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Kulturspezifische Illokutionen in deutschen und japanischen Stellenanzeigen Christopher M. Schmidt & Susumu Kuroda Abstract Der Artikel stellt einen Beitrag im Bereich der kulturvergleichenden Textforschung dar. Gegenstand der Analyse sind deutsche und japanische Stellenanzeigen in Zeitungen, die jeweils landesweit erscheinen; in diesem Fall die Süddeutsche Zeitung für den deutschsprachigen Raum und die Zeitung Nikkei für Japan. Im Einzelnen geht der Beitrag der Frage nach, mit welchen Illokutionen die Emittenten die Rezipienten adressieren. Weiterhin wird gefragt, ob sich in der Verteilung der Illokutionen auf die einzelnen Bestandteile der Anzeigen sowie in der Art der textuellen Realisierung von Illokutionen Unterschiede bzw. Ähnlichkeiten nachweisen lassen. Die Ergebnisse der Untersuchung geben Hinweise darauf, mit welchen Unterschieden in der Rezipienten-Adressierung, was die Gestaltungslogik der Textsorte Stellenanzeige betrifft, im japanisch-deutschen Vergleich gerechnet werden muss. Hieraus lassen sich Schlussfolgerungen ziehen, wie diese Textsorte in der jeweiligen Kultur optimiert werden kann. 1 1. Einleitung Als Textsorte, die in einer historisch kontingenten Form entstanden ist, sind Stel- lenanzeigen besonders für eine kulturvergleichende Untersuchung geeignet. Als Texte sind sie nicht nur vom Umfang her begrenzt, sondern aufgrund ihrer Funk- tion auch als sehr kondensierte Texte einzustufen. Die damit verbundenen impli- ziten Aspekte der Rezipienten-Adressierung legen die Vermutung nahe, dass die kulturelle Konditionierung von Stellenanzeigen nur in einem systematischen sprachanalytischen Verfahren kontrastiv erarbeitet werden können. Für die vor- liegende Untersuchung wurden deutsche und japanische Anzeigen ausgewählt, weil es einerseits einen Nachholbedarf in diesem Bereich kulturvergleichender Textforschung gibt und weil andererseits auch die Frage nach den kulturüber- greifenden textsortenspezifischen Charakteristika und ihrer kulturspezifischen 1 Diesem Beitrag liegt eine Untersuchung zugrunde, die vom 3. bis 13.3.2014 im Rahmen eines von der Universität Tsukuba finanzierten Forschungsaufenthalts in Japan durchgeführt wurde. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 M. Nielsen et al. (Hrsg.), Stellenanzeigen als Instrument des Employer Branding in Europa, Europäische Kulturen in der Wirtschaftskommunikation 23, DOI 10.1007/978-3-658-12719-0_9

Kulturspezifische Illokutionen in deutschen und ... · 4 In Anlehnung an Searles Illokutionstypen bezeichnet Brinker seine Textfunktionen als Informa-tions-, Appell-, Obligations-,

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Kulturspezifische Illokutionen in deutschen und japanischen Stellenanzeigen

Christopher M. Schmidt & Susumu Kuroda Abstract Der Artikel stellt einen Beitrag im Bereich der kulturvergleichenden Textforschung dar. Gegenstand der Analyse sind deutsche und japanische Stellenanzeigen in Zeitungen, die jeweils landesweit erscheinen; in diesem Fall die Süddeutsche Zeitung für den deutschsprachigen Raum und die Zeitung Nikkei für Japan. Im Einzelnen geht der Beitrag der Frage nach, mit welchen Illokutionen die Emittenten die Rezipienten adressieren. Weiterhin wird gefragt, ob sich in der Verteilung der Illokutionen auf die einzelnen Bestandteile der Anzeigen sowie in der Art der textuellen Realisierung von Illokutionen Unterschiede bzw. Ähnlichkeiten nachweisen lassen. Die Ergebnisse der Untersuchung geben Hinweise darauf, mit welchen Unterschieden in der Rezipienten-Adressierung, was die Gestaltungslogik der Textsorte Stellenanzeige betrifft, im japanisch-deutschen Vergleich gerechnet werden muss. Hieraus lassen sich Schlussfolgerungen ziehen, wie diese Textsorte in der jeweiligen Kultur optimiert werden kann. 1 1. Einleitung Als Textsorte, die in einer historisch kontingenten Form entstanden ist, sind Stel-lenanzeigen besonders für eine kulturvergleichende Untersuchung geeignet. Als Texte sind sie nicht nur vom Umfang her begrenzt, sondern aufgrund ihrer Funk-tion auch als sehr kondensierte Texte einzustufen. Die damit verbundenen impli-ziten Aspekte der Rezipienten-Adressierung legen die Vermutung nahe, dass die kulturelle Konditionierung von Stellenanzeigen nur in einem systematischen sprachanalytischen Verfahren kontrastiv erarbeitet werden können. Für die vor-liegende Untersuchung wurden deutsche und japanische Anzeigen ausgewählt, weil es einerseits einen Nachholbedarf in diesem Bereich kulturvergleichender Textforschung gibt und weil andererseits auch die Frage nach den kulturüber-greifenden textsortenspezifischen Charakteristika und ihrer kulturspezifischen 1 Diesem Beitrag liegt eine Untersuchung zugrunde, die vom 3. bis 13.3.2014 im Rahmen eines

von der Universität Tsukuba finanzierten Forschungsaufenthalts in Japan durchgeführt wurde.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017M. Nielsen et al. (Hrsg.), Stellenanzeigen als Instrument desEmployer Branding in Europa, Europäische Kulturen in derWirtschaftskommunikation 23, DOI 10.1007/978-3-658-12719-0_9

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Umsetzung unter texttheoretischer Perspektive besonders gut im Vergleich zwischen Kulturen aus verschiedenen Kontinenten einer Prüfung unterzogen werden kann.

In der heutigen Zeit des digital verankerten Internets muss auch die Frage beantwortet werden, warum gerade Stellenanzeigen im Offline-Bereich unter-sucht werden. Dafür spricht die nach wie vor ungebrochene Tendenz in Japan und Deutschland, neben den unternehmenseigenen Homepages gerade ausgewählte Tageszeitungen als Kommunikationsmedien für Stellenangebote seitens der Emittenten zu benutzen. Im Unterschied zu den Unternehmenshomepages, die vor allem im Rahmen einer markenspezifischen Kommunikationsstrategie stehen, sind die Stellenanzeigen in Tageszeitungen – unabhängig von ihrer jewei-ligen individuellen Ausprägung – Teil einer landesspezifischen Texttradition, die sich im Medium Tageszeitung im Laufe der Zeit entwickelt und verfestigt hat. Aus landeskulturell orientiertem Forschungsinteresse heraus sind daher gerade die Stellenanzeigen in Tageszeitungen relevant.

2. Kulturkontrastive Textsortenforschung Da Textsorten in ihrer musterhaften Ausprägung aus einer funktional zu verste-henden Verwendungstradition heraus entstehen und sich ständig innerhalb dieser weiter entwickeln, ist neben stilistischen, formalen und funktionalen Kriterien ebenso das Kriterium der kulturspezifischen Kommunikationstradition system-bildend für eine Textsorte (Fix et al. 2003: 18). Die entscheidende Frage in der kulturkontrastiven Textforschung ist, welche Methoden der Textanalyse eine jeweils relevante Kulturbezogenheit erfassen lassen. Diese Frage ist vor allem an die mit einer Textsorte einhergehenden kommunikativen Funktionen gebunden, da die Frage der stilistischen Form unter interaktivem Aspekt sich nicht im funktionslosen Vakuum entwickelt. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass formale und stilistische Besonderheiten als Textoberflächenphänomene durch funktionale Texteigenschaften erklärt werden können. Unter diesem Aspekt besteht auch eine Vergleichsmöglichkeit zwischen Textgruppen bzw. Textsorten über verschiedene Kulturgrenzen hinweg. Zwar ist wie im Fall der Stellenangebote per definitionem schon ein kontextueller Bestimmungsrahmen gegeben (eben als Kommunikationsangebote an Zielgruppen über tradierte Kommunikationskanäle). Jedoch ist die Frage des Kommunikationsmediums als solches nicht ausschlaggebend, da diese auf die formale Einbindung der Stellenangebote in mediale Kontexte abzielt, die von Land zu Land (und damit von Kultur zu Kultur) unterschiedlich sein kann.

