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Arthroskopie 2014 · 27:21–25 DOI 10.1007/s00142-013-0794-4 Online publiziert: 18. Dezember 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 M. Joneleit · U. König Gemeinschaftspraxis in der Ortho-Klinik Rhein-Main, Offenbach am Main Konservative Therapiemöglichkeiten  der irreparablen Rotatorenman- schettenmassenruptur Die Ruptur der Rotatorenmanschette ist eine häufig vorkommende Ursa- che für Schmerzen in der Schulter. Die Prävalenz steigt mit dem Lebensalter [19]. Nur ein Teil dieser Läsionen wird symptomatisch [23]. Die typischen Symptome sind Schmerzen und Funk- tionseinschränkungen. Die Ausprä- gung der Symptome lässt keinen Rückschluss auf die Größe der Ruptur zu [24]. Unbehandelt gibt es eine Ten- denz der Größenzunahme der Ruptu- ren bis hin zur irreparablen Massen- ruptur. In diesen Fällen kann ein kon- servativer Therapieansatz gewählt werden. Von einer Massenruptur der Rotatoren- manschette spricht man, wenn der Defekt sich über eine Distanz von über 5 cm von anterior nach posterior zieht. Es sind min- destens 2 Sehnen betroffen [5]. Im ausge- prägten Zustand findet sich eine Konti- nuitätsunterbrechung aller Sehnen der Rotatorenmanschette. Eine Massenruptur kann chronisch als fortschreitende Läsion auf dem Boden einer 2-Sehnen-Ruptur (anterosuperiore oder posterosuperiore Ruptur) entstehen oder traumatisch be- dingt sein (z. B. bei Schulterluxation). »   Bei einer Massenruptur sind  mindestens 2 Sehnen betroffen Die klinische Symptomatik kann sehr unterschiedlich ausfallen. Bei einem Teil der Patienten mit einer Rotatorenman- schettenmassenruptur bestehen nur ge- ringe Schmerzen und ein geringer Funk- tionsverlust. Andere Patienten haben deutliche Schmerzen mit einem großen Funktionsverlust bis hin zur Pseudopara- lyse [4]. Funktionell am bedeutendsten ist ein Ausfall des M. subscapularis (bei anterosuperioren Massenrupturen) oder des M. teres minor (bei posterosuperioren Massenrupturen). Prognostisch ungüns- tige Faktoren für eine operative Therapie sind das Hochtreten des Humeruskopfes mit Verminderung des akromiohume- ralen Abstands, weite Sehnenretraktion (. Abb. 1), Muskelatrophie sowie fettige Degeneration (. Abb. 2; [20]). Etwa 30% der Massenrupturen werden als irreparabel angesehen [21]. In diesen Fällen besteht die Indikation zur konser- vativen Therapie. Konservative Therapie Verschiedene Faktoren lassen eine Rot- atorenmanschettenruptur symptoma- tisch werden. Einige davon sind konser- vativ beeinflussbar (z. B. skapulothoraka- le Dyskinesie), andere nicht (z. B. Rup- turgröße). Ein konservativer Therapie- ansatz ist besonders für Patienten geeig- net, bei denen vorwiegend beeinflussba- re Ursachen für die Beschwerden vorlie- gen [7]. Gute Ergebnisse werden v. a. bei niedrigen Stadien der Defektarthropa- thie erzielt (Stadium 1 und 2 nach Hama- da; . Abb. 3). Häufigster Anlass einer Arztkonsul- tation ist der Schmerz (fast 99% der Fäl- le; [8]). Schmerzen führen zu Funktions- einschränkungen. Es konnte gezeigt wer- den, dass Injektionen von Lokalanästhe- tika in die subakromiale Bursa die Funk- tion der Schulter durch reine Schmerzlin- derung verbessern konnten. Dieser Effekt war unabhängig von der Defektgröße [9]. Die Schmerzreduktion sollte das primäre Ziel der konservativen Therapie sein [8]. Nach adäquater Schmerzreduktion erfolgt dann die funktionelle Therapie. Die bes- ten Ergebnisse liefert die Kombination aus Schmerztherapie und funktioneller The- rapie [1]. Schmerztherapie Um die geeigneten Maßnahmen zur Schmerzreduktion zu finden, muss zwi- schen akutem Schmerz und chronischem Schmerz unterschieden werden. Zum Einsatz kommen orale Medikamente wie Nichtopioide (z. B. NSAR, COX-2-Inhibi- toren, Paracetamol) und Opioide, Infiltra- tionsbehandlungen mit Lokalanästhetika und Kortikosteroiden sowie physikali- sche Maßnahmen (z. B. Stoßwellenthera- pie, Ultraschalltherapie, Elektrotherapie, Akupunktur etc.). Perorale Schmerztherapie Die medikamentöse Schmerztherapie orientiert sich am WHO-Stufenschema, wobei sich die Schmerzmittelgabe nach der vom Patienten geäußerten Schmerz- intensität richtet (VAS; . Tab. 1). Der Einsatz von Stufe-I-Medikamen- ten ist bei moderaten (VAS <30%), nicht- chronifizierten Schmerzen indiziert. Vor- rangig sind in dieser Gruppe Paracetamol, Metamizol, NSAR (Diclofenac, Ibuprofen) und Cox-2-Inhibitoren zu nennen. Bei mittelgradigen Schmerzen (VAS 30–50%) erfolgt der Einsatz von schwachen Opioi- den (z. B. Tramal, Codein oder Tilidin) als Leitthema Redaktion J.D. Agneskirchner, Hannover A.B. Imhoff, München 21 Arthroskopie 1 · 2014|

