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Christmette 2017 Kreuzkirche I. Gottes Wort an uns Lieben Sie die Weihnachtsgeschichte auch so? Was ist das für eine Frage! Natürlich! Sonst wären Sie wohl nicht an

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Christmette 2017 Kreuzkirche

I. Gottes Wort an unsLieben Sie die Weihnachtsgeschichte auch so? Was ist das für eine Frage! Natürlich! Sonst wären Sie wohl nicht an einem Tag wie heute, nachts nach 22 Uhr (bei dem Wetter) in die Kirche gekommen.

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Die Weihnachtsgeschichte ist den meisten von uns seit Kindertagen vertraut. Das ist nicht mehr überall selbstverständlich. Manche, die in den neuen Bundesländern aufgewachsen sind, kennen sie vielleicht noch gar nicht so gut.Kurz nach der Wende kam eine junge Frau zu mir und wollte sich taufen lassen. In den Gesprächen, die man da üblicherweise führt, stellte ich bald fest, dass sie so gut wie keine Ahnung hatte von den Grundlagen des Glaubens. Biblische Geschichten und Personen waren ihr völlig unbekannt. Von Abraham, Mose, David, Jesaja hatte sie nie gehört. Die ganze Geschichte Gottes mit den Menschen war ihr neu.Als ich dann aber zu dem Punkt der Heilsgeschichte kam, als Gott Mensch wurde und als neugeborenes Kind in die Welt kam, da ging plötzlich ein Leuchten über ihr Gesicht. „Ist das die Geschichte, wo das Kind in dem Stall geboren wird und seine Mutter legt es in eine Futterkrippe?“ unterbrach sie mich. - Die Weihnachtsgeschichte war die einzige Geschichte der Bibel, die sie in ihrer atheistisch geprägten Umwelt schon einmal gehört hatte.Es ist die wunderbarste Geschichte der ganzen Bibel. Dreimal wird sie uns erzählt. Am anschaulichsten vom Evangelisten Lukas, in der zur Weltliteratur gewordenen Übersetzung Martin Luthers: Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde... Die meisten von uns sprechen sie in Gedanken mit, wenn sie sie hören, wenigsten die Botschaft des Engels: „Fürchtet euch nicht! Siehe ich verkündige

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euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr in der Stadt Davids.“Lukas lässt uns das Kind in der Krippe sehen, den Geruch des Stalls in die Nase steigen und die Gedanken Marias erfahren, die all das Erlebte still für sich in ihrem Herzen bewegt. In der Christvesper wird sie immer so gelesen, auch gerade haben wir sie noch einmal gehört.In der Christmette, wird dann, nach der liturgischen Ordnung unserer Kirche, die Weihnachtsgeschichte nach Matthäus gelesen. Lukas hatte aus dem Erleben der Maria erzählt, Matthäus lässt uns aus der Perspektive des Josef teilhaben. Schon viel nüchterner, wie Männer eben sind, werden da seine vernünftigen, logischen Überlegungen dargestellt. Seine Gedanken und Pläne, als er erfährt, dass seine Braut ein Kind erwartet, das doch nicht von ihm ist, weil er gar nicht mit ihr zusammen war. Nur ein Engel, der dem Josef im Traum erscheint, kann verhindern, dass Josef Maria verlässt.Matthäus schickt in seinem Evangelium einen ellenlangen Stammbaum voraus (wir haben ihn mit Rücksicht auf Sie und die späte Stunde nicht gelesen), eine Aufzählung in der die Abstammung Jesu von Abraham und David über 42 Generationen bis zu Jesus nachgewiesen wird. Matthäus erwähnt dabei nur drei Frauen und fährt nach der Geburt Jesu, die nur mit einem Satz erwähnt wird, mit Männergeschichten fort. Die Weisen aus dem Morgenland, die Flucht vor Herodes, der Kindermord des Herodes. - Es wird sofort deutlich, in welche Welt dieser Gottessohn

