8
Kryoskopische lonengewichtebestimmungen in Lcsungen des farblosen Natrium-Peroxowolframats, Na,0-2 WO,*40,,,..aq Von KARL FRIEDRICH JAHR und MARGOT BWNKE (Mit 1 Abbildung) Professor Arthur Simon zum 60. Geburtstag gewidmet Inhaltsiibersicht Es werden die Depressionen gemessen, die der eutektische Punkt im kryohydrati- schen System Eis-Natriumnitrat erfahrt, wenn hsungtlgemirche von Natriumwolframat, Salpetersiiure und Wasserstoffperoxyd im Molverhiltnis 1 : 1 : 3, aber in verschiedener Absolutkonzentration, hinzugegeben werden. Der aus den gemessenen molaren Depres- aionen extrapolierte Grenzwert K, beweist, daO das in der Gsung vorliegende Anion ein Tetraperoxo-diwolframat-Ion ist. Dieser Befund laat darauf schliebn. daC auch in wasserstoffperoxydfreien, schwach angesauerten WolframatlBeungen Diwolframt-Ionen in geringer Konzentration existieren. Durch Zugabe von Wasserstoffperoxd werden sie abgefangen und als Terraperoxo- diwolframat-Ionen stabilisiert, so daB weder Parawolframat-Ionen noch peroxydierte Pnrawolframat-Ionen entstehen konnen. Das hier rnitgeteilte Ergebnis der kryoskopischen Messungen deckt sich nicht mit demjenigen frfiherer Dialyeemessungen a n schwach sauren, wasserstoffperoxydhaltigen WolframatlBsungen. Die EuLER-WnLDENsohe Regel, Da * M = const., ist in diesem Fall offenbar nicht anwendbar. Durch praparative und analytische Untersuchungen. systematische p,-Messirngen und potentiometrische Titrationen konnte der eine von uns l) 1938 aeigen, daI3 in wasserstoffperoxydreichen Natriumwolframat- losungen zwei verschiedene Peroxowolframsauren entstehen, die sich ineinander umwandeln konnen. uber die Lage des Gleichgewichts ent- scheiden im wesentlichen das pH und die Konzentration an freiem Wasserstoffperoxyd. In starker wasserstoffperoxydhaltigen neutralen baw. schwach- alkalischen Wolframatlosungen entsteht vorwiegend eine an peroxydi- schem Sauerstoff reichere Peroxosaure von gelber Farbe. Aus solchen Losungen kristallisieren z. B. ein Kaliurn-, Natrium-, Rubidium- und l) K. F. JARBU. E. LOTRER, Ber. dtsch. chem. Ges. 71, 1127 (1938).

Kryoskopische Ionengewichtsbestimmungen in Lösungen des farblosen Natrium-Peroxowolframats, Na2O · 2 WO3 · 4 Oakt. · aq

Embed Size (px)

Citation preview

Kryoskopische lonengewichtebestimmungen in Lcsungen des farblosen Natrium-Peroxowolframats,

Na,0-2 WO,*40,,,..aq

Von KARL FRIEDRICH JAHR und MARGOT BWNKE

(Mit 1 Abbildung)

Professor Arthur Simon zum 60. Geburtstag gewidmet

Inhaltsiibersicht Es werden die Depressionen gemessen, die der eutektische Punkt im kryohydrati-

schen System Eis-Natriumnitrat erfahrt, wenn hsungtlgemirche von Natriumwolframat, Salpetersiiure und Wasserstoffperoxyd im Molverhiltnis 1 : 1 : 3, aber in verschiedener Absolutkonzentration, hinzugegeben werden. Der aus den gemessenen molaren Depres- aionen extrapolierte Grenzwert K, beweist, daO das in der Gsung vorliegende Anion ein Tetraperoxo-diwolframat-Ion ist.

Dieser Befund laat darauf schliebn. daC auch in wasserstoffperoxydfreien, schwach angesauerten WolframatlBeungen Diwolframt-Ionen in geringer Konzentration existieren. Durch Zugabe von Wasserstoffperoxd werden sie abgefangen und als Terraperoxo- diwolframat-Ionen stabilisiert, so daB weder Parawolframat-Ionen noch peroxydierte Pnrawolframat-Ionen entstehen konnen.

Das hier rnitgeteilte Ergebnis der kryoskopischen Messungen deckt sich nicht mit demjenigen frfiherer Dialyeemessungen a n schwach sauren, wasserstoffperoxydhaltigen WolframatlBsungen. Die EuLER-WnLDENsohe Regel, Da * M = const., ist in diesem Fall offenbar nicht anwendbar.

