1
Sonntag, 20. Dezember 2009 7 Kultur KULTUR IN KÜRZE Neues Schauspiel für Köln Die Stadt Köln bekommt ein neues Schauspielhaus und die Oper wird saniert. Das hat der Stadtrat gestern mit knapper Mehrheit aus SPD und FDP beschlossen. Es gab vie- le Enthaltungen und Gegenstimmen. Beide Kulturhäuser sind dringend sanierungsbedürftig. Die Baukosten für die beschlossenen Maßnahmen wurden von der Verwaltung auf rund 300 Millionen Euro geschätzt. Kulturschaffende hatten sich öffentlich dafür eingesetzt, das Schauspielhaus nicht abzureißen. (dpa) Historische Daten 1989 In Panama marschieren Invasionstruppen der USA ein. Mit der Operation „Just Case“ will Präsident George Bush den Militärmachthaber Manuel Noriega stürzen, dem die USA Drogengeschäfte vorwerfen. Noriega ergibt sich am 3.1.1990 den US-Truppen. 1955 In Rom wird das erste italienisch-deutsche Anwer- be-Abkommen über die Beschäftigung von zunächst 100 000 italienischen Arbeitern in der BRD unterzeichnet. Geburtstage Joey Kelly, irischer Popsänger (*1972) Irene Dunne, amerikanische Schauspielerin (1898–1990) KALENDERBLATT 20.12. Dem in unserer Region so auffälligen und häufigen Fami- liennamen Schermuly habe ich im Kapitel ‚Aus fremden Lan- den’ einen ganzen Artikel ge- widmet (4. Oktober 2009). Die Deutungs-Odyssee hatte er- bracht, dass der fremd klingen- de Name, Ergebnis einer Ein- wanderung aus der Schweiz im frühen 17. Jahrhundert, entwe- der schweizerdeutschen, fran- zösischen oder italienischen Ursprungs sein kann. Geneigte Leser erinnern sich hoffentlich dieses Meisterstücks meiner Deutungsakrobatik. Schermuly zum Zweiten Dagegen erhob sich lebhaf- ter Einspruch eines Namens- trägers: Professor Willi Scher- muly aus Hildesheim führt sei- nen Namen auf Ungarn als Herkunftsland zurück und hat das schon am 27. Januar 1993 in einem Artikel in der ‚Heimat an Lahn und Dill’ ausführlich dargelegt. Da hätten wir eine dritte Himmelsrichtung, aus der der Name in die Schweiz gekommen wäre. Und ich habe natürlich befürchtet, Unsinn über den Namen geschrieben zu haben. Also bin ich den Hin- weisen auf Ungarn nachgegan- gen und hatte dabei wieder die Unterstützung von Csillas Pus- kas, einer gebürtigen Ungarin und wissenschaftlichen Mitar- beiterin im Institut für Germa- nistik der Universität Gießen, die schon beim Familienna- men Ligeti (13. September 2009) geholfen hatte. Obwohl ich natürlich immer noch kein Wort Ungarisch kann, lernte ich immerhin im ungarischen Telefonbuch vir- tuell zu blättern. Dabei kam heraus, dass es den Familien- namen Csermely (gesprochen ‚tschermej’) heute in Ungarn in ca. 60 Telefonanschlüssen gibt, dazu sechs Csermelyi. Das heißt, dass mindestens 200 Menschen in Ungarn so hei- ßen. Auch was der Name bedeu- tet, haben wir herausgefunden und dabei die Beobachtungen von Herrn Schermuly bestäti- gen und präzisieren können. Er geht aller Wahrscheinlichkeit nach als Herkunftsname auf den Namen des Csermely- Bachs zurück, der das Cserme- ly-Tal durchfließt. Dieses frü- her ungarische Gebiet gehört heute zur Slowakei. Dass es ca. 300 Kilometer entfernt in der Slowakei außerdem einen Ort gibt, der früher ungarisch Cser- mely hieß, kompliziert das Ganze ein wenig. Für die Deu- tung ist aber der Bachname entscheidend, der schon 1261 als Chermele überliefert ist. Das geht nach Angaben ungari- scher Wortforscher auf ein al- tes slavisches Wort zurück, das sich auf die rote Färbung des steinigen Flussbettes bezieht. Im 19. Jahrhundert