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P. Rky. Koordaiaation und Atomstruktur. 189 Ksordination und Atomstruktwr. Von PRIYADARANJAN RAY. l) Seit der Entwicklung der Elektronentheorie der Valenz, die auf der neueren Atomstruktur beruht, sind verschiedene Versuche gemacht worden, die Konstitution der koordinativen Komplexe im Lichte dieser Theorie darzustellen. Es sind hier zu erwahnen KOSSEL~), BosE~), CABRERA~) u. a. Die Ansichten von KOSSEL, BUTLER, BOSE und CABRERA erklaren aber nicht ausreichend den Bildungsmechanis- mus sowie die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Komplexverbindungen. SIDGWICK'S Ansicht bringt ohne Zweifel einen wichtigen Beitrag zur Losung dieser Frage; sie ist auch ge- schickt gestiitzt worden von Lowsn , FOWLER und besonders von WELO und BAUDISCH, die versucht haben, die magnetische Sus- zeptibilitat mit der Konstitution der Komplexe in Verbindung zu bring en. In der vorliegenden Arbeit wird eine umfassende Ansicht uber die Konstitution der Komplexverbindungen auf Grund der Annahmen von SIDGWICK entmickelt. Zunachst muB man zwei Klassen von Komplexverbindungen unterscheiden; die starken oder vollkommenen und die schwachen oder unvollkommenen Komplexe. Zu den ersten gehijren alle Kom- plexe von Co"', Pt", Pt"", Cr"', Rh"', Ir"', Ira"' usw. Diese sind ausgezeichnet durch ihre auBerordentliche Komplexifat und charakte- ristische chemische Eigenschaften. Die ubrigen sogen. Komplex- sIDGWICK3), LOWRY 4), F~WLEIL '), WELO Und BAUDISCE~), BUTLER'), l) Aus dem englischen Manuskript ins Deutsche ubertragen von I. KOPPEL- %) KOYSEL, Ann. Phys. 49 (1916), 229. 9 SIDQWICK, Journ. Chem. SOC. 123 (1923), 725. 4, LOWRY, Diskussion, Farad. SOC. (1923); Chem. and Ind. 4? (1923), 316. 5, FOWLEB, Diskussion, Furud. Soc. (1923). 6, WELO u. BAUDISCH, Nature 116 (1925), 606. ?) BUTLER, Trans. Farad, SOC. 21 (19251, 349. a) BOSE, 2. Phys. 36 (1925), 213, 219. 7 CABBERA, J. Phys. Radium 6 (1925), 276. Berlin.

Koordination und Atomstruktur

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P. Rky. Koordaiaation und Atomstruktur. 189

Ksordination und Atomstruktwr. Von PRIYADARANJAN RAY. l)

Seit der Entwicklung der Elektronentheorie der Valenz, die auf der neueren Atomstruktur beruht, sind verschiedene Versuche gemacht worden, die Konstitution der koordinativen Komplexe im Lichte dieser Theorie darzustellen. Es sind hier zu erwahnen KOSSEL~),

BosE~), CABRERA~) u. a. Die Ansichten von KOSSEL, BUTLER, BOSE und CABRERA erklaren aber nicht ausreichend den Bildungsmechanis- mus sowie die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Komplexverbindungen. SIDGWICK'S Ansicht bringt ohne Zweifel einen wichtigen Beitrag zur Losung dieser Frage; sie ist auch ge- schickt gestiitzt worden von Lowsn , FOWLER und besonders von WELO und BAUDISCH, die versucht haben, die magnetische Sus- zeptibilitat mit der Konstitution der Komplexe in Verbindung zu bring en.

In der vorliegenden Arbeit wird eine umfassende Ansicht uber die Konstitution der Komplexverbindungen auf Grund der Annahmen von SIDGWICK entmickelt.

