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Wolfgang Wiegand Kreditsicherung und Rechtsdogmatik Sonderdruck aus der Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979 Verlag Paul Haupt Bern und Stuttgart

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Wolfgang Wiegand

Kreditsicherung und Rechtsdogmatik

Sonderdruck aus der Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979

Verlag Paul Haupt Bern und Stuttgart

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INHALTSVERZEICHNIS

Rechtsgeschichte

RICHARD BAUMLIN Jean-Jacques Rousseau und die Theorie des demokratischen Rechts­staats Pio CARONI Glanz und Untergang des bourgeois riche vaudois

PETER R. WALLISER Zur Entwicklung des Schuldrechts und der persönlichen Sicher­heiten in westschweizerischen Rechten im Mittelalter

Privatrecht

ROLF BÄR Der öffentliche Glaube des Handelsregisters EUGEN BUCHER Die verschiedenen Bedeutungsstufen des Vorvertrages CHRISTOPH VON GREYERZ Die Folgen der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft HEINZ HAUSHEER Zur Problematik der künstlichen Insemination: Ein Beitrag aus Strassburg?

HORST ALBERT KAUFMANN Ehevertragliche Vorschlagsausbedingung und pflichtteils­rechtliche Herabsetzung

MAX KUMMER Das oberste Organ des Genossenschaftsverbandes WOLFGANG WIEGAND Kreditsicherung und Rechtsdogmatik

PIERRE JOLIDON Les motifs du recours en nullité selon le Concordat suisse sur l'ar­bitrage HANS WALDER Die Wiederaufnahme des Verfahrens in Strafsachen nach Art. 397 StGB, insbesondere auf Grund eines neuen Gutachtens

Völker- und Staatsrecht

RUDOLF BINDSCHEDLER Rechtsakte der internationalen Organisation ARTHUR HAEFLIGER Rechtsgleichheit und Gesetzgeber

HANS MARTI Die Wirtschaftsfreiheit im Experten-Verfassungsentwurf

JÖRG PAUL MÜLLER / PETER SALADIN Das Problem der Konsultativabstimmung

LASZLO REVESZ Wahl und Parlament in der UdSSR

Verwaltungsrecht

WERNER GULDIMANN Lärmbekämpfung als Aufgabe des Luftrechts

FRITZ GYGI Über die anfechtbare Verfügung RUDOLF PROBST Landesversorgungsrecht

ALDO ZAUGG Die Zone für Sonderbauvorschriften im Baurecht Bernischer Gemeinden

Dieser Sonderdruck ist nicht im Buchhandel erhältlich

Gesamtwerk: 591 Seiten, Leinen Fr. 5 8 - / DM 64.-

VERLAG PAUL HAUPT BERN UND STUTTGART

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Kreditsicherung und Rechtsdogmatik

von

WOLFGANG WIEGAND

Im Bereich der Kreditsicherung manifestiert sich mit ganz besonderer Deut­lichkeit eine Problematik, die heute zu einem Kernproblem der Zivilrechts­wissenschaft geworden ist: die Diskrepanz zwischen legislatorischer Kon­zeption und der an ihr orientierten Dogmatik einerseits und der Rechts­wirklichkeit andererseits. In der Praxis der modernen Verkehrswirtschaft haben sich vielfältige Kreditsicherungsformen herausgebildet, die zwar for­mal an gesetzlich geregelte Institute anknüpfen, sich in der Sache aber von den diesen Regelungen zugrunde liegenden Konzeptionen und den damit verfolgten Zwecken des Gesetzgebers weit entfernt haben. Die dadurch entstandene Unsicherheit verdeutlicht die Tatsache, dass der Deutsche und österreichische Juristentag sich jüngst mit «Aktuellen Problemen des Kredit­sicherungsrechts»1 befasst haben. Dabei ging es einerseits um die Anpas­sung der juristischen Konzeption an die sich rasch verändernde Praxis der Kreditsicherung, zum andern war die Debatte vor allem in Deutschland ge­kennzeichnet von einer zunehmenden Sorge um die Ausgewogenheit der Mittelverteilung bei Insolvenzen2. Die rasch ansteigende Zahl der Konkurse in der Rezessionsphase hatte deutlich gemacht, dass immer häufiger die Konkurseröffnung (mangels Masse) abgelehnt werden musste, weil sämt­liche verwertungsfähigen Güter und Rechte an bevorzugte Kreditgeber übertragen waren. Dabei handelt es sich gewiss insofern um eine besondere Situation, als in Deutschland durch eine Kombination von verschiedenen

1 Thema des 4. österreichischen Juristentages 1970, vgl. dazu das unter diesem Titel in den Verhandlungen (I 3) veröffentlichte Gutachten von G. FROTZ, Wien 1970; der Deutsche Juristentag hat sich zuletzt 1976 mit dieser Thematik befasst, vgl. dazu das Gutachten von U. DROBNIG, Empfehlen sich gesetzliche Massnahmen zur Reform der Mobiliarsicherheiten? in Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages I, München 1976. In den beiden genann­ten Gutachten ist die gesamte deutschsprachige und teilweise die internationale Literatur zum Kreditsicherungsrecht erfasst. Ich beschränke mich deshalb im folgenden fast ausschliess­lich auf die schweizerische Literatur und Rechtssprechung, Hinweise auf das deutsche und österreichische Recht erfolgen nur, soweit sie für das Verständnis des Textes unbedingt not­wendig sind.

2 Umfangreiches Zahlenmaterial dazu bei DROBNIG a.a.O.

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Sicherungsmitteln ein Sicherungsmechanismus entwickelt worden ist, der Dritten praktisch keine Chance belässt3.

Derartigen Fehlentwicklungen hat die Gesetzgebung in der Schweiz zu einem Zeitpunkt entgegengewirkt, als sie andernorts noch kaum erkannt waren. Die starke Beschränkung des Eigentumsvorbehalts durch Registrie­rung und die faktische Ausschaltung der Sicherungsübereignung durch Be­sitzkonstitut in den Art. 715—717 ZGB gehören trotz mancher Mängel im Einzelnen sicher zu den bemerkenswertesten legislatorischen Leistungen. Diese Vorschriften beruhen - wie man etwa in den eindrucksvollen Aus­führungen von HOFFMANN4 nachlesen kann — auf der Überzeugung, dass für derartige Sicherungsgeschäfte eine Publizität erforderlich sei, die Dritten hinreichend Schutz gewähre5. Diese Entscheidung des Gesetzgebers, auf deren Bedeutung und Tragweite noch näher einzugehen ist, betrifft jedoch nur einen Teilbereich der (nicht grundpfandlich) gesicherten Kredite. Da­mit sind jedoch längst nicht alle Sicherungsformen erfasst. Es gibt vielmehr auch in der Schweiz Erscheinungsformen der Kreditsicherung, die zu Be­sorgnis Anlass geben. Zumeist finden sie sich in Formularverträgen, gele­gentlich auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen. Wenn deshalb im fol­genden auf die Formularpraxis näher eingegangen wird, so geschieht dies jedoch nicht unter dem üblichen Aspekt. Normalerweise geht es darum, als anstössig und korrekturbedürftig empfundene Klauseln, die durch ihre An­wendung sozial oder wirtschaftlich schwächere Partner in unzumutbarer Weise belasten, soweit als möglich auszuschalten6. Hier geht es um einen anderen Aspekt, der mit der Problematik vorformulierter Verträge und Allgemeiner Geschäftsbedingungen nur eine Art Randberührung hat. Die hier zu behandelnden Kreditsicherungsformen sind wegen ihres Inhalts pro­blematisch und wären es auch dann, wenn sie nicht in Formularen oder Ge-

3 Umfassende Darstellung in dem inzwischen auf 5 Bände angewachsenen Werk von SERICK, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Heidelberg 1963 ff. Übersicht im Gutach­ten von DROBNIG. Die Lückenlosigkeit der Sicherung kommt dadurch zustande, dass Eigen­tumsvorbehalt, Sicherungsübereignung, Sicherungs- und Vorauszessionen miteinander ver­bunden werden, so dass die vorbehaltenen Rechte des Gläubigers zwar in andere Rechts­formen transformiert, in der Substanz aber erhalten bleiben.

4 HOFFMANN war Referent der Kommission des Ständerates bei der Beratung des ZGB. 5 Insbesondere StenBullStR 1906, 1349 ff., zur Einführung der Registrierung eines Eigentums­

vorbehalts. Dazu auch P. LIVER. Schweizerisches Privatrecht V/I § 52. 6 Knappe Übersicht bei GUHL-MERZ-KUMMER, Schweizerisches Obligationenrecht, 6. Aufl.

(Zürich 1972) § 13 VII. Dies ist auch der Zweck des deutschen Gesetzes über die Allge­meinen Geschäftsbedingungen und des geplanten schweizerischen Konsumkreditgesetzes.

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Schäftsbedingungen stünden, sondern einzelvertraglich ausgehandelt wür­den. Die Gefahr ihrer Verwendung in solchen vorformulierten oder Massen­verträgen verschärft die Problematik deshalb, weil dadurch diese Sicherungs­formen «institutionalisiert» werden. Die im folgenden verwendeten Formu­lare dienen darüber hinaus als Beleg dafür, dass derartige Sicherungsformen gebräuchlich sind.

Die Problematik, die mit den einleitenden Bemerkungen angedeutet und im folgenden dargelegt werden soll, besteht darin, dass durch eine Reihe von typischen Sicherungsgeschäften der vom Gesetz durch Publizitätsregeln und andere Grundsätze bezweckte Drittschutz7 bei der Kreditsicherung weitgehend ausgeschaltet wird. Die hier skizzierten Bedenken sollen am Beispiel der Vorauszession8 und der Pfandrechtspraxis der Kreditinstitute näher verfolgt werden.

1.

Die Vorauszession zählt heute zu den wichtigsten Kreditsicherungsfor­men9; ihre Zulässigkeit wird praktisch nicht mehr bezweifelt, seit das Bundes­gericht im Anschluss an VON TUHR1 0 die Abtretbarkeit künftiger Forde­rungen grundsätzlich anerkannt hat11.

7 Vgl. dazu die obenerwähnten Ausführungen von HOFFMANN; der Dritte wird nicht um seiner selbst willen geschützt, sondern er ist gewissermassen der (zufällige) Repräsentant der Allgemeinheit.

8 Im folgenden wird nur die Vorauszession behandelt. In der Regel erfolgt die Vorauszession sicherungshalber, d. h. sie wird erst dann offengelegt, wenn der Zessionar von der Zession Gebrauch machen will. Diese Vereinbarung betrifft also lediglich die Frage der Geltend­machung der Zession; sie hat jedoch ebenfalls bedenkliche Auswirkungen auf den Schutz Dritter. Einzelheiten dazu bei OFTINOER Kommentar Pfandrecht, Systematischer Teil N78ff.

