der

Finanzierung. Die Einflussnahme des Staats ist damit noch nicht

hinreichend umschrieben. Denn der Staatseinfluss kann größer oder

kleiner sein, als es die Staatsquote andeutet90. So müssen beispielsweise

die regulierenden Tätigkeiten des Staats nicht unbedingt ausgabenwirksam

sein.

86 Vgl. Oberhauser, 1975, S. 5 87 Ebenda, S. 5 88 Vgl. Pätzold, 1998, S. 305 89 Vgl. Sachverständigenrat, 2001, Tabelle 30 90 Vgl. Kroker, 1981, S.22

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Bei einer differenzierteren Betrachtung der Staatsquote sollten die

einzelnen Komponenten der Staatsausgaben separat betrachtet werden.

So ist es bei konjunkturellen Fragestellungen angebracht, die Ausgaben für

Güter und Dienstleistungen sowie die Transferleistungen des Staats

getrennt zu beobachten. Dies empfiehlt sich nicht nur deswegen, weil

aufgrund des Haavelmo-Theorem91 Ausgaben und Transfers

unterschiedliche Multiplikatoren haben, sondern auch wegen der völlig

anders gelagerten qualitativen Inhalte der dahinter stehenden

Staatstätigkeit, also Angebot öffentlicher Leistungen einerseits und

Einkommensumverteilung andererseits. Ein getrennter Ausweis der

Ausgabenquote im engeren Sinne und der Umverteilungsquote liegt

nahe92. Die Zinslastquote informiert darüber hinaus über das Ausmaß des

öffentlichen Schuldendrucks und über die Nachhaltigkeit der

Konsolidierungspolitik. Im Folgenden wird die Entwicklung der Staatsquote

dokumentiert.

Figure 33 Entwicklung der Staatsquote von 1960 - 2000

91 Vgl. Pätzold, 1998, S. 150 92 Ebenda, S. 150

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72

3.3.2.3 Privatisierung Teil 2

Vor dem Hintergrund der immer noch überhöhten Staatsquote hielt es die

Bundesregierung für angebracht, angesichts der ehemalig

planwirtschaftlich orientierten Unternehmensstruktur in Ostdeutschland,

sich einer Behörde zu bedienen, die sich exklusiv der Aufgabe widmete,

die maroden Betriebe der ehemaligen DDR zu privatisieren. Der

Sachverständigenrat äußert sich zu den Tätigkeiten der Treuhandanstalt in

seinem Jahresgutachten von 1997/98 auch ausgesprochen positiv93.

Für das übrige Bundesgebiet wurde die Privatisierung weiter verstärkt, zu

nennen ist insbesondere die vollständige Aufgabe von Sondervermögen

des Staates an Bundespost und -bahn, womit ein "effizientes und

modernes Infrastrukturangebot"94 erreicht werden sollte. Es ergab sich

aber auch ein anderes, denn zuletzt wurde im betrachteten Zeitraum

Privatisierung "aufgrund von fiskalischen Zwängen" statt aus

"ordnungspolitischen Erwägungen"95 betrieben.

3.3.2.4 Verfehlte Lohnpolitik

Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist, zahlreichen empirischen

Untersuchungen zufolge, ganz überwiegend keine konjunkturbedingte

Arbeitslosigkeit. Die Hauptursachen sind struktureller Natur, die sich in

viele Teilaspekte zerlegen lassen. Besonders schwer wiegt, dass der

Prozess der Lohnfindung, die institutionellen Regelungen des

Arbeitsmarktes sowie die berufliche Mobilität der Arbeitnehmer und die

Formen der Ausbildung und Weiterbildung nicht zu den Erfordernissen des

93 Vgl. Sachverständigenrat 1997, Ziffer 246 94 Ebenda, Ziffer 246 95 Sachverständigenrat 1997, Ziffer 246

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wachstumsnotwendigen Strukturwandels im globalen Wettbewerb passen.

Diese Komponenten beschränken erheblich den Anwendungsbereich einer

nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik.

Überhaupt nicht im Sinne der Konzeption einer angebotsorientierten

Wirtschaftspolitik haben sich die Tarifvertragsparteien verhalten. Die

Lohnabschlüsse in den Jahren 1991 und 1992, dann erneut im Jahre 1995

und generell in Ostdeutschland, haben in Deutschland Arbeit, die im

internationalen Vergleich ohnehin schon teuer war, noch mehr verteuert;

das Versagen der Tarifautonomie ist für die desolate Lage am Arbeitsmarkt

unmittelbar verantwortlich. Der Anstieg der Verdienste auf Stundenbasis

betrug zu Beginn des berücksichtigten Zeitraums in den alten

Bundesländern im Jahresmittel 6%, die der Sozialbeiträge 1,7%96.