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Untersucht man die gleiche Textsorte (hier Stellenanzeigen) in verschiedenen Kulturen, braucht man zunächst eine Vergleichsgrundlage. Hierzu bieten sich textsortenspezifische Kommunikationsfunktionen an. Stellenanzeigen verfolgen als Textsorte zwei Hauptfunktionen. Nicht nur wenden sie sich an den Leser derart, dass sie optimale Bewerber mit ihren erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnissen ansprechen und gleichzeitig nicht erwünschte Bewerber ausgrenzen müssen. Außerdem müssen Stellenanzeigen im werbenden Sinn ein vom Unternehmen gewünschtes Selbstbild vermitteln, das sich im werbenden Sinn von potentiellen konkurrierenden Anbietern abhebt (vgl. Handlos 1995: 59f.). Im folgenden Kapitel wird näher auf die einzelnen Bestandteile sowie Teilfunktionen von Stellenanzeigen eingegangen.

3. Begründung des analytischen Vorgehens Bedingt durch die Kommunikationskonstellation zwischen Emittent und Rezipient handelt es sich in beiden Kulturen bei Stellenanzeigen um appellative Texte. Diese Funktion ist als solche noch nicht ausreichend, um Kulturspezifika von Stellenanzeigen in beiden Kulturen zu ergründen. Vielmehr muss eine weitere Aufgliederung dieser Textsorte sowohl unter dem Aspekt der kommu-nikativen Funktionen, die mit einer Stellenanzeige verbunden sind, als auch unter dem Aspekt ihrer strukturellen Einteilbarkeit unternommen werden. Es ist erst in der Synopse zwischen Teiltextfunktionen und Gliederungsbestandteilen, dass eine eingehende Analyse dieser Textsorte vorgenommen werden kann. Die funk-tionale Systematisierung von Stellenanzeigen dient dabei der Übersicht über die kommunikativen Ziele, die mit einer Stellenanzeige verbunden sind. Die struk-turelle Gliederung wiederum dient der Systematisierbarkeit einer Analyse. Damit kann sichergestellt werden, dass korrelierende textuelle Elemente im deutschen und japanischen Korpus adäquat aufeinander bezogen werden können, auch wenn sie auf der Textoberfläche unterschiedlich umgesetzt worden sind. In der weiteren funktionalen und strukturellen Gliederung von Stellenanzeigen orientiert sich dieser Beitrag an der aktuellen einschlägigen Literatur zur Stellenanzeigen-forschung.

In der Auswertung bisheriger Forschung zur Stellenanzeige unterteilt Ehren-heim (2011: 69f.) die Hauptfunktion einer Stellenanzeige als Akquisition neuer Mitarbeiter in folgende Teilfunktionen, die auch als kommunikative Ziele ver-standen werden können. So soll eine Stellenanzeige

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Werbung für das Unternehmen leisten (Marketingfunktion), Aufmerksamkeit hervorrufen, Interesse wecken, Fachkräfte/Mitarbeiter selektieren, Anstellungswünsche auslösen, Kontakt herstellen.

Die Struktur einer Stellenanzeige kann in folgende kommunikative Teilhand-lungen eingeteilt werden, die einer formalen Grundstruktur deutscher Stellenan-zeigen folgt: 1. Wir sind (Präsentation des Unternehmens) 2. Wir haben (angebotene Stelle/Position, die das Unternehmen anbietet) 3. Wir suchen (mit der Stelle verbundene Tätigkeiten sowie Anforderungen,

die an den/die Bewerber/in gestellt werden) 4. Wir bieten (Leistungsangebot des Unternehmens) 5. Wir bitten (Kontaktaufnahme/Bewerbungsmodalitäten)2 Eine beispielhafte Veranschaulichung der formalen Einteilbarkeit deutscher und japanischer Stellenanzeigen nach diesem Muster findet sich im Anhang dieses Beitrags. Das kommunikationsorientierte Verständnis von Stellenanzeigen fragt dann auch nach einem textanalytischen Verfahren, das die sprachlichen Hand-lungen, die mit Stellenanzeigen ausgeführt werden, unter einem interaktionalen Gesichtspunkt erfassen lassen. Dazu bietet sich die Sprechhandlungstheorie in der Tradition Searles an, da sie davon ausgeht, dass sprachliche Handlungen in dem Moment, wo sie „konstitutive Regeln“ bilden, konventionell geprägt sind und in dieser Konventionalität systematisch erfassbar sind (Brinker 2005: 2). Searles sprechakttheoretische Fundierung von Illokutionen geht von einer phrastischen Einteilbarkeit dieser Illokutionen aus.3 Dies bietet sich bei Stellenanzeigen an, die sich sowohl durch Kürze als auch durch kondensierte Informationen auszeichnen.

2 Ehrenheim (2011: 79) in Anlehnung an Gansel/Jürgens (2007), Gansel (2000), (1997) sowie

Stengel (1992). Werbende Überschriften, wie sie im Bereich der traditionellen Werbeanzeigen zur Anwendung kommen, werden im vorliegenden Beitrag nicht in die Analyse mit einbezogen. Zur Funktion von werbenden Überschriften in der Anzeigenwerbung vgl. Janich (2010).

3 Der Begriff phrastisch bedeutet in diesem Zusammenhang ‚auf einzelne Sätze‘ bezogen. Dies können kurze Sätze oder Satzgefüge sein. Der Begriff impliziert, dass umfassende Sequenzen als satzübergreifende, ganze Textpassagen oder gar ganze Texte als Einteilungsgrundlage einzelner Illokutionen ausgeschlossen sind.

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Im weiteren Verlauf des vorliegenden Beitrags wird die Darstellung sprech-handlungstheoretischer Illokutionen nach Brinker aufgrund ihrer Übersichtlich-keit und Nachvollziehbarkeit für den Leser verwendet. Jedoch wird auf die textfunktionale Überarbeitung der sprechakttheoretischen Fundierung bei Brinker verzichtet, da er (z.T. durch generalisierende Umformulierung der Searleschen Sprechakte) seine fünf Textfunktionen 4 als textsortenklassifizierende Eintei-lungen versteht, was zwar einen tentativen Ansatz darstellt, jedoch noch nicht hinreichend untersucht worden ist, um wirklich verlässlich zu sein (Brinker 2005: 130). Außerdem fragt der vorliegende Beitrag nicht nach zusammenfassender dominanter Textfunktion von Stellenanzeigen insgesamt, da diese Textsorte zu facettenreich ist, um auf eine dominante Funktion reduziert werden zu können. Stattdessen fragt der vorliegende Beitrag nach den illokutionären Strategien, die möglicherweise in Stellenanzeigen realisiert werden. Die als kommunikative Absicht zu bezeichnende Illokutionskonstellation eines Textes (im Sinne einer kommunikativen Handlung an Rezipienten) kann prinzipiell in die folgenden fünf Illokutionstypen eingeteilt werden (vgl. Brinker 2005: 109f.):

Repräsentative Sprechhandlungen stellen einen Sachverhalt als wahr oder

falsch, richtig oder unrichtig dar. Direktive Handlungen sollen den Rezipienten dazu bewegen, etwas zu tun. Durch kommissive Handlungen verpflichtet sich der Emittent eines Textes,

eine zukünftige Handlung auszuführen, d.h. er legt sich auf ein bestimmtes Verhalten fest.

Expressive Handlungen zeigen eine psychische Einstellung des Sprechers zu einem gegebenen Sachverhalt, der durch die gemachte Proposition gekenn-zeichnet ist.

Deklarative Handlungen führen zu Situationsveränderungen im Zuge der ausgeführten Sprechhandlung, indem sie eine Übereinstimmung zwischen der Proposition und der Wirklichkeit initiieren.

Interessant wird die Sprechakttheorie in dem Moment, wo der Frage nach-gegangen wird, inwieweit nun Stellenanzeigen eine dominierende Textfunktion aufweisen oder vielleicht gar nicht auf einen Sprechhandlungstyp reduzierbar 4 In Anlehnung an Searles Illokutionstypen bezeichnet Brinker seine Textfunktionen als Informa-

tions-, Appell-, Obligations-, Kontakt- und Deklarationsfunktion (Brinker 2005: 113). Die Unterscheidbarkeit dieser Funktionen bleibt jedoch im Detail unklar. So ist z.B. fraglich, warum Informativität als Unterscheidungs- und Abgrenzungsmerkmal zwischen den Kategorien verwen-det werden kann. Auch wird der Appellbegriff im engeren Sinn als bei Bühler gebraucht, was wenig zu einer begrifflichen Klarstellung beiträgt.