Durch praparative und analytische Untersuchungen. systematische p,-Messirngen und potentiometrische Titrationen konnte der eine von uns l ) 1938 aeigen, daI3 in wasserstoffperoxydreichen Natriumwolframat- losungen zwei verschiedene Peroxowolframsauren entstehen, die sich ineinander umwandeln konnen. uber die Lage des Gleichgewichts ent- scheiden im wesentlichen das pH und die Konzentration an freiem Wasserstoffperoxyd.

In starker wasserstoffperoxydhaltigen neutralen baw. schwach- alkalischen Wolframatlosungen entsteht vorwiegend eine an peroxydi- schem Sauerstoff reichere Peroxosaure von gelber Farbe. Aus solchen Losungen kristallisieren z. B. ein Kaliurn-, Natrium-, Rubidium- und

l) K. F. JARBU. E. LOTRER, Ber. dtsch. chem. Ges. 71, 1127 (1938).

46 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 272. 1953

Bariumsalz der Zusammensetzung MeiO - WO, - 4 Ookt. - aq *). Es sind dies aweifellos Salze einer Tetraperoxo-monowolframsaure mit dem Anion [W(O - 0), . aq]--.

Die zweite Peroxowolframsaure bildet sich vorwiegend in schwach sauren Wolframatlosungen, wenn man ihnen Wasserstoffperoxyd ausetzt . Sie ist farblos und enthalt nur halb soviel peroxydischen Sauerstoff wie die gelbe Saurea). A. ROSENHEIM, M. HAKKI 0. K R A U S E ~ ) stellten ein Kalium-, ein Barium- und ein Guanidiniumsalz der Zusammen- setzung hle:O - 2 WO, - 4 Oak%* - aq dar; das Kaliumsalz, das vorher schon B. KELLNER~) in Handen gehabt hatte, konnten auch wira) reproduzieren. ROSENHEIM betrachtete diese Salze ohne nahere Be- griindung als Abkommlinge einer Peroxo-diwolframsaure. Ihr Anion mu13 dann [W,O,(O 0), - as]-- formuliert werden, da sich, wie wir') ebenfalls 1938 feststellen konnten, der gesamte peroxydische Sauerstoff im komplexen Anion befindet und nicht, wie ROSENHEIM annahm, zur Htilfte als freies Wasserstoffperoxyd vorliegt, das kristallwasserartig in das Gitter eingebaut ist. Wenn man die Hypothese ROSENHEIMS von der Peroxo-diwolframsaure iibernimmt, stellt sich der von uns festgestellte Zusammenhang zwischen den beiden Peroxosauren, wie folgt, dar:

2 [W(O - 0), - as]- + 2 H+ + 3 H,O C+ [W,O,(O 0), - as]- + 4 H,O,. (I)

Da wir 6) jedoch fanden, da13 die Anionen der Monowolframsaure und der farblosen Peroxowolframsaure mit praktisch dem gleichen Dialyse- koeffizienten durch eine geeignete Cellamembran hindurchwandern (die Diffusionskoeffizienten betragen D,, . z = 0,53 bzw. 0,51), muaten wir im Gegensatz zu ROSENHEIM annehmen, da13 auch die farblose Peroxowolframsaure in wiigriger Losung monomer ist, also eke Di- peroxo-monowolframsaure darstellt ; wir zogen daher folgende Formu- lierung fur die Beziehung zwischen den beiden Peroxosauren vor :

[W(O - 0), - as]- + H+ + 2 H,O e [HWO,(O 0), * as]- + 2 H,O,. (11)

Nun hat J. B Y A ~ ) 1942 gezeigt, daD man aus den hderungen des pH mit der Konzentration auf den Kondensationsgrad der in einem zur

,) K. F, JAHR u. E. LOTHER, Ber. dtsch. chem. Ges. 71, 894 (1938); P. MELIKOPF u. L. PIBSARJEWSKY, Ber. dtsch. chem. Ges. 31, 632 (1889); A. ROSENHEIM, M. HAKKI u. 0. KRAUBE, 2. anorg. allg. Chem. 209, 188 (1932).

B. KELLNER, Dissertation Univ. Berlin 1909. 4, K. F. JAHR u. E. LOTHER, Ber. dtsch. chem. Ges. 71, 903 (1938). 6 ) K. F. JAHR, Angew. Chem. 64,94 (1941); ,,Peroryverbindungen", Naturforsch. u.

