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02–2015 Nº2 DAS MAGAZIN für engineering und it FERCHAU aktuell FERCHAU aktuell Maschinen an die Macht!? Können Maschinen den Menschen ersetzen oder bleiben sie willenlose Helfer? Tatsache ist: Auch die Technik strebt zunehmend nach Autonomie. Wird sie damit zur Konkurrenz des Menschen, oder ergeben sich ganz neue Partnerschaften? Autonomie

Kundenmagazin FERCHAUaktuell 2015/02...stehen: die Müdigkeitskontrolle zum Beispiel. Das Auto misst den Lidschlag des Fahrers und bemerkt, dass dieser müde ist. Das Auto biegt beim

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02–2015Nº2

DAS MAGAZ IN für eng ineer ing und i t

FERCHAU aktuellFERCHAU aktuell

Maschinen an die Macht!? Können Maschinen den Menschen ersetzen oder bleiben sie willenlose Helfer? Tatsache ist: Auch die Technik strebt zunehmend nach Autonomie.

Wird sie damit zur Konkurrenz des Menschen, oder ergeben sich ganz neue Partnerschaften?

Autonomie

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impressum

FERCHAU AKTUELL Ausgabe 02 | 2015 Auflage: folgt 31. Jahrgang ZKZ: 61482

CHEFREDAKTION (V. I. S. D. P.)Martina Gebhardt

HERAUSGEBER FERCHAU Engineering GmbH Steinmüllerallee 2 51643 Gummersbach Fon +49 2261 3006-0 Fax +49 2261 3006-99 [email protected] ferchau.de

REDAKTIONSTEAM Ira Cornils Christian Fachinger Nando Förster Stefanie Freitag Michael Kröhan Florian Zeichner

REDAKTION EXTERN Jonen Medien Service Fon +49 6633 911542

Bernd Seidel & Friends Fon +49 89 890683620 seidelfriends.de

GESTALTUNG grafish | Matthias Müller Fon +49 211 63559150 DRUCK Gronenberg GmbH & Co. KG 51674 Wiehl Fon +49 2261 9683-0

e d i t o r i a l

02

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

was macht die besondere Qualität von FERCHAU aus? Lassen Sie es mich an zwei Beispielen verdeutlichen. Punkt eins: Passgenauigkeit. Bei der Auswahl techni-scher Fachkräfte oder von IT-Consultants für die Unterstützung der Projekte unserer Kunden vor Ort spielt es eine entscheidende Rolle, wie gut das Anforderungsprofil ver-standen wird. Aus diesem Grund kommen die meisten unserer Account Manager direkt aus dem Branchenumfeld des Kunden. In jedem Fall aber verfügen sie über eine techni-sche Ausbildung, die es ihnen ermöglicht, von Ingenieur zu Ingenieur zu sprechen und die Anforderungen sehr genau zu erfassen.

Punkt zwei: Timing. Für die zeitnahe Bereitstellung geeigneter Fachkräfte greifen wir nicht nur auf unsere mehr als 6.100 eigenen Mitarbeiter zurück, sondern wir sondieren auch permanent den Rekrutierungsmarkt. Das schließt das regelmäßige Scannen von jährlich 50.000 Bewerbereingängen ein. Basis dafür ist ein maßgeschneidertes Tooling, dem selbstentwickelte Algorithmen zugrunde liegen. Zusätzlich haben wir einen Freelancer- Pool mit den Profilen von mehr als 20.000 freiberuflichen Spezialisten aufgebaut. Aus diesem Kreis potentieller Kandidaten erhalten unsere Kunden bei Bedarf statt vieler halbwegs treffender Profile zwei bis drei Vorschläge, von denen wir überzeugt sind, dass sie passen.

Und auch das sind Qualitäts-Fakten: FERCHAU-Mitarbeiter werden aus der Region rekrutiert, ortsnah eingesetzt und nach einem Entgelttarifvertrag mit der IG Metall fair ent-lohnt. Ihnen stehen eine Vielzahl attraktiver

Karriereoptionen und eine fachliche Weiter-bildung offen, die unter anderem über 200 Seminarangebote vor Ort umfasst. Das alles trägt zu einer hohen Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung bei, von der auch und gerade unsere Kunden profitieren.

Bei der Übernahme von Projektver-antwortung durch FERCHAU-Projektgruppen oder unsere mehr als 70 Technischen Büros bedeutet Qualität neben erstklassigem Know-how, dass der Kunde zu jedem Zeitpunkt weiß, wie es um sein Projekt bestellt ist. Ob es fachlich, zeitlich und kostenseitig im Plan liegt. Wir haben daher in den letzten Jahren massiv in ein effizientes Projektmanagement und in eine Organisationsstruktur investiert, die in jedem Projektstadium für Transparenz sorgt. Selbstverständlich werden alle unsere Prozesse durch ein Inhouse-Qualitätsma-nagement begleitet, regelmäßig überprüft und im Sinne eines KVP auf Anpassungen hin bewertet.

