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. . . . . . I I I I I I I I I I I -7 o s 'fJ·10 on Abb. 3.40. Momentbild der Moleküle in Zimmerluft. (Aus Pohl) F Abb. 3.41. Messung von Druck und Volumen eines Gases Abb. Boyle-Mariottesches Gesetz 52 3. Die mechanischen Eigenschaften der Stoffe und ihre molekulare Struktur 4 s um 20 cm hineingedruckt werden. Welche Leistung ist dazu notwendig, wenn der Querschnitt des Kolbens auf der Lastseite 0,1 m 2 und die Kraft (Last) dort tOS N sind? 3.3.2 Der Druck in der Wasserleitung betrage im Erd- geschoß eines Hauses 2 ·tOS Nlm 2 Wie hoch ist er 18m darüber im 6. Stockwerk? 3.3.3 Eine Platte aus dem Material der Dichte 0,88 glcm 3 ruht auf einer Salzlösung der Dichte 1,10glcm 3 . Welcher Teil ihres Volumens taucht nicht ein? Wie groß ist der Überdruck im Gleichgewicht, den eine Luftblase von 0,1 mrn Durchmesser in Wasser haben muß (a = 0,073 N/ m)? Wie hoch ist die Wasser- säule, die auf der Erde denselben hydrostatischen Druck hat? 3.3.5 Das Glasrohr in Abb. 3.38a wird so weit herun- tergeschoben, daß seine Länge außerhalb des Wassers kleiner als dessen Steighöhe ist. Strömt jetzt Wasser oben aus dem Rohr aus? Begründung. 3.3.6 Von einem Medikament sind bei einem Radius R = 1,00 mm, vgl. Abb. 3.39, 10 Tropfen verordnet. Wieviel Tropfen ergeben bei R = 0,625 mm dieselbe Masse (Dosis)? 3.4 Ruhende Gase 3.4.1 Dichte, Druck und Volumen. Die Dich- te der Gase ist sehr gering. Bringen wir ein luftleer gepumptes Glasgefäß auf eine Waa- ge und lassen die Luft wieder einströmen, so finden wir aus der kleinen Gewichtszunah- me, daß 1 Liter Luft bei Zimmertemperatur die Masse 1,293 g hat. Die Raumerfüllung der Luftmoleküle in der Nähe der Erdober- fläche veranschaulicht uns Abb. 3.40. Sie ist gewissermaßen eine Momentaufnahme in der Vergrößerung 2 · 10 6 Nur etwa 1/1000 des Raumes wird von den Luftmolekülen selbst ausgefüllt. Die Moleküle eines Gases haben also im Gegensatz zum festen und flüssigen Aggregatzustande einen verhältnis- mäßig großen Abstand. Die zwischenmole- kularen Kräfte sind daher in Gasen außeror- dentlich klein, und wir können sie im Grenz- fall des sog. idealen Gases völlig vernachläs- sigen. Im folgenden beschränken wir uns einmal darauf und behandeln außerdem die mecha- nischen Stoffeigenschaften der Gase in der sog. Kontinuumsnäherung, bei der wir den molekularen Aufbau und die Wärmebewe- gung der Moleküle nicht im einzelnen verfol- gen. Auch ohne darauf einzugehen, lassen sich nämlich viele sehr wichtige Vorgänge in Gasen gesetzmäßig formulieren. Die spätere Behandlung im molekularen Bilde kann auf diesen empirischen Erfahrungen aufbauen, muß aber vor allem die Temperatur als Zu- standsgröße und die kinetische Wärmetheo- rie quantitativ mit einschließen. Darauf kommen wir in Abschn. 5.3.1 ff. zurück. Um sowohl das Gleichartige als auch das Unterschiedliche im mechanischen Verhalten von Flüssigkeiten und Gasen herauszustel- len, beginnen wir mit dem Stempeldruck. Er wird am besten durch seine Flüssigkeit, z. B. Quecksilber, auf das Gas übertragen und mit einem Flüssigkeits-Manometer M gemessen, s. Abb. 3.41. Über den Druckzustand im Gas und die von ihm ausgeübten Druckkräfte gilt dasselbe wie beim Stempeldruck in Flüssig- keiten. Nur verkleinert sich, anders als bei der praktisch inkompressiblen Flüssigkeit, das Gasvolumen sehr beträchtlich, wenn der Stempeldruck wächst. Bei konstanter Tem- peratur ergeben die Messungen das Boyle- Mariottesche Gesetz: pV= const. (3.23). Das ist die sog. Isotherme des idealen Gases, eine Hyperbel, s. Abb. 3.42. Die eingeschlos- sene Gasmenge oder -masse m muß dabei selbstverständlich konstant bleiben. So läßt sich das Boyle-Mariottesche Gesetz auch for- mulieren als p/ {! = const, wenn man be- denkt, daß die Dichte {! = m/V ist. Der Druck eines idealen Gases ist also seiner Dichte proportional. Schließlich ist ein Gas nicht nur stark kompressibel. Umgekehrt dehnt es sich nach Boyle-Mariotte bei nachlassendem äußeren Druck beliebig aus, oder es füllt ein ihm an- gebotenes Volumen so aus, daß überall die gleiche Dichte herrscht. Weder Flüssigkeit noch Festkörper haben wegen der Kohä- sionskräfte diese Eigenschaft. - Beim Ein- atmen erweitern wir das Volumen der Lunge, dadurch entsteht ein Unterdruck, und es strömt Luft ein.

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. . . . • •

. .

I I I I I I I I I I I -7 o s 'fJ·10 on

Abb. 3.40. Momentbild der Moleküle in Zimmerluft. (Aus Pohl)

F

Abb. 3.41. Messung von Druck und Volumen eines Gases

Abb. 3~42. Boyle-Mariottesches Gesetz

52 3. Die mechanischen Eigenschaften der Stoffe und ihre molekulare Struktur

4 s um 20 cm hineingedruckt werden. Welche Leistung ist dazu notwendig, wenn der Querschnitt des Kolbens auf der Lastseite 0,1 m2 und die Kraft (Last) dort tOS N sind?

3.3.2 Der Druck in der Wasserleitung betrage im Erd­geschoß eines Hauses 2 ·tOS N l m2• Wie hoch ist er 18m darüber im 6. Stockwerk?

3.3.3 Eine Platte aus dem Material der Dichte 0,88 glcm3 ruht auf einer Salzlösung der Dichte 1,10glcm3. Welcher Teil ihres Volumens taucht nicht ein?