O) J. B d , Bull. SOC. chim. France 9, 360 (1942). Med. in Deutschl. 1939-1946, Bd. 26, 189.

K. F. JAHR u. M. BLANKE, Kryoskopische Ionengewichtsbestimmungen 47

Polysaurebildung befahigten Losungssystem enthaltenen Anionen zu- riickschliel3en kann, wenn man durch einen im uberschu5 zugesetzten geeigneten Elektrolyten fur Konstanthaltung der Ionenstarke sorgt. P. SOUCHAY~) hat BY&S Untersuchungen weiter ausgebaut und verall- gemeinert. Er wandte die aus dem Massenwirkungsgesetz abgeleiteten Formulierungen auch auf die Losungen der Peroxowolframate (und Peroxomolybdate) an und zeigte, zum Teil unter Benutaung der von uns1) mitgeteilten p,-Werte, da13 die Anderung des pH mit dem Lo- garithmus der Wolframatkonzentration darauf schliehn laat, da13 GI. (I), und nicht G1. (11), richtig ist.

Man kann zeigen, dal3 fur die allgemeine Reaktionsgleichung

nlA, + n,A, + + x H+ + m, & + m, B, + - dpH - Z m - Z n

die Beziehung - __ - ~~ gilt. 81oa c X

Fur die spezielie Reaktionsgleichung n [W(O - 0), . as]- + x H+ $ m, [farbl. Kornplex] $: m, H,O,

mit x = n und m, = 2 n gilt, wenn wir m, = 1 setzen:

Aus dieser Beaiehung folgt fur G1. (I) der Zahlenwert 1,5 und fur G1. (11) der Zahlenwert 2,O fur die Anderung des pH mit der Wolframatkonzen- tration. Experimentell fand P. SOUCHAY Werte zwischen 1,40 und 1,46.

K 1.20

1

02 a4 0.6 08 -c Abb. 1. K o n z e n t r a t i o n s a b h a n g i g k e i t d e r niol. E r n i e d r i g u n g e n d c r e u t e k t . T e m p e r a t u r irn S y s t e m E i s - N a t r i u m n i t r a t , b e w i r k t d u r c h

d i e A n i o n e n [W,O,(O-O),.aq]-

Dieser Befund von P. SOUOHAY steht im Widerspruch zum Er- gebnis unserer Dialysemessungen und machte eine Neubestimmung des Ionengewichts der farblosen Peroxowolframsaure erforderlich. Wir fiihrten daher direkte kryoskopische Teilchenzahlmessungen an Losungs-

') G . CARP~NI u. P. SOUCHAY, J. Chim. physique 48, 149 (1945); P. SOUCEAY. Bull. SOC. chim. France [5] 18, 122 (1949).

48 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 272. 1953

gemischen von Natriummonowolframa t, Salpetersiiure und Wasser- stoffperoxyd mit Hilfe des eutektischen Punktes Eis-Natriumnitrat durch. Dieser Fixpunkt, -18,5"C, liegt so tief, da13 der unter Sauer- stoffentwicklung erfolgende spontane Zerfall der Peroxowolframationen nur noch mit sehr geringer, kaum noch storender Geschwindigkeit vor sich geht.

Aus Monowolframationen und Wasserstoffperoxyd bildet sich in geniigend saurer Losung praktisch yuantitativ das farblose Peroxo- wolframation entweder nach GI. (1') oder nach G1. (11'):

2 [WO, . as]- + 2 H+ + 4 H,O, + [W,O, (0 . 0), . as]- + 5 H,O (1')

(11')

In jedem Fall sind zur vollstandigen Verbindungsbildung 2 Molekeln Wasserstoffperoxyd pro 1 Wolframation erforderlich. Um jedoch die sekundare Dissoziation des Peroxokomplexes zuriickzudrangen, haben wir unseren Losungen 1 Mol iiberschiissiges Wassefstoffperoxyd, also insgesamt 3 Mole, pro 1 Monowolframation zugegeben.

[WO,. as]- + H+ + 2 H,O, + [HWO,(O * Of, as]- $- 2 H,O.