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hineingeboren ist. Sein Leben ist bedroht, von der ersten Stunde an.Die dritte, kürzeste und eigenartigste Version der Weihnachtsgeschichte erzählt uns aber der Evangelist Johannes im ersten Kapitel seines Evangeliums. Sie ist so kurz und so gehaltvoll, dass man sie immer wieder hören, lesen und bedenken muss man ihre Tiefe und Kraft anfängt zu begreifen Joh 1,14:„Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit. Eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“Wenn Sie das eingeblendete Bild von Werner Göritz genau anschauen, dann sehen Sie, dass sich diese Worte im Körper des Engels verbergen. Oder sollte ich besser sagen, sie bilden den Körper des Boten Gottes, vielleicht weil sie Kern der wunderbaren Botschaft sind.Johannes ist nicht am zeitgeschichtlichen Geschehen interessiert, wie Lukas, der den römischen Kaiser und den syrischen Statthalter beim Namen nennt, auch die Hinterlist des Kindermörders Herodes lässt er draußen. Seine Sache ist der große heilsgeschichtliche Rettungsplan Gottes.Das Wort Gottes wird Mensch. Der große Theologe Johannes, der aus der Schöpfungsgeschichte in den Mosebüchern weiß, dass alles, was es gibt, seinen Ursprung im schöpferischen Wort Gottes hat. Gott sprach und es geschah! Dieser Gott, den kein Mensch gesehen hat, der mit keinem Bild zu vergleichen, von keinem Menschen

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vorstellbar ist, der Licht ist und Energie, Kraft und Geist zugleich, dem weder Zeit noch Raum Grenzen setzen, der legt seine ganze Heiligkeit, Kraft und Wahrheit in das Wort.Er redet mit Worten zu den Menschen, die sein Wort erst ins Leben gerufen hat. Er schafft das Unvorstellbare, seine ganze göttliche Kraft in Buchstaben zu kleiden und auf Papier sichtbar zu machen. Jeder kann es lesen. Jeder kann seine Erfahrungen damit machen. Seit Jahrtausenden. Schon König David um Tausend vor Christus hat das verstanden, wenn er sagt: „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.“Wort Gottes, das die Felsen der Rocky Mountains und der Dolomiten geschaffen hat, das die Planeten auf ihr Umlaufbahn geschickt, den Sonnen zu leuchten befohlen hat, dieses Wort Gottes, dem die fernsten Galaxien gehorchen müssen, das wird Mensch. - Unbegreiflich! - Dem Johannes unbegreiflich, mir und jedem anderen, der sich die Mühe macht darüber nachzudenken, unbegreiflich! Zu hoch!Ich möchte es an einem ganz banalen Beispiel deutlich machen: Können Sie sich das Wort Festtagsbraten geschrieben vorstellen? FESTTAGSBRATEN! Und jetzt stellen Sie sich vor wie sich dieses Wort, diese vierzehn Buchstaben auf einmal in einen dampfenden duftenden Braten verwandeln. Können Sie sich das vorstellen? Nein. Das wäre die Lösung für die Hausfrauen und für morgen! Aber das ist unvorstellbar. Genauso unvorstellbar dass das göttliche Wort Fleisch, dass es Mensch wird und als Mensch unter Menschen auf dieser Erde lebt und wohnt, lacht und leidet, isst und trinkt, redet

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und hört. Unvorstellbar und doch so geschehen. Weil bei Gott nichts unmöglich ist.Johannes kann es nicht verstehen, aber er bezeugt es: „Wir sahen seine Herrlichkeit!“ Wir haben mit ihm gelebt, wir haben uns davon überzeugt, dass er der Sohn Gottes, der Heiland der Welt ist. Und das sagen wir jedem, der es hören will. Sein Wort war und ist voll Macht, wie das Wort des Vaters. Es ist voll Liebe. Es ist voll Wahrheit. Bis heute, 2000 Jahre nachdem das Unvorstellbare geschah:Gott ist Mensch geworden! Sein Wort ist an uns gerichtet. Sein Wort, für uns, in menschlicher Gestalt. Was machen wir damit? Wie gehen wir damit um? Was bedeutet es uns? Ein ganz einfaches Kinderlied drückt die Antwort so aus:Kantorei singt: Alle Jahre wiederII. Unsere Antwort an GottWie fällt sie aus? Leider fällt sie oft ganz aus. Wie oft nehmen wir sein Wort nicht zur Kenntnis! Das geschriebene und das Mensch gewordene.Stellen Sie sich vor, es schreibt einer einen Brief und schickt ihn an jemanden, der in Not ist, der viele Fragen hat, der nicht aus noch ein weiß. Der Brief enthält die Antworten auf die Fragen, die Lösungsansätze für die Probleme, er könnte dem Verzweifelten Hoffnung machen. Aber der macht ihn nicht auf. Der liest ihn nicht. Der legt ihn weg. Es geht ihm immer schlechter, aber was ihm helfen könnte, tut er nicht.„Er kam in sein Eigentum und die Seinen nahmen ihn nicht auf!“ (Joh 1,11) Das ist die nüchterne und erschreckende Feststellung, die Johannes am Ende des ersten Jahrhunderts

