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Kulturpreisträgerinnen & Kulturpreisträger des Landes Niederösterreich 2012

Kulturpreisträgerinnen Kulturpreisträger des Landes ... · Architekt Vis.-Prof. Dipl.-Ing. Georg W. Reinberg, M. Arch. Anerkennungspreis t-hoch-n ZIVILTECHNIKER GmbH Binder, Wiesinger,

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Kulturpreisträgerinnen & Kulturpreisträger des LandesNiederösterreich2012

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Als Landeshauptmann von Niederösterreichbin ich sehr stolz darauf, dass die NÖ Kultur -förderung in einem Jahr Ausgabeneffekte voneiner Milliarde Euro nach sich zieht und damit12.000 Arbeitsplätze schafft bzw. sichert. Diejahrzehntelangen intensiven Anstrengungenseitens des Landes haben aber auch dazu ge-führt, dass Kultur nunmehr landauf, landab einen hohen Stellenwert genießt: Gemäß einer aktuellen Studie halten 88 Prozent derBevölkerung Niederösterreich für ein echtesKulturland, stufen 80 Prozent die Kultur alswichtig für Niederösterreich ein und wollen 90 Prozent keine Budgetkürzungen bei der Kultur in Nieder österreich. In Bezug auf den Wohlfühlfaktor Kultur ist

überdies festzuhalten, dass 85 Prozent derLandsleute das Kulturangebot in ihrer Regionals positiv bewerten bzw. sich vier Fünftel derMenschen in Niederösterreich über das Kultur-angebot gut informiert zeigen und diesesüberdies als moderner geworden einschätzen:Für 96 Prozent hat sich das Kulturangebot verbessert oder ist auf hohem Niveau gleichgut geblieben.Das bestätigt unsere kulturpolitische Philo-

sophie, im ganzen Land Kultur vor der Haustürzu ermöglichen. Dieses ambitionierte Vor -haben könnten wir allerdings ohne die zahl -reichen engagierten Initiativen, Vereine oder

Einzelpersonen nicht umsetzen, die als starkePartner vor Ort dieses Programm erst möglichmachen.Die Preisträgerinnen und Preisträger des

heurigen Jahres sind – so wie alle ihre Vor -gängerinnen und Vorgänger – die Grundlagedieser lebendigen Kulturszenerie. Mit ihrem reichen und so überaus vielfältigen Schaffenbringen sie nicht nur die Seelen der Menschenzum Schwingen, sondern tragen auch ganzentscheidend zu einem unverwechselbarenProfil des ganzen Landes bei. Die Kulturpreisträger des Jahres 2012 treten

solcherart einmal mehr den Beweis für dieStrahlkraft des lebendigen niederösterrei -chischen Kulturangebots an, das von den Menschen hoch geschätzt und entsprechendunterstützt wird, für den hohen Stellenwert der Kultur sowie ihre positiven Auswirkungenauf die persönliche Lebensqualität und dasSelbstverständnis des Landes. Es gibt, wertePreisträgerinnen und Preisträger, keine ein-drucksvollere Visitenkarte für das KulturlandNiederösterreich.

VORWORT LANDESHAUPTMANN DR. ERWIN PRÖLL

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JURORINNEN & JUROREN 2012

Bildende KunstMag.a Silvie AignerDr.in Brigitte HuckDr.in Roswitha StraihammerMag. David Komaryo. Univ.-Prof. Hans Kupelwieser

LiteraturDr.in Sylvia TreudlMag. Georg BydlinskiToni KurzHelmut PeschinaDr. Ferdinand Schmatz

ArchitekturArchitektin Dr.in Elke KrasnyArchitekt Mag.a Karoline StreeruwitzArchitekt Mag. János KárászArchitekt DI Wolfgang KrejsArchitekt DI Richard Zeitlhuber

Medienkunst Sparte Experimental- und AnimationsfilmMag.a Barbara PichlerMag.a Ulrike SchweigerMag. Thomas Ballhausen Jörg BurgerWilhelm-Christian Erasmus

MusikMag.a Astrid SpitznagelRenald DeppeMag. Richard GrafChristian MuthspielFlorian Schönwiese

Volkskultur und Kulturinitiativen gesponsert von der Raiffeisen-Holding

Niederösterreich-Wien und der Novomatic AG

Mag.a Alexandra NaglDr.in Michaela StefanMag. Martin GrüneisDr. Edgar NiemeczekJosef Schick

Erwachsenenbildung Claudia SilberbauerMag.a Ulrike VitovecKarl BaderGerald DannerDipl.-HLFL-Ing. Karl FriewaldProf. Dr. Gerhard Gensch

Revitalisierung denkmalgeschützter Altsubstanz – Sonderpreis 2012Dr.in Renate MadritschMag. Dr. Peter Aichinger-RosenbergerIng. Peter GriebaumArchitekt DI Christian JaborneggArchitekt DI Wolfgang Pfoser

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Bildende KunstWürdigungspreis Alois MosbacherAnerkennungspreis Mag.a Judith Simone SaupperAnerkennungspreis Mag.a Katrin Hornek

LiteraturWürdigungspreis Marlene Streeruwitz Anerkennungspreis Cornelia Travnicek, Bakk. phil. B. Sc.Anerkennungspreis Mag.a Gertraud Klemm

ArchitekturWürdigungspreis Martha Enríquez-Reinberg, lic. Arch.

Architekt Vis.-Prof. Dipl.-Ing. Georg W. Reinberg, M. Arch.

Anerkennungspreis t-hoch-n ZIVILTECHNIKER GmbH Binder, Wiesinger, Pichler

Anerkennungspreis Architekt Dipl.-Ing. Dr. Karl LangerArchitekt Dipl.-Ing. Georg Schumacher

Medienkunst Sparte Experimental- und AnimationsfilmWürdigungspreis Ferry RadaxAnerkennungspreis Benjamin SwiczinskyAnerkennungspreis Johannes Friedrich Schiehsl

KULTURPREISTRÄGERINNEN & KULTURPREISTRÄGER DES JAHRES 2012

MusikWürdigungspreis Roland Neuwirth Anerkennungspreis Robert LehrbaumerAnerkennungspreis Martin Ptak

Volkskultur und Kulturinitiativen gesponsert von der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien und der Novomatic AG

Würdigungspreis Ass.-Prof. Mag. Dr. Rudolf PietschAnerkennungspreis DUM – Das Ultimative MagazinAnerkennungspreis Kulturhof Amstetten

Revitalisierung denkmalgeschützter Altsubstanz Sonderpreis 2012Würdigungspreis Wehdorn Architekten ZT GmbHAnerkennungspreis I-m-d-architekten Anerkennungspreis Architekt Dipl.-Ing. Gerhard Lindner

ErwachsenenbildungWürdigungspreis Mag. Helmut HagelAnerkennungspreis Verein Arbeitsgruppe StrasshofAnerkennungspreis Verein Bildungs- und Heimatwerk Niederösterreich

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BILDENDE KUNST Würdigungspreis

Alois Mosbacher

Anerkennungspreise

Judith Simone Saupper

Katrin Hornek

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WÜRDIGUNGSPREIS BILDENDE KUNST ALOIS MOSBACHER

Euphorie für die MalereiSchon für seine eigenwillige Retrospektiveim Museum moderner Kunst in Wien(1997) hatte Alois Mosbacher seine Lein-wände in einem niederösterreichischenWäldchen aufgestellt. Um dort, ganz imSinne der Impressionisten und der Schulevon Barbizon, en plein air zu malen. Deritalianisierenden Landschaft des Weinvier-tels ist er treu geblieben, dem kräftigenLicht und den starken Schatten. Einer vonÖsterreichs großen Malern hat seine Zeltein der Retzer Gegend aufgeschlagen, dort,wo der Blick weit über den Horizont reicht. Getragen von einer Euphorie für die

Malerei, verhandelt Mosbacher das Fak-tum des Bilds als Farbe auf Leinwand. MitHinweisen auf die Zeitlichkeit des Films,die Landschaftsmalerei der Impressionis-ten, aufs Internet, Kriminalromane oderHochzeitsfotos verschiebt Mosbacher sei-ne Malerei auf eine neue Ebene, von deraus er sich mit der Natur in ihren verschie-densten Aspekten auseinandersetzt. Inden realen und in den virtuellen Parallel-welten des Künstlers tauchen Tiere auf,Hühner, Schafe, Hunde, aber auch Bienen, da stehen Hütten im Wald. AlsSymbole für Utopien von gegensätzlichenPersönlichkeiten wie dem Lehrer und

Landvermesser Henry David Thoreau, derseine Erfahrungen als Einsiedler in einemBlockhaus am einsamen Waldensee inMassachusetts beschrieb, und dem berüchtigten Una-Bomber Theodore J.Kaczynski. Das Experiment eines völlig isolierten Lebens, frei von institutionellenund zivilisatorischen Zwängen, vereintden guten Anarchisten und den neuroti-schen Massenmörder. Auch Mosbachergeht es um Gegenweltmodelle, und er erzählt im Subtext seiner Geschichten von einer alternativen Welt, von Außen-seitern, vom Verlust an Freiräumen, vonZufluchts orten, von den Surrogaten, dieparallel zur Gesellschaft aufgebaut wer-den, weil die Überlebensnischen immermehr und schneller verschwinden. Alois Mosbacher (geboren 1954)

studierte Malerei an der Akademie derbildenden Künste in Wien bei WalterEckert, einem Klassiker der österreichi-schen Nachkriegsmoderne. Mit seinenMalerfreunden Anzinger, Bohatsch, Kern,Klinkan und Schmalix gehörte er zu einerGruppe, die als «Neue Wilde» Ende der70er/Anfang der 80er Jahre internationalreussierte. Unterfeuert von Kunstpreisendes Landes Steiermark, der Stadt Wienund des Georg Eisler Preis, stellt er seit

damals im In- und Ausland aus, in Kunst-metropolen wie Basel und Istanbul ebenso wie in geheimen Winkeln, dieMürz zuschlag heißen oder Reith im Alpbachtal. Sein nachhaltigster Auftritt in Wien

fand 2004 in der Wiener Secession statt.Die Ausstellung hieß Out There, und Mos -bacher stellte sein figuratives Repertoirein den Dienst der Narration. Vor demHintergrund von Film, Fotografie, Theaterund der Computerwelt organisierte Mosbacher eine Bildgeschichte. Sein Material suchte er sich auf der Naviga-tionsplattform des World Wide Web, fürdie Dramaturgie des Storyboards und für seine Organisation im Raum sah ersich im Cyberspace der Videospiele um: ... auf einer Waldlichtung hat das Spielbegonnen. Zwischen Bäumen laufenMenschen mit Stöcken, oder sind es Base-ballschläger? Ein seltsamer Fight-Club. Je-mand schießt. Hat er sich in der Holzhütteversteckt? Die Braut im weißen Kleid blicktsich um. «Warte hier auf mich», sagt sie.Ihr Hut liegt zwischen den Büschen im Geröll. Aber nein, das ist kein Hut, es istein seltsames Flugobjekt, dem ein Außer-irdischer entsteigt. Ein Erlkönig? Oder einNebelstreif?

