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48 KREUZWEGANDACHT Mit Gedanken von Papst Benedikt XVI. Alljährlich an Karfreitag betete Papst Johannes Paul II. den Kreuzweg mit vielen Tausend Christen am Kolosseum, Stätte des Martyriums unzähliger Blutzeugen unseres Glaubens. In seinem Todesjahr 2005 war er bereits sehr geschwächt, sodass dem damaligen Kardinal Joseph Ratzinger die Aufgabe zufiel, die Texte für diese Andacht zu erstellen. In gekürzter Form sind sie hier zusammengestellt und mit Liedvorschlägen versehen. Sie laden die Gemeinden ein, mit den Gedanken unseres Heiligen Vaters Benedikt XVI. den Leidensweg Jesu mitzugehen. Wir richten dabei den Blick auch auf das Kreuz, das auf uns und unseren Nächsten lastet. Impressum Zusammenstellung: Dr. Michael Bär, Leiter des Bischöflichen Seelsorgeamtes Passau Herausgeber: Bischöfliches Seelsorgeamt Passau 2006 Abgeänderte Zusammenstellung: Stiftspfarre Klosterneuburg 2007 Bilder: Stiftspfarre Klosterneuburg

KREUZWEGANDACHT Mit Gedanken von Papst … · Ratzinger die Aufgabe zufiel, die Texte für diese Andacht zu ... Herr Jesus Christus und preisen dich. A Denn durch dein heiliges Kreuz

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KREUZWEGANDACHT

Mit Gedanken von Papst Benedikt XVI.Alljährlich an Karfreitag betete Papst Johannes Paul II. denKreuzweg mit vielen Tausend Christen am Kolosseum,Stätte des Martyriums unzähliger Blutzeugen unseresGlaubens. In seinem Todesjahr 2005 war er bereits sehrgeschwächt, sodass dem damaligen Kardinal JosephRatzinger die Aufgabe zufiel, die Texte für diese Andacht zuerstellen. In gekürzter Form sind sie hier zusammengestelltund mit Liedvorschlägen versehen. Sie laden dieGemeinden ein, mit den Gedanken unseres Heiligen VatersBenedikt XVI. den Leidensweg Jesu mitzugehen. Wirrichten dabei den Blick auch auf das Kreuz, das auf uns undunseren Nächsten lastet.

ImpressumZusammenstellung: Dr. Michael Bär,Leiter des Bischöflichen Seelsorgeamtes PassauHerausgeber: Bischöfliches Seelsorgeamt Passau 2006

Abgeänderte Zusammenstellung: Stiftspfarre Klosterneuburg 2007Bilder: Stiftspfarre Klosterneuburg

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VORBEREITUNGSGEBET

V Im Namen des Vatersund des Sohnes und des Heiligen Geistes.A Amen.

A Herr Jesus Christus, du hast für uns das Geschick desWeizenkorns auf dich genommen, das in die Erde fällt undstirbt, um so reiche Frucht zu tragen (Joh 12,24). Du lädstuns ein, dir nachzufolgen auf diesem Weg, wenn du unssagst: „Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer abersein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahrenbis ins ewige Leben“ (Joh 12,25). Wir aber hängen anunserem Leben. Wir wollen es besitzen, nicht hingeben. Duaber gehst uns voraus und zeigst uns, dass wir das Lebennur gewinnen, indem wir es geben. Im Mitgehen auf deinemKreuzweg willst du uns auf den Weg des Weizenkornsmitnehmen, der der Weg zur Fruchtbarkeit ist, die in dieEwigkeit hineinreicht. Das Kreuz – das Geben unsererSelbst – lastet schwer auf uns. Aber du hast auf deinemKreuzweg auch mein Kreuz getragen. Du trägst es heutemit mir und für mich, und wunderbarerweise willst du, dassnun ich wie einst Simon von Zyrene auch meinerseits deinKreuz mittrage und im Mitgehen mit dir in den Dienst derErlösung der Welt trete.

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ERSTE STATION

Jesus wird zum Tode verurteilt

V Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich.A Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welterlöst.

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L Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.

Pilatus sagte zu ihnen: Was soll ich dann mit Jesus tun, denman den Messias nennt? Da schrien sie alle: Ans Kreuz mitihm! Er erwiderte: Was für ein Verbrechen hat er dennbegangen? Da schrien sie noch lauter: Ans Kreuz mit ihm!Darauf ließ er Barabbas frei und gab den Befehl, Jesus zugeißeln und zu kreuzigen. (Mt 27,22–23.26)

BETRACHTUNG

V Der Richter aller Welt, der einst wiederkommen wird, unsalle zu richten, steht zerschlagen und geschändet,ohnmächtig vor dem weltlichen Richter. Pilatus ist nichtdurch und durch böse. Er weiß, dass dieser Angeklagteunschuldig ist; er sucht nach einem Weg, ihnfreizubekommen. Aber Pilatus ist halbherzig. Seine eigeneStellung, sein Selbst ist ihm am Ende doch wichtiger als dasRecht. Auch die Menschen, die laut schreien und den TodJesu fordern, sind nicht durch und durch böse. Viele vonihnen wird es am Pfingsttag „mitten ins Herz treffen“ (Apg2,37), wenn Petrus ihnen sagen wird: „Jesus, den Gott voreuch beglaubigt hat… habt ihr durch die Hand vonGesetzlosen ans Kreuz geschlagen…“ (Apg 2,22f). Abernun sind sie im Bann der Masse. Sie schreien, weil dieanderen schreien und wie sie schreien. Und so wirdGerechtigkeit zertreten aus Feigheit und Trägheit desHerzens, aus Furcht vor dem Diktat der herrschendenMeinungen. Die leise Stimme des Gewissens wird übertöntvom Geschrei der Menge. Die Halbherzigkeit, dieMenschenfurcht gibt dem Bösen die Macht.