'Vgl. dazu die Übersicht bei OFTINGER a.a.O., Systematischer Teil und DROBNIG sowie FROTZ (beide oben Fn 1).

10 VON TUHR. Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts (Tübingen 1925) II 732f.; vgl. ausserdem VON TUHR in Deutsche JZ 1904, 426ff. und Bankarchiv 1907, 277 ff. Dagegen vor allem Eccius, Deutsche JZ 1904, 54 und GRUCHOT, Beiträge 1909, Iff. Auslösendes Moment war eine Entscheidung des RG in Deutsche JZ 1903, 573. Einzel­heiten der deutschen Diskussion bei PAGENKOPF (siehe unten Fn 29).

11 BGE 57 II 537 ff., die Literatur hat sich dieser Rechtssprechung allgemein angeschlossen, z.B. GUHL-MERZ-KUMMER, S. 238f. Bis zu dieser grundlegenden Entscheidung hatte das Bundesgericht (BGE 17, 483; 25 II 323; 41 II 135) verlangt, dass die Forderung wenigstens dem Grunde nach schon existiere.

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In der Tat erscheinen uns heute die ursprünglich dagegen erhobenen Ein­wände formal und wenig überzeugend12. Es geht denn auch heute nicht mehr um die Frage, ob begriffliche Argumente einer derartigen Vorausverfügung entgegenstehen, sondern darum, ob solche Verfügungen im Hinblick auf die Systematik der Verfügungsgeschäfte und ihre Bedeutung für den Rechts­verkehr weiterhin als unbedenklich gelten können. Neuerdings macht sich gerade in diesem Punkt eine gewisse Skepsis breit, die zur Zurückhaltung gegenüber der Vorauszession führt13. Dabei handelt es sich zweifelsfrei um eine rechtspolitisch motivierte Gegensteuerung. Um die Motive und die Argumente zu begreifen, die dazu geführt haben, ist kurz auf die Entwick­lung der Vorauszession einzugehen.

Mit der Grundentscheidung für die Zulässigkeit der Zession gewinnt die Forderung eine ganz neue Dimension, die BLUNTSCHLI in der Begründung zur entsprechenden Bestimmung des Zürcher PGB14 knapp aber zutreffend so umschreibt: «Das heutige Rechtsbewusstsein betrachtet die Forderungen ihrem objektiven Werthe nach als Bestandtheile des Aktivvermögens und daher ähnlich wie das Eigenthum an Sachen als Objekt des Verkehrs». Da­mit war die Entwicklung vorgezeichnet. BLUNTSCHLI spricht nicht zufällig von der Ähnlichkeit mit dem Eigentum an Sachen15, und nicht anders als bei der Verfügung über bewegliche Sachen wird der Zeitpunkt der Verfügbarkeit auch bei Forderungen immer weiter vorverlegt, um damit eine frühzeitige

12 Sie betreffen vor allem die Verfügungsmacht des Zedenten, vgl. zum Ganzen VON CAEM-MERER, Gesammelte Schriften, Band II (1968) S. 377ff., 392; Einzelheiten zur Rechtsent­wicklung in der Schweiz mit Nachweisen bei L. FROMER, Die Abtretung künftiger Forde­rungen, ZSR 57, 273, 290 ff.

13 Für die Schweiz jetzt vor allem BUCHER (unten Fn 17), dazu alsbald im Text. Für Öster­reich vgl. R. STRASSER, Die Abtretung künftiger Forderungsrechte in Festschrift für HÄMMERLE 1972, 397 ff. Für Deutschland zuletzt P. SCHWERDTNER, NJW 1974, 1785 ff.

mit Nachweisen zur älteren Literatur und G. H. ROTH in Münchener Kommentar zum BGB, Band II (1979) § 398 Rdnr. 67.

14 C. BLUNTSCHLI, Das zürcherische Obligationenrecht mit Erläuterungen, 4. Buch zu § 1025: «Der Gläubiger ist in der Regel berechtigt, auch ohne Zustimmung des Schuldners seine Forderungen auf einen anderen zu übertragen». (Zürich 1855, IV, 86). Zur Entwicklung der Zession generell B. HUWYLER, Der Begriff der Zession in der Gesetzgebung seit dem Ver­nunftrecht, zugleich ein Beitrag zur Entwicklung der vermögensrechtlichen Lehre (Zürich 1975) und K. LuiG, Zur Geschichte der Zessionslehre (Köln 1966).

l s In den naturrechtlich beeinflussten Gesetzgebungen spielt diese Unterscheidung überhaupt keine Rolle, vielmehr werden Forderungen und Sachen als Objekte eines einheitlichen Herr-schaftsrechtes (dominium) begriffen. Für Österreich vgl. STRASSER, a.a.O. (Fn 13). Zum historischen Hintergrund HUWYLER (oben Fn 14) Iff.

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Verwendung künftigen Vermögens zur Kreditsicherung herbeizuführen16. Während aber bei Mobilien das Traditionserfordernis die Publizitätsbedürf­nisse sichert und zugleich Klarheit über Gegenstand und Tragweite der Ver­fügung verschafft, fehlt bei der Übertragung von Rechten ein entsprechen­des Korrektiv. Sieht man einmal von den sehr weiten und vagen Grenzen des Art. 27 ZGB ab, so sind Vorauszessionen in breitem Umfang und über lange Zeiträume hinweg zulässig. Vergleicht man beide Sicherungsformen, so drängt sich die Frage auf, ob nicht auch bei der Zession Schranken ge­funden werden können, die jene Funktion übernehmen, die bei der Kredit­sicherung durch bewegliche Sachen der Tradition zukommt.

In diese Richtung geht ein Vorschlag, den neuerdings BUCHER1 7 unter­breitet hat: BUCHERS Argumentation basiert zunächst auf einer Differen­zierung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft18. Verpflichtun­gen zur Abtretung künftiger Rechte unterliegen allein den schon erwähnten Einschränkungen nach Art. 27 ZGB19. Beim Vollzug der Verpflichtung ver­weist BUCHER dagegen auf die «enger gezogenen Schranken, die sich aus dem Erfordernis der Spezialität von Verfügungen ergeben, d. h. aus dem Grundsatz, dass Verfügungen nur gültig sind, wenn sie sich auf einen genau bestimmten Verfügungsgegenstand beziehen. Daraus ist abzuleiten, dass eine Zession noch nicht entstandener Forderungen nur gültig ist, wenn sie sich auf eine im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits bestimmte (wenn auch noch nicht bestehende) Forderung bezieht, während Bestimmtheit bloss im Zeitpunkt der Geltendmachung bzw. Entstehung der abgetretenen Forderung diesem Erfordernis nicht Genüge tut».

Damit wird die herrschende Lehre in ihrem zentralen Punkt angegriffen. Denn gerade die Verschiebung vom Zeitpunkt der Zession auf den Zeitpunkt der Entstehung oder gar der Geltendmachung der zedierten Forderung er­öffnet praktisch unbegrenzte Möglichkeiten der Vorauszession. BUCHER

sieht darin einen Verstoss gegen den - sogleich näher zu erörtenden - Be-

16 So ist es in Deutschland heute üblich, noch nicht hergestellte Waren zur Sicherheit zu über­eignen und zugleich die Forderungen aus ihrem eventuellen Verkauf abzutreten.

17 Grundriss des Obligationenrechts, Allgemeiner Teil (Zürich 1979) § 31. 18 Dass - wie BUCHER meint - Lehre und Rechtssprechung diese Unterscheidung vernach­

lässigen, kann in dieser Allgemeinheit nicht gesagt werden; in den grundlegenden Abhand­lungen zu Beginn des Jahrhunderts (etwa bei VON TUHR und Eccius oben Fn 10) wird dieser Gegensatz immer deutlich hervorgehoben. Zuzugeben ist BUCHER, dass die Notwen­digkeit einer Trennung zwischen beiden Geschäften neuerdings gerade dadurch in den Hinter­grund getreten ist, dass man die Vorausverfügung allgemein für zulässig hält und deshalb nicht mehr differenziert.

19 Siehe oben Fn 11 sowie BGE 84 II 366 und 85 130; BUCHER § 31 Anm. 22f.

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stimmtheitsgrundsatz, während die Gegenansicht diesem Prinzip gerade durch die Floskel von der «Bestimmbarkeit» gerecht werden will. Um Trag­fähigkeit und Tragweite der Bucherschen These zu ermitteln, muss deshalb kurz auf diese Begriffsbildung und das Bestimmtheitsprinzip eingegangen werden.

II.

Der Bestimmtheitsgedanke ist eine allgemeine Maxime, die in vielen Schattierungen und Nuancierungen auftaucht und keineswegs auf das Privat­recht beschränkt ist20. Ungeachtet dieser Vielfalt in der Erscheinung liegt dem Bestimmtheitsprinzip insoweit ein einheitlicher Gedanke zugrunde, als die Forderung nach Bestimmtheit immer der Rechtsklarheit und Rechts­sicherheit dienen soll. Im Privatrecht müssen zwei Erscheinungsformen unterschieden werden: Einmal geht es um die in der Regel im Zusammen­hang mit der Vertragsentstehung und den essentialia negotii behandelte Frage, wie «bestimmt» der Inhalt von Offerten und vertraglichen Verpflich­tungen sein muss, damit diese akzeptiert bzw. verbindliche Verpflichtungen eingegangen werden können. In diesem Zusammenhang spielt auch der Begriff der Bestimmbarkeit eine grosse Rolle, da z. B. Art. 184 III OR den Kaufpreis schon dann als genügend bestimmt ansieht, «wenn er nach den Umständen bestimmbar ist»21.

Eine besondere Bedeutung kommt dem Bestimmtheitsgrundsatz bei der Übertragung von Rechten zu22. In der schweizerischen Literatur wird dieser Aspekt in der Regel im Sachenrecht erörtert. Man verwendet hier vorwie­gend den Begriff «Spezialitätsprinzip» und bezeichnet damit den Umstand, dass «dingliche Rechte immer nur an einzelnen individualisierten Sachen bestellt»23 werden können. Daraus folgt, dass auch die Übertragung solcher Rechte diesem Prinzip unterworfen ist. Die Beachtung des Erfordernisses wird durch Tradition und Eintragung im Grundbuch sichergestellt. Speziali-

20 Man denke nur an das Erfordernis eines bestimmten Klageantrags oder der Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes, einer Verordnung und eines Gesetzes.

21 So der Wortlaut von OR 184 III; ausführlich zu Bedeutung und Begriff der Bestimmbarkeit in diesem Sinne GIGER, Berner Kommentar OR 184 N 222ff.

22 Allgemein hierzu H. WESTERMANN, Sachenrecht, 6. Aufl. (Karlsruhe 1966) § 3 II und F. BAUR, Sachenrecht, 10. Aufl. (München 1979) §4 III; zur schweizerischen Literatur sofort im Text und in den folgenden Fussnoten; zu einer möglichen Unterscheidung zwischen Spezialitäts- und Bestimmtheitsprinzip siehe unten Fn 34.