Konservative Therapiemöglichkeiten der irreparablen Rotatorenmanschettenmassenruptur; Conservative treatment options for massive irreparable rotator cuff tears;

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Page 1: Konservative Therapiemöglichkeiten der irreparablen Rotatorenmanschettenmassenruptur; Conservative treatment options for massive irreparable rotator cuff tears;

Arthroskopie 2014 · 27:21–25DOI 10.1007/s00142-013-0794-4Online publiziert: 18. Dezember 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

M. Joneleit · U. KönigGemeinschaftspraxis in der Ortho-Klinik Rhein-Main, Offenbach am Main

Konservative Therapiemöglichkeiten der irreparablen Rotatorenman-schettenmassenruptur

Die Ruptur der Rotatorenmanschette ist eine häufig vorkommende Ursa-che für Schmerzen in der Schulter. Die Prävalenz steigt mit dem Lebensalter [19]. Nur ein Teil dieser Läsionen wird symptomatisch [23]. Die typischen Symptome sind Schmerzen und Funk-tionseinschränkungen. Die Ausprä-gung der Symptome lässt keinen Rückschluss auf die Größe der Ruptur zu [24]. Unbehandelt gibt es eine Ten-denz der Größenzunahme der Ruptu-ren bis hin zur irreparablen Massen-ruptur. In diesen Fällen kann ein kon-servativer Therapieansatz gewählt werden.

Von einer Massenruptur der Rotatoren-manschette spricht man, wenn der Defekt sich über eine Distanz von über 5 cm von anterior nach posterior zieht. Es sind min-destens 2 Sehnen betroffen [5]. Im ausge-prägten Zustand findet sich eine Konti-nuitätsunterbrechung aller Sehnen der Rotatorenmanschette. Eine Massenruptur kann chronisch als fortschreitende Läsion auf dem Boden einer 2-Sehnen-Ruptur (anterosuperiore oder posterosuperiore Ruptur) entstehen oder traumatisch be-dingt sein (z. B. bei Schulterluxation).