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Abschluss

V Heiliger Gott!Heiliger, starker Gott!Heiliger, unsterblicher Gott!

A Erbarme dich unser.

V Allmächtiger, ewiger Gott, wir danken dir, dass du durchden Tod und die Auferstehung deines Sohnes unser Lebenerneuert hast. Gib, dass wir durch die Teilnahme amKreuzweg Jesu bereit werden, unser eigenes Kreuzgeduldig zu tragen und dir treu zu dienen. Schenke allen,für die wir gebetet haben, deine Gnade und führe unsereVerstorbenen zur Auferstehung und zum ewigen Leben.Durch Christus, unseren Herrn.

A Amen.

Lied: „Heilges Kreuz sei hochverehret“ 4. Strophe

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GEBET

A Herr Jesus Christus, in der Grablegung hast du den Toddes Weizenkorns auf dich genommen. Vom Grab herleuchtet über alle Zeit hinaus die Verheißung desWeizenkorns, aus dem das wahre Manna kommt – das Brotdes Lebens, in dem du dich uns selber gibst. Du legst dichin unsere Hände und in unser Herz, damit dein Wort in unswachse und Frucht bringe. Du schenkst dich durch den Toddes Weizenkorns hindurch, damit auch wir wagen, unserLeben zu verlieren, um es so zu gewinnen. Hilf uns, deineucharistisches Geheimnis immer mehr zu lieben und zuverehren. Hilf uns, dein „Wohlgeruch“ zu werden, die Spurdeines Lebens fühlbar zu machen in dieser Welt. Du bistauferstanden und hast dem verwandelten Fleisch Raum imHerzen Gottes gegeben. Lass uns dieser Hoffnung frohwerden und sie freudig in die Welt hineintragen, Zeugendeiner Auferstehung sein.

V Herr Jesus Christus, wir bitten dich.A Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.

Lied: „Heilges Kreuz sei hochverehret“ 3. Strophe

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GEBET

A Herr, du bist zum Tod verurteilt worden, weilMenschenfurcht die Stimme des Gewissens erstickte.Die ganze Geschichte hindurch werden so immer wiederdie Unschuldigen geschlagen, verurteilt und getötet.Wie oft haben wir selbst den Erfolg der Wahrheit, unserAnsehen der Gerechtigkeit vorgezogen. Gib der leisenStimme des Gewissens, deiner Stimme, Macht in unseremLeben. Schau mich an, wie du Petrus nach derVerleugnung angesehen hast. Lass deinen Blick in unsereSeele dringen und unserem Leben die Richtung geben.Denen, die am Karfreitag gegen dich geschrieen hatten,hast du an Pfingsten die Erschütterung des Herzens unddie Bekehrung geschenkt. So hast du uns allen Hoffnunggegeben. Schenke auch uns immer neu die Gnade derBekehrung.

V Herr Jesus Christus, wir bitten dich.A Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.

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ZWEITE STATION

Jesus nimmt das Kreuz auf sich

V Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich.A Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welterlöst.

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L Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.

Josef nahm ihn und hüllte ihn in ein reines Leinentuch.Dann legte er ihn in ein neues Grab, das er für sich selbst ineinen Felsen hatte hauen lassen. Er wälzte einen großenStein vor den Eingang des Grabes und ging weg. AuchMaria aus Magdala und die andere Maria waren dort; siesaßen dem Grab gegenüber. (Mt 27,59–61)

BETRACHTUNG

V Jesus, der Geächtete und Geschändete, wird ehrenvoll ineinneues Grab gelegt. Nikodemus bringt hundert Pfundeiner Mischung aus Myrrhe und Aloe, die einen kostbarenGeruch ausströmen sollen. Es ist nun wie bei der Salbungin Bethanien – ein Übermaß, das uns an dieverschwenderische Liebe, an den „Überfluss“ der LiebeGottes erinnert, die sich in der Hingabe des Sohnes zeigt.Gott verschwendet sich selbst. Wenn Gottes Maß derÜberfluss ist, sollte auch uns für Gott nichts zu viel sein. ImVerwesungsgeruch der Ideologien sollte unser Glaubewieder Duft sein, der auf die Spur des Lebens führt. In derStunde der Grablegung beginnt sich aber vor allem dasWort Jesu zu erfüllen: „Amen. Amen. Ich sage euch: Wenndas Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt esallein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). Jesus ist zum gestorbenen Weizenkorn geworden. Vondem gestorbenen Weizenkorn her beginnt die großeBrotvermehrung, die bis zum Ende der Welt anhält: Er istBrot des Lebens, das im Überfluss für alle Menschheitreicht und ihr die Nahrung gibt, das, wovon der Mensch inWahrheit lebt: das ewige Wort Gottes, das Fleisch und soBrot geworden ist für uns durch Kreuz und Auferstehunghindurch. Über dem Begräbnis Jesu leuchtet dasGeheimnis der Eucharistie.

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VIERZEHNTE STATION

Jesus wird ins Grab gelegt

V Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich.A Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welterlöst.

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L Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.