Der Wald des Alois Mosbacher: ein heiterer Mittsommernachtstraum oderResonanzboden individueller Psycho -grafien? Schauplatz, Tatort, Evidenz,Mehrdeutigkeit: ein Vexierbild komple-mentärer Blickfelder, beschleunigt vomBetriebssystem Malerei.Auf neuen, großformatigen Leinwän-

den sieht man Hunde vor Motiven aus berühmten historischen Gemälden sitzen.Mosbacher zieht sein Lieblingssujet her-an, um über einen Begriff aus Relativitäts-theorie und Science-Fiction, dem «Wurm-loch», in die Malerei und ihre Geschichteeinzudringen. Er bohrt sich einen Tunneldurch Raum und Zeit und lässt sich in seine Wunschbilder beamen: «Ich bingleichzeitig außerhalb und innerhalb desBildes», sagt er. Und das können nur diewahren Meister.

Text: Brigitte Huck

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ANERKENNUNGSPREISE BILDENDE KUNST JUDITH SIMONE SAUPPER | KATRIN HORNEK

Posturbane Palimpseste Die modellhaften Objekte Judith Sauppersverleihen der Betrachterin/dem Betrachterauf den ersten Blick einen souveränen, garauktorialen Beobachtungsstandpunkt. DieMiniaturisierung suggeriert eine gewisseForm der Verfügbarkeit und Formbarkeitvon Wirklichkeit, als könne man im gesi-cherten Rahmen des Modellbauens fiktive Szenarien erdenken, erbauen und durch-spielen. Doch dieser vordergründigen Souveränität der Blickregie, jener ver-meintlichen Kontrollierbarkeit durch Verkleinerung, stellt Saupper ein Momentdes Unheimlichen, eine prekäre Form vonWohnlichkeit, gegenüber: Die Betrachte-rin/Der Betrachter sieht sich unwirtlichen,gar «posturban» anmutenden Räumen,Architekturen und Plätzen gegenüber. Diemenschenleeren Innenräume, verfallenen Gebäude und überwucherten Nichtortelassen jegliche Hoffnung der Moderne aufeine gelungene Verbindung von Kunst, Architektur und Leben in eine Dystopieumschlagen. Die einstige Ordnung, etwadie rasterlogische Struktur der dargestell-ten Gebäude, ist längst vom Verfall ge-zeichnet und von entropischen Kräften dereguliert und überformt worden. Sauppers Arbeit handelt in diesem

Sinne vom Bauen/Erbauen, doch ebensovon dessen Risiken, dessen Un vermögenund Scheitern, ohne dabei in eindimen -sionaler Zivilisationskritik zu münden. Ob-schon der Mensch in ihren Bild räumen un-sichtbar, gar getilgt scheint, bildet er dochstets das Zentrum und den Adressaten derurbanistischen Befragung. Die Künstlerinmacht die Idee des Heims/Heimeligenund der Wohnlichkeit dabei als hegemo -nialisierte kulturelle Konstruktion lesbar.Das (Nach)bauen und (Re)konstruierendesolater Wohn- und Lebensräume setzendie vermeintliche Binarität von Natur versus Kultur unter Anführungsstriche. Ihre Arbeit schlägt schließlich jedoch kei-nerlei Lösungen vor, sondern bietet einenspekulativen Blick in eine imaginäre Zu-kunft, eine fiktive künftige Vergangenheit,die die Betrachterin/den Betrachter mitFragen über das aktuelle, heutige Verhält-nis zwischen urbanem und natürlichemRaum konfrontiert und den eigenenStandpunkt selbst dabei auf paradoxeWeise zur Disposition stellt.

Foto: Chris Saupper | Text: David Komary

Wissens- und WirklichkeitsproduktionDie 1983 geborene Katrin Hornek studierte an der Wiener Akademie derbildenden Künste performative Kunstund Bildhauerei in der Meisterklasse von Monica Bonvicini und absolvierte Aus-landssemester, so 2006 Royal DanishAcademy of Fine Arts am DepartmentWall and Space und 2007 als Gaststu-dentin am California Institute of the Artsin Los Angeles. Artist-in-Residence-Auf-enthalte führten sie u. a. nach Kanada,Melbourne und Irland. Aktuell wurde Katrin Hornek für das MAK Schindler Stipendium 2013 in Los Angeles ausge-wählt. Das Thema Raum und Skulpturverbindet die Künstlerin in ihren zumeistinstallativen Arbeiten. Der Fokus liegt dabei auf ihrem vielfältigen Interesse ander gegenwärtigen Wissens- und Wirk-lichkeitsproduktion, wobei sie aktuelle naturwissenschaftliche, mediale und historische Themen in den Vordergrundstellt. Ihre Arbeiten haben so stets einendokumentarischen und konzeptuellenAnsatz und verbinden Globalisierung mitsozial-kulturellen und gesellschaftlichenProzessen. Unmissverständlich verhan-delt sie dabei stets die Frage, wie Kunstdiese brisanten und drängenden

Themen effektiv aufgreifen kann. Konsti-tuierend für ihre künstlerische Arbeit istdie Verquickung von Natur- und Kultur-wissenschaften mit kunsthistorischen Bezügen, die sie immer wieder ironischbricht. Die aktuellen Arbeiten der Künst-lerin verweisen auf die vielgestaltigenBezugsfelder unserer Weltaneignung,wie sie heute im Kontext komplexerMachtprozesse und differenzierter ge -sellschaftlicher Normierungs- und Ordnungssysteme erfolgt. 2011 ent -wickelte Katrin Hornek im Rahmen von«Kunst im öffentlichen Raum Nieder -österreich» in Kooperation mit der Gemeinde Klein-Pöchlarn an der Donau-lände die künstlerische Intervention«Camp NOSW». Das rot-weiß-rote«Windsackzelt» interpretiert dabei dieallgegen wärtige Migrationsproblematikals Reisebewegung. Angesprochen wer-den die damit verbundene Mobilität undWanderbewegungen sowie der damiteinher gehende kulturelle Austausch.

Text: Silvie Aigner

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LITERATUR Würdigungspreis

Marlene Streeruwitz

Anerkennungspreise

Cornelia Travnicek

Gertraud Klemm

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einmal spekuliert werden. Marlene Streeruwitz, die als eine der prägnantes-ten Stimmen österreichischer Gegen-wartsliteratur und feministische Verfech-terin der Zivilgesellschaft betrachtet wird,lässt die Schere im Kopf nicht gewähren,liefert brillante Diagnosen einer zuneh-mend prekären Gesellschaft. Das wirdnicht immer belohnt.In der Begründung anlässlich der

Verleihung des Droste-Preises der StadtMeersburg (2009) heißt es unter ande-rem: «Mit energischer Beharrlichkeit vorallem die Interessen der Frauen verfech-tend, entwirft sie mit großer analytischerKompetenz und mit souveräner Sprech-kraft Figuren- und Handlungsmodelle des zeitgenössischen Lebens.»Die Besonderheit im Werk von Marlene

Streeruwitz liegt in ihrem unverwechsel-baren Gestus, der das Alltägliche, dassattsam Bekannte, das unter UmständenLangweilig-Ausgelutschte in eine revolu-tionäre Form gießt. Anlässlich des Erschei-nens von «Die Schmerzmacherin» (2011),für das die Autorin mit dem BremerLitera turpreis 2012 ausgezeich net wird,formuliert Cornelius Hell (Der Standard):«Nichts ist so bekannt und so oft be -schrieben, dass dieser Roman nicht

unverbrauchte Sätze dafür finden und einen neuen Blick darauf entstehen lassen könnte.»Seit 1986 publiziert Marlene Streeru-

witz, Anfang der 1990er Jahre gelingt ihrder viel beachtete Durchbruch als Drama-tikerin, in der Folge machen ihre Prosa-werke Furore. Und immer wieder arbeitetsie sich ab an höchst polarisierenden Themen, leuchtet im Staccato ihrer Sprache die Position der Frauen im gesell-schaftspolitischen Kontext aus, nennt denMännlichkeitswahn beim Namen, provo-ziert mit ihren Stücken Diskussionen überverkrustete Strukturen im Theater, besetztselbst den Regiesessel am SchauspielhausKöln und im Wiener Schauspielhaus,schlüpft im düster-beunruhigenden Film«Hotel» von Jessica Hauser in eine Filmrolle, die sie glänzend ausfüllt.Ein ununterbrochenes Suchen, Auf -

brechen – im literarisch-metaphorischenSinn wie in der Realität gelebter Wirklich-keiten –, das ist eine der vielen Ebenen,auf denen die Autorin sich bewegt. Zwischen Wien, Berlin, London und NewYork vaziert die akribisch Beobachtendeund souverän Schreibende.«Aufbrechen» könnte ein Terminus

sein, den Rezipientinnen und Rezipienten

in all seiner Doppeldeutigkeit eventuellden Literaturen von Marlene Streeruwitzzuordnen möchten.Gleichzeitig entzieht es sich der Vor -

stellungskraft seitens Zweiter und Dritter,welch immenses Maß an Mut, Kraft,Durchhaltevermögen und enormer Inte -grität es bedarf, um an diesem perma -nenten Aufbrechen nicht persönlich zuzerschellen.Marlene Streeruwitz hat sich für einen

bravourösen Weg im herben Getriebe desLiteraturbetriebes entschieden – einengeradlinigen, feministischen und unkor-rumpierbaren.Dafür, ihr bisheriges Schaffen und ihre

nicht verhandelbare Haltung, in der siesich dazu bekennt, «österreichisch» zu schreiben, gebührt ihr allerhöchste An -erkennung – gepaart mit dem Wunsch,noch sehr viel mehr von ihr zu lesen, zu sehen, zu hören.

Foto: Phillipp Horak | Text: Sylvia Treudl

WÜRDIGUNGSPREIS LITERATUR MARLENE STREERUWITZ

«Ich will als handelndes und denken-des Subjekt wahrgenommen werden» Die in Baden geborene Dramaturgin und Autorin von Romanen, Novellen, Hör spielen, Essays und theoretischenSchriften ist in allen Genres, deren sie sich annimmt, nicht nur eine Meisterin, sie ist eine unbestechliche Meisterin.Kompromisslos den feministischen Blick

auf die Gesellschaft fokussierend, unbe-eindruckt von patriarchaler Kritik wie vonjener aus den Reihen der vermeintlichen«Schwestern», betreibt Marlene Streeru-witz ihre anstrengende Arbeit des Deko-dierens der Welt. Das ist keine Literatur,keine dramatische Kunst, die sich ge müt -lich konsumieren lässt, die sich Leserinnenund Leser im Vorbeigehen zu eigen ma -chen – da wird gefordert, auch in der Haltung der Lesenden/Schauenden. Unerbittlich ließe sich die Grundhaltung

der Autorin nennen – und das ist gut so. Dass es sich als Autorin, die keine lauen

Erwartungshaltungen gefällig bedient,kaum bequem lebt, darf angenommenwerden. Dass es sich als Schreibende, diesich auch immer wieder vehement undklug in Kommentaren, Essays, Reden zumpolitischen Geschehen äußert, noch unbequemer lebt, darüber muss nicht

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ANERKENNUNGSPREISE LITERATUR CORNELIA TRAVNICEK | GERTRAUD KLEMM

«Herzmilch»Bereits mit den Statements im Exposé zu ihrem Roman «Herzmilch» lässt dieniederösterreichische Autorin, u. a. mitdem Hans-Weigel-Literaturstipendiumausgezeichnet, aufhorchen. Leidenschaft-lich skizziert sie mit kräftigem Strich undVerve das Anliegen ihres neuen Titels:«... ein Appell gegen die postfeministi-sche Bequemlichkeit und politische Taub-heit jener Generationen, die nicht einmalmerken, dass sie gerade einen wichtigenKrieg verlieren.»Gertraud Klemm zeichnet die Entwick-

lungsgeschichte einer jungen Frau, die in den österreichischen 1970ern und1980ern aufwächst – und die sich deut-lich von der Saturiertheit der Generation«haben wollen» abhebt. Es ist ein mühe-volles Aufwachsen, ein permanentes Fra-gen, ein dauerndes Abklopfen vorgefer-tigter (Rollen)muster, ein weitgehend einsamer Kampf um die eigene Positio -nierung in der Welt, um das Definieren einer weiblichen Existenz, die sich nichtauf «das Normale» beziehen und be-schränken möchte. Als die Protagonistinungewollt schwanger wird, zerbricht dieAlleinerzieherin beinahe an der Enge und Unausweichlichkeit ihrer Situation.