Durchfiihrung der Messungen Die kryoskopischen Messungen erfolgten mit Hilfe der gleichen Apparatur und

Arbeitsweise, die wir 8 ) kiirzlich im einzelnen beschrieben haben. In ein mit 25 ml gesattigter Natriumnitratlosung beschicktes kryoekopisches Rea-

genzglas wurden genau gewogene Proben von reinstem, zuvor analysiertern Na,WO, m 2H,O gebracht. Nach vollstandiger Auflosung des Salzes wurde das Reagenzglas in einer Kalte- mischung auf nahezu -lPo C (!) abgekiihlt. In die abgekiihlte Losung, aus der reichliche Mengen von NaNO, ausgefallen waren, wurden genau 3 Mole H,O, und anschlieBend 1 Aquivalent HNO, pro 1 Mol Na,WO, in Gestalt konzentrierter Msungen yon bekanntem Titer und bekannter Dichte aus Mikrobiiretten hineingegeben.

Die Abkiihlung der LBsung vor Zusatz des H,O, verhindert praktisch dessen durch Wolframationen katalytisch beschleunigte, bei Zimmertemperatur noch sehr lebhafte Zersetzung ; wenn man rasch arbeitet, erhalt man bei der niedrigen MeBtemperatur De- pressionswerte, die bei gleicher Einwaage urn maximal 'hw Grad voneinander abweichen.

Die gemessene Depression setzt sich additiv zusamrnen aus dem Anteil, den das Peroxowolframat, und demjenigen, den das iiberschiissige Wasserstoffperoxyd bewirkt. Um die auf das Peroxowolframat zuriickzufiihrende Depression, dT(W), zu erhalten, muD die des freien Hydroperoxyds, AT(H), vom direkt gemessenen Gesamtwert, ZAT, sub- trahiert werden:

AT (W) = BAT -AT (H).

Die Menge des freien Hydroperoxyds betragt jeweils l/s der insgesamt zugegebenen Menge; 2/8 sind zur Eildung des Peroxowolframats verbraucht worden. Die molare Konzentration des freien Wasserstoffperoxyds ist also der jeweiligen Konzentration an NagWOI zahlen- rnaBig gleich. Wir extrapolierten die Depressionswerte des freien Hydroperoxyds aus

a) K. F. JAHR, A. BRECHLIN, M. BLANKE u. R. KUBENS, Z. anorg. allg. Chem. ~~

070, 240 (1952).

K. F. JAHR u, M. BLANKE, Kryoskopische Ionengewichtsbestimmungen 49

0,170 0,255 0,353 0,486

eigenen, bereits friiherO) mitgeteilten Messungen. Die Berechnung der durch das Per- oxowolframat bewirkten mol. Erniedrigung K erfolgte nach der Formel

AT (W) - L - M K = - 1000-F '

in der L die Gesamtmenge an H,O, F die Einwaage an (wasserfreiem) Na,W04 und M dessen Molekulargewicht, 293,91, bedeutan.

0,765 1,023 1,511 1,676

Ergebnisse dei Messungen Die folgende Tabelle bringt die Zusammensetzung der Losungen

und die Ergebnisse der Messungen. Die hier mitgeteilten Depressionen, EAT, sind Mittelwerte aus je 2 unmittelbaren Messungen an derselben Losung.

Tabelle Xryoskopische Messungen an Losungen des farblosen Peroxowolframets

([HNO,]: [Na,W04]:[H,0,] = 1:1:3)

0,800 1,192 1,415

H,O j ing

26,54 I 25,18 1 26,13

25,59 25,85

I 25,31

0,223 0,319 0,261

Tragt

Na,WO, I Einwaage

in g F

1,3284 1,8869 2,7121 3,6524 5,4442 6,3261

AT(H)

0

~~

0,265 0,410

rlT(W)

0

0,105 0,169

K

0

0.62 0,66 0,54 0,46 0,44 0.27

man die Werte der durch die Peroxowolframationen be- wirkten mol. Depressionen, K, in Abhangigkeit von den mol. Konzen- trationen an Natriumwolframat, c, graphisch auf, so erhalt man eine Gerade, deren Verlangerung die Ordinate beim Wert der mol. Ernie- drigung fur c = 0, KO = 0,76", schneidet. Dieser Wert entspricht genau d e r H a l f t e der von uns 8 ) fur Nichtelektrolyte und einfache Ionen fest- gestellten mol. Depression der eutektischen Temperatur im System Eis- Natriumnitrat, die im Mittel KO = 1,55" betriigt. Dieses Ergebnis be- sagt, daB die Anzahl der kryoskopisch wirksamen wolframhaltigen Teil- chen infolge der Reaktion mit dem Wasserstoffperoxyd auf die Hiilfte verringert worden ist, da13 somit peroxydierte Diwolframat-Ionen en t- standen sind. Zugleich sind pro 1 Wolframation 2, pro 2 Wolframat- ionen also 4 Molekeln Wasserstoffperoxyd infolge der Reaktion ver- schwunden und kryoskopisch nicht mehr wirksam, es mussen also T e t r a -

B, K. F. JAHR, A. BRECHLIN. M. BLANKE u. R. KUBENS, 1. c., Tabelle 2, S. 253.