»  Bei einer Massenruptur sind mindestens 2 Sehnen betroffen

Die klinische Symptomatik kann sehr unterschiedlich ausfallen. Bei einem Teil der Patienten mit einer Rotatorenman-schettenmassenruptur bestehen nur ge-ringe Schmerzen und ein geringer Funk-tionsverlust. Andere Patienten haben

deutliche Schmerzen mit einem großen Funktionsverlust bis hin zur Pseudopara-lyse [4]. Funktionell am bedeutendsten ist ein Ausfall des M. subscapularis (bei anterosuperioren Massenrupturen) oder des M. teres minor (bei posterosuperioren Massenrupturen). Prognostisch ungüns-tige Faktoren für eine operative Therapie sind das Hochtreten des Humeruskopfes mit Verminderung des akromiohume-ralen Abstands, weite Sehnenretraktion (. Abb. 1), Muskelatrophie sowie fettige Degeneration (. Abb. 2; [20]).

Etwa 30% der Massenrupturen werden als irreparabel angesehen [21]. In diesen Fällen besteht die Indikation zur konser-vativen Therapie.

Konservative Therapie

Verschiedene Faktoren lassen eine Rot-atorenmanschettenruptur symptoma-tisch werden. Einige davon sind konser-vativ beeinflussbar (z. B. skapulothoraka-le Dyskinesie), andere nicht (z. B. Rup-turgröße). Ein konservativer Therapie-ansatz ist besonders für Patienten geeig-net, bei denen vorwiegend beeinflussba-re Ursachen für die Beschwerden vorlie-gen [7]. Gute Ergebnisse werden v. a. bei niedrigen Stadien der Defektarthropa-thie erzielt (Stadium 1 und 2 nach Hama-da; . Abb. 3).

Häufigster Anlass einer Arztkonsul-tation ist der Schmerz (fast 99% der Fäl-le; [8]). Schmerzen führen zu Funktions-einschränkungen. Es konnte gezeigt wer-den, dass Injektionen von Lokalanästhe-tika in die subakromiale Bursa die Funk-tion der Schulter durch reine Schmerzlin-

derung verbessern konnten. Dieser Effekt war unabhängig von der Defektgröße [9].Die Schmerzreduktion sollte das primäre Ziel der konservativen Therapie sein [8].Nach adäquater Schmerzreduktion erfolgt dann die funktionelle Therapie. Die bes-ten Ergebnisse liefert die Kombination aus Schmerztherapie und funktioneller The-rapie [1].

Schmerztherapie

Um die geeigneten Maßnahmen zur Schmerzreduktion zu finden, muss zwi-schen akutem Schmerz und chronischem Schmerz unterschieden werden. Zum Einsatz kommen orale Medikamente wie Nichtopioide (z. B. NSAR, COX-2-Inhibi-toren, Paracetamol) und Opioide, Infiltra-tionsbehandlungen mit Lokalanästhetika und Kortikosteroiden sowie physikali-sche Maßnahmen (z. B. Stoßwellenthera-pie, Ultraschalltherapie, Elektrotherapie, Akupunktur etc.).

Perorale Schmerztherapie

Die medikamentöse Schmerztherapie orientiert sich am WHO-Stufenschema, wobei sich die Schmerzmittelgabe nach der vom Patienten geäußerten Schmerz-intensität richtet (VAS; . Tab. 1).

Der Einsatz von Stufe-I-Medikamen-ten ist bei moderaten (VAS <30%), nicht-chronifizierten Schmerzen indiziert. Vor-rangig sind in dieser Gruppe Paracetamol, Metamizol, NSAR (Diclofenac, Ibuprofen) und Cox-2-Inhibitoren zu nennen. Bei mittelgradigen Schmerzen (VAS 30–50%) erfolgt der Einsatz von schwachen Opioi-den (z. B. Tramal, Codein oder Tilidin) als

Leitthema

RedaktionJ.D. Agneskirchner, HannoverA.B. Imhoff, München

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Stufe-II-Therapie. Bei starken, u. U. auch akuten Schmerzen (VAS >50%) können Stufe-III-Medikamente eingesetzt wer-den. In diese Gruppe fallen z. B. die Mor-phine.