«Doch anstatt in ein bürgerliches Leben einzukehren, nimmt sie alle in die Pflicht:den Vater, das Kind und die Gesellschaft.Die grausame Furie entwickelt sich zu einer politischen Option, die man imgegen wärtigen Österreich vermisst.» G. K., Exposé«Eine Meinung zu haben … und sich

danach der Reaktion auszusetzen, vor allem jener der Betroffenen, kann sehranstrengend sein», schreibt die Autorinim Rahmen ihrer Tätigkeit als Kolumnistinfür die NÖN. Dieser Satz kann wohl auch programmatisch für ihren Zugangzum literarischen Arbeiten genommen werden – wer sich einsetzt, setzt sich aus.Und wenn eine sich auf das dünne Eis

des Hinterfragens ohnehin emotionalaufgeladener Themen wie Familie, Ge-schlechterkontext und (Post)feminismusbegibt, braucht es nicht nur die hand-werkliche Fähigkeit beim Literarisieren, es braucht auch Einsatz und Souveränität.Gertraud Klemm verfügt über sämtliche

Voraussetzungen – Gratulation!

Text: Sylvia Treudl

«Chucks»Schon 2010, als Cornelia Travnicek einenAuszug aus dem Manuskript ihres nun gedruckten Romans «Chucks» einreichte,ist die Autorin mit ihrem großen Erzähl -talent, sehr plastischen Formulierungen,abwechslungsreicher szenischer Gestal-tung und ihrer berührenden Erzählweiseaufgefallen. Nun, 2012, kommt zur viel beachteten und gut rezensierten Buch-ausgabe in der renommierten DeutschenVerlags-Anstalt der Anerkennungspreisdes Landes Niederösterreich. Er geht aneine junge Autorin, die bereits literarischeReife und einige Bücher und Auszeichnun-gen vorweisen kann. Travnicek, 1987 in St. Pölten geboren,

lebt heute in Traismauer. Sie studierte Sinologie und Informatik an der Univer-sität Wien. Diese unterschiedlichen Studienrichtungen weisen auf eine großeInteressenspannweite hin, eine forschen-de «Lebensneugier», die auch in ihrenTexten immer wieder hervortritt. Die Autorin erhielt u. a. das Hans-Weigel-Lite-raturstipendium, ist Mitglied des Litera-turkreises Podium und jüngste Beiträgerinder zu dessen 40-jährigem Bestehen er-schienenen Anthologie «Begegnungenentlang der Zeit» (Literaturedition Nieder-

österreich 2011). Als Begegnungen ent-lang der Zeit könnte man auch die Szenenim nun prämierten Roman «Chucks» be-zeichnen. Die einzelnen Abschnitte tragenTitel wie «Von H-Milch und der Statik vonLuftschlössern» oder «Von Kühlschränkenund vom goldenen Schein», die mit ihrervermeintlichen Unverbundenheit die Leser schaft neugierig machen, in den Textdes Adoleszenzromans hineinziehen. DieHauptfigur ist Mae, Anfang zwanzig. ImAids-Hilfe-Haus muss sie eine Strafe wegenKörperverletzung abarbeiten; dort lernt sieden HIV-positiven Paul kennen, bei dem später die Krankheit ausbricht. Mae ver-liebt sich in ihn, das Gegenbild zum ver-nunftgeleiteten, vorhersehbaren, etwaslangweiligen Jakob, mit dem sie bisher zu-sammenlebte. Maes Zeit mit Paul ist be-grenzt, jeder Tag wird dadurch einzigartigund neu. Pauls Sterben wird einfühlsamgeschildert, in konkreten Szenen ohne jedeWeinerlichkeit. Mae hat Erfahrung mit demTod – von ihrem verstorbenen älteren Bru-der sind ihr nur ein Paar Schuhe geblieben,rote Chucks, die nun sie trägt und die deminhaltlich wie sprachlich außergewöhn-lichen Roman den Titel gegeben haben.

Text: Georg Bydlinski

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ARCHITEKTUR Würdigungspreis

Martha Enríquez-Reinberg, Georg W. Reinberg

Anerkennungspreise

t-hoch-n ZIVILTECHNIKER GmbH – Binder, Wiesinger, Pichler

Karl Langer, Georg Schumacher

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erste Selbstbestimmungsmodell im kollektiven Wohnhausbau Österreichs zunächst ohne professionellen Bau trä -ger – aber mit Wohnbauförderung –realisieren wollten.»

In den 1980er Jahren intensivierte undvertiefte Georg W. Reinberg seine Kennt-nisse über Baubiologie und konnte dieseals Assistent von Anton Schweighofer ander TU Wien an seine Studentinnen undStudenten weiter geben. Als Lehrender ister bis heute tätig, sein Engagement ander Donau-Universität Krems sei stellver-tretend heraus gestrichen. Immer wiederwird eine umfassende Betrachtungsweisevon ökologischer Architektur zum Credoerhoben. So kann man in einem Vor -lesungsskriptum über «Solares Bauen» lesen: «Um zu einer sinnvollen Energie -bilanz zu kommen, muss man Architektur in ihrer Gesamtheit betrachten, über dengesamten Zyklus des Bauens, der Nutzungund der Entsorgung.»Die Zeitspanne 1982 bis 1992 ist durch

die Partnerschaft mit Martin Treberspurg,seit 1990 auch mit Erich Raith gekenn-zeichnet. Seit 1992 leitet Georg W. Rein-berg zusammen mit seiner Frau MarthaEnríquez-Reinberg ein eigenes Büro.

Drei weitere Siedlungen in Purkersdorfschließen an den Erfolg an, 1981 bis 1991entsteht ein viel beachtetes Innovations-projekt in Wien-Stadlau, bei dem die«Mehrzonigkeit» der Häuser eingeführtwurde. Es folgen das Projekt Brünner Straße in Wien für 215 Wohneinheiten,aber auch innerstädtische Bauaufgaben.Die Arkade Taubenmarkt in Linz (zusam-men mit Team A und Georg Schönfeld) isthier zu nennen.

Laufend werden neue Baustoffe erprobtund energietechnische Möglichkeiten ausgelotet. So wurden etwa bei einemDachausbau in der Wiener Wollzeile Wärmepumpen zur Bauteilkühlung und -erwärmung eingesetzt.«Reinberg» ist inzwischen zu einer

Marke geworden, und eine Vielzahl vongebauter Architektur verschiedenster Nutzung zeigt die Potenz des Büros, wennes darum geht, soziales Engagement und ökologische Sichtweise in Gebautesumzusetzen, zu verteidigen und zu propa-gieren. «Die Reinbergs» formulieren gemeinsam intelligente Lösungen unterschiedlichster Bauaufgaben. Dazu gehört die Beschäftigung mit viel fältigsten Materialien, das stets

kluge Reagieren auf den Ort, auch aufFlora und Fauna, auf Wasser und Wind,auf die Natur schlechthin. Als Parade -beispiel hierfür seien das Betriebsgebäu-de der Firma Biotop (Fertigstellung 2003)und das Projekt Inselwelt Jois am Neu-siedler See (Fertigstellung 2001) ange-führt.So verschieden die Arbeiten aus dem

Büro Reinberg sind, das Ziel bleibt immerdas gleiche: soziale und ökologische Ansprüche in sinnvolle Bauten mit einer eigenen, aus Material und Technik her -geleiteten Formensprache umzusetzen,ohne Letztere verstecken zu wollen.Reinbergs Bauten sind immer modern,

nie modisch, stets zukunftsweisend, anspruchsvoll, vorbildhaft.

Text: Richard Zeitlhuber

WÜRDIGUNGSPREIS ARCHITEKTUR MARTHA ENRÍQUEZ-REINBERG & GEORG W. REINBERG

Wenn Form der Ökologie folgtGeorg W. Reinberg und seine Frau MarthaEnríquez-Reinberg zählen zu den Pionie-ren der ökologischen Architektur in Öster-reich mit internationaler Ausstrahlung.Georg W. Reinbergs Studium an der

TU Wien fiel in die «Postachtundsechzi-ger-Periode», in der der neue Zeitgeist alszartes Pflänzchen im Klima einer konser-vativen Architekturlehre heranwuchs. Dennoch zeigten Lehrerpersönlichkei-

ten wie Ernst Hiesmayr, Karl Schwanzeroder Günther Feuerstein neue Perspek -tiven auf. In Österreich errichtete OttokarUhl erste Mitbestimmungsprojekte.Nach Studienaufenthalten im Ausland

und vielen Exkursionen wurde das ProjektWintergasse 53, Purkersdorf (1979–1984)zum Eckstein in Reinbergs Schaffen. Infünfjähriger Planungszeit entstand fürzehn befreundete Familien ein alternati-ver Wohnbau mit passiver Solarnutzungund Wintergärten unter der Mitbestim-mung aller Beteiligten. Dazu schreibt Matthias Boeckl in «Reinberg – Ökologi-sche Architektur», Springer Verlag 2008,unter anderem: «Der entscheidendeUnterschied zu bisherigen Mitbestim-mungsmodellen war, dass die Bewohnerselbst als Bauherren auftraten und so das

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Hochwasserschutz PersenbeugDas breitgefächerte Werk Karl Langers um-fasst Kulturbauten, Bauwerke für sozialeEinrichtungen, Wohngebäude und denk-malpflegerische Projekte.Besonders bemerkenswert ist Langers

Wirken im technischen Hochwasserschutzin Niederösterreich. Hier konnte er vorbild-liche Projekte für mehrere Gemeinden planen und realisieren. Zu den Anlagen in der Gemeinde Persenbeug schreibt er:«Bauten gegen Hochwasser werden seitJahrhunderten gebaut. Das Jahr 2002 mitseinem extremen Hochwasser in Nieder -österreich, stellt dabei den Wendepunkt in der jahrzehntelangen Diskussion um den Hochwasserschutz dar … Mit der nicht sichtbaren Untergrundabdichtung begonnen über unterirdische Pumpwerkebis hin zu Fundierungen und Drainagensind all diese bautechnischen Maßnahmenessentiell wichtig, aber für den Betrachteroberflächlich nicht sichtbar. Einzig und allein – ähnlich der Spitze eines Eisberges –ragt eine niedere Mauer oder ein Dammüber die Oberfläche hinaus und ist so fürden Betrachter wahrnehmbar. Die Aufgabebei der Gestaltung war es, diese ‹Eisberg-spitzen› in Lage, Form, Oberfläche und Materialität so harmonisch in das Land-

schafts- und Ortsbild zu fügen, als wärensie schon immer ein Teil davon … DerHochwasserschutz Persenbeug ist somitein architektonisches Understatement inForm eines sensibel eingefügten Implan-tats in alte Kulturlandschaft.»Gemeinsam mit dem Landschaftsarchi-

tekten Georg Schumacher entwickelte Langer die Planung für Persenbeug undYbbs. Die sensiblen architektonischen Ge-staltungen entstanden im Dialog mit dentechnischen Anforderungen des Ingenieur-projektes: den vorhandenen und auchneuen Platz-, Straßen- und Tor situationensowie den kultivierten Aufenthaltszonenentlang des Ufers. Konfrontiert mit denVorstellungen der Ingenieure und den ört-lichen Gegebenheiten, erstellte das Teamum Langer und Schumacher statt einesVorentwurfs zunächst eine Bestandscharak-teristik. Parallel dazu entwickelten sie Gestaltungsideen zur besseren Integrationdes Hochwasserschutzes in die Landschaftund stellten Überlegungen zur Ausbildungder Übergänge zwischen den einzelnenBau t eilen an. Dabei galt die Aufmerksam-keit neben der Formgebung einzelner Elemente stets den Auswirkungen des Gesamten auf Festland wie Flusslandschaft. Text: János Kárász