3~3.4 Wie groß ist der Überdruck im Gleichgewicht, den eine Luftblase von 0,1 mrn Durchmesser in Wasser haben muß (a = 0,073 N/ m)? Wie hoch ist die Wasser­säule, die auf der Erde denselben hydrostatischen Druck hat?

3.3.5 Das Glasrohr in Abb. 3.38a wird so weit herun­tergeschoben, daß seine Länge außerhalb des Wassers kleiner als dessen Steighöhe ist. Strömt jetzt Wasser oben aus dem Rohr aus? Begründung.

3.3.6 Von einem Medikament sind bei einem Radius R = 1,00 mm, vgl. Abb . 3.39, 10 Tropfen verordnet. Wieviel Tropfen ergeben bei R = 0,625 mm dieselbe Masse (Dosis)?

3.4 Ruhende Gase

3.4.1 Dichte, Druck und Volumen. Die Dich­te der Gase ist sehr gering. Bringen wir ein luftleer gepumptes Glasgefäß auf eine Waa­ge und lassen die Luft wieder einströmen, so finden wir aus der kleinen Gewichtszunah­me, daß 1 Liter Luft bei Zimmertemperatur die Masse 1 ,293 g hat. Die Raumerfüllung der Luftmoleküle in der Nähe der Erdober­fläche veranschaulicht uns Abb. 3.40. Sie ist gewissermaßen eine Momentaufnahme in der Vergrößerung 2 · 106

• Nur etwa 1/1000 des Raumes wird von den Luftmolekülen selbst ausgefüllt. Die Moleküle eines Gases haben also im Gegensatz zum festen und flüssigen Aggregatzustande einen verhältnis­mäßig großen Abstand. Die zwischenmole­kularen Kräfte sind daher in Gasen außeror­dentlich klein, und wir können sie im Grenz­fall des sog. idealen Gases völlig vernachläs­sigen.

Im folgenden beschränken wir uns einmal darauf und behandeln außerdem die mecha­nischen Stoffeigenschaften der Gase in der

sog. Kontinuumsnäherung, bei der wir den molekularen Aufbau und die Wärmebewe­gung der Moleküle nicht im einzelnen verfol­gen. Auch ohne darauf einzugehen, lassen sich nämlich viele sehr wichtige Vorgänge in Gasen gesetzmäßig formulieren. Die spätere Behandlung im molekularen Bilde kann auf diesen empirischen Erfahrungen aufbauen, muß aber vor allem die Temperatur als Zu­standsgröße und die kinetische Wärmetheo­rie quantitativ mit einschließen. Darauf kommen wir in Abschn. 5.3.1 ff. zurück.

Um sowohl das Gleichartige als auch das Unterschiedliche im mechanischen Verhalten von Flüssigkeiten und Gasen herauszustel­len, beginnen wir mit dem Stempeldruck. Er wird am besten durch seine Flüssigkeit, z. B. Quecksilber, auf das Gas übertragen und mit einem Flüssigkeits-Manometer M gemessen, s. Abb. 3.41. Über den Druckzustand im Gas und die von ihm ausgeübten Druckkräfte gilt dasselbe wie beim Stempeldruck in Flüssig­keiten. Nur verkleinert sich, anders als bei der praktisch inkompressiblen Flüssigkeit, das Gasvolumen sehr beträchtlich, wenn der Stempeldruck wächst. Bei konstanter Tem­peratur ergeben die Messungen das Boyle­Mariottesche Gesetz:

pV= const. (3.23).

Das ist die sog. Isotherme des idealen Gases, eine Hyperbel, s. Abb. 3.42. Die eingeschlos­sene Gasmenge oder -masse m muß dabei selbstverständlich konstant bleiben. So läßt sich das Boyle-Mariottesche Gesetz auch for­mulieren als p/ {! = const, wenn man be­denkt, daß die Dichte {! = m/V ist. Der Druck eines idealen Gases ist also seiner Dichte proportional.

Schließlich ist ein Gas nicht nur stark kompressibel. Umgekehrt dehnt es sich nach Boyle-Mariotte bei nachlassendem äußeren Druck beliebig aus, oder es füllt ein ihm an­gebotenes Volumen so aus, daß überall die gleiche Dichte herrscht. Weder Flüssigkeit noch Festkörper haben wegen der Kohä­sionskräfte diese Eigenschaft. - Beim Ein­atmen erweitern wir das Volumen der Lunge, dadurch entsteht ein Unterdruck, und es strömt Luft ein.

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3.4 Ruhende Gase

Den isothermen Kompressionsmodul K , vgl. Abschn. 3.3.1, erhalten wir für ein ideales Gas mit (3.12) durch Differentiation des Boyle-Mariotteschen Gesetzes:

dp K = - V- = p (3 .24a)

dV

3.4.2 Die Lufthülle der Erde und der Luft­druck. Da ein Gas ein Gewicht hat, haben wir, wie bei einer Flüssigkeit, in jedem gas­erfüllten Raume einen von oben nach unten zunehmenden Schweredruck, der sich nicht nur als Bodendruck äußert, sondern je nach Orientierung der angegriffenen Fläche auch seitwärts oder nach oben wirkt. Daher er­fährt auch in einem Gase jeder Körper einen Auftrieb entsprechend dem Archimedischen Prinzip.

Auf der Erde befinden wir uns auf dem Boden eines gewaltigen Luftmeeres. Hier steht die Luft unter einem Schweredruck, der gleich dem Gewicht der auf der Flächenein­heit lastenden Luftsäule ist. Dieser Druck wird uns im allgemeinen nicht bewußt, weil die von ihm allseitig auf unseren Körper aus­geübten Kräfte sich stets das Gleichgewicht halten. Den Nachweis eines Luftdruckes hat zuerst Otto von Guericke 4 erbracht, als er zeigte, wie zwei dicht aufeinander gesetzte und luftleer gepumpte Halbkugeln durch den äußeren Atmosphärendruck so stark zusam­mengepreßt wurden, daß beiderseits je 8 Pferde nötig waren, um sie zu trennen, vgl. Abschn. 2.3.3. - Dem Versuch von Torri­cel/i folgend, füllen wir eine an einem Ende verschlossene, etwa 1m lange Glasröhre voll­ständig mit Quecksilber. Dann verschließen wir die Öffnung mit dem Finger, drehen das Rohr um und tauchen es mit dem zugehalte-

4 Otto von Guericke, 1602 - 1682, Bürgermeister von Magdeburg, Erfinder der Luftpumpe.

53

nen Ende in eine Schale mit Quecksilber. Nehmen wir nun den Finger weg, so fließt das Quecksilber so weit aus, bis es im Glas­rohr etwa 76 cm höher als im äußeren Gefä­ße steht. In diesem Gleichgewichtszustande ist also der Luftdruck auf den äußeren Hg­Spiegel gleich dem hydrostatischen Druck der 76 cm hohen Quecksilbersäule, s. Abb. 3.43 .