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sind. In seinem kommunikationstheoretischen Ansatz geht Brinker davon aus, dass „der Kommunikationsmodus des Textes insgesamt aber in der Regel nur durch eine Funktion bestimmt wird“ (Brinker 2005: 89, Hervorhebung im Original). Es ist aber gerade in der Frage der Entsprechungsrichtung zwischen den Inhalten der Äußerungen und den Tatsachen der Welt, wo dieses eindimen-sionale Textverständnis im Fall von Stellenanzeigen in Schwierigkeiten gerät. Dies wird deutlich, wenn das Verhältnis zwischen Wort und Welt im Searleschen Sinn in den illokutiven Funktionen näher betrachtet wird. Repräsentative (assertive) Aussagen über Welt haben den Anspruch, dass die Aussagen (Wörter) der Welt (Tatsachen) entsprechen. Allein schon in Bezug auf die Aufgabenanforderungen (aber nicht nur bezüglich dieser), die an den Bewerber in einer Anzeige signalisiert werden, ist diese Funktion unerlässlich. Im Fall der direktiven und kommissiven Sprechhandlungen jedoch soll umgekehrt die Welt im Sinn der Wörter verändert werden (Brinker 2005: 110). Wie weiter oben dargestellt wurde, ist es ein Ziel der Stellenanzeige, den/die gewünschte/n optimale/n Bewerber/in von allen Rezipienten auszugrenzen und dazu zu bewegen sich für die offene Stelle zu bewerben (direktive Funktion). Diese Auswahlhandlung gelingt nicht ohne eine verpflichtende Darstellung seitens des Unternehmens (Emittenten) darüber, welche Arbeits-, Karriere- oder auch sonstige Tätigkeitsbedingungen das Unternehmen anbieten kann (kommissive Funktion). Somit zeigt sich schon aufgrund der textfunktionalen Bestimmbarkeit von Stellenanzeigen, dass sie nicht auf eine Illokution reduziert werden können. 4. Auswahl des Materials Die Einteilung von Stellenanzeigen in den weiter oben dargestellten fünf Struk-tureinheiten erlaubt das Erfassen komplexer Kommunikationsstrategien, was für eine kulturspezifische Untersuchung notwendig ist. Im vorliegenden Beitrag machen daher diejenigen Anzeigen das Korpus aus, die mindestens vier von fünf Strukturteile aufweisen. Damit werden reduktionistische Anzeigen sowie auch le-diglich Homepagehinweise auf online vorhandene Stellenanzeigen ausgeschlos-sen. Um eine Vergleichsgrundlage zwischen dem japanischen und deutschen Material zu gewährleisten, werden lediglich Unternehmen der Privatwirtschaft für das Korpus berücksichtigt. Weiterhin werden alle Anzeigen, die ein nationales oder internationales Tätigkeitsfeld zum Ausdruck bringen bzw. nicht in Frage stellen, für das Korpus ausgewählt. Ausgeschlossen bleiben somit Non-Profit-Organisationen wie kommunale und staatliche Unternehmen, Ausbildungsstätten, Verbände und Vereine jeglicher Art sowie rein lokal oder regional wirkende Organisationen. Weiterhin werden Sammelanzeigen (Ausschreibung von mehr

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als zwei Positionen pro Anzeige) und Wiederholungsanzeigen ausgeschlossen. Aufgrund der sprechakttheoretischen Ausrichtung des vorliegenden Beitrags sowie zur Sicherung der Vergleichbarkeit des Materials werden außerdem nonverbale Elemente wie auch Markennamen, Ikone und Markenslogans vom Korpus ausgeschlossen. Es wurden die Stellenanzeigen aus Tageszeitungen ausgewählt, die innerhalb eines Monats erschienen sind. Für das deutsche Korpus diente als Erscheinungsmedium die Süddeutsche Zeitung (Ausgaben des 7. bis 28. Dezember 2013) und für das japanische Korpus die Zeitung Nikkei (Ausgaben des 12. Januar bis 9. Februar 2014). In beiden Fällen handelt es sich um überregional erscheinende Tageszeitungen in den entsprechenden Ländern. Nikkei ist im Unterschied zur Süddeutschen Zeitung eine Wirtschaftszeitung. Da in Japan Stellenanzeigen nicht in den gewöhnlichen Tageszeitungen erscheinen, und weil in beiden Zeitungen solche Anzeigen erscheinen, die den oben genannten Kriterien entsprechen, ist die Vergleichbarkeit des deutschen und japanischen Korpus für die kulturkontrastive Untersuchung in diesem Beitrag gesichert.

5. Das deutsche Korpus Das deutsche Korpus besteht aus 25 Anzeigen. Mit Ausnahme von fünf Anzeigen, bei denen der Teil Wir bieten nicht vorhanden ist, weisen die deutschen Anzeigen alle fünf Strukturteile auf. In der folgenden Tabelle wird eine quantitative Übersicht über die Verteilung der Illokutionstypen in den Strukturteilen gegeben. Zusätzlich wird in der Tabelle auch eine Übersicht über die Anzahl der reali-sierten Sätze gegeben. Neben der Angabe zu den Minimal- und Maximalvor-kommen werden auch jeweils die Durchschnittswerte zur Anzahl der Satzphrasen gegeben, um die quantitativen Tendenzen in den einzelnen Teilen besser nachvollziehbar zu gestalten. Was die phrastische Einteilbarkeit der einzelnen Illokutionsakte betrifft, weist das deutsche Material eine große Variation auf. Es werden jeweils nur einfache Sätze gezählt, entweder als Teile von Satzgefügen oder als Einzelsätze realisiert. Bei Aufzählungen ohne Prädikate werden Nominalisierungseinheiten als Grundlage der Zählung benutzt.

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1. Wir sind 2. Wir haben 3. Wir suchen 4. Wir bieten 5. Wir bitten

Repräsentativ 25 25 25 6 4

Direktiv 1 1 1 20

Kommissiv 3 15 1

Expressiv 1 1 10

Umfang min. 1 1 Tab 4 / FT 6 1 1

Umfang max. 7 1 Tab 22 / FT 13 7 7 Umfang Durchschnitt 2,0 1 Tab 9,5 / FT 10,7 3,2 1,8

Legende: Tab = Darstellungen anhand von tabellarischen Aufzählungen. FT = Darstel-lungen anhand von Fließtexten. Tab. 1: Häufigkeit der Illokutionen in den Textteilen im deutschen Korpus. 5.1 Wir sind In seiner kürzesten Form wird dieser Teil in zwei Anzeigen anhand von einem Satz realisiert („Wir sind eine Traditionsbrauerei in München und suchen“, Nr. 25; „Die TRANSTHERMOS GmbH ist marktführender Kontraktlogistiker für tiefgekühlte Lebensmittel“, Nr. 26). Interessant ist die Variationsbreite in der Realisierung kombinierter Illokutionen, die im Falle der Kombinationen deutlich von den rein deskriptiven Darstellungen abweichen, wie z.B. im folgenden Fall:

„Wir, die GEWOFAG, verstehen uns als moderner, weltoffener und sozialer Arbeitgeber. Die Gleichstellung unserer Beschäftigten ist uns ein besonderes Anliegen. Wir begrüßen deshalb Bewerbungen von Frauen und Männern, unabhängig von deren Herkunft, Hautfarbe, sexueller Orientierung oder Religion. Schwerbehinderte Bewerberinnen und Bewerber werden bei gleicher Eignung bevorzugt.“ (Anzeige Nr. 2)

Interessant in diesem Beispiel ist, dass die repräsentative Illokution im ersten Satz verwirklicht wird. Die – für diesen Anzeigenteil eher untypische – kommissive Illokution wird in den nachfolgenden drei Sätzen realisiert. Anhand der kommissiven Betonung hebt sich diese Anzeige von Standardanzeigen ab.

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5.2 Wir haben Die Bezeichnung der ausgeschriebenen Stelle wird in allen Anzeigen paraverbal (Fettdruck, Großschrift, abweichende Schrifttype etc.) als repräsentative Illoku-tion hervorgehoben. In zwei Anzeigen geschieht dies als vollständiger Satz („Die GEWOFAG Holding GmbH sucht für ihre Konzernleitung zum 01.06.2014 eine kaufmännische Geschäftsführerin/einen kaufmännischen Geschäftsführer“, Nr. 2). In allen übrigen Anzeigen wird dies entweder durch eine phrastische Satz-schleife zum vorherigen Teil „Wir sind“ oder durch eine elliptische Ein-Wort-Satz-Hervorhebung gemacht.