Orale Kortikosteroide (z. B. Triam-cinolon) kommen bei akuter Exazerba-tion der chronisch-degenerativen Rotato-renmanschettenruptur zum Einsatz. Al-lerdings erfolgt der häufigste Einsatz im Rahmen der adhäsiven Kapsulitis, wel-che eine Ruptur begleiten kann. Die Ga-be dieser Medikamente kann sowohl zur Schmerzlinderung (bei hohen Dosen), als auch zur leichten Funktionsverbesserung führen.

Prinzipiell gilt beim Einsatz peroraler Medikamente im Rahmen der Schmerz-therapie bei Rotatorenmanschettenmas-senruptur, dass NSAR den Opioiden be-vorzugt werden sollten. Nebenwirkungen müssen berücksichtigt werden, risikoär-mere Medikamente bekommen den Vor-zug.

Invasive Schmerztherapie

Zusätzlich zur peroralen Behandlung können Infiltrationen mit Kortikoste-roiden angewendet werden. Aufgrund der offenen Kommunikation zwischen dem intraartikulären und dem subakro-mialen Raum bei Ruptur der Rotatoren-manschette ist die Lokalisation der Infil-tration unerheblich. Es liegen nur wenige Studien vor, die den Therapieerfolg von Kortikosteroidinfiltrationen bei Schulter-beschwerden untersuchen. Die meisten Studien beziehen sich auf Subakromial-syndrome wie Bursitiden und Tendini-tiden. Es konnte z. B. eine Verbesserung des aktiven Bewegungsausmaßes im Ver-gleich zu einer Kontrollgruppe festgestellt werden [3]. In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2005 konnte gezeigt werden, dass Kortikosteroidinfiltrationen effektiv sind und wirkungsvoller als die alleinige Ga-be von NSAR. Eine Aussage über die an-zustrebende Medikamentendosis und die Häufigkeit der Infiltrationen konnte nicht getroffen werden [2].

Als invasive Schmerztherapieform werden auch die Neuraltherapie und die Nervenblockade angewendet. Diese Me-thoden haben in der konservativen The-

rapie der Rotatorenmanschettenmassen-ruptur allerdings kaum eine Bedeutung.

Physikalische Schmerztherapie

Als physikalische Maßnahmen in der Schmerztherapie können die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), Wärme-/Kältetherapie, Elektrotherapie, Ultraschall und Massagen eingesetzt wer-den.

Transkutane elektrische NervenstimulationDer Wirkmechanismus der TENS liegt in der Erregung sensibler, nicht den Schmerz leitender Nervenfasern in verschiede-nen Gewebetiefen durch Stromimpul-se. Durch Störung des Aktionspotenzials kommt es zur Verminderung der Erreg-barkeit peripherer Nerven und zu einer Gegenirritation durch Aktivierung des sog. Gate-control-Mechanismus. Dies führt zu einer Schmerzlinderung.

ThermotherapieBei akuten Schmerzen wird die Kältethe-rapie angewendet, die über Hemmung der nozizeptiven Afferenzen wirkt. Bei chro-nischen Schmerzen führt die Wärmethe-rapie über Relaxation der Muskulatur, ge-steigerten Stoffwechsel und Veränderung der Schmerzschwelle zur Beschwerdelin-derung.

ElektrotherapieDie Elektrotherapie wird in Nieder-frequenz- (0–1000 Hz), Mittelfrequenz- (1000–3000 Hz) und Hochfrequenzthe-rapie (>3000 Hz) unterteilt. Die Strom-behandlung wirkt hyperämisierend, antiphlogistisch, detonisierend und stoff-wechselsteigernd. Hierdurch kann eben-falls eine Schmerzlinderung erreicht wer-den.