Neigen wir das Rohr, so bleibt die Höhe von 76 cm erhalten, da ja der Druck der Quecksilbersäule nur von ihrer vertikalen Höhe abhängt. Im Raume oberhalb der Quecksilberkuppe haben wir, abgesehen von einer Spur von Quecksilberdampf, einen von Materie freien Raum, ein Vakuum.

Da Quecksilber das spez. Gewicht y = eg = 13,59 103

• 9,81 = 133,3 . 103 N/m3

hat, beträgt der hydrostatische Druck einer Hg-Säule von 0,76 m Höhe yh = 101 3. 103

2 . , N/m . Diesen Druck nennt man auch eine physikalische Atmosphäre (atm). Weitere -auch früher gebräuchliche, aber heute nicht mehr zugelassene - Druckeinheiten und ihre exakten Umrechnungsfaktoren findet man in Tab. 3.3. Die SI-Einheit für den Druck ist 1 N/ m2 = 1 Pa (Pascal).

Der Luftdruck ist zeitlichen Schwankungen unterwor­fen und ändert sich außerdem noch mit der Höhe. Der Wert von 1013 mbar (101 ,3 kPa) ist ein für Meereshöhe geltender Durchschnittswert. Da eine Luftsäule von 10m Höhe und 1 m2 Querschnitt unter ormalbedin­gungen etwa die Masse m = 12,9 kg hat, vermindert sich der Luftdruck in Meereshöhe auf lOm Höhenzuwachs um m · g, das sind rund 127 Pa oder 1,27 mbar. Wäre die Luft inkompressibel wie eine Flüssigkeit, so würde der Druck linear mit der Höhe abnehmen und in 8 km Höhe eine scharfe Grenze mit 0 mbar haben, s. Abb. 3.44 (ge trichelte Gerade). Die unteren Luft chiehren werden aber durch das Gewicht der über ihnen liegenden zusammengedrückt, die oberen haben ent prechend ge­ringere Dichte. Der Druckabfall auf 10m Höhenunter-

Tabelle 3.3. Druckeinheiten, in eckigen Klammern nicht mehr zugelassene

1 Pa(Pascal) = 1 N/ m2 [=1,019710- 5 kp/ cm2]

1 mbar = 100 Pa oder 1 bar = 105 Pa

Zum normalen Luftdruck: [1 atm = 760 mmHg = 101325 Pa) [1 at = 1 kp/ cm2 = 98066,5 Pa]

1 mmHg = [1 Torr) = 133,322 Pa [1 m WS = 9806,65 Pa]

physikalische Atmosphäre technische Atmosphäre

für Blutdruck in der Medizin zulässig Meter Wassersäule

Abb. 3.43. Messung des Luftdruckes

Höhe über Meer

Abb. 3.44. Der Luftdruck in Abhän­gigkeit von der Höhe bei konstanter Temperatur

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Abb. 5.1. Zur Wärmeausdehnung eines Gases bei konstantem Druck

Abb. 5.2. Änderung des Gasdruckes mit der Temperatur bei konstantem Volumen. Gasthermometer

86

Nahordnung und Assoziation) beruht, spielt im Haus­halt der Natur insofern eine große Rolle, als sie das Aus­frieren von stehenden Gewässern bis zum Grunde ver­hindert. Die tiefste Wasserschicht kühlt sich auf 4 °C ab, und das kältere, leichtere Wasser schichtet sich darüber. Der Wärmeverlust erfolgt dann nur noch sehr langsam durch Wärmeleitung und nicht durch Konvektion (Ab­sehn. 5.5.2). Ruhendes Wasser und die obere Eisdecke sind schlechte Wärmeleiter, stellen also einen guten Wärme- bzw. Kälteschutz dar (Abschn. 5.5 .1).

5.1.4 Thermische Zustandsgleichung des ide­alen Gases. Jedes Gas nähert sich in seinem Verhalten dem eines sog. idealen Gases, wenn nur die Temperatur genügend hoch wird und dabei sein Druck genügend gering bleibt. Das ideale Gas ist also ein Grenzfall 1,

ähnlich wie der ideale elastische Festkörper oder die ideale und zähe Flüssigkeit (Abschn. 3.2.2 und 3.5.1). Bei Zimmertemperatur und Normaldruck sind Helium und Wasserstoff ideale Gase, Luft ist es noch in guter Nähe­rung, während Wasserdampf erst oberhalb 800°C ein ideales Gas ist. Wir beschränken uns in diesem Abschnitt auf die thermischen Eigenschaften von idealen Gasen und be­sprechen dabei sehr wichtige, relativ einfache Gesetze, die auch in der kinetischen Wärme­theorie eine besondere Rolle spielen (Ab­sehn. 5.3.2).

Im Unterschied zu Festkörper und Flüssig­keit dürfen beim Gas wegen seiner hohen Kompressibilität Änderungen des äußeren Druckes nicht unbeachtet bleiben, wenn wir seine Volumenänderungen verfolgen. Der physikalische Zustand einer gegebenen Gas­menge ist also durch drei Größen bestimmt: 1. durch das Volumen, das sie einnimmt, 2. durch den Druck, den sie auf die Wände aus­übt und 3. durch die Temperatur. Diese drei Größen, die den Zustand eines Gases eindeu­tig beschreiben, nennen wir die Zustandsgrö­ßen des Gases. Ändern wir eine dieser drei Größen, etwa die Temperatur, so ändern sich im allgemeinen die beiden anderen mit. Beginnen wir mit den einfachen Fällen, bei denen immer eine der drei Größen konstant gehalten wird.

I. Halten wir eine bestimmte Gasmenge unter konstanter Temperatur (enge und stän-

Um Mißverständnisse zu vermeiden, sei betont, daß Reibungskräfte auch in idealen Gasen auftreten.