Zunachst muB man zwei Klassen von Komplexverbindungen unterscheiden; die starken oder vollkommenen und die schwachen oder unvollkommenen Komplexe. Zu den ersten gehijren alle Kom- plexe von Co"', Pt", Pt"", Cr"' , Rh"', Ir"', Ira"' usw. Diese sind ausgezeichnet durch ihre auBerordentliche Komplexifat und charakte- ristische chemische Eigenschaften. Die ubrigen sogen. Komplex-

sIDGWICK3), LOWRY 4), F~WLEIL '), WELO Und BAUDISCE~), BUTLER'),

l) Aus dem englischen Manuskript ins Deutsche ubertragen von I. KOPPEL-

%) KOYSEL, Ann. Phys. 49 (1916), 229. 9 SIDQWICK, Journ. Chem. SOC. 123 (1923), 725. 4, LOWRY, Diskussion, Farad. SOC. (1923); Chem. and Ind. 4? (1923), 316. 5, FOWLEB, Diskussion, Furud. Soc. (1923). 6, WELO u. BAUDISCH, Nature 116 (1925), 606. ?) BUTLER, Trans. Farad, SOC. 21 (19251, 349. a) BOSE, 2. Phys. 36 (1925), 213, 219. 7 CABBERA, J. Phys. Radium 6 (1925), 276.

Berlin.

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verbindungen gehiiren in die zweite Klasse und verhalten sich wie Ubergangsformen zwischen echten Komplexen und Doppelsalzen oder Molekularverbindungen. Den ersten kann also nach SIDGWICK in mehr oder weniger hohem Grade die Konfiguration eines Edelgases zugeschrieben werden. Nimmt man die abgeanderte Form der S&IIrH-SrosER’schen Elektronenverteilung in den verschiedenen Gruppen und Untergruppen an1), so ergeben sich fur eine Anzahl

Name Zahl der Elektronen in den ver-

schiedenen Gruppen

Cr+++-komplex Fe++ . . . . Fe++-komplex F e + + + . . . Fe+ + +- komplex c o + + + . . . Co+++-komplex

zusammengestellten

18 18 18 18 18 18 18

nBohr (Zahl von BOEE’S Magnetonen)

3 3 4

D i a (Diamagnetisch). 5 1

2 3 Dia

In dieser Aufstellung ordnen sich die zwiilf koordinierten Ein- heiten in sechs Paaren von Teilkreisen, die zu der M3,-Untergruppe und der N,-Gruppe des Zentralatoms gehoren. Es wird hier an- genommen, daB die N,-Gruppe sich nicht in zwei Untergruppen N,, und N,, spaltet, da sie vorher keine eigenen vom Zentralatom ge- lieferten Elektronen enthielt. Jede einzelne Elektronenbahn von M,, ist so mit einer von N, gekuppelt unter Bildung eines Paares von Teilbahnen fur jede koordinierte Einheit des sechsfachen Kom- plexes. Hierdurch wird die Xquivalenz der sechs Einheiten er- halten, so daB keinerlei Unterschiede auftreten. Sie kiinnen dem- nach dargestellt werden durch symmetrische Verteilung in den Ecken eines regubren Oktaeders, wie es nach WEIGNER’S Theorie erforder- lich ist. Die so erzielte Konfiguration ist der des nachsten inerten Gases, Krypton, Lhnlich.

Die Konstitution der vollkommenen sechsfachen Komplexe von Molybdan, Rhodium, Iridium und Platin kann in ahnlicher Weise dargestellt werden. Bei den vollkommenen vierfachen Komplexen von Palladium uod Platin nimmt man an, da6 die acht gemein-

l) SMITH, Chem. and ImZ. 43 (1924), 323; STONER, Phil. Afag. (6) 48 (1924), 719.

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Koordination wnd Atonzstruktur. 191

samen Elektronen in gleicher Weise zwischen den N3,- und 02,- Niveaus bei Palladium und 03%- und P,,-Niveaus beim Platin ver- teilt sind wie Tabelle 2 zeigt.

Tabelle 2.