3.3.3 1998 – 2003

Im letzten betrachteten Zeitraum ergab sich noch einmal ein

durchgreifender Wandel. Die 16-jährige Regierungszeit der CDU/FDP-

Koalitionsregierung fand in der Wahl zum Bundestag 1998 ein Ende. Die

neue Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte sich den

Herausforderungen verfehlter Arbeitsmarktpolitik stellen und sich an ihr

messen lassen. Das Bündnis 90/Die Grünen beteiligte sich dabei zum

ersten Mal an der Regierung, was nicht zuletzt in der ökologischen Agenda

spürbar wurde. Maßnahmen, wie die Einführung der "Ökosteuer“ und der

geplante Ausstieg aus der Kernkraft sorgten für mächtig Zündstoff und

belasteten die Bürger zunehmend.

In der Regierungszeit Schröder liegt aber auch das Jahr 2000, in dem die

Hoffnung auf gute Zeiten wieder genährt wurde. In der Regierungszeit

Schröder liegt aber auch das Jahr 2001, ein Jahr, in dem diese Hoffnung in

96 Ebenda, Ziffer 246

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den Trümmern des World Trade Centers begraben wurde. Mit dieser Fülle

von Gegensätzen hatte auch die Wirtschaftspolitik zu kämpfen, ein

eindeutiges Konzept zu finden. Viele Ziele wurden dabei (noch) nicht

erreicht, werden aber auch, wie die jüngste Entwicklung der

Arbeitslosenzahlen deutlich zeigt, weiterhin verfehlt bleiben.

Beispielgebend für die Entwicklung soll die Darstellung der zwei – aus

deutscher Sicht – wichtigsten Wertpapierindizes stehen97, spiegeln sie

doch recht anschaulich die Wirtschaftliche Lage von 1999 - 2002 wider.

Dem unerwarteten Boom folgte ebenso plötzlich eine unerwartet rezessive

Phase, auch wenn der Absturz der Indizes im Jahre 2001 eher auf ein

weltpolltisches Ereignis, denn auf die tatsächliche ökonomische

Entwicklung zurückzuführen ist.

Figure 34 Deutscher Aktienindex 1999 - 2002

97 Quelle Finanztreff, www.finanztreff.de

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Figure 35 Dow-Jones Index 1999 - 2002

Viele Analysten sind aber der Auffassung, dass, auch ohne die Anschläge

von New York, der rasante Anstieg der Aktienkurse spätestens 2001 sein

Ende gefunden hätte, da die Werte zu überzeichnet waren. Aber selbst

führende Wirtschaftsinstitute schätzten die Entwicklung für das Jahr 2001

falsch ein, so mussten die Prognosen über das Wirtschaftswachstum nicht

nur einmal zurückgenommen werden und von den angekündigten 2,7%

blieben letztendlich 0,6% bestehen98.

3.3.3.1 Neue Ökonomie

Die Zukunftsaussichten schienen im Jahre 2000 derart rosig zu sein, dass

sich sogar der Sachverständigenrat dazu hinreißen ließ, der "New

Economy'" beinahe so etwas wie ein Denkmal zu setzen99. Der technische

98 Quelle: Statistisches Bundesamt: www.destatis.de/basis/d/vgr/vgrgraf1.htm 99 Vgl. Sachverständigenrat, 200, Ziffer 198ff.

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Fortschritt der Informations- und Kommunikationstechnologie wurde als

Zugpferd auserkoren, mit der Hoffnung, dass der Wachstumspfad des

Produktionspotentials als Folge permanent gestiegener Zuwachsraten der

Produktivität dauerhaft höher liegen konnte"100 . Das große Vorbild war

dabei wie so oft die USA, in der seit ungefähr zehn Jahren ein dauerhafter

konjunktureller Aufwind zu verspüren war. Kennzeichnend für diese

Entwicklung war der Aufbau von Netzwerken als Grundlage weiterer

Wachstumspotentiale. Hauptbestandteil des Netzwerks ist hierbei das

Internet, zugleich Paradigma und Motor; seine Medien, besonders Email,

Newsgroups und natürlich das World Wide Web, sind nahezu

unentbehrliche Medium des Netzwerklebens.