UltraschalltherapieBei dieser physikalischen Maßnah-me werden hochfrequente elektrische Schwingungen in mechanische Schwin-gungen umgewandelt (piezoelektrischer Effekt). Daraus resultiert eine Art Mikro-massage mit Hyperämisierung des Gewe-bes. Dies fördert den Abtransport algo-gener Substanzen, die Detonisierung des Muskelgewebes sowie die Erhöhung der

Abb. 1 8 Rotatorenmanschettenruptur mit  weiter Retraktion der Sehne (Typ Patte III)

Abb. 2 8 Ausgeprägte Muskelatrophie mit  Verfettung des M. supraspinatus

Abb. 3 8 Defektarthropathie Stadium 2 nach Hamada mit akromiohumeraler Distanz ≤5 mm

22 |  Arthroskopie 1 · 2014

Leitthema

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Schmerzschwelle. Der Nutzen dieser The-rapieform bei der Rotatorenmanschetten-ruptur ist allerdings nicht bewiesen.

MassageMassagen weisen ebenfalls über Hyper-ämisierung und Tonusregulation der Muskulatur einen schmerzlindernden Ef-fekt auf.

AkupunkturDie Wirksamkeit der Akupunktur bei Schulterschmerzen (auch bei Rotatoren-manschettenruptur) wird beschrieben [13]. Die Wirkung tritt nach etwa 4 Wo-chen auf und kann – bei günstigem Ver-lauf – Monate anhalten.

Funktionelle Therapie/Physiotherapie

Das Ziel der physiotherapeutischen Be-handlung bei Rotatorenmanschettenmas-senrupturen ist die Schmerzlinderung und das Erreichen einer zufriedenstellen-den Schulterfunktion durch Beseitigung skapulothorakaler Dyskinesien und Auf-bau eines balancierten „force couple“ zwi-schen M. subscapularis auf der einen und den Mm. infraspinatus und teres minor auf der anderen Seite [15]. Um gute funk-tionelle Ergebnisse zu erzielen, sind bei anterosuperioren Rupturen ein intakter M. subscapularis und bei posterosuperio-ren Rupturen ein intakter M. teres minor Voraussetzung (. Abb. 4).

Die Funktionsverbesserung beinhal-tet die Verbesserung des Bewegungsaus-maßes, der Kraft und der Ausdauer der Muskulatur, die Verbesserung der Pro-

priozeption und der neuromuskulären Stabilisierung.

Gemäß dem Konzept von Rubin und Kibler [18] sollte die Rehabilitation/Phy-siotherapie mit dem Training der pro-ximalen Stabilität (Rumpfstabilität) be-ginnen. Im Anschluss erfolgt die Skapu-lastabilisation, bevor dann das eigentli-che Glenohumeralgelenk fokussiert wird. Dieses Prinzip entspricht der sog. kine-tischen Kette. Die Therapie erfolgt von proximal nach distal und von statisch ge-schlossenen zu dynamisch offenen Ket-ten. Der Vorteil der kinetischen Kette ist die gesteigerte skapuläre, glenohumerale

Muskelaktivität und die Förderung funk-tioneller Bewegungsmuster.

Die physiotherapeutischen Übungen sollten im schmerzfreien Bereich erfol-gen, wobei nicht die Quantität, sondern die Qualität entscheidend ist. Es werden 3 Phasen der Physiotherapie unterschie-den:1. akute Phase,2. Rekonvaleszenzphase,3. funktionelle Phase.

In der akuten Phase (z. B. posttrauma-tisch) steht die Schmerz- und Entzün-dungskontrolle im Vordergrund. Phy-siotherapeutische Übungen finden v. a.