ANERKENNUNGSPREISE ARCHITEKTUR T-HOCH-N ARCHITEKTEN – BINDER, WIESINGER, PICHLER | KARL LANGER, GEORG SCHUMACHER

Lokale Baukultur und zeitgenössische ArchitekturEin um 1920 errichteter traditionellerStreck hof im Straßendorf Guntersdorfwurde seit vielen Jahren vom lokalen Theaterverein Theater Westliches Wein-viertel als Spielort genutzt. Guntersdorf ist durch lange, schmale Parzellen mitStreckhöfen geprägt.Die Renovierungsbedürftigkeit des Baus

sowie die Wünsche zur Erweiterung mach-ten Sanierung und Umbau notwendig.Der Theaterverein nahm seine Verant -wortung als Bauherr ernst und schrieb einen Architekturwettbewerb aus, den diet-hoch-n Architekten gemeinsam mit demlokal ansässigen Planer Franz Fellinger junior für sich entscheiden konnten. Umbau und Revitalisierung stellen ge-

konnt unter Beweis, dass es möglich ist,den Wünschen der Bauherrschaft, in die-sem Fall des zwölfköpfigen Vorstands desTheatervereins, ebenso gerecht zu werdenwie den Anforderungen, die ein bestehen-des Gebäude an zeitgenössische Interven-tionen und Umdeutungen stellt. Die Er-richtung erfolgte großteils in Zusammen-arbeit mit regionalen Unternehmen. Der Streckhof mit seinen siebzig Meter

Länge wurde als Weg komponiert. Die

Theaterbesucherinnen und Theaterbesu-cher werden an Kassa, Bar und Probe-raum vorbeigeführt und erleben dabeiRaumsituationen mit unterschiedlichenHöhen, Lichtsituationen sowie verglastenDurch- und Einblicken, die Beziehungenzwischen Publikum und Ensemble bereitsvor der eigentlichen Aufführung erlauben.Großzügige Öffnungen zu den Aufent-haltsräumen der Schauspielerinnen undSchauspieler ermöglichen diese kom -munikative Sichtbeziehung. Im ehemaligen Stall befinden sich

Bühne und Zuschauerraum, der Wohn-trakt wurde renoviert und um eine neueHolzkonstruktion erweitert. Das Vordachwirkt als Zeichen nach außen und ist mitplastischen Faltungen gestaltet. Diese Signalwirkung der Eingriffe, die dem Bestand gegenübertreten, wird fortge-setzt durch die neuen als Holzkonstruktion ausgebildeten Elemente. In dieser Verbindung von lokaler Bau-

kultur und zeitgenössischer Architektur bietet der Streckhof ein kulturelles Programm mit Theater, Ausstellungen,Konzerten und Lesungen, das sowohl alsAngebot für die lokale Bevölkerung wieauch für Kulturreisende von Interesse ist. Text: Elke Krasny

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MEDIENKUNST Sparte Experimental- und Animationsfilm

Würdigungspreis

Ferry Radax

Anerkennungspreise

Benjamin Swiczinsky

Johannes Friedrich Schiehsl

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WÜRDIGUNGSPREIS MEDIENKUNST SPARTE EXPERIMENTAL- UND ANIMATIONSFILM FERRY RADAX

Seit 1949 entstehen Drehbücher zuerstdurch Mitschreiben im Kino, dann bald eigene und ab 1953 gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Filmakade-mie. 1953/1954 besucht Radax die Film-hochschule in Wien und 1955/1956 dasCentro Sperimentale der Cinecittà in Rom.Es folgen jahre ange Arbeitsaufenthalte in der Schweiz, Deutsch land und Italien.Seine Film ar beiten führen ihn u. a. nachFrankreich, Ungarn, England, Irland, Nor-wegen, Japan, Peru, St. Helena, Neusee-land und in die USA. Nach zahlreichen Festivals und Preisen werden Personalenim Londoner National Film Theatre, im Pariser Centre Pompidou, in Berlin, Mün-chen, Zürich, Rom und Tokio gezeigt. Schließlich wurden auch im Wiener

Filmmuseum Albertina 1993 einen Monatlang 40 verschiedene Filme aus 40 JahrenFilmschaffen und einem Gesamtwerk von 120 Produktionen gezeigt. Die Diagonale würdigte 2012 in der

Reihe «Personale» das Filmschaffen vonFerry Radax und hob darin seine bedeu -tende Stellung im österreichischen Filmhervor.Ferry Radax zählt mit Werken wie

«Sonne halt!», «Am Rand», dem Porträt«Thomas Bernhard – Drei Tage» und

seinen weiteren Filmen zum internationalbekannten und wichtigen Vertreter des österreichischen Experimental- und Avant-gardefilms. Seine Filme verdichten die visuelle Erzählung auf das Wesentliche und unterwandern dabei gezielt die einge-nommenen Erwartungshaltungen. Er wardadurch Wegbereiter und Vorbild für viele Filmemacherinnen und Flimemacher imIn- und Ausland. «Ferry Radax ist Filmde-tektiv und Kunstreporter, stets recherchie-rend und sich selbst und seine Arbeit in Gestalt von illustren ‹Agenten› miteinbrin-gend», schreibt der Künstler und Schrift-steller Josef Schweikhardt. Durch seine Porträtarbeiten half er auch, vorerst unbekannte Autorinnen und Autoren wieHandke, Frischmuth, Bauer, Kolleritsch im deutschen Sprachraum bekannt zu machen. Drehte er doch die Künstler(in -nen )porträts überwiegend für deutscheFernsehsender. Seine vorläufig letzte filmi-sche Arbeit «Videographie I – Vestenötting1945» nimmt Bezug auf seine Jugendjahreim Waldviertel bei Waidhofen/Thaya. Seitdem Jahr 2000 wohnt und arbeitet FerryRadax in Hollenburg im Schloss der FamilieGeymüller. Am 20. Juni 2012 feierte er seinen

80. Geburtstag.

Zu Ferry Radax’ bekanntesten Werken zählen:«Das Floß» (1954), «Mosaik im Vertrau-en» (1955), «Sonne halt!» (1959–1962),«Am Rand» (1961–1963), «Hundertwas-ser» (1965/1966), «H.C. Artmann» (1967),«Testament» (1967), «Forum DichterGraz» (1967), «KONRAD BAYER oder diewelt bin ich und das ist meine sache»(1969/1970), «Thomas Bernhard – DreiTage» (1970), «Der Kopf des Vitus Bering»(1970), «Bildäußerungen psychisch Kranker» (1971), «Der Italiener» (1972),«Berg Berg» (1972), «Lehar’s Villa» (1972),«Floris von Rosemund» (1973), «LudwigWittgenstein» (1974–1976), «Ein Tag beiMaxim’s» (1975), «Unter Freunden»(1977), «Attentat in Gastein» (1979), «Wer sind Sie, Mr. Joyce?» (1980), «Japan,oder die Suche nach dem verlorenen Reis»(1980–1983), «Capri – Musik die sich entfernt» (1984), «Jenseits von Öster-reich» (1990), «Leben in Spiralen» (1998),«Videographie I – Vestenötting 1945»(2007–2011)

Text: Wilhelm-Christian Erasmus

Filmdetektiv und Kunstreporter Geboren am 20. Juni 1932 in Wien, wirdFerry Radax als Sängerknabe in Wien, später in Gesang und Klavier am MusischenGymnasium Frankfurt am Main ausgebil-det. 1944 bis 1948 verbringt er prägendeJahre in Vestenötting und Waidhofen/Thaya. Hier entsteht sein erstes Science- Fiction-Manuskript «Der Bund der 3».

«Ich inszenierte sogar erste Szenenfotoszur Illustration der Geschichte. Mit einemSteyrer Waffenrad raste mein Freund Rai-ner über den Hauptplatz von Waidhofen,auf dem Gepäckträger zwei brennende Ra-keten, und die jungen Helden fliegen imBallon (einem Fußball) über die Grenze indie Tschechoslowakei.» Dieses Manuskriptwurde zwar vom Ueberreuter Verlag alsunreifes Jugendwerk abgelehnt, aber fünf-zig Jahre später von der ÖsterreichischenNationalbibliothek erworben. Nach Kriegs -ende arbeitet Radax als Presse fotograf undstellt im Wiener Art Club aus. Die vielfälti-gen Bekanntschaften mit den Künstlerin-nen und Künstlern dieser Zeit beeinflussenauch die späteren filmischen Arbeiten ent-scheidend. Die Malerei der Gruppe derWiener Phantastischen Realisten und vorallem die Arbeit des US-Künstlers EdwardHopper faszinieren und inspirieren ihn.

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«Heldenkanzler»? Nicht zufällig trägt Benjamin SwiczinskysAnimationskurzfilm den zwiespältigen Begriff «Heldenkanzler» als Titel: SeineVerhandlung von Aufstieg und Tod Engel-bert Dollfuß’ (1892–1934) ist eine tragi -komische, schwarzhumorige und durchausbissige Satire, die bereits mehrfach aus -gezeichnet und auf einer Vielzahl renom-mierter internationaler Festivals gezeigtworden ist. In nur auf den ersten Blickharmlosen Bildern, die der Regisseur umbearbeitete Archivaufnahmen stimmig ergänzt, bietet er einen Alptraum inSchwarz-Weiß-Rot. Die immer noch sehrzwiespältig gesehene und verhandelte Zeitdes österreichischen Bürgerkriegs, der ge-waltvollen Aushebelung der Demokratieund der Einrichtung des austrofaschisti-schen Regimes wird für Swiczinsky zur Folie historiografischer Reflexionen. Die Erzählbarkeit von Geschichte und dieproduktive Infragestellung mimetischerGeschichtsverhandlung für sich nutzend,inszeniert er Dollfuß als Miniaturfaschis-ten, als Lehrling Mussolinis und knieschlot-ternden Gegner Hitlers. Diese DarstellungDollfuß’, die von zahlreichen filmischen Inszenierungen politischer Diktatorenebenso zehrt wie von den Qualitäten

des Animationsfilms als in seiner Artifizia-lität wohl filmischsten Genres, ist zugleichpolitisches wie künstlerisches Statement.Aus der vom Regisseur lang gehegtenIdee, sich kritisch mit der Figur Dollfuß und der Zeit des Austrofaschismus aus -einander zusetzen, ist, anders als ursprüng-lich geplant, kein dokumentarischer Spiel-film voller abgestimmter Details gewor-den, sondern eine metaphernreiche Arbeit, die bewusst und gekonnt mit derdramatischen Registratur der Animationarbeitet. Dem Mitbegründer der Initiative«Neuer Österreichischer Trickfilm» ist mit seinem technisch wie inhaltlich über -zeugenden «Heldenkanzler» (2011) ein bemerkenswerter, wichtiger Beitrag zurDekonstruktion politischer Mythologie gelungen.

