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Schlüsselerlebnis
Ein Paula-Ender-Krimi für
Security Land
von
Ilona Mayer-Zach
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VIER
„Das sind Gaunerzinken“, erklärte Alina, als Paula ihr
am Abend die kryptischen Graffiti zeigte. „Das sind
Symbole, die Einbrecher untereinander verwenden.
Die gibt es schon seit vielen Jahrhunderten. Die
Ganoven kritzeln sie auf Türen oder Mauern und
geben sich damit untereinander Hinweise. Das hier
warnt vor einem bissigen Hund. Das könnte ich ja
neben meine Türklingel malen.“ Alina lachte und
kraulte Vivaldis seidiges Fell.
„Und was bedeutet ein Kreuz?“, fragte Paula.
„Ich bin mir nicht sicher, aber soweit ich mich erinne-
re, werden so Wohnungen markiert, die in nächster
Zeit auf der Liste der Einbrecher stehen. Wieso?“
„Weil das neben meinen Namen stand.“
„Dann gehst du morgen hin und ritzt so ein Gitter ein.
Das bedeutet nämlich ‚Hände weg‘.“
Paula wollte wissen, woher sie so gut über diese
Gaunersprache Bescheid wusste.
„Natürlich aus dem Internet. Was glaubst denn du?“
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Alina blinzelte verschmitzt. Sie war Wirtschaftsanwäl-
tin und hatte daher nur selten mit Kleinkriminellen zu
tun. Sie nahmen einen Schluck vom Zweigelt.
„Das mit dem Schlüssel ist schwieriger. Da steht
zwar die Nummer des Hauses drauf, zu dem er ge-
hört, aber das in einer Millionenstadt zu finden, er-
scheint mir für unsereins ein Ding der Unmöglichkeit
zu sein.“
Alina drehte den Schlüssel zwischen den Fingern
und schüttelte den Kopf.
„Am besten, du übergibst ihn der Polizei und küm-
merst dich nicht weiter darum.“
Das Grinsen, das nach diesem Ratschlag über ihr
Gesicht huschte, sprach Bände. Alina kannte Paula
gut genug, um zu wissen, dass er sinnlos war. Wenn
Paula sich einmal in etwas verbissen hatte, ruhte sie
nicht eher, bis die Angelegenheit geklärt war. Als
Alina vor einigen Jahren in Schwierigkeiten steckte,
war es genauso gewesen.
Damals hatten sie gemeinsam die Identität der Lei-
che geklärt, die im Keller der Juristin jahrzehntelang
eingemauert gewesen war.
Die beiden Freundinnen brüteten noch eine Weile
über den Listen, ehe sie beschlossen, es für den
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Augenblick sein zu lassen. Vielleicht gab der Herr
ihnen die Erleuchtung im Schlaf.
„Was ich dich noch fragen wollte: Wäre es möglich,
dass du morgen auf Vivaldi aufpasst? Ich habe einen
Auswärtstermin, zu dem ich ihn nicht mitnehmen
kann, und mir wäre lieber, er könnte bei dir bleiben
als bei meiner Assistentin im Büro.“
Vivaldi wedelte mit dem Schwanz, als sein Name fiel,
und sah Paula erwartungsvoll an.
Sie kraulte den Hund hinter den Ohren. „Klar doch.
Kein Problem.“
„Danke, das ist eine große Hilfe. Und bitte vergiss
nicht, seine Häufchen aufzuklauben.“ Alina ver-
schwand kichernd im Bad.
Wie gut, dass Vivaldi ein Chihuahua und keine Dog-
ge war.
Am nächsten Vormittag spazierte Paula mit Vivaldi
zu ihrer Wohnung. Sie war froh, dass ihr der aufge-
weckte Kerl wenigstens seelischen Beistand leistete,
wenn er schon als Bodyguard nichts taugte.
Neben ihren Namen kritzelte sie ein Gitter auf die
Hausmauer. „Nutzt es nichts, schadet es nichts“,
murmelte sie.
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Wenig später traf der Handwerker ein, um ein neues
Schloss an der Eingangstür zu montieren. Nun konn-
te Paula ihre Tür endlich wieder abschließen. Doch
solange der Sicherheitsbalken nicht montiert war,
würde sie in der Wohnung kein Auge zumachen. Der
Sicherheitsberater von Security Land hatte ihr er-
zählt, dass ein Schloss dieser Art zwar früher einmal
ausreichend Schutz geboten hatte. Mittlerweile wa-
ren professionelle Einbrecher aber so geschickt,
dass sie für das Knacken eines solchen Schlosses
nur wenige Minuten benötigten. Die Vorstellung, aus
der Dusche zu steigen und einem Einbrecher gege-
nüberzustehen, ängstigte Paula.
Nachdem der Handwerker gegangen war, setzte
Paula ihre Sortierarbeit vom Vortag fort.
„Ich wollte ohnehin mal Großputz machen“, erklärte
sie Vivaldi, der auf dem Wohnzimmerteppich döste.
Plötzlich horchte der Hund auf und lief kläffend zur
Tür.
Als Paula nachsehen wollte, ertönte ihr Handy.
„Frau Ender?“
Es war Reichsthaler, der ihr mitteilte, dass es ihm
gelungen war, einen Montagetermin für den Sicher-
heitsbalken in der folgenden Woche zu vereinbaren.
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Paula bedankte sich herzlich für seinen Einsatz und
legte auf.
Vivaldi hatte sich wieder auf dem Teppich zusam-
mengerollt, als das Handy erneut klingelte.
Auf dem Display stand „Unbekannte Nummer“.
Hatte Reichsthaler etwas vergessen? Aber warum
sollte er auf einmal seine Nummer unterdrücken? „Ja
bitte?“, fragte Paula neugierig.
Es war nicht der Sicherheitsfachmann und was der
Anrufer Paula mitteilte, hatte nichts mit Security Land
und dem Gefühl der Sicherheit, das dieses Unter-
nehmen seinen Kunden vermittelte, zu tun. Ganz im
Gegenteil.
„Sie haben ein Kuvert, das uns gehört. Hinterlegen
Sie es unter Ihrer Fußmatte, dann passiert Ihnen
nichts. Sonst …“
Der Anrufer musste den Satz nicht zu Ende spre-
chen. Paula verstand ihn auch so.