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Inhalt: Diana Krall, Van Morrison, Julian Assange, Visualisten, Hans Theessink, Die Vermessung der Welt, Kinderfilmfestival, Özlem Sulak, Maria Bill, Hallucination Company, Birgit Denk, Anita Horn, Michal Hvorecky, Rorschach Text

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Herzlich willkommen zur zweiten E-Zine-Ausgabe von www.Kulturwoche.at.

Wenn das Laub fällt und die Zeit eine Stunde lang stehen bleibt, dann ist auch der erste Schnee nicht mehr weit. In Wien beginnt somit die Filmfestivalzeit. Die Viennale mit ihren ca. 300 Filmen steht da ebenso am Programm wie etwas später das ungleich kleinere aber nicht desto trotz feine Kinderfilmfestvial für junges Kinopublikum von 4 bis 14 Jahren. Hier feiert dann ein ganz wunderba-rer Film seine Uraufführung, nämlich Das Pferd auf dem Balkon von Regisseur Hüseyin Tabak nach Motiven des gleichnamigen Romans von Milo Dor . Neu im Kino ist auch die Verfilmung des Bestsellerromans von Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt, ganz zeitaktuell in 3D. Die digitale Technologie neuer Medienkunst steht auch im Zentrum des ausführlichen Artikels von Anne Jan über die Visualisten Szene in Wien, auch bekannt unter dem Begriff Visual Jo-ckey. Über das Wechselspiel von Medien und Julian Assange wiederum berichtet Kathrin Blasbichler. Sie hat sich das heftig diskutierte Theaterstück Assassinate Assange angesehen. Ein spannendes Themenfeld bot auch das Theaterstück Der Rorschach-Text über die Flüchtlingspolitik in der Schweiz im 2. Weltkrieg. Nicht so weit in die Vergangenheit blickt die Videokünstlerin Özlem Sulak, wenn sie ihre Erfahrungen mit dem europäischen Aufenthaltsrecht in ihre Arbeit einflie-ßen lässt. Sie befasst sich unter anderem mit der Bücherzensur in der Türkei und mit skurrilen Fiktionsbescheinigungen aus der EU. Ihre Werke sind bis Ende November 2012 im Tresor vom Bank Austria Kunstforum zu sehen.

Ein weiterer Schwerpunkt dieser Ausgabe befasst sich mit Neuerscheinungen aus der österreichischen Musikszene von Birgit Denk & die Novaks bis hin zu (u.a.) Hans Theessink und der Hallucination Company. Ja, genau die. Wer hätte dar-auf gewettet, dass die Hallucination Company noch ein Album veröffentlicht? Und dann noch so ein gutes dazu. Ein exzellentes Album gibt es endlich auch wieder von Van Morrison. Das Album ist dermaßen gut, dass wir uns etwas ein-gehender damit beschäftigten. Ja, und schließlich Diana Krall. Mit ihr hat unsere erste E-Zine-Ausgabe in der Rubrik Album Artwork & Cover Design geendet und mit ihr beginnt, eher zufällig (aber doch), diese zweite E-Zine-Ausgabe von Kulturwoche.at.

In diesem Sinne wünschen wir eine anregende Lektüre und einen erfreulichen Kulturnovember!

Manfred Horak

E D I T O R I A L

In dieser Ausgabe:

04 Diana Krall 06 Van Morrison 10 Julian Assange 12 Katja & Kotja 14 Die Vermessung der Welt in 3D 16 Rorschach-Text 18 Foto des Monats 20 Visualisten 24 Maria Bill 27 Birgit Denk 28 Hallucination Company 29 Anita Horn 30 Hans Theessink 34 Michal Hvorecky 35 Özlem Sulak 36 Kinderfilmfestival 39 Album Artwork & Cover Design 40 Leserbriefe Impressum

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"It's a long way from anything, but I don't think about it that way", erzählte Krall im Frühstadium ih-res Bekanntheitsgrades, am Weg nach oben, bevor ihr die ersten Grammys überreicht wurden, und: "Ich schätze mich sehr glück-lich, dass ich diese Musik seit meinem 15. Lebensjahr spie-len darf. Ich habe große Ehr-furcht vor meinen Lehrern und vor den Musikern, deren Lieder ich spiele." Von ih-rem zweiten Album "Only Trust Your Heart" (1994) an, war Tommy LiPuma (Produzent von u.a. George Benson, Michael Franks und Miles Davis) der wichtigste Lehrer, Mentor und Produzent sämtlicher Alben von Ms. Krall, auf dem vorliegen-den Album übernahm erstmals T Bone Burnett die Produzentenrolle. Bur-netts Handschrift zieht sich unüberhörbar durchs ganze Album, weil aber Diana Krall eine Unver-wechselbarkeit im Gesang und in der Art wie sie Kla-vier spielt besitzt, bleibt "Glad Rag Doll" zugleich auch ein typisches Krall-Album. Das war nicht im-

mer so. Zu Beginn ihrer Karriere versuchte Krall wie Sarah Vaughan zu klingen, "nein, viel schlim-mer noch", wie sie mir in einem Interview mal er-zählte, "ich versuchte, Sarah Vaughan zu sein." Aber die-se Jugendsünde hat sie rasch hinter sich gelassen. Auf dem Album "All for You: A Dedication to the Nat King Cole Trio" (1996) entwickelte sie bereits ein eigenes Profil, ihren urei-genen Stil mit Wiederer-kennungseffekt. So gelang es ihr schließlich zur ge-haltsvollen Sängerin mit enormer Ausstrahlungs-kraft und emotionaler In-tensität aufzusteigen. Auf die Frage, warum sie nicht eigene Songs schreibt, war-tete Krall mit folgender Begründung auf: "Sammy Cahn und Jimmy Van Heu-sen waren geniale Songwriter, die Frank Sinatra als Inter-preten ihrer Musik hatten, und außerdem: Schauspieler werden ja auch nicht gefragt, warum sie keine Drehbücher schreiben...Once an interpre-ter, always an interpreter!" Diese Einstellung hat sie allerdings nach der Hoch-zeit mit Elvis Costello zu-mindest für das Album "The Girl in the Other Room" (2004) geändert, auf dem ja einige Songs des Ehepaars zu hören sind. Nach einem Weih-nachtsalbum und zwei er-neuten Normalkost-Krall-Alben, traut sich die Sän-gerin und Pianistin nun

mit "Glad Rag Doll" an so etwas Ähnliches wie ein Americana-Album mit Marc Ribot an der Gitarre und dem typischen T-Bone-Burnett-Sound. Dass das Cover Design mit der Ästhetik der Ziegfeld Follies mehr Aufmerksamkeit erhält als die Musik, kommentierten manche Kritiker bereits mit einem hämischen "Ist auch besser so", wobei: Ganz so langweilig geht es auf dem Album keineswegs zu. Ziegfeld Follies war übrigens der Titel einer Jahresrevue am New Yorker Broadway, die von 1907 bis 1957 (jährlich bis 1931) statt-fand. Viele berühmte Songs nahmen hier ihren Ausgang und Entertainer wie W. C. Fields fanden hier eine Plattform. Bedeu-tende meist weibliche Stars wie Barbara Stanwyck gin-gen aus den Ziegfeld Follies hervor. Apropos Stanwyck: Claus Ogerman, der Ar-rangeur und Dirigent auf dem Grammy-prämierten Krall-Album "The Look Of Love" (2001), erzählte mir mal im Interview über Krall und sich: "Wir mögen beide alte Filme und tatsäch-lich erinnert mich Diana in manchen Passagen an Barba-ra Stanwyck. Diana spielt mit den Wörtern, so wie früher auch Sinatra. Während Frank sang, spielte er mit den Texten, und Diana agiert genauso." Aber wieder zu-rück zum aktuellen Al-bum. Der so wichtige erste

D I A N A K R A L L Die kanadische Jazzpianistin und Sängerin veröffentlicht mit "Glad Rag Doll" (Verve/Universal) bereits das 14. Album. Über das Cover-Design haben wir bereits in unserer ersten E-Zine-Ausgabe geschrieben, nun widmen wir uns den Songs. Musikalisch präsentiert Krall passend zum Mieder Lieder aus den 1920er Jahren.

Song eines Albums erfüllt die Rolle des Reinziehers sehr gut. "We just couldn't say goodbye" macht Lust auf mehr. Ein perfekter Einstieg in eine Num-mernrevue. Elegant ja, aber ein paar Schrammen dürfen nicht fehlen. Diese hohe Qualität wird auch im nachfolgenden Track geboten. "There ain't no sweet man that's worth the salt of my tears" kommt noch eine Spur ruppiger daher, dieser Umstand ist vor allem Marc Ribot an der E-Gitarre und Colin Linden an der Dobro ge-schuldet. Da ist es eigent-lich nicht mehr allzu weit zu einem Tom Waits Al-bum. Wie hier generell Stimmungsbilder aufgezo-gen werden ist schon sehr speziell. Diana Krall macht mit diesem Album einen gewagten Schritt in eine längst vergangene Zeit und beatmet diese Songs dabei sehr Gegenwartsbezogen. Was manche Kritiker mit Gelangweiltheit aburteil-ten gilt wohl den spartani-schen Arrangements, wie man es von Burnett ge-wohnt ist und was halt ein genaues Hinhören ver-langt. Wenn man dazu bereit ist wird man große Freude mit dem Album haben. Live gastiert Diana Krall im Zuge ihrer Tour-nee am 4.11.2012 in der Wiener Stadthalle. //

Text: Manfred Horak Foto: Mark Seliger

@ www.dianakrall.com

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V A N M O R R I S O N Musikalische Sensationen gab es von Van Morrison im 21. Jahrhundert bisher nur sehr wenige, auch wenn der Berufssänger mit einzelnen Liedern immer noch voll ins Herz traf. Born to Sing: No Plan B ist nur ein weiteres Mosaik in seiner Karriere. Oder steckt da doch noch mehr dahinter?

Bemühen wir zunächst einmal die Statistik. Die Plattenkarriere von Van Morrison begann Mitte der 1960er Jahre mit der Band Them. Insgesamt gibt es in dieser Dekade 5 Alben, zwei mit Them, drei unter seinem Namen. In den 1970er Jahren war der am 31. August 1945 im nordirischen Belfast geborene George Ivan Morrison am produktivs-ten und veröffentlichte 11 Alben. In den darauffol-genden Jahrzehnten pen-delte er sich auf die Zahl Neun ein. 9 Alben in den 1980er Jahren, 9 Alben in den 1990er Jahren und 9 Alben seit dem Jahr 2000 [nicht mit eingerechnet die diversen Best of Alben, sowie The Philosopher´s Stone – The Unreleased Tapes, Volu-me One aus dem Jahr 1998; Anm.]. Da hat sich also ganz schön was angesam-melt und größter Respekt vor dieser Regelmäßigkeit. Man kann es natürlich nicht oft genug wiederho-len: Van Morrison veröf-fentlichte bis inklusive dem Album Hymns to the Silence, also bis ins Jahr 1991, ausschließlich Über-Alben. Da war eins besser als das andere oder zumin-dest gleich gut wie das vor-herige, all das auf einem verdammt hohen Level. Jedes dieser Alben war ein Gesamtkunstwerk. Ein Gesamtkunstwerk, das bis heute nichts an Farbe, Fri-sche und Kraft eingebüßt

hat. Ein neues Album von Van Morrison war bis da-hin ein echtes Ereignis und ließ so ziemlich alles andere (bisweilen weit) hinter sich. Nach Hymns to the Silence passierte jedoch etwas Merkwürdiges und es erschien mit Too Long In Exile (1993) erstmals ein erschreckend farbloses Album, oder, wie es Steve Turner in einem Essay richtig beschrieb: Although it was a marking-time rather than a breaking-through al-bum […] there is a slight feel-ing of disappointment with Too Long in Exile, in that Van seems now to be repeat-ing himself both musically and lyrically – to be stuck in a groove of his own making from which he is either unwill-ing or unable to move on. Da half auch John Lee Hooker nicht viel, mit dem er sich gemeinsam auf die Spurensuche des Blues begab. Und so ging es dann in den 1990er Jahren dahin. Days Like This (1995) und The Heal-ing Game (1997) ausge-nommen, regierte bei Van Morrison Alben fortan das Mittelmaß, in denen er sich zunehmend intensiver auf Wurzelsuche begab.

Wo ein Tiefpunkt da ein Licht

Das 21. Jahrhundert be-gann dann besonders hart für Van Morrison Fans.

Im Jahr 2000 standen zwar gleich zwei Veröffentli-chungen an, allerdings erwiesen sich diese als sei-ne bis heute schwächsten Alben. The Skiffle Sessions mit Lonnie Donegan und Chris Barber (Drei ältere Herren erinnern mit dem unprätentiösen Wiederaufle-benlassen ihrer Roots, dass Unplugged keine Erfindung von MTV ist, hieß es sehr treffend auf Schallplatten-mann.de), sowie You Win Again (mit dem möglichen Untertitel: Van tritt auf der Stelle) mit Linda Gail Lewis, der Schwester von Jerry Lee Lewis [dieses Al-bum wurde auf der offiziellen Van Morrison Webseite aus seiner Discografie sogar ge-löscht; Anm.]. Aber wo ein Tiefpunkt da ein Licht. Mit Down the Road (2002) gab es endlich wieder ein-mal genug Seelennahrung für die Morrisonianer und als besonderes Zuckerl ein fast schon überirdisches Klarinettensolo des Jazz-Altmeisters Mr. Acker Bilk. Ich hatte es damals als ein weiteres Meisterwerk von Van Morrison um-schrieben, was zugegeben aus heutiger Sicht etwas übertrieben ist, denn be-vor der geneigte Van-Fan Down the Road hört, greift dieser doch noch lieber zu z.B. Avalon Sunset, Enligh-tenment oder Hymns to the Silence (seiner bemerkens-werten quasi-Trilogie am Dekadenwechsel) bzw. zu The Healing Game, dem

musikalischen Großereig-nis aus dem Jahr 1997. Dem folgte sein erstes Al-bum auf dem legendären Label Blue Note, What’s Wrong With This Picture? (2003). Die großen Erwar-tungen wurden hier ein-mal mehr leider nur mit bescheidenen Momenten erfüllt. Was besonders auf diesem Album auffällt ist sein Gejammere über die schwere Bürde des Star-Daseins, in konzentrierter Dosis aufgeteilt auf drei Songs. Dann war es schließlich doch noch so weit und Van Morrison lieferte endlich ein Album ab, das – so scheint es – tatsächlich die Zeiten über-dauern wird. Mit Magic Time (2005) dürfte der Nordire selbst besonders zufrieden gewesen sein – so sehr, dass er am Ende des letzten Songs (Carry On Regardless) sogar jodel-te. Magic Time ist dieses eine, einsame, Album der 2000er-Jahre von Van Morrison, das die Größe seines Schaffens auf den Punkt bringt. Nochmals: Bis Anfang der 1990er Jahre war es Usus ein Al-bum von Mr. Morrison auf einem derart hohen Level vorgelegt zu bekom-men, im 21. Jahrhundert leider die Ausnahme. Den Beweis lieferte leider gleich das nächste Album ab, Pay The Devil (2006), ein durchwachsenes Country-Coverversionen-Album. —————>>

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Ich singe, also bin ich. It’s just a job, you know?