Zusammenfassung · Abstract

Arthroskopie 2014 · 27:21–25   DOI 10.1007/s00142-013-0794-4© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

M. Joneleit · U. KönigKonservative Therapiemöglichkeiten der irreparablen Rotatorenmanschettenmassenruptur

ZusammenfassungHintergrund.  Degenerative Rotatorenman-schettenrupturen kommen häufig vor. Da-bei können insbesondere kleinere Rupturen asymptomatisch bleiben. Unbehandelt be-steht eine Tendenz der Größenzunahme, so dass sich im Lauf der Zeit Beschwerden ma-nifestieren können. Die Hauptsymptome sind Schmerzen und Funktionseinschränkun-gen. In einigen Fällen kann sich eine zu Be-ginn kleine Ruptur bis zu einer Massenrup-tur ausweiten.Problem.  Massenrupturen stellen ein Prob-lem für den behandelnden Arzt dar. Bei fort-geschrittener Sehnendegeneration und Seh-nenretraktion sowie Muskelverfettung sind einige dieser Rupturen irreparabel.

Therapie.  Bei irreparablen Rupturen kann ein konservativer Therapieansatz gewählt werden. Es werden verschiedene Metho-den beschrieben, die primär eine Schmerz-linderung und des Weiteren eine Funktions-verbesserung erzielen sollen. Die Therapie ist rein symptomatisch, ein Fortschreiten ar-throtischer Prozesse kann dadurch nicht ge-stoppt werden. Bei Versagen der konservati-ven Therapie kommen chirurgische Verfah-ren in Betracht.

SchlüsselwörterRotatorenmanschette · Ruptur · Massenruptur · Irreparabel · Konservative Therapie

Conservative treatment options for massive irreparable rotator cuff tears

AbstractBackground.  Degenerative rotator cuff tears are a common occurrence. Small lesions in particular can remain asymptomatic and if untreated they can increase in size and symp-toms may develop. Pain and loss of function are the most common symptoms.Problem.  Sometimes small lesions expand into massive tears of the rotator cuff which are then difficult to treat. Massive tears may be considered irreparable when there is ad-vanced retraction and degeneration of the tendons and fatty infiltration of the muscles.Therapy.  Conservative treatment is an op-tion in cases of irreparable tears where the 

aim of the various methods described here is primarily to decrease pain and improve func-tion. The therapy is purely symptomatic and does not result in termination of progres-sion of arthritic development and if conserva-tive management fails surgery must be con-sidered.

KeywordsRotator cuff · Rupture · Massive tears · Irreparable · Conservative treatment

Abb. 4 8 Intaktes „force couple“ aus  Infraspinatus- und Subskapularissehne

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Page 4: Konservative Therapiemöglichkeiten der irreparablen Rotatorenmanschettenmassenruptur; Conservative treatment options for massive irreparable rotator cuff tears;

in der Skapulaebene statt und dienen im Wesentlichen der Schmerzreduktion. Unterstützt wird diese Phase durch z. B. Kälte- und Elektrotherapie. Zeitgleich kann schon die Stabilisation des Rumpfes und der benachbarten Gelenke erfolgen.

In der Rekonvaleszenzphase beginnt die passive Mobilisation mit Übergang zu aktiv-assistierten Übungen. Später, ab-hängig von der individuellen Schmerz-situation, folgen isotonische und proprio-zeptive Übungen zur Optimierung des skapulothorakalen Rhythmus. Ziel ist ein gutes Bewegungsausmaß mit ausreichen-der Gelenkkinematik.

Die funktionelle Phase beginnt mit dem medizinischen Aufbautraining. Ziel-größe ist das Erlangen alltagsspezifischer Bewegungsabläufe und die Verbesserung von Kraft und Ausdauer. Die medizini-sche Trainingstherapie und Maßnahmen wie Bewegungsbäder haben in dieser Pha-se den größten Stellenwert.

Bei der Rotatorenmanschettenmassen-ruptur gilt insbesondere, dass die Patien-ten auf eine lange Rehabilitationszeit von bis zu 12 Monaten hingewiesen werden sollten. Bei einer Stagnation des Heilungs-verlaufs und persistierenden Schmerzen von mehr als 6 Monaten sollte die Fortset-zung der Physiotherapie überdacht wer-den.