Text: Thomas Ballhausen

«366 Tage»Die Jury hat sich dafür entschieden, Johannes Friedrich Schiehsl mit dem Anerkennungspreis des Landes Nieder -österreich für Medienkunst auszuzeich-nen. Mit seinem Animationskurzfilm«366 Tage» ist es dem niederösterreichi-schen Filmemacher Johannes FriedrichSchiehsl gelungen, ein auf allen Ebenenüberzeugendes Werk zu schaffen. «Ein junger Mann leistet seinen Zivil-

dienst im Rettungsdienst ab», das war derAusgangspunkt dieser Geschichte. «Dabeiführt ihn seine Verpflichtung in die Woh-nungen von Menschen, die weniger anKrankheiten oder Verletzungen, sondernvor allem an Einsamkeit leiden. Sein ex -zessives Engagement für seine Patientin-nen und Patienten führt ihn an den Randeines Burnouts. Doch am Ende kommt dieRettung – und zwar gerade von jeman-dem, von dem er sie am wenigsten er -wartet hätte. (…) Viele reale Eindrückeund Momente galt es in dem Film wider-zuspiegeln.» Johannes Friedrich Schiehsl

Mit dieser Aufarbeitung autobiogra -fischer Erlebnisse, der Sinnsuche und Alltagsbewältigung eines Zivildienstleis-tenden, hat der 1984 in Wiener Neustadtgeborene Filmemacher sein Talent

perfekt unter Beweis gestellt. JohannesFriedrich Schiehsl hat seine Erfahrungenin einer authentischen wie berührendenGeschichte verarbeitet, die neben derstimmigen Narration auch durch ihre visuelle Erzählform besticht. Die Figurenin «366 Tage» sind präzise abstrahiert,gleichzeitig jedoch stimmig und sensibelgezeichnet. Die Charaktere dieses Anima-tionskurzfilms leben von ihrer minimalisti-schen Mimik und Gestik und verblüffendurch ihre wunderbare Emotionalität undAuthentizität. Mit dem Animationsfilm «366 Tage»,

seiner Abschlussarbeit der FilmakademieBaden-Württemberg, ist Johannes Friedrich Schiehsl ein zwölfminütigesMeisterwerk gelungen, das sich dem Thema Einsamkeit auf sehr unterhalt -same Weise nähert und dennoch zutiefstberührt.

Text: Ulrike Schweiger

ANERKENNUNGSPREISE MEDIENKUNST SPARTE EXPERIMENTAL- UND ANIMATIONSFILM BENJAMIN SWICZINSKY | JOHANNES FRIEDRICH SCHIEHSL

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MUSIK Würdigungspreis

Roland Neuwirth

Anerkennungspreise

Robert Lehrbaumer

Martin Ptak

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Es roch nach Ölfarben, deren ausge-quetschte Tuben am Boden zerstreut lagen.» Das beengte Biotop atmet dieKunst, riecht förmlich nach ihr: Aus derräumlichen Enge in die künstlerische Weite geblickt, die eigene Sozialisationsomit als Aussichtsturm für Weitblick,nicht als Beschränkung, jedoch als ästhe-tisch prägend begriffen, wird ein Werkentstehen, welches sich bislang in zirka400 Liedern für Duo- und Schrammelbe-setzung, unzähligen Tänzen und Walzern, Orchesterwerken, Theater-, Film- und Hörspielmusik sowie zwölf LPs und CDsniederschlägt.

Es begann mit dem Auftritt im WienerWurstelprater. Dort war eine Teenager- Party im Gange. Ich war zu schüchtern, umzu tanzen, und so war es klar, dass ich mei-ne ‹Klampfe› mitbrachte und den Freundenzum Tanzen einheizte.

Wenige Jahre nach dieser Überwin-dung der Schüchternheit durch gitarris -tische Bravour werden 1974 die Neuwirth-Schrammeln – später Extremschrammeln– gegründet, die seither als zentrales Ensemble und künstlerischer Mittelpunktvon Neuwirths reichem Schaffen konti -nuierlich auftreten. In Hernals, Wien, Österreich, Europa, Amerika. Doch zuvor

geht ein junger Mann mit musikalischenVisionen und starkem Willen seinen mäandernden Weg aus einer Werkstattauf die Bühnen:

Die Gitarre hatte ich täglich in der Arbeit mit. Die Setzereikollegen waren esauch, die mich darin bestärkten, doch end-lich Musiker zu werden und mein traurigesGalgenvogeldasein in der Partezettel -druckerei zu beenden. Das Problem warnur, dass ich nicht Noten lesen konnte.

Neuwirth, bereits Vater, lernt diese Noten, übt Tag und Nacht Gitarre, wird Musikstudent und hält sich mit einem kargen Stipendium und kleinen Auftrittenüber Wasser. Endlich die eigenen Ideenumzusetzen, sich zu vertiefen in ein damalsmuseales, vornehmlich dem touri stischenZweck un tergeordnetes und an sonsten vergessenes, ja verleugnetes Genre – das Wienerlied und die Schrammelmusik –ist ihm jedes Risiko wert.

Ich suchte nach alten Aufnahmen, grubmich durch sämtliche Notenarchive undfand faszinierende ‹Weanatanz›, die mitBesessenheit studiert wurden. Es tat sicheine neue Welt auf …Eine bis heute andauernde Reise be-

ginnt. Ein Suchen, Finden und Verwerfen,Wiederentdecken, Üben, Neu-Beleben,

Radikal-Erneuern, Vom-Kitsch-Befreien.Seither entstammen Neuwirths Feder jene neuen und oftmals genialisch mitdem Blues und Jazz vermählten Lieder,deren poetische Lyrik im Wiener Dialekt –den viele als nuancenreiche Quelle des Erzählens nicht mehr kennen und können – von heute, hier und jetzt berichten: böse und zart, düster und hell,nie verklärend, nie behübschend. Dassdamit über Jahre eine ganze Phalanx anFeinden auf den Plan gerufen und kon -sequent Heurige «leergespielt» werden,ist logische Reaktion einer damals operettenhaften Szene auf die Kunst jenesSängers, Dichters und Kontragitarristen,der von seinem Waldviertler WohnsitzMostbach aus seit Jahren das MusiklebenNiederösterreichs bereichert und die Türen aufgestoßen hat für Generationenjüngerer Musiker, die wienerische Musiklebendig weiterent wickeln.

Text: Christian Muthspiel

Zitate – kursiv gesetzter Text in diesem Beitrag – aus

Roland Neuwirths autobiografischen Notizen

WÜRDIGUNGSPREIS MUSIK ROLAND NEUWIRTH

Wiener Musik«Floridsdorf-Village, das ist der ‹Soul›meiner Kindheit, der mir noch heutenachhängt.» Wer «Floridsdorf» und «Village» als zusammengesetzte Orts -angabe seiner frühen Jahre mit dem Gefühl des «Soul» verknüpft, hat bereitsdie Pole seines künstlerischen Lebens definiert: Nicht mehr als Wien und nichtweniger als die ganze Welt werden in einem prallen, ungeheuer produktivenKünstlerleben Kraftquellen und kreativeReibe bäume sein. In musikalische Genresübersetzt, trifft somit das Wienerlied aufden Blues, der Schrammelklang auf denSound des Jazz. «Floridsdorf-Village»: ein Liedtitel bereits, ein Song in Kürzest-form als Code für ein 1950 beginnendesMusiker-und-Sänger-Leben. «Und da war die Zimmer-Küche-Kabi -

nett-Wohnung zu viert, manchmal zufünft: meine Mutter, Sonderschullehrerin,mein Vater, Maler, Bildhauer und Gele-genheitsarbeiter, mein kleiner Bruder Peter und die Großmutter, die damals am Fließband stand und die Resopal -gehäuse der Minerva-Radios polierte. Mit der Mittagssirene erschien der Vater,voll mit dem weißen Bakelitstaub aus der Fabrik, und setzte sich an die Staffelei.

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ANERKENNUNGSPREISE MUSIK ROBERT LEHRBAUMER | MARTIN PTAK

Sapere aude!Aufklärung ist der Ausgang des Menschenaus seiner selbst verschuldeten Unmündig-keit. Unmündigkeit ist das Unvermögen,sich seines Verstandes ohne Leitung einesanderen zu bedienen. Selbst verschuldet istdiese Unmündigkeit, wenn die Ursache der-selben nicht am Mangel des Verstandes,sondern der Entschließung und des Mutesliegt, sich seiner ohne Leitung zu bedienen.Sapere aude! Habe Mut dich deines eige-nen Verstandes zu bedienen! ist also derWahlspruch der Aufklärung. Immanuel Kant

Der Musiker und Komponist MartinPtak ist ein mutiger Mensch und ein unbeirrt eigenständig agierender Künstler. Benutzt er doch stets die von ihm ent wickelten Erkenntnis quellen, umseinen Lebensweg wie seine künstlerischeLaufbahn jenseits aller zeitgeistigen Moden und Pflichtübungen selbstver -antwortet zu gestalten. Geboren 1972 in St. Pölten, maturierte

er 1991 am BORG in Krems – der Ausbil-dungs- und Heimstätte junger Musikerin-nen und Musiker, die im Umfeld des dorti-gen Szeneclubs «That’s Jazz!» eine kost -bare Werkstattbühne fanden/finden, umdann später in Wien zu reüssieren, und somit bis heute das urbanstaubige Musik -

leben der dörflichen Metropole erfrischendaufmischen. Schon seit seinen Studien(Konzertfach Jazz-Klavier & Jazz-Posaune)am Konservatorium der Stadt Wien und einem Kompositionsstudium bei ChristophCech an der Bruckner-Universität Linz(mit)gründete und (mit)initiierte der un -gemein vielseitig begabte Künstler z. B. das frohsinnig klanganarchische Takon Orchester, das lust-, liebe- und kraftvoll ex-perimentierende ImprovisationsensembleSpitzbergen und das bereits legen däreFilmmusikorchester Velvet Elevator: eineerlesen besetzte Klangkörperschaft mitschier unbegrenzter (künstlerischer) Haftung, welche sich kompetent der Pflege hoch karätiger Filmmusik widmet.All diesen Initiativen verleiht Martin

Ptak als Komponist, Arrangeur, Keyborderund Posaunist seine unverwechselbareNote: eine fein-leise, oftmals fragil-me-lancholische Stimmung; eine verstörendewie auch betörende Schönheit, welcheum die trostlose Vergänglichkeit der vie-len laut-rotzigen Eitelkeiten (nicht nur)des Kulturbetriebes weiß, die doch nurdas Unvermögen widerspiegeln, sichselbst- und verantwortungsbewusst deseigenen Verstandes zu bedienen. Text: Renald Deppe

Musik als DaseinszustandWenige Musikerpersönlichkeiten pflegenein so breit gefächertes künstlerisches Da-sein wie Robert Lehrbaumer: Als Pianist,Organist und Dirigent gehört er zu denaktivsten und engagiertesten KünstlernNiederösterreichs. Seine internationalePräsenz und der große Enthusiasmus imBereich der musikalischen Vermittlungs-arbeit sind wichtige Merkmale seiner kon-sequenten und nachhaltigen «Berufung».Vor dreißig Jahren gründete er die Alten-burger Musik Akademie (AMA). Damalsnoch selbst relativ jung, versuchte er einUmfeld zu schaffen, in dem ein persönli-ches, gleichsam familiäres Verhältnis zwischen Lehrenden und Teilnehmendenentstehen kann. Dies prägt nun seit vielen Jahren den «Geist» dieser Akade-mie und macht sie zu einem wichtigenFixpunkt im Land Niederösterreich.Robert Lehrbaumer kann auf eine

rege Konzertlaufbahn als Pianist und Organist zurückblicken, die bereits in jungen Jahren begonnen hat und durchfrühe Wettbewerbserfolge forciert wurde.Der ursprüngliche Kindheitswunsch, Dirigent zu werden, wurde deshalb vorerst prolongiert und schließlich in den letzten Jahren gezielt umgesetzt;

immer mit der Intention, all diese vielfäl-tigen Aktivitäten auf höchstem Niveau zugestalten und dabei auch noch die Freu-de an Musik spürbar zu machen. Die Listeder Persönlichkeiten, mit denen RobertLehrbaumer zusammengearbeitet hat, ist beeindruckend und lässt auf diesenqualitativen Anspruch rückschließen.Spezialisiert darauf, nicht spezialisiert

zu sein (auf eine Epoche, einen Stil odereine Komponistin/einen Komponisten,sondern «dem Reichtum der Musik offen-zustehen», verleiht seiner künstlerischenArbeit eine persönliche und sympathischeNote. Sein Interesse an zeitgenössischerMusik und die von ihm durchgeführtenUraufführungen unterstreichen diese Offenheit.Für Robert Lehrbaumer ist «Musik ein

unverzichtbarer Daseinszustand», der sich in «unterschiedlichen Schwingun-gen» ausdrückt und das Publikum errei-chen soll. Dabei wollen wir ihm weiterhinviel Erfolg wünschen.