wurde der Bachname als Wort in die unga- rische Hochsprache in der Be- deutung ‚Bächlein’ übernom- men. Der springende Punkt bei der Geschichte ist natürlich, ob Csermely und Schermuly identische Familiennamen sind. Hier macht vor allem das u in Schermuly zu schaffen, das ja auch die Ableitung aus dem Schweizerdeutschen be- hindert. Wenn das für das Deutsche gilt, gilt es auch für die Herleitung aus dem Ungari- schen – und so ist die Deutung wieder offen, wenn auch um ei- ne östliche Herkunftsvariante erweitert. Sie kann keinesfalls ausgeschlossen werden. – und immer noch kein Ende Wenn nun schon drei Him- melsrichtungen für die Her- kunft in Frage kommen, wäre es doch gelacht, wenn wir für die vierte, den Norden, nicht auch etwas fänden. Ich habe deshalb meinen alten Freund Botolv Helleland von der Uni- versität Oslo, einen führenden norwegischen Namenforscher, angefragt, ob es denn im Nor- wegischen so etwas gäbe, was nach ‚Schermuly’ klingt. Wenn man einen Namenforscher auf eine Spur setzt, rennt er los und schnüffelt an allen Ecken, bis er etwas gefunden hat. (Ich kenne das.) So ist es kein Wunder, dass er ‚fündig’ geworden ist: In Sur- nadal in Nordmöre (das liegt bekanntlich westlich von Trondheim) gibt es in der Nähe des Hofes Skjermoen tatsäch- lich einen Hang mit dem schö- nen Namen Skjermolia, was sprachlich tadellos zu unserem Schermuly passt. So regeln sich die Dinge rund um die Windrose in wundersamer Weise. Trotz des nicht ernst ge- meinten Schlenkers: Was Schermuly bedeutet, wissen wir immer noch nicht. In eigener Sache Liebe Leserinnen und Leser, vom 10. Mai bis 29. November haben Sie an dieser Stelle je- den Sonntag einen Beitrag zu den Familiennamen in Mittel- hessen gefunden. Inzwischen schreibt Professor Dr. Hans Ramge nur noch im Abstand von einigen Wochen über sol- che Namen. Gerne können Sie ihm per Mail (namen@mittel- hessen.de) oder Post (Presse- haus Wetzlar, Kennwort „Na- men“, Elsa-Brandström-Straße 18, 35578 Wetzlar) ihren Fami- liennamen zur Deutung vor- schlagen, vor allem, wenn es sich um einen einheimischen Namen handelt. Alle Beiträge werden wei- terhin nur sonntags und nur auf dieser Seite erscheinen. Die bisherigen Kolumnen fin- den sie übrigens gut sortiert auch im Internet unter www.mittelhessen.de. (ka) Kaiserin Sissi einmal anders Frankfurt. Das Leben von „Sissi“, der Kaiserin von Öster- reich, ohne Kitsch, Pomp und Theatralik zu erzählen, geht nicht? Doch. Wie, das hat die Neuinszenierung des er- folgreichsten deutschsprachi- gen Musicals „Elisabeth – Die wahre Geschichte der Sissi“ eindrucksvoll in der Alten Oper in Frankfurt gezeigt. Das Pre- mierenpublikum dankt dies am Freitagabend dann auch mit Szenenapplaus und am Ende minutenlang stehend, klat- schend und jubelnd. „Elisabeth“-Musical entstaubt Kult-Geschichte / Bis 14. Januar in Frankfurt Mit der Suche nach der wah- ren Sissi zeichnet das Musical anstelle eines romantisch-ver- klärten Bildes eine dramati- sche, zuweilen sogar düster- melancholische Szenerie. So ist Elisabeths Leben in der Mu- sical-Version, die 1992 in Wien uraufgeführt und seitdem von acht Millionen Menschen gese- hen wurde, zwar höfisch-glanz- voll, aber unglücklich. Eingesperrt wie in einem Kä- fig lebt Elisabeth, gespielt von der jungen Niederländerin An- nemieke van Dam, an der Seite ihres Mannes, Kaiser Franz Jo- seph (Markus Pol). Ihre intri- gante Schwiegermutter Sophie – trefflich in Szene gesetzt von Christa Wettstein – fordert von der noch jungen und lebensfro- hen Elisabeth Disziplin und Strenge ein, entreißt ihr später die eigenen Kinder und sieht in ihr eine Gegenspielerin. Die junge Monarchin kämpft je- doch um ihre Freiheit, ein- drucksvoll etwa mit dem Song „Ich gehör nur mir“. Gaststar Uwe Kröger leiht dem Tod seine kraftvolle Stimme Doch die Neuinszenierung von Harry Kupfer lässt Elisa- beth nicht als Schönheit ohne Makel stehen. Unzählige Spie- gel und immer wieder die Pfle- ge ihrer fast knielangen Haare zeigen ihre Eitelkeit. Annemie- ke van Dam, die seit Herbst 2008 Sissi verkörpert, weiß das Mädchenhafte ebenso wie das Selbstzerstörerische mit ihrem anmutigen Spiel und überzeu- genden Gesang auf die Bühne zu bringen. Stimmgewaltig brilliert der Tod, in dessen Rolle während des Frankfurt-Gastspiels der er- folgreichste deutsche Musical- star, Uwe Kröger, schlüpft. Für elf Auftritte leiht der charisma- tische 45-Jährige seine unver- kennbare und kraftvolle Stim- me dem Charakter, mit dem ihm der Durchbruch gelang. Als schöner Jüngling wenig Angst einflößend versucht er die junge Kaiserin zu verfüh- ren. Schon mit dem Hit „Der letzte Tanz“ macht er Elisabeth kurz nach der kaiserlichen Hochzeit klar: Alles läuft auf ihr tragisches Ende hinaus. Kann sie anfangs seinen Ver- heißungen von Freiheit und Unabhängigkeit in einer ande- ren Welt noch widerstehen, gibt sich die gealterte Elisa- beth nach dem Tod ihres Soh- nes Rudolf und der Trennung von ihrem untreuen Mann ih- rer Todessehnsucht hin. Erfrischend modern wirkt die Darstellung von Sissis Mör- der, dem italienischen Anar- chisten Luigi Lucheni (Bruno Grassini). Ihm wird eine ge- wichtige Rolle beigemessen: Im Rückblick erzählt er von Eli- sabeths Leben und macht sich dabei über den Kult um die jun- ge Kaiserin lustig, indem er Souvenirs mit Sissi-Abbild in einem Bauchladen anpreist. Dass das Musical von Micha- el Kunze und Sylvester Levay weniger auf Romantik als auf Dramatik wert legt, zeigt eine Szene, in der Nationalsozialis- ten über die Bühne marschie- ren und den drohenden Krieg ankündigen. Denn mit dem Tod Elisabeths 1898 neigt sich die kaiserlich und königliche Epoche dem Ende. Europa stürzt ins Unheil und gleich in mehrere Kriege. Zum Erfolg der Inszenierung trägt das moderne Bühnenbild bei. Eine üppige Kulisse wird durch eine Leinwand ersetzt, auf der die Szenerie als Video eingespielt wird. Die prunkvol- len Gewänder bringen jedoch einen Hauch kaiserlichen Glanz auf die Bühne im Großen Saal der Alten Oper Frankfurt. Musikalisch hat Levay aus der ganzen Bandbreite ge- schöpft: Mal klingt es klas- sisch-romantisch, mal rockig- düster, aber immer modern. Stimmungsvoll begleitet von einem Live-Orchester unter der Leitung von Daniel Beh- rens. Imposante Szenen des 17- köpfigen Ensembles und nicht zuletzt die mitreißenden Solis- ten machen den Erfolg des Mu- sicals aus. Nach dem Besuch hat sich vermutlich bei einigen Zuschauern das „Sissi“-Bild verändert. Das „Elisabeth“-Musical ist noch bis 14. Januar 2010 in der Alten Oper Frankfurt zu sehen. Karten für 27,50 bis 97,50 Euro gibt es unter (0 69) 1 34 04 00. VON OLIVIA HFrankfurt. Im Hintergrund bröckeln die Fassaden von Ha- vannas Prachtbauten. Im Vordergrund pulsiert das Leben. Und das heißt auf Kuba vor allem eines: Im Rhythmus von Son und Salsa werden alle irdischen Probleme – von denen die Karibikin- sel wahrlich genug hat – klein. Ein Stück kubanische Lebensfreu- de zaubert die Tanzshow „Pasión de Buena Vista“ auf die Bühne. Am Freitagabend war Premiere in der Frankfurter Jahrhundert- halle. Am 3. Januar ist die Tanz und Musik-Revue auch in der Rit- tal-Arena in Wetzlar zu sehen. Acht Tänzerinnen und Tän- zer wirbeln über die Bühne. An- geheizt von zehn hochkaräti- gen Musikern um den Trompe- ter und Band-Leader von „La Idea“, Antonio Castro. Der 42- Jährige trat auch schon mit Größen wie Ibrahim Ferrer und der Latina-Schönheit Gloria Es- tefan auf. Viel Haut, pompöser Kopfschmuck und perfekte Körperbeherrschung zeichnet die Tanztruppe aus, die auch schon in der berühmten Tropi- ca-Show in Havanna zu Gast war. Doch die eigentlichen Stars des Abends sind drei ältere Herrschaften. 77 Jahre zählt Pachin Inocencio“, der aus ei- ner Musikerfamilie stammt und schon mit sechs Jahren zu Percussion-Instrumenten griff. Berühmt wurde er aber als Sän- ger. Mit Charme und Witz in- terpretiert er die Klassiker wie „Bésame mucho“, seinen Geh- stock streichelt er dabei wie die Saiten einer Gitarre. Ge- meinsam mit dem als „Big Daddy des Son“ bekannt ge- wordenen Tomás Sanchez (61) singt er ein Lied, das an tragi- sche Weise an Ernest Heming- way erinnert. Der amerikani- sche Schriftsteller lebte zwei Jahrzehnte auf Kuba und liebte den Rum wie die Musik glei- chermaßen. Am 2. Juli 1961, dem Tag, als Hemingway sich erschoss, lag die Schallplatte mit dem Stück „Santa Isabel“ auf seinem Plattenteller. Neben Omara Portuondo ist Maida Castaneda eine „Grande Dame “ der kubanischen Mu- sik. Mit „Mi Tierra“ erobert sie sofort das Publikum in der Jahrhunderthalle. Im Duett mit Pachin Inocencio singt die 68-Jährige den Evergreen „Quizas-Quizas“. Und weil „Pasión de Buena Vista“ ja auch eine Tanzshow ist, zeigen die beiden, dass sie auch dabei ei- nen gemeinsamen Rhythmus finden. Offen für neue Töne Es sind die Ikonen des legen- dären Buena Vista Social Club , die die besondere Anziehungs- kraft der Shows ausmachen. Hier geht allmählich und un- weigerlich ein Kapitel dem En- de entgegen. Einige Stars wie Ibrahim Ferrer leben schon nicht mehr. Ihre Nachfolger gehen auch musikalisch man- chen neuen Weg. Sie öffnen die kubanische Musik für Einflüs- se von Außen. Manches ist – wie etwa Break Dance-Töne – noch etwas gewöhnungsbe- dürftig. Poppig klingt Yulie Veláquez‘ „Besame“, das er am Freitagabend erstmals vor Publikum bei der Show prä- sentierte. Gut zwei Stunden und noch ein paar Zugaben dauert die Show von „Pasión de Buena Vis- ta“. Das Bühnenbild deutet das Ende an. Am nächtlichen Him- mel von Havanna löst allmäh- lich ein zartes Morgenrot die funkelnden Sterne ab. Die Nacht ist zu Ende, die Party auch. Mit einem der bekann- testen Lieder Kubas, „Guanta- namera“, das die Besucher lauthals mitsingen, verab- schiedet „La Idea“ ihr Publi- kum in die Frankfurter Kälte. Kubanische Rhythmen helfen auch gegen den Winterblues. „Pasión de Buena Vista ist am Sonntag, 3. Januar, um 18 Uhr zu Gast in der Rittal-Arena in Wetzlar. Karten kosten zwi- schen 35 und 50 Euro. Mit Salsa gegen den Winterblues „Buena Vista“ in der Jahrhunderthalle VON REGINA TAUER 111--07-V1 24.12.2009 11:18:50 kultur Glänzen in den Hauptrollen des „Elisabeth“-Musicals bei der Premiere in der Alten Oper: die junge Kaiserin Elisabeth (Annemieke van Dam) ringt mit dem Tod (Uwe Kröger). (Foto: Alte Oper Frankfurt/Anna Meuer) Tanzfreude pur: Szene aus „Pasión de Buena Vista“. (Fotos: Veranstalter) Star des Abends: Der 77-jährige Pachin Inocencio.