Operative Therapie

Traumatische Rupturen und degenerative Rupturen mit ausgeprägtem Funktions-verlust sollten operativ angegangen wer-den, da in diesen Fällen zwar die Schmer-zen gelindert, Bewegungsumfang und Kraft aber nicht signifikant gebessert wer-den können ([11, 16], . Tab. 2, 3).

Diskussion

Prinzipiell kann eine Rotatorenmanschet-tenruptur konservativ oder operativ be-handelt werden. Es findet sich wenig Li-teratur, in der die Ergebnisse der beiden Verfahren direkt miteinander verglichen und Handlungsempfehlungen ausgespro-chen werden [7]. Ein besonderes Prob-lem stellt die irreparable Massenruptur dar. Das geeignete Vorgehen wird hier kontro vers diskutiert. Yamada et al. ha-ben im Jahr 2000 ihre Ergebnisse einer Vergleichstudie bei Massenrupturen ver-öffentlicht. Sie gelangen zu dem Ergebnis, dass mittels der operativen Therapie bes-sere Ergebnisse bezüglich Schmerzlinde-rung, Verbesserung der Muskelkraft und des Bewegungsumfangs erzielt werden können. Die Anzahl der Probanden in der Gruppe der konservativ Behandelten war mit 14 Patienten jedoch recht niedrig. Zu-dem wurden bei den 26 operierten Patien-ten unterschiedliche Verfahren angewen-

det [22]. Auch Neri et al. [17] sehen lang-fristig eine höhere Erfolgsquote der opera-tiven gegenüber der konservativen Thera-pie. Laudicina und D’Ambrosia heben als Vorteil der operativen Therapie hervor, dass hiermit das Fortschreiten der Ruptur und die Entwicklung arthrotischer Verän-derungen positiv beeinflusst werden kön-nen, was mit der konservativen Therapie nicht möglich ist [14]. Bestätigt wird die-ses Ergebnis durch eine Studie von Zingg et al. aus dem Jahr 2007. Insgesamt 19 Pa-tienten wurden retrospektiv untersucht. Alle hatten eine Massenruptur der Rotato-renmanschette. Sie wurden ausschließlich konservativ therapiert aufgrund geringer Beschwerdesymptomatik, geringen An-sprüchen an die Funktion oder weil eine Operation abgelehnt wurde. Der Follow-up-Zeitpunkt war 48 Monate nach Beginn der konservativen Therapie. Ein Fort-schreiten degenerativer Prozesse und eine Zunahme der Rupturgröße wurden signi-fikant häufig beobachtet. Dennoch werte-ten die Autoren die konservative Thera-pie als Erfolg, da es in dem Beobachtungs-zeitraum gelang, eine zufriedenstellende Funktion bei mäßigem Schmerzniveau zu erhalten [25]. Noch länger anhalten-de positive Ergebnisse der konservativen Therapie fanden Kijima et al. in ihrer re-trospektiven Untersuchung 13 Jahre nach Beginn einer konservativen Therapie bei Rotatorenmanschettenruptur. Etwa 90% der 43 untersuchten Patienten hatten an-haltend geringe oder keine Schmerzen und 70% nur geringe Einschränkungen im täglichen Leben. Es wurden in dieser Studie allerdings keine Massenrupturen untersucht [10].

Im Jahr 2011 haben Lambers Heerspink et al. [12] ein Protokoll für eine randomi-sierte, prospektive Vergleichstudie zwi-schen konservativer und operativer The-rapie veröffentlicht, deren Ziel es ist, kla-re Handlungsempfehlungen möglich zu machen. Ergebnisse diesbezüglich stehen aber noch aus.

Fazit für die Praxis

F  Die konservative Therapie der Rotato-renmanschettenmassenruptur kann erfolgreich sein und über einen län-geren Zeitraum die Schmerzen lin-dern und die Funktion verbessern.