23 MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar zu Art. 641-654 ZGB, Systematischer Teil N 34; OFTINGER Kommentar, Systematischer Teil N 19; ZGB 884 N 18, 26 ff.

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täts- und Publizitätsprinzip greifen ineinander und ergänzen sich auch funk­tionell, indem durch dieses Zusammenwirken die Transparenz der Rechts­verhältnisse gewährleistet wird24.

Der Bestimmtheitsgrundsatz gilt jedoch - wie schon hervorgehoben, doch nicht überall beachtet - nicht nur für die im Sachenrecht geregelten Rechts­begründungen und -Übertragungen, sondern darüber hinaus für alle anderen Übertragungen von Rechten, also auch für die Zession25. Bei der Verfügung über ein Recht muss der Gegenstand ebenso bestimmt sein wie bei Ver­fügungen über Sachen. Anders als im Sachenrecht findet sich hier jedoch kein Übertragungselement, das die Individualisierung des Gegenstandes in der Weise sicherstellt, wie dies durch Tradition oder Eintragung ins Grund­buch geschieht. Der Gesetzgeber hat auf einen dem Sachenrecht vergleich­baren Publizitätsakt (der auch noch schwer denkbar ist) verzichtet26. In­folgedessen kommt es darauf an, wie man das Bestimmtheitsprinzip bei Rechtsübertragungen interpretiert. Die herrschende Ansicht in der Schweiz, Österreich und Deutschland versucht diesem Prinzip dadurch gerecht zu werden, dass sie auf die Bestimmbarkeit ausweicht.

Diesen Begriff hatte schon das Reichsgericht27 verwendet, als es 1907 zum ersten Mal gezwungen war, Massstäbe für die in einer heftig umstritte­nen Entscheidung aus dem Jahre 1903 zugelassene Vorauszession aufzu­stellen. Die Tragweite dieser Formel blieb zunächst hinter dem Grundsatz­streit28 um die begrifflich-dogmatischen Voraussetzungen einer Abtretung

So ausdrücklich BAUR und WESTERMANN a.a.O. (oben Fn 22) und andeutungsweise MEIER-HAYOZ.

BUCHER überträgt diese Grundsätze zu Recht von den sachenrechtlichen Rechtsgeschäften auf die Zession. Seine Begründung, dass auch dort Rechtsklarheit und Rechtssicherheit erfor­derlich seien, ist rechtspolitisch richtig, wissenschaftsgeschichtlich gesehen insofern überflüssig, als - wie im Text schon hervorgehoben - das Bestimmtheitsprinzip ein mit dem Verfügungs­begriff notwendig verbundener Gedanke ist, der zugleich mit der Theorie von der Verfügung entstanden ist. Zur Theorie der Verfügung vgl. W. WILHELM, Begriff und Theorie der Ver­fügung, in Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Band II (Frankfurt/Main 1977), S. 213 ff. Eine entsprechende Untersuchung über das Spezialitäts­prinzip und dessen Zusammenhang mit der Verfügungstheorie fehlt noch. Zur Problematik einer derartigen Publikation der Zession vgl. insbesondere die Diskussion in Österreich, wo im Hinblick auf den umfassenden Eigentumsbegriff unklar ist, ob auf die Zession auch die Eigentumsübertragungsvorschriften anwendbar sind, die ein Publizitäts­zeichen erfordern. Vgl. mit Nachweisen STRASSER (oben Fn 13). Zur besonderen Situation im schweizerischen Recht siehe alsbald im Text. RGZ 67, 166. Veranlasst durch die schon erwähnte (oben Fn 10) Entscheidung des Reichsgerichts Deutsche JZ 1903, 573; dabei handelt es sich nicht um eine zufällige Erscheinung. Die dadurch ausge-

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noch nicht existenter Rechte verborgen. Nachdem aber die Zulässigkeit der Vorauszession allmählich ausser Streit geriet, trat die Frage nach ihren Be­grenzungen immer mehr in den Vordergrund und mit ihr die «Bestimmbar­keit» als einer Art Zauberformel29. Unter deutlichem Einfluss deutscher Autoren30 hat das Bundesgericht diese Floskel übernommen, die heute zu den standards gehört31.

Die Einwände, die dagegen vorzubringen sind, richten sich nicht gegen diesen Wortgebrauch an sich. Die Gleichsetzung von bestimmt und be­stimmbar findet sich, wie schon oben gezeigt wurde, sogar im OR selber, und die logische oder dogmatisch-begriffliche Diskussion darüber kann zu keinem eindeutigen Ergebnis führen. Es geht vielmehr um die nicht aus dem Wort <Bestimmtheit>, sondern aus den dem Spezialitätsprinzip zugrunde liegenden Wertungen abzuleitende Entscheidung, zu welchem Zeitpunkt die abgetretene Forderung «hinreichend bestimmt oder zumindest bestimm­bar» sein muss.

Die ursprünglich in dieser Hinsicht neutrale Bestimmbarkeitsformel wird in Deutschland heute allgemein dahin verstanden, dass es genüge, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens oder ihrer Geltendmachung «ohne weiteres und zweifelsfrei» (BGH) bestimmt werden kann. Dies ist selbst dann der Fall, wenn man zu diesem Zweck «anhand der Lieferscheine, der Remittendenfakturen und der halbmonatlich für die Abnehmer erstellten Sammelrechnungen und unter Heranziehung der entsprechenden Debitoren­konten genau feststellen kann, an wen und zu welchen Rechnungsbeträgen die ... bezogenen Bücher ... weiter veräussert worden sind, welche Forde­rungen noch offen stehen und in welcher Höhe sie in einem anerkannten Saldo aufgegangen sind»32. Manche wollen die Abtretung allerdings un­wirksam sein lassen, «wenn auftretende Zweifel hinsichtlich des Umfangs

löste Debatte hängt vielmehr mit der schon angedeuteten Entstehung der Verfügungstheorie und der sich konstituierenden Zivilrechtsdogmatik zum neugeschaffenen BGB zusammen. Das gemeine Recht hatte die Vorauszession zugelassen, dazu mit Nachweisen AFFOLTER ZSR4, 185, 223 ff.

29 Kritisch hierzu insbesondere G. DREHER, Bestimmtheit und Bestimmbarkeit des Gegen­stands bei Übereignung und Abtretung in AcP 138, 350ff. Zusammenfassende Darstellung der deutschen Rechtssprechung E. LOPAU in Der Betrieb 1973, 1537. Umfassende Be­schreibung der gesamten Entwicklung bei M. PAGENKOPF, Zur Abtretung künftiger Forde­rungen Diss. Bonn 1978, insbesondere S. 70 ff. und 120 ff.

30 Das Bundesgericht bezieht sich neben VON TUHR ausdrücklich auf OERTMANN sowie auf BECKER, der seinerseits wiederum deutsche Autoren zitiert.

31 Schilderung der bundesgerichtlichen Rechtssprechung bei FROMER a.a.O. (Fn 12) und M. STUDERBISchK 19 (1955) 129ff.

32 BGHZ 70, 86ff., 90; SERICK (oben Fn 3) II 276ff.

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der Abtretung nur <in einem umständlichen Verfahren) behoben werden können»33. Dieser vom BGH verworfene Einwand macht dennoch deut­lich, in welche Richtung das Kriterium Bestimmbarkeit führt. Es handelt sich nur noch um eine Frage der Beweisbarkeit, deren Grenzen durch die Rechtsprechung stets neu definiert werden. Die Abgrenzungen, die auf diese Weise entstehen, haben mit dem Spezialitätsprinzip nichts mehr zu tun, sondern es handelt sich um jene bei Verpflichtungsgeschäften geläufige Konkretisierung einer Vereinbarung, deren Inhalt im Zeitpunkt des Ab­schlusses nur «bestimmbar» in dem am Beispiel des Art. 184 III OR darge­legten Sinne war34. Gerade dieses Auseinanderfallen von Vornahme des Ver­fügungsgeschäfts und Bestimmung seines Inhalts soll durch das Spezialitäts­prinzip verhindert werden; denn sonst ist es möglich, dass jemand - in den Grenzen des Art. 27 ZGB — bis in weite Zukunft bindend über sein Vermö­gen verfügt und dieses - nach aussen vollkommen unsichtbar - weitgehend aushöhlt. Unbeteiligte Dritte sind doppelt geschädigt: sie vertrauen auf das äussere Erscheinungsbild und kreditieren z. B. den Kaufpreis bei Warenlie­ferungen, während die Erlöse längst an andere Kreditgeber abgetreten sind. Den Erfolg einer solchen Vorauszession können sie, sofern der Käufer nicht in Konkurs gerät, nicht mehr verhindern.

Wenn das Spezialitätsprinzip nicht zu einem rein begrifflichen Kriterium absinken soll, wie dies durch die formelhafte Argumentation mit der Be­stimmbarkeit geschieht, sondern die Funktion erfüllen soll, die ihm nach seiner oben dargelegten systematischen Bedeutung und Stellung35 zukommt, dann muss es in der Weise angewandt werden, wie dies für die Schweiz jetzt von BUCHER gefordert wird. Dabei sollte man sich nicht dadurch ent­mutigen lassen, dass Versuche dieser Art, die es in Deutschland immer wie­der gegeben hat, ohne jeden Erfolg geblieben sind36.

33 BGHZ a.a.O. 34 Gelegentliche Versuche, zwischen Bestimmtheitsgrundsatz und Spezialitätsprinzip zu differen­

zieren, wie dies etwa SERICK II § 21 tut, erscheinen wenig fruchtbar, wie man daraus ersehen kann, dass SERICK selbst bei der Forderungszession zwischen beiden nicht mehr scharf trennt (vgl. II, 276 ff.). Es handelt sich dabei jedenfalls nur um zwei verschieden akzentuierte Aspekte derselben Sache. In der Schweiz wird deshalb mE zu Recht nicht in dieser Weise differenziert.

35 Siehe oben S 36 Grundlegend für die Nachkriegsliteratur H. WESTERMANN, Interessenkollision und ihre

richterliche Wertung bei den Sicherungsrechten an Fahrnis und Forderungen (Karlsruhe 1954) 18ff.; ausserdem VON CAEMMERER (oben Fn 12) und SCHWERDTNER (oben Fn 13) mit weiteren Nachweisen; für Österreich STRASSER (oben Fn 13).