Da nahmen die Soldaten des Statthalters Jesus, führten ihnin das Prätorium, das Amtsgebäude des Statthalters, undversammelten die ganze Kohorte um ihn. Sie zogen ihn ausund legten ihm einen purpurroten Mantel um. Dann flochtensie einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf undgaben ihm einen Stock in die rechte Hand. Sie fielen vorihm auf die Knie und verhöhnten ihn, indem sie riefen: Heildir, König der Juden!Und sie spuckten ihn an, nahmen ihm den Stock wiederweg und schlugen ihm damit auf den Kopf. Nachdem sie soihren Spott mit ihm getrieben hatten, nahmen sie ihm denMantel ab und zogen ihm seine eigenen Kleider wieder an.(Mt 27,27–3)

BETRACHTUNG

V Der als Pseudokönig verurteilte Jesus wird verspottet,aber im Spott kommt auf grausame Weise Wahrheit zumVorschein. Wie oft sind Insignien der Macht, die dieMächtigen der Welt tragen, Hohn auf die Wahrheit, auf dieGerechtigkeit, auf die Menschenwürde. Wie oft sind ihreRituale und ihre großen Worte in Wahrheit nichts alspompöse Lügen, Karikaturen des Auftrags, den ihnen ihrAmt gibt: Im Dienst des Guten zu stehen. Jesus, derVerspottete, der die Krone des Leidens trägt, ist gerade soder wahre König. Er, der wahre König, herrscht nicht durchGewalt, sondern durch die Liebe, die für uns und mit unsleidet. Er nimmt das Kreuz auf sich – unser Kreuz, die Lastdes Menschseins, die Last der Welt. So geht er uns voranund zeigt uns, wie wir den Weg zum wirklichen Lebenfinden.

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GEBET

A Herr, du hast dich verspotten und beschimpfen lassen.Hilf uns, dass wir nie in den Spott auf die Leidenden und dieSchwachen einstimmen.Hilf uns, in den Erniedrigten, in den an den RandGestoßenen dein Gesicht zu erkennen.Hilf uns, nicht vor dem Spott der Welt zurückzuschrecken,wenn der Gehorsam gegen deinen Willen verächtlichgemacht wird. Du hast das Kreuz getragen und unseingeladen, dir auf diesem Weg nachzufolgen (Mt 10,38).Hilf uns, das Kreuz anzunehmen, nicht in die Betäubungenzu flüchten, nicht zu murren und nicht finsteren Herzens zuwerden ob der Mühsal unseres Lebens.Hilf uns, den Weg der Liebe zu gehen – im Erleiden ihresAnspruchs zur wahren Freude zu kommen.

V Herr Jesus Christus, wir bitten dich.A Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.

Lied: „O Haupt voll Blut und Wunden“ 1. Strophe

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GEBET

A Wie leicht können wir Menschen uns abkehren und unssagen: Gott ist tot. Lass uns in den Stunden des Dunkelserkennen, dass du dennoch da bist. Lass uns nicht allein,wenn wir verzagen wollen.Hilf uns, dass wir dich nicht allein lassen. Gib uns die Treue,die standhält in der Verwirrung und die Liebe, die dichgerade in deiner äußersten Not umfängt, wie die Mutter dichnun noch einmal in ihrem Schoß geborgen hat.Hilf uns, hilf den Armen und den Reichen, den Einfachenund den Gescheiten, durch ihre Ängste und Vorurteiledurchzublicken und dir unser Vermögen, unser Herz,unsere Zeit anzubieten und so den Garten zu bereiten, indem Auferstehung geschehen kann.

V Herr Jesus Christus, wir bitten dich.A Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.

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L Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.

Auch viele Frauen waren dort und sahen von weitem zu; siewaren Jesus seit der Zeit in Galiläa nachgefolgt und hattenihm gedient. (Mt 27,54–55)

BETRACHTUNG

V Jetzt, da alles durchlitten ist, zeigt sich, dass Jesus trotzaller Verwirrung der Herzen, trotz der Macht von Hass undFeigheit nicht allein geblieben ist. Es gibt die Getreuen.Unter dem Kreuz waren Maria, seine Mutter, ihre SchwesterMaria, Maria Magdalena und der Jünger gestanden, den erliebte. Nun kommt auch ein reicher Mann – Josef vonArimathäa: Der Reiche findet durch das Nadelöhr, weil Gottihm die Gnade dazu schenkt. Er bestattet Jesus in seinemnoch unberührten Grab in einem Garten: Der Friedhof wirdzum Garten, wo Jesus begraben wird – zum Garten, ausdem Adam vertrieben wurde, als er sich von der Fülle desLebens, von seinem Schöpfer losgerissen hatte. Und eskommt ein Mitglied des Hohen Rates, Nikodemus, demJesus das Geheimnis der Wiedergeburt aus Wasser undheiligem Geist angekündigt hatte. Auch in dem Gremium,das seinen Tod beschlossen hatte, gibt es denjenigen, derglaubt und der Jesus gerade als Gestorbenen neu erkenntund bekennt. Über der Stunde der großen Trauer, dergroßen Verfinsterung und Hoffnungslosigkeit steht dochgeheimnisvoll das Licht der Hoffnung. Der gestorbene Herrbleibt doch der Herr und unser Retter, auch in der Nachtdes Todes. Die Kirche Jesu Christi, seine neue Familie,beginnt sich zu formen.

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DRITTE STATION

Jesus fällt zum ersten Mal unter demKreuz

V Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich.A Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welterlöst.

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L Aus dem Buch des Propheten Jesaja.

Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsereSchmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gottgeschlagen, von ihm getroffen und gebeugt. Doch er wurdedurchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unsererSünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm,durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir hatten uns alleverirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg. Doch derHerr lud auf ihn die Schuld von uns allen. (Jes 53,4–6)

BETRACHTUNG

V Der Mensch ist gefallen und fällt immer wieder: Wie oftwird der Mensch zur Karikatur seiner selbst, nicht mehr BildGottes, sondern Spottbild auf den Schöpfer. Der Mann, derauf dem Weg von Jerusalem nach Jericho unter die Räuberfiel und ausgeraubt, halbtot, blutend am Straßenrand liegt –ist er nicht ein Bild des Menschen überhaupt? Der Fall Jesuunter dem Kreuz ist nicht nur das Hinfallen des schon durchdie Geißelung zu Tode erschöpften Menschen Jesus. Indiesem Fall bildet sich doch Tieferes ab, wie es Paulus imBrief an die Philipper geschildert hat: „Er war Gott gleich,hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondernentäußerte sich und wurde wie ein Sklave und denMenschen gleich… Er erniedrigte sich und war gehorsambis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,6–8). Im FallenJesu unter der Last des Kreuzes erscheint sein ganzerWeg: Sein freiwilliger Abstieg, um uns von unserem Stolzaufzuheben. Lassen wir uns aufheben. Streifen wir unsereSelbstherrlichkeit, unseren falschen Autonomiewahnab und lernen von ihm, dem Abgestiegenen, dass wirabsteigend uns zu Gott und zu den getretenen Brüdern undSchwestern wendend unsere wahre Größe finden.

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DREIZEHNTE STATION

Jesus wird vom Kreuz abgenommenund in den Schoß seiner Mutter Maria

gelegt

V Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich.A Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welterlöst.

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GEBET

A Herr Jesus Christus, bei deinem Tod hat sich die Sonneverfinstert. Immer wieder wirst du ans Kreuz geschlagen.Gerade in dieser Stunde der Geschichte leben wir imGottesdunkel. Unter dem Übermaß der Leiden und derBosheiten der Menschen scheint Gottes Antlitz, dein Antlitzverdunkelt, unerkennbar. Aber gerade am Kreuz hast dudich zu erkennen gegeben. Gerade als der Leidende undLiebende bist du der Erhöhte. Gerade von dort aus hast dugesiegt. Hilf uns, in dieser Stunde des Dunkels und derVerwirrungen dein Gesicht zu erkennen. Hilf uns, dir zuglauben und dir nachzufolgen gerade auch in den Stundendes Dunkels und der Not. Zeige dich neu der Welt in dieserStunde. Lass uns dein Heil erscheinen.

V Herr Jesus Christus, wir bitten dich.A Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.

Lied: „Heilges Kreuz sei hochverehret“ 2. Strophe

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GEBET

A Herr Jesus, die Last des Kreuzes hat dich zu Bodengeworfen. Die Last unserer Sünde, die Last unseresHochmuts drückt dich nieder. Aber dein Fall ist nichtdunkles Schicksal, ist nicht bloße Schwachheit desGeschlagenen. Du wolltest zu uns kommen, die wir mitunserem Hochmut am Boden liegen. Der Hochmut, dass wirselber Menschen machen können, hat uns dazu geführt,dass Menschen wie Ware geworden sind, dass sie gekauftund verkauft werden, dass sie Vorratslager für unserMachen sind, mit dem wir selber den Tod zu überwindenhoffen, dabei aber nur immer tiefer die Würde desMenschen erniedrigen. Herr, komm unserm Fall zu Hilfe.Hilf uns, dass wir von unserem zerstörerischen Hochmutablassen und durch das Lernen von deiner Demut wiederaufgerichtet werden.

V Herr Jesus Christus, wir bitten dich.A Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.

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VIERTE STATION

Jesus begegnet seiner betrübtenMutter

V Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich.A Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welterlöst.

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L Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.

Von der sechsten bis zur neunten Stunde herrschte eineFinsternis im ganzen Land. Um die neunte Stunde riefJesus laut: Eli, Eli, lema sabachtani?, das heißt: Mein Gott,mein Gott, warum hast du mich verlassen? Einige vondenen, die dabeistanden und es hörten, sagten: Er ruft nachElija. Sogleich lief einer von ihnen hin, tauchte einenSchwamm in Essig, steckte ihn auf einen Stock und gabJesus zu trinken. Die anderen aber sagten: Lass doch, wirwollen sehen, ob Elija kommt und ihm hilft. Jesus aberschrie noch einmal laut auf. Dann hauchte er seinen Geistaus. Als der Hauptmann und die Männer, die mit ihmzusammen Jesus bewachten, das Erdbeben bemerkten undsahen, was geschah, erschraken sie sehr und sagten.Wahrhaftig, das war Gottes Sohn! (Mt 27,45–50.54)

BETRACHTUNG

V Nun ist Jesus wahrhaft „erhöht“. In seinem Abstieg ist eraufgestiegen. Nun hat er radikal den Auftrag der Liebeerfüllt, er hat sich weggegeben von sich selber, und geradeso ist er nun die Erscheinung des wahren Gottes, desGottes, der die Liebe ist. Nun wissen wir, wer Gott ist. Jesusbetet den Psalm 22, der mit den Worten beginnt: „MeinGott, mein Gott, warum hast du mich verlassen…“ (Ps22,2). Er nimmt das ganze leidende Israel in sich auf, dieganze leidende Menschheit, die Not ihres Gottesdunkelsund lässt so dort Gott erscheinen, wo er endgültig besiegtund abwesend scheint. Das Kreuz Jesu ist ein kosmischesEreignis. Die Welt wird dunkel, wo Gottes Sohn dem Todpreisgegeben ist. Die Erde erbebt. Und am Kreuz beginntdie Kirche der Heiden. Der römische Hauptmann erkennt,bekennt Jesus als den Sohn Gottes. Vom Kreuz aus siegter – immer neu.