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Als ob er jemanden bewei-sen wollte, dass er so gut wie alles singen kann. Hier ließ er wieder den Berufs-sänger weit raushängen. Apropos: Van Morrison veröffentlicht fast so schnell Alben wie RTL2 schlechte Shows produziert, hieß es auf Schallplattenmann.de über sein Album Keep It Simple (2008), das zwar nicht an Magic Time heran-reicht, aber zu den besse-ren Morrison-Alben zählt.

In der Einfachheit, so meine salbungsvollen Worte da-mals, liegt auch die Stärke von Keep it simple, einem Blues-Album mit 11 neuen Liedern von Van Morrison. Gestärkt ist all das mit seiner unüberbietbaren Mischung aus scharfem Realitätssinn und transrealer Mystik, ewig auf der Reise nach Wahrheit und Wirklichkeit, Sinn und Sinnlichkeit. Diese Rück-kehr zur Simplizität ließ aber auch gleichzeitig die Frage aufkommen, ob sei-ne Karriere mit diesem Album sich endgültig im Sand verlaufen würde,

trotz aller Demut dem Künstler gegenüber, trotz aller Liebe zum Album Magic Time und generell zu einigen Songs aus den Nuller-Jahren. Die simple Frage lautete also: War‘s das? Die simple Antwort dazu: Nein.

Made in Hollywood

Van Morrison machte da-nach nämlich etwas, was man von Van Morrison in dieser Art und Weise nie-mals erwartet hätte und erstmals überwog nicht die Vorfreude, sondern der Zweifel, dass er mit der Ankündigung vom Album Astral Weeks – Live at the Hollywood Bowl tatsächlich am Ende seiner kreativen Schaffenskraft war. Nun, bereits der Titel ist ja ir-gendwie eine Art Treppen-witz; eines der legendärs-ten Alben überhaupt als Live-Remake made in Hol-lywood. Er war nicht der erste, der ein solches Vor-haben live umsetzte, und

so gut wie alle sind an die-sem Wagnis, an dieser Un-art, gescheitert, ihre legen-dären Alben 20, 30, 40 Jahre später erneut live aufzuführen, zu rekapitu-lieren, zu reproduzieren: Lou Reed (Berlin), David Bowie (Low), Brian Wilson (Pet Sounds), Sonic Youth (Daydream Nation)… - Wa-rum sollte es bei Van Morri-son klappen? Nun, vielleicht, weil die Lieder auf Astral Weeks als unzerstörbar gel-ten? Aber kann er als 63-jähriger nochmals das heraus-holen, was er mit der jugendli-chen Kraft als 23-jähriger suchte? Noch dazu schaffte es kaum je ein Lied von Astral Weeks in all den Jahren auf die Set-Liste seiner Konzerte, und dann das. Bevor man das Album hörte konnte man witzeln, dass er immerhin zu stärkerem Material zurückge-funden hat, und nachdem man das Album hörte konnte man nur noch über das grafi-sche Fiasko des Album-Covers mäkeln. I’m nothing but a stranger in this world, singt er im Song Astral

Weeks, und diese poetische Aussage von 1968 behielt auch 2008 seine Gültig-keit. Keep it Simple war zugleich sein letztes Studio-Album in den Nuller-Jahren, mit der Live-Variation von Astral Weeks entwich er seiner selbst aufgelegten Reduktion und besann sich wieder seiner ursprünglichen Komplexität. Zudem er-scheint es wie eine Zäsur. Das Original-Album war ja diesbezüglich die erste Zä-sur in seiner (damals noch recht jungen) Karriere, das Album A Period of Transiti-on (1977) markierte seine zweite Zäsur und das Al-bum Too Long in Exile (1993) war ja letzten Endes auch nichts anderes als eine Zäsur. Mag Astral Weeks – Live at the Holly-wood Bowl auch ein grafi-sches Fiasko sein, es ist ein musikalischer Triumph, und mal ehrlich: das ist doch besser als umgekehrt. Was aber macht dieses Live-Album zu einem Tri-umph? Weder rekapitu-liert Van, noch reprodu-ziert Morrison, nein, er lächelt vom Cover herab und ist während der Per-formance angeregt, aus seinen eigenen alten Songs eine neue Kraft zu entwi-ckeln. Er führt diese Songs weiter, fügt ihnen neue Textpassagen hinzu und lässt der Band und sich freien Lauf. Genau das hat ihn so groß gemacht und genau das macht auch die-ses Live-Album so groß. Johannes Wächter von der Süddeutschen Zeitung stellte schließlich in sei-nem Musikblog die Frage in den Raum: —————>>

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Verbindet sich mit diesem Album also ein dauerhafter musikalischer Richtungswech-sel? Es ist unmöglich, das zu prognostizieren, wird aber spannend sein, es zu beobach-ten.

Ich singe, also bin ich

Wir schreiben das Jahr 2012. Es gibt viel zu feiern in diesem Musikjahr. Zum Beispiel 50 Jahre The Beat-les, Rolling Stones, Bob Dylan. Da dürfen auch neue Alben nicht fehlen. Sir Paul McCartney singt auf Kisses On The Bottom Standards und lässt sich von Diana Krall am Piano begleiten, Mick Jagger au-torisiert seine Biografie und die Rolling Stones machen ein lautes Grrr! zum Fünfziger, Bob Dylan füllt mit Tempest einmal mehr die Feuilletons und mit dem Wiedererwachen der Dexys gibt es außer-halb dieser 50er-Jubiläen sogar ein sensationelles Comeback. Last but not least: Nach der 40-Jahr-Feier von Astral Weeks und der Hoffnung seiner Fans sich damit wieder ausrei-chend motiviert zu haben, legt Van Morrison sein 40. Album vor. Titel: Born To Sing: No Plan B (Exile/EMI; 2012). Ja, es ist eine Veränderung eingetreten. Alles, was anders ist, ist gut, sagte Bill Murray, als er im Kinofilm Groundhog Day (dt.: Und täglich grüßt das Murmeltier; 1993) endlich der Zeitschleife entkam. Van Morrison setzte sich zwei Jahre vor diesem Re-lease bewusst in eine Zeit-kapsel, um dieses über-

mächtige Astral Weeks Al-bum live in bisweilen neue Bahnen zu lenken und aus diesem von Mythos um-rankten Album Kraft zu schöpfen und seiner eingerenkten, vorherse-hbaren und von daher we id l ich bequemen, Musikzone zu entfliehen und seiner Karriere einen neuen Schub zu geben. Es ist schon lange her, dass sich seine Begleitband auf einem Studio-Album von Mr. Morrison musikalisch ausbreiten durfte, und noch länger ist es her, dass Van Morrison sozial-gesellschaftskritische Kom-mentare beschreibt. Zuletzt war dies auf dem Album Hard Nose The Highway (1973) in den Songs Wild Children (über die Baby Boom Generation) und The Great Deception (dt.: Der große Betrug) der Fall. Auf dem vorliegenden Album stellt er den Kult des Geldes in Frage. Aus In God We Trust (zu finden auf jedem Ein-Dollar-Schein) wird hier If In Money We Trust und wirft gleich die Frage hinterher: Where's God? Ein düsteres Acht-Minuten-Mantra, das vom Bass und Piano angeschoben und von den Bläsern getragen wird. Mr. Morrison presst kurze, u. a. Nietzsche zitierende, prägnante Fragen aus, wie z.B. When God is dead / And money's not enough / In what do you trust / When it's not enough? und entlässt uns mit der repetitiven Aufforderung darüber ge-fälligst nochmals nach-zudenken. Dieses Thema taucht in den 10 Songs immer wieder auf. So z.B. in der Eröffnungsnummer

Open the Door (To Your Heart), wenn er singt Money doesn't make you ful-filled / Money's just to pay the bills / It's need not greed oder im Song End of the Rainbow, in dem er So much for capitalism, so much for materialism ortet, jedoch No social ladder to climb anymore, sowie in Educating Archie [Archie ist in Irland das Synonym für einfache Leute; Anm.], das die globale Elite des kapital-istischen Systems an den Pranger stellt, da sie die einfachen Leute wie Skla-ven halten bzw. behan-deln. Starke Texte, die auch musikalisch adäquat umgesetzt werden. Vor allem If In Money We Trust ist ein dermaßen packen-der Song auf extrem ho-hem Level. Van Morrison besinnt sich auf seine Tu-genden, ist wieder der Al-chimist, der Sinnsuchen-de, der große Beobachter, der seinen Songs die nöti-ge Zeit gibt sich zu entwi-ckeln. Nur ein Song dau-ert weniger als vier Minu-ten, das ist dafür Close Enough For Jazz. Der einzi-ge Song übrigens, der be-reits auf einem früheren Album, nämlich auf Too Long In Exile (1993) zu fin-den war, dort allerdings als Instrumental, hier erhielt das Lied einen Text. Ne-ben den bereits erwähnten Money-Songs kommt ex-trem gut sein Crossroads-Blues Pagan Heart, auf dem man wieder einmal hört welch großartiger Gi-tarrist Van Morrison ist. Ein eindringlicher Song, der mit jeder Menge Spirit von John Lee Hooker ver-sehen ist und mit zu den

stärksten Momenten in Van Morrisons Karriere gezählt werden kann. Das dritte der großen Drei auf diesem Album ist Track Nummer 2, Goin' Down To Monte Carlo. Van Morri-son ist hier in poetischer Zitatenlaune: Sartre said that hell is other people, I believe that most of them are, singt er an einer Stelle und lässt nach knapp fünf Mi-nuten die Band abschwel-len, damit Paul Moore ein Bass-Solo anbringen, Paul Moran seine Hammond Organ leicht flirren und Van himself am Alt zeigen kann, dass er ja auch ein mehr als passabler Saxofo-nist ist. Transzendental. Mystisch. Intensiv. Passion's everything / When you were born to sing, heißt es im Titelsong, und, in der letz-ten Strophe, When it gets to the part / When the band starts to swing / Then you know everything / 'Cause you were born to sing. Keine Phrasendrescherei, son-dern eine zu Gehör ge-brachte gültige Momen-taufnahme. Die gute alte Leidenschaft. Woher im-mer Van Morrison diesen leidenschaftlichen Drang wieder hervorholte, es ist da, sein (erstes) großes Al-terswerk. //

Text: Manfred Horak Foto: Exile Productions

@ www.vanmorrison.com

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Wenn eine Inszenierung derart die Gemüter erhitzt, dass das Publikumsge-spräch beinahe ebenso lang wie das Stück andau-ert, ist das zum einen gut für die Regisseurin Angela Richter, da sie mit dem kontroversen wie aktuel-lem Stück auf weitere Auf-führungen hoffen darf, und zum zweiten heißt das in diesem konkreten Fall vor allem eine vehemente, etwas unglücklich verlau-fende Grundsatzdebatte rund um den polarisieren-den WikiLeaks-Gründer Julian Assange. Es braucht eben auch ei-nen, der sich da hinstellt und die Kacke frisst In dem in performativer Richter-Manier abgehalte-nen Stück, das ungern mit Brüchen und V-Effekten spart, geht es darum zu zeigen welche Kraft, wie schnelllebig und sensati-onsgierig das mediale Echo in Zusammenhang mit der

Bloßstellung und Vorver-urteilung eines wegen se-xueller Nötigung und poli-tisch verfolgten einflussrei-chen Assange hat. Angela Richter bietet dazu be-wusst einen medialen Ge-genentwurf mit einer gehö-rigen Portion beabsichtig-ter Provokation an. "Es braucht eben auch einen, der sich da hinstellt und die Ka-cke frisst", meint Richter, die überzeugt ist, dass an Assange ein Exempel statu-iert wird, um weitere un-kontrollierbare Internet-Anarchisten vom Leib zu halten. Schließlich wüsste niemand was mit ihm pas-siert, wenn er an die USA ausgeliefert würde, wo ihn einige seit geraumer Zeit bereits gern auf der Ab-schussliste der CIA sehen würden. Gemimte Ausschnitte aus Originalgesprächen Dem zur kindlich naiven und idealistischen Kunstfi-gur auserkorene Assange wird auf der Bühne bei Richter und Co. deutlich mehr Solidarität zuteil, als momentan im abgeschie-denen Quartier in der eku-adorianischen Botschaft in Schweden. Neben gemim-ten Ausschnitten aus den Originalgesprächen zwi-schen Richter und Assan-ge, die ihn dafür in der Botschaft besuchte, setzt sich das Protokollartige und das Spiel mit Brüchen auch in den gezeigten Vi-

deos und eingebauten Zita-ten unterschiedlicher Tex-te zum Einfluss und der Rolle von WikiLeaks als Kontrollorgan der Macht durch die ganze Inszenie-rung fort. Originell ist der Einfall, alle Mitwirkenden als verkleidete Gorillas auftreten zu lassen, alle mit anders geformten, de-tailreichem Gesicht, wohl-gemerkt. Diese lassen ein bisschen etwas von der anonymen, aber allgegen-wärtigen Macht und Anar-chie der Whistle-Blower und Hacker spüren, wenn auch nur als Grundstim-mung für den Abend. Richter wird ihrem Na-men im wahrsten Sinne des Wortes gerecht Die Regisseurin begibt sich mit ihrem Anspruch viele Lücken auf einmal füllen zu wollen mit diesem für die Thematik zu glatt ge-formten Stück auf unsiche-res Terrain, da sie mit der auf die Beteiligten un-gleich aufgeteilten Mi-schung aus Fakt und Dis-kurs etwas zu sehr zum Sprachrohr von Assange wird und ihrem Namen im wahrsten Sinne des Wor-tes gerecht werden will. Die Details rund um die

sympathisch menschelnde Privatperson Assange mit einer Schwäche für ihm erlegene Frauen, lassen das

A S S A S S I N A T E A S S A N G E Der stark polarisierende WikiLeaks-Gründer Julian Assange steht im Zentrum des Theaterstücks Assassinate Assange von Regisseurin Angela Richter, das im Rahmen der Freedom of Speech Reihe im Wiener Brut aufgeführt wurde. Wie diese Mischung aus Fakt und Diskurs aufgenommen wurde weiß Kathrin Blasbichler.