5.3 Wir suchen Unter sprechakttheoretischer Perspektive ist dieser Teil besonders interessant. In der Art der Darstellung der hier beschriebenen Sachverhalte wird vor allem eine repräsentative Illokutionsform verwendet, wenn die zukünftigen Arbeitsinhalte und Anforderungen an den Bewerber textintern in der Form einer faktischen, schon vorhandenen Wirklichkeit dargestellt werden:

„Neben Führungsaufgaben gehören vielfältige Tätigkeiten im Bereich der Vermietung (z.B. die Optimierung von Leerständen sowie der Heiz- und Betriebskosten) sowie der Instandsetzung und Modernisierung (z.B. aktive und nachhaltige Sicherung des Bestandes unter technischen Gesichtspunkten) zu Ihrem Tagesgeschäft.“ (Nr. 18)

Gleichzeitig ist durch die textexterne Kommunikationskonstellation zwischen Emittenten und Rezipienten der Anzeige klar, dass es sich nicht um schon vorhandene Realitäten handeln kann. Durch diese Art von Antinomie zwischen textinterner Darstellungsform und textexterner Kommunikationskonstellation wird eine Als-Ob-Realität geschaffen. Als-Ob-Realität bedeutet hier, dass der Leser in eine Situation versetzt wird, in der er sich als schon tatsächlicher Inhaber der ausgeschriebenen Stelle sehen kann. Diese Form der Faktizität wird entweder wie im obigen Zitat ohne ein einleitendes als oder wie z.B. im folgenden Zitat mit einem einleitenden als zum Ausdruck gebracht:

„Als SAP-Experte/-in im Bereich Logistik mit Schwerpunkt Produktion/Materialwirtschaft beraten Sie Produktions- und Verkaufsgesellschaften bei allen Anwendungs- und Prozessfragen. Weiterhin analysieren Sie Change Requests und stellen das globale Change Management sicher. Sie greifen … „ (Nr. 13)

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Lediglich in einem Fall wird von dieser Form der Rezipientenansprache im Fließtext abgewichen. Implizit wird die Als-Ob-Inszenierung dieses Teils auch in tabellarischer Form beibehalten, wenn durch die Rubrik die Faktizität durch einen Rezipientenbezug eingeführt wird (z.B. Ihre Aufgaben/ Ihr Aufgabenbereich/ Ihr Profil; 17 Anzeigen). Formalsyntaktisch weist dieser Anzeigenteil erhebliche Unterschiede auf. In 19 Anzeigen werden die Anforderungen an den Bewerber, die in diesem Teil dargestellt werden, in tabellarischer Form realisiert. Dies geschieht entweder in Form von Aufzählungen durch Kommas getrennt oder als vertikale Strichlisten verwirklicht. In sechs Anzeigen wird die repräsentative Illokution in Form von Fließtexten dargestellt. Dies geschieht unter anderem durch eine Inszenierungslogik, in der eine Als-Ob-Realität geschaffen wird (vergleiche die zwei Zitate oben).

In der tabellarischen Darstellungsform ist die quantitative Streuung zwischen Minimal- und Maximalvorkommen größer als in der Fließtextdarstellung (siehe Tabelle oben). Die tabellarischen Aufzählungen in diesem Teil bewegen sich zwischen 4 und 22 (im Fließtext min. 6/max. 13) phrastische Einheiten mit einem Durchschnittswert von 9,5 für die tabellarischen und 10,7 für die Fließtext-darstellungen. 5.4 Wir bieten Dieser Teil weist große Unterschiede auf. Sechs Anzeigen beinhalten diesen Teil gar nicht. Elf Anzeigen verwirklichen diesen Teil ausschließlich als kommissive Illokution, eine Anzeige als Kombination von kommissiver und expressiver, drei Anzeigen als Kombination von kommissiver und repräsentativer, eine als Kombi-nation von direktiver, expressiver und kommissiver, zwei Anzeigen als repräsentative und eine Anzeige als direktive Illokution. Im Folgenden werden jeweils Beispiele zu den kombinierten Illokutionen in diesem Teil der Anzeige aufgeführt: 1. Kombination von kommissiver und expressiver Illokution:

„Wenn Sie gerne in einem kleinen Team arbeiten, selbständiges und eigenverantwortliches Arbeiten für Sie selbstverständlich ist [implizit kommissiv], dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung [expressiv].“ (Nr. 10)

2. Kombination von kommissiver und repräsentativer Illokution:

„Wir bieten Ihnen interessante Aufgaben mit entsprechender leistungsgerechter Bezahlung [explizit kommissiv]. Umfangreiche Sozialleistungen und ein sicherer Arbeitsplatz sind für uns selbstverständlich [repräsentativ].“ (Nr. 25)

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3. Kombination von direktiver und expressiver Illokution: „Chancen nutzen [direktiv]: Freuen Sie sich auf eigenverantwortliches Arbeiten, eine leistungsbezogene Vergütung sowie ein aufgabenbezogenes Weiterbildungsprogramm [direktiv + expressiv + indirekt kommissiv].“ (Hervorhebung im Original, Nr. 6)

Zum Teil folgt die syntaktische Realisierung dieses Textteils dem jeweils in der gleichen Anzeige vorhandenem Teil Wir suchen. Ist ersterer in tabellarischer Form verwirklicht, wird in der Regel auch dieser Teil tabellarisch dargestellt. Gleiches gilt der Fließtextdarstellung. In der tabellarischen Form ist dieser Teil als repräsentative Illokution verwirklicht. Die Länge dieses Teils variiert von einem Satz („Wenn Sie an einer abwechslungsreichen und anspruchsvollen Tätigkeit interessiert sind“, Nr. 9) bis zu mehrsätzigen Fließtexten, wie im folgenden Beispiel:

„Das können Sie von uns erwarten Als innovativer Arbeitgeber bieten wir unseren Mitarbeitern ein modernes Arbeitsumfeld, das Sie begeistern wird. Sie erwartet ein sicherer und anspruchsvoller Arbeitsplatz in einem modern geführten Unternehmen mit ausgeprägter Teamorientierung. Wir bieten Ihnen ein attraktives, leistungsorientiertes Gehaltsmodell mit Beteiligung am Unternehmenserfolg sowie interessante Weiterbildungsmöglichkeiten.“ (Hervorhebung im Original, Nr. 14)

Die schon bezüglich der Darstellungen zu den Arbeitsanforderungen gemachte Beobachtung, dass der dortige illokutive Stil in den meisten Fällen dazu dient, eine faktische Als-Ob-Wirklichkeit aus der Perspektive des Rezipienten zu erstellen, bestätigt sich auch in Bezug auf das obige Beispiel. Die in diesem Textteil vorherrschende kommissive Illokutionsform wird im obigen Beispiel besonders durch die Überschrift unterstrichen und in den Prädikaten betont („das Sie begeistern wird“, „Sie erwartet“, „Wir bieten Ihnen“). Damit weicht das obige Beispiel unter illokutionärem Aspekt nicht von den prototypischen – auch tabellarischen – Darstellungen dieses Anzeigenteils ab (die meist nur mit der prädikativen Rubrik einleiten wie z.B. ‚Wir bieten‘ oder ‚Wir bieten Ihnen‘). Der Unterschied solcher Fließtextdarstellungen im Vergleich zu den tabellarischen ist, dass der kommissive Textcharakter stärker betont wird.

Interessant ist zu beobachten, dass diejenigen Stellenanzeigen, die von der Masse abzuweichen versuchen und somit eine stärkere Aufmerksamkeit auf sich ziehen können, dies gerade anhand der Kombination illokutionärer Akte in diesem Teil realisieren. So wird z.B. im folgenden Zitat deutlich, dass statt einer einwertigen kommissiven Illokution explizit eine direktive Illokution aufgebaut wird, um den Rezipienten in eine mentale Als-Ob-Realität einzuführen:

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„Chancen nutzen Freuen Sie sich auf eigenverantwortliches Arbeiten, eine leistungsgerechte Vergütung sowie ein aufgabenbezogenes Weiterbildungsprogramm“ (Hervorhebung im Original, Nr. 6)

Zwar werden auch in diesem Zitatbeispiel kommissive Versprechen über das Leistungsangebot des Unternehmens gemacht, diese werden aber durch die exponierte Stellung der direktiven Illokution zu Beginn („Chancen nutzen“, „Freuen Sie sich auf“) lediglich implizit realisiert.

5.5 Wir bitten

Die größte Variation in der Frage, welche Illokutionen realisiert werden, ist in diesem Teil der deutschen Stellenanzeigen aufzufinden. Zwölf Anzeigen realisieren diesen Teil als direktive, drei Anzeigen als expressive, eine Anzeige als repräsentative, eine als Kombination von expressiver, kommissiver und direktiver, eine Anzeige als Kombination von repräsentativer, direktiver und expressiver, vier Anzeigen als Kombination von expressiver und direktiver, eine Anzeige als Kombination von direktiver und repräsentativer sowie eine Anzeige als Kombination von expressiver und repräsentativer Illokution. Im Folgenden werden jeweils Beispiele aufgeführt, um die kombinierten Illokutionen zu veranschaulichen. 1. Kombination von expressiver, kommissiver und direktiver Illokution:

„Wenn Sie diese breit angelegte, herausfordernde und unternehmerische Aufgabe reizt, freuen wir uns, Sie persönlich kennen zu lernen [expressiv]. Bitte senden Sie Ihre aussagefähigen Bewerbungsunterlagen … an … [direktiv]. … Die vertrauliche Behandlung Ihrer Bewerbung ist selbstverständlich [kommissiv]“ (Nr. 1)