Text: Richard Graf

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VOLKSKULTUR UND KULTURINITIATIVENgesponsert von der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien

und der Novomatic AG

Würdigungspreis

Rudolf Pietsch

Anerkennungspreise

DUM – Das Ultimative Magazin

Kulturhof Amstetten

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sich die Instrumentierung, das Repertoireund die Besetzung gewandelt. Konstantgeblieben sind die Vertrautheit mit deneigenen musikalischen Wurzeln und dieHellhörigkeit für das Fremde. Auf unzähli-gen Reisen durch die ganze Welt hat sichihre Musik aus Österreich als unmissver-ständliche Sprache bewährt. Sie präsen-tieren sich kraftvoll, virtuos, mitreißend,feurig, verrückt, stets authentisch und miteiner gehörigen Portion Selbstironie.

Der Wissenschaftler. In Wien hat er Schulmusik studiert und ist später als lehrender Wissenschaftler am Institut fürVolksmusikforschung und Ethnomusikolo-gie der Universität für Musik und darstel-lende Kunst ebendort tätig geworden. Als Überbringer von Volkskulturpaketen,die er im Rahmen von leidenschaftlich begangenen Feldforschungen und Exkur-sionen in diversen Regionen Niederöster-reichs, Österreichs und Ländern der Welt bunt befüllt hat mit gesammelten Tänzen, Bräuchen, Melodien für jeden Anlass im Leben, steht bei ihm die An-wendbarkeit dieser Inhalte stets im Vor -der grund. Er hat sie bis heute an zirka4.000 Studierende – ihrerseits Multiplika-toren – weitergereicht mit dem Auftrag,

nie nur Teilaspekte dieser Inhalte zu betrachten, sondern sie als Ganzes imgroßen Zusammenhang zu sehen unddurch Innenansicht zu verstehen. EineWelle schlägt eine Welle schlägt eine Welle …

Das musikalische Vorbild. Als Mann derersten Stunde der legendären Musikan-tenwochen in Großrußbach hat er vorJahrzehnten Umwälzungen in SachenInterpretation österreichischer Volksmusikausgelöst durch seine sprühende Anima-tion zum Auswendigspielen. Hier trafenmusikbegeisterte Laien mit professionel-len Musikerinnen und Musikern zusam-men, Kinder mit Pensionistinnen undPensionisten, quer durch alle Gesell-schaftsschichten. Hier und während ande-rer unzähliger Musikseminare hat er sei-nen ganz persönlichen Stil, die spezielleMischung von Arrangement und Freiheit,an klaren Regeln in der Melodieführungund ihrem lustvollen Verletzen, weiter -gegeben. Nicht als Kopieranleitung, sondern mehr als eine Grundtechnik, sich in Freiheit ästhetisch zu bewegen.

Ein Motor, ein Macher, ein Anreger, einVerbandler ist er. Viele Musikerinnen und

Musiker hat er zu Ensembles zusammen-geführt und gecoacht, die heute aus der österreichischen Kulturszene nichtmehr wegzudenken sind. Er ist mitverant-wortlich für die Entstehung des Welt -musikfestivals «glatt & verkehrt». Für Radio Niederösterreich hat er Sendungenprogrammiert und verfasst und so für dieVerbreitung von Volksmusik aus Nieder -österreich gesorgt. Für den Konzertzyklus«Musikanten» im Wiener Konzerthaus ister Kurator. Sein Urteil als Juror wird beiVolksmusik wettbewerben landauf, landabhoch geschätzt. Als Herausgeber etlicher Notenhefte und wissenschaftlicher Pub -likationen hat er unzählige Tanzmusik -stücke vor allem niederösterreichischerAbkunft ins Leben zurückgeholt. Aber -tausende Zuhörerinnen und Zuhörer seiner Konzerte hat er als Meister derStegreifmoderation begeistert durch die geniale Verquickung von ethnologi-schem Wissen und bester Unterhaltung.

Rudi Pietsch ist ein Phänomen. Er ist derBrennstoff, der sich selbst verzehrt unddabei stets erneuert. Möge das zeit seinesLebens so bleiben!

Text: Gabriele Burian

WÜRDIGUNGSPREIS VOLKSKULTUR UND KULTURINITIATIVEN RUDOLF PIETSCH

Grenzgänger und GrenzüberschreiterEine schillerndere Persönlichkeit lässt sichschwer finden: ein bewegter und bewe-gender Mensch, der stets mit unvorher-sehbaren, gar unglaublichen Reaktionensein Gegenüber überrascht, wendig undpointiert formuliert, musikalisch wie ver-bal, mit unverwechselbarem charakter -lichem wie physiognomischem Profil – das und vieles mehr ist Rudi Pietsch.Wenngleich er tief verwurzelt ist in

seiner Heimat Niederösterreich, gleich einem 60 Jahre alten Rebstock, ist seinZuhause eigentlich die Welt. Ein Grenz-gänger ist er, ein Grenzüberschreiter. Under denkt grenzenlos. Sein freidenkerischerGeist, umspielt vom Ostinato der heimat-lichen Verbundenheit, prägt sein Lebenund Schaffen in vielfältigen Wirkungskrei-sen.

Der Geiger. Seine geigerischen Qualitätenhat er in frühen Jahren in der Familien-musik entwickelt, während weiterer musi-kalischer Allianzen in seiner Sturm-und-Drang-Zeit ausgebaut und preziös ge-schliffen als Primas der «Tanzgeiger», dieer ins Leben gerufen hat. In mittlerweilemehr als drei Jahrzehnten Lebens- undMusikgeschichte der Tanzgeiger haben

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ANERKENNUNGSPREISE VOLKSKULTUR UND KULTURINITIATIVEN DUM – DAS ULTIMATIVE MAGAZIN | KULTURHOF AMSTETTEN

Keine Angst vor «Quotengift» –der Kulturhof Amstetten und sein ungewöhnliches Programm «Wer Visionen hat, braucht einen Arzt»,meinte angeblich einst Helmut Schmidt.Es ist wohl eher umgekehrt: Wenn manfür die Planung eines Kulturvereins einwenig durchgeknallt ist, kann das keinNachteil sein. In Amstetten hat man sichan dieses Motto gehalten und mit einergehörigen Portion Unerschrockenheit eine Kulturinitiative gegründet, die einzig-artig war im Land und vermutlich darüberhinaus. Das war im Jahr 1992. Die Idee: eine Plattform für Gedanken-

austausch zu verschiedenen gesellschaft-lich relevanten Themen gründen; eineVereinigung, die sich einem emanzipato-rischen Politik-, Geschichts- und Kultur -verständnis verpflichtet fühlt und den Zusammenhang zwischen Kultur und Politik nicht unterschlägt. Man wollte einPublikum gewinnen, das Interesse amDiskurs und am intellektuellen Austauschhat und Freude an hochwertigen Inputs. Bis heute wird folgerichtig ein Veran-

staltungsmix umgesetzt, der weit wegvon den üblichen Aktivitäten von Kultur -initiativen ist. Den Großteil des Programmsbilden Angebote mit Wortanteil: Lesun-

gen und Vorträge, hochwertig, ohne Angstvor großen Namen und thematisch im-mer am Puls der Zeit. Abgerundet werdendiese Aktivitäten durch die «philosophi-schen Cafés», freie Diskussionsabende zu vorgegebenen Themen, und Konzerte.Man bewegt sich also weitgehend in einem Bereich, der gemeinhin als Quotengift gilt.Geradezu märchenhaft mutet es daher

an, dass dieses so ungewöhnliche Konzeptseit zwanzig Jahren funktioniert. Allein die Tatsache, dass in Amstetten mehr als sechzig Leute über Kontingenz diskutier-ten, erzählt eine wunderbar romantische Geschichte über den Kulturhof und seinehohe Akzeptanz bei den Menschen.Der Zugang zur eigenen Arbeit ist in all

den Jahren angenehm entspannt geblie-ben. Gründungsmitglied Fritz Rafetseder:«Wir sehen die Wirkung unserer Aktivitä-ten auf das Geschehen zwar als sehr be-grenzt, aber andererseits haben wir einegefühlte wichtige Funktion als gesell-schaftlicher Sauerteig.» Na bitte.

Text: Josef Schick

Eine Balance des Machbaren:über das feine Literaturmagazin «DUM»«DUM» wurde von Reinhard Paschingerund Wolfgang Kühn im Oktober 1992 er -funden und gemeinsam mit Erich Engel -brecht ins Leben gebracht. Die erste Aus -gabe erschien am 24. Dezember des sel -ben Jahres und wurde in wenigen kopier-ten Ausgaben an die Besucherinnen undBesucher der Christmette verschenkt. DieFrage, ob das jetzt täglich komme, zeugteimmerhin von Interesse, und so ging manweiter ans Werk.Anfangs erschienen vor allem Reise-

und Konzertberichte. Literatur war zwarschon mit an Bord, führte jedoch ein Nischendasein. Schon nach wenigen Ausgaben wuchs die Langenloiser Initiati-ve zu einem beachteten Magazin. Gast -autorinnen und Gastautoren sowie Inter-views mit bekannten Größen wurden einfixer Bestandteil, die Zahl der Leserinnenund Leser nahm zu. «DUM» ist auf ungewöhnliche Art er-

folgreich: Es bleibt klein, ohne dadurch anBedeutung zu verlieren oder daran zu-grunde zu gehen. Es braucht kein Wachs-tum, um für die Leserschaft spannendund frisch und für die Herausgeber erfül-lend zu bleiben. Es schafft gekonnt eine

Balance des Machbaren. Den Hauptteildes Heftes bilden Prosatexte, Textauszügeund Lyrik von Autorinnen und Autoren ausdem gesamten deutschsprachigen Raum,vervollständigt durch Interviews und Rezen-sionen. Auffallend viele Junge und Autorin-nen finden hier ihre Öffentlichkeit, von auf-fallender poetischer Qualität sind die Texte. Die Zustellung erfolgt nicht mehr per