Kultur Kaiserin Sissi einmal anders - Jeegels Hoob (HA) Schermuly zum Zweiten.pdf · Sonntag, 20. Dezember 2009 Kultur 7 KULTUR IN KÜRZE Neues Schauspiel für Köln Die Stadt Köln

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Kultur Kaiserin Sissi einmal anders - Jeegels Hoob (HA) Schermuly zum Zweiten.pdf · Sonntag, 20. Dezember 2009 Kultur 7 KULTUR IN KÜRZE Neues Schauspiel für Köln Die Stadt Köln

Sonntag, 20. Dezember 2009 7Kultur

KULTUR IN KÜRZE

Neues Schauspiel für KölnDie Stadt Köln bekommt ein neues Schauspielhaus und

die Oper wird saniert. Das hat der Stadtrat gestern mitknapper Mehrheit aus SPD und FDP beschlossen. Es gab vie-le Enthaltungen und Gegenstimmen. Beide Kulturhäusersind dringend sanierungsbedürftig. Die Baukosten für diebeschlossenen Maßnahmen wurden von der Verwaltungauf rund 300 Millionen Euro geschätzt. Kulturschaffendehatten sich öffentlich dafür eingesetzt, das Schauspielhausnicht abzureißen. (dpa)

Historische Daten■ 1989 In Panama marschieren Invasionstruppen der USAein. Mit der Operation „Just Case“ will Präsident GeorgeBush den Militärmachthaber Manuel Noriega stürzen, demdie USA Drogengeschäfte vorwerfen. Noriega ergibt sicham 3.1.1990 den US-Truppen.■ 1955 In Rom wird das erste italienisch-deutsche Anwer-be-Abkommen über die Beschäftigung von zunächst 100 000italienischen Arbeitern in der BRD unterzeichnet.

Geburtstage■ Joey Kelly, irischer Popsänger (*1972)■ Irene Dunne, amerikanische Schauspielerin (1898–1990)

KALENDERBLATT 20.12.

Dem in unserer Region soauffälligen und häufigen Fami-liennamen Schermuly habe ichim Kapitel ‚Aus fremden Lan-den’ einen ganzen Artikel ge-widmet (4. Oktober 2009). DieDeutungs-Odyssee hatte er-bracht, dass der fremd klingen-de Name, Ergebnis einer Ein-wanderung aus der Schweiz imfrühen 17. Jahrhundert, entwe-der schweizerdeutschen, fran-zösischen oder italienischenUrsprungs sein kann. GeneigteLeser erinnern sich hoffentlichdieses Meisterstücks meinerDeutungsakrobatik.

■ Schermulyzum Zweiten

Dagegen erhob sich lebhaf-ter Einspruch eines Namens-trägers: Professor Willi Scher-muly aus Hildesheim führt sei-nen Namen auf Ungarn alsHerkunftsland zurück und hatdas schon am 27. Januar 1993 ineinem Artikel in der ‚Heimatan Lahn und Dill’ ausführlichdargelegt. Da hätten wir einedritte Himmelsrichtung, ausder der Name in die Schweizgekommen wäre. Und ich habenatürlich befürchtet, Unsinnüber den Namen geschriebenzu haben. Also bin ich den Hin-weisen auf Ungarn nachgegan-gen und hatte dabei wieder dieUnterstützung von Csillas Pus-kas, einer gebürtigen Ungarinund wissenschaftlichen Mitar-beiterin im Institut für Germa-nistik der Universität Gießen,die schon beim Familienna-men Ligeti (13. September2009) geholfen hatte.

Obwohl ich natürlich immernoch kein Wort Ungarischkann, lernte ich immerhin imungarischen Telefonbuch vir-tuell zu blättern. Dabei kamheraus, dass es den Familien-namen Csermely (gesprochen‚tschermej’) heute in Ungarn inca. 60 Telefonanschlüssen gibt,dazu sechs Csermelyi. Dasheißt, dass mindestens 200Menschen in Ungarn so hei-ßen.

Auch was der Name bedeu-tet, haben wir herausgefundenund dabei die Beobachtungenvon Herrn Schermuly bestäti-gen und präzisieren können. Ergeht aller Wahrscheinlichkeitnach als Herkunftsname aufden Namen des Csermely-Bachs zurück, der das Cserme-ly-Tal durchfließt. Dieses frü-her ungarische Gebiet gehörtheute zur Slowakei. Dass es ca.

300 Kilometer entfernt in derSlowakei außerdem einen Ortgibt, der früher ungarisch Cser-mely hieß, kompliziert dasGanze ein wenig. Für die Deu-tung ist aber der Bachnameentscheidend, der schon 1261als Chermele überliefert ist.Das geht nach Angaben ungari-scher Wortforscher auf ein al-tes slavisches Wort zurück, dassich auf die rote Färbung dessteinigen Flussbettes bezieht.Im 19. Jahrhundert wurde derBachname als Wort in die unga-rische Hochsprache in der Be-deutung ‚Bächlein’ übernom-men.