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m. Die Ausgangslage in der Schweiz unterscheidet sich von der deutschen in

zwei wesentlichen Punkten: Einmal ist die Rechtsprechung noch nicht so fixiert37 wie die deutsche Judikatur, zum andern weicht die gesetzliche Rege­lung der Zession in einem Punkte von der deutschen ab, dem wie ich glaube entscheidende Bedeutung zukommt: Nach Art. 165 OR bedarf die Zession der Schriftform. Dies hat zunächst dazu geführt, dass Zessionsklauseln in AGB38 praktisch nicht aufgenommen werden können, so dass gerade jene grosse Gruppe von völlig unüberschaubaren Zessionsvorgängen ausfällt, die in Deutschland massgeblich zur Entwicklung der jetzigen Judikatur und herrschenden Doktrin beigetragen hat. Aus dieser gesetzlichen Regelung lassen sich jedoch noch weiterreichende Konsequenzen ziehen, die aber nur vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Formvorschrift ver­ständlich sind:

Schon Art. 184 des aOR hatte die Schriftlichkeit angeordnet; es handelte sich dabei um eine vor und nach Erlass des Gesetzes stark umstrittene Regelung39, die jedoch einen Gesichtspunkt ganz deutlich hervortreten Hess, der heute aus dem Gesetzestext nicht mehr ersichtlich ist. Art. 184 aOR lautete:

«Die Abtretung ist ohne besondere Form verbindlich. Damit aber gegen­über dritten Personen, namentlich im Konkurs des Abtretenden, der Über­gang wirksam werde, bedarf es einer schriftlichen Beurkundung.»

Das Bundesgericht selbst hat zur Frage des Zeitpunkts der Bestimmbarkeit keine definitive Aussage gemacht, vgl. zur Formulierung des Bundesgerichts unten S. ... und die oben Fn 11, 19 genannten Entscheidungen. Allerdings wird in der Literatur diese Rechtssprechung ähn­lich wie in Deutschland interpretiert, vgl. OFTINGER Kommentar ZGB 889 N 14. Dies hebt besonders VON CAEMMERER (oben Fn 12) 385 hervor. Wenn eine solche Klau­sel in AGB aufgenommen wird, könnte sie allenfalls dadurch Wirksamkeit erlangen, dass die AGB unterschrieben werden. Aber auch dann bestehen Zweifel, ob da die Schriftform kon­stitutive Wirkung hat. In diesen Fällen genügt eine einfache Unterschrift zur Anerkennung der AGB nicht. So zutreffend für AGB der deutschen Banken C. W. CANARIS, Bankvertragsrecht (Berlin 1975) Anm. 1312. Mir sind auch keine schweizerischen AGB bekannt geworden, die derartige Zessionsklauseln enthielten. Zu Abtretungsklauseln in den Verpfändungsver­trägen siehe unten S. 299. Dazu SCHNEIDER-FICK, Das schweizerische Obligationenrecht, 2. Aufl. (Zürich 1896) Art. 184 Anm. 1 mit zahlreichen Nachweisen aus Literatur und Rechtsprechung. Ausführ­lich zur Problematik dieses Artikels sowie zu seiner Entstehungsgeschichte H. DEGENKOLB ZSR 10, 257ff.; allerdings geht es dort um Fragen, die mit den hier aus Art. 184 abgeleiteten Folgerungen nur geringe Berührung haben.

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Absatz 1 entspricht der gemeinrechtlichen Doktrin40, während Absatz 2 versucht, die Vorteile der französischen Regelung41 mit der in Absatz 1 ge­troffenen Entscheidung zu harmonisieren. Der Kompromiss erwies sich als zu kompliziert und wurde bei der Revision des OR beseitigt42. Damit wur­den aber nur konstruktive Probleme aus dem Wege geräumt, die rechtspoli­tische Zielsetzung dagegen nicht berührt. Sie geht aus Art. 184 Abs. 2 aOR deutlich hervor: die Schriftlichkeit hat hier einen ganz spezifischen Zweck, sie soll Dritte43 vor Manipulationen durch formlose Zessionen schützen: «Der Zweck der Zessionsform besteht nicht, wie in anderen Fällen, z. B. bei der Bürgschaft, darin, den Zedenten vor Übereilung zu schützen (denn er kann sich nach Art. 165 II OR formlos zur Zession verpflichten), sondern darin, den Vorgang der Zession für Dritte, namentlich für den Schuldner, leicht erkennbar zu machen». VON TUHR versteht also Schriftlichkeit - wie die Entstehungsgeschichte zeigt zu Recht - als ein Publizitätszeichen zum Schutze Dritter und rückt sie damit in die Nähe der Tradition und des Grund­bucheintrags bei den sachenrechtlichen Verfügungen.

Eine derartige Interpretation bedarf, ehe daraus Folgerungen für die Vor­ausabtretung gezogen werden, einiger ergänzender Hinweise zu ihrer Recht­fertigung. In der modernen Zivilrechtstheorie44 breitet sich zunehmend die Überzeugung aus, dass die Probleme der Zivilrechtsdogmatik weitgehend von den Denkvoraussetzungen bestimmt werden, die bei Schaffung des OR und des BGB Literatur und Rechtsprechung geprägt haben. Dies findet Aus-

40 Vgl. dazu die Botschaft des Bundesrates vom 27. November 1879: «Für die Verbindlichkeit des Cessionsvertrages zwischen Cedent und Cessionar ist das gemeinrechtliche Prinzip der Formlosigkeit vollständig festgehalten» (S. 33). Aus der Literatur statt aller WINDSCHEID, Lehrbuch des Pandektenrechts II (4. Aufl. 1875) § 330. Übersicht über die gemeinrechtliche Doktrin bei ATTENHOFER, ZSR 8, 334ff. und DEGENKOLB (oben Fn 39) 270.

41 Ausführlich hierzu Botschaft S. 33-35. 42Dazu VON TUHR (oben Fn 10) § 93 sowie § 25; es ging vor allem um die durch Art. 184

und dessen Interpretation geschaffene «Duplizität des Rechtssubjektes», die sich aus einer relativen Wirksamkeit der Verfügung ergab. Auffällig ist daran, dass sich eine ähnliche «Duplizität» bei der zur gleichen Zeit ins ZGB aufgenommenen (entspricht Art. 202 aOR) Vorschrift des Art. 717 ZGB ergibt, auf die im Text noch mehrfach eingegangen wird.

43 Nach der Vorstellung des Gesetzgebers handelte es sich um die wirklich aussenstehenden Dritten, wie die Bezugnahme auf den Konkurs eindeutig ergibt (vgl. Text in Fn 47). So auch ausdrücklich und sehr ausführlich begründet in der Abhandlung von DEGENKOLB (oben Fn 39). Erst später hat man unter dem Einfluss französischer Vorstellungen als Dritten auch den debitor cessus verstanden, so auch das sofort im Text wiedergegebene Zitat von VON TUHR (§ 93 III). Der Schutz des Schuldners war aber schon im aOR durch andere Regeln gewährleistet.

44 Teilaspekte dieses neuen Verständnisses z. B. bei H. COING, Einleitung zu STAUDINGER, Kommentar zum BGB, 12. Aufl. (Berlin 1978) Rz 160.

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druck darin, dass neuere zivilrechtliche Untersuchungen sich zunehmend nicht mehr auf eine meist oberflächliche Betrachtung der äusseren rechts­historischen Voraussetzungen und der formalen Entstehungsgeschichte be­schränken, sondern versuchen, zu den eigentlichen Denkvoraussetzungen vorzudringen45. Es kommt entscheidend darauf an, die Rechtsinstitute und einzelne Regelungen in ihrem dogmengeschichtlichen Zusammenhang zu begreifen und erst auf dieser Basis ihre Stellung im System des Gesetzes zu erfassen. Die Interpretation des Formerfordernisses bei der Zession bestä­tigt die Richtigkeit dieses Ansatzes.

Aus der Zivilrechtsdogmatik zur Entstehungszeit des aOR ergibt sich, dass die Zession allenthalben als formfreier Vertrag angesehen wurde46. Es han­delt sich also bei der Formvorschrift um eine bewusste Abwendung von der gemeinrechtlichen Theorie. Die rechtspolitischen Motive, die für diese Ab­wendung massgebend waren, kommen in der Vorschrift selbst deutlich zum Ausdruck47. Die so gewonnene Konzeption bildet auch keinen Einzelfall. Vielmehr gehört es zu den auffälligen Eigenheiten des schweizerischen Rechts, dass es mehrere Vorschriften kennt, in denen die Wirkung oder Übertragung dinglicher Rechte inter partes sofort, gegenüber Dritten aber erst nach ei-

45 Beispielhaft etwa die Untersuchungen von H. HONSELL, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener Geschäfte (München 1974) und A. WACKE, Das Besitzkonstitut als Über­gabesurrogat in Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik (Köln 1974) dazu H.P. BENÖHR, AcP 178, 386.

46 Siehe zunächst das oben (Fn 40) wiedergegebene Zitat. 47 Vgl. Botschaft des Bundesrates, die insgesamt sowohl die Abwendung vom gemeinen Recht

wie die rechtspolitischen Motive verdeutlicht: «Der Entwurf hat ein ganz eigenthümliches, sowohl von den herrschenden Ansichten des gemeinen Rechts, als von der Bestimmung des Code civile abweichendes System bezüglich der Formen aufgestellt, von denen die Wirkung der vertragsmässigen Abtretung des Forderungsrechtes abhängig sein sollen. ... Dritten, und zwar namentlich auch etwaigen Konkursgläubigern des Cedenten gegenüber soll aber die Forderung nur dann als dem Cessionar gehörig betrachtet werden, wenn dem Cessionar ent­weder eine schriftliche Cessionsurkunde oder die etwa vorhandene Urkunde über das cedierte Forderungsrecht vom Cedenten zugestellt worden ist. Im Konkurs des Cedenten wird daher die aus völlig formlosem Cessionsvertrag entspringende Berechtigung des Cessionars als rein persönlicher Anspruch ... zu behandeln sein... Das System des Entwurfes ist durchaus neu, nicht nur gegenüber den bisherig geltenden Rechten, sondern auch gegenüber den älteren Entwürfen von 1871, 1875 und 1877, die sich mehr den herrschenden Theorien des gemeinen Rechts und dem zürcherischen Gesetzbuch angeschlossen hatten. ... Zur Rechtfertigung kann auch noch angeführt werden, dass dadurch eine gewisse Harmonie hergestellt wird mit der später zu erörternden Behandlung des Eigenthumsiiberganges an beweglichen Sachen, welche schliesslich in dem vorliegenden Entwurf gegenüber den früheren Entwürfen durch­gedrungen ist» (S. 32-35, Hervorhebung vom Verf.). Diese Begründung deckt mE sämt­liche im Text gezogenen Folgerungen, was insbesondere auch durch die am Ende erfolgte Bezugnahme auf die Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen unterstrichen wird.