Publikum etwas unbehol-fen im Regen stehen, da der Spagat zum gesamtpoli-tischen und medialen Dis-kurs, den Richter spannen will, zu waghalsig scheint. Zu nahe ist sie an den ver-meintlichen Fakten dran und zu fern von einer me-taphorischen Ebene. Die Darstellung läuft Gefahr, nur eine weitere Projekti-onsfläche für die aufgela-denen Diskurse um Assan-ge zu werden und als Pro-vokationsfalle zu dienen. In diese, mit voller Wucht und mit deutlichen Kampfparolen ausgestattet, sind prompt auch die kämpferisch allzeit berei-ten VertreterInnen der Basisgruppe der Theater, Film- und Medienwissen-schaft, sowie einige Anwe-senden im Publikumsge-spräch am Sonntag ge-tappt. Schade nur, dass sich die Diskussion auf den Aspekt der Anschuldi-gung wegen sexueller Nöti-gung gegen Assange redu-zierte und mehr Nerven als konstruktive Einsichten forderte. //

Text: Kathrin Blasbichler Fotos: Arno Declair @ www.brut-wien.at

@ http://wikileaks.org/

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Die verlorene Ehre eines Supernerds?

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Meine Katze und ich K A T J A & K O T J A Als Vorlage für das Theaterstück diente das Bilderbuch Katja, Kotja und die künstliche Sonne des ukrainischen Schriftstellers Wjatscesla J. Burlaka. Die (Vormittags!) Premiere feierte der Jungwild-Förderpreisträger für junges Theater 2012 über die Geschichte eines Mädchen und seiner Katze - oder, wie Kotja es sagen würde, einer Katze und seinem Mädchen - bei Szene Bunte Wähne.

Zwei Stühle, eine Projekti-onsfläche, eine Gitarre und ein Kassettenrecorder. Vor einem denkbar einfa-chen Bühnenbild entfaltet sich dem Publikum die ganze Komplexität von Kernspaltung und Nukle-arenergie.

Die Sonne kann durch N I C H T S e r s e t z t w e r d e n Das Atomkraftwerk ist wie eine Sonne, tief unter der Erde, die man an- und ausschalten kann. Und dieses An- und Ausschal-ten ist die Aufgabe von Katjas Papa. Der eines Ta-ges nach einer Explosion im Kraftwerk nicht heim-kommt, just an Katjas Ge-burtstag. Anstatt der er-sehnten Feier mit den Spielkameraden gibt es Flucht, die Heimat wird zur Zone erklärt, die nie-mand mehr betreten darf. Kotja muss zurück bleiben, aber sie ist die Herrin der Zone und sie wird nicht verhungern, denn sie ist da daheim. So sieht es Kat-ja, die mit der Mutter bei der Großmutter ein neues Zuhause findet. Mit dem Unfall im Atomreaktor schleichen sich die Dishar-monien in die Geschichte, die sehr schön in Spiel und Musik zu erkennen sind. Verzerrte Perspekti-

ven schleichen sich ein, und zurück bleibt eine Einsamkeit und Sehn-sucht, die sich an Kleinig-keiten manifestiert, wie an dem zurückgebliebenen Boot des Vaters, der, ver-letzt, ebenfalls zurückblei-ben muss. Als der Vater schließlich nach dem Som-mer doch noch heim-kommt ist die Wiederse-hensfreude groß, und Kot-ja bemüht sich auch über des Vaters Überraschung zu freuen: eine Spielzeug-katze. Trotz allem ist sich Katja sicher, Kotja kann durch nichts ersetzt wer-den. Und die Sonne auch nicht.

Schwierige Thematik mit eindrucksvollem Zugang Fokussiert auf die Wahr-nehmung des Kindes nä-hern sich Michael Pöll-mann (Regie) und Julia Perschon (Dramaturgie) einer schwierigen Thema-tik und schaffen so einen eindrucksvollen Zugang. Martin Hemmer und Suse Lichtenberger führen das Publikum in Teilen auch interaktiv durch Katjas Geschichte, von audiovisu-ellen Impulsen begleitet (Projektionen: Stefan Ei-peltauer). Während Hem-mer abwechselnd in die Rollen von Katze Kotja, Mutter oder Vater

schlüpft, bleibt Katja (Suse Lichtenberger) immer Kat-ja. Die Ich-Form in der Erzählhaltung erzeugt Em-pathie und noch viel mehr. Die überschauba-ren, einzelnen Bilder, die den Erzählfluss unterbre-chen, verleihen dem Stück Lebendigkeit. Komik und Gefühl als Motive sind im Agieren der beiden gleich-berechtigen Erzähler fix verankert: während Lich-tenberger als Katja durch-gehend für den emotiona-len Teil der Geschichte zuständig ist, übernimmt Hemmer, ob als eitle, be-stimmende Katze Kotja oder unbeholfenen Vater durchwegs den komischen Part.

Publikumsbindung mit zartem Humor

Das gibt dem Stück nicht nur eine fixe Struktur, sondern sorgt auch für ein entspanntes Gleichgewicht zwischen Ernsthaftigkeit und Komik. Schließlich gelingt es das Publikum mit zartem Humor an die Geschichte zu binden, oh-ne auch nur ein einziges Mal platt daherzukom-men. Ein Meisterstück in Zeiten wo im Schober-schen Stil oft auf sehr klei-ner Flamme gekocht wird.

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Das raunende Beschwören des Imperfekts Musik (Gitarre live von Michael Hemmer), das Bühnen-bild und die in hellen Blau- und Grautönen gehaltenen Kostüme (beides Agnes Burghardt) unterstreichen die Sanftheit der Erzählung. Die Bilder, die an die Leinwand projiziert werden, sehen teilweise wie kaputte Polaroidbil-der aus. Sie bleiben stets abstrakt und unscharf, verleihen aber eben dadurch dem Stück Präzision. Mit Gegensätzen scheinen Dramaturgie und Regie zu spielen und fügen dennoch alles zu einem harmonischen Ganzen. Poetische Bilder in Klang und Farbe, Traurigkeit und Hoffnung und Wiedersehensfreude, und das raunende Beschwören des Im-perfekts lassen das Geschehen zeitlos wirken. Und doch ist es ein Brückenschlag zwischen einer Generation Tscherno-byl und einer Generation Fukushima, die vergessene und verdrängte Erinnerungen an die Katastrophen wieder ins Gedächtnis rücken. Obwohl die Premiere für das Jungwild Preisträger Stück nur im wochentäglichen Vormittagspro-gramm (!) des Szene Bunte Wähne Festivals Platz gefun-den hat, fand das Stück beim Publikum großen Anklang. Auch in Wien waren die bisher gezeigten drei Vorstellun-gen gut besucht. Vom 26. bis 29. November 2012 ist "Katja und Kotja" im Tao! Theater am Ortweinplatz (Graz) zu sehen, im Frühjahr 2013 soll es im Dschungel Wien wieder aufgenommen werden. Gut so! //

Text: Anne Aschenbrenner

Zeichnung: Dorothee Schwab

Foto: Lena Sudmann

@ www.werk89.com/

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D I E V E R M E S S U N G D E R W E L T I N 3 D "Genau wie Humboldt und Gauß damals Neuland betreten haben, betreten wir jetzt Neuland mit 3D", kommt Produzent Claus Boje jenen Leuten zuvor, die dieser neuen kinematographischen Sprache kritisch gegenüber stehen. Wir blickten durch die 3D-Brille, um zu sehen, ob diese erweiterte Wahrnehmung, der Blick durchs Fenster, der Verfilmung tatsächlich dienlich ist.

2005 erschienen, war es im Jahr drauf das weltweit zweitmeistverkaufte Buch, wenig später wurde es be-reits als Schullektüre einge-setzt: Die Vermessung der Welt von Daniel Kehl-mann. Unter der Regie von Detlev Buck entstand nun also die filmische Um-setzung dieser fiktiven Doppelbiografie des Ma-thematikers Carl Friedrich Gauß (1777-1855) und des Naturforschers Alexander von Humboldt (1769-1859). Die Frage, was der Film kann, was das Buch nicht kann, sollte erst gar nicht zur Debatte stehen, schon alleine, weil Daniel

Kehlmann das Drehbuch schrieb, beim Schnitt da-bei war, als Off-Stimme im Film zu hören ist, und in einer extra für den Film erfundenen Szene als hochrangiger Höfling zu sehen ist, aber natürlich auch, weil man im Film alles zeigen muss, während man sich beim Lesen eines Buches seine eigenen Bil-der macht. Der Film ist großartig. Skurril. Ver-schroben. Anspruchsvoll. 3D Technologie gestern und heute Und das Dings mit dem 3D? Erster Impuls: Ver-

3D im Kino erstmals be-reits im Jahr 1915 einge-setzt wurde, in den 1950er Jahren einen Boom erlebte und aufgrund der digitalen Möglichkeiten in den letz-ten Jahren einen neuen Schub erhielt. Zweiter Im-puls: Es geht darin ja gar nicht um Effekthascherei, sondern einfach um den Einsatz der stark weiter entwickelten Filmgramma-tik digitaler 3D Technolo-gie. Noch ist es eher Ge-schmacksfrage, ob man unbedingt ein paar Mü-cken plastisch nahe um einen herum schwirren sehen und ob man gene-rell die Räumlichkeit ver-

stärkt visualisiert bekom-men möchte. Selbstverständlichkeit ist immer nur eine Frage der Zeit In ein paar Jahren wird die Geschmacksfrage vermut-lich obsolet sein, alle wer-den sich daran gewöhnt haben und 3D-Kino könn-te um die Mitte des 21. Jahrhunderts so selbstver-ständlich sein wie die Schlange vor der Super-markt-Kassa anno 2012. Um früher einen 3D-Eindruck zu erhalten, musste man klobige Bril-len aufsetzen. ———->>

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Das blaue und das rote Glas wirkte dabei als Filter und rief die Illusion her-vor, drei Dimensionen zu sehen. Nur ein simpler Trick Letztendlich war die Tie-fenwahrnehmung ein fast schon simpler Trick. Besse-re Ergebnisse liefern die mittlerweile eingesetzten 3D-Brillen mit polarisier-ten Gläsern, sodass das linke und das rechte Auge unterschiedlich polarisie-rende Bilder sehen, dies in allen Farben, nicht nur in Blau und Rot. Zukunft der Filmtechnik Die am weitesten fortge-schrittene 3D-Version sind jedoch Hologramme, und

diese (brillenlose) Version sollte laut dem Star-Physiker Michio Kaku be-reits in der nahen Zukunft möglich sein. Das Problem ist (noch), dass Hologram-me sehr schwer herzustel-len sind und dass die In-formationsspeicherung die gängigen Kapazitäten über-steigt. Jetzt ist der Augenblick für immer verloren Aber wieder zurück zum historischen Kostümfilm Die Vermessung der Welt, der noch am Anfang die-ser Entwicklungsstufe steht und von daher einen wichtigen Beitrag zur Wei-terentwicklung der Kino-filmgeschichte leistet: Da gibt es diese eine Szene mit dem ersten Fotoappa-

rat von Louis Daguerre, mit dem Humboldt und Gauß aufgenommen wer-den sollten. Gauß dauerte die Prozedur zu lange, fin-det es nur lächerlich, die Aufnahme verwackelte. "Jetzt ist der Augenblick für immer verloren", lamentiert Humboldt. Gauß erwidert Humboldts Aussage voll-kommen unbeeindruckt: "Wie alle anderen, mein Lie-ber, wie alle anderen. Gibt es was zu essen?" Die Quintessenz Diese kurze Szene ist Sinn-bild für den ganzen Film an sich. Hier ist alles verei-nigt was den Film aus-macht. Der feine Humor selbst, der den Film trägt und die Quintessenz dieser zwei so gegensätzlichen

Forscher und Entdecker, von Albrecht Abraham Schuch als Alexander von Humboldt und Florian David Fitz als Carl Fried-rich Gauß herausragend dargestellt. Die parallel verlaufende Handlung steht sich dabei nicht im Weg, gerade die bisweilen absurden Gegen-sätze vermitteln eine span-nende Dramaturgie und letzten Endes wurde hier ein ganz großes Erzählkino vermessen. Dritter Impuls: Die Vermessung der Welt ist es wert, mehr als einmal gesehen zu werden. //

Text: Manfred Horak Fotos: Filmladen Filmverleih

Kinostart: 25.10.2012

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D I E T R A G Ö D I E D E S M E N S C H E N Das mysteriös psychologisch düstere Musiktheaterstück Der Rorschach Text unter Verwendung von Textstellen aus der dramatischen Dichtung von Imre Madách (1823-1864) und mit Franz Liszts Faust-Sinfonie kam im Theater Nestroyhof Hamakom unter der Regie von Thomas Desi zur Aufführung.

Die schweizerische Flüchtlingspolitik im Zweiten Weltkrieg ist von zentraler Bedeutung dieses zweieinhalb stündigen Theaterabends mit Tristan Jorde als Faust, Karl Maria Kinsky als Luzifer, Mia Krieghofer als Eva und der Sopranistin Judith Halász. In einem ein-zelnen Güterwaggon weg vom totalen Krieg in Wien des Jahres 1942 nach Rorschach in der Schweiz will sich nämlich ein mit Pel-zen beladener, sowie mit in Schmalz eingelegten Edelsteinen ungari-scher Pelzhändler samt 13-jähriger Tochter begeben. Zu Hilfe kom-men soll ihnen dabei der Teufel in der Gestalt eines Wiener Strizzi, der ihnen den Güterwaggon verkauft und auch eine Lokomotive beschaffen soll.

Das Boot ist voll

Obwohl der Schweizer Bundesrat im Sommer 1942 wusste, dass den zurückgewiesenen Flüchtlingen die Deportation nach Osteuro-pa und damit der Tod drohte, galten Juden nicht mehr als politi-sche Flüchtlinge. Einer der billigsten Ausreden überhaupt wurde im Zuge dessen geprägt: Das Boot ist voll. Hilfswerke und Teile der Be-völkerung protestierten vehement gegen die Grenzschließung und ein Schweizer Student sah bereits im Oktober 1942 voraus, in wel-che Schwierigkeiten die Einschränkung des Asylrechts die Schweiz nach dem Krieg bringen würde. Insbesondere die praktische Ver-weigerung des Asyls für Juden kritisierte dieser, als er in einer Pro-testnote unter anderem schrieb: "Wir können und müssen heute auf mancherlei Rechte verzichten, aber von dem Recht und der Pflicht zur Menschlichkeit können und dürfen wir uns nicht dispensieren.