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ZWÖLFTE STATION

Jesus stirbt am Kreuze

V Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich.A Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welterlöst.

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L Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas.

Simeon sagte zu Maria, der Mutter Jesu: Dieser ist dazubestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen undviele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein,dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedankenvieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird einSchwert durch die Seele dringen. Seine Mutter bewahrtealles, was geschehen war, in ihrem Herzen. (Lk 2,34–35. 5)

BETRACHTUNG

V Am Kreuzweg Jesu steht Maria, seine Mutter. Währenddes öffentlichen Lebens hatte sie zurücktreten müssen, umdem Werden der neuen Familie Jesu, der Familie seinerJünger, Raum zu geben. Sie hatte die Worte hören müssen:„Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?… Werden Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist fürmich Bruder und Schwester und Mutter“ (Mt 12,48–50). Ihrwar gesagt worden: „Du wirst ein Kind empfangen, einenSohn wirst du gebären… Er wird groß sein… Gott der Herrwird ihm den Thron seines Vaters David geben“ (Lk 1,31f).Aber sie hatte wenig später aus dem Mund des greisenSimeon auch das andere Wort gehört: „Dir wird ein Schwertdurch die Seele dringen“ (Lk 2,35). Nun war dies alles da. Inihrem Herzen wird sie immer wieder auf das Wort gelauschthaben, das ihr der Engel ganz am Anfang gesagt hatte:„Fürchte dich nicht, Maria“ (Lk 1,30). Die Jünger sindgeflohen, sie flüchtet nicht. Sie steht da mit dem Mut derMutter, mit der Treue der Mutter, mit der Güte der Mutterund mit ihrem Glauben, der in den Finsternissen widersteht.

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GEBET

A Heilige Maria, Mutter des Herrn, du bist treu geblieben,als die Jünger flohen. Wie du geglaubt hast, als der Engeldir das Unglaubliche verkündigte, Mutter des Allerhöchstenzu werden, so hast du geglaubt in der Stunde seiner tiefstenErniedrigung. So bist du in der Stunde des Kreuzes, in derStunde der dunkelsten Weltennacht Mutter derGlaubenden, Mutter der Kirche geworden. Wir bitten dich:Lehre uns glauben und hilf uns, dass der Glaube zum Mutdes Dienens und zur Tat der helfenden und mit-leidendenLiebe werde.

V Herr Jesus Christus, wir bitten dich.A Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.

Lied: „O Haupt voll Blut und Wunden“ 2. Strophe(siehe Anhang)

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GEBET

A Herr Jesus Christus, du hast dich annageln lassen amKreuz, die fürchterliche Grausamkeit dieses Schmerzes, dieZerstörung deines Leibes und seiner Würde angenommen.Du hast dich festnageln lassen, ohne Flucht und ohneAbstrich gelitten. Hilf uns, dass wir nicht fliehen vor dem,was uns aufgetragen ist. Hilf uns, dass wir uns fest an dichbinden lassen. Hilf uns, jene falsche Freiheit zudurchschauen, die uns von dir wegtreiben will. Hilf uns,deine gebundene Freiheit anzunehmen und in der festenBindung an dich die wahre Freiheit zu finden.

V Herr Jesus Christus, wir bitten dich.A Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.

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L Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.

Über seinem Kopf hatten sie eine Aufschrift angebracht, dieseine Schuld angab: Das ist Jesus, der König der Juden.Zusammen mit ihm wurden zwei Räuber gekreuzigt, dereine rechts von ihm, der andere links. Die Leute, dievorbeikamen, verhöhnten ihn, schüttelten den Kopf undriefen: Du willst den Tempel niederreißen und in drei Tagenwieder aufbauen? Wenn du Gottes Sohn bist, hilf dir selbst,und steig herab vom Kreuz! Auch die Hohenpriester, dieSchriftgelehrten und die Ältesten verhöhnten ihn undsagten: Anderen hat er geholfen, sich selbst kann er nichthelfen. Er ist doch der König von Israel! Er soll vom Kreuzherabsteigen, dann werden wir an ihn glauben.(Mt 27,37– 42)

BETRACHTUNG

V Jesus wird ans Kreuz genagelt. Das Grabtuch von Turingibt uns eine Vorstellung von der unerhörten Grausamkeitdieser Prozedur. Den angebotenen Betäubungstrunk trinktJesus nicht: Er nimmt den ganzen Schmerz der Kreuzigungbewusst auf sich. Sein ganzer Leib ist zerschlagen; dieWorte des Psalms sind wahr geworden: „Ich aber bin einWurm und kein Mensch, der Leute Spott, vom Volkverachtet“ (Ps 22,7). Halten wir inne vor diesem Bild desSchmerzes, vor dem leidenden Gottessohn. Schauen wirauf ihn hin in den Stunden der Selbstgerechtigkeit und desGenusses, damit wir lernen, Grenzen einzuhalten, dasVordergründige aller bloß materiellen Güter zudurchschauen. Blicken wir auf ihn hin in den Augenblickender Not und der Anfechtung, um zu erkennen, dass wirgerade so Gott nahe sind. Versuchen wir, sein Gesicht zuerkennen in denen, die wir verachten möchten.