Der springende Punkt beider Geschichte ist natürlich,ob Csermely und Schermulyidentische Familiennamensind. Hier macht vor allem dasu in Schermuly zu schaffen,das ja auch die Ableitung ausdem Schweizerdeutschen be-hindert. Wenn das für dasDeutsche gilt, gilt es auch fürdie Herleitung aus dem Ungari-schen – und so ist die Deutungwieder offen, wenn auch um ei-ne östliche Herkunftsvarianteerweitert. Sie kann keinesfallsausgeschlossen werden.

■ – und immernoch kein Ende

Wenn nun schon drei Him-melsrichtungen für die Her-kunft in Frage kommen, wärees doch gelacht, wenn wir fürdie vierte, den Norden, nichtauch etwas fänden. Ich habedeshalb meinen alten FreundBotolv Helleland von der Uni-versität Oslo, einen führendennorwegischen Namenforscher,angefragt, ob es denn im Nor-wegischen so etwas gäbe, wasnach ‚Schermuly’ klingt. Wennman einen Namenforscher aufeine Spur setzt, rennt er losund schnüffelt an allen Ecken,bis er etwas gefunden hat. (Ichkenne das.)

So ist es kein Wunder, dasser ‚fündig’ geworden ist: In Sur-nadal in Nordmöre (das liegtbekanntlich westlich vonTrondheim) gibt es in der Nähedes Hofes Skjermoen tatsäch-lich einen Hang mit dem schö-nen Namen Skjermolia, wassprachlich tadellos zu unseremSchermuly passt. So regelnsich die Dinge rund um dieWindrose in wundersamerWeise. Trotz des nicht ernst ge-meinten Schlenkers: WasSchermuly bedeutet, wissenwir immer noch nicht.

In eigener Sache

Liebe Leserinnen und Leser,vom 10. Mai bis 29. Novemberhaben Sie an dieser Stelle je-den Sonntag einen Beitrag zuden Familiennamen in Mittel-hessen gefunden. Inzwischenschreibt Professor Dr. HansRamge nur noch im Abstandvon einigen Wochen über sol-che Namen. Gerne können Sieihm per Mail ([email protected]) oder Post (Presse-haus Wetzlar, Kennwort „Na-

men“, Elsa-Brandström-Straße18, 35578 Wetzlar) ihren Fami-liennamen zur Deutung vor-schlagen, vor allem, wenn essich um einen einheimischenNamen handelt.

Alle Beiträge werden wei-terhin nur sonntags und nurauf dieser Seite erscheinen.Die bisherigen Kolumnen fin-den sie übrigens gut sortiertauch im Internet unterwww.mittelhessen.de. (ka)

Kaiserin Sissi einmal anders

Frankfurt . Das Leben von„Sissi“, der Kaiserin von Öster-reich, ohne Kitsch, Pomp undTheatralik zu erzählen, gehtnicht? Doch. Wie, das hat dieNeuinszenierung des er-folgreichsten deutschsprachi-gen Musicals „Elisabeth – Diewahre Geschichte der Sissi“eindrucksvoll in der Alten Operin Frankfurt gezeigt. Das Pre-mierenpublikum dankt dies amFreitagabend dann auch mitSzenenapplaus und am Endeminutenlang stehend, klat-schend und jubelnd.

„Elisabeth“-Musical entstaubt Kult-Geschichte / Bis 14. Januar in Frankfurt

Mit der Suche nach der wah-ren Sissi zeichnet das Musicalanstelle eines romantisch-ver-klärten Bildes eine dramati-sche, zuweilen sogar düster-melancholische Szenerie. Soist Elisabeths Leben in der Mu-sical-Version, die 1992 in Wienuraufgeführt und seitdem vonacht Millionen Menschen gese-hen wurde, zwar höfisch-glanz-voll, aber unglücklich.

Eingesperrt wie in einem Kä-fig lebt Elisabeth, gespielt vonder jungen Niederländerin An-nemieke van Dam, an der Seiteihres Mannes, Kaiser Franz Jo-seph (Markus Pol). Ihre intri-gante Schwiegermutter Sophie– trefflich in Szene gesetzt vonChrista Wettstein – fordert vonder noch jungen und lebensfro-hen Elisabeth Disziplin undStrenge ein, entreißt ihr späterdie eigenen Kinder und sieht inihr eine Gegenspielerin. Diejunge Monarchin kämpft je-doch um ihre Freiheit, ein-drucksvoll etwa mit dem Song„Ich gehör nur mir“.