Ausgangspunkt der Überlegungen des Sachverständigenrates war die

ihrer Ansicht nach rückständige Entwicklung der Neuen Ökonomie in

Deutschland, wobei die tatsächliche Lage aufgrund fehlenden statischen

Datenmaterials schwer eingeschätzt werden konnte101. Sicher war man

sich bei der Formulierung der Rahmenbedingungen, die auf

angebotstheoretischen Füssen standen. So sollte ein

investitionsfreundliches Umfeld geschaffen und die Deregulierung weiter

vorangetrieben werden102. Der einsetzende Boom an den Aktienmärkten

verhalf jungen innovativen Unternehmen zum nötigen Startkapital,

bedeutete aber in der weiteren Entwicklung auch deren Ende. Eine

steuerliche Bevorzugung von Mitarbeiteraktien, die eine stärkere Bindung

des Personals an die jungen Unternehmen garantieren, wird hingegen aus

steuersystematischen und fiskalischen Gründen abgelehnte.103

Als Resümee bleibt die Erkenntnis, dass der Sachverständigenrat in der

Neuen Ökonomie eine Chance sah, die alten Forderungen der

angebotsorientierten Schule, wie die Aufweichung fester Strukturen,

100 Ebenda, Ziffer 198 101 Vgl. Sachverständigenrat, 2000, Ziffer 206 102 Ebenda, Ziffer 212 103 Ebenda, Ziffer 217

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Deregulierung und Privatisierung, in die Tat umzusetzen. Ein Jahr später

wurde diese Möglichkeit schon von der Realität eingeholt.

3.3.3.2 Zusammenbruch der neuen Ökonomie

Figure 36 Wirtschaftswachstum 1992 - 2001

Biodata, EMTV, Intershop, Elsa - die Liste der Unternehmenspleiten ist

lang. Bereits 2001 beschäftigte sich der Sachverständigenrat wieder mit

der Neuen Ökonomie, diesmal allerdings mit ihren Schattenseiten104. In

diesem Exkurs wird die Klassifikation der Potentiale sehr viel nüchterner

und aufgeklärter betrachtet. Im Blickfeld der Betrachtung stand dabei, wie

auch schon ein Jahr zuvor, die Entwicklung der Produktivitätssteigerung.

Diese hatte sich in den USA in den vergangenen Jahren erheblich

beschleunigt, wobei diese Akzeleration gemäß verschiedener Studien nicht

auf konjunkturzyklische Entwicklungen zurückzuführen ist.

104 Vgl. Sachverständigenrat, 2001, Ziffer 56

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78

"Gemäß einer Studie der Federal Reserve Bank of New York vom Januar

2001 hatte sich die Produktivitätsentwicklung im Aufschwung der letzten

Jahre erst in einem relativ späten Stadium beschleunigt, während zuvor die

größten Produktivitätszuwächse unmittelbar nach einer Rezession

aufgetreten waren. Letzteres entspricht dem üblichen konjunkturellen

Muster und erklärt sich durch Verzögerungen in der Anpassung des

Einsatzes der Produktionsfaktoren an die veränderten konjunkturellen

Bedingungen."105

Ein Strukturelement der angebotsorientierten Philosophie war allerdings

stark gefährdet, die Investitionen. Da diese als unabdingbare

Grundvoraussetzung für eine wachstumsorientierte Wirtschaft gelten,

stimmt ihr Rückgang, in Verbindung mit den konstanten relativen Preisen

der IT, sehr nachdenklich. Die Neue Ökonomie hat mit sich selbst und

ihrem Mythos zu kämpfen, die hohen Erwartungen wurden nicht erfüllt.

Andererseits deutete auch nichts darauf hin, dass die jüngste Entwicklung

Vorzeichen einer längerfristigen Abschwungphase darstellt. Gelänge es,

die Fortschritte der Vergangenheit unter Ausnutzung der geschaffenen

Strukturen zu konsolidieren, bliebe die Rezession ein vorübergehendes

Phänomen. Der Sachverständigenrat jedenfalls blieb optimistisch, dass

eine weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen die bereits

begonnene Entwicklung zu höheren Wachstumspfaden fortführen kann106.