2. Kombination von repräsentativer, direktiver und expressiver Illokution:

„Für telefonische Rückfragen zur ausgeschriebenen Stelle steht Ihnen gerne Doris Kaindl, Personalleitung, unter der Rufnummer … zur Verfügung [repräsentativ]. Sie sind interessiert? Dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung vorzugsweise online unter … [expressiv]. Ansonsten senden Sie Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen bitte an folgende Adresse … [direktiv]“ (Nr. 6)

3. Kombination von expressiver und direktiver Illokution:

„Wenn Sie teamorientiert arbeiten und flexibel sind, freuen wir uns darauf, Sie persönlich kennen zu lernen [expressiv]. Bitte senden Sie Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen an: … [direktiv]“ (Nr. 11)

4. Kombination von direktiver und repräsentativer Illokution:

„Ihre Bewerbung senden Sie bitte … [direktiv]. Wir freuen uns auf Sie! [expressiv]“ (Nr. 14)

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5. Kombination von expressiver und repräsentativer Illokution: „Wir freuen uns über Ihre Online-Bewerbung unter … [expressiv]. Für ergänzende Auskünfte steht Ihnen Reinhard Pfiffner … gerne zur Verfügung [repräsentativ].“ (Nr. 15)

Die vorwiegend direktive Realisierung (Tabelle 1) ergibt sich aus der Teiltextfunktion dieses Teils. Jedoch wird die direktive gern auch mit anderen Illokutionen verbunden (7 Anzeigen), wie zum Beispiel mit der expressiven („freuen wir uns“) und der kommissiven Illokution im folgenden Fall:

„Wenn Sie diese breit angelegte, herausfordernde und unternehmerische Aufgabe reizt, freuen wir uns, Sie persönlich kennen zu lernen. Bitte senden Sie Ihre Aussagefähigen Bewerbungsun-terlagen … unter Angabe der … an das von uns beauftragte Beratungsinstitut ifp. Dort stehen Ihnen Frau … sowie Frau … für weitere Informationen gerne zur Verfügung. Die Stellenbe-setzung erfolgt nach Aktiengesetz zunächst für fünf Jahre. Die vertrauliche Behandlung Ihrer Bewerbung ist selbstverständlich.“ (Nr. 1)

6. Zwischenfazit Abschließend soll nun für das deutsche Korpus die textfunktionale Wertigkeit der in den Textteilen vorkommenden Illokutionen behandelt werden. Dabei werden die Illokutionen in ihrer textinternen Abstimmung aufeinander untersucht. Auf-fällig im Teil Wir sind ist die starke repräsentative Darstellungsform. Dabei werden in der Regel Fakten zum Unternehmen (z.B. Kenndaten zu Größe des Unternehmens, Konzernzugehörigkeit, Standortangaben, Tätigkeitsumfeld und/ oder Branchenbezüge) mit einer attributiven Spezifizierung des gesuchten Be-werbers verbunden:

„Wir sind ein großes überregionales Wohnungsbauunternehmen und bewirtschaften mit 225 Mitarbeitern ca. 21.000 eigene und fremde Wohnungen. Für unseren Standort München Schwa-big suchen wir eine fachlich wie menschlich überzeugende und unternehmerisch denkende Persönlichkeit als…“ (Nr. 18)

Wenn Standortbeschreibungen für die ausgeschriebene Stelle in Anzeigen vorkommen, dann wird es gerade in diesem ersten Teil Wir sind gemacht. Aufgrund der stark informativ und spezifizierend ausgerichteten Inhalte dieses Teils fungieren die repräsentativen Illokutionen hier vor allem, um Interesse für das Unternehmen zu wecken und außerdem auch, um schon eine erste Selektion der möglichen Bewerber seitens des Rezipienten auszulösen (vgl. die Beschrei-bungen der Art des gesuchten Bewerbers im Zitat 18 oben). Außerdem kommen auch werbende Selbstdarstellungen in diesem Teil zu Marketingzwecken vor.

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Im zweiten Anzeigenteil Wir haben dient die repräsentative Illokution – vor allem aufgrund ihrer paraverbalen Hervorhebung – dem Ziel des Hervorrufens von Aufmerksamkeit. Interessant ist die Frage, wie die repräsentative Illokutions-gestaltung des dritten Teils Wir suchen – im Unterschied zum zweiten Anzeigenteil – verwirklicht wird. Im Teil Wir suchen dient diese Illokution aufgrund der damit ausgedrückten Faktizität anhand der Als-Ob-Wirklichkeiten (siehe die Diskussion weiter oben) dem fiktionalen Einbinden des Rezipienten in den Arbeitsalltag des Unternehmens. Verbunden hiermit ist die Selektions-funktion, die der Rezipient – sogar in Form von tabellarischen Strichlisten – an sich selbst schon während der Lektüre vornehmen kann. Gleichzeitig dient diese repräsentative Illokution hier – im Fall des Zutreffens der Anforderungen auf den Rezipienten – auch dazu, Interesse zu wecken und potentielle Anstellungs-wünsche seitens des Rezipienten auszulösen.

Die dominierende kommissive Rezipientenansprache im vierten Teil Wir bieten fungiert im verhandlungstechnischen Sinn als Gegenstück zu den Anforderungen, die im vorherigen Teil an den Rezipienten gerichtet wurden. Neben der Funktion des weiteren Interesse-Weckens dient dieser Teil illokutionär betrachtet vor allem dazu, den Wunsch beim Rezipienten auszulösen, bei dieser Firma angestellt zu sein, vorausgesetzt sie/er kann die zuvor aufgelisteten Anforderungen erfüllen. Mit dieser Logik adressieren dann auch mehrere Anzei-gen ihren Leser zu Beginn des letzten Teils Wir bitten. Dies geschieht entweder in direkter Bezugnahme auf den möglicherweise ausgelösten Anstellungswunsch („Wenn es Sie reizt…“, Nr. 18; „Sind Sie interessiert…“, Nr. 7; „Interessiert?“, Nr. 5), oder indem durch eine konditionale Logik (wenn/dann) auf die vorherigen Teile Bezug genommen wird (Nr. 18, 25, 9, 11, 1, 3, 7, 10), wodurch die direktive Illokution dieses Teils in diesen Anzeigen eingeleitet wird. Alternativ dazu wird in den übrigen Anzeigen eine direktive Ansprache des Rezipienten in Aussage-satzform mit dem Hinweis zu den Kontaktdaten verwirklicht. Die hiermit verbundene Textfunktion ist vor allem, den Kontakt zwischen dem Emittenten und (vorausgewählten) Rezipienten herzustellen. In zehn Fällen wird außerdem die direktive Illokution mit einer abschließenden expressiven Illokution kombiniert („Wir freuen uns“ bzw. „… freuen wir uns“; Nr. 15, 10, 8, 6, 1, 11, 20, 19, 23), was ein emotionales Engagement seitens des Emittenten bezüglich der möglichen Kontaktaufnahme andeutet.

Kulturspezifische Illokutionen 215

7. Das japanische Korpus Das japanische Material besteht aus 19 Anzeigen5. Hierbei ist zunächst festzu-stellen, dass der enthaltene Text vom Nominalstil6, der ohnehin als anzeigen-typisch im Sprachgebrauch in Japan zu betrachten ist, besonders ausgeprägt ist. Dies führt zur Unklarheit des Aussagenmodus, wodurch vor allem die Abgren-zung der direktiven Sätze von anderen Satztypen im Vergleich zum deutschen Material weit schwieriger wird7. Das japanische Material unterscheidet sich vom deutschen auch dadurch, dass die expressive Äußerung nicht vorkommt.

1. Wir sind 2. Wir haben 3. Wir suchen 4. Wir bieten 5. Wir bitten Ort

Repräsentativ 5 18 18 16 10 6 Kommissiv 1 5 6 Direktiv 16 Umfang min. Nom 1 Nom 1 Nom 2 Nom/FT 1 FT 1 Nom 1 Umfang max. FT 4 Nom 3 + FT 1 Nom 17 Nom 7 + FT 1 Nom 3 / FT 2 Nom 1 Umfang Durchschnitt 3,4 1,7 6,8 2,9 2,8 Nom 1

Legende: Nom = Nominalstil, FT = Fließtext Tabelle 2: Häufigkeit der Illokutionen in den Textteilen im japanischen Korpus. Ein weiteres Charakteristikum des japanischen Materials ist, dass offenbar die Angabe zum Beschäftigungsort als ein eigenständiger Inhaltspunkt der Stellen-anzeige einen festen Platz besitzt. In vielen Anzeigen wird der Beschäftigungsort separat angeführt. Wir führen deshalb die Angaben zum Beschäftigungsort in der tabellarischen Übersicht zum japanischen Korpus unten in der Kolumne „Ort“ auf (Tabelle 2).

5 Zur Auswahl des Materials vgl. Kapitel 4. Es gibt keine Einschränkung hinsichtlich der Branche.

In dem Text wird vor der Nummer der Anzeige das Datum angegeben, an dem die jeweilige Anzeige erscheint.