Fahrrad oder, als Ausdruck missionari-schen Sendungsbewusstseins, per Belie -ferung an Waldviertler Trafiken («wennsnoch einmal vorbeikommts mit demDreck, hau i eich ausse!»), sondern zeit-gemäß per Internet und im Rahmen vonVeranstaltungen. Die Aufmachung, ursprünglich ganz im Stil eines Fanzine, ist heute die eines hochwertigen alternativen Magazins.Die Geschichte von «DUM» ist aber

auch eine Geschichte von Wolfgang Kühn,dem einzigen noch aktiven Gründungs-mitglied. Gemeinsam mit Kathrin Kunaund Markus Köhle gibt er die Zeitschriftheraus. Ausgestattet mit einer soliden Gelassenheit und stets auf der Suche nachneuen Ansätzen, treibt ihn die Freude anjeder neuen Ausgabe voran. Er sagt, jede sei wie ein Kind für ihn. Foto: z.V.g. | Text: Josef Schick

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REVITALISIERUNG DENKMALGESCHÜTZTER ALTSUBSTANZ Sonderpreis 2012

Würdigungspreis

Wehdorn Architekten ZT GmbH

Anerkennungspreise

I-m-d-architekten

Gerhard Lindner

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REVITALISIERUNG DENKMALGESCHÜTZTER ALTSUBSTANZ SONDERPREIS 2012 WEHDORN ARCHITEKTEN ZT GMBH

bergt die Nordbastei heute ein Besucher-foyer, Ausstellungsflächen im Oberge-schoß sowie eine Aussichtsterrasse. Im Oktober 2009 wurde mit den Bau-

maßnahmen begonnen, wobei die Erneu-erung von innen aus erfolgte. Die Außen-hülle der erst 1736 unter Joseph Mungge-nast fertiggestellten Nordbastei blieb bisauf die Schaffung neuer bzw. größererEingänge unberührt. Durch die Entfernung der Gewölbe im

Zentrum der Bastei und die transparenteKonstruktion des neuen Ausgangsele-ments auf die Dachterrasse wurde ein von Tages licht durchfluteter, atriumarti-ger Zentralraum geschaffen. Die ringförmig den Zentralraum um-

schließenden gewölbten Räumlichkeitenbeherbergen im Erdgeschoß das Besucher-foyer mit Shop und Stiftspforte sowie im ersten Obergeschoß Ausstellungsflächen,in denen das «Wachaulabor» unterge-bracht ist.Der den Grundriss der Bastei in ver -

kleinerter Form wieder aufnehmendeDachaufbau ermöglicht den Ausgang auf die Dachterrasse, die einen beein -druckenden Ausblick auf die Stiftsanlagesowie die Um gebung gewährt. Eine Freitreppe ermöglicht den direkten Zu-

gang in den nördlich anschließendenStiftspark. Die Minimierung der Eingriffe in die his-

torische Bausubstanz insbesondere an derAußenhaut, die Schaffung des lichtdurch-fluteten Zentralraums im Inneren und diedamit verbundene Erschließungsmöglich-keit aller Ebenen sowie der bis ins Detaildemonstrierte Qualitätsanspruch zeugenvom hohen Standard des Projekts. Fernerentspricht die klare Trennung von Alt undNeu, die konsequent sowohl in der For-mensprache als auch in der Material- sowie Farbwahl umgesetzt wurde, den Intentionen einer zeitgemäßen Denkmal-pflege. Die Güte des Sanierungsprojektszeigt sich letztlich auch in der Reduktionder verwendeten Materialien und der bereits erwähnten durchgängig hohenQualität in der handwerklichen Ausfüh-rung, die sich etwa bei Schalung des Personenaufzuges bzw. der Stiege oderdem Terrazzoboden andeutet.Für diesen sensiblen Umgang mit denk-

malgeschützter Substanz sowie für dieklare, zeitgemäße und reduzierte Formen-sprache der neuen Elemente ist hier ins-besondere Architekt Christian Wöhrer sowie dem Stift Melk als Bauherrn zu danken.

Die Revitalisierung der Nordbastei stehtin einer Reihe von Projekten, die vonWehdorn Architekten in den letzten Jah-ren für das Stift Melk umgesetzt wurden.Vom hohen Qualitätsanspruch des BürosWehdorn und dessen Verständnis im Um-gang mit denkmalgeschützter Altsubstanzzeugen ferner neben vielen Projekten imIn- und Ausland auch zahlreiche Beispiele,die in Niederösterreich in den letzten Jahr-zehnten realisiert wurden. Auszugsweiseseien hier der Umbau der ehemaligen Tabakfabrik in Krems-Stein, die denkmal-pflegerische Sanierung von Schloss Hofoder die Revitalisierung der Burg Rapot-tenstein genannt. Manfred Wehdorn verfügt über lange

Erfahrung im Umgang mit historischerBausubstanz, die er dankenswerterweisean seine Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter, aber im Zuge seiner Lehrtätigkeitauch vielen angehenden Architektinnenund Architekten weitergibt. Somit ermög-licht Wehdorn, der auf diesem Feld eineweit über das Land hinausreichende Reputation genießt, auch seinem Team –wie etwa bei den Projekten für das StiftMelk –, Einfluss auf das Gelingen der ein-zelnen Aufgabenstellungen zu nehmen. Text: Peter Aichinger-Rosenberg

Adaptierung Nordbastei Stift Melk –ein Maximum durch ReduktionDas weithin sichtbare BenediktinerstiftMelk – ein Hauptwerk des Barock von europäischem Rang – erhebt sich auf einem nach Westen hin steil abfallendenFels plateau. Ostseitig flankieren zweimächtige Basteien den Torbau, der diemonumentale, mehrhöfige Stiftsanlagemit dominanter Stiftskirche abschließt. Im Jahr 1717 erfolgte – in Verbindung

mit der Planung des neuen Torbaus –nach Plänen Jakob Prandtauers die Errich-tung der heutigen Nordbastei als Pendantzu dem bereits um die Mitte des 17. Jahr-hunderts erbauten, der Stadt zugewand-ten südlichen Festungsbau. Seit der 2009 bis 2011 erfolgten Res-

taurierung und der damit einhergehen-den Neunutzung der Räumlichkeiten derNordbastei dient das einstige den Zugangsperrende Bollwerk nunmehr als Binde-glied zwischen der Stiftsanlage und demnördlich von ihr gelegenen Stifts park. Bereits im Jahr 2005 wurde das Büro

Wehdorn vom Stift mit einer Machbar-keitsstudie in Hinblick auf eine zeitge -mäße Nutzung der einst der Symmetriesowie der Sicherheit wegen errichtetenBastei beauftragt. Dieser zufolge beher-

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Der Blick fürs FeineDas Haus Neustiftgasse 6 liegt außerhalbder mittelalterlichen Stadtmauer von Baden am sogenannten Baumgarten amsüdlichen Ufer des Mühlbachs. Anfangdes 15. Jahrhunderts erstmals urkundlicherwähnt, wird es 1527 als «Schwitzbad»bezeichnet und bleibt bis 1768 «Bade -stube». Beim großen Stadtbrand (1812)schwer beschädigt, wird es in der Folgevom Gasthaus bis zur Schmiede verschie-den benutzt. Zuletzt waren vierzehn Sozi-alwohnungen mit zwei Toiletten unterge-bracht. 1980 wird das desolate Haus ge-räumt und zum Spekulationsobjekt. Wieso oft wird zur Verhinderung des Abbruchsdas Bundesdenkmalamt zu Hilfe gerufen. Gerhard Lindner kauft das zwischenzeit-

lich denkmalgeschützte Objekt aus derKonkursmasse mit dem Ziel, den «Schand-fleck der Stadt» vorbildlich zu revitalisie-ren. Bauforschung und restauratorischeBefundung brachten bedeutende Bau -details und Wandmalereien aus dem 16.und 18. Jahrhundert zu Tage. Für den ander Denk malpflege interessierten Archi-tekten bildete dieses Haus eine Heraus -forderung, zudem es das Wohnhaus fürseine Familie werden sollte. Seine Er -fahrungen mit der Revitalisierung denk-

malgeschützter Bauten wie der Umbaudes Vereinshauses in Horn, des Museumsder Stadt Horn, die Revitalisierung des Palais Niederösterreich in Wien, die Errich-tung des Pilgersaales bei der Wallfahrts -kirche Kleinmariazell führten zu einer quali-tätssteigernden Prägung für das Denkmal.Die bei Anton Schweighofer und HermannCzech gewonnenen Erfahrungen, der Blickfürs Feine kommen zum Tragen, ohne denSinn für das große Ganze zu verlieren. Mitder Revitalisierung dieses Hauses wurdeein neuer Akzent mit Vorbildwirkung ge-setzt. Ein offenbar alltägliches Haus wirdzum ganz persönlichen Lebensrahmen, inden neue Werte eingebracht werden. Plakativer Formalismus ist kein Thema,Neues setzt sich ab, ohne das Alte zu über-lagern – ein Weiterbauen unter Respektie-rung der historischen Vorgaben und derPrimärstrukturen war möglich. Durch dieses Zusammenspiel konse-

quenter Vorgaben, auch unter Berücksich-tigung neuester energetischer Erforder-nisse, entsteht ein Haus mit einer sehr persönlichen Atmosphäre, eine harmo -nische Gesamtkomposition, die die Maßstäblichkeit bewahrt und für jedenBetrachter intuitiv positiv erlebbar wird.Text: Renate Madritsch48

REVITALISIERUNG DENKMALGESCHÜTZTER ALTSUBSTANZ SONDERPREIS 2012 L-M-D-ARCHITEKTEN | GERHARD LINDNER

Die Entscheidung der Stadt Baden, Arnulf Rainer ein Museum zu widmen, sowie der explizite Wunsch des Künstlers,das Frauenbad dafür zu nutzen, schufeneine wesentliche Grundlage für ein archi-tektonisches Eingreifen und führten imJahr 2005 zur Auslobung eines Wettbe-werbs. Mit l-m-d wurden Architekten gefun-

den, deren Interventionen sich unter aus-geprägter Referenz zum Umfeld in die klardefinierten Existenzen einfügen und erstdadurch mit all ihren Reibungsflächen undWiderständen ihre Bedeutung erfahren.Sie bringen Klarheit in die Anhäufung

historischer Überlagerungen von inhalt-lich programmatischer und gestalteri-scher Vielfalt und schaffen an den Schnitt-stellen einmalige Situationen von hoherräumlicher Qualität. Neue Eingriffe dienen der Erschließung der noch vorhan-denen, raumbildenden Bädereinbauten,werden so klar lesbar abgebildet und erleichtern die Orientierung.Die Maßnahmen klären mit Funktion

und Materialität die Bedeutungen undschaffen eine typologisch klare, hoch - spezifische Lösung der Aufgabe innerhalbdes vorgegebenen Kontextes.Text: Christian Jabornegg

Arnulf Rainer Museum in Baden Die Baugeschichte des ehemaligen Frauenbades in Baden reicht bis insMittel alter. Oberhalb der dort entsprin-genden Thermalquelle situiert, war esbaulich mit der heute nicht mehr existie-renden gotischen Frauenkirche verbunden.Nach den Zerstörungen der Napoleoni-

schen Kriege und dem Stadtbrand von1812 wurde das Gebäude um 1821 nachden Plänen von Charles de Moreau in derbis heute prägenden Gesamterscheinungneu errichtet. Diese wurde anlässlich ei-ner im Inneren gelungenen funktionellenAdaptierung 1878 durch den Einbau einerzentralen Halle, deren aufgesetzte Ober-lichtlaterne das Dach überragt, sowiedurch die Anpassung an eine Niveau -absenkung im Platzbereich deutlich beeinträchtigt.Der Badebetrieb wurde 1973 einge-

stellt, ab 1980 wurde das Gebäude fürKunstausstellungen verwendet und 1994dafür umgebaut. Die Umwandlung einesklassischen Badehauses in eine Kunst -halle umfasst Nutzungsänderungen, diegestalterisch nicht kompatibel sind undnot wendigerweise die Entfernung oderÜberformung der alten Badeeinbautenbedingen.