3.3.4 Aktuelle Bewertung

Wie sollte nun angesichts der aktuellen Entwicklungen des

Wohlfahrtstaates in der BRD Konjunkturpolitik betrieben werden? Mit mehr

Intervention oder weniger? Mit mehr Markt und weniger Staat?

105 Sachverständigenrat, 2001, Ziffer 57 106 Ebende Ziffer 59

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Arne Heise versucht mit einigen Mythen und vermeintlichen Sachzwängen

aufzuräumen. Beispielsweise skizziert er anhand Wachstum,

Arbeitslosigkeit und Neuverschuldung107, dass Deutschland keineswegs

der kranke Mann Europas ist. Damit widerspricht er dem Jahresgutachten

des Sachverständigenrates von 2003.

Globale Zwänge wie die Flucht des Geldes und die Verbilligung der Arbeit

mögen ihr übriges tun und doch warnt Heise mit folgendem Zitat von Paul

Krugmann: „..dass es unsinnig, ja eine gefährliche Begierde ist, von der

Wettbewerbsfähigkeit ganzer Volkswirtschaften zu sprechen.“108 Die

Begründung dafür ist nicht ganz einleuchtend, da, so Heise, eine

Volkswirtschaft nicht bankrott gehen kann. Wie wir allerdings aus der

Deutschen Geschichte und auch aus der jüngeren Entwicklung in

Argentinien wissen, kann eine Volkswirtschaft durchaus zahlungsunfähig

werden.

In einem weiteren Punkt betritt Heise einen doppelten Boden und zwar im

Bereich der Staatsausgaben. Dieter Vesper mahnt : „Das

Investitionsvolumen der öffentlichen Hand hat ein besorgniserregend

niedriges Niveau erreicht. Inzwischen investieren Bund, Länder und

Gemeinden nur noch 1,8% des nominalen Bruttoinlandproduktes

nachdem in den 60er Jahren die Quote noch bei 5% gelegen hatte.“109

Wenn die Kommunen den Sparkurs verlassen erhöhen sie die

Verschuldung und erreichen so sicher keine konsolidierten Haushalte.

Somit erhöhen sich auch die Zinsausgaben und zudem die Strafzahlungen

bei der Überschreitung der Maastrichtkriterien.

107 vgl. Heise 2003, S. 58ff. 108 Ebenda S.33 109 Ebende S.154

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Die derzeitige Konjunkturelle Gesamtsituation in der BRD spitzt sich wie

folgt zu:

Figure 37 Wirtschaftliche Eckdaten für die BRD 2004

„Im Gefolge der gedrückten konjunkturellen Entwicklung verschlechtert

sich die ohnehin bereits prekäre Lage auf dem Arbeitsmarkt weiter. Im

Jahresdurchschnitt 2002 sind 4,06 Millionen Personen als arbeitslos

registriert, weitere 1,74 Millionen sind ohne reguläre Erwerbsarbeit und nur

aufgrund staatlicher Intervention nicht als arbeitslos registriert. Gleichzeitig

laufen die öffentlichen Haushalte aus dem Ruder. Das staatliche Defizit

überschreitet die im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegte

Obergrenze zum nominalen Bruttoinlandsprodukt um ganze 0,7%.“110

Die angespannte Haushaltslage ist nicht nur eine Folge der schlechten

Konjunktur, sondern auch unzureichender Konsolidierungsanstrengungen

der vergangenen Jahre. Die Versäumnisse der Vergangenheit und nicht

110 Pressemitteilung zum Jahresgutachten 2002/2003, S. 1

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der Stabilitäts und Wachstumspakt sind dafür verantwortlich, dass nun

kaum finanzpolitischer Spielraum besteht. Der Sachverständigenrat hält

ein Aufweichen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes auf Kosten der

Geldstabilität für falsch und schlägt der Regierung statt dessen einen 20-

Punkte-Plan vor, der über das Hartz-Konzept weit hinausgeht.

Dieses Konzept setzt eindeutig bei einer Umstrukturierung und

Flexibilisierung des Arbeitsmarktes an. Die Vorschläge des

Sachverständigenrates werden im Jahr 2003 noch um die eindringliche

Forderung der Reform des Steuersystems ergänzt.

Die Deutsche Volkswirtschaft konnte sich auch im Jahr 2003 nicht aus der

Stagnation lösen. Eine unverändert kraftlose Binnennachfrage und eine

Eintrübung des weltwirtschaftlichen Umfelds führte im Jahresdurchschnitt

zu einem stagnierten BIP.