Tab. 1  WHO-Stufenschema

Stufe I: VAS <30% Stufe II: VAS 30–50% Stufe III: VAS >50%

Paracetamol, Metamizol, nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR)

Stufe I und schwächere Opioi-de: Tramadol, Codein, Dihydro-codein, Tilidin

Stufe I und starke Opioide: Morphin, Fentanyl, Oxycodon, Methadon, Buprenorphin, Hy-dromorphon

Adjuvanzien, Koanalgetika Adjuvanzien, Koanalgetika Adjuvanzien, KoanalgetikaVAS Visuelle Analogskala: 0% entspricht keinen Schmerzen, 100% entspricht stärksten, unvorstellbaren Schmer-zen.

Tab. 2  Behandlungsalgorithmus bei Rotatorenmanschettenmassenruptur

  Traumatische Ruptur Degenerative Ruptur

Junger Patient Operativ Operativ

Älterer Patient Operativ Konservativ

Tab. 3  Behandlungsalgorithmus bei älteren Patienten mit Rotatorenmanschettenmassen-ruptur

  Gute Funktion Schlechte Funktion

Geringer Schmerz Konservativ Konservativ, ggf. operativ

Starker Schmerz Konservativ, ggf. operativ Konservativ, ggf. operativ

24 |  Arthroskopie 1 · 2014

Leitthema

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Junge Ärzte bilden Zukunftsbündnis

In Berlin hat sich jetzt das Bündnis JUNGE 

ÄRZTE gegründet.  Dabei handelt es sich 

um ein interdisziplinäres, verbands- und 

fachgesellschafts-übergreifendes Bündnis 

junger Ärztinnen und Ärzte, die sich ge-

meinsam dafür einsetzen möchten, dass 

sowohl die Patientenversorgung als auch 

die Berufs- und Arbeitsbedingungen ver-

bessert werden.

Aus Sorge, dass in naher Zukunft die Ver-

sorgungsqualität und die Menschlichkeit in 

den deutschen Kliniken unter der zuneh-

menden Arbeitsverdichtung leiden, haben 

nun die gewählten Vertreter/innen der 

Assistenzärzte/innen und jungen Fachärz-

te/innen der größten deutschen Berufsver-

bände und Fachgesellschaften das Bündnis 

JUNGE ÄRZTE gegründet. 

Das Bündnis JUNGE ÄRZTE versteht sich als 

Ansprechpartner für aktuelle Entwicklun-

gen, die fachgebietsübergreifend die Quali-

tät der ärztlichen Weiterbildung und damit  

die zukünftige Basis einer hochwertigen 

Patientenversorgung bedrohen. Das Bünd-

nis JUNGE ÄRZTE möchte aktiv die Interes-

sen der jungen Ärzte/innen gesundheits-

politisch vertreten. Weitere Berufsverbände 

und Fachgesellschaften sind ausdrücklich 

zur Mitarbeit eingeladen.

Quelle:

Bündnis Junge Ärzte, www.jungeärzte.de

Fachnachrichten

F  Die beste Indikation stellt die dege-nerative, nichttraumatisch bedingte Ruptur des älteren Patienten mit ge-ringem Funktionsverlust und gerin-ger Schmerzsymptomatik dar.

F  Traumatische Rupturen und degene-rative Rupturen mit ausgeprägtem Funktionsverlust sollten operativ be-handelt werden.

F  Die Entwicklung einer glenohume-ralen Arthrose (Defektarthropathie) kann durch die konservative Therapie nicht verhindert werden.

F  Bei Beschwerdezunahme und fort-schreitenden Veränderungen im kon-ventionellen Röntgenbild nach der Klassifikation von Hamada [6] sollte ein operatives Vorgehen in Betracht gezogen werden.

Korrespondenzadresse

Dr. M. JoneleitGemeinschaftspraxis in der Ortho-Klinik Rhein-MainFrankfurter Str. 108, 63067 Offenbach am [email protected]  

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  M. Joneleit und U. König geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

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25Arthroskopie 1 · 2014  |