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ERWACHSENENBILDUNG Würdigungspreis

Helmut Hagel

Anerkennungspreise

Verein Arbeitsgruppe Strasshof

Verein Bildungs- und Heimatwerk Niederösterreich

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ERWACHSENENBILDUNG HELMUT HAGEL

entwickeln. Das gilt besonders für jene Bereiche, die ihm ein besonderes Anliegensind: die religiöse und die politisch-sozialeBildung. Beide Bereiche gehen auch einStück Hand in Hand, weil Hagel sich an -stecken lässt von jungen Katholiken wie Erhard Busek, die ihren christlichen Glau-ben als Auftrag zum politischen Handelnentdecken. Dazu kommen neue Themenfelder wie

die Umwelt, Stichworte «Zwentendorf»und «Hainburger Au», die Niederöster-reich prägen, denen sich Hagel stellt undwo er das Bildungswerk als Diskussions-plattform positioniert. Als Christ steht erfest auf dem Boden des Zweiten Vatika-nums, er arbeitet mit in der Vorbereitungder Diözesansynode und setzt die Er -gebnisse auch in seiner Bildungsarbeitum. Als Humanist ist er stets dem Argu-ment verpflichtet, bleibt mit seinem Pro-gramm immer aktuell und setzt Akzente.In den achtziger Jahren setzt das Katholi-sche Bildungswerk mit seinen Beiträgenwesentliche Impulse zur Bewältigung der NS-Zeit. Immer wieder greift er auch Fragen der Entwicklungs zusammen arbeitauf. In all den Jahren steht für Hagel die Bil-

dungsarbeit in der Pfarre und in der Stadt

Horn im Mittelpunkt, was angesichts sei-nes Hauptberufes als Direktor des Gymna-siums nicht weiter verwundert. Doch seineArbeit zieht Kreise, die weit über die Stadthinausgehen und das ganze Land errei-chen. Mit seiner Mitarbeit in diözesanensowie landes- und bundesweiten Gremiensetzt er Impulse, besonders mit seinerlangjährigen Tätigkeit im Vorstand des Katholischen Bildungswerkes. Er betreutals ehrenamtlicher Regionalkoordinatorfür das Katholische Bildungswerk einWaldviertel-Projekt. Ehrenamtlich ist überhaupt ein Stichwort: All das macht erehrenamtlich – was im Wortsinn die falsche Bezeichnung ist, denn es geht ihmdabei weder um die Ehre noch um dasAmt, sondern immer nur um seine Auf -gabe, seine Mission.Der schlanke, drahtige Mann beein-

druckt alle durch seine Freundlichkeit undpersönliche Bescheidenheit, aber auchdurch seine Korrektheit und seine Genau-igkeit. Immer ist er bestens vorbereitet,seine vielen Aufgaben und Funktionen er-füllt er stets pflichtbewusst und zuverläs-sig. Es ist kein Zufall, dass er auf die Frage,was einen guten Referenten ausmacht, als Erstes eine «solide und gründliche Vorbereitung» nennt. Helmut Hagel ist

ein strukturierter Mensch, einer, der gutplant und alles bedenkt, bei dem es keinenegativen Überraschungen gibt. Wo esmöglich ist, sucht er die Kooperation, etwa mit der Volkshochschule, der Caritas,dem Weltladen und dem Bildungs- undHeimatwerk … die Liste ließe sich nochlange fortsetzen.Neben dem religiösen und polit isch-

sozialen Bereich ist ihm der musisch- kulturelle Bereich ein besonderes An -liegen. Helmut Hagel ist ein begeisterterSänger. Seine Freude am gelingendenMiteinander lebt er aber nicht nur imChorgesang aus, sondern sie ist auch tragendes Motiv seines lebenslangen vorbildlichen Wirkens in der niederöster -reichischen Erwachsenenbildung.

Text: Erwin Lasslesberger

Orientierung geben, Standpunkte ermöglichenAls Helmut Hagel als junger Gymnasialleh-rer in der zweiten Hälfte der 1960er Jahrein die Erwachsenenbildung in Niederöster-reich einsteigt, herrscht Aufbruchstim-mung in der Gesellschaft und in der Kirche.Es gibt einen großen Bildungshunger beiden Menschen im Land, und so mancheVeranstaltung des Katholischen Bildungs-werkes, die Hagel organisiert, wird regel-recht gestürmt – mehrere hundert Teilneh-merinnen und Teilnehmer kommen danicht selten zusammen. Hagel erlebt aberauch den Paradigmenwechsel in der Er-wachsenenbildung, und als Mitglied derDiözesanleitung des Katho lischen Bil-dungswerkes gestaltet er ihn mit. Nichtmehr die Wissensvermittlung allein stehtim Vordergrund, sondern das Lernen alsEntwicklungsprozess. Es ist die Zeit, in derDiskussionen noch konstruktive Dialogesind und nicht das Gegeneinander-Aus-spielen fertiger Meinungen. Daraus entwickelt Hagel seine Zielsetzung in derErwachsenenbildung, an der er in all denJahrzehnten unbeirrbar festhält: Er willden Menschen Orientierung geben in denzunehmend unübersichtlichen Zeiten, es ihnen ermöglichen, Standpunkte zu

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Barrieren abbauen – Lebensqualität für alle schaffenDas Bildungs- und Heimatwerk Niederös-terreich beschäftigt sich seit 2003 in einerkleinen Projektgruppe mit dem Themabarrierefreie Erwachsenenbildung. Begon-nen wurde vor allem mit integrativen Kursen für Menschen mit und ohne Behin-derung und mit Lernfesten für alle. Dabeientstand über die Jahre ein Netzwerk anExpertinnen und Experten. 2008 wurde das Projekt weiterentwi-

ckelt und die eigene Lernerfahrung ein -gebracht. Seit damals heißt es BEN – Barrierefreie Erwachsenenbildung inNiederösterreich. Mit dem neuen Namenwandelte sich auch der Fokus des Projek-tes: Im Blickpunkt steht nun vermehrt derAnspruch, dazu beizutragen, Lebensräumefür Menschen in den Gemeinden barriere-frei zu gestalten.Zwei besonders erfolgreiche Angebote

aus dem Projekt: «Dorfbegehungen barrierefrei?» – der sanfte Einstieg, Sensibilisierung und Expertenmeinung in den Gemeinden. Seit 2009 wurden«Dorfbegehungen barrierefrei?» in 23 niederösterreichischen Gemeinden durchgeführt, Verbesserungsmöglich -keiten gefunden und umgesetzt.

Die «Dorfbegehung barrierefrei?» ist eine gute Basis mit direkter Auswirkungbei Familienfreundlichkeit, Senioren -gerechtheit, sozialer Modellgemeinde.Die «Dorf begehung barrierefrei?» bautfür die zu erwartende demografische Entwicklung vor. «Lehrgang Barrierefreiheit» – dieser

wird 2012 bereits zum zweiten Mal ange-boten. 2010 wurde der erste niederöster-reichische «Lehrgang Barrierefreiheit»von 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmernaus den unterschiedlichsten Bereichenbesucht. Der Lehrgang steht Menschen inSozialeinrichtungen, Erwachsenenbild-nern, politisch Verant wortlichen, aber na-türlich auch Menschen mit Behinderungoffen. Durch diese heterogene Zielgruppegelingt es, Multiplikatorinnen und Multi-plikatoren aus den unterschiedlichstenBereichen anzusprechen, die helfen, dasThema weiter zu transportieren und Nieder -österreich barrierefreier zu gestalten.Seit 2003 hat BEN mit über 2.800 Per-

sonen zum Thema Barrierefreiheit gear-beitet. Die aktuellen Angebote sind einzig-artig und dienen als Vorbild für andereBundesländer.

Text: Eva-Maria Speta

ERWACHSENENBILDUNG VEREIN ARBEITSGRUPPE STRASSHOF | VEREIN BILDUNGS- UND HEIMATWERK NIEDERÖSTERREICH

nach Strasshof Deportierten, die alsZwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiterin Betrieben rund um Wien eingesetzt waren oder in weitere Konzentrationslagerverschoben wurden, nur kurz in Strasshofblieben. Es konnte sich kein Widerstand bilden und keine Lageraktivitäten wie Orchester, auch kein Ehemaligen-Verein.Viele wussten nicht einmal, wo sie waren. Irene Suchy: «Wir können niemanden

mehr retten, wir können nichts mehr hinbiegen. Wir können nur staunend dem nachgehen, was uns vorenthaltenwurde: der Geschichte eines Ortes.»Im Rahmen der Aufarbeitung entstan-

den zwei Gedenkakte: die Aufführung derAnne-Frank-Oper im Heizhaus und das Erinnerungsmal des Bildhauers Karl HeinzSchreiner am Bahnareal. Die sieben Säulen des Erinnerungsmales stehen fürdie sieben Lager.Das Buch «Strasshof an der Nordbahn.

Die NS-Geschichte eines Ortes und ihreAufklärung» von Irene Suchy dokumentiertden langen Weg zur Erinnerung.

Text: Mella Waldstein

«Strasshof – die NS-Geschichte eines Ortes und ihre Aufklärung»Die Empörung, dass Geschichte in Öster-reich so selektiv dargestellt wird, war fürIrene Suchy ausschlaggebend, mit der Erforschung des Lagers Strasshof an derNordbahn zu beginnen. «Strasshof war unbezeichnet in der Landkarte der NS-Geschichte», so Irene Suchy, und für sie persönlich ist Strasshof auch ein Ort derKindheit, an dem ihre Großeltern ein Haus hatten.Der Verein Arbeitsgruppe Strasshof (VAS)

wurde mit dem Ziel gegründet, den an diesen Platz deportieren Menschen ihreGeschichte zu geben. In sieben Zwangs -arbeits- und Durchgangslagern von Strass -hof (1941–1945) waren etwa 30.000 Men-schen deportiert, darunter über 20.000ungarische Zwangsarbeiter. 6.500 Namenumfasst die Liste der namentlich bekann-ten Personen, die Suchy erstellt hat. Die Aktivistinnen und Aktivisten des

Vereins haben mit den kaum mehr vor -handenen Resten der Lager, den Erinne-rungen alter Strasshofer, Archivmaterialienund durch Gespräche mit Überlebendendie Ausmaße der Lager und des Verwal-tungssystems erfasst. Die Schwierigkeitenin der Forschung lagen darin, dass die

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Medieninhaber und Herausgeber

Amt der Niederösterreichischen Landesregierung

Abteilung Kunst und Kultur

3109 Sankt Pölten, Landhausplatz 1

In Zusammenarbeit mit

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3452 Atzenbrugg, Schlossplatz 1

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und

Niederösterreichische Kulturszene Betriebs GmbH

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Redaktion

Mag.a Marion Helmhart, Mag.a Doris Buchmann

Fotos

Helmut Lackinger

visuelle Gestaltung

fuhrer, 1180 Wien

Druck

Druckwerk Schiner, 3500 Krems

Persönlich gezeichnete Beiträge geben die Meinung des jeweiligen Autors/der jeweili-gen Autorin wieder und müssen nicht die Meinung des Herausgebers widerspiegeln.Artikelübernahme nur nach Vereinbarung.

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Kulturpreisträgerinnen

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