2. anorg. am. Chemle. Bd.272. 4

50 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 272. 1953

per o xo - d iw o If r a m a t - I on en gebildet worden sein Damit bestatigen unsere Messungen die Angaben von P. SOUCHAY und erlauben uns, ein- deutig zugunsten der Reaktionsgleichungen I und I zu entscheiden.

Durch Messung der pH-hderungen lnit der Konzentration hat P. L?YOUCI~AY') auch fur die in schwach sauren Alkalimolybdatlosungen bei Zusatz von Wasserstoffperoxyd entstehende hellgelbe Perox~molybdansaure~~) gezeigt, daO sie dimer ist ; ihr Anion h a t die analoge Konstitution [Mo,O,(O O), . as]-.

Ebenao konnte SOUCHAY zeigen, daB die Verbindungen zwischen Mannit und Molyb- dat- bzw. Wolframationen, die bei Zusatz von 1 Aquivalent Mineralsaure pro Anion ent- stehen, Mannito-dimolybdat- bzw. Mannito-diwolframat-Ionen Bind"). Die Entstehung des letztgenannten Komplexes wies SOUCRAY auch durch kryoskopische Titration in gesattigter Glaubersalzlosung nach. Wirl*) haben uns von der Richtigkeit dieser Messungen durch eigcne Versuche uberzeugt und werden in anderem Zusammenhang irn Rahmen einer spateren Publikation noch darauf zuriickkomrnen.

G. JANDER, K. F. J A H R und Mitarbeiterls) haben mit Hille von Djffusionsmessungen gezeigt, da13 die in alka,lischen Wolframatlosungen bestandigen Monowolframat-Ionen unter der Einwirkung von Hf in die in der Literatur als ,,Pamwolframtlt" bezeichneten Polganionen ubergehen, die u. a. auf Grund der Anwendung der bekannten EULER- WALDENSChen Regel

(DI. zJ2 . MI = (D, z.J2 . M, (T = const.)

als Ionen ciner Hexawolframsaure arigesprochen wurden. In 0 , l n Natrium- wolframatlosungen erfolgt der ubergang der Mono- in die im sauren Bereich stabilen Parawolframat-Ionen viillig kon tinuierlich zwischen pH - 8 bis N 6, ohne da13 einem zwischen dem Mono- und dem Para- wolframat-Ion liegenden Polywolframat-Ion mittlerer GroDe ein be- sonderer Existenzbereich der [H+] zukame. Auch durch Titrations- reaktionen und optische Messungeri konnte fur das Auftreten s t a b i le r Zwischenstufen kein Anhaltspunkt gefunden werden. Trotzdern mulS es als sehr wahrscheinlich gelten, ,,da13 der Vorgaiig der Aggregation der Wolframationen kinetisch in eine Reihe einander ablosender Einzel- reaktionen zerfa,llt, die uber mehrere intermediar auftretende Zwischen- produkte zur schlieljlich allein existenzfahigen Hexawolframsaure fuhren 14)". Dalj eines dieser labilen Zwischenprodukte ein Triwolframat-

l o ) K. F. JAHR, Angew. Chern. 51, 175 (1938); 88, 20 (1940), Ber. Ges. Freunde T. H. Berlin 1939, 91 ; ,,Peroxyverbindungen", Naturforsch. u. Med. in Deutschland 1939-1946, Band 96. S. 186.

11) P. SOUCHAY, Bull. SOC. chim. France [5] 16, 129 (1949). l*) I. HAPKE, Diplomarb. Humboldt-Universitat Berlin 1952. la) H. SCHULZ u. G. JANDER, Z. anorg. allg. Chem. 182, 141 (1927); G. JANDER,

D. MOJERT u. TH. ADEN, Z. anorg. allg. Chem. 180, 129 (1929); K. F. JAHR u. H. WITZ- MA", Z. anorg. allg. Chern. 208, 145 (1932).

la) G. JANDER u. K. F. JAHR, Kolloid-Beih. 41, 21 (1934).