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macht und am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts ist es nicht viel anders: Es trifft immer noch zu: Er kam in sein Eigentum und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Weihnachten ohne Jesus! Geburtstagsfeier ohne das Geburtstagskind.Ja, man feiert die Menschwerdung Gottes mit Glanz und Gloria, mit Licht- und Tonverstärkern, mit gewaltigem materiellem Aufwand und nimmt ihn doch nicht auf.Manche sehen noch die anrührende Geschichte, wie Lukas sie dargestellt hat, stellen eine Krippe in einen offenen Stall, lassen geschnitzte Maria und Josef auf das strohgebettete Kind blicken. Sie umrahmen das Ganze mit Schafen, Ochs und Esel und oft mit noch mehr unwesentlichen Randfiguren. Aber sie sehen nicht mehr das Wunder: Gott wird Mensch!Sehen sie es noch, das göttliche Wunder? Die göttliche unbegreifliche Liebe, die aus dem Mund des neugeborenen Jesus lacht? Die Liebe, die zu uns sagt: Ich habe deine Schwachheit gesehen. Ich weiß, dass du ohne mich verloren bist in Angst und Leid dieser Welt, dass dich deine Schuld erdrückt, dein Gewissen verklagt, deine Sehnsucht quält, darum komme ich zu dir. Darum bin ich für dich Mensch geworden, bin an deiner Seite um dich zu führen und um dir zu helfen.Die beiden, die Werner Göritz zu Füßen des Kindes knien lässt scheinen das Wunder noch zu sehen. Sie staunen, Sie schweigen, sie beten an. Sie sehen die Herrlichkeit Gottes.Und sie laden uns ein, auch wieder ganz neu dieses Wunder zu entdecken. Auch zu schweigen, zu staunen und

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anzubeten. Nur so kann man die Herrlichkeit Gottes entdecken.Im eingeborenen Sohn, in dem einzig als Mensch geborenen Gottessohn Jesus Christus dürfen wir die Herrlichkeit Gottes entdecken. In seinem ganzen Leben von der Krippe bis zum Kreuz wird Gottes Macht und Herrlichkeit deutlich. Im Bild eines Menschen von der Geburt bis zum elenden Tod.Manche behaupten, die Herrlichkeit Gottes in der Natur zu entdecken, in den Bergen, Blumen, Wäldern, in einem zarten Schmetterling, in einem scheuen Reh. Ja, unbestritten, auch in jedem Stein und jedem Tropfen Wasser lässt sie sich erahnen. Aber persönlich, menschlich, für mich rettend und heilend wird die Herrlichkeit Gottes nur in Jesus Christus. In seinem Bild sehe ich die Herrlichkeit Gottes, auch in seinem Kreuzesbild. Er und der Vater sind eins. Niemand kommt zum Vater außer durch ihn. Das müssen die Christen, das müssen wir wieder ganz neu glauben und ganz neu leben lernen. Heute ist eine gute Gelegenheit damit zu beginnen.In einem Kindergarten unterhielten sich die Kinder mit der Erzieherin über Gott: „Gott wohnt im Himmel“, meinten die einen. „Gott wohnt auf der Erde bei den Menschen“, sagten die anderen. Schließlich löst ein Junge, dessen Vater Arzt ist die schwierige Frage auf eine ganz lockere Art: „Wohnen tut Gott im Himmel, aber sein Praxis hat er auf der Erde!“ Ja, er ist praktizierender Gott, er kommt unverzüglich dorthin, wo man ihn ruft. Er hilft, er heilt. „Ich bin der Herr dein Arzt“Gott wohnt im Himmel, aber seine Praxis hat er da, wo Menschen in seinem Namen leben, denken und entscheiden. Da können wir seine Herrlichkeit entdecken. Deshalb die

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Einladung an diesem Weihnachtsfest neu zu staunen und anzubeten: Kommt und lasst uns Christus ehren,

Herz und Sinnen zu ihm kehren;singet fröhlich, lasst euch hören,

wertes Volk der Christenheit.Amen.

Verfasser: Martin Schöppel, Pfarrer, Dr.-Martin-Luther-Str.18, 95445 Bayreuth, Tel. 0921/41168

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