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180 Kriterien fiir die Anwendung des Ertelschen Erhaltungssatzes in ionisierten bzw. viskosen Medien Von HEL.UUT PICI-ILER 1) Summary- It is shown that in a gas mixture containing charged constituents (ions and free electrons) the conservation theorem of Ertel is valid on certain conditions for one of the charged constituent if the ratio of the friction force between the neutral and charged constituents to the magnetic force is small. The same conservation theorem is also valid for a viscous fluid if the Reynoldsnnmber (ratio of inertial force to the viscous force) is large. Zusammenfassung - Es wird gezeigt, dass ftir ein Gasgemisch, das geladene Komponenten ent- hglt nnd yon einem divergenzfreien nnd stationgren Magnetfeld durchsetzt wird, ftir eine geladene Komponente (Ionen oder freie Elektronen) ngherungsweise der Ertelsche Erhaltungssatz gilt, falls unter bestimmten Voraussetzungen das Verh~ltnis der Reibungskraft (innere) zur magnetischen Feldkraft sehr klein verbleibt. Weiter wurde nachgewiesen, dass derselbe Erhaltungssatz ngherungs- weise auch ftir ein viskoses Medium gilt, falls die Reynoldszahl (Verhgltnis der Tr/igheitskraft zur Reibungskraft (innere)) sehr gross ist. Dies ist bei einem turbulenten Medium der Fall. 7. Ionisiertes Medium Bei der Betrachtung eines Gases, das sich aus verschiedenen Komponenten zu- sammensetzt, folgt aus der kinetischen Gastheorie (nach einigen Vereinfachungen) fiir eine einzelne Komponente folgende Bewegungsgleichung f/ir nichtrelativistische Ge- schwindigkeiten (siehe rlJ und E2J2): dvj i r Ns mj ~- -: N; mj Aj -- grad p; :- Y' 0;~ ,~'.~~N;(v~ -- v;) . (1) k Hierbei bedeuten : .u = Teilchendichte der jten Komponente, m~ = Partikelmasse der ?'ten Komponente, v3 = Geschwindigkeit (mittlere) der jten Komponente, At = Volumskr~tfte, pj = Partialdruek der iten Komponente, Oj~ N~ Na(ve -- v;) -- Wechselwirkung der kten mit der jten Komponente (Kraft pro Volumseinheit); dabei charakterisiert 0;k die Reibung der /?ten mit der jten Kom- ponente. Ftir die nun folgenden Betrachtungen soll das Gas folgende Zusammensetzung auf- weisen: Neutrale Teilchen, positive und negative Ionen und freie Elektronen. Ferner 1) Institut ftir Meteorologie der Universitgt V~qen, Hohe Warte 38, A-1190 VVien, Osterreich 2) Die Ziffern in eckigen Klammern verweisen auf das Literaturverzeichnis, Seite 184.

Kriterien für die anwendung des ertelschen erhaltungssatzes in ionisierten bzw. viskosen medien

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Kriterien fiir die Anwendung des Ertelschen Erhaltungssatzes

in ionisierten bzw. viskosen Medien

Von HEL.UUT PICI-ILER 1)

S u m m a r y - I t is shown t h a t in a gas m i x t u r e con ta in ing charged cons t i t uen t s (ions and free electrons) t he conse rva t ion t h e o r e m of Er te l is val id on cer ta in condi t ions for one of t he charged c o n s t i t u e n t if t he ra t io of t he fr ict ion force be tween t he neu t r a l and charged cons t i t uen t s to t he m a g n e t i c force is small . T he s ame conse rva t ion t h e o r e m is also val id for a v iscous fluid if the R e y n o l d s n n m b e r (ratio of iner t ia l force to t he v iscous force) is large.

Z u s a m m e n f a s s u n g - Es wird gezeigt, dass ftir ein Gasgemisch , das ge ladene K o m p o n e n t e n ent - hg l t n n d yon e inem divergenzfre ien n n d s t a t i ong ren Magne t fe ld d u r c h s e t z t wird, ftir eine geladene K o m p o n e n t e (Ionen oder freie Elekt ronen) nghe rungswe i se der Er te l sche E r h a l t u n g s s a t z gilt, falls u n t e r b e s t i m m t e n V o r a u s s e t z u n g e n das Verh~l tn is der R e i b u n g s k r a f t (innere) zu r m a g n e t i s c h e n Fe ldk ra f t sehr klein verbleibt . Wei te r wurde nachgewiesen , dass derselbe E r h a l t u n g s s a t z n g h e r u n g s - weise auch ftir ein v iskoses M e d i u m gilt, falls die R eyno ld szah l (Verhgl tnis der Tr / ighe i t skraf t zur R e i b u n g s k r a f t (innere)) sehr gross ist. Dies is t bei e inem t u r b u l e n t e n Medium der Fall.