6 Unter Nominalstil wird hier der Ausdrucksmodus verstanden, in dem Aussagen ohne Prädikatsteil konstruiert werden. In vielen Fällen bestehen Aussagen im analysierten Material deshalb aus einer Nominalphrase, wie es den zitierten Beispielen zu entnehmen ist.

7 Aus diesem Grund werden in der folgenden Tabelle die Stellen mit dem Nominalstil von denen mit dem Fließtext getrennt angegeben. Beim Fließtext ist die Illokutionscharakterisierung erheblich leichter.

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7.1 Wir sind Ein deutlicher Unterschied zum deutschen Material ist, dass im japanischen Material der Teil Wir sind nur in fünf Fällen realisiert wird. Offenbar ist es keine Gewohnheit, in Stellenanzeigen das Profil des Unternehmens darzustellen. Selbst wenn eine Firmenpräsentation gemacht wird, bleibt sie äußerst kompakt. Bis auf eine Anzeige wird dieser Teil durch einen Satz realisiert. Alle Sätze in diesem Teil sind als repräsentativ interpretierbar, d.h. es handelt sich um reine Sachver-haltsdarstellungen ohne direktives, kommissives, expressives oder deklaratives Moment (vgl. die folgenden Beispiele).

Interessanterweise wird lediglich in einer Anzeige das Unternehmensprofil direkt in einem deskriptiven Stil angesprochen: Japan Fisba ist die japanische juristische Person der schweizerischen Luxustextilmarke „Christian Fischba-cher“ (9.2.2014 Nr. 1). Ansonsten wird die Tätigkeit, die das Unternehmen cha-rakterisieren sollte, oder eben der Charakter des Unternehmens präsentiert: Komplex von über 200 Standorten mit einer Pflegeeinrichtung in Saitama, Tokyo, Kanagawa (12.1.2014 Nr. 1); CNW (Career Network) mit Nein zu Altersgrenze (26.1.2014 Nr. 5). In einem Fall geht die Darstellung nahtlos in den Wir-suchen-Teil über: Ein weltweit führender Vermögenverwalter sucht für die Vertriebsab-teilung junge Mitarbeiter (2.2.2014 Nr. 6).

In einer Anzeige, die als Ausnahmefall aufzufassen ist, wird dieser Teil durch vier Sätze realisiert, wo auch die oben dargestellte Funktion zum Ausdruck kommt:

„CBRE: Wir ziehen in diesem Frühjahr nach Marunouchi8 um. CBRE ist ein Immobilienunter-nehmen mit einer weltweit kaum zu übertreffenden Größe. Es schöpft die globale Servicebasis und das landesweite und internationale Netzwerk aus und bietet ein umfassendes Immobilien-service an.“ (12.1.2014 Nr. 5) CBRE Toshawa konshun marunouchini itenshimasu. CBREwa sekaisaidaikyuno hudosan servicegaisya desu. Globalna servicekiban, nihonzenkoku oyobi kaigaitono networkwo ikashite, full-lineno hudosanservicewo teikyoshiteimasu.

7.2 Wir haben Der Wir-haben-Teil ist bis auf einen Fall in allen Anzeigen vorhanden. In diesem Ausnahmefall (2.2.2014 Nr. 6; bereits oben besprochen) ist allerdings eine entsprechende Information durch den Wir-sind-Teil gegeben, so dass dieser Teil

8 Hierbei handelt es sich um ein Stadtviertel von Zentraltokyo, das als Wirtschaftsviertel mit Haupt-

sitzen traditioneller repräsentativer japanischer Unternehmen bekannt ist.

Kulturspezifische Illokutionen 217

funktionell in allen Anzeigen realisiert ist. Dieser Teil stellt den Kern der Stellenanzeige dar, so dass er prinzipiell nicht weglassbar ist.

In diesem Teil ist der Nominalstil, der die ausgeschriebene Position kurz und konkret angibt, vorherrschend. Optisch wird der Teil meist wie eine Schlagzeile gestaltet, was mit dem knappen Stil konform ist. Die Aussagen sind durchgängig als repräsentativ einzustufen. Etwa in der Hälfte des Materials finden sich zu-sätzliche Aussagen, die die Suche oder die ausgeschriebene Position weiter spe-zifizieren: Anstellung einer Person mit Erfahrung. Dringende Ausschreibung. Vertriebsplanung (12.1.2014 Nr. 4); Ausschreibung für einen fest Angestellten. Wir suchen eine Person mit Erfahrung im Digitalvertrieb (19.1.2014 Nr. 2); Kon-trolleur der Verwaltungsabteilung. Rechnungsabteilungsleiter (9.2.2014 Nr. 1). In einer Anzeige enthält dieser Teil auch Angaben, die eher zur Präsentation des Unternehmensprofils dienen: Rechnungs- und Finanzwesen. Rechnungs- und Fi-nanzabteilungsleiter in einem schnell wachsenden IT-Unternehmen (9.2.2014 Nr. 3).

In einem Fall besteht dieser Teil aus vier Aussagen, die allerdings funktionell dem Wir-bieten-Teil nahestehen. Optisch werden aber in diesem Fall die Wir-bieten-bezogenen Aussagen deutlich der Wir-haben-Aussage (der den Stellen-charakter unspezifiziert lässt) untergeordnet: Wir suchen Personal (in kleinerer Schrift). Beschäftigungsort: Zentrale und Filialen, zwei Tage/Woche frei/Mit-gliedschaft in diversen Sozialversicherungen (2.2.2014 Nr. 3). 7.3 Wir suchen Dieser Teil ist relativ gesehen am umfangreichsten, obwohl er von der Textlänge her nicht so umfangreich ist wie im deutschen Material. Er ist durch die Verwen-dung von Auflistungen bzw. Aufzählung gekennzeichnet. Fließtext tritt nur selten auf. Manchmal werden unter einem Punkt mehrere relevante Informationen an-gegeben. In solchen Fällen werden die Aussagen funktionell nach Inhaltspunkten aufgezählt, d.h. die optische Gliederung im Text wird dem funktionalen Inhalts-wert untergeordnet.

Häufig werden die Tätigkeitsbeschreibung und die erforderlichen Qualifika-tionen getrennt angegeben. Aussagen von anderen Teilen können dabei dazwi-schen treten:

„Tätigkeit: Vermittlung von Gewerbeimmobilien für juristische Personen im In- und Ausland (Feste Anstellung) / ... / Qualifikation: mindestens drei Jahre Erfahrung in der Vermittlung für juristische Personen in einer Treuhandschaftsbank oder einem Immobilienvermittler usw. (bzw.

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entsprechende Erfahrung in z.B. dem Erwerbsgeschäft in einem Fonds), Zertifikat für den Wohnimmobilienhandel“ (12.1.2014 Nr. 5). Gyomunaiyo: Kokunaigaino hojinkokyakuwo taishotoshita jigyoyohudosanno baibaichukaieigyo (seisyain) /.../ Shikaku: Shintakuginkoya otehudosaityukaigaisyanadonioite hojinbaibai-chukaikeikenwo sannenijo (moshikuwa funddeno syutokugyomuto, sorenijunzuru keiken), takukenshikakuhpyusya

Interessant ist, dass in drei Anzeigen (19.1.2014 Nr. 2, 2.2.2014 Nr. 4 und 5) die Qualifikationsanforderung durch eine Aussage begründet wird. In einem Fall wird dies sogar durch einen kommissiven Akt realisiert (unterstrichen):

„Wir sind auf der Suche nach einer experimentierfreudigen Person, die selbstständig aktiv sein kann. Qualifikation: Mindestens Hochschulabschluss, Personen mit Erfahrung mit der Arbeit in allge-meinen oder personellen Angelegenheiten usw. (Wir fragen Sie nicht nach Branche oder Größe des Unternehmens), allgemeiner Führerschein Arbeitsfelder: Personelle Angelegenheiten (Rekrutierung, Durchführung und Organisierung der Weiterbil-dungsmaßnahmen, Bearbeitung von Gehaltserhöhungen oder Bonuszahlungen usw.) Arbeitsangelegenheiten (Aufsicht über die Angestellten, Kontrolle der Berichte und Arbeitssitua-tionen, Kundenbetreuung usw.) Allgemeine Angelegenheiten (Beschaffung und Administration der Ausrüstungen, Administration der firmeneigenen Fahrzeuge, Tätigkeiten für die Wohlfahrt usw.)“ (2.2.2014 Nr. 5) Jibunkara sossenshite ugokeru challengeseishinouseinakatawo motometeorimasu. Shikaku: Daishotsu ijo, somu jinjitono gyomukeikensya (gyokai kaisyakibotowa toimasen), hutsumenkyo Syokumunaiyo: Jinji (saiyokatsudo, kenshujisshiya tehai, syokyu syoyotono tetsuzukihoka) Gyomu (jugyoinno kanri, hokokusyo kinmujokyono check, kokyakukanrihoka) Syomu (bihintyotasu kanri, syayusyakanri, hukurikoseinikansuru gyomuhoka)