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dáchs dramatischer Dich-tung übrigens die These, dass der bis zum höchsten Grad individueller Freiheit gelangende Mensch not-wendigerweise am Kollek-tiv zerbrechen muss und dass er sich deshalb schließlich in die naturge-gebenen Grenzen schickt. "Die Frau als Sinnbild des unbesiegbaren Lebensin-stinkts", so Schlachter, "rettet den Mann der selbst-mörderischen Bindungslosig-keit des rein Geistigen. Dass solche Konzeption die einer Tragödie ist, offenbart Ma-dáchs schon modernen Pessi-mismus."

Unheimliches Ganzes

All diese unterschiedli-chen Schichten verknüpft der Regisseur und Textau-tor Thomas Desi zu einem unheimlichen Ganzen. Das Da r s t e l l e r - T r io verstand es mit diesen komplexen Strukturen des Stückes gekonnt umzuge-hen und in der Darstel-lung zu glänzen, sei es die jüngste auf der Bühne, Mia Krieghofer, sei es der Wiener Vorstadtstrizzi in der Person von Karl Maria Kinsky, und vor allem Tris-tan Jorde als Hauptakteur, der einmal mehr sein enor-mes Potenzial und seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellte. Heraus kam letzten Endes ein sehr gut funktionierendes und stre-ckenweise brillantes Stück mit unterhaltenden Ele-menten, das hohe Ansprü-che ans Publikum stellt. //

Text: Manfred Horak Foto: Barbara Pálffy

Nachher, wenn es wieder leichter, billiger und weniger riskant sein wird, menschlich zu sein, ist es dazu dann eben zu spät."

Eine kleine Staatsaffäre löste ein Brief von Schüle-rinnen aus Rorschach an die Sehr geehrten Herren Bundesräte aus, indem sie einerseits die Vermutung aufstellten, "dass es ja sein kann, dass Sie den Befehl erhalten haben, keine Juden aufzunehmen", und sich andererseits beschwerten, dass man "Flüchtlinge ins Elend, ja in den sicheren Tod zurückstoße". Als Conclusio baten die Briefeschreiber um Aufnahme dieser Ärmsten und Heimatlo-sen. Bundesrat Eduard von Steiger rechtfertigte sich in einer Rede, dass man unter Umständen sogar hart und unnachgie-big zu scheinen hat, und "man muss Vorwürfe, Be-schimpfungen und Verleum-dungen ertragen und trotzdem widerstehen können und nicht umfallen" und schloss diese Rede mit der Begründung, dass eben das Boot voll sei. Zudem wurde aber auch die Bundesanwaltschaft eingeschaltet, die Schüle-rinnen und das Lehrperso-nal verhört und letzten Endes alles als Missverständ-nis abgetan. Den Schü-lerinnen wurde Stillschwei-gen auferlegt, und in Ror-schach hörte jahrelang niemand etwas über die-sen Brief.

Das Leben und die

Realität in Frage stellen Das ist nur eine Kompo-nente vom Theaterstück, eine weitere sind die musi-kalischen Elemente: "Der Bajazzo (Finale)" von Rug-gero Leoncavallo, "Selig sind, die Verfolgung lei-den" von Wilhelm Kienzl, "Trauriger Sonntag" von Rezsö Seress und der "Mephisto Walzer Nr. 1" aus der "Faust-Sinfonie" von Franz Liszt, jener sin-fonischen Antwort auf Goethes Faust, in der er die Dichotomie zwischen Dichtkunst und Musik, sowie zwischen Leben und Realität in Frage stellte und so das Genre der sym-phonischen Dichtung schuf. Die Beziehung zwi-schen Text und Musik zeigt hier auf bemerkens-werte Weise, wie Worte oder ein dramatischer Hin-tergrund die zulässigen Grenzen der Harmonie-sprache verschieben kön-nen. Die Idee hinter dieser neuartigen Form war, Bil-der heraufzubeschwören und dennoch die struktu-relle Komplexität zu erhal-ten die bezeichnend ist für den ersten Satz einer Sym-phonie. Heute noch ist es ein Werk von größter Re-levanz, da es nach Freiheit und Befreiung strebt, oder, wie Noam Chomsky, einer der weltweit bekanntesten linken Intellektuellen, es einmal so treffend formu-lierte: "In jeder Phase der Geschichte muss es unser Anliegen sein, die Formen von Autorität und Unterdrückung niederzureißen, die ein Zeital-ter überdauert haben, in dem sie vielleicht gerechtfertigt

waren." Und schließlich erhält das Stück noch eine dritte wichtige Komponen-te, und zwar in Form von Zitaten aus dem Buch "Die Tragödie des Menschen" vom ungarischen Autor Imre Madách (1823-1864). Diese in Blankversen ge-schriebene dramatische Dichtung in 15 Bildern ist erstmals im Jahr 1861 er-schienen und hat in der ungarischen Literatur ei-nen ähnlichen Rang wie die Faust-Dichtung von Goethe in der deutschen Literatur. Die Hauptfigu-ren in dem Werk sind Lu-zifer als quasi Regisseur des Ganzen und Geist der ewigen Verneinung, Adam als der rastlos Strebende, an dem sich erweist, dass jedes Menschheitsideal zum Scheitern verurteilt ist, sowie Eva als Verkörpe-rung des Prinzips diesseiti-ger Lebensbejahung, die im Theaterstück eine Transformation erhält. Zu sehen ist sie hier nicht als erwachsene Frau von Adam, sondern, wie ein-gangs erwähnt, als Tochter des Pelzhändlers. Dem romantisch-düsteren Pessi-mismus dieses Dramas zum Trotz wird der Kon-flikt - der Kampf zwischen dem göttlichen und dem satanischen Prinzip - doch schon weitgehend im Geis-te eines illusionslosen Rea-lismus entwickelt und ges-taltet und die wilde Hart-näckigkeit, mit der Adam das Absolute sucht, endet bei Madách mit der tapfe-ren Bejahung der Unmög-lichkeit, es zu erjagen. Der deutsche Sprachwissen-s c h a f t l e r W o l f g a n g Schlachter vertrat von Ma-

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Foto: Manfred Horak

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Die Discokugel aus den 70ern hat ausgedient und wurde durch die Lightjo-ckeys der 80er und frühen 90er Jahre ersetzt. Ein paar Jahre später hat sich eine weitere Form des Lichtjo-ckeys in der Club- und Partyszene durchgesetzt und ist längst zu einer eige-nen Kunstform avanciert: der Visual Jockey (VJ). Ein Videokünstler, der durch Bilder, Effekte und Ein-spielungen Musik auch visuell erfahrbar macht. Er trägt zur Stimmung des Publikums maßgeblich bei und ist aus der elektroni-schen Musikszene, die mit DJs in der Musik und von den VJs in der Gestaltung

und Licht, im besten Fall eine Einheit für das Publi-kum bilden, nicht mehr wegzudenken.

Illusion des Lichts

Da wird aus einem dunk-len Kellerraum mit schwar-zen Wänden plötzlich ein barocker Tanzsaal oder ein eintöniger Clubraum mit Spiegelwänden zum tan-zenden Fraktalspektakel und man selbst wird Teil der zuckenden Arme. Ein Raum verwandelt sich und kann plötzlich zu allem werden. Eine ganze Ge-schichte wird erzählt. Die Gäste und Tanzenden be-merken mit Erstaunen, was die Illusion des Lichts

und der Bilder in ihnen auslöst und ob Interaktion mit den geschaffenen Räu-men erfolgt oder nicht. Die Dekorateure und die visuellen Medienkünstler bestimmen und beeinflus-sen die elektronische Mu-sikszene mit. Die Frage, die auftaucht, ist: wie weit verstehen sich diese auch als Künstler? Ist die Illusi-on, die sie erschaffen, Kunst für den Moment? Wie weit steht Überlegung hinter den visuellen Kon-zepten oder werden die Bilder nur rein zufällig aneinander gereiht? Sobald man den Begriff der visuel-len Kunst recherchiert, oder auch nur den Begriff

Neue Medienkunst: Vom Light- zum Visual Jockey Am 13. Oktober 2012 war es so weit: die 3D Ultrabook Tour war am Karlsplatz gelandet. Mit eigens ausges-tattetem Audiovisions Bus kam Markos Aristides nach Wien, um ein historisch bedeutsames Gebäude, die Karlskirche, zu bespielen. Begleitend dazu der Sound von Makossa & Megablast. Bei freiem Eintritt wurde gestaunt und fotografiert. Ein Anlass für Anne Jan auch die heimische Szene der audio-visuellen Künstler näher unter die Lupe zu nehmen, umso mehr, weil Wien als Hochburg der Visual Jockey Szene gilt.

VJ, so taucht folgende Be-schreibung, z.B. in Wikipe-dia, auf: „Die Abkürzung VJ entwickelte sich in An-lehnung an die Begrifflich-keit des Discjockeys (DJ) und des Lightjockeys (LJ). Nicht zu verwechseln ist der Visual Jockey mit dem Video Jockey. Die in TV-Musiksendungen stattfin-dende Moderatoren -Tätigkeit eines Video Jo-ckeys unterscheidet sich deutlich von der künstleri-schen Performance eines Visual Jockeys. Besonders in der VJ-Hochburg Wien findet seit einigen Jahren eine Debatte zur Bezeich-nung der VJs statt. ————->>

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So verbreitet sich hier im-mer mehr die Bezeichnung Visualist. Einerseits zur besseren begrifflichen Ab-grenzung zum Video Jo-ckey, andererseits aber auch, um neue Strömun-gen in der Szene zu be-schreiben. So geht die Ten-denz in jüngerer Zeit im-mer mehr in Richtung Live-Generierung von Content. Im Unterschied zum klassischen VJ, der im Live-Einsatz auf bereits bestehendes Material (in Form von Videoclips, Ani-mationen, Fotos usw.) zu-rückgreift, generiert der Visualist das Material wäh-rend des Einsatzes in Echt-zeit. Dazu verwendet er sog. generative Software.―

Das Gefühl eines endlosen Raumes

VJs verwenden also eigene Software, die sie dann un-terschiedlich verifizieren. Die ersten wurden aller-dings selbst geschrieben. Einer, der sich als Großva-ter der VJs bezeichnet, ist El Geko alias Gerhardt Kohl-maier. Ein Grazer, der in Wien Fuß fasste, und wenn er auch vorerst nur mit Videoprojektionen einen Raum bespielte, bei-spielsweise in der Arena bei den Ultimate Raves oder XXX Produktionen in den alten Gasometern in den frühen 90er Jahren, begann er schon bald selbst Programme für Ani-mation zu entwickeln, die es ihm zudem ermöglich-ten, Live Einspielungen zu tätigen. Fraktale, die sich selbst immer weiter insze-nieren und Spektralfarben auf Amiga-Computern zu entwickeln, waren sein Beginn. Bald folgten Live-

Bilder der Tanzenden über eine eigens installierte Ka-mera und vermittelten so das Gefühl eines endlosen Raumes, erweitert mit pul-sierenden, farbigen Bil-dern auf Großflächenpro-jektionen. Zwischen 1994 und 1997 produzierte und veröffentlichte El Geko 36 einstündige Editionen von XTRAX, einem monatlich erscheinenden Programm, dem nachgesagt wird, dass es zu jeder Musik passt. Heute ist El Geko einer der international meist ge-buchten VJs, besonders in der Psytrance Szene. Ge-bucht wird er für Events, Partys und Festivals mit bis zu 7000 und mehr Besu-chern. Seine Referenzliste ist beeindruckend und reicht von der Vortex Mille-nium-Party 1999/2000 in Capetown, Südafrika, dem Vision Quest Festival in Na-gano, Japan, dem Optical Matrix im russischen St. Petersburg bis hin zum Sonnenklang Festival in Ös-terreich und der XXXpe-rience Celebration in Rio de Janeiro und Sao Paulo (Brasilien).

Gute VJs erkennt man an der eigenen Bilderwelt

Ein anderer Meister seines Fachs ist Fritz Fitzke, gebo-ren 1961. Er tourt nicht nur seit 1998 international mit DJs wie Kruder und Dorfmeister, sondern lie-fert auch Bilder für Thea-ter und Oper, aber auch beispielsweise für Hubert von Goiserns Donau-schiffstour 2007/2008 auf einem Frachter mit Kon-zertbühne und dessen Eu-ropatournee 2009. „Einen guten VJ erkennt man an seiner eigenen Bilderwelt, an

der künstlerischen Tiefe und der Wiedererkennbarkeit - sein Stil ist unverwechselbar―, sagt er. Fitzke verwandelt Räume mittels 3D-Mapping und LED-Wänden. Da wird aus ei-nem langweiligen, vierecki-gen Raum plötzlich ein Festsaal mit rotierenden Säulen und gemalten En-geln an der Decke. Pas-send zur Musik variieren dann die Farben. Dazu nimmt er den Raum in seiner ursprünglichen Form fotografisch auf und verwandelt mittels Projek-tionen die Textur und Be-schaffenheit der Wände. In seiner Kunst wird aus Licht und Strukturen die entscheidende Illusion. Begonnen hat Fritz Fitzke 1982 mit einzelnen Dia-projektoren. Er hat die Grafische absolviert und zuerst Dias überblendet, um dadurch, für den Mo-ment, neue Bilder entste-hen zu lassen, manchmal mit mehr als vier Projekto-ren gleichzeitig. Ähnlich wie ein DJ aus mehreren Musiktracks einen Neuen mischt, so verwandelt, ver-fremdet und verformt er seine Bilder und erschafft dadurch Neues. Von El Geko habe er dennoch viel gelernt, sagt er, denn die-ser wäre der erste gewesen, der schon immer mit Film und Videosignal gearbeitet hat. Für große Projekte waren sie dann auch manchmal gemeinsam am Werk. Bald hat Fritz Fitzke ebenfalls digital gearbeitet und sich eigene Software für seine Bilderwelten ge-schaffen: „Das ist weit einfa-cher in der Bedienung und zudem schneller―, meint er. „Es ist die Kraft der Synchro-

nizität von Licht, Ton und Bild, die schließlich den Thea-terzauber ausmacht―, so Fritz Fitzke weiter, und: ―Dies geschehe selten, aber wenn, dann setze sie unglaubliche Energien frei. Diese Synchro-nizität suche und versuche ich in meiner Arbeit.― Die Zeit, die es braucht große Pro-jekte vorzubereiten, ist unterschiedlich lang. Von einer Woche bis zu einem Jahr dauern manche Vor-bereitungen. Derzeit berei-tet er sich auf sein erstes eigenes multimediales Pro-jekt vor, das mit DJ Gümix in der Roten Bar im Volks-theater Wien seit Septem-ber 2012 regelmäßig statt-findet. Weitere Künstler, die er schätzt und mit de-nen er ebenfalls eng zu-sammenarbeitet sind u.a. Lichttapete, die sich auf die Veränderung der Struktur von Wänden spezialisiert haben und Julia Starsky. Ihre Welten werden mit Worten sichtbar und un-terstützt. Fritz Fitzke ist ein multimedialer Künstler, der nicht nur die Visuali-sierung perfekt beherrscht, sondern auch Grafiken herstellt, mit dem Schwer-punkt der digitalen Ver-fremdung fotografiert und selbst Musik macht.