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nem Publizitätsakt anerkannt wird48. Für den Bereich der Kreditsicherung findet sich eine entsprechende Regelung in Art. 717 ZGB, der eine durch Besitzeskonstitut erfolgte Eigentumsübertragung (Sicherungsübereignung) Dritten gegenüber für unwirksam erklärt, «wenn damit ihre Benachteiligung oder eine Umgehung der Bestimmungen über das Faustpfandrecht beab­sichtigt worden ist». Gerade Art. 717 ZGB aber ist - wie eingangs darge­legt — diejenige Norm, die die rechtspolitische Grundhaltung des Gesetzge­bers im Bereich der Kreditsicherung verdeutlicht: Transaktionen, die nach aussen unsichtbar die Vermögenssubstanz aushöhlen, sollen in grösstmögli-chem Masse ausgeschaltet werden, um die Interessen unbeteiligter Dritter zu schützen.

Genau nach diesem Muster war auch Art. 184 aOR angelegt; Art. 165 OR auch heute noch in diesem Sinne zu interpretieren, ist deshalb nicht nur zu­lässig, sondern sogar geboten. Diese Interpretation ergibt, dass die Zessions­urkunde die Forderung so kennzeichnen muss, dass sie im Moment der Ver­fügung auch für (zumindest interessierte) Dritte eindeutig identifizierbar ist. An sich wird man durchaus bei der Formel des Bundesgerichts49 stehen bleiben können; denn es «verlangt... lediglich, dass die abzutretende For­derung hinsichtlich der Person des debitor cessus, Rechtsgrund und Höhe hinreichend bestimmt wird oder wenigstens bestimmbar ist». Sowohl aus dem Wortlaut (abzutretende) wie aus dem Sachverhalt der Entscheidung geht eindeutig hervor, dass das Bundesgericht in casu auf den Zeitpunkt der Verfügung abgestellt hat. Hält man daran fest50, so bestehen auch keine Einwendungen gegen den Begriff der Bestimmbarkeit. Man wird es der Rechtsprechung überlassen müssen und können, wie sie diese Erfordernisse konkretisiert und ob sie immer auf dem gleichzeitigen Vorliegen aller drei Faktoren beharren will. Entscheidend bleibt, dass für die Bestimmung stets der Zeitpunkt der Verfügung massgebend ist.

rv. Die Auswirkungen auf die Kreditpraxis werden geringer sein, als es zu­

nächst erscheinen mag: Die üblichen umfassenden Sicherungsklauseln ent­halten nach der bisherigen Praxis nämlich in aller Regel sowohl eine Ver-pflichtungs- als auch eine Verfügungsvereinbarung. Durch die oben entwik-

48 Neben dem im Text immer wieder erwähnten Art. 717 ZGB vor allem auch Art. 747 ZGB. 49 BGE 57 II 539, zitiert in BGE 84 II 366. 50 Die Literatur interpretiert die Bundesgerichtsrechtsprechung aber anders, nämlich im Sinne

der deutschen Rechtsprechung, vgl. dazu oben S. ... und Fn 37.

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kelten Grundsätze wird die Verpflichtung — wie schon mehrfach hervorge­hoben - nicht berührt, so dass auch weiterhin die Verpflichtung zur Abtre­tung in dem durch Art. 27 ZGB gezogenen Rahmen zulässig bleibt. Allein der Vollzug muss durch Einzelabtretungen erfolgen, sofern die abzutreten­den Forderungen in diesem Moment noch nicht hinreichend bestimmt sind. Diese Einzelabtretung kann erst dann erfolgen, wenn die oben umschriebe­nen Bestimmtheitsanforderungen vorliegen. Damit wird anderen Gläubigern die Zugriffsmöglichkeit wenigstens nicht von vorneherein abgeschnitten. Dass die bisherige Praxis gerade dazu geführt hat, verdeutlicht die folgende Klausel51, die einem Auto-Leasing-Vertrag entnommen ist und nur als Bei­spiel für viele ähnliche steht:

«Für den Fall, dass Schulden des Mieters aus diesem Vertrag entstehen oder bestehen, tritt der Mieter bis zur endgültigen Schuldentilgung sicher­heitshalber seine gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen gegenüber seinem jeweiligen Arbeitgeber, Provisionsansprüche, anderweitige Gut­haben und Forderungen irgendwelcher Art, Renten und Altersabfindun­gen gegenüber dem jeweiligen Arbeitgeber bzw. der entsprechenden Pensionskasse oder Versicherungsgesellschaften sowie Ansprüche des Mieters auf Rückerstattung seiner eigenen Einlagen in Pensions- und Alterskassen bzw. Versicherungsgesellschaften bei Austritt, Ausschluss oder disziplinarischer Entlassung sowie Schadenersatzforderungen gegen­über Dritten, unwiderruflich und mit allen Rechten an die Vermieterin ab.» Stellt man ausschliesslich auf den Zeitpunkt der Entstehung oder Geltend­

machung der abgetretenen zukünftigen Forderung) ab, so wird man sie sämtlich als <bestimmbap bezeichnen müssen. Nach den oben dargelegten Kriterien dürfte im Moment der Verfügung kaum eine der zukünftigen Forderungen hinreichend bestimmt oder auch nur bestimmbar sein; beson­ders drastisch tritt dies bei den <Provisionsansprüchen, anderweitigen Gut­haben und Forderungen irgendwelcher Art ... sowie Schadenersatzforde­rungen) hervor, aber auch die beliebig aneinandergereihten Versicherungs­und Versorgungsansprüche sind meines Erachtens zu unbestimmt, als dass die Zession wirksam sein könnte.

Dieses Beispiel macht deutlich, dass eine Reduzierung des Anwendungs­bereichs der Vorauszession52 dringend geboten ist. Eine solche Reduzierung

51 Inwieweit das pactum de cedendo gegen Art. 27 ZGB verstösst, soll hier dahingestellt bleiben.

52 Sämtliche abgetretenen Ansprüche sind noch nicht entstanden, es handelt-' sich also durch­wegs um Vorauszessionen. Dass diese nur zur Sicherheit erfolgen (Sicherungszession), macht sie nicht weniger bedenklich, vgl. dazu oben Fn 8.

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lässt sich ohne legislatorische Massnahmen erreichen, wenn man auf die Grundkonzeptionen des Gesetzes zurückgreift und sich bei der dogmatischen und systematischen Erfassung und Einordnung neuer Erscheinungsformen daran orientiert.

V.

Die für die Vorauszession angestellten Überlegungen gelten in gleichem Masse für die Verpfändung zukünftiger Forderungen, die ihrer Struktur nach nichts anderes ist als die teilweise Abtretung eines Rechts53. Dies wird deutlich durch die Bezugnahme auf die Übertragbarkeit von Forderungen in Art. 899 ZGB und das Erfordernis der Schriftform in Art. 900 ZGB, das Art. 165 OR entspricht54. Es nimmt deshalb nicht Wunder, dass bei der Frage, welche Rechte und insbesondere welche Forderungen verpfändet werden können, die gleichen Kriterien auftauchen, die schon von der Zes­sion geläufig sind55. Die Gründe, die gegen eine derart grosszügige Voraus­zession sprechen, treffen auch hier zu, so dass auch die Verpfändung künfti­ger Forderungen ebenfalls nur dann als wirksam betrachtet werden kann, wenn sie den oben aus dem Spezialitätsprinzip abgeleiteten Grundsätzen entspricht.

VI. Die automatische, ganz unreflektierte Übernahme der Bestimmbarkeits­

formel ins Pfandrecht verwundert nur auf den ersten Blick. Zwar ist auch das Mobiliar-Pfandrecht von dem - im Grundpfandrecht (Art. 797 ZGB) ausdrücklich verankerten - Spezialitätsprinzip besonders geprägt, das zu­sammen mit einer Reihe anderer Pfandrechtsgrundsätze56 die Kundbar-machung von Sicherungsgeschäften und die Transparenz der Kreditverhält­nisse gewährleisten soll; in der Praxis werden aber diese Prinzipien in erstaun­lichem Masse vernachlässigt. Ähnlich wie bei der Vorauszession finden sich auch hier Vereinbarungen, die darauf abzielen, dem Gläubiger möglichst lang-

53 So ganz klar für das deutsche Recht BAUR (oben Fn 22) §60 und 62; andeutungsweise bei OFTINGER Kommentar ZGB 899 N 6. Es handelt sich um die Übertragung der Ver­wertungsbefugnis eines Rechts.

54 Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte, vgl. dazu SCHNEIDER-FICK (oben Fn 39) zu Art. 215aORN3.

55 OFTINGER Kommentar ZGB 899 N 14, 72 u. ö.; BGE 61 II 331; 69 II 291.

" In Betracht kommt vor allem das Faustpfand- und mit ihm das Traditions- sowie das da­hinterstehende Publizitätsprinzip und das Akzessorietätsdogma. Einzelheiten alsbald im Text.

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fristig und umfassend Sicherheit zu gewähren, was hier wie dort nur durch eine weitreichende, dinglich wirkende Bindung von Vermögenswerten mög­lich ist. Es liegt auf der Hand, dass derartige Sicherungen zu Lasten nicht direkt beteiligter Dritter gehen, deren Schutz die genannten Prinzipien ge­rade gewährleisten sollen57. Daraus ergibt sich weiter fast notwendigerweise, dass dieselben Problemstellungen (und mit ihnen dieselben Floskeln zu ihrer Lösung) auftauchen, wie sie schon bei der Vorauszession begegnet sind. Deshalb bildet die in dieser Hinsicht besonders anschauliche Praxis der Kreditinstitute das zweite Beispiel, an dem die Diskrepanz zwischen legislatorischer Konzeption und der tatsächlichen Handhabung der Kredit­sicherung verdeutlicht und Möglichkeiten einer Wiederannäherung disku­tiert werden sollen.

Die Banken verwenden einmal vorformulierte Pfandvereinbarungen, in denen sie sich Sicherheiten bestellen lassen; darüber hinaus bedingen sie sich in ihren AGB ein allgemeines Pfandrecht aus. Die angedeuteten Be­denken richten sich gegen beide Pfandrechtsformen; sie lassen sich folgen-dermassen formulieren: Durch diese Kreditpraxis wird kein pfandrechtlicher Grundsatz generell missachtet, vielmehr werden alle diese Prinzipien manch­mal geringfügig, manchmal in grösserem Ausmass eingeschränkt oder unter­laufen. Das eigentliche Problem liegt also nicht in der Intensität eines ein­zelnen Eingriffs, sondern darin, dass durch die Summe dieser Verstösse eine Pfandrechtskonzeption entsteht, die mit der des Gesetzes nicht mehr über­einstimmt. Dies soll im folgenden in groben Zügen dargelegt werden, ehe die Frage zu stellen ist, ob derartige Abweichungen hingenommen werden können oder auch müssen.

VII.

Die Kreditinstitute58 verwenden, wenn Pfandrechte als Sicherheit bestellt werden sollen, in der Regel Vordrucke, die als Pfandbestellungen oder Pfandverträge bezeichnet werden. Unter den Pfandverträgen gibt es spe­zielle und allgemeine sowie Warenverpfändungsverträge, die sämtlich mit

57 Es geht deshalb auch hier wiederum nicht um den Schutz des Geschäftspartners (etwa aus sozialen oder ökonomischen Gründen), sondern um einen Drittschutz in dem schon mehr­fach dargelegten Sinne. Vgl. dazu auch oben Fn 7.