5. Wärmelehre

dige Berührung des Gases mit einem Wärme­behälter und langsame Zustandsänderung), so gilt für diese sog. isotherme Zustandsän­derung bei idealen Gasen das uns bereits be­kannte Gesetz von Boyle-Mariotte (Abschn. 3.4.1):

PV= const. (3.23)

II. Halten wir den Druck konstant, iso­bare Zustandsänderung, so gilt für die Wär­meausdehnung dieselbe Beziehung wie bei Flüssigkeiten, hier Gesetz von Gay-Lussac genannt,

V= V0(1 + yt) , (5.5 a)

wobei V0 das Volumen bei ooc ist. Dazu wird z. B. die Volumenänderung des Gases an einem Hg-Pfropfen in einer Kapillaren verfolgt, s. Abb. 5.1.

Y ist der kubische Wärmeausdehnungs­koeffizient. Das Erstaunliche ist, daß sich für alle idealen Gase unabhängig von ihrer chemischen Zusammensetzung derselbe Wert ergibt, nämlich y= 366 ·10- 5 K- 1 = 1/273 K -t. Führen wir jetzt die absolute Temperatur Tein, so folgt

V= V0 (1 +-1-t) = V0~

273 273 oder

V T T v;= 273 = T

0 (5.5b)

Die Volumina verhalten sich also wie die ab­soluten Temperaturen.

111. Sperren wir eine bestimmte Gasmenge ab und halten ihr Volumen konstant, isocho­re. Zustandsänderung, so steigt der Druck mit der Temperatur nach dem Gesetz

P = Po(1 +ßt). (5.6)

Hier ist Po der Druck des Gases bei 0 oc. Der Druck wird mit einem Hg-Manometer ge­~essen, dessen rechter Schenkel beweglich Ist, s. Abb. 5.2. Er ist vor jeder Druckmes­sung so einzustellen, daß der linke Quecksil-

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5.1 Thermometrie, Wärmeausdehnung, ideales Gas

bermeniskus den Dorn D berührt. Dann bleibt das eingeschlossene Gasvolumen kon­stant.

ß wird als Spannungskoeffizient bezeich­net. Bei etwas oberflächlicher Betrachtung überrascht es zunächst, daß die Messungen ß= 11273 K- 1 liefern, also denselben Wert wie für y. Man sollte aber bedenken, daß nach dem Boyle-Mariotteschen Gesetz für jede Temperatur p V einen konstanten Wert hat. Wenn also bei konstantem Druck p das Volumen V sich linear mit der Temperatur ändert, so muß sich der Wert p V ebenso li­near mit der Temperatur ändern, so daß all­gemein gilt:

P V = Po V0(1 + yt) . (5.7a)

Dann führen Versuch li (p = const) und III (V= const) auf dieselbe Beziehung, insbe­sondere auf ß = y.

Beim Übergang zur Kelvin-Skala, die aus diesem Gesetz ihre physikalische Begrün­dung nimmt, wird daraus:

(5 .7b)

Der absolute Nullpunkt (T = 0) ist demnach die Grenze, bei der p V eines idealen Gases extrapoliert 2 gegen Null geht.

Die Größe Po V0/ T0 bleibt zwar bei Zu­standsänderungen konstant, aber ihr absolu­ter Wert hängt natürlich von der benutzten Gasmenge ab. V0 ist nun für jeden Stoff glei­cher Zusammensetzung der Masse m propor­tional. Bilden wir also p 0 V0/ T0m, so erhalten wir eine Stoffkonstante, aber für jedes Gas eine andere. Wenn wir aber statt der Masse m die Stoffmenge n =mi M verwenden (Abschn. 3.1.2), um die Gasmenge anzuge­ben, dann ergeben die Messungen, daß Po V0/ T0n für alle idealen Gase eine univer­selle Konstante ist. Wir nennen sie die mola­re Gaskonstante R und können mit P VITn = R schreiben

p V= nRT. (5 .8)

2 Die Messungen am idealen Gas müssen allerdings bei etwas höheren Temperaturen durchgeführt werden, weil es nur dort Gase gibt, die sich ideal verhalten.

87

Diese Beziehung wird als thermische Zu­standsgleichung der idealen Gase, auch als allgemeine Gasgleichung, bezeichnet. R er­gibt sich aus der Steigung der zugehörigen Meßkurve, s. Abb. 5.3, R = 8,314 J/K mol. Es ist eine allgemeine Naturkonstante, über deren Bedeutung wir in Abschn. 5.3.1f. nä­her Aufschluß erhalten werden.

Wir betrachten zu den Gasgesetzen ein AnwendungsbeispieL Haben wir eine Gas­menge vom Volumen V unter dem Druck p in mbar und bei der Temperatur T aufge­fangen, so finden wir die eingesperrte Gas­menge in mol folgendermaßen: Zuerst be­rechnen wir das sog. reduzierte Volumen Vo, welches das Gas bei Normalbedingungen, Po= 1013 mbar und T0 = 273,15 K, einneh­men würde, nach der Gleichung

V. _ V·p·273,15 0

- 1013 · T (5.9a)

Dann haben wir nur noch das Verhältnis n = V01Vmol zu bilden. Das sog. Molvolu­men Vmol nimmt 1 mol eines idealen Gases unter Normalbedingungen ein. Es gilt daher

RT0 3 vmol =- = 0,022414 m / mol ' (5.9b)

Po wozu man den Normaldruck in der SI-Ein­heitp0= 1,013·105 Pa ein etzen muß.

Bei Gemischen idealer Gase ist die ge amte Stoffmenge einfach gleich der Summe der Stoffmengen der einzelnen Bestandteile n = n1 + n2+ n3+ ... . Man spricht auch vom Partialdruck p 1 = n 1 R TI V eines mit der Stoffmenge n1 beigemischten, reinen Gases. Wir würden den Druck p 1 messen, wenn die­ses Gas allein das Volumen V ausfüllen wür­de. Damit ist der Gesamtdruck gleich der Summe aller Partialdrücke (Daltonsches Ge­setz).

Aufgaben 5.1.1 Ein Fieberthermometer soll bei einem Durch· messer seiner Kapillaren von 0,2 mm für 1 K Tempera­turerhöhung eine Meniskusverschiebung von 5 mm an· zeigen. Welches Quecksilbervolumen wird benötigt? (V gl. Tabelle 5.1).

5.1.2 Das Thermometerglas hat den linearen Wärme­ausdehnungskoeffizienten 0,80 · 10- s K- 1

• Welches Quecksilbervolumen wird dann unter den Bedingungen von Aufgabe 5.1.1 benötigt?