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FÜNFTE STATION

Simon von Zyrene hilft Jesus dasKreuz tragen

V Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich.A Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welterlöst

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L Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.

Auf dem Weg trafen sie einen Mann aus Zyrene namensSimon; ihn zwangen sie, Jesus das Kreuz zu tragen. Daraufsagte Jesus zu seinen Jüngern: Wer mein Jünger sein will,der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich undfolge mir nach. (Mt 27,32;16,24)

BETRACHTUNG

V Simon von Zyrene hat seine Arbeit getan, er ist auf demWeg nach Hause und begegnet dem traurigen Zug derVerurteilten – für ihn wohl ein gewohnter Anblick. DieSoldaten machen von ihrem Recht der ZwangsverpflichtungGebrauch und legen dem rüstigen Landmann das Kreuzauf. Welcher Widerspruch muss sich in ihm geregt haben,dass er plötzlich mit in das Schicksal von Verurteiltenverwickelt wurde! Er tut, was er muss, widerstrebendgewiss. Aber Markus nennt mit ihm die Namen seinerSöhne, die den Lesern offensichtlich als Christen undMitglieder ihrer Gemeinschaft bekannt waren (Mk 15,21).Aus der unfreiwilligen Begegnung ist Glaube geworden. DerZyrenäer hat im Mitgehen und Mittragen erkannt, dass esGnade war, mit diesem Gekreuzigten zu gehen und ihmbeizustehen. Jesus, dessen göttliche Liebe allein die ganzeMenschheit erlösen konnte und kann, will doch, dass wirsein Kreuz mittragen, um voll zu machen, was an seinenLeiden noch fehlt (Kol 1,24). Sooft wir einem Leidenden,einem Verfolgten und Ohnmächtigen in Güte begegnen undihm sein Leid zu tragen helfen, sooft tragen wir Jesueigenes Kreuz mit. So empfangen wir Heil und dürfen selbstzum Heil der Welt beitragen.

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ELFTE STATION

Jesus wird ans Kreuz genagelt

V Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich.A Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welterlöst.

32

GEBET

A Herr Jesus, man hat dich deiner Kleider beraubt, dich derSchande preisgegeben und aus der Gesellschaftausgestoßen. Du trägst die Schande Adams und heilst sie.Du trägst das Leiden und die Not der Armen, die von derWelt ausgestoßen sind. Aber gerade so erfüllst du das Wortder Propheten. Gerade so trägst du Sinn in die scheinbareSinnlosigkeit. Gerade so lässt du uns erkennen, dass deinVater dich und uns und die Welt in Händen hält. Schenkeuns Ehrfurcht vor dem Menschen in allen Phasen seinerExistenz und in allen Situationen, in denen wir ihn treffen.Schenke uns das Lichtgewand deiner Gnade.

V Herr Jesus Christus, wir bitten dich.A Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.

Lied: „Heilges Kreuz sei hochverehret“ 1. Strophe

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GEBET

A Herr, du hast Simon von Zyrene die Augen und das Herzgeöffnet, ihm im Mittragen des Kreuzes die Gnade desGlaubens geschenkt.Hilf uns, dem leidenden Nächsten beizustehen, auch wennder Ruf dazu unseren Plänen und Sympathien widerspricht.Schenke uns zu erkennen, dass es Gnade ist, das Kreuzder anderen mittragen zu dürfen und zu erfahren, dass wirdabei mit dir selbst auf dem Wege sind.Gib uns, froh zu werden, dass wir im Mitleiden mit dir undmit den Nöten dieser Welt Diener des Heils werden, helfendürfen im Aufbau deines Leibes, der Kirche.

V Herr Jesus Christus, wir bitten dich.A Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.

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SECHSTE STATION

Jesus nimmt von Veronika dasSchweißtuch

V Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich.A Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welterlöst.

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L Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus.

So kamen sie an den Ort, der Golgota genannt wird, dasheißt Schädelhöhe. Und sie gaben ihm Wein zu trinken, dermit Galle vermischt war; als er aber davon gekostet hatte,wollte er ihn nicht trinken. Nachdem sie ihn gekreuzigthatten, warfen sie das Los und verteilten seine Kleider untersich. Dann setzten sie sich nieder und bewachten ihn. (Mt27,33–36)

BETRACHTUNG

V Jesus wird seiner Kleider beraubt. Das Gewand weistdem Menschen seine soziale Stellung zu; es gliedert ihn indie Gesellschaft ein, macht ihn zu jemand. Die öffentlicheEntblößung bedeutet, dass Jesus nun nichts mehr ist – einAusgestoßener, der Verachtung preisgegeben. DerAugenblick der Entblößung erinnert uns auch an dieAusstoßung aus dem Paradies: Der Glanz Gottes ist vondem Menschen abgefallen, nun findet er sich nackt undausgesetzt, entblößt und schämt sich. Jesus nimmt dieSituation des gefallenen Menschen auf diese Weise nocheinmal auf. Der entkleidete Jesus erinnert uns daran, dasswir alle das „erste Gewand“, den Glanz Gottes verlorenhaben. Unter dem Kreuz würfeln die Soldaten dann umseine armselige Habe, um das Gewand. Nichts ist hierbloßer Zufall, all dieses Geschehen ist eingeborgen im WortGottes und getragen von seinem göttlichen Sinn. Der Herrdurchschreitet alle Stationen und Stufen des menschlichenVerlorenseins, und jede dieser Stufen ist in aller Bitterkeitein Schritt der Erlösung.