Umfassendes Raum– und Multimediakonzept

Aber auch andere Raumin-stallationskünstler bieten einen nicht zu unterschät-zenden Nährboden für die Interaktion der Partygäste. So bietet zum Beispiel Andreas Gölltl alias Der lustige Astronaut ein umfas-sendes Raum- und Multi-mediakonzept für eine gesamte Veranstaltung. ————->>

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Seine Installationen beste-hen aus Stoffbahnen, die sich in geometrischen Mustern über die Tanzflä-che spannen. Oft nur weiß, um darauf wieder-holt Videoinstallationen zu projizieren. Da er auch als einer der großen Veran-stalter fungiert, z.B. vom Paradise Festival, weiß er, worauf es ankommt. Aus einem simplen Platz muss mehr werden. Der Raum soll grenzenlos sein, Illusi-onen und Fantasien müs-sen Platz haben. Die Inter-aktion der Gäste mit den Installationsobjekten soll stattfinden können. Er baut riesige Gebilde aus Draht und setzt diese je nach Bedarf am Rande der Tanzfläche ein, auch hier ein Wechsel der Farben und Bilder. Aber auch die Umgebung wird für die Projektionen herangezo-gen. So zeigt die Steilwand in Falkenstein plötzlich Gesichter aus Licht und Schatten, schemenhaft, so dass man als Betrachter nicht sicher sein kann, sind sie Illusionen, durch den Fels und das Licht der Tanzfläche entstanden, oder absichtlich gesetzt. Diese Effekte setzt Sikanda, ebenfalls ein namhafter VJ der österreichischen Szene. Andreas Gölltl sieht in der Fusion von Kunst und Entertainment in der Par-tyszene enormes Potential für das Publikum und sieht sich in der Rolle des Veranstalters als verbin-dendes Element. So findet man beispielsweise auf dem Festivalgelände von Paradise eine Kunst-Galerie. Diese nennt sich looney moon visions und wird von Marek Weitzen

geführt. Er entscheidet, welche Künstler ihre Wer-ke präsentieren. Die mobi-le Galerie reist im Sommer von Festival zu Festival. Seine Werke und die sei-ner Künstlerkollegen sind somit international ausge-stellt und auf namhaften Festivals wie BOOM und Ozora zu finden. In diesem ungewöhnlichen Setting kann man die Werke nicht nur stundenlang in Ruhe betrachten, sondern sie vor Ort auch kaufen. Ne-ben den üblichen in fluo-reszierenden, fantastischen Gemälden und Grafiken, finden sich auch andere bemerkenswerte Arbeiten, wie beispielsweise die Zeichnungen von Subliqui-da. Er verbindet Formen der Natur grafisch und gestaltet sie neu, mit Blei-stift in simplem Schwarz auf Weiß. Die beiden Bild-hälften sind keinesfalls gänzlich symmetrisch, wie der erste Blick vermuten lässt. Denn wie in der Na-tur, ergeben sich kleine Unterschiede, die nur bei genauerer Betrachtung offensichtlich werden. „Zuerst ist das Blatt nur weiß oder schwarz, dann erzählen mir meine Gedanken nach und nach, was es werden soll und ich gestalte eine nur ober-flächlich sichtbare Symmetrie aus Formen, wie sie in der Natur zu entdecken sind.―

Geometrische Formen zur Gestaltung der Dekorationsbahnen

Der österreichische Maler und Visualist Michael Mo-ser stellt hier ebenfalls aus. Er ist einer der aufstreben-den jungen Künstler der Szene. Nach einer grafi-schen Ausbildung begann

er zu malen und stellt nicht nur in Weitzens Ga-lerie seine außergewöhnli-chen Bilder aus. Meist in Naturtönen gehalten, bie-ten seine surrealistischen Figuren viel Platz für Inter-pretation. Anders als viele seiner Kolleg/innen arbei-tet er mit gedeckten Far-ben und runden Formen. Auch er gestaltet Festival- und Tanzflächendekoratio-nen. Dies unter der For-mation Darklines mit sei-nem Bruder Andreas. Sei-ne Stoffe, die meist aus Gaze oder Lycra bestehen, werden nach grafischen Vorlagen geschnitten und schließlich verknüpft. Geo-metrische Formen sind ein wichtiges Element in der Gestaltung der Dekorati-onsbahnen. Meist in weiß, um Platz für die Projektio-nen und Bilder der Video-künstler zu schaffen. Manchmal aber auch bunt und fluoreszierend, im Schwarzlicht glühend, um auch im Dunkeln und dann im Tageslicht einen Blickfang für das Publi-kum zu bieten. Manches erscheint wie eine florale Landschaft. „Leider wird die Dekorationsherstellung immer noch nicht als eigene Kunst verstanden―, meint er. Sie sei oft unterbezahlt, zu kurzfristig angefragt und ein Stiefkind der Partykul-tur. Seit sechs Jahren stellt er unterschiedliche Bah-nen, Zelte und Dekomate-rialien aus Stoff her. Diese verändern sich je nach Venue ständig, müssen auch wandelbar sein, je nach Einspielung der Vi-deokünstler. Seine Kun-den sind ebenfalls die Gro-ßen, wie Frequency, Urban Art Forms und Paradise.

Das sind nur einige von vielen Festivals im Som-mer, für die er seine Deko-rationsbahnen zusammen-setzt. Auch er sieht seine Aufgabe darin, für das Publikum neue Erfahrun-gen zu schaffen, Emotio-nen und Illusionen zu ge-nerieren und den Raum zu verwandeln.

Neue Medienkunst

Der Begriff der Kunst für Dekorateure und VJs hat sich noch nicht durchge-hend durchgesetzt, da Pro-jektionskunst ja meist nur für den Moment geschaf-fen wird, oft nicht wieder-holbar ist und in der Inter-aktion mitunter von der Laune des Publikums ab-hängt. Dennoch verdient das Zusammenspiel der Musik mit den Raumin-stallationen, der Licht- und Projektionskunst, so-wie der Flächeninstallatio-nen den Begriff der Kunst. Da sie jeden Platz oder Raum in eine einmalige, momentane Erfahrung mehrsinnig erfahrbar ma-chen und somit in etwas Neues verwandeln, die Musik des DJs oder der Musiker neu inszenieren und in ihren Bilderwelten dennoch wieder erkennbar bleiben, sind sie definitiv künstlerischer Ausdruck und reihen sich somit in die Sparte der neuen Me-dienkunst ein. //

Text und Fotos: Anne Jan

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Kulturwoche.at: Frau Bill, sie sind ja eigentlich Schau-spielerin, wie kam es dazu, dass Sie in den 1980er Jahren als Musikerin erfolgreich waren? Maria Bill: Einerseits waren wir bei mir zuhause vier Mä-deln, und meine Eltern haben uns jede mit einem Namen und einem Musikinstrument bedacht. Ich bekam das Kla-vier. Das Üben zuhause unter der Aufsicht meiner Mutter war ein bisschen anstrengend, aber in unserer Schule gab es ein Musikzimmer und dorthin habe ich mich öfters absentiert. Da habe ich einerseits schon meine Finger-übungen für den Klassikunterricht gemacht, aber andrer-seits auch relativ bald eigene Lieder geschrieben, in denen es um meine jugendlichen Sehnsüchte und Verliebtheiten ging. Das war so eine Art Tagebuch für mich, und so ging das mit der Musik los. Und irgendwie hatte ich schon auch immer ein bisschen den Traum: Vielleicht trau ich mich ja dann irgendwann mit meinen eigenen Liedern und einer Band oder einem Orchester aufzutreten? ... - Viele Jahre später habe ich dann hier in Wien durch den Hans Gratzer das Stück über die Edith Piaf spielen dür-fen. Ich habe nämlich nach meinen Proben im Theater im Beisl ums Eck immer leidenschaftlich Klavier gespielt und gesungen. Eines Tages kam dann Hans Gratzer mit dem Stück über Piaf zu mir und sagte: So, jetzt hab ich was für dich - da kannst du singen UND Theater spielen. Und durch das Le-ben der Piaf fand ich auch selbst den Mut, mit meinen Liedern etwas zu versuchen. Nach dem Motto: Man kann gewinnen, man kann verlieren, aber wenn man nix macht, ist es schad drum! Die Plattenfirmen wollten zwar dann alle Schallplatten mit Piaf-Liedern mit mir machen, aber das fand ich sinn-los, ihre Interpretationen kann man nicht verbessern. Al-so sagte ich: Ich habe eigene Lieder und so kam es dann zu meiner ersten Solo-LP. Und die Texte dazu? Waren das Ideen von früher oder sind diese Texte alle in Wien entstanden? Ich glaube, da waren schon einige Ideen von früher dabei, aber im Grunde ist schon der Großteil der Texte in Wien entstanden. Genau weiß ich das gar nicht mehr, ist ja schon lange her. Aber es waren alles Erfahrungen und Geschichten aus meinem Leben.

Sie kamen in den 1980er Jahren nach Wien. Wie war ihr erster Eindruck von der Stadt? Wien kam mir völlig anders vor. An was ich mich noch erinnere vom ersten Tag als ich nach Wien gekommen bin, ist folgendes: Ich bin vom 12. Bezirk in die Stadt ge-fahren, und dann mit dem D-Wagen zum Schauspielhaus. Es war grau, regnerisch und ich habe vom Wiener Dialekt fast nichts verstanden. In der Straßenbahn hatten viele Leute Loden-Sachen an, und von so einem Mantel ist mir eine Hahnenfeder direkt ins Gesicht gehangen. Mir war das alles nicht ganz geheuer und ich habe schon stark ge-hofft, dass sich da einiges aufhellen wird. Ich konnte mir nach diesen ersten Eindrücken schwer vorstellen in Wien zu bleiben und jetzt sind es schon über dreißig Jahre! Auch zum Wiener Dialekt habe ich schnell einen Zugang gefunden, weil es mir schon immer Spaß gemacht hat, Sprachen zu lernen und zu sprechen. Ich bin in einem internationalen Kinderdorf in der Schweiz, wo meine El-tern gearbeitet haben, aufgewachsen und habe als Kind täglich viele fremde Sprachen gehört. Dieses Dorf wurde nach dem 2.Weltkrieg gegründet und dort wuchsen Kriegswaisen aus 12 verschiedenen Nationen gemeinsam auf. Das war eine gute Schule für mein späteres Leben. Auf der ersten LP findet sich auch I Mecht Landen, viel-leicht Ihr größter Hit. Wie ist dieses Lied entstanden? Vor den Aufnahmen zu meiner ersten LP habe ich einmal mit meinem damaligen Produzenten und Arrangeur Christian Kolonovits - übrigens ein toller Typ, den mag ich sehr - ganz streng aussortiert, was von meinen Liedern LP-tauglich sein könnte und was nicht. Und am Schluss waren sozusagen mehr Lieder am Boden, als am Klavier. Die Folge war ein Abend mit jeder Menge Schnaps und einer halben Alkoholvergiftung, weil ich so unglücklich und traurig war. Am nächsten Tag sind wir das Material noch einmal durchgegangen, und da sind ein paar Lieder wieder raufgewandert und wir dachten beide: Die sind ja eh gar nicht so schlecht, was war da gestern los? Und Ko-lonovits sagte zu mir: Oide, du musst jetzt einfach noch ein Lied schreiben, weil du singst besser als du schreibst! (schmunzelt) So entstand dann noch relativ kurz vor dem Studiotermin I Mecht Landen, unter Mithilfe von Christi-an Kolonovits, der beim Refrain entscheidend mitkompo-niert hat. Darum ist ihm als Musiker das Lied auch ein wenig gewidmet. —————>>

I N T E R V I E W M I T M A R I A B I L L Oide, du musst jetzt einfach noch ein Lied schreiben, weil du singst besser als du schreibst! Mit dieser Aufforderung ermunterte Christian Kolonovits die Schauspielerin und Sängerin Maria Bill während den Aufnahmen zum ersten Album, das nun als Anniversary Edition auf CD erscheint. Was dabei herauskam, nachdem Bill diesen Rat befolgte, erzählt sie im Interview mit Robert Fischer.

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Ich konnte mir nach den ersten Eindrücken schwer vorstellen in Wien zu bleiben und jetzt sind es schon über dreißig Jahre.