-5/ ] I. -~ J ~z

~I , ... 1.!,,-_- ~6--..l..-.,:"..-'-~

0 ZOO IJJO 600 K T

Abb. 5.3. Zur thermischen Zustands­gleichung idealer Gase

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Dte isotherme Kompressionsarbeit oder Kompres­sionswarme ist nur fUr sehr kleine Volumenänderungen, bei denen der Druck praktisch noch konstant bleibt, ge­geben durch ij<J,; = - ptJ V. Beim Vorzeichen ist zu be­denken, daß die Arbeit W.._ positiv, die Volumenände­rung LI V bei der Kompression aber negativ ist. Wenn ich das Volumen stärker ändert, muß man beim idealen

Ga. e rechnen ( V2 < '1'1 ):

~2 "i dV ~ »J,;= - jpdV= - nRTJ -=nRTJn-l.. (5.17)

v1 ~V J'2

Bei isothermer Expansion ( 1'2 > '1'1) wird derselbe Be­trag an Arbeit vom idealen Gase nach außen geleistet (W.._ negativ, W positiv). Ihm muß die gleiche Energi.e als Wärme von der Umgebung zugeführt werden, dam1t eine Temperatur konstant bleibt.

Wir können das Gas aber auch ohne Wär­meableitung komprimieren. Eine Zustands­änderung, bei der das Gas weder nach außen Wärme abgibt noch von außen aufnimmt (Q:::: 0), heißt adiabatisch. Wir verwirkli­chen sie dadurch, daß wir entweder für eine ehr gute Wärmeisolation des Gases sorgen, . Abschn. 5.5.1 ff., oder die Zustandsände­

rung so rasch vornehmen, daß praktisch kein Wärmeaustausch mit der Umgebung statt­findet. Komprimieren wir ein Gas adiaba­tisch, so steigt seine Temperatur, was eine zusätzliche Druckerhöhung bedeutet. Daher steigt der Druck bei der adiabati chen Kom­pre sion stärker als bei der i. othermen, d. h. die Adiabate, gestrichelte Kurve in Abb. 5.6, verläuft steiler als die Isotherme durch den­selben Punkt des Diagramms. Ein Bei piel fur eine adiabatische Kompre sion ist die Er­~·ärmung der Luft und der Pumpe beim Au f-

pumpen eines Fahrradrei fen . Bei dt!r adiabatischen Expan\ion kühlt

sich das Gas ab. was bei Kühlma~chinen aus­genullt wird. Das Gas leitet Arbeit auf Ko­c ten einer inneren Energie W= - AU. Q = 0.

Mtt die' 1 Aeziehung berechnen \\ir d~:n Tempcratur­ahlall T - T - To etnCl 1d..:alen Gases na h dl'r adia· b.1ti hell t\pllllsion von .i1V = \' - Vo . Bes der sehr kleinen Ausdehnung d\l ki tet .1 mol de~ Gase die Ar­bett dW :: - dU p · d\! = Rl dV/ ~' . \gl. (5.17>. Dte mn re Energse SJnkt um dU \.of, vdT (dT ist negativ). Na h Emsetzen und Umfonnen erhalt man

dV -(x ·1) .

\'

5. Wärmelehre

Bei der zweiten Umformung wird (5 .16b) benutzt. Die Integration ergibt:

IoT= -ln(vx- 1)+const,

was sich in die Poisson-Gieichung umschreiben läßt:

rvx- 1 = To Vox- 1 = const .

Daraus entsteht die Gleichung für die Adiabate von Abb. 5.6 mit Hilfe der thermischen Zustandsgleichung (5.8):

p vx = const , (5.18)

Der adiabatische Kompressionsmodul, der für die Schallgeschwindigkeit maßgebend ist, läßt sich gemäß GI. (3.12) alsK ::::- Vdp / dV berechnen, wenn man die Poisson-Gleichung differenziert. Man erhält K = xp (Abschn. 4.2.5).

5.2.5 Carnotscber Kreisprozeß. Die Um­wandlung von Arbeit in Wärme, etwa in Rei­bungswärme, ist immer restlos möglich. Da­gegen ist erfahrungsgemäß umgekehrt die dauernde, restlose Umwandlung von Wär­meenergie in Arbeit nur unter bestimmten Bedingungen möglich. Um einen Einblick in die wesentlichen Punkte zu gewinnen, be­trachten wir einen sog. Kreisprozeß. Bei einem solchen durchläuft ein System von Körpern ganz allgemein eine Reihe von Zu­ständen und kehrt schließlich wieder in den Anfangszustand zurück.

Wir unterscheiden umkehrbare oder re­versible und irreversible Vorgänge. Irrever­sibel nennen wir einen Prozeß dann, wenn ohne von außen geleistete Arbeit sein Aus­gangszustand nicht wiederherzustellen ist; Beispiele sind der Temperaturausgleich, die Entstehung von Reibungswärme, das Aus­strömen eines Gases in einen Unterdruck­mum oder die Diffusion. - Umkehrbar ist ein Prozeß dann. wenn man das System da­durch in den Anfangszustand zurückbringen kann. daß es alle Zustände in umgekehrter Reihenfolge durchläuft.

Da!. ist bei der Zustandsänderung eines Gases nur möglich, wenn der Vorgang sehr langsam verläuft, so daß das System ständig im Druck- bzw. Temperatur­gleichgewicht ist. Läßt man dagegen ein Gas in einem Zylinder plötzlich einen Kolben gegen äußeren Unter­druck heraustreiben, so ist die innen vom Gas geleistete Arbeit fpdV wegen der Druckdifferenz größer als die

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5.2 Wärme und Arbeit

außen gewonnene poL1V. Es geht mechanische Energie .,verloren", die sich in Wärme umsetzt und beim Rück­lauf fehlt (irreversibel). Beim reversiblen Prozeß muß der äußere Druck so einreguliert werden, daß er in je­dem Moment gleich dem inneren ist.