Im Jahr 2003 hat die Bundesregierung laut dem Jahresgutachten des

Sachverständigenrates vor allem auf dem Arbeitsmarkt eine Reihe mutiger

und beherzter Reformen auf den Weg gebracht, die mehr darstellen als nur

ein Schritt in die richtige Richtung. Trotzdem sind in den Bereichen

Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe und im Bereich des

Kündigungsschutzes Nachbesserungen erforderlich.

Erhebliche Sorge bereitet im Jahr 2003 die Entwicklung der öffentlichen

Haushalte. Mit einem staatlichen Defizit von 4,1 von Hundert in Relation

zum nominalen BIP wurde auch in diesem Jahr die Vorgabe des

Stabilitäts- und Wachstumspaktes verletzt. Ein erneutes Überschreiten der

Defizitgrenze ist zu erwarten und für das Folgejahr angekündigt. Hier wird

die Demontage des Paktes riskiert .

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Im Bereich des Steuersystems bestehen erhebliche Defizite . Das

Deutsche Einkommenssteuerrecht wird zunehmend als chaotisch

wahrgenommen.

Der Verlauf des Dow Jones Index macht deutlich, dass Deutschland mit

seiner wirtschaftlichen Entwicklung im Bereich der wachstumsrelevanten

Einflussfaktoren nicht alleine war.

Figure 38 Unternehmensbewertungen und Konjunkturindikatoren in der EWU

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Die Zahl der Insolvenzen spricht zudem eine überaus deutliche Sprache:

Figure 39 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland

Die hier angeführte Schätzung wurde im Jahr 2003 sogar übertroffen.

Über Fehler, die im Vergangenen liegen, lässt sich urteilen, in der

Gegenwart wird gelerntes angewandt, für die Zukunft lassen sich

Vorbereitungen treffen. Und was einmal in der Geschichte richtig war,

muss nicht immer so bleiben.

Anhand dieses Gemeinplatzes lässt sich der Output wie in Kapitel 3.3.4

Aktuelle Bewertung in Augenschein nehmen. Egal wie der

Umsetzungsgrad bezüglich Empfehlungen von Wirtschaftsfachleuten im

Wirrwarr der Politik, mit ihren Mehrheitsverhältnissen und Lobbyverbänden

auch leiden mag, lässt sich eine Bewertung anstellen. Die Messung dieses

Verlustes ist nicht Thema dieser Arbeit. Der weite Wege politischer

Vernunft und Theorie in die beschwerliche politische Realität und somit die

Empirie ist dem Autor allerdings durchaus bewusst.

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Eine Bewertung der Ära Kohl beispielsweise von Göttrik Wöwer111 zu

folgenden Punkten, kommt einer standrechtlichen Erschiessung gleich:

• Arbeitslosenquote 12,5% (1997) 10,5% (2003)

• Reales Wirtschaftswachstum 1,4%(1990-97 Durchschnitt)

–0,1%(2003)

• Inflation 2,2% (1990-1998 Durchschnitt)

• Steigerung der Verbraucherpreise 1,8% (1998) 1,0%(2003)

• Produktivität 2,5% (1996) +0,8 (2003)

• Öffentliche Verschuldung (siehe folgende Grafik)

Figure 40 Öffentliche Verschuldung BRD 1951 - 2003 in % des BIP

Anhand der aktuellen Zahlen relativiert sich dieses Urteil doch recht

beträchtlich, wenn man die folgenden Entwicklungen auf sich wirken lässt.

111 Göttrik Wewer, 1998, S23

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Folgende Grafik veranschaulicht abschliessend die Entwicklung der

wirtschaftlichen Situation in der BRD seit 2000:

Figure 41 Grunddaten zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland 2003

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Nach mehr als vier Jahren Erfahrungen mit der einheitlichen Geldpolitik

überprüfte die Europäische Zentralbank zum Beginn des Jahres 2003 ihre

geldpolitische Strategie und nahm eine Reihe sinnvoller Anpassungen vor.