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Kulturwoche.at: Warum gehen sie jetzt mit diesen Lie-dern nach langer Pause wieder auf Tournee? Maria Bill: Das hatte zwei Gründe: Zum einen bekam ich in der ganzen Zeit, seit die erste Platte 1983 erschienen ist, bis heute immer wieder unglaublich nette Briefe von Leuten, die mir schreiben, dass sie sich durch meine Lie-der verstanden fühlen bzw., dass sie meine Lieder durchs Leben begleitet haben, aber gleichzeitig fragten, warum gibt es diese erste LP nicht mehr zu kaufen? Darauf habe ich dann die Plattenfirma ein wenig gedrängt, das Album wieder zu veröffentlichen. Die Firma hat gemeint, sie brauchen einen Aufhänger und deswegen mache ich jetzt diese Tournee, auch, um mich von diesen Songs zu verab-schieden. Es wird kein Abschied vom Singen sein, auch nicht vom Liederschreiben, und vom Theater schon gar nicht, aber ich möchte mit diesen Liedern nicht ewig wei-ter touren wie ein junges Huhn. Ich werde das jetzt noch einmal machen und damit ist die Sache abgeschlossen. Ich bin mit einer jungen Band unterwegs, der u.a. Gerald Preinfalk und Klemens Bittmann angehören. Auf der zweiten CD der Anniversary Edtion ihres De-büts sind auch Nummern der späteren LPs zu finden, u.a. das schöne Duett mit Friedrich Gulda Du und i. Wie haben Sie Gulda kennengelernt? Das war eine ganz spontane Sache! Kurz bevor ich die Arbeit an meiner dritten LP Bill Drei gestartet habe, gab es in Wien ein großes Konzert mit Wolfgang Ambros, Jessye Norman und Friedrich Gulda. Beim Empfang nachher, zu dem ich auch eingeladen war, ist Gulda auf mich zuge-stürzt, und sagte, er würde gerne einmal mit mir gemein-sam etwas Aufnehmen. Vielleicht war er ein wenig ver-liebt in mich oder fand mich entzückend, keine Ahnung? Ich sagte, dass ich eh in Kürze die neue LP aufnehmen würde, und dass mir eigentlich noch eine Nummer fehlt. Darauf er: Danke, passt, wir sehen uns morgen um 10 Uhr im Konzerthaus zur Probe, und die Nummer habe ich auch schon, sie heißt 'Du Und i'! Ich habe dann noch an diesem Abend verzweifelt versucht, mir diesen Song irgendwo zu besor-gen, damit ich ihn noch bis zum nächsten Morgen ein wenig einstudieren konnte. Das ist mir gelungen, ich bin in der Früh mit dem Walkman auf den Ohren zum Kon-zerthaus gegangen. Gulda war tatsächlich da, saß schon am Flügel, wir haben den Song gemeinsam einstudiert. Am nächsten Tag kam er dann zu mir ins Studio und wir haben den Song mit meiner Band und ihm am Flügel aufgenommen. Gulda war hinreißend, hat alles an sich gerissen, die Band dirigiert und die Nummer so arran-giert, wie er sich das vorgestellt hat, aber alles ad-hoc und im Moment (schmunzelt)! //

Interview: Robert Leopold Fischer Fotos: Gabriela Brandenstein

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Ich wünsch mir zum Geburtstag einen Vorderzahn

Kabarettlieder der 50er Jahre in gegenwärtigen Soundkleidern serviert uns Birgit Denk & die Novaks. Darunter musikalische Großtaten aus der Urzeit österrei-

chischer Musikkultur nach dem 2. Weltkrieg mit Liedern von u. a. Bronner, Kreisler, Leopoldi, Pirron und Knapp, Peter Wehle und Hugo Wiener.

Das Musikjahr 2012 in Österreich bietet eine umfassende, würdevolle Hommage von Liedern aus dem Hause Preiser Records. Mit gutem Grund, feiert die Plattenfirma doch ihren 60. Geburtstag. Angefangen haben die Feierlichkei-ten mit der Veröffentlichung der großartigen Jubiläums-Compilation Willkommen im Casino Preiser, auf dem 16 Originalversionen eben so vielen Cover-Versionen gege-nüberstehen. Helmut Qualtinger, Kurt Sowinetz, Gerhard Bronner, Georg Kreisler, Louise Martini, Hermann Leo-poldi, Cissy Kraner und deren mehr hört man auf der einen Seite bzw. CD, und die sehr unterschiedlich ange-legten Neuinterpretationen (von klassisch bis experimen-tell, von brav bis schräg) von Georg Breinschmid & Tho-mas Gansch, Violetta Parisini, Valerie, Willi Resetarits uvm. sind auf der anderen, zweiten CD zu hören (und auf DVD zu sehen). Birgit Denk & die Novaks sind darauf ebenfalls vertreten, nämlich mit einer genialen Version

des Hugo Wiener/Cissy Kraner-Liedes Aber der Nowak lässt mich nicht verkommen. Das ist auch der Ausgangspunkt

des Albums Ich wünsch mir zum Geburtstag einen Vorderzahn: Kabarettlieder der 50er Jahre, voll gepackt mit 14 Liedern und einem Outro aus dieser Ära. Birgit Denk & die No-vaks haben es sich nicht einfach gemacht, sondern liefern - so wie die Hallucination Company mit der radikalen

Neugestaltung von Der g’schupfte Ferdl auf dem Album

Circus der Hallucinationen - diese Klassiker der österreichi-schen Musik(kabarett)szene in völlig neuen musikalischen Kontexten ab. Gut so, weil aufgrund der Restaurierung erhalten die Lieder eine neue Frische, denn die Texte selbst sind ja oftmals heute noch aktuell, seien es die Ger-

hard-Bronner-Monumente Der Papa wird’s schon richten

und Der Bundesbahnblues, sei es Georg Kreislers Wuthu-mor in Schlagt sie tot oder sei es Peter Wehles Sozialstudie

in Die Überbeschäftigte. Die Motivation die Lieder auf ein neues Terrain zu führen wirkt an keiner Stelle übertrie-ben, und bietet nicht nur beste Unterhaltung, sondern auch Diskussionsstoff zwischen Puristen und den Ande-ren. Neben der Frau am Mikrofon sind Barbara Danzer (Geige), Judith Reiter (Bratsche), Ludwig Ebner (E-

Gitarre), Thomas T.T. Tinhof (Bouzouki, E-Gitarre), Ha-rald Wiesinger (Tasteninstrumente), Alex Horstmann (E-Bass, Kontrabass) und Philipp Mayer (Schlagzeug, Octa-pad) zu hören. Was besonders gut ankommt ist der Ein-satz des Octapad (manuell gespieltes elektrisches Schlag-zeug), was den neuen Versionen eine spezielle Tiefe im Klangvolumen gibt. Die Novaks breiten ihre Flügel aus, variieren von Blues bis Ska, von Wienerlied-Pop bis Balka-nesken, von Country bis A capella und liefern eine un-glaublich gute Performance ab, so auch Birgit Denk, die auf diesem Album die Dialektik der Originalversionen übernimmt und dadurch erstmals nicht nur Dialekt singt. Was sonst noch auffällt: In vielen dieser Liedtexte kommt irgendeine Droge vor, erstaunlich. An diesem Album soll-te eigentlich kein Weg vorbeiführen. //

Text: Manfred Horak

@ www.bdenk.at

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Circus der Hallucinationen

Von dieser so wichtigen 1977 in Wien gegründeten Band rund um Mastermind Ludwig 'Wickerl' Adam gibt es leider viel zu wenig dokumentiertes Tonmaterial.

Gerade mal drei Alben veröffentlichte die Hallucination Company bisher. Mit "Circus der Hallucinationen" legt die Company nun nach fast 20-jähriger

Tonträgerpause endlich wieder ein Album vor.

Warum jetzt ein neues Album, nach fast 20 Jahren? Ver-mutlich nahm man das 35-jährige Bandjubiläum zum An-lass, ganz sicher spielt auch die Genesung von Ludwig 'Wickerl' Adam nach einem Schlaganfall eine Rolle, viel-leicht gab es aber auch eine weitere Triebfeder, wie auch immer: Hauptsache überhaupt. 13 Songs auf diesem her-ausragenden Album legen Zeugnis von der Dynamik und Wichtigkeit der Band ab, davon im Zentrum der Gerhard Bronner Klassiker Der G'schupfte Ferdl. Die Hallucination Company war, ist und bleibt die Szeneband überhaupt - sie sind das Soundsystem in unseren Breiten, die Bauarbei-ta, bei denen es immer weiter geht. Sie geben uns Funk, Reggae, Jazz, Space und natürlich jede Menge Rock mit unterschiedlichen Temperaturen, Spannungen und Här-tegraden. Wie gut diese Truppe ist hört man gleich im ersten Song Stylomatrix. Von Frank Zappa beeinflusstes Rock-Kabarett par excellence. "So spielen wir / das Spiel des Seins / das ist meins / das ist deins", heißt es im exaltierten Superfunky-Rockstück Stylomatrix. Weiter geht es mit ei-ner regelrechten Rocklektion und Sinnbild made in Austria. Königin von Wien hat Hitqualität, aber da müssten natürlich die Radio-Wurschtln von ihrem Format-Sumpf endlich wieder einmal abrücken, damit diese Qualität tatsächlich zum kommerziellen Hit werden kann. Sehr fein auch der Reggae des Albums, Bauarbeita mit feinen Dub-Sprengseln und ohrschmeichelnder Melodie. "Ich bin gerade noch dem Sensenmann entkommen / ... / mit der Zeit begann ich langsam zu begreifen / dass, wo ein Ende ist ein An-fang steht / und die Karten werden neu gemischt", hören wir in der vom Soul befüllten Rockgrandezza namens Es geht weiter, das mit einem klassen E-Gitarren-Solo noch zusätz-lich punkten kann. "Ich heiß Johnny Funk / bin a oida Wie-na / Samstag der Chef hier / Montag der Diener", singt Spiri-tus Rector 'Wickerl' Adam im funky groovenden Johnny Funk. Beachtet hier im Besonderen diesen wunderbaren Refrain und erneut dieses drängende E-Gitarren-Solo von Adams Sohn Zebo. Bleiben wir gleich bei den Protagonis-ten dieser wunderbaren Band: Neben Zebo Adam (Gitarre) spielen mit Leidenschaft und großem Können Rue Kostron (Bass), Engel Mayr (Gitarre), Sigi Meier (Drums) und Christof Kadane (Percussions), für die Viel-falt der Stimmen sorgen Ludwig 'Wickerl' Adam, Bella Wagner, Anzo Morawitz, Peter Dürr. Gegen Ende des Albums, im Song Die unbesiegbaren 4, wird im besten aller

Zappaesken Sinne über die Entlarvung der Scheinheilig-keit fabuliert und mit allen erdenklichen tauglichen Stil-mittel die musikalischen Reize der Hallucination Compa-ny ein letztes Mal ausgelotet. Na, fast ein letztes Mal, schließlich gibt es einen Hidden Track. "Aus den Tiefen der Vergessenheit zurück", lautet ebenfalls eine Textzeile in Die unbesiegbaren 4, und das soll uns an dieser Stelle als Brü-cke zum Herzstück des Albums dienen. Mit Der G'schupfte Ferdl von Gerhard Bronner (23.10.1922-19.1.2007), ge-sungen von Helmut Qualtinger (8.10.1928-29.9.1986), begann in Österreich die musikalische Wiederbelebung nach 1945. Veröffentlicht wurde das Lied im Jahr 1952 beim damals extra für dieses Lied gegründete Preiser Re-cords, und dieses 60-Jahr-Jubiläum (oder zu Bronners 90. Geburtstag?) nahm die Hallucination Company zum An-lass einer radikalen Neuinterpretation. Mit welch Intelli-genz und Verve hier die Band an diesen Klassiker der ös-terreichischen Musikgeschichte herangeht ist mehr als erstaunlich. Zunächst einmal wird das Lied völlig entschleunigt, die Spieldauer verlängert sich dadurch von ursprünglichen 3:21 Minuten auf 6:13 Minuten. Was zur Folge hat, dass der Text eine neue Erzählstruktur erhält und auch die musikalische Umsetzung mehrdimensional wird. Heraus kommt ein konsequent magisches Stück mit spacigen Funk'n'Hop Elementen, das man nicht oft genug hören kann. Conclusio: Gebt euch dem Circus der Halluci-nationen hin, ihr werdet es keine Sekunde bereuen. //

Text: Manfred Horak

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Von schene Liada hot die Wöd no lang ned gnua

Die im niederösterreichischen Waldviertel geborene und in Wien lebende Anita Horn (ex-Mainstreet) ist so frei endlich ihr erstes Solo-Album im Eigenvertrieb zu veröffentlichen. Die Dialekt-Sängerin legt darauf eine wunderbare Mischung aus

eigenen Liedern und Cover-Versionen aus dem American Songbook vor.

@ www.anitahorn.at

Wohlige Wärme breitet sich in den Liedern auf I bin so frei aus. Dieses Wohlfühlprogramm versinkt allerdings weder in Belanglosigkeit noch in seichten musikalischen Gewässern, sondern verbindet in gekonnter Manier Jazz und Pop mit Dialekttexten. Anita Horn nimmt sich dabei Über-Songs wie das herrlich swingende 's Wonderful von George & Ira Gershwin oder das herausragende Kopfkino Knocks Me Off My Feet von Stevie Wonder vor und bringt diese mit viel Wortwitz in die deutsche Sprache, und da heißen die Lieder dann eben 's wunderbar bzw. Haut's mi aus de Bock. Musikalisch unterstützt wird sie von ihrer spielfreudigen Band mit Hannes Oberwalder (Tasteninstrumente), Herwig Wagner (Drums), Andreas Krausböck (Gitarren) und Wolfgang Wograndl (Bass), sowie den Gastmusikern Richard Österreicher (Mundharmonika), Roland Bentz (Violine) und einer fei-nen fünfköpfigen Bläsersektion mit u.a. Robert Bachner (Posaune). Jene zwei Songs, die mit der Horntruppe einge-

spielt wurden, sind denn auch weitere schöne Höhepunk-te des Albums, einerseits die Glock'n von Gerhard Bron-ner, das seinerzeit den Durchbruch für Marianne Mendt bedeutete, und andererseits das viel zu kurze Almost Like Being In Love von Alan J. Lerner und Frederick Loewe, das bei Anita Horn pragmatisch in Fast so als wär i verliabt übersetzt wurde. Neben diesen gelungenen Neuinterpreta-tionen überzeugt die Sängerin aber auch mit ihren eige-nen Liedern, da sind ihr nämlich ein paar Ohrwürmer gelungen - allen voran jenes, das sogar diesen Titel trägt. "Ich bin der Wurm in deinem Ohr / und komm mir hier so ein-sam vor / Ich hab genug ich werde stumm / denn um mich ist nur Schmalz herum", heißt es da ironisch während sich die Melodie festsetzt und picken bleibt. In So lang harr' i aus singt Horn "Von schene Liada / hot die Wöd no lang / ned gnua", und dem kann man natürlich nur widerspruchslos zustimmen. Feines Album! // Text: Manfred Horak

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I N T E R V I E W M I T H A N S T H E E S S I N K

Mit Delta Time, dem zweiten gemeinsamen Album mit Meistersänger Terry Evans, öffnet Blues-Man Hans Theessink ein weiteres Kapitel seiner erstaunlichen Karriere. Mit von der Partie auf diesem Album ist auch Ry Cooder, und wie es dazu kam, erzählt Hans Theessink im Gespräch mit Robert Fischer.

Wann und wie hast Du Terry Evans kennengelernt?