Beim Carnotschen Kreisprozeß durchläuft ein ideales Gas, das sich ständig im Gleichge­wicht befinden möge, der Reihe nach folgen­de vier Zustandsänderungen, an deren Ende e wieder seinen Anfangszustand einnimmt:

1. eine isotherme Expansion bei der Tem­peratur T1 von A bis B, s. Abb. 5.7;

2. eine adiabatische Expansion von B bis C, wobei sich das Gas auf die Temperatur T2

abkühlt; 3. eine isotherme Kompression bei der

Temperatur T2 von C bis D; 4. eine adiabatische Kompression von D

bis A, also bis zur ursprünglichen Tempera­tur T1•

Nach Durchlaufen des 4. Prozesses haben Druck, Volumen und Temperatur des Gases wieder ihre ursprünglichen Größen ange­nommen. Um einen solchen Prozeß zu ver­wirklichen, brauchen wir je einen Wärme-peicher der Temperatur T1 und T2• Auf dem

Weg AB bzw. CD wird das Gas in enge Be­rührung mit dem Wärmespeicher T1 bzw. T2

gebracht. Bei den adiabatischen Zustandsän­derungen BC und DA wird das Gas ther­misch isoliert, so daß kein Wärmeaustausch mit der Umgebung stattfindet. Auf dem We­ge ABC leistet das Gas äußere Arbeit, seine Arbeitsleistung ist also positiv, auf dem Rückweg CDA ist sie dagegen negativ. Für jeden Teilweg ist die Arbeit durch Jp d V ge­geben (Abschn. 5.2.4). Beim ganzen Kreis­prozeß leistet das Gas nach außen eine Ar­beit W, die gleich der Fläche ABCD ist. Während der isothermen Expansion AB hat e eine Wärmemenge Q1 aus dem Wärme­speicher mit T1 aufgenommen, und bei der i othermen Kompression CD gibt es eine kleinere Q2 an den Wärmespeicher mit T2 ab. Es muß nach dem ersten Hauptsatz gelten:

(5.19)

Da man diesen Kreisprozeß, bei dem me­chanische Arbeit gewonnen wird, beliebig oft wiederholen kann, hat man die Möglich-

9

keit, ihn in einer Wärmekraftma chine zu verwirklichen. Wir erkennen aber au den obigen Betrachtungen, daß eine derartige, periodisch arbeitende Wärmekraftma hin immer nur zwi chen ärme peichern ver­schiedener Temperatur arb iten kann und daß nur ein Teil der vom peicher h hercr Temperatur abgegebenen Wärmemenge Q 1 in mechani ehe Energie W umgewandelt wird. Dieser Bruchteil beträgt:

w Qt - Q2 1'f-=- '- . (5.~0)

Ql Ql

Die übrige W rme Q2 geht hin ichtli h der Arbeitsleistung nutzlo ,. er Ioren" . 11 b -zeichnen wir ab den thermi chen Wirkung -grad der Wärmekraftma chine. l•ür den notsehen Krei prozeß eine id al n (" läßt ich 11 berechn n. Man find t u (5 .17) zur i othermen Kompre ion ar bzw. -wärme: Q1/ Q2 = 'r. I 'Tz, und d

11 - 72 11 =-- .21) 11

p

II

bb. 5.7. Carnol her Krei pr zcß

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dementsprechend erhöhten Siedetemperaturen des Was­sers. Trotzdem erreicht man bei Kolbendampfmaschi­nen auch unter den günstigsten Verhältnissen nur Wir­kungsgrade bis zu maximal etwa 0,16. Wirtschaftlicher sind Dampfturbinen, bei denen ein aus einer Düse aus­tretender Dampfstrahl auf ein Schaufelrad wirkt.

Den besten Wirkungsgrad besitzen die mit erheblich größeren Temperaturunterschieden arbeitenden Ver­brennungsmotoren. Mit Dieselmotoren läßt sich ein Wirkungsgrad von etwa 0,35 erzielen.

Den reversiblen Prozeß können wir auch rückwärts laufen lassen, wobei unter Zufuhr von äußerer Arbeit dem Behälter mit der tie­feren Temperatur Wärme entzogen und an den Behälter höherer Temperatur abgegeben wird. Das ist das Prinzip der Kältemaschine. Es wird also, aber nur unter Aufwand äuße­rer Arbeit, ein Körper gegenüber seiner Um­gebung abgekühlt.

Da beim umgekehrten Durchlaufen eines Kreisprozes­ses die dem Behälter tieferer Temperatur entzogene Wärme Q2 an den Behälter höherer Temperatur abgege­ben wird, kann man einen Körper auch auf dem Wege über eine rückwärtslaufende Wärmekraftmaschine, die wir sinngemäß als Wärmepumpe bezeichnen, heizen. Dieser Weg ist viel günstiger als die direkte Heizung und wird im Zeitalter des "Energiesparens" von der Technik auch beschritten. Man entzieht nämlich den größten Teil der Heizwärme Q1 dem Behälter tieferer Temperatur, z. B. einem See oder der Außenluft, und muß nur die Arbeit W = Q1 - Q2 aufwenden. Dabei bleibt zwar phy­sikalisch der Energieaufwand derselbe, aber die wirt­schaftlich teuere und knappe Energieform (Öl, elektri­sche Energie) wird gespart.

5.2.6 Zweiter Hauptsatz der Wärmelehre, Entropie. Der erste Hauptsatz enthält nur die Aussage, daß bei jeder Umwandlung von Wärme in Arbeit oder umgekehrt die Energie erhalten bleibt. Er gibt uns aber keine Ant­wort auf die Fragen: Unter welchen Bedin­gungen und in welchem Umfang kann man aus Wärme Arbeit gewinnen? Die Antwort liegt bereits in den besprochenen Eigenschaf­ten des Carnotschen Kreisprozesses, bzw. dem höchstmöglichen thermischen Wir­kungsgrad einer Wärmekraftmaschine (Ab­sehn. 5.2.5). Der zweite Hauptsatz drückt das in einer zunächst negativen Formulie­rung folgendermaßen aus: Es ist unmöglich, eine periodisch arbeitende Maschine zu bau­en, die lediglich dauernd einem Körper Wär­me entzieht und diese vollsttindig in mecha­nische Nutzarbeit umwandelt, ohne daß wei­tere Prozesse ablaufen. Eine solche Maschi-

5. Wärmelehre

ne wäre die billigste Energiequelle der Welt. Man bezeichnet sie historisch als Perpetuum mobile zweiter Art, im Unterschied zum nach dem Energieerhaltungssatz unmögli­chen Perpetuum mobile, das zur besseren Unterscheidung auch Perpetuum mobile er­ster Art genannt wird.

Man merke wohl, daß in einem einmaligen Vorgange, bei dem das arbeitende System nicht in seinen Ausgangszustand zurück­kehrt, es sehr wohl die ganze aufgenommene Wärmemenge in mechanische Arbeit umset­zen kann. Ein ideales Gas von hohem Druck entzieht einem Speicher Wärme und verwan­delt sie unter isothermer Expansion restlos in Arbeit, hat aber am Prozeßende nur noch ge­ringen Druck, aber die gleiche innere Energie wie am Anfang, vgl. Abb. 5.7, Weg AB.