7. Ionisiertes M e d i u m

Bei der Betrachtung eines Gases, das sich aus verschiedenen Komponenten zu- sammensetzt, folgt aus der kinetischen Gastheorie (nach einigen Vereinfachungen) fiir eine einzelne Komponente folgende Bewegungsgleichung f/ir nichtrelativistische Ge- schwindigkeiten (siehe rlJ und E2J2):

d v j i r Ns mj ~ - - : N; mj Aj -- grad p; :- Y ' 0;~ ,~'.~ ~N;(v~ -- v;) . (1) k

Hierbei bedeuten : .u = Teilchendichte der jten Komponente, m~ = Partikelmasse der ?'ten Komponente, v3 = Geschwindigkeit (mittlere) der jten Komponente, At = Volumskr~tfte, pj = Partialdruek der iten Komponente, Oj~ N ~ Na(ve - - v;) - - Wechselwirkung der kten mit der jten Komponente (Kraft pro Volumseinheit); dabei charakterisiert 0;k die Reibung der /?ten mit der jten Kom- ponente.

Ftir die nun folgenden Betrachtungen soll das Gas folgende Zusammensetzung auf- weisen: Neutrale Teilchen, positive und negative Ionen und freie Elektronen. Ferner

1) I n s t i t u t ftir Meteorologie der Un ive r s i t g t V~qen, H o h e W a r t e 38, A-1190 VVien, Oster re ich 2) Die Ziffern in eckigen K l a m m e r n verweisen auf das L i te ra tu rverze ichn is , Seite 184.

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Anwendung des Ertelschen Erhaltungssgtzes 181

wollen wir die Wechselwirkung durch Reibung der geladenen Teilchen untereinander vernachl/issigen und nur die mit der Neutralgaskomponente in Betracht ziehen. Dabei sol1 diese Wechselwirkung proportional der Stossfrequenz ~j der neutralen Teilchen (Index n) mit den geladenen Teilchen (Index ]) sein. Unter diesen Annahmen ist dann N~ 072 ----- rns Tj und daher

Os~ - ~ N / v k - - v j ) - - U s ms ~ / v ~ - - vs) �9 (2)

Weiters soll das Gasgemisch von einem station~iren und divergenzfreien Magnetfeld durchsetzt werden. Ist B die dem Magnetfeld zugeordnete Induktivit~t, dann folgt aus obiger Voraussetzung

bB = d i v B = 0 . (3) bt

Ffir unser Problem mfissen wir nun noch die Volumskr~ifte genauer spezifizieren :

As ~ q-~j (E + v3" • B) -- g radx . (4) mj

Dabei bedeuten qj- die elektrische Einheitsladung und x das Gravitationspotential. Der elektrische Feldvektor E kann hier durch den Gradienten einer Potentialfunk- tion ~0

E ~ -- grady~ (5) ausgedrfickt werden.

Die Bewegungsgleichung (bezogen auf ein Inertialsystem), lautet dann flit eine ]te Komponente (f = 1, 2, 3; i ~ positive Ionen, 2 = negative Ionen, 3 = freie Elektro- hen)

dvj qj -- (E ~ vs • B) -- gradx -- M~- gradps + '~s u s . (6) dt mj

In (6) wurde ffir den Differenzvektor v~ -- vj- = us und ffir 1/m~ Ns ~ M~ gesetzt. Wendet man nun dieselben Uberlegungen, die ]~RTEL [3~ auf die Bewegung einer

idealen kompressiblen Flfissigkeit relativ zur rotierenden Erde angestellt hat, auf Gleichung (6) an, so folgt zun~ehst (durch Rotationsbildung) :

[ ( q' B)] = gradps • gradMs + rot(Tsus) (7) 0x r o t v j - - r o t vs • ro tv j + ,-~.