Ich kenne Terry schon zwanzig Jahre. Das erste Mal ken-nengelernt haben wir uns bei einem Folk-Festival in Win-nipeg/Manitoba in Kanada. Terry ist damals mit seinem Gesangspartner Bobby King aufgetreten und ich war der-artig begeistert, dass ich Terry sofort eingeladen, auf der Platte Call Me an der ich damals gearbeitet habe, mitzu-machen. Seitdem sind wir eng befreundet und machen auch immer wieder gemeinsame Projekte. Unsere erste Duo-CD Visions ist vor vier Jahren entstanden, und jetzt eben erscheint unsere zweite gemeinsame CD Delta Time.

Wie unterscheidet sich Delta Time vom Vorgänger-Album?

Eigentlich am ehesten von den Gästen her, die wir dies-mal ins Studio eingeladen haben. Visions war ein reines Duo-Projekt, und für die neue CD wollten wir das Ganze erweitern. Ich habe Terry vorgeschlagen, seine Gesangs-kollegen Willie Green Jr. und Arnold McCuller dazu zu holen, damit die drei gemeinsam Ihre typischen Gospel-Harmonien beisteuern können. Später, während unseren Aufnahmen in Los Angeles, als wir unsere Duo-Aufnahmen schon fertig im Kasten hatten, habe ich zu Terry gesagt, dass es wunderbar wäre, wenn Ry Cooder auf ein paar Tracks mitspielen könnte. Terry und Ry Coo-der haben ja früher schon öfters zusammengearbeitet, also rief er Ihn an und er kam dann wirklich ins Studio, das war natürlich sehr fein. Deswegen ist die neue CD vom Sound her ein bisschen anders als Visions, aber trotzdem sehr reduziert und auf Gitarren und Stimmen aufgebaut.

Warum ist bei den Aufnahmen für Delta Time kein Schlagzeug bzw. Bass zu hören?

Das ist einfach unser Stil: Zwei Gitarren und zwei Stim-men, und so gehen wir auch auf Tournee. Ich habe zwar im Studio teilweise meinen Fuß als Bassdrum verwendet, und wir haben das mit einem Mikrofon aufgenommen. Das macht irgendwie einen wärmeren Sound und klingt ein wenig wie ein Herzschlag. Das hört man schon bei den Aufnahmen, aber sonst ist die ganze Sache rein akus-tisch. Wir haben auch versucht, die Aufnahmen im Stu-dio spontan zu halten. Wir wollten nicht alles komplett durch arrangieren, sonst wird alles zu poliert und glatt. Ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen.

Warum entstanden die Aufnahmen in Los Angeles?

Ich habe ja schon öfter Sachen außerhalb von Europa aufgenommen. Wir haben die neue CD im selben Studio

wie letztes Mal bei Visions, im Grandma‘s Warehouse in Echo Park, Los Angeles aufgenommen. Auch mit meiner Band war ich schon einige Male in den USA im Studio.

Wie kam die Song-Auswahl für Delta Time zustande?

Erstens habe ich selbst einige Lieder geschrieben, habe sie Terry geschickt und ihm vorgeschlagen diese Songs für Delta Time zu verwenden. Das ist dann auch so passiert. Weiters hatten wir noch gemeinsam eine Liste von Songs, die für das Album in Frage kommen würden, das waren so ca. 40 bis 50 Songs. Das meiste davon haben wir dann bei Terry zu Hause, an seinem Esstisch durchprobiert. Dabei haben wir vieles von der Liste eliminiert und uns meistens für die Songs entschieden, wo unsere Stimmen am besten harmonieren. So ist dann in einigen Tagen das fixe Programm für das Album entstanden.

Von den 13 Songs auf Delta Time gefällt mir u. a. Pou-ring Water On A Drowning Man besonders gut. Wie bist Du auf dieses Lied gekommen?

Pouring Water On A Drowning Man kannte ich in der be-rühmten Soul-Version von James Carr. Diesen Song ha-ben wir bei einer unserer letzten Touren immer im Auto gehört und wir dachten uns schon damals, dass es eine gute Idee sein könnte, diesen Song in einer akustischen Version aufzunehmen. Die Version auf Delta Time ist ganz simpel. Ich spiele Gitarre, Terry singt, und als Hinter-grund ein paar Bass-Chöre. Das war alles ein einziger Take kann man sagen. Da hilft es natürlich, dass wir sowohl im Studio als auch auf der Bühne schon so eine Art blindes Verständnis haben. Nach den vielen gemeinsamen Auf-nahmen bzw. Auftritten weiß man dann schon ungefähr, wohin der andere in dieser und jener Situation geht.

Und How Can People Act Like That?

How Can People Act Like That ist im Original von Bobby Charles ziemlich anders, aber ich kenne auch noch die tolle Version von Muddy Waters, die er 1975 auf seinem Woodstock-Album mit Musikern von The Band, wie dem kürzlich verstorbenen Levon Helm etc., aufgenommen hat. Da ist eher die Richtung, wie wir den Song intonie-ren. Das ist auch ein Song, der ganz gut in unsere Zeit passt. Es geht ja in dem Song darum, dass einem alles ge-nommen wird. Der Text lautet ungefähr: Sie nehmen einem das Haus, sie nehmen einem das Hemd vom Leibe. Wie können sich die Leute so aufführen? In Zeiten der Finanzkrise sind Textzeilen wie diese leider sehr aktuell.

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Mit The Birds And The Bees habt ihr auch einen echten Evergreen auf dem Album. Wie ist es dazu gekommen?

Zu The Birds And The Bees gibt es eine kleine Geschichte. Unsere Platte ist ja im Blues/Soul/Gospel-Genre angesie-delt, und da passt dieser Song eigentlich gar nicht richtig dazu. Aber als Terry noch jung war, hat er seine Karriere in den 1960er Jahren bei der Gruppe The Turnarounds angefangen, und diese Band hat damals die Original-Version von The Birds And The Bees aufgenommen. Der ehemalige Lead-Sänger der Gruppe ist der R&B Sänger Jewel Akens, der jetzt bei Terry in der Nähe wohnt. Als wir ihn dann nach den Aufnahmen angerufen haben, und im erzählten, dass wir seine alte Nummer wieder auf-genommen haben, hat er sich sehr gefreut und uns alles Gute gewünscht (schmunzelt)!

War es eigentlich schwierig Ry Cooder für die Aufnah-men ins Studio zu holen?

Es war ein riesiges Glück, dass er überhaupt Zeit hatte und gleich ins Studio gekommen ist. Das lag sicher daran, dass Terry ihn gut kennt. Ich bin schon zeit langer Zeit Fan von Ry Cooder, und ich finde, er hat einfach diesen ganz speziellen Trademark-Sound, den man sofort erkennt. Als ich noch ein Jugendlicher war und in Holland lebte, habe ich oft Radio Luxemburg gehört und ich kann mich noch gut erinnern, wie ich Ry Cooder zum ersten Mal hörte. Das war bei einem Song von Gordon Lightfoot, der hat Me And Bobby Mc Ghee gecovert und Ry Cooder spiel-

te Gitarre. Auf Delta Time ist er auf drei Songs vertreten: How Can People Act Like That, Blues Stay Away From Me und auf meinem eigenen Song Shelter From The Storm.

Live wird man Dich auch wieder hören können?

Ja, bei der Duo-Tour mit Terry Evans, die vom 1. Novem-ber bis 2. Dezember läuft und uns durch Deutschland, Dänemark, Österreich und die Schweiz führen wird. Es gibt auch einige Termine in Österreich, und am 22. No-vember sind wir im Metropol in Wien. Ich freue mich schon sehr drauf!

Welche drei persönlichen Dinge hast Du auf Tourneen immer dabei?

Erstens: Reisepass und Führerschein, da ich viel im Aus-land unterwegs bin und ich meistens selbst fahre. Zwei-tens: Drei bis vier Gitarren. Das hat den einfachen Grund, dass ich auf der Bühne nicht gerne umstimme, deswegen brauche ich auf der Bühne immer ein paar Gi-tarren, die unterschiedlich gestimmt sind. Drittens: Eines der größten Probleme ist, wenn man auf Tour eine Ver-kühlung bekommt. Daher habe ich immer ein Tröpfchen von einem bestimmten chinesischen Heilkraut dabei. Da-mit bin ich für solche Situationen gut gewappnet. //

Interview: Robert Leopold Fischer Fotos: Lucy Lynn, Milica Theessink

@ www.hanstheessink.com

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Arnold McCuller Willie Greene Jr. Ry Cooder Terry Evans Hans Theessink

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R E I S E D U R C H D I E D O N A U G E S C H I C H T E

Ein ungewöhnliches und kurzweiliges Buch von einem ungewöhnlichen Autor: Mit Tod auf der Donau (Verlag: Tropen/Klett-Cotta) legt Michal Hvorecky eine kurzweilige Reise quer durch die Donaustaaten und deren bewegte Geschichte vor.

Es ist gar nicht so leicht getan zu erzählen worum es in diesem Roman ei-gentlich geht, denn dieses facettenreiche Buch ver-eint gleich mehrere Ebe-nen zu einer detailreichen Reise durch die Geschich-te der Donau. Der Prota-gonist Martin Roy ist stu-dierter Übersetzer. Da er damit aber nicht genug Geld zum Leben verdie-nen kann, hat er sich als Reiseleiter für Donau-kreuzfahrten anheuern lassen, welche speziell auf amerikanische Senioren ausgelegt sind. Mit den Pensionisten aus den USA geht es entlang der Donau einmal quer durch Mittel-und Osteuropa. Während der Reise hat Martin alle Hände voll zu tun die Truppe zu bändigen, um so durch die Zufriedenheit der Kunden seinen Lohn und das heiß ersehnte Trinkgeld zu sichern. Ungeheure Arbeitszeiten Hvorecky spaltet seinen Text in vier verschiedene Problemdarstellungen auf. Einerseits werden die Schwierigkeiten der heuti-gen Kreuzfahrtschiffe auf-gezeigt. Erschreckend nied-rige Löhne, ungeheure Arbeitszeiten für die ge-samte Crew sowie Alko-holmissbrauch an Bord. Weiters wird ein kriti-scher, mit Klischees arbei-tender, Blick auf die US-Gesellschaft geworfen.

Nicht jeder US-Bürger ist uninformiert und trägt seine Flagge am Herzen und doch treffen die meis-ten Stereotype wohl auf viele zu. Übersetzungsgesellschaft Zudem diskutiert Hvore-cky auch die Situation von Übersetzern, und die ist alles andere als rosig. Da gute Übersetzungen in unserer Gesellschaft als selbstverständlich angese-hen werden und meist der Aufwand, der dahin-tersteckt nicht anerkannt wird, stehen Übersetzer auf verlorenem Posten. Schlechte Bezahlung und fehlende Anerkennung sind die Regel. Anderer-seits werden die Länder Osteuropas beleuchtet. Die kleinen Portraits die-ser Staaten zeigen Natio-nen, die vom Krieg ent-stellt und innerlich zerris-sen sind, aber doch eine Schönheit in sich tragen, die in Westeuropa oft ver-gessen wird. No Crime Fiction Tod auf der Donau ist ein vom Verlag schlecht ge-wählter Titel der Überset-zung. Angelehnt an den Tod auf dem Nil von Agat-ha Christie vermutet man einen reißenden Kriminal-roman und obwohl einige Charaktere ihr Leben las-sen müssen und sich kurz-fristig eine Art Detektivge-

schichte entspinnt, ist die-ses Buch definitiv nicht unter Crime Fiction einzu-ordnen. Die Geschichte ist lustig und spannend er-zählt, man erkennt sofort die Recherchearbeit, die dahintersteckt und das Buch davor bewahrt ins Lächerliche abzurutschen. Allerdings ist das Ende der Donaukreuzfahrt nicht mehr so packend geschil-dert. Da Hvorecky es ver-steht einen komplexen gesellschaftlichen Zusam-menhang ganz beiläufig sowohl zu beschreiben als auch kritisch zu betrachten

und auseinanderzuneh-men, wirkt das Ende der MS America hölzern er-zählt und einer Sensation hinterherhinkend. Dennoch ist Tod auf der Donau ein bemerkenswert guter Roman, der den Blick auf einige zu gern unter den Tisch gekehrte Themen lenkt, über die man sich häufig keine Ge-danken macht, weil an der Oberfläche alles funktio-niert. Eine kurzweilige Lektüre, die zum Nachden-ken einlädt und neue Per-spektiven aufzeigt. //

Text: Katja Kramp

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F I C T I V E P R E S E N C E Im Tresor vom BA Kunstforum Wien gibt es erstmals die Gelegenheit eine Auswahl der Werke von Özlem Sulak zu sehen, jener bemerkenswerten Künstlerin, in deren Werk sich Erfahrungen von Heimat und Fremde, von kultureller Identität und Migration, von Sprache und Fremd-Sprache wieder finden.

1979 in der Türkei gebo-ren hinterfragt Özlem Su-lak in ihrem Schaffen als Künstlerin gewissermaßen das aktuelle Europa. Und Erfahrungen mit dem eu-ropäischen Ausländerrecht hat sie bereits jede Menge gemacht. Ihre bisherigen Stationen waren nämlich neben einem Studium in Istanbul, Aufenthalte in Liverpool, in Bremen, Ly-on, sowie aktuell in Paris und Hannover. Histori-sche Ereignisse wie der dritte türkische Militär-putsch in den 1980er Jah-ren und der damit verbun-denen massiven Zensur von Büchern sind dabei ebenso Gegenstand ihrer Arbeiten wie generell die individuellen Lebenssitua-tionen als türkische Künst-

lerin in Westeuropa. Den-noch sieht sich Özlem Su-lak nicht als dezidiert poli-tische Künstlerin, sondern vielmehr als eine Künstle-rin, die ihre privaten Er-lebnisse in eine Art politi-sche Verortung einbringt, denn schließlich ist ja das ganze Leben politisch, ob man nun will oder nicht. Hört dazu unser ausführli-ches Interview mit Özlem Sulak und der Kuratorin Heike Eipeldauer in der Podcast-Reihe Kulturviertel-stunde. Politische Willkür stand dabei am Beginn des Gesprächs. Manfred Ho-rak erzählte kurz vom Ro-man Der Scherz vom tsche-chischen Autor Milan Kundera. Der Protagonist in dem Roman ist ein Stu-dent, der seiner Freundin

eine Postkarte schreibt mit den Worten: "Optimismus ist das Opium der Mensch-heit! Ein gesunder Geist stinkt nach Dummheit! Es lebe Trotzki!" Daraufhin fällt er bei der Regierung in Ungnade und muss mehrere Jahre als System-gegner in einer Kohlengru-be arbeiten. Aus diesem Gedankengang heraus ent-wickelte sich die Frage, ob Özlem Sulak jemals Angst hatte aufgrund ihrer künst-lerischen Arbeit in Schwie-rigkeiten zu kommen. Weiterführend zum Inter-view empfehlen wir frei-lich nicht nur den Besuch der Ausstellung, sondern auch den dazu gehörenden Katalog mit einem Essay von Heike Eipeldauer über den Ausgangspunkt von

Özlem Sulaks gleicherma-ßen persönlichen wie poli-tischen Arbeiten und über ihre Auffassung hinsicht-lich ökonomischer Globa-lisierung und der damit verbundenen Dynamik der Mobilität im Vergleich zur historischen Migrationsbe-wegung. Darin enthalten ist auch ein weiteres Ge-spräch mit der Künstlerin. Befragt von Annemarie Türk von KulturKontakt Austria, liegt hier der Fo-kus auf dem Themenge-biet Sprache und Überset-zung. Die Ausstellung ist bei freiem Eintritt noch bis 18. November 2012 zu sehen. //

Text: Manfred Horak

Foto: BA Kunstforum Wien

@ Interview auf iTunes

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Gibt es überhaupt schlimme Kinder? Beim Kinderfilmfestival Wien wird nicht mit Mainstream-Produktionen um junges Publikum von 4 bis 14 Jahren gebuhlt, sondern mit besonders wertvollen Filmen aus diesem Genre, dies bereits zum 24. Mal. Gezeigt werden heuer 16 Filme aus den Niederlanden, Frankreich, Skandinavien, Russland, Ecuador, China, den USA und Österreich in insgesamt 48 Vorstellungen.