58 Ich habe Formulare verschiedenster Kreditinstitute verglichen. Für die im folgenden wich­tigsten Gesichtspunkte ergeben sich keine Unterschiede. Dies gilt ebenso für die AGB. In anderen, hier nicht behandelten Punkten finden sich jedoch erhebliche Abweichungen. S. a. unten Fn 62.

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«Abtretungserklärungen» verbunden sind59. Diese Formulare sind in doppel­ter Hinsicht aufschlussreich: einmal in bezug auf die dort bezeichneten Pfandgegenstände (dazu unten VIII), zum andern im Hinblick auf die zu sichernde Forderung. Diese wird z. B. so umschrieben: «Die Pfänder sowie die abgetretenen Forderungen und anderen Rechte haften der Bank für sämt­liche Forderungen gegen ... aus bereits abgeschlossenen oder im Rahmen der bestehenden Geschäftsbeziehungen ... künftig abzuschliessenden Ver­trägen, die einer Geschäftsstelle der Bank gegebenen Sicherheiten haften auch für die Forderungen der anderen Geschäftsstellen»; oder noch drasti­scher: «Das Pfandrecht dient zur Sicherstellung aller Ansprüche, die die Bank aus irgend einem Rechtsgrunde gegen ... besitzt oder in Zukunft erlangen wird». Im <Handbuch des Geld-, Bank- und Börsenwesens der Schweiz)60 spricht man in diesem Zusammenhang von einem «sogenannten generellen Forderungskreis», der gesichert werden soll. Man umschreibt ihn folgendermassen: «So haftet das für einen Kredit bestellte Pfand auch für später eingeräumte Kredite, bzw. die für weitere Kredite eingesetzten Pfän­der sichern auch die bisherigen Kreditforderungen, dabei sind auch die sog. indirekten Forderungen, z. B. aus Bürgschaft, in den gesicherten Forderungs­kreis einbezogen».

Es liegt nicht in der Eigenart eines solchen Handbuchs, nach der Zuläs-sigkeit derartiger Praktiken zu fragen. Aber auch die juristische Fachlitera­tur hat sich teils kommentarlos, teils resignierend mit derartigen Klauseln abgefunden und sich allenfalls darauf beschränkt, den Banken den Rat­schlag zu geben, durch Selbstdisziplin und Selbstbesinnung Auswüchse zu vermeiden61. Das mag guter schweizerischer Tradition entsprechen und auch gelegentlich zum Erfolg führen62; eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Problematik liegt darin natürlich nicht. Dass eine solche Auseinander­setzung erforderlich ist, ergibt sich rasch, wenn man die Klauseln mit der gesetzlichen Pfandrechtskonzeption vergleicht.

Diese Konzeption liegt allerdings nicht offen zutage. Das Faustpfandrecht sagt über die zu sichernde Forderung nichts, über das Verhältnis von Pfand-

59 Dabei tauchen wiederum Vorausabtretungen auf, so etwa in einem Warenverpfändungsver­trag: «Der Unterzeichnete tritt der ... insbesondere auch sämtliche Forderungen ab, die aus einem Verkauf dieser Waren entstehen».

60 Herausgegeben von Albisetti u. a. 3. Aufl. (Thun 1977), Stichwort Wertpapierverpfändung S. 618.

61 Vgl. dazu P. FORSTMOSER u.a., Rechtsprobleme der Bankpraxis (Bern 1976) und schon OKTINGER Kommentar ZGB 884 N 131.

62 So hat z. B. die schweizerische Bankgesellschaft vor kurzem ihre AGB gerade im Bezug auf die allgemeinen Pfandklauseln wesentlich verfeinert und verbessert.

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recht zur Forderung nur wenig. Man ist sich deshalb einig, dass die Prinzi­pien, die das Grundpfandrecht zu diesen Fragen aufstellt, entsprechend an­wendbar sein sollen63. Im Grundpfandrecht finden sich zwei Bestimmungen prinzipieller Art, die die zu sichernde Forderung betreffen.

Art. 794 ZGB schreibt vor: «Bei der Bestellung des Grundpfandes ist in allen Fällen ein bestimmter Betrag der Forderung in Landesmünze anzu­geben. Ist der Betrag der Forderung unbestimmt, so wird ein Höchstbetrag angegeben, bis zu dem das Grundstück für alle Ansprüche des Gläubigers haftet». Art. 824 ZGB legt für die Grundpfandverschreibung fest, dass «eine beliebige, gegenwärtige oder zukünftige oder bloss mögliche Forde­rung pfandrechtlich sichergestellt» werden kann.

Den in Art. 794 ZGB zum Ausdruck gekommenen Gedanken nennt man wiederum Spezialitätsprinzip, in Art. 824 ZGB findet sich der Akzessorie-tätsgrundsatz. Nun ist im Einzelnen vieles streitig, auf das es hier aber nicht ankommt. So sagt OFTINGER64 zu Recht, dass Spezialität nichts mit Be­stimmtheit des Betrages zu tun habe, sondern nur in dem oben bei der Vor­auszession dargelegten Sinne als Individualisierbarkeit der Forderung zu verstehen sei. Zum andern fällt es nicht ganz leicht, Spezialität abzugrenzen von Akzessorietät65, wobei Leistungsfähigkeit und legislative Verwirklichung des Akzessorietätsprinzips selbst stark angezweifelt werden.

Dessen ungeachtet kann man folgendes festhalten: Das Grundpfandrecht verlangt Bestimmung eines Betrages, um nachfol­

gende Gläubiger zu schützen, wie sich aus Art. 794 Abs. 2 ZGB eindeutig ablesen lässt. Art. 794 I ZGB setzt darüber hinaus bei ganz unbefangener Betrachtung voraus, dass es sich um eine zumindest fest umrissene (die Forderung) Forderung handeln muss. Man wird sich hier allerdings mit den Kriterien begnügen, die im Rahmen der Vorauszession als Bestimmbarkeit bezeichnet werden; denn es handelt sich eben nicht um eine Verfügung über ein Recht, sondern es geht ausschliesslich darum, den Belastungsrah­men abzustecken. Deshalb ist auch Art. 794 ZGB nicht der eigentliche An­satzpunkt für die Frage, ob eine Art rollierende Forderungsauswechslung66

63 OFTINGER Kommentar, Systematischer Teil N 25 ff. mit Nachweisen zu den Einzelheiten. "OFTINGER Kommentar ZGB 884 N 138f. Zum folgenden insgesamt die bei OFTINGER

schon verwertete Untersuchung von PH. DUDAN, La principe de spécialité de la creance garantie par gage (Genève 1948).

65 Hier handelt es sich wie bei der Unterscheidung zwischen Spezialitätsprinzip und Bestimmt­heitsgrundsatz wiederum eher um einen unterschiedlichen Aspekt; vgl. oben Fn 34.

66 Erörtert wird diese Frage vor allem in den Erläuterungen zu Art. 825, wobei der Schwer­punkt aber immer auf der Frage liegt, ob eine bewusste Forderungsauswechslung möglich ist, wie sie das deutsche BGB § 1180 vorsieht, nicht aber der hier erörterte Fall einer glei-

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unter Beibehaltung des ursprünglich bestellten Pfandrechts möglich oder ob das Pfandrecht auf eine (oder mehrere) genau umschriebene Forderung beschränkt ist.

Massgeblich hiefür ist der zweite hier eingreifende Gedanke, das Akzes-sorietätsprinzip. Damit bezeichnet man die Verknüpfung des Pfandrechts mit der zu sichernden Forderung, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das Sicherungsrecht in Entstehung, Bestand, Übertragung und Beendigung vom Schicksal der Forderung abhängig ist67.

Liest man Art. 824 ZGB so scheint es, als könne von Akzessorietät kaum noch gesprochen werden; das ist gewiss richtig, wenn man die Akzessorietät als ein Dogma begreift. Betrachtet man sie indessen nur als die Bezeichnung eines funktionellen Zusammenhangs, so bleibt ein für unsere Frage ent­scheidender Kern. Das Pfandrecht wird - zumindest dem Wortlaut nach -einer einzelnen Forderung zugeordnet, mag sie auch beliebig, gegenwärtig oder zukünftig oder bloss möglich sein.

Bei der Übertragung dieser Grundsätze auf das Faustpfand besteht kein Anlass, davon abzuweichen, im Gegenteil: da es an einer Begrenzung im Sinne des Art. 794 ZGB fehlt, muss an der Zuordnung zu einer speziellen Forderung um so strikter festgehalten werden, wenn nicht tatsächlich ein generelles Pfandrecht entstehen soll. Es sprechen also gewichtige Gründe gegen die Zulässigkeit eines alle zukünftigen Forderungen erfassenden Pfandrechts, das mit Gewissheit auch nicht den Vorstellungen des Gesetz­gebers entsprochen hätte.

Indessen hatte man schon in der gemeinrechtlichen Literatur68 derartige Vereinbarungen für möglich gehalten und Theorie und Praxis haben die Gültigkeit eines solchen Pfandrechts aus pfandrechtlicher Sicht nie ernst­haft in Zweifel gezogen. Vielmehr hat das Bundesgericht vor allem im Hin­blick auf die weite Formulierung des Art. 824 ZGB die Begrenzung nicht unter pfandrechtüchen, sondern nach den Grundsätzen des Art. 27 ZGB gesucht69; damit lassen sich jedoch nur sehr vage und auch nur sehr extreme

tenden und stillschweigenden Erneuerung der zu sichernden Forderung. Dies ist alles bei DUDAN (oben Fn 64) ausgewertet, der sich - unter Bezugnahme auf BGE 60 II 89 - gegen die Zulässigkeit der Forderungsauswechslung wendet. Im folgenden kommt es darauf weniger an; denn es geht wie schon bei der Vorauszession um eine Rückbesinnung auf die zugrunde liegenden Vorstellungen.

67 OFTINGER Kommentar ZGB 884 N 149 ff. 68 Vgl. etwa DERNBURG, Das Pfandrecht nach den Grundsätzen des heutigen römischen

Rechts (Leipzig 1860) Band I § 68ff., insbesondere § 71 (Creditvertrag). 69 Grundlegend BGE 51 II 281 f.; OFTINGER Kommentar ZGB 884 N 129f. Zu ähnlichen

Ergebnissen gelangt für das deutsche Recht CANARIS (oben Fn 38) Anm. 1321 a.