Ein Resultat der Strategieüberprüfung ist die Konkretisierung der Definition

von Preisniveaustabilität. Hierunter versteht die Europäische Zentralbank

nunmehr einen Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex in der

mittleren Frist von „unter, aber nahe 2 vH“ gegenüber dem Vorjahr. Die

neue Festlegung soll stärker als früher neben den Inflationsgefahren auch

vor Deflationsrisiken schützen, mögliche statistische Messfehler bei der

Verbraucherpreisentwicklung berücksichtigen und die Heterogenität der

Inflationsraten im Euro-Raum angemessen reflektieren. Dies ist positiv zu

werten, jedoch hätte eine genauere numerische Festlegung des

Inflationsziels und des geldpolitischen Entscheidungshorizonts zu mehr

Transparenz beigetragen.

Ein zweites Ergebnis der Strategieprüfung ist die Umstrukturierung und

Neugewichtung der beiden Säulen der Strategie. Die konzeptionell richtige

Klärung der Rolle breiter Geldmengenaggregate ist zu begrüßen, ebenso

wie die weniger prominente Rolle der Geldmenge. Konsequenter wäre es

jedoch gewesen, die beiden Säulen der geldpolitischen Strategie zu

verschmelzen. Auch sollte die Europäische Zentralbank klarer

herausarbeiten, welche Informationen sie aus den verschiedenen

Indikatoren der wirtschaftlichen und monetären Analyse zieht, wie sie diese

Informationen kombiniert und wechselseitig überprüft und wie daraus ein

entscheidungsrelevantes und widerspruchsfreies Bild über die

Wirtschaftslage im Euro-Raum entsteht.112

112 Vgl. Bericht des Sachverständigenrates 2003 - Geldpolitik: Revision der

geldpolitischen Strategie (Ziffern 719 ff.)

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4. Resümee

Niklas Luhmann fasst alle soziale Realität als eine mögliche

Problemlösung auf. Wenn also lange genug geforscht wird, so erkennt

man hinter jeder Massnahme und Institution eine Antwort auf ein Problem,

bis das System sich erneut ändert. Die geschilderten Problemlösungen

sind in dieser Weise zu verstehen.

Das theoretische Resümee und somit die aktuelle makroökonomische

theoretische Diskussion lässt sich mit folgenden Schlussfolgerungen

skizzieren113:

1. Die Politik realer Konjunkturzyklen liefert eine alternative Erklärung

für die gesamtwirtschaftlichen Schwankungen. Sie wendet die

Annahme des klassischen Modells, einschliesslich der Flexibilität

von Löhnen und Preisen auf die kurze Frist an. Nach dieser Theorie

stellen wirtschaftliche Schwankungen die natürliche und effiziente

Reaktion der Wirtschaft auf veränderte Randbedingungen dar.

2. Befürworter und Kritiker der Theorie realer Konjunkturzyklen sind

sich uneinig darüber, ob Beschäftigungsschwankungen Ausdruck

einer intertemporalen Substitution der Arbeit sind, ob der größte Teil

der gesamtwirtschaftlichen Schwankungen durch technologische

Schocks hervorgerufen wird, ob die Geldpolitik Wirkungen auf die

realen Größen hat und ob die kurzfristige Starrheit von Löhnen und

Preisen von Konjunkturschwankungen wichtig ist.

3. Die Neukeynesianische Forschung versucht, durch

mikroökonomische Fundierung von kurzfristigen Lohn- und

Preisstarrheiten eine bessere Erklärung des Gesamtangebots zu

liefern. Ein neukeynesianischer Ansatz zeigt, dass aufgrund von

Gesamtnachfrageexternalitäten selbst geringfügige Kosten der

Preisanpassung grosse Makroökonomische Wirkungen haben

113 Vgl. Mankiw, 2003 S.577

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können. Ein anderer Ansatz demonstriert, dass Rezessionen das

Ergebniss von Koordinationsversagen sein können. Ein dritter

Ansatz zeigt, dass gestaffelte Preissetzung die Trägheit des

allgemeinen Preisniveaus verstärkt.

Anhand externer globaler Schocks und in Anbetracht der großen Zyklen

der Weltkonjunktur ließ sich in dieser Arbeit zeigen, in welcher Weise eine

exportorientierte Wirtschaft von diesen Einflüssen abhängig ist. Damit lässt

sich mit folgender Tabelle die Konjunkturpolitik einordnen:

Mit der Etikettierung des Theoriebegriffes, der seit 1998 zur Anwendung

kommt bin ich mir an dieser Stelle nicht sicher, da neuere Diskussionen

verschiedene Bezeichnungen dazu einsetzen. Die diesbezügliche Debatte

um den Dritten Weg, von Günther Sander als Konstruktiver Pragmatismus

bezeichnet, wird in dem Buch Neu-Keynesianismus – der neue

wirtschaftspolitische Mainstream? (Metropolis Verlag 2003) von Hein,

Heise und Truger zusammengetragen und diskutiert.