In einer Anzeige ist in diesem Teil eine Aussage, die eigentlich dem Wir-bieten-Teil gehören sollte (unterstrichen), enthalten:

„Aufgabe, nach Unternehmen zu suchen und Personal zu vermitteln. Wenn ein Unternehmen besseres Personal hat, wird es dadurch aktiver. - Auch ohne Erfahrung möglich. Personalvermittlung bei On-Job-Training von Mann zu Mann. (Voraussetzung PC-Anwendung) - Mit Hochschulabschluss, ca. 60 – 67 Jahre (keine feste Arbeitsverhältnisse). Erfahrung in der Verwaltung oder im Vertrieb als Ableitungsleiter oder höher. Wir suchen arbeitsfreudige Perso-nen, die lebenslang aktiv bleiben wollen. Vergütung nach unseren Richtlinien (Altersversicherung mitberücksichtigt)“ (26.1.2014 Nr. 5) Kigyowo kaitakushi jinzaiwo syokaisuru shigoto. Yoriyoi jinzaiga kigyowo kasseikasesemasu. Mikeikensyaka. Man-to-manno OJTde jinzaisyokaikatsudo. (PCsosa hissujoken) Daisotsu 60-67saikurai (syokutakusaiyo) Buchoijono kanrisyoku eigyokeikensya.

Kulturspezifische Illokutionen 219

Syogaigenneki mezasu shigotodaisukiningen motomu. Taiguwa toshakitei. (Nenkinheiyo)

Es gibt Fälle, wo die Tätigkeitsbeschreibung direkt dem Wir-haben-Teil folgt und deshalb der Übergang (auch optisch) nicht deutlich hervorgehoben wird:

„(wir-haben-Teil) Personalberater. (wir-suchen-Teil) Aufgabe ist, nach neuen arbeitskraftsuchenden Unternehmen zu suchen und sie mit Personen zusammenzuführen, die nach einem neuen Arbeitsfeld suchen. BEDINGUNG: über 60 (baldiger) Rentner Erfahrung in der Leitung von einer Abteilung oder höher Motivation für lebenslange Tätigkeit“ (12.1.2014 Nr. 3) Jinzai syokai consultant. Kyujinsakikigyowo kaitakushi, tenshokukibosyatono matchingwosuru shigotodesu. Joken: 60sai ijo Nenkinjukyusya (matawa yoteisya) Buchoijono kanrisyokukeikensya Syogaigenekiwo mezasu iyokutekina kata

7.4 Wir bieten In einer Anzeige (26.1.2014 Nr. 5) wird die Angabe, die zu diesem Teil gehören sollte, im Wir-suchen-Teil realisiert. Hingegen enthält eine Anzeige im Wir-bieten-Teil Angaben, die zum Wir-haben-Teil gehören sollten (unterstrichen):

„Repräsentative mit leistungsorientierter Vergütung - Vergütung: voll orientiert nach Leistung - Bedingung: Startvergütungsregelung vorhanden Börsenanalyst - Bedingung: Vertragsanstellung. Gute Vergütung nach unseren Richtlinien“ (2.2.2014 Nr. 3) Buaigaimuin - Hoshu: Jissekini oujita kanzenbuaisei - Taigu: Shitakukin seidoari Syokenanalyst - Taigu: Keiyakushain, Toshakiteini yori yugu

Ansonsten findet sich keine Überscheidung mit anderen Teilen. Charakteristisch ist, dass dieser Teil in vielen Anzeigen sehr knapp formuliert ist (lediglich eine Aussage in 7 Anzeigen, zwei Aussagen in 2 Anzeigen). Der Inhalt ist in solchen

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Fällen unspezifiziert gelassen, man findet keine konkrete Angabe über das Angebot seitens des Unternehmens wie z.B.: Bedingung: nach unseren Richtlinien (12.1.2014 Nr. 3)

Auch hier ist die tabellarische Darstellungsform vorherrschend, so dass dieser Teil knapp gestaltet wird. Fließtext findet man nur in einer Anzeige, wobei er mit einer Aufzählung kombiniert ist:

„Gehalt: Grundjahresgehalt + Kommission * Wir berücksichtigen Ihre Fähigkeit sowie Erfahrung und vergüten Sie gut.“ (12.1.2014 Nr. 5) Kyuyo: Kihonnembo + Commission *Noryokukeikenwo koryoshi yugushimasu9

Wegen dieser tabellarisch ausgerichteten Darstellungsform in Kombination mit dem Nominalstil ist es bei diesem Teil äußerst schwierig, festzustellen, welche Illokutionen mit den jeweiligen Aussagen kombiniert sind. Von der Funktion her erwartet man kommissive Aussagen, allerdings sind Aussagen ohne deutlichen Modus als solche nur schwer interpretierbar, so dass diese durchgängig als repräsentativ interpretiert werden. Dies bedeutet aber nicht, dass als kommissiv interpretierbare Aussagen nicht vorkommen würden. In fünf Anzeigen finden sich Aussagen, die einen deklarativen Satzmodus aufweisen und dadurch einen versprechenden Charakter zeigen: Gehalt: Wir berücksichtigen Ihre Fähigkeit / Erfahrung und vergüten Sie gut. (9.2.2014 Nr. 8) 7.5 Wir bitten In den bisher besprochenen Teilen war keine starke Mischung von Illokutionen festzustellen. Anzeigen, bei denen in einem Teil unterschiedliche Illokutionen auftreten, bildeten eher Ausnahme. Im Wir-bitten-Teil allerdings ist das gleichzeitige Vorkommen unterschiedlicher Illokutionen besonders ausgeprägt, vor allem die Kombination von repräsentativen und direktiven Aussagen (5 Mal). Dreimal ist zusätzlich eine kommissive Illokution festzustellen. Ein Charak-teristikum dieses Teils ist, dass Listen weniger gebraucht werden. Vielmehr verwendet man hier Fließtexte. Dennoch wird auch dieser Teil insgesamt sehr knapp und kurz gehalten. Der Nominalstil tritt wie in anderen Teilen auch hier oft auf, bei dem der Aussagemodus neutral gelassen wird. Bei manchen Aussagen kann man eine bestimmte Illokution hineininterpretieren, darauf wird aber wie bei den bereits besprochenen Teilen vorerst verzichtet. Bei der Feststellung der Aussagenanzahl gehen wir wie bei den anderen Teilen vor; hier werden aber die

9 Der Asteriskus dient hier als Angabe, dass der Satz als Erklärung fungiert.

Kulturspezifische Illokutionen 221

Adressenangaben (postalisch und Internet) nicht mitgezählt. Ein Beispiel für die Kombination der repräsentativen und kommissiven Aussage ist:

„Bewerbung: Nach Anruf unter der folgenden Freecall-Nummer, postalischer Versand des Lebenslaufs (mit Foto) und der Liste der beruflichen Tätigkeiten an die folgende Adresse [repräsentativ]. Nach dem Auswahlverfahren ausgehend von Unterlagen kontaktieren wir Sie. Das Vorstellungs-gespräch führen wir an der folgenden Adresse durch [kommissiv].“ (12.1.2014 Nr. 1) Obo: Kakifreecalle denwago, rirekisyo (syaten) shokumurirekisyoo kakimade yuso. Syorui-senkogo, otte gorenrakushimasu. Mensetsuwa kakinite okonaimasu.

Im folgenden Beispiel werden auch eine direktive und repräsentative Aussage kombiniert. In diesem Beispiel wird die Angabe über den Bewerbungstermin der über die Bewerbungsmodalität nebengeordnet, wobei wir die beiden Aufzäh-lungspunkte zusammen als Wir-bitten-Teil ansehen:

„Bewerbungsmodalität: Informieren Sie sich über die Einzelheiten und die Bewerbungsmodalität im Nikkei-Career-Net. (Dort finden sich auch Informationen über die Ausschreibung im Vertriebsbereich) Bewerbungszeitraum: Bis 26.1.2014 (So.)“ (12.1.2014 Nr. 4) Entryhoho: NikkeicareerNETde syosaito entryhohowo gokakuninkudasai. (Eigyono boshujoho-mo ari) Boshukikan: 2014nen 1gatsu 26nichi (nichi) shimekiri

Die Datumsangabe kann auch in einer Aussage mit enthalten sein:

„Die Bewerber mögen den Lebenslauf und die Liste der beruflichen Tätigkeiten bis 7.2.2014 an die folgende Adresse per E-Mail schicken. (Kein Rückversand der Unterlagen)“ (26.1.2014 Nr. 5) Obosyawa rirekisyo syokumukeirekisyowo 14nen 2gatsu 7nichi madeni kakini mailshitekudasai. (Syorui huhenkyaku)

Es gibt auch Fälle, wo zwar eine Bitte formuliert wird, aber es unklar ist, was erbeten wird: „Für nähere Informationen sehen Sie unsere Homepage (12.1. Nr. 3). Die Aussage kann auch Information über wir bieten enthalten: Fragen Sie unseren Sachbearbeiter über Einzelheiten der Bedingungen und Bewerbungs-modalitäten“ (2.2.2014 Nr. 3).