Multipliziert man Gleichung (7) mit einer beliebigen skalaren Funktion der Ranm- und Zeitkoordinaten r = r (x, y, z, t), so erhfilt man unter Bezugnahme yon (3) und Verwendung der Kontinuit/itsgleichung

1 dN~ _ d i v v j , (8) Nj dl

d~-d [N@~ (rot v3 +_ ~ q~l B)[grad q~,grad*]gradps,-- ~ 1 grad Mjl (rot vj + + ~ qJ~l B)gradd$dt r rot (Tj u3) . ] 1) (9)

Nj

Setzt man zur Abkfirzung

rot v~ + q-~J B ~ 2 Wvs -]- w m -~. W~, (10) m]

z) [A, B, C] = Spatprodukt,

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182 H. Pichler (Pageoph,

wobei wDj den Drehvektor darstellt, der durch rotvj beschrieben wird und w~j ein Vektor ist, der in die Richtung yon qj B weist, sein Betrag aber der Gr6sse der Oyro- frequenz (I w m i = (I qJ !/mj) B m i t ! B i = B), das ist jene Frequenz mit der die ge- ladenen Teilchen die magnetischen Feldlinien umkreisen, entspricht, so l~sst sich (9) schreiben zu

d(l ) i d~ d--t ~ Wj grad ~ -- ~ W~- grad -~-

(11) _ 1 Fgradq~, gradpj, gradM~] _a ~ grad6 rot(Tj uj) .

N j - I N j

G]eichung (11) entspricht - wenn wir zun~ichst Yore letzten Term auf der rechten Seite absehen, der die Reibung der/'ten Komponente mit dem Neutralgas zum Aus- druck bringt - dem Ertelschen Wirbelsatz ffir eine elektriseh geladene Komponente, wobei der Wirbelvektor Wjder Definition laut (10) entspricht.

Die Funktion ~ kann hier nicht mit der Entropie identifiziert werden, da kein abgesclflossenes System betrachtet werden soll. Mann kann aber eine Zustandsfunktion s = sn(M~, p,,,) + sj(Mj, pj) einfiihren, ffir die

ds - o (12)

dt

und dsn dsj

- - 0 ( 1 3 ) dl dt

gelten soil. Dies ist offenbar dann der Fall, wenn die Energiedissipation dutch die innnere Reibung dutch eine Energiezufuhr von aussen ersetzt wird (<<halb,)-offenes System). Dieselbe lJberlegung gilt aueh ftir (22). Setzt man ftir das ionisierte Medium q~ = s~, so folgt aus (11)

d ( 1 ) t d-Y ~ Wj gradsj, = ~-j. gradsj rot (Tj uj) . (14)

Gleichung (14) besagt, dass der physikalische Ausdruck (1/Nj)Wj grads~ keine konservative Gr6sse ist, sondern diese je nach dem Vorzeichen des <~Reibungsterms~> auI der rechten Seite vermehrt oder vermindert wird. Es gilt daher zu untersuchen, unter welchen Bedingungen n~herungsweise aus Gleichung (14) ein Erhaltungssatz (nach ERTEL [3]) in der Form

t d~- gradsj =- 0 (15)

geiolgert werden kann. Hierfiber kann eine ~< Scale Analysis~ (siehe unter anderen I4~) anschaulich Auskunft geben. Bezeichnet man mit (*) die dimensionslosen Gr6ssen, so folgt aus (14)

d ( ~ . . W* g r a d * s * ) - - P [@r~ grad*s* rot*(z~ u*)] (16) dl*

Dabei ist ftir t* = t Vj/Lj zu setzen und Lj bedeutet die charakteristische L/inge fiir die #e Komponente und Vj die charakteristische Gesehwindigkeit der/ ' ten Kompo- nente. Die dim.ensionslose Zahl P ergibt sich zu

p _ U ~ l ; . v, w ; ' (17)

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Vol. 65, 1966/1I[) Anwendung des Ertelschen Erhaltungssatzes 1S3

Hierin bedeuten" Us = charakteristische Geschwindigkeit, bezogen auf den Differenzvektor u~, Ts = charakteristisehe Gr6sse der Stossfrequenz der Neutralteilchen mit den Teil-

chen der ]ten Komponente, Wj = charakteristische Gr6sse des Wirbelvektors Wj.

Ftir P < 1 kann die Gfiltigkeit des Erhaltungssatzes mit hinreichender Genauig- keit angenommen werden. Die Gr6ssenordnung des dimensionslosen Parameters P gibt somit an (hinrieehende und notwendige Bedingung), ob aus Gleichung (16) n~iherungsweise der Erhaltungssatz (15) gefolgert werden kann.