Phase Regierung Theorie Politische Randbedingungen

1967-69 CDU / FDP Ordoliberalismus Ölkrise und erster Schock der

Nachkriegszeit (Bretton Woods)

Stagflation

1969-73 SPD / FDP Neoklassische Synthese 2. Ölkrise, Rezession

1973-82 SPD / FDP Neuklassische

Ökonomie

Rezession am Ende dieser Ära, =>

Regierungswechsel durch Koalitionsbruch

1982-89 CDU / FDP Angebotsorientierte

Wirtschaftspolitik

Konsolidierung und Aufschwung, Expansion der Wirtschaft

1990-98 CDU / FDP Angebotsorientierte

Wirtschaftspolitik

Sondersituation Wiedervereinigung

1998-2003 SPD / Grüne unscharf:

Neukeynesianismus und

„der Dritte Weg“

New Economie und Börsensturz

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Es lässt sich nach der Bearbeitung dieses Themas festhalten, dass die

Schaffung eines unabhängigen Gremiums zur Beurteilung der

gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Verquickung der

Wirtschaftswissenschaften mit der Politik, erfolgreich war. Die Methoden

wurden im Laufe der Zeit immer weiter verfeinert, die tatsächlichen

Vorgänge immer mehr durchschaut, Fehlentwicklungen angeprangert.

Nicht zuletzt durch das Engagement des Sachverständigenrates wurden

Reformen umgesetzt und Richtungswechsel in der Wirtschaftspolitik

eingeleitet. Die Mängel in der neoklassischen Synthese wurden so erkannt

und beseitigt. Ihr folgte eine Politik der Verstetigung, welche schon bald

vom angebotsorientierten Denken abgelöst wurde. Letzteres stellt wohl die

höchsten Erwartungen an die Menschen in dieser Gesellschaft, bietet

ihnen aber auch am meisten. Darüber hinaus wurde für die nötige

Anpassungsdynamik gesorgt.

Die Situation der Wirtschaft gibt Anlass zur Sorge, obwohl jüngste

Anzeichen auf eine Erholung hindeuten. Die Konsolidierung ist zwar voll im

Gange, strukturelle Defizite gerade im Bereich des Steuersystems, den

sozialen Sicherungssystemen und auf dem Arbeitsmarkt sind nicht

ausgeräumt.

Welche Wirtschaftspolitik ist in Zukunft geeignet um die Voraussetzungen

für stabile politische Verhältnisse zu schaffen? In einer Welt der

Globalisierung, deren wirtschaftliche Entwicklung maßgeblich vom

politischen Status quo beeinflusst wird, in der die psychologische

Verfassung der Wirtschaftssubjekte erheblichen Einfluss auf deren

Handlungsmuster ausübt, scheitern allzuoft die abstrakt-theoretischen

Erklärungsversuche an der Realität. Die Universaltheorie für

wirtschaftliches Handeln wird es nicht geben.

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Der Nutzen dieser Arbeit, mag er auch noch so bescheiden sein, stellt

einige Punkte der wirtschaftstheoretischen Auseinandersetzung dar, als da

wären:

• Die Interpretation des Arbeitsmarktes: Spiegeln Schwankungen in

der Beschäftigung Änderungen des Arbeitsangebotes wieder?

• Die Bedeutung von (technologischen oder politischen) Schocks:

Unterliegt die Produktionsfunktion einer Wirtschaft kurzfristig großen

exogenen Verschiebungen?

• Die Neutralität des Geldes: Haben Änderungen des Geldangebotes

nur nominale Wirkungen?

• Die Flexibilität von Löhnen und Preisen: Passen sich Löhne und

Preise so schnell und vollständig an, dass Angebot und Nachfrage

im Gleichgewicht sind?

Wir haben gesehen, dass gesamtwirtschaftliche Schwankungen sich nicht

immer so gut verstehen und erklären lassen, und sowohl Erklärungen wie

Massnahmen hängen eben ab von den Annahmen, die wir über

Markträumung und Preisregulierung machen. Sind Lohn und

Preisstarrheiten ein Schlüssel für das Verstehen der Ursachen

gesamtwirtschaftlicher Schwankungen? Dies sind nur einige wenige Frage,

die noch zu klären sein werden.