Zahl der Elektronen in den verschiedenen Name Gruppen nRohr

Die meisten Werte fur die magnetischen Suszeptibilifaten der einfachen und komplexen Ionen sind aus ROSENBOHM'S Resultatenl) entnommen. Um die Beziehung zwischen magnetischem Moment und Elektronenkoafiguration der Komplexe zum Ausdruck zu bringen, wurde mit LADENBIJRG~) angenommen, daB nur die unvollstandigen Gruppen zur Entwicklung paramagnetischer Eigenschaften beitragen.

Bei den schwachen oder unvollkommenen Komplexen wie CuSO, . 5NH3, CuSO, 4NH3, NiC1, 6NH3, NiCl, 4NH3 usw., die ihrem Komplexcharakter mehr oder weniger leicht durch thermische oder andere physikalische Storungen verlieren, die wie &LTZ und HUTTIG 9 gezeigt haben, stufenweise bei Temperatursteigerung disso- ziieren und so Unterschiede der angelagerten Nolekeln erkennen lassen und die weiterhin fast dasselbe magnetische Moment wie die einfachen Ionen besitzen, kann man ohne Zwang annehmen, daB die verschiedenen angelagerten Einheiten Elektronen mit dem Zentral- atom in verschiedenen augeren Niveaus gemeinsam haben, so daB die ursprungliche Elektronenverteilung des Zentralions unverandert bleibt. Dies gilt auch fur viele Salzhydrate wie CuSO, 5Hz0, FeSO, . ?H,O usw. Die Konfiguration ist beispielsweise fur der- artige Kobaltverbindungen in Tabelle 3 angegeben.

Im Licht der obigen Darstellung kann dieser Typus der un- vollkommenen Komplexe als ,,Anlagerungskomplex4c bezeichnet werden, im Gegensatz zu den vollkommenen Komplexen, die demnach als ,,Durchdringungskomplexe(' oder ,,Einlagerungskomplexe" anzu- sehen sind, da im letzten Fall ein mehr oder weniger weit nach innen gelegenes Niveau der Elektronen die gemeinsamen Elektronen enthalt.

I) ROSENBOHX, 2. phys. Clzem. 93 (1919)' 693. LADENBURG, Natzcrwiss. 8 (1920)' 6. H~~TTIG, 2. anorg. u. allg. Chem. 123 (1922), 42.

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G O + + . . . ~ 18 4 - _ I I co+ +-kompies 18 ‘ 3 2 2

(secnsfach) 1 I 4

(vierfach) i Co*+-komplex ’ 18

Tabelle 3.

- 4 -

4

- nBohr

4 4

4

Zum SchluB miige daranf‘hingewiesen werden, daS die folgenden Faktoren, die die Bildung von Komplexverbindungen beherrschen, ZLI

beriicksichtigen sind : 1. Ladung des Zentralions, welches die Quelle der Anziehung

bildet ; 2. Neigung des Zentralions, die Konfiguration des nachsthijheren

Edelgases anzunehmen ; 3. Art der Elektronenverteilung im Zentralatom; 4. die Koordinationsgruppen miissen derart beschaffen sein, daB

sie fur jede koordinative Bindung zwei Elektronen auf das Zentral- ion iibertragen konnen.

Der unter 1. genannte Faktor schlieBt auch den EinfluI3 des Volumens des Zentralions ein, je geringer das Volumen, um so starker ist die Anziehung.

Uber die Natur der Elektronenverteilung im Zentralion (Nr. 3) scheint die folgende Annahme nutzlich zu sein:

J e zwei Elektronen neigen zu einem engen ZusammenschluB. Ein einzelnes Elektron in einer verhaltnismaBig weit auBen liegenden Untergruppe ist ziemlich instabil. Die Stabilitiit jeder Untergruppe nimmt mit der Zahl der darin enthaltenen Elektronen zu.

Wegen weiterer Einzelheiten sei verwiesen auf die Arbeit im Journal of the Indian Chemical Society, V. 1 (1928), 73.

Calcutta, Uwisersity College of science and techmlogy.

Bei der Redaktion eingegrtngen am 3. April 1928.