Zur physikalischen Deutung von P wollen wir zunfichst Wj genauer beschreiben. Nach (10) ist Wj = 2 WDS + WHj, daher folgt

Wj = ]//4: t?~j + f2~j + 4 Dvj sQm cos~, (18)

wobei tQoj die charakteristische Gr6sse yon WDS, f2m die charakteristische Gr6sse von wm und ~ der Winkel , den wvj mit w~j einschliessen, bedeuten. Ffihrt man fiir ~QDj ~ m t2m (m > 0) ein, so folgt aus (18)

Wj =- Dnjl/'4 m a + 4 m cos~ + 1 . (19)

Is t nun m ~ 1, so kann man ftir W~ mit hinriechender Genauigkeit Wj ~ Dm schrei- ben und somit folgt ftir P

Uj T 3 (ffir m < 1) . (20) P ~ Vj D~,j

Die Beziehung (20) l~sst sich recht anschaulich deuten. Sie stellt das Verh~ltnis der Reibungskraft zwischen den Teilchen des Neutralgases und den Teilchen der ]ten Komponente (?" = 1, 2, 3) zur magnetischen Kraft , die auf die ~'te Komponente ein- wirkt, dar. In Quotientenform ausgedri~ckt:

Reibui~gskl"aft (innere) (][fir ~$r ~ 1) P ~ Magnetische Kraft

Is t m ~ 1 nicht erfiillt, so muss zur Absch~itzung, ob

1 ( r o t v ~ + q~B) gradsj ~5 ms

eine konservative Gr6sse ist, Relation (17) herangezogen werden. Sie stellt das Ver- h~iltnis der Reibungskraft zur magnetischen plus Inert ialkraft dar.

Die Anwendung dieser Ergebnisse auf die Verh~iltnisse in der hohen AtmospMre (Ionosphere) bleibt einer weiteren Arbeit vorbehalten.

2. Viskoses Medium

Man kann sich einfach fiberlegen, dass der Ertelsche Erhaltungssatz in der Form

dt mit

d6 r = CLo, p) m l a - 0 (22) dl

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184 H. Pichler

n~herungsweise auch ftir ein viskoses Medium mit grossen Reynoldszahlen (Re >> 1) gilt. In (21) bedeuten o die Dichte, v der Geschwindigkeitsvektor, 6 eine skalare Feld- funktion und p der Druck. Diese Behauptung l~isst sich folgendermassen beweisen. Ftir t in kompressibles viskoses Medium gilt folgende Bewegungsgleichung (siehe [5]):

1 dv _ 1 gradp -- g radx + v A v + ~ v g r a d D . (23) dt 9

In (23) ist ~ die kinetische Zfihigkeit ( = #/~o) mit # = Viskosit~it, x das Gravitat ions- potent ial und D ~ d ivv . Mittels der Annahme (22) gelangt man fiir ein viskoses Medium unter Verwendung der Kontinuit~itsgleichung

i d ~ d ivv (34) o dt

nach denselben f3berlegungen, die bereits in Abschnit t 1 durchgefi~hrt wurden (siehe [3], tiir eine ideale kompressible Fltissigkeit) zu

( ) 1 [gradr gradv, g radD . (25) d 1 1 g rad~ ro t (~Av) + 30- d-7 O- r o t v g r a d ~ = ~

Ftihrt man eine (~Scale Analysis>> dutch und bezeichnen wir mit (*) wiederum die dimensionslosen Gr6ssen, so folgt aus (25)

d (_o1,_ rot*v* grad*q~*) -- 1 [ 1 grad*~* rot*(v* A*v*)] /

(26) 1 . 1 ~grad*~*, grad*f* , grad*D* [

@ 3Re 9 ~ ~ -" j

In (24) bedeuten: V == charakterist ische Gesehwindigkeit, L -- charakterist ische L~inge,

= charakteristische kinematische Z~ihigkeit,

VL [ Inertialkraft ] Re = ~ Reynoldszahl -- Reibungskraft (innere) "

Wi t aus (26) leicht ersichtlich ist, geht Gleichung (25) fiir grosse Reynoldszahlen (Re >> 1) n~herungsweise in den Erhal tungssatz (21) fiber. Somit ist ftir t in turbulen- tes Medium (grosse Reynoldszahlen) (1/~) r o t v grad S mit grosser N~iherung eine kon- servative Gr6sse, die ausgetauscht werden kann.

LITERATURVERZEICHNIS

[11 S. C~aPMaN and T. G. COWLZNG, The mathematical t/aeory of ~eon-uniform cases (Cambridge University Press, London 1952). (2nd edition.)

[2] C. O. HINES, I. PAGHIS, T. ]~ HARTZ and J. A. F/;JER, Physics of the earth's upper atmosphere, (Prentice-Hall, Inc., London 1965).

[3~ H. ERTEL, Ein neuer hydrodynamischer Wirbelsata, Met. Z. 59 (1942), 277. [41 N. A. PmLLIPS, Geostrophic motion, Rev. Geophys. 1 (1963), 123. ESJ N. J. KorscI~Ii,~, I. A. KIBEL and N. W. Ros~, Theoretisehe H3,dro~necha~zik, Band 2 (Akademie

Verlag, Berlin 1955).

(Eingegangen am 18. Juli 1966)