Beachtenswert ist zudem weiterhin der Umstand, dass die Filme vorzugswei-se in Originalsprache ge-zeigt und vor Ort deutsch eingesprochen werden. Dem jungen Publikum soll damit bereits im frühen Alter bewusst gemacht werden, dass Kinofilme nicht immer in deutscher Sprache gedreht werden. Kinderjury Zwei Preise werden beim Festival vergeben: Für das Festival agiert nämlich eine Kinderjury mit der Aufgabe, den besten Film des Festivals zu küren. Darüber hinaus erhält au-

ßerdem das Publikum die Möglichkeit jeden Film zu bewerten. Gefühlte Wirklichkeiten Neben der Wettbewerbs-schiene werden vier weite-re (ältere) Filme gezeigt rund um die Begrifflich-keit Gefühlte Wirklichkeiten. Behandelt wird dabei im Besonderen das Thema Farbe und Licht im Film. Der bekannteste Film in dieser Kurzreihe ist auch der mit Abstand älteste, nämlich Der Zauberer von Oz aus dem Jahr 1939 von Regisseur Victor Fleming und mit Judy Garland in der Hauptrolle. In einem

interaktiven Vortrag wird ergründet warum es im Zauberer von Oz sowohl Schwarzweiß- wie Farbse-quenzen gibt, und warum die Farben so knallig sind und warum die böse Hexe grün ist und einen schwar-zen Hut trägt. Ähnliche Fragestellungen ergeben sich auch zum belgischen Film Wo ist Winkys Pferd aus dem Jahr 2007 von der Regisseurin Mischa Kamp. Zum Beispiel: Warum ist Winkys Gesicht beim Rei-ten so hell? Kurzum: Den Kindern wird gezeigt, dass Licht und Farbe im Film nicht zufällig verwendet werden. Ausnahmslos neue Filme hingegen sind

im Wettbewerbsprogramm zu sehen. Schlimme Kinder Eröffnet wird mit der tur-bulenten niederländischen Komödie Bennie Stout von Regisseur Johan Nijenhuis (empfohlen ab 6 Jahren). Ein Film, der ebenfalls eine Frage aufwirft, näm-lich ob es schlimme Kin-der überhaupt gibt. Kurz zum Inhalt: Bennie wartet wie alle Kinder gespannt auf den Nikolaus und sei-ne Geschenke. Noch mehr aber wünscht er sich, dass sein Vater von der Arbeit nach Hause kommt. Der ist jedoch nicht auf dem

Das Pferd auf dem Balkon:

Außenseiter mit besonderer Begabung

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Schiff, das ihn aus Spanien zurückbringen sollte. Da greift Bennie zu einem Trick. Der Nikolaus hat ein großes Buch mit den Namen der Kinder, die etwas Schlimmes angestellt haben. Und weil der Niko-laus die schlimmen Kinder auf seinem Schiff mit nach Spanien nimmt, trägt sich Bennie kurzerhand in die-ses Buch ein. Doch bevor das Schiff lossegelt, kommt alles anders als geplant. Familiengeheimnis Ein weiterer filmischer Höhepunkt beim Festival i s t d i e f i n n i s c h -schwedische Produktion Iris von Regisseurin Ulrika Bengts (Altersempfehlung: 8 bis 12 Jahren). Iris lebt mit ihrer Mutter, einer bekannten Malerin, in Stockholm des Jahres

1890. Als diese zu einer Ausstellung nach Paris aufbricht, wird Iris zu ih-rem Onkel auf die entlege-ne Insel Åland geschickt. Das frühreife, verzogene Mädchen, das es mit der Wahrheit nicht immer genau nimmt, passt sich nicht leicht an das einfa-che Leben auf der Insel an. Ganz nebenbei lüftet sie ein Familiengeheimnis, das ihre Mutter jahrelang vor ihr und der Welt ver-borgen hielt. Beiden Fil-men—Bennie Stout und Iris—kann man eindeutig das Prädikat Besonders wertvoll umhängen. Immer die Wahrheit sagen Als dritter großer Höhe-punkt des Festivals sei an dieser Stelle noch die ös-terreichische Produktion Das Pferd auf dem Balkon

von Regisseur Hüseyin Tabak nach Motiven des gleichnamigen Romans von Milo Dor erwähnt, das beim Festival zur Urauf-führung kommt und außer Konkurrenz gezeigt wird. Zum Inha l t : Mika (dargestellt vom wunderba-ren Enzo Gaier) liebt Ma-thematik, sagt immer die Wahrheit und muss zu einer ganz bestimmten Uhrzeit sein Essen bekom-men. Das macht ihn zum Außenseiter und zum Ziel für Hänseleien seitens sei-ner Schulkameraden. Ei-nes Nachts hört er ein Wiehern im Hof des Ge-meindebaus, in dem er mit s e i n e r M u t t e r (hervorragend: Nora Tschirner) lebt. Und siehe da, auf dem Balkon des Nachbarn steht ein Pferd! Plötzlich befindet sich Mi-ka inmitten einer Ge-

schichte, in der eine indi-sche Prinzessin, ein glück-loser Glücksspieler und natürlich das Pferd eine Rolle spielen und Mikas Leben von Grund auf ver-ändern werden. Alle Film-kritiken zu den Filmen, die beim Kinderfilmfesti-val 2012 im Wettbewerbs-programm gezeigt werden, stehen übrigens auf Kul-turwoche.at zum Lesen bereit. Dann heißt es eh nur noch auf ins Kino. Besonders empfiehlt sich der (übertragbare) Festival-pass zum Preis von 28 Eu-ro, der für 10 Vorstellun-gen in den drei Festivalki-nos Cine Center, Cinema-gic und Votiv Kino gültig ist. //

Text: Manfred Horak

Fotos: Petro Domenigg, KIFI

@ www.kinderfilmfestival.at

Iris: Schwierige Tochter-Mutter-Beziehung

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Barney Bubbles sorgte für das durchschnittliche Design (Foto: Peter Gravelle) der ersten EP von Nick Lowe, erschienen im Mai 1977. Seltsamer Titel: Bowi. Untertitel: Pure Pop For Now People. Eine gewitzte Anspielung bzw. Antwort auf Da-vid Bowies Album Low also. Lowe entschied sich für diese Wortspielerei, weil er es offenbar witzig fand, dass Bowie ein Album nach ihm benannte, dabei aber den letzten Buchstaben weg ließ. So benannte er seine EP also wieder-um nach seinem Musikerkollegen und ließ ebenfalls den letzten Buchstaben weg. Bowi ver-hält sich demnach zu Bowie wie Lowe zu Low und die New Music Night and Day wie der Pure Pop For Now People. Ein klassischer Fall von ty-pisch britischem Humor. //

Text: Manfred Horak

Im Jänner 1977 erschien die erste Platte der so genannten Berlin-Trilogie von David Bowie. Titel des Albums: Low. Dieses Album markierte auch den Beginn der Zusammenarbeit mit Brian Eno. So ungewöhnlich diese desolate und fast schon depressive Grundstimmung der Musikstücke vor allem auf der zweiten Plattenseite war (und für viele möglicherweise heute noch ist), so fast schon transzendental mystisch bleibt einem das Cover Art selbst in Erinnerung, das eine Bearbeitung eines Szenenfotos vom Nicolas Roeg Film The Man Who Fell To Earth [Der Mann, der vom Himmel fiel; es war Bowies erste Hauptrolle in einem Spielfilm; Anm.] in Form eines wahren Low Profile darstellt. Der Ar-beitstitel vom Low Album war übrigens New Music Night and Day, und somit kommen wir zum gegen-überstellenden Album von Nick Lowe.

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A L B U M A R T W O R K & C O V E R D E S I G N

Diesmal wenden wir uns gewissermaßen der Metaebene eines Album Artwork zu. Ein simples Wortspiel eigentlich nur, aber ein vorzügliches. Es war im Jahr 1977, der Pub Rock in Großbritannien wurde bereits von Punk abgelöst, und David Bowie schuf sich seine eigene Art Decade, inspiriert von deutschen Bands wie Kraftwerk, NEU! und Can. Ein knappes Jahr vor seinem LP-Debüt Jesus of the Cool veröffentlichte Nick Lowe wiederum (fast zeitgleich mit Bowies Low) auf dem Stiff Label seine erste EP unter eigenen Namen. Und das Wortspiel nahm seinen Lauf...

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Betrifft: Szene Bunte Wähne (Theaterfestival für junge Menschen) Kleine Anmerkung zu einer auch mich betreffenden Passage: Wieder mal scheint in einem Be-reich jemand, der „nur― oder „vorwiegend― für Kinder und Jugendliche arbeitet, nicht für so ganz voll genommen zu werden. Nur, weil zumeist Zeitungs-Workshops für Kinder und Jugend-liche (neben Ferienspiel bei uns in der Redaktion das ganze Jahr über, bei Kinderunis, der Kin-

derstadt „Rein ins Rathaus―) abhalte, für nicht gleichwertig hingestellt zu werden wie die Kolleg_innen, die bislang ein-geladen worden waren, Kritiker_innen-Seminare zu leiten, scheint mir so, als würden Schauspieler_innen / Tän-zer_innen..., die vor allem für junges Publikum arbeiten, weniger ernst genommen zu werden, als jene, die für „reifere― Zuschauer_innen tätig werden. Schade. LG, Heinz Wagner (KIKU) PS: Dass ich über die „Organisation― des Kritiker_innen-Seminars, wo dann letztlich niemand aufgetaucht ist, nicht happy war, versteht sich wohl von selbst. Aufwand für null.

Antwort Lieber Heinz! Dich abzuqualifizieren war nicht im Geringsten meine Absicht und dass das so rübergekommen ist tut mir aufrichtig leid. Schon gar nicht möchte ich den Bereich Kinder- und Jugendkultur abgewertet haben; Kulturwoche.at selbst räumt der Berichterstattung aus eben diesem Bereich seit Jahren ebensoviel Raum wie Respekt ein wie anderen kultu-rellen Themenbereichen. Gemeint war, dass das KritikerInnen-Seminar beim sbw Festival in seiner ursprünglichen Form ein Seminar auf Universitätsniveau war (daher auch die Anrechenbarkeit an der Uni Wien). Die Zielgruppe Kin-der und Jugendliche, die ich als deine primäre Zielgruppe betrachte, möchte ich weder höher noch niedriger stellen als Studierende, es ist einfach eine andere Zielgruppe, die unterschiedliche Anforderungen stellt und trotzdem gleichzeitig die selbe Wertschätzung verdient. Umso neugieriger wär ich also auch gewesen zu sehen, wie du das Seminar geleitet hättest. Dazu ist es ja leider nicht gekommen, aus den Gründen, die ich im Text beschrieben habe. Herzlichen Dank für dein Feedback, liebe Grüße, Anne

Betrifft: Dexys: One Day I‘m Going To Soar Lieber Manfred! Vielen vielen Dank für eine epische Dexys-Kritik, Du sprichst mir SOWAS von aus der Seele! Ich hatte das seltene Glück, durch meine ehemalige schottische Lebensgefährtin Ende Juni eine rare pre-release CD zu bekommen, und diese CD hat uns dann auch 3 Wochen lang in Sizilien begleitet (es war die einzige CD die wir dabei hatten, und so lief sie fast nonstop für 3 Wochen im Mietauto, und in unserem Fischerhaus am Strand von Pachino in S-Sizilien). Ich stimme Dir in allen Punkten voll zu, und ich habe auch versucht Kevin und seine Gang für 2013 nach Österreich zu locken, bislang kam leider keine Antwort, und wenn er sich ins Alpen-

land verirren sollte, nehme ich mal stark an, dass es (wieder) […] sein wird, der den Zuschlag für Gigs/Tournee be-kommt, wiewohl gerade bei solchen Produktionen eher das Promoter-Herz, als die Geldtasche gefragt wäre... Allerbeste Grüße aus dem ausverkauften Salzburger OVAL von der „5th Scottish Folk Night‖ Grüßt, Hasi

L E S E R B R I E F E

Impressum: Medieninhaber, Hersteller und Herausgeber bzw. Diensteanbieter Kulturinformationszentrum Österreich (ZVR: 544926056), Liechtensteinstraße 69/14, 1090 Wien (Österreich) Redaktion: mh [at] kulturwoche.at Chefredakteur, Werbung & Kooperationen: Manfred Horak: ++43 (0)676 758 74 34 Mitarbeiter/innen dieser Ausgabe: Anne Aschenbrenner, Kathrin Blasbichler, Robert Fischer, Anne Jan, Katja Kramp Fotos: BA Kunstforum Wien, Gabriela Brandenstein, Arno Declair, Petro Domenigg, Exile Productions, Filmladen Filmverleih, Manfred Horak, Anne Jan, Kinderfilmfestival Wien, Lucy Lynn, Barbara Pálffy, Mark Seliger, Dorothee Schwab (Zeichnung), Lena Sudmann, Milica Theessink Grafik: Robert Lewski

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