K. F. JAHR u. M. BLANKE, Kryoskopische Ionengewichtabestimmungen 51

Ion ist, wurde sehr wahrscheinlich durch die Feststellung von I. F. KEGGIN 9, daB im Kristallgitter der 12-Heteropolysauren des Wolframs Triwolframatgruppen erkennbar sind. Ferner haben 1949 J. S. AN- DERSON und K. SADDINGTON 16) durch Anwendung des radioaktiven Isotops 187W auf das Studium der Diffusion von Natriumwolframat- losungen die Versuchsergebnisse von JANDER und JAHR vollig bestiitigt und dariiber hinaus durch genauere Analyse der Form der Diffnsions- kurve wahrscheinlich gemacht, da13 im Obergangsgebiet zwischen Mono- und Perawolframat-Ionen Triwolframat-Ionen gebildet werden.

In diesem Zusanimenhang ist es nun unseres Erachtens sehr interes- sant, daB sich Wolframationen, wenn sie in Gegenwart von H,O, mit H+ reagieren, nicht in ein peroxydiertes Parawolframat-Ion, sondern in ein peroxydiertes Diwolf rama t - I o n umwandeln. Wir mochten diesen Vorgang so deuten, da13 ein im Verlauf der Polyrnerisationsreaktionen, die schlieBlich zur Bildung des Parawolframat-Ions fiihren, intermediar entstandenes Diwolfraniat-Ion durch Reaktion mit dem Wasserstoff- peroxyd abgefangen und infolge der Substitution der Hydroxylgruppen, welche die Polymerisation bzw. Kondensation bewirken, durch Peroxo- gruppen stabilisiert wird, ehe es bis zum Parawolframat-Ion weiter poly- merisieren kann. Wir glauben somit, durch den direkten kryoskopischen Nachweis der Tetraperoxo-diwolframat-Ionen wahrscheinlich gemacht zu haben, da13 in schwach angesauerten Natriumwolframatliisungen neben Mono-, Tri- und Parawolframat-Ionen in geringer Konzentration auch Di w o I f r a m a t - I on e n existieren.

Eine weitere Feststellung erscheint uns uicht minder wichtig : trotz- dem die Umwandlung der Monowolframat-Ionen in die Tetraperoxo- diwolframat-Ionen mindestens eine Verdopplung des an sjch schon sehr hohen Ionengewichts mit sich bringt, andert sich bei diesem Vorgang der Diffusionskoeffizient nur ganz unwesentlich (von D,, . z = 0,53 zu 0,51). Wir haben hier also einen Fall vor uns, in dem die EULER-WAL- DENsche Regel versagt. Beide Ionen tragen die gleiche, doppelt negative Ladung, und diese scheint es zu sein, die, wie in manchen anderen Fallen17), vorzugsweise die Diffusionsgeschwindigkeit bestimmt. Den umgekehrten Fall, namlich strenge Giiltigkeit der Regel von EULER und WALDEN, haben wir Is) an den mehrkernigen Kationen beobachtet, die in den Losungen der basischen Aluminiumnitrate vorliegen. Auch

16) 1. F. KEQQIN, Nature [London] 132,351 (1934); Proc. Roy. SOC. [London] Ser. A

16) J. S. ANDERSON u. K. SADDINQTON, J. chem. SOC. [London] 1949, 381. 17) G . JANDER, CHR. BLOHM u. B. GRUTTNER, Z. anorg. Chern. 258,205 (1949). 1s) K. F. JAHR U. A. BRECHLIN, Z. anorg. allg. Chem. 870, 257 (1952).

144, 75 (1934).

4*

52 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 272. 1953

in diesem Fall iindert sich die Ladung im Verlauf der Polymerisation nicht. Trotzdem bestimmt hier offensichtlich nicht die Ladung, sondern die Molekulargroh den Wert des Diffusionskoeffizienten. Die awischen Diffusionsvermogen, Ionenladung und Ionengewicht wirklich herrschen- den Zusammenhange sind noch vollkommen unbekann t und bediirfen dringend der Erforschung.

Die hier mitgeteilte Untersuchung ist im Jahre 1951 im I. Chemischen Institut der Humboldt-Univereitat durchgefuhrt worden. Dem Institutsdirektor. Eerrn Profeseor Dr. E. TEILO, danken wir herzlich fiir sein freundliches Interesse sowie fiir die Bereit- stellung und Vermittlung stasttlicher Geldmittel.

Herrn Dr. R. KUBENS danken wir fur seine liebenswiirdige Unterstiitzung.

Berlin-Charlottenburg, Anorganisch-chemisches Institut der Tech- nischen Uniuersitiit.

(Bei der Redaktion eingegangen am 23. August 1952.)