■ GaststarUwe Krögerleiht dem Todseine kraftvolleStimme

Doch die Neuinszenierungvon Harry Kupfer lässt Elisa-beth nicht als Schönheit ohneMakel stehen. Unzählige Spie-gel und immer wieder die Pfle-ge ihrer fast knielangen Haarezeigen ihre Eitelkeit. Annemie-ke van Dam, die seit Herbst2008 Sissi verkörpert, weiß das

Mädchenhafte ebenso wie dasSelbstzerstörerische mit ihremanmutigen Spiel und überzeu-genden Gesang auf die Bühnezu bringen.

Stimmgewaltig brilliert derTod, in dessen Rolle währenddes Frankfurt-Gastspiels der er-folgreichste deutsche Musical-star, Uwe Kröger, schlüpft. Fürelf Auftritte leiht der charisma-tische 45-Jährige seine unver-kennbare und kraftvolle Stim-me dem Charakter, mit demihm der Durchbruch gelang.Als schöner Jüngling wenigAngst einflößend versucht erdie junge Kaiserin zu verfüh-ren. Schon mit dem Hit „Derletzte Tanz“ macht er Elisabethkurz nach der kaiserlichenHochzeit klar: Alles läuft auf

ihr tragisches Ende hinaus.Kann sie anfangs seinen Ver-heißungen von Freiheit undUnabhängigkeit in einer ande-ren Welt noch widerstehen,gibt sich die gealterte Elisa-beth nach dem Tod ihres Soh-nes Rudolf und der Trennungvon ihrem untreuen Mann ih-rer Todessehnsucht hin.

Erfrischend modern wirktdie Darstellung von Sissis Mör-der, dem italienischen Anar-chisten Luigi Lucheni (BrunoGrassini). Ihm wird eine ge-wichtige Rolle beigemessen:Im Rückblick erzählt er von Eli-sabeths Leben und macht sichdabei über den Kult um die jun-ge Kaiserin lustig, indem erSouvenirs mit Sissi-Abbild ineinem Bauchladen anpreist.

Dass das Musical von Micha-el Kunze und Sylvester Levayweniger auf Romantik als aufDramatik wert legt, zeigt eineSzene, in der Nationalsozialis-ten über die Bühne marschie-ren und den drohenden Kriegankündigen. Denn mit demTod Elisabeths 1898 neigt sichdie kaiserlich und königlicheEpoche dem Ende. Europastürzt ins Unheil und gleich inmehrere Kriege.

Zum Erfolg der Inszenierungträgt das moderne Bühnenbildbei. Eine üppige Kulisse wirddurch eine Leinwand ersetzt,auf der die Szenerie als Videoeingespielt wird. Die prunkvol-len Gewänder bringen jedocheinen Hauch kaiserlichenGlanz auf die Bühne im Großen

Saal der Alten Oper Frankfurt.Musikalisch hat Levay aus

der ganzen Bandbreite ge-schöpft: Mal klingt es klas-sisch-romantisch, mal rockig-düster, aber immer modern.Stimmungsvoll begleitet voneinem Live-Orchester unterder Leitung von Daniel Beh-rens. Imposante Szenen des 17-köpfigen Ensembles und nichtzuletzt die mitreißenden Solis-ten machen den Erfolg des Mu-sicals aus. Nach dem Besuchhat sich vermutlich bei einigenZuschauern das „Sissi“-Bildverändert.■ Das „Elisabeth“-Musical istnoch bis 14. Januar 2010 in derAlten Oper Frankfurt zu sehen.Karten für 27,50 bis 97,50 Eurogibt es unter ✆ (0 69) 1 34 04 00.

VON OLIVIA HEß

Frankfurt. Im Hintergrund bröckeln die Fassaden von Ha-vannas Prachtbauten. Im Vordergrund pulsiert das Leben. Unddas heißt auf Kuba vor allem eines: Im Rhythmus von Son undSalsa werden alle irdischen Probleme – von denen die Karibikin-sel wahrlich genug hat – klein. Ein Stück kubanische Lebensfreu-de zaubert die Tanzshow „Pasión de Buena Vista“ auf die Bühne.Am Freitagabend war Premiere in der Frankfurter Jahrhundert-halle. Am 3. Januar ist die Tanz und Musik-Revue auch in der Rit-tal-Arena in Wetzlar zu sehen.