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ZEHNTE STATION

Jesus wird seiner Kleider beraubt

V Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich.A Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welterlöst.

19

L Aus dem Buch des Propheten Jesaja.

Er hatte keine schöne und edle Gestalt, so dass wir ihnanschauen mochten. Er sah nicht so aus, daß wir Gefallenfanden an ihm. Er wurde verachtet und von den Menschengemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheitvertraut. Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, warer verachtet; wir schätzten ihn nicht. (Jes 53,2–3)

BETRACHTUNG

V Veronika verkörpert die Sehnsucht aller glaubendenMenschen, das Antlitz Gottes zu sehen. Am Kreuzweg Jesutut sie freilich zunächst nur einfach einen Dienst fraulicherGüte: Sie reicht Jesus ein Schweißtuch. Sie lässt sich vonder Brutalität der Soldaten nicht anstecken, von der Angstder Jünger nicht lähmen. Sie ist das Bild der gütigen Frau,die in der Verstörung und Verfinsterung der Herzen den Mutder Güte behält, ihr Herz nicht verfinstern lässt. Veronikasieht zunächst nur ein geschundenes, vom Schmerzgezeichnetes Menschengesicht. Aber der Akt der Liebeprägt ihrem Herzen das wahre Bild Jesu ein: Im „Haupt vollBlut und Wunden“ sieht sie das Gesicht Gottes und seinerGüte, die uns in die tiefsten Schmerzen nachgeht. Nur mitdem Herzen können wir Jesus sehen. Nur die Liebe ist es,die uns sehend und rein macht. Nur sie lässt uns Gotterkennen, der selbst die Liebe ist.

20

GEBET

A Herr, gib uns die Unruhe des Herzens, die dein Antlitzsucht. Bewahre uns vor der Erblindung des Herzens,das nur noch die Oberfläche der Dinge sieht. Gib uns jeneLauterkeit und Reinheit, die uns hellsichtig macht für deineGegenwart in der Welt. Gib uns den Mut zur demütigenGüte, wo wir der großen Dinge nicht fähig sind. Präge deinAntlitz in unsere Herzen ein, damit wir dir begegnen unddein Bild der Welt zu zeigen vermögen.

V Herr Jesus Christus, wir bitten dich.A Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.

Lied: „O Haupt voll Blut und Wunden“ 3.Strophe

29

GEBET

A Herr, oft erscheint uns deine Kirche wie ein sinkendesBoot, das schon voll Wasser gelaufen und ganz und garleck ist. Und auf deinem Ackerfeld sehen wir mehr Unkrautals Weizen. Das verschmutzte Gewand und Gesicht deinerKirche erschüttert uns. Aber wir selber sind es doch, die sieverschmutzen. Wir selber verraten dich immer wieder nachallen großen Worten und Gebärden. Erbarme dich deinerKirche: Auch mitten in ihr fällt Adam immer wieder. Wirziehen dich mit unserem Fall zu Boden, und Satan lacht,weil er hofft, dass du von diesem Fall nicht wiederaufstehen kannst, dass du in den Fall deiner Kirchehineingezogen selber als Besiegter am Boden bleibst. Unddoch wirst du aufstehen. Du bist aufgestanden –auferstanden und du kannst auch uns wieder aufrichten.Heile und heilige deine Kirche. Heile und heilige uns.

V Herr Jesus Christus, wir bitten dich.A Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.

28

L Aus dem Buch der Klagelieder.

Gut ist es für den Mann, ein Joch zu tragen in der Jugend.Er sitze einsam und schweige, wenn der Herr es ihmauflegt. Er beuge in den Staub seinen Mund; vielleicht istnoch Hoffnung. Er biete die Wange dem, der ihn schlägt,und lasse sich sättigen mit Schmach. Denn nicht für immerverwirft der Herr. Hat er betrübt, erbarmt er sich auchwieder nach seiner großen Huld. (Klgl 3,27–32)

BETRACHTUNG

V Was kann uns der dritte Fall Jesu unter dem Kreuzsagen? Müssen wir nicht auch daran denken, wie vielChristus in seiner Kirche selbst erleiden muss? Wie oft wirddas heilige Sakrament seiner Gegenwart missbraucht, inwelche Leere und Bosheit des Herzens tritt er da oft hinein?Wie oft feiern wir nur uns selbst und nehmen ihn gar nichtwahr? Wie oft wird sein Wort verdreht und missbraucht?Wie wenig Glaube ist in so vielen Theorien, wie viel leeresGerede gibt es? Wie viel Schmutz gibt es in der Kirche undgerade auch unter denen, die im Priestertum ihm ganzzugehören sollten? Wie viel Hochmut undSelbstherrlichkeit? Wie wenig achten wir das Sakrament derVersöhnung, in dem er uns erwartet, um uns von unseremFall aufzurichten? All das ist in seiner Passion gegenwärtig.Der Verrat der Jünger, der unwürdige Empfang seinesLeibes und Blutes muss doch der tiefste Schmerz desErlösers sein, der ihn mitten ins Herz trifft. Wir können nuraus tiefster Seele zu ihm rufen: Kyrie, eleison – Herr, retteuns (vgl. Mt 8,25).

21

SIEBTE STATION

Jesus fällt zum zweiten Male unterdem Kreuz

V Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich.A Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welterlöst.

22

L Aus dem Buch der Klagelieder.