Mögen Carnotscher Kreisprozeß und Per­petuum mobile 2. Art noch recht abstrakte und unmittelbar wenig durchschaubare Vor­gänge darstellen, so gelangt man zu einer anschaulicheren Aussage des 2. Hauptsat­zes, wenn man an das Prinzip der Kältema­schine anknüpft. Danach muß man Arbeit leisten, um Wärme von einem Körper tiefe­rer Temperatur auf einen anderen höherer Temperatur zu übertragen. Wärme geht nie von selbst, d.h. ohne Arbeitsaufwand, vom kälteren zum heißeren Körper über, son­dern stets umgekehrt. In der Natur suchen sich Temperaturunterschiede auszugleichen, ebenso wie Druck- und Konzentrationsunter­schiede.

Zur allgemeineren Formulierung des zweiten Hauptsatzes wird eine neue Zu­standsgröße eingeführt, die Entropie S. Wir sagen, wenn ein Körper bei der Temperatur T die Wärmemenge Q in einem reversiblen Prozeß aufnimmt, so steigt seine Entropie um

(5.22)

Bei Wärmeabgabe fällt die Entropie entspre­chend. Die Entropie-Änderung L1S ist also die reversibel ausgetauschte Wärmemenge, aber gemessen in einer Skala, die proportio­nal T anwächst. Dieselbe Warmemenge ent­spricht bei höherer Temperatur einer viel geringeren Entropie als bei tieferer.

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Abb. 5.17. Joule-Thomson-Effekt

110

kleines, so doch endliches Volumen, so daß man ein Gas nicht beliebig komprimieren kann. Der Raum, den man durch Druck ver­ringern kann, ist nicht V, sondern V- b, wo b durch die Raumerfüllung der Moleküle be­stimmt ist 17

• Auf Grund derartiger Überle­gungen hat van der Waals folgende Zu­standsgleichung für das Mol eines realen Ga­ses aufgestellt:

(p+ ; 2 )(V-b)=RT. (5.31a)

a und b sind Stoffkonstanten des betreffen­den Gases. a!V2 ist der Kohäsionsdruck, der mit zunehmendem Volumen, d. h. mit größer werdendem Abstand der Moleküle, kleiner wird. Aus der Gleichung erkennen wir z. B., daß bei konstant gehaltener Temperatur das Gesetz p V= const nicht mehr gilt, daß aber das Gas um so besser die idealen Gasgesetze erfüllt, je größer sein Volumen, d. h. je ge­ringer seine Dichte ist. Das gilt auch, je hö­her die Temperatur des Gases ist, denn bei wachsender Temperatur steigt der Druck, so daß das Glied a/V2 gegenp immer mehr zu­rücktritt, vgl. Abb. 5.16, Isotherme 77 °C.

Die van der Waalssche Gleichung gibt das Verhalten der realen Gase einschließlich ihrer Verflüssigung sehr gut wieder, mit folgender Einschränkung: Unterhalb der kritischen Temperatur liefert sie eine Isotherme mit Ma­ximum, Wendepunkt und Minimum in dem Zustands­bereich, wo Dampf und Flüssigkeit nebeneinander exi­stieren. Das zugehörige horizontale Stück der wahren Isothermen ist gerade die Sekante, die zusammen mit der van der Waals-Kurve zwei gleiche Flächen um­schließt. Die von beiden Seiten in dieses Gebiet hereinra­gc:nden Stücke der Isothermen nach van der Waals ge­ben links das Verhalten von überhitzter Flüssigkeit und rechts von übersättigtem Dampf, zwei nicht stabilen Zu­ständen, richtig wieder.

Die kritischen Daten hängen mit den van der Waals­schen Konstanten a und b zusammen. Die Beziehungen ergeben sich aus der Bedingung, daß am kritischen Punkt die Isotherme eine horizontale Wendetangente haben muß:

a vk = 3 b , Pk = --

27 b 2 Sa

RTk=-. 27b

(5.31 b)

(5.31c)

Daraus folgt RTkiPk =Sb. Vergleicht man Gase mit et­wa gleichem Molekülvolumen (b ), so ist großer kriti­scher Druck mit einer hohen kritischen Temperatur ver­bunden, vgl. Tab. 5.7, Stoffe der linken Spalte.

17 b ist gleich dem vierfachen Eigenvolumen aller Mole­küle im Mol, das sog. Kovolumen.

5. Wärmelehre

5.4. 7 Tiefe Temperaturen. Zur Abkühlung eines Körpers, z. B. eines Präparates, benö­tigt man ein Kühlmittel, das sich auf tieferer Temperatur befindet und ihm daher Wärme entziehen kann. Besonders wirksam sind da­bei Kühlmittel an einem Umwandlungs­punkt, weil sie die entzogene Wärmemenge als Umwandlungswärme verwenden und da­her nicht selbst wärmer werden. Eis ist ein wohlbekanntes Beispiel. Für tiefere Tempe­raturen müssen Gase verflüssigt werden, die in oder unter dem betreffenden Temperatur­bereich ihren Siede- oder Schmelzpunkt ha­ben, vgl. Tab. 5.6 und 5.3.

Um erst einmal die Kältemittel selbst abzu­kühlen, kann man die Verdampfung einer Flüssigkeit ausnutzen. Gießt man Äther oder Chlorethan, C2H 5Cl, auf die Haut, so wird dieser die zur Verdampfung nötige Wärme entzogen, und man erhält eine beträchtliche Abkühlung, welche die Schmerznerven un­empfindlich macht (Lokalanästhesie). Ent­sprechend der Dampfdruckkurve (Abschn. 5.4.3) führt Verdampfen unter verminder­tem äußeren Druck zu noch tieferen Tempe­raturen. - Sehr viel wirksamer ist die Ver­wandelung von Wärme in Arbeit durch adia­batische Expansion, bei der äußere Arbeit geleistet wird, vgl. auch Kältemaschine (Ab­sehn. 5.2.5). Besondere praktische Bedeu­tung hat die Abhängigkeit der inneren Ener­gie eines realen Gases vom Volumen. Wird es langsam gedrosselt entspannt, so tritt eine Temperaturänderung auf, auch ohne daß es nach außen Arbeit leistet.

Wir wollen diesen sog. Joule-Thomson­Effekt zunächst etwas näher betrachten. Aus einem unter dem dauernden Druckp1 stehen­den Behälter ströme Luft durch ein Rohr in einen Behälter mit geringerem Druck p 2, s. Abb. 5.17, wobei ein Wärmeaustausch mit der Umgebung verhindert wird. Das Rohr sei in der Mitte durch einen Pfropfen aus Watte verstopft, so daß das Gas sehr langsam über­strömt, damit keine merkliche Reibungswär­me entsteht. Dabei müssen wir beim Durch­pressen des Volumens V1 die Arbeitp1 V1 auf­wenden (Abschn. 3.3.3). Andererseits leistet das durchgedrückte Gas hinter der Drossel-

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5.4 Änderungen des Aggregatzustandes

stelle gegen den kleineren Druck p 2 die Ar­beit p 2 Vi, indem es das Gas vor sich her­schiebt. Für ein reales Gas ist p 1 VI bei kon­stanter Temperatur nicht gleich p 2 Vi.