Die Affinität zwischen diesem Teil und der direktiven Illokution scheint sehr hoch zu sein: In 17 Anzeigen findet sich in diesem Teil eine direktive Aussage. In sechs Anzeigen ist die kommissive Illokution realisiert. Schließlich gibt es eine Anzeige, wo dieser Teil nur repräsentative Aussagen enthält:

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„Wir nehmen Bewerbungen auf der folgenden Homepage entgegen. www ... *Sie können es auch auf der Nikkei-Career-Net einsehen.“ (9.2.2014 Nr. 2) Kaki HPyori entrywo uketsukemasu. www. ... *NikkeicareerNETkaramo gokakuninitadakemasu.

8. Vergleichende Auswertung der Illokutionen

Im japanischen Korpus findet sich keine Anzeige, die eine expressive Aussage enthält. Dies lässt darauf schließen, dass in den japanischen Stellenanzeigen Elemente vermieden werden, die emotional wirken. Dies stimmt mit der Beob-achtung überein, dass dort als Textform hauptsächlich Tabellen eingesetzt werden und der Nominalstil, bei dem aufgrund fehlender Prädikatsteile gerade die ex-pressiven Illokutionen als Widerspiegelung emotionaler Sprecherintentionen um-gangen werden, besonders ausgeprägt ist. Phrastische Einheiten mit ausschließ-lich Nominalstil, wie im japanischen Korpus, fehlen in den deutschen Anzeigen. Es scheint, dass bei den Stellenanzeigen auf die Informativität Wert gelegt wird. Jedoch handelt es sich hier um eine andere Art der Informativität als im deutschen Korpus. Während die deutschen Anzeigen mit zum Teil sehr spezifischen Auf-listungen zu den Anforderungen, die an die Bewerber gestellt werden, versehen sind, ist die Informationsvermittlung in den japanischen Anzeigen funktional mehrdeutig. Dies liegt u.a. daran, dass an diesen Stellen verschiedene Textbau-steine ineinander kombiniert werden, wie z.B. Wir-haben-Teile mit Wir-bieten-Teilen in Wir-suchen-Teilen. Auffällig sind die zum Teil extrem kurz gehaltenen Angaben, die die Informativität auf einem maximal unspezifischem Niveau halten können, wie z.B. im folgenden Wir-haben-Teil: „Wir suchen Personal“ (Kapitel 7.2).

Auch fehlt die Tendenz zur Etablierung einer Als-Ob-Wirklichkeit im japanischen Material. Anstelle eines detaillierten Sich-Hineinleben-Könnens seitens des Rezipienten in das Tätigkeitsumfeld der ausgeschriebenen Stelle – wie im deutschen Material – konzentrieren sich die informativen Angaben im japani-schen Material vor allem auf formale Bewerberaspekte.

Die ausgeprägte verhandlungslogische Darstellung im deutschen Material, wonach den Anforderungen (Wir suchen) das Leistungsangebot des Unterneh-mens so spezifisch wie möglich dargestellt wird (Wir bieten), lässt sich im japani-schen Korpus nicht in dieser Form bestätigen. Stattdessen sind die zum Teil indirekten und sehr knappen Angaben zu Vergütungs- und Einstellungsbedingun-

Kulturspezifische Illokutionen 223

gen im japanischen Material auffallend, was den Leser weniger rational über-zeugt, sondern eher zur Bereitschaft drängt, von Anfang an ein Vertrauens-verhältnis zu den Zusicherungen der Unternehmung aufzubauen.

Wie wir gesehen haben, wird der Anzeigentext überwiegend repräsentativ gehalten. Andere Illokutionstypen sind nicht auffällig. Vor diesem Hintergrund sticht ins Auge, dass der Wir-bitten-Teil viele direktive und kommissive Aus-sagen enthält. Dass in diesem Teil direktive Aussagen vorkommen, ist aufgrund des inhaltlichen Charakters dieses Teils nicht verwunderlich. Interessant ist aber das häufige Auftreten der kommissiven Illokution in diesem Teil. Man muss beachten, dass an dieser Stelle mit kommissiven Aussagen weniger Versprechen in Bezug auf die Arbeitsbedingung nach einer erfolgreichen Anstellung gemacht wird. Vielmehr wird in diesem Teil mit kommissiven Aussagen erklärt, wie das Unternehmen die Bewerber kontaktiert und mit ihren Unterlagen umgeht. Das Versprechen betrifft also den Modus des Einstellungsverfahrens. Wenn man den Inhalt der betreffenden Aussagen mit berücksichtigt, kann man hier annehmen, welche Bedeutung der Fairness beim Einstellungsverfahren (d.h. dass die Bewerber und die Unternehmen sich zumindest bei der Anstellung gleichberech-tigt gegenüberstehen) zukommt. Dies ist durch die Art nachvollziehbar, wie kommissive Aussagen realisiert werden.

9. Schlussbetrachtung Anhand der systematischen illokutionären Analyse der deutschen und japani-schen Stellenanzeigen konnte aufgezeigt werden, wie die Rezipientenansprache im jeweiligen Material verwirklicht wird. Da es im Fall von Illokutionen um Sprachhandlungen geht, die Handlungsimplikationen sozusagen hinter der For-malisierungsebene darstellen, eignen sie sich zum Erfassen kulturspezifischer Fragestellungen, wie die Analyse gezeigt hat, sofern der erkenntnislogische Aus-sagewert von Illokutionen als Form der Rezipientenadressierung beachtet wird. Besonders kurze und kondensierte Texte wie Stellenanzeigen eignen sich für den satzlogischen Aussagemodus des sprechakttheoretischen Verfahrens. Da es sich im Fall des vorliegenden Beitrags um einen relativ begrenzten Korpusumfang handelt, können die Ergebnisse nicht prinzipiell als für die jeweiligen zwei Kulturen konstitutiv eingeschätzt werden. Jedoch gibt der vorliegende Beitrag nicht nur einen Hinweis zur Art der Richtung, in die sich die Stellenanzeigen in ihrer jeweiligen strukturellen Ausprägung in den zwei Kulturen textkonstitutiv bewegen. Darüber hinaus – und hierin liegt der besondere Erkenntniswert im sprechakttheoretischen Verfahren – konnte aufgezeigt werden, mit welchen

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kommunikationskonstitutiven Besonderheiten im Fall von Stellenanzeigen in der deutschen und japanischen Tradition dieses Genres zu rechnen ist. Literatur Brinker, Klaus (2005): Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden.

6. Auflage. Berlin: Schmidt. Ehrenheim, Andrea (2011): Das Textdesign der Stellenanzeige. Linguistisch und interdisziplinär.

Dissertation. Frankfurt am Main: Lang. Fix, Ulla/ Poethe, Hannelore/ Yos, Gabriele (2003): Textlinguistik und Stilistik für Einsteiger. Ein

Lehr- und Arbeitsbuch. 3. Auflage. Frankfurt am Main: Lang. Gansel, Christina (1997): Wechsel der Perspektive und veränderte Präferenzen in der Textsorte

Stellenangebot. In: Keßler/Sommerfeldt (Hrsg.): 98-109. Gansel, Christina (2000): Textsorten. Textsortenmuster und ihre Geschichte. Stellenangebot und

argumentativer Werbetext. In: Deutschunterricht. 53. 217-227. Gansel, Christina/ Jürgens, Frank (2007): Textlinguistik und Grammatik. Eine Einführung. 2.

Auflage. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Handlos, Andrea (1995): Stellenanzeigen im Wertewandel. Wie Unternehmen um Mitarbeiter

werben. München: Fischer. Janich, Nina (2010): Werbesprache: ein Arbeitsbuch. 5. Auflage. Tübingen: Francke. Keßler, Christine/ Sommerfeldt, Karl-Ernst (Hrsg.) (1997): Sprachsystem – Text – Stil. Frankfurt am

Main: Lang. Klages, Helmut/ Hippler, Hans-Jürgen/ Herbert, Willi (Hrsg.) (1992) Werte und Wandel. Ergebnisse

und Methoden einer Forschungstradition. Frankfurt am Main: Campus. Stengel, Martin (1992): Widerspiegelung des Wertewandels in Stellenangeboten und Stellengesuchen

von Führungskräften in Tageszeitungen der Jahre 1950 bis 1987. In: Klages et al. (Hrsg.): 401-422.

Kulturspezifische Illokutionen 225

Anhang

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