Ich bin der Mann, der Leid erlebt hat durch die Rute seinesGrimms. Er hat mich getrieben und gedrängt in Finsternis,nicht ins Licht. Mit Quadern hat er mir den Weg verriegelt,meine Pfade irregeleitet. Meine Zähne ließ er auf Kieselbeißen, er drückte mich in den Staub. (Klgl 3,1–2.9.16)

BETRACHTUNG

V In der Überlieferung vom dreimaligen Fall Jesu und derLast des Kreuzes werden uns die Dimensionen von AdamsFall – von unserem menschlichen Gefallensein – und dasGeheimnis von Jesu Absteigen in unsern Fall ausgelegt.Der Fall des Menschen nimmt in der Geschichte immerneue Formen an. Der heilige Johannes spricht in seinemersten Brief von einem dreifachen Fall des Menschen: Vonder Begierde des Fleisches, von der Begierde der Augenund vom Prahlen mit dem Besitz. Er deutet so auf demHintergrund der Laster seiner Zeit mit ihren Exzessen undPerversionen den Sturz des Menschen und der Menschheit.Aber wir können auch an die spätere Geschichte denken –daran, wie die Christenheit des Glaubens müde den Herrnverlässt: In den großen Ideologien wie in der Banalisierungdes Menschen, die keine Ideologie mehr braucht, sondernsich einfach gehen lässt, ein neues, schlimmeresHeidentum baut, Gott endgültig abschieben will und damitdabei ist, den Menschen abzuschaffen. Der Mensch liegt imStaube. Der Herr trägt diese Last und fällt und fällt, um zuuns zu kommen; er schaut uns an, damit das Herz in unswieder erwacht; er fällt, um uns aufzuheben.

27

NEUNTE STATION

Jesus fällt zum dritten Male unter demKreuz

V Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich.A Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welterlöst.

26

GEBET

A Herr, du hast zu den weinenden Frauen von der Bußegesprochen, von den Tagen des Gerichts, in denen wir vordeinem Antlitz, dem Antlitz des Weltenrichters stehenwerden. Du rufst uns heraus aus der Verharmlosung desBösen, mit der wir uns selbst beschwichtigen, um ruhig soweiterleben zu können. Du zeigst uns den Ernst unsererVerantwortung, die Gefahr, im Gericht schuldig undfruchtlos befunden zu werden. Hilf uns, dass wir nicht bloßklagend oder mit Reden neben dir hergehen. Bekehre unsund gib uns neues Leben.

V Herr Jesus Christus, wir bitten dich.A Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.

Lied: „O Haupt voll Blut und Wunden“ 4.Strophe

23

GEBET

A Herr Jesus Christus, du hast unsere Last getragen undträgst uns immerfort. Unsere Last drückt dich zu Boden.Richte du uns wieder auf. Gib uns statt des Herzens vonStein wieder ein Herz von Fleisch, ein sehendes Herz. Brichdie Macht der Ideologien, dass die Menschen ihrlügnerisches Gewebe durchschauen. Lass die Mauer desMaterialismus nicht unübersteiglich werden. Lass uns dichwieder wahrnehmen. Mache uns nüchtern und wachsam,um den Mächten des Bösen zu widerstehen, und hilf uns,die innere und die äußere Not des anderen zu erkennen,ihm beizustehen. Richte uns auf, damit wir andereaufrichten können.

V Herr Jesus Christus, wir bitten dich.A Erbarme dich über uns und über die ganze Welt.

24

ACHTE STATION

Jesus begegnet den weinenden Frauenvon Jerusalem

V Wir beten dich an, Herr Jesus Christus und preisen dich.A Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welterlöst.

25

L Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas.

Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: Ihr Frauen vonJerusalem, weint nicht über mich; weint über euch und eureKinder! Denn es kommen Tage, da wird man sagen: Wohlden Frauen, die unfruchtbar sind, die nicht geboren undnicht gestillt haben. Dann wird man zu den Bergen sagen:Fallt auf uns! und zu den Hügeln: Deckt uns zu! Denn wenndas mit dem grünen Holz geschieht, was wird dann erst mitdem dürren werden? (Lk 23,28–31)

BETRACHTUNG

V Es macht uns nachdenklich, wie streng Jesus zu denweinenden Frauen spricht, die doch ihn begleiten und umihn klagen. Wie sollen wir das verstehen? Spüren wir darinnicht den Tadel gegen eine bloß sentimentale Frömmigkeit,die nicht zu Umkehr und gelebtem Glauben wird? Es reichtnicht, mit Worten und Gefühlen über die Leiden dieser Weltzu klagen, während unser Leben doch weitergeht, wie esimmer war. Deswegen macht uns der Herr auf die Gefahraufmerksam, in der wir selber leben. Er zeigt uns den Ernstder Sünde und den Ernst des Gerichts. Sind wir nicht allzusehr versucht, bei allen Worten der Empörung über dasBöse und über das Leid der Unschuldigen das Geheimnisdes Bösen zu verharmlosen? Lassen wir vom Bild Gottesund Jesu nicht am Ende doch nur das Sanfte und Liebestehen, und haben wir nicht das Gericht im Stillengestrichen? Gott kann doch unsere Schwachheit nicht sotragisch nehmen, denken wir; wir sind ja nur Menschen.Aber am Leiden des Sohnes sehen wir, welchen Ernst dieSünde hat, wie sie ausgelitten werden muss, umüberwunden zu werden. Vor der Gestalt des leidendenHerrn endet die Banalisierung des Bösen.