Auf der politischen Seite wäre es wünschenswert, wenn die jetzige

Bundesregierung die Zahlen des Jahresberichtes des

Sachverständigenrates auch tatsächlich als das Ergebniss ihrer Arbeit

auffassen würde, anstatt sich mit dem Schönreden einer höchst

besorgniserregenden Entwicklung zu begnügen.

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5. Anhang

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5.2 Abbildungen Figure 1 Geldströme und relevante Märkte In der geschlossenen Volkswirtschaft............. 9 Figure 2 Geschlossene Volkswirtschaft mit staatlicher Aktivität........................................ 10 Figure 3 Kategorien der Sozialproduktsberechnung ......................................................... 11 Figure 4 Bruttowertschöpfung & Verwendung des Bruttoinlandsprodukts ........................ 12 Figure 5 Verteilung des Sozialprodukts ............................................................................. 12 Figure 6 Arbeits- und Gütermarkt im Gleichgewicht .......................................................... 16 Figure 7 Kapitalmarkt im Gleichgewicht ............................................................................ 16 Figure 8 Der Multiplikatorprozess ...................................................................................... 18 Figure 9 Das IS/LM-Modell ................................................................................................ 19 Figure 10 Keynesianischer Arbeits-, Güter- und Kapitalmarkt .......................................... 21 Figure 11 Originäre Phillipskurve....................................................................................... 23 Figure 12 Modifizierte Phillipskurve ................................................................................... 23 Figure 13 Lang- versus kurzfristige Phillipskurve .............................................................. 25 Figure 14 Arbeitsmarkt im Gleichgewicht .......................................................................... 26 Figure 15 NAIRU Akzelerationstheorem............................................................................ 27 Figure 16 Relation Arbeitslosigkeit und Intflation............................................................... 28 Figure 17 Arbeitslosenzahlen 1950 - 2000 ....................................................................... 30 Figure 18 Entwicklung der Inflationsrate 1950 - 2000 ...................................................... 31 Figure 19 Phillipskurve fur dieBundesrepublik Deutschland ............................................. 34 Figure 20 Der Konjunkturzyklus......................................................................................... 36 Figure 21 Die BP-Kurve ..................................................................................................... 40 Figure 22 Das Mundell-Flemming-Modell .......................................................................... 40 Figure 23 Fiskalpolitik bei festen Wechselkursen.............................................................. 41 Figure 24 Geldpolitik bei festen Wechselkursen................................................................ 42 Figure 25 Erwartete Fiskalpolitik........................................................................................ 50 Figure 26 Erwartete Geldpolitik.......................................................................................... 50 Figure 27 Überraschende Fiskalpolitik .............................................................................. 51 Figure 28 Überraschende Geldpolitik ................................................................................ 52 Figure 29 Expansive Politik 1978 - 1980 ........................................................................... 54 Figure 30 Komponenten der Geldmenge .......................................................................... 56 Figure 31 Entwicklung der Geldmenge M3........................................................................ 63 Figure 32 Wachstum der Geldmenge M3 in der EWU ...................................................... 63 Figure 33 Entwicklung der Staatsquote von 1960 - 2000.................................................. 71 Figure 34 Deutscher Aktienindex 1999 - 2002 .................................................................. 74 Figure 35 Dow-Jones Index 1999 - 2002........................................................................... 75 Figure 36 Wirtschaftswachstum 1992 - 2001 .................................................................... 77 Figure 37 Wirtschaftliche Eckdaten für die BRD 2004 ...................................................... 80

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Figure 38 Unternehmensbewertungen und Konjunkturindikatoren in der EWU................ 82 Figure 39 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ....................................................... 83 Figure 40 Öffentliche Verschuldung BRD 1951 - 2003 in % des BIP................................ 84 Figure 42 Grunddaten zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland 2003.......................... 85

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5.3 Eidestattliche Erklärung

Hiermit versichere ich an Eides statt, dass die vorliegende Arbeit,

selbständig, ohne fremde Hilfe und ohne Benutzung anderer als der

angegebenen Quellen angefertigt wurde.

Alle Ausführungen die wörtlich oder sinngemäß übernommen wurden, sind

als solche gekennzeichnet.

Tübingen, den 15.Juni 2004

Joachim Wolfgang Walliser