Acht Tänzerinnen und Tän-zer wirbeln über die Bühne. An-geheizt von zehn hochkaräti-gen Musikern um den Trompe-ter und Band-Leader von „LaIdea“, Antonio Castro. Der 42-Jährige trat auch schon mitGrößen wie Ibrahim Ferrer undder Latina-Schönheit Gloria Es-tefan auf. Viel Haut, pompöserKopfschmuck und perfekteKörperbeherrschung zeichnetdie Tanztruppe aus, die auch

schon in der berühmten Tropi-ca-Show in Havanna zu Gastwar.

Doch die eigentlichen Starsdes Abends sind drei ältereHerrschaften. 77 Jahre zähltPachin Inocencio“, der aus ei-ner Musikerfamilie stammtund schon mit sechs Jahren zuPercussion-Instrumenten griff.Berühmt wurde er aber als Sän-ger. Mit Charme und Witz in-terpretiert er die Klassiker wie

„Bésame mucho“, seinen Geh-stock streichelt er dabei wiedie Saiten einer Gitarre. Ge-meinsam mit dem als „BigDaddy des Son“ bekannt ge-wordenen Tomás Sanchez (61)singt er ein Lied, das an tragi-sche Weise an Ernest Heming-way erinnert. Der amerikani-sche Schriftsteller lebte zweiJahrzehnte auf Kuba und liebteden Rum wie die Musik glei-chermaßen. Am 2. Juli 1961,dem Tag, als Hemingway sicherschoss, lag die Schallplattemit dem Stück „Santa Isabel“auf seinem Plattenteller.

Neben Omara Portuondo istMaida Castaneda eine „GrandeDame “ der kubanischen Mu-sik. Mit „Mi Tierra“ erobert siesofort das Publikum in derJahrhunderthalle. Im Duettmit Pachin Inocencio singt die68-Jährige den Evergreen„Quizas-Quizas“. Und weil

„Pasión de Buena Vista“ ja aucheine Tanzshow ist, zeigen diebeiden, dass sie auch dabei ei-nen gemeinsamen Rhythmusfinden.

■ Offen fürneue Töne

Es sind die Ikonen des legen-dären Buena Vista Social Club ,die die besondere Anziehungs-kraft der Shows ausmachen.Hier geht allmählich und un-weigerlich ein Kapitel dem En-de entgegen. Einige Stars wieIbrahim Ferrer leben schonnicht mehr. Ihre Nachfolgergehen auch musikalisch man-chen neuen Weg. Sie öffnen diekubanische Musik für Einflüs-se von Außen. Manches ist –wie etwa Break Dance-Töne –noch etwas gewöhnungsbe-dürftig. Poppig klingt Yulie

Veláquez‘ „Besame“, das er amFreitagabend erstmals vorPublikum bei der Show prä-sentierte.

Gut zwei Stunden und nochein paar Zugaben dauert dieShow von „Pasión de Buena Vis-ta“. Das Bühnenbild deutet dasEnde an. Am nächtlichen Him-mel von Havanna löst allmäh-lich ein zartes Morgenrot diefunkelnden Sterne ab. DieNacht ist zu Ende, die Partyauch. Mit einem der bekann-testen Lieder Kubas, „Guanta-namera“, das die Besucherlauthals mitsingen, verab-schiedet „La Idea“ ihr Publi-kum in die Frankfurter Kälte.Kubanische Rhythmen helfenauch gegen den Winterblues.■ „Pasión de Buena Vista istam Sonntag, 3. Januar, um 18Uhr zu Gast in der Rittal-Arenain Wetzlar. Karten kosten zwi-schen 35 und 50 Euro.

Mit Salsa gegenden Winterblues„Buena Vista“ in der Jahrhunderthalle

VON REGINA TAUER

111--07-V124.12.2009 11:18:50 kultur

Glänzen in den Hauptrollen des „Elisabeth“-Musicals bei der Premiere in der Alten Oper: die junge Kaiserin Elisabeth (Annemiekevan Dam) ringt mit dem Tod (Uwe Kröger). (Foto: Alte Oper Frankfurt/Anna Meuer)

Tanzfreude pur: Szene aus „Pasión de Buena Vista“. (Fotos: Veranstalter)

Star des Abends: Der 77-jährige Pachin Inocencio.