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Grenzen ziehen. Andererseits liegt es auf der Hand, dass eine derartige Verwendung des Pfandrechts ausserordentlich praktisch ist und darin gewiss der Grund liegt, der die wissenschaftlich orientierte Literatur dazu veran­lasst hat, vorhandene Bedenken zurückzustellen. Dabei wird aber das Pro­blem der Sicherung zukünftiger Forderungen isoliert und nicht im Zusam­menhang mit den übrigen Pfandrechtsmerkmalen betrachtet. Je mehr man dagegen das Gesamterscheinungsbild ins Auge fasst, um so stärker gewinnen die Bedenken an Gewicht. Deshalb ist - vor einer abschliessenden Stellung­nahme - der Gegenstand dieser Pfandrechte näher zu untersuchen.

VIII.

Sowohl durch die allgemeinen Pfandverträge wie durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen70 wird eine unbestimmte, nur sehr global umschrie­bene Menge von «Vermögenswerten» aïs Pfandgegenstand bezeichnet. Wenn das Pfandrecht in der dort beschriebenen Weise zustandekommt, so liegt ein, wenn auch auf einen Teilbereich beschränktes, generelles Pfandrecht vor. Es stellt sich deshalb die Frage, wie derartige Globalverfügungen mit dem Spezialitätsprinzip und darüber hinaus mit den schon erwähnten Pfand­rechtsgrundsätzen überhaupt zu vereinbaren sind. In Theorie und Praxis71

versucht man die Frage dadurch zu lösen, dass man diese pfandvertraglichen oder AGB-Klauseln als einen - im Rahmen des Art. 27 ZGB - zulässigen obligatorischen Verpflichtungsvertrag zur Bestellung eines Pfandes behan­delt. Das Pfandrecht selbst entsteht danach erst mit Besitzerlangung durch die Bank, wobei durch diesen Akt zugleich den Erfordernissen der Speziali-

70 Die Pfandklause] der AGB lautete nach den Musterbedingungen von 1966: «Die Bank hat an allen Vermögenswerten, die sie jeweils für Rechnung des Kunden bei sich selbst oder anderswo aufbewahrt ein Pfandrecht ...». Insofern haben sich kaum Änderungen ergeben. Immerhin ist die Besitzform stark präzisiert worden gegenüber früheren Klauseln, die aus­schliesslich auf die Erlangung der Verfügungsgewalt abstellten. Dies tun noch heute - nach dem AGB-Gesetz - die deutschen Bankbedingungen. Typische Klausel für einen allgemeinen Pfandvertrag: «... verpfändet hiermit seine sämtlichen gegenwärtig oder zukünftig im Besitz der Bank befindlichen Wertpapiere, Spar- und Depositenhefte und anderen Wertgegen­stände».

71 Vgl. etwa Handbuch (oben Fn 60) Stichwort Generalpfandklausel (S. 283), wo es in an­schaulicher Weise heisst: «Die Generalpfandklausel hat den grossen Vorteil, dass die Pfänder nicht einzeln aufgeführt werden müssen, so dass Mutationen im Bestand keiner neuen Pfand­verschreibung bedürfen. Das Pfandrecht entsteht aber auch bei einer Generalpfandklausel erst mit der Übergabe der Pfandsache» (Hervorhebung vom Verf.).

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tat und Publizität Genüge getan wird72. Diese Interpretation scheint auf den ersten Blick einleuchtend. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass damit die Problematik derartiger Globalverfügungen nicht eigentlich gelöst, sondern nur verschoben wurde. Es stellt sich nämlich jetzt die Frage, ob das alles wirklich durch den Akt der Besitzergreifung «geleistet» werden kann. Im Einzelnen liesse sich dies nur diskutieren, wenn man jede der verschie­denen sachenrechtlichen Rechtsübertragungstheorien durchexerzieren und den jeweiligen Stellenwert der Tradition genau bestimmen würde73. Hier genügen einige grundsätzliche Bemerkungen:

Es muss in dem Zeitpunkt, in dem die generell bezeichneten Gegenstände in den Besitz der Bank gelangen, feststehen, ob sie dem Pfandrecht unter­liegen oder nicht. Eine blosse «Bestimmbarkeit», die eine solche Feststel­lung ex post ermöglicht74, entspricht auch hier - wie bei der Vorauszession -nicht den Erfordernissen des Spezialitätsprinzips75. Wenn nun diese Fest­legung bei Besitzerlangung erfolgen soll, so bedeutet das konkret: Die Bank muss bei Besitzbegründung den Willen haben, diesen bestimmten Gegen­stand in Erfüllung des Pfandvertrages76 als Pfand in Besitz zu nehmen. Es liegt auf der Hand, dass - auch wenn man die Frage nach der rechtsge­schäftlichen Natur der Tradition ausklammert - eine rein faktische Besitz­erlangung diesen Erfordernissen nicht gerecht wird. Betrachtet man die moderne Bankpraxis, insbesondere im Wertpapierverkehr, so bezweifle ich, ob man eine derartige bewusste Besitzergreifung unterstellen kann; prak­tisch wird es an einer entsprechenden Willensbildung fehlen. Man kann ge­wiss sagen, dass damit sowohl die legislatorische als auch die von der ge­setzesorientierten Dogmatik entwickelte Konzeption zur Pfandrechtsbe­gründung weitgehend ausgehöhlt worden sind.

72OFTINGER Kommentar ZGB 884 N 35-37 und N 179ff.; eine genaue Analyse und kon­struktive Erfassung des Verpfändungsvorgangs findet allerdings nicht statt (obwohl OFTINGER an sich scharf zwischen Pfandvertrag und Erfüllung trennt, siehe unten Fn 76). Dies wäre aber wichtig; denn die Pfandklausel der AGB verpflichtet nicht zur Besitzeinräumung, son­dern betrifft nur Pfandbestellung an Gegenständen, die in Besitz der Bank gelangen.

"Vgl. dazu P. LIVER, Schweizerisches Privatrecht V/1 § 49ff. und H. HINDERUNG ebd. §80 sowie ZSR 89, 159 ff.

74 So die deutsche Theorie vgl. etwa CANARIS (oben Fn 38) Anm. 1307. 75 Die Anwendbarkeit des Spezialitätsprinzips kann auch dann nicht bezweifelt werden, wenn

man mit einigen Autoren die Notwendigkeit eines Verfügungsgeschäftes neben Verpflich­tungsgeschäft und dessen Vollzug durch Übergabe leugnet. (Vgl. dazu insbesondere HINDER LING in dem in Fn 73 genannten Aufsatz.)

76 Dass sich die Besitzerlangung bei der Übereignung wie bei der Pfandrechtsbestellung nicht rein zufällig, sondern mit Bezug auf das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft vollziehen muss, steht ausser Streit, Allgemein hierzu LIVER (oben Fn 73) § 49 und speziell für das Pfandrecht OFTINGER Kommentar ZGB 884 N 182 f.

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Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Als stillschweigend oder ausdrücklich vereinbart gilt, dass laufend Vermögenswerte aus dem Pfandbestand aus­scheiden und neu eintretende sofort vom Pfandrecht ergriffen werden77. Damit aber wird ein Effekt erzielt, der dem gemeinrechtlichen General­pfand sehr nahe steht und sicher nicht mit dem gerade dagegen gerichteten Konzept des Gesetzgebers und dem diesem entsprechenden Spezialitäts­prinzip vereinbar ist. Im Ergebnis kann man nämlich mit dieser Art von Pfandklauseln folgendes erreichen: Auf der einen Seite bildet eine sich ständig verändernde und neu ergänzende Menge von Vermögenswerten den Pfandgegenstand, auf der anderen Seite werden die zu sichernden Forde­rungen laufend ausgewechselt und durch neu hinzutretende ergänzt. Auf diese Weise entsteht ein Dauerpfandrecht, das weite - heute vielfach die wichtigsten - Teile des Vermögens «blockiert» und damit dem Zugriff Dritter entzieht. Als besonders gravierend kommt hinzu, dass das Ganze sich praktisch «unter Ausschluss der Öffentlichkeit» abspielt; denn diese Vorgänge sind nicht sichtbar. Die Sichtbarmachung von Kreditsicherungen durch Hingabe von Vermögenswerten war aber eines der Hauptanliegen des Gesetzgebers78, das er im Mobiliensachenrecht durch Einführung des Faust­pfandprinzips und der Traditionsmaxime sicherstellen wollte.

Ich breche die Skizze hier ab, obwohl man sie noch weiter vertiefen und verfeinern könnte; sie hat meines Erachtens schon jetzt hinreichend ver­deutlicht, dass ein Sicherungssystem entstanden ist, das sich von den Vor­stellungen des Gesetzgebers und auch von den dogmatischen Grundkon­zeptionen des Pfandrechts weit entfernt hat.

K .

Die Frage, welche Folgerungen aus diesem Befund zu ziehen sind, lässt sich nur beantworten, wenn man sich Klarheit über den Stellenwert der tangierten Prinzipien und die Konzeption des Gesetzgebers verschafft hat. Die Grundsätze, um deren Beachtung es hier geht, sind nicht direkt oder ausdrücklich in Normen niedergelegt, es handelt sich vielmehr um Prinzi­pien, die die gesamte Ausgestaltung des Pfandrechts und teilweise des Sachenrechts schlechthin bestimmt haben.

77 Vgl. nur das oben (Fn 71) wiedergegebene Zitat aus dem Handbuch. 78 OrriNGER Kommentar, Systematischer Teil N 32 und ZGB 884 N 170; vgl. auch die

einleitenden Bemerkungen zum Publizitätsstreben des Gesetzgebers; dazu insgesamt W. HRODMADKA, ZSR 111, U7ff.

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Ein für das gesamte Sachenrecht grundlegendes Prinzip ist der Publizi­tätsgedanke, dem im Bereich des Fahrnisrechts durch die Traditionsmaxime Rechnung getragen wird. Während aber das Publizitätsprinzip selbst kaum umstritten und seine Beachtung im Liegenschaftsrecht durch das Eintra­gungsprinzip im Grundbuch auch keine Probleme macht, bestanden im Be­reich des Fahrnisrechts von Anfang an Bedenken. Einmal schon deshalb, weil das Gesetz selbst den Traditionszwang weitgehend abgeschwächt hat, zum andern vor allem im Hinblick auf die Publizitätswirkung des Besitzes, die seit je bezweifelt worden war79. Es bedarf keiner näheren Begründung, dass der Besitz die ihm vom Gesetz zugedachte oder zugemutete Funktion immer weniger erfüllen kann80, je differenzierter und komplexer die ökono­mischen Verhältnisse sich entwickeln. Die Entwicklung im Bankenbereich stellt dabei nur einen Ausschnitt dar. Im Hinblick auf die bereits eingetre­tenen Verschiebungen und fortschreitenden Veränderungen darf man des­halb das Traditionsprinzip nicht überbewerten81. Ähnliches gilt für das Ak-zessorietätsprinzip. Auch hier hat das Gesetz selbst weitgehende Einschrän­kungen oder Ausnahmen statuiert, die Literatur darüber hinausgehend die Bedeutung dieses Grundsatzes eher reduziert82. Das Spezialitätsprinzip schliesslich ist - wie oben angedeutet83 - eher eine Begriffsbildung der Theo­rie als ein dem Gesetzgeber vorschwebendes Dogma; andererseits hat man die «Bestimmtheit» von Verfügungen gewiss als selbstverständlich voraus­gesetzt.