Die innere Energie eines realen Gases be­steht nun aus zwei Beiträgen, nämlich aus seiner molekularen Bewegungsenergie (M cv T für 1 mol) und der von den Anziehungs­kräften herrührenden potentiellen Energie - al V. Letztere nimmt bei sehr großem Vo­lumen den Grenzwert Null an. Da die poten­tielle Energie also bei einer Ausdehnung im­mer zunimmt, muß bei fehlendem Wärme­austausch die Bewegungsenergie der Mole­küle, d. h. die Temperatur, entsprechend ab­nehmen (sog. innere Arbeit). Dazu kommt die Temperaturänderung wegen der äußeren Gasarbeit. Ist p 2 Vi > p 1 VI, so nimmt die Temperatur zusätzlich ab. Ist hingegen P2 V2 <p1 VI, was nach der van der Waals­schen Gleichung durchaus möglich ist, so kann es sogar im ganzen zu einer Tempera­turerhöhung kommen (Einfluß des Eigenvo­lumens, Konstante b ). So gibt es für jedes Gas eine Inversionstemperatur. Unterhalb derselben tritt Abkühlung ein, oberhalb Er­wärmung.

Bei Luft, Wasserstoff und Helium liegt die kritische Temperatur weit unter Zimmertem­peratur, so daß man diese Gase zur Verflüs­sigung entsprechend abkühlen muß. Das von Linde begründete Verfahren beruht auf dem Joule-Thomson-Effekt bei gedrosselter Ent­spannung. Dazu kommt noch das Gegen­stromprinzip. In der Lindemaschine zur Ver­flüssigung, s. Abb. 5.18, wird die Luft zuerst auf etwa 200 bar komprimiert und ihr dann die Kompressionswärme im Kühler L entzo­gen. Dann wird sie durch das Ventil V ent­spannt, wobei sie sich abkühlt. Diese kalte Luft strömt nun durch den Gegenstromap­parat in den Kompressor K zurück. Dabei kühlt sie die neu zum Ventil V hinströmende Luft vor, so daß diese nach dem Entspannen eine tiefere Temperatur als die erstmalig ent­spannte Luft besitzt. So wird die zur Ent­spannung gelangende Luft ständig weiter ab­gekühlt, bis sie schließlich beim Ausströmen flüssig wird und in das Vorratsgefäß G ab­tropft.

lll

Flüssige Luft hat bei Atmo phärendruck eine Tempe­ratur von - 191 cc. Da tickstoff einen höheren Dampfdruck oder tieferen iedepunkt als Sauer toff be­sitzt, s. Tab. 5.6, verdampft der erstere bevorzugt, und die Flüssigkeit wird be1 längerem Stehen immer reicher an Sauerstoff.

Entspannt man Wassersraff bei Zimmertemperatur, so erwärmt er sich. Daher muß er erst unter seine Inver­sionstemperatur von - 80 •c, bei der der Wärmeeffekt das Vorzeichen wech elt, abgekühlt werden, ehe er dem Gegenstromapparat zur Entspannung und Verflü si­gung zugeführt werden kann.

Tiefsee Temperaturen. Der Siedepunkt von Helturn ist 4,2 K. Läßt man Helium , unter vermindertem Druck sieden, so erhält man Temperaturen bis zu 0,7 K, mit dem Isotop 3He 0,3 K.

Temperaturen bis herab zu 5 mK erreicht man heute mit 3He-4He-M1Schkryo taten, die eine räumliebe Pha­sentrennung de flus. igen Isotopengemi ehe usnutzen . Dabe1 bildet sich ob~.:n un Geraß em~ le1cb re, prak­tisch reine 1He- Pha~e. H1e.mu~ ;..hffundiercn , n • wH: be1m Verdampfen. 3H Atome m die darunterb 'ende 4He-reiche Pha'"· Di I osung wärme 1 t au , vgl. Abschn. 5.4.2, so daß d1e Flü <1gkeit tm Kry ta 1 h abkühlt.

Indem man den M1s hkryo,taten · I nutzt und amchheßend da! Verfahren der d1 b tl eh n Kernentmagndhierun anwendet, t t elun en n t körperbis ca. 3 1-1K abLUkuhlen . Beim Entma nett 1 re d. h. beim Absenken d " Magnetfelde, , drehen Kh ma­gnetische Dipole sukze ive us der Pddrichtung her­aus, vgl. Ab,chn. 6.6.9 , di dafür erforderliche rbcit muß die therm1'che (mnere) Energie hefern.

Mit die,en sog. kryogentn 1ethod n du h "K lte­mlll>chinen" gelingt e nicht , ehr verdilnnte G auf e"trem tiefe Temperaturen zu klringen. B t 1hnen führt n den Bereich untcr 1 1-1K d1e KuhJung mtt Laserstrahl n, vgl. Abschn. 7.6.4. Man llenutzt dabe1 d n brem nd n Impulsübertrag eme' Ph ton , \ gl. b hn . 7 6 l und • bei der Abs\lfptwn in etn m entgegenkomm nd n tom auf dte,e-.. Die e erfahren ermoglichten ili Erzeu ung von kalten tom en Quantenga. en in r\r Jten. d1 nut dem obelpre1s 2001 u'geLeJChnet wurden. \ I. Ab­

sehn . 7.6.5

Aufgaben 5.4.1 Ein Regler h lt die Temperatur ein Knhlb de auf 10•c, wobei Ei die vom wärmeren Außenraum ein­strömende Wärme aufnimmt. Welche W rmemenge können dabei 5 kg Ei von o•c im ganzen aufnehmen?

5.4.2 In 50 cm3 Wa ser werden 9 g eine to fes gelö t . Der Gefrierpunkt w1rd als -2,05 •c bestimmt. Wel he molare Masse hat der Stoff?

5.4.3 Bei Nachtfrostgefahr werden Weinberge in der Blütezeit mit Wasser be prüht. Wie werden aul die e Weise d ie Weinblüten ge chützt?

Abb. 5.18. Schema der Luftverflilssi­gun ' nach Linde