Dies führt zur zweiten Frage, was denn die Konzeption des Gesetzgebers war und welche Bedeutung ihr zukommt. Meines Erachtens fällt die Ant­wort nicht schwer. Aus einzelnen schon behandelten Hinweisen und den hier erörterten Grundsätzen folgt, dass der Gesetzgeber entscheidendes Gewicht auf die Transparenz der Sicherungsgeschäfte gelegt hat. Auch wenn er die diesem Prinzip dienenden Grundsätze nicht immer konsequent durchgeführt und ihr Wert heute manchmal fraglich geworden ist, so darf das nicht dazu führen, die damit verfolgten legislatorischen Zwecke eben­falls über Bord zu werfen; denn das Gesetz enthält eine Reihe von Anhalts-

79 Umfassende Literaturnachweise zu dieser Frage bei WACKE (oben Fn 45) sowie speziell für das Pfandrecht HRODMADKA a.a.O.

80 Vgl. dazu die Übersicht von K. ZWEIGERT, Rechtsvergleichend-Kritisches zum gutgläubi­gen Mobiliarerwerb Rabeis Z 23, 1 ff.

81 Zu Recht betont aber demgegenüber LIVER (oben Fn 73), dass die Traditionsmaxime im schweizerischen Recht einen wesentlich höheren Stellenwert habe als im deutschen, was er insbesondere aus dem im Text wiederholt erwähnten Art. 717 ZGB ableitet.

82 Vgl. die Darstellung bei OFTINGER Kommentar ZGB 884 N 149ff. mit Nachweisen. " Siehe oben bei und in Fn 25.

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punkten, die erkennen lassen, dass insbesondere die Überschaubarkeit der Sicherungsgeschäfte dem Gesetzgeber ein Anliegen war, das bei der Ent­stehung des Sachenrechts eine grosse Rolle spielte84. Diese Transparenz sollte in erster Linie Dritte vor Täuschungen und vor unsichtbarer Aushöh­lung der Kreditunterlage schützen. In besonders deutlicher Weise findet dieses Bestreben des Gesetzgebers Ausdruck in der schon mehrfach hervor­gehobenen Regelung des Art. 717 ZGB. Diese Norm bildet deshalb auch den Ansatzpunkt für die vorgeschlagene Lösung:

Art. 717 ZGB erklärt nicht jede Sicherungsübereignung für schlechthin unwirksam, sondern schützt Dritte, «wenn damit ihre Benachteiligung oder eine Umgehung der Bestimmungen über das Faustpfandrecht beabsichtigt worden ist». Das Gesetz lässt zwei ineinandergreifende Gesichtspunkte er­kennen: Drittschutz und Einhaltung des Traditionsprinzips. Die Interpreta­tion hat daraus den Grundsatz entwickelt, dass eine durch Besitzkonstitut erfolgte Übereignung unwirksam sei, wenn sie Sicherungszwecken diene85. Damit ist der zunächst sehr subjektiv gefärbte Wortlaut des Gesetzes schon weitgehend objektiviert. Diesen Ansatz gilt es zu erweitern; denn Art. 717 ZGB beruht auf Überlegungen, die Verallgemeinerung zugänglich und aui die oben geschilderten generellen Pfandrechte übertragbar sind. Das lässt sich noch mit einem weiteren Gedanken rechtfertigen. Art. 717 ZGB stellt eine Konkretisierung des Rechtsmissbrauchsgedankens86 dar. Es handelt sich dabei um einen sog. institutionellen Rechtsmissbrauch, d. h. die Ver­wendung des an sich zulässigen Besitzeskonstitut wird dann missbräuchlich, wenn sie dazu dient, die Prinzipien des Faustpfandrechts zu unterlaufen. Betrachtet man die oben skizzierten Pfandrechte, wie sie durch die Verwen­dung allgemeiner Pfandverträge und der AGB der Kreditinstitute entstehen, so fällt es nicht schwer, die Parallele zu Art. 717 ZGB zu sehen; denn auch hier werden an sich zulässige Institutionen in einer Weise verwendet, die nicht tendenziell, wohl aber in ihren Auswirkungen einem Missbrauch gleichkommt.

Damit soll kein allgemeines Verdikt über diese Pfandrechte ausgesprochen werden, sondern auch hier zeigt Art. 717 ZGB in seinem Abs. 2 den richti­gen Weg. Die Entscheidung über die Wirksamkeit derartiger Pfandrechte muss in das Ermessen des Richters gestellt werden. Er wird nach den Um-

84 Siehe die anfangs zum Eigentumsvorbehalt und die zur Schriftform der Zession gegebenen Hinweise; dazu auch HRODMADKA (oben Fn 78).

85 LIVER (oben Fn 73) § 50 und OFTINGER Kommentar ZGB 884 N 273ff.: zur Entstehung des Art. 717 (aOR 202) vgl. HRODMADKA mit Nachweisen; zur damaligen Praxis ZBJV 17 (1882) 56 ff.

86 So besonders klar LIVER (oben Fn 73) § 50.

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ständen des Einzelfalles zu entscheiden haben, ob die Vereinbarungen unter Würdigung eben dieser Umstände eine - allerdings objektiv zu beurtei­lende - Benachteiligung Dritter und eine Missachtung der pfandrechtlichen Grundprinzipien in ihrer Gesamtheit, also nicht nur des Faustpfandprinzips, bewirken.

Gegenüber den bisherigen Möglichkeiten bedeutet dies grössere Flexibili­tät und grössere Reichweite der Eingriffe sowie einen methodischen Ge­winn. Art. 27 ZGB konnte nur dazu verwendet werden, unverhältnismässige Übersicherungen, die auf Kosten des betroffenen Schuldners erzielt wur­den, auszuschalten. Der Drittschutz, um den es hier in erster Linie geht, trat dabei höchstens als Reflexwirkung ein. Auch der durch das SchKG bewirkte Schutz hilft nur in seltenen Extremfällen87. Demgegenüber hat der Richter bei der Anwendung der hier vorgeschlagenen Lösung die Möglich­keit, unter Abwägung der Interessen aller Beteiligten eine Grenze zu ziehen und unverhältnismässig weitgreifende Verpfändungen sowohl ihrem Umfang als auch ihrer zeitlichen Wirkung nach auf ein vernünftiges Mass zu redu­zieren.

X.

Aus der Untersuchung der Vorauszession und des Pfandrechts der Ban­ken hat sich eine Reihe von Gesichtspunkten ergeben, die teils am Anfang schon angedeutet, aber durch die Analyse deutlicher hervorgetreten sind und deshalb hier noch einmal zusammengefasst werden sollen, um daran einige allgemeinere Überlegungen anzuknüpfen. Es hat sich bestätigt, dass die Kreditsicherungspraxis in erheblichem Masse von der legislatorischen Konzeption abweicht und dass Sicherungsinstitutionen entstanden sind, die zu weitreichenden und umfassenden Bindungen des Vermögens führen und seine Substanz so weit aushöhlen, dass dritten, an diesen Sicherungsge­schäften nicht beteüigten Gläubigern praktisch keine Zugriffsmöglichkeit mehr verbleibt. Andererseits hat sich gezeigt, dass es mit Hilfe traditioneller Dogmatik unter Rückbesinnung auf die für den Gesetzgeber leitenden Prin­zipien und die dahinter stehenden Wertentscheidungen möglich ist, der­artige Auswucherungen auf ein Mass zu reduzieren, das den Interessen aller

87 Vgl. FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. (Zürich 1968) II §65f.; CANARIS (oben Fn 38) für die deutsche Anfechtungsklage. Das gleiche gilt auch für den gelegentlich als generelles Prinzip verwandten Gedanken der Ubersicherung. Dieses ist nur sehr schwer zu konkretisieren und für den Richter wesentlich schwerer zu handhaben als die hier vorge­schlagenen Beschränkungen.

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Beteiligten gerecht wird. Diese Interessenabwägung obliegt der Rechts­sprechung. Sowohl bei der Vorauszession als auch in besonderem Masse beim Pfandrecht, wo die analoge Anwendung des Art. 717 Abs. 2 ZGB die Entscheidung in das Ermessen des Richters stellt, können die Gerichte eine Kurskorrektur bewirken, indem sie die getroffenen Vereinbarungen an den dargelegten Massstäben messen. Ihnen dabei den Rücken zu stärken, war das Hauptanliegen dieser Ausführungen, das zugleich auch ein rechtspoliti­sches ist. Denn wenn es gelingt, durch entschiedene und entschlossene Rechtssprechung eine Wiederannäherung der Kreditsicherungspraxis88 an die gesetzliche Konzeption zu ermöglichen oder - wenn man so will — auch zu erzwingen, dann scheint mir dies nicht nur der einfachere, sondern auch rechtspolitisch gesehen der wünschenswertere Weg zu sein; er erspart uns unnötige und in ihren Wirkungen unberechenbare und deshalb in der Regel weit über das Ziel hinausschiessende Gesetzeskorrekturen, die immer, auch wenn sie nur auf Teilbereiche abzielen, zu weitreichenden Störungen in der Gesamtsystematik führen89, die dann in der Regel durch erneute Eingriffe ausgeglichen werden müssen. Solche Eingriffe sollten deshalb auf unver­meidliche Fälle des Sozialschutzes oder ähnlich zwingender Motivation be­schränkt bleiben, in denen die hier vorgeschlagene Methode keinen Erfolg erhoffen lässt. Ein weiterer Vorteil dieser Methode scheint mir darin zu liegen, dass sie kein Sonderrecht90 schafft, weil sie nicht — wie etwa die deutsche AGB-Gesetzgebung — auf eine Regelung des Konflikts zwischen den beiden Geschäftsparteien und den Schutz des sozial oder wirtschaftlich Schwächeren abzielt, sondern auf einen an den Grundentscheidungen des Gesetzgebers orientierten Interessenausgleich zwischen allen Beteiligten, der es insbesondere ermöglicht, den sonst vielfach vernachlässigten Schutz der nicht unmittelbar beteiligten Dritten zu berücksichtigen.

88 Skeptisch in dieser Hinsicht N. REICH JZ 1976, 463. 89 Dies zeigen vor allem Rand- und Folgeerscheinungen der deutschen AGB-Gesetzgebung. 90 Gerade die Entstehung eines sog. Verbraucher- oder Konsumentenrechtes zeigt die Proble­

matik neuer Sonderrechte auf, die eine eigene Dynamik zu entwickeln pflegen. Hinzu kommt die Frage, ob diese Perspektive wirklich geeignet ist zu einer über den Tag hinausreichenden Rechtsfortbildung zu führen.

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