Daher freuen wir uns darüber, dass dies von Kundenseite anerkannt wird. Das belegt unter anderem der bis 2016 verlängerte Status als »Airbus Group Preferred Supplier for Engineering & Customer Services«. Er bestätigt die Qualität unserer Dienstleistun-gen – und unserer Prozesse.

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Nº2

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Alle streben nach Autonomie – Kinder, Erwachsene und sogar die Technik. Egal ob im Auto, im Haus oder in

der Fabrik: Maschinen übernehmen die Kontrolle und entscheiden zunehmend selbständig. Die Regeln dafür

gibt ihnen der Mensch vor. Doch welche sind das und wo liegen die Grenzen? Vielleicht sollten wir auch beim Thema Autonomie öfter einmal das stärkste und merkwürdigste

Mädchen der Welt fragen: Pippi Langstrumpf. Denn die autonome Göre hilft nicht nur Frauen, sich zu

emanzipieren, sie bringt auch Projektleiter auf kreative Ideen und macht Managern Mut, mehr zu wagen.

Autonomie nach dem Pippilotta-Prinzip: Mach dir die Welt, wie sie dir gefällt …

Red Pages

Neben der Handball-Legende VfL Gummersbach sponsert FERCHAU seit diesem Jahr die deutsche

Motorradrennsport-Hoffnung Florian Alt. Außerdem: News in Kurzform.

14

Digitale Transformation – was dahinterstecktFünf Fragen an René Büst vom IT-Research- und Beratungsunternehmen Crisp Research.

Automotive-SpecialMit den Themen: Der Autokunde von morgen, Wachbleiben beim autonomen Fahren, Evaluierung der mechanischen Festigkeit bei Motorsteuergeräten u. a. m.

03

Autonomies c h w e r p u n k t

FERCHAU aktuellFERCHAU aktuellFERCHAU aktuelli n h a l t

W O R L D of E N G I N E E R I N G

18f a h r z e u g t e c h n i k

Berichte, Porträts und Interviews aus den sieben Fachbereichen von FERCHAU Engineering

26m a s c h i n e n b a u

»Prozessqualität von A bis Z«Interview zur Abwicklung kompletter Arbeitspakete auf werkvertraglicher Basis.

28l u f t - u n d r a u m f a h r t t e c h n i k

Prozesse auf dem PrüfstandNUCAP, die Grundlage für eine konstant hohe Fertigungsqualität in der Luftfahrtindustrie.

a n l a g e n b a u

Markttrend: Aftersales-Services Für Anlagenbauer schlummert im Servicegeschäft viel Potential.

30s c h i f f b a u u n d m e e r e s t e c h n i k

Scrubber – weißer Rauch für schwere PötteSeit Januar 2015 gelten strengere Emissionsvorschriften.

25 i n f o r m a t i o n s t e c h n i k

29e l e k t r o t e c h n i k

Zeit, dass sich was drehtDie Schwungradtechnik erfährt ein bemerkenswertes Comeback.

Tit

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Selbst ist die Technik

Egal ob im Auto, im Haus, im Flugzeug oder in der Fabrik: Maschinen übernehmen die Kontrolle und entscheiden

zunehmend selbständig. die autonome technik – wird sie zur Konkurrenz des Menschen?

n ein! Lass mich! Kann ich allein! Ein kleines Mäd-chen schreit, macht dann einen Schmollmund und blickt so finster wie eben möglich aus seinen Kinderaugen. Es will sich die Jacke anziehen.

Selber! Ohne Sinn für die morgendliche Zeitnot der Eltern. Die Händchen sind noch ungelenk und das Ge-schick ausbaufähig. Doch es geht nur um eines: Ich! Was für Eltern nervenaufreibend sein kann, ist für Kleinkinder einer der wichtigsten Schritte in ihrer Entwicklung: Trotz. In der Entwicklungspsychologie steht diese Phase für die Entdeckung des Ich und den Weg in die Selbständigkeit. Darin zeigen sich die ersten Zeichen späterer Autonomie.

Wer als Erwachsener selbständig handelt und sein Leben eigenverantwortlich gestaltet, gilt als auto-nom. Die Fachwelt verwendet dafür den Begriff perso-nale Autonomie. Damit ist aber die höchste Stufe, die ideale Autonomie, noch nicht erreicht. Bei letzterer handelt der Mensch nicht nur aus nachvollziehbaren Gründen, sondern ausschließlich moralisch. Engels-gleich. Die Idee findet sich im kategorischen Imperativ des Philosophen Immanuel Kant wieder. Der autonome Mensch ist der unantastbare Mensch. Der Mensch ist frei, heißt die Maxime Europas seit der Aufklärung, bis heute ist sie im Grundgesetz verankert.

Doch es gibt eine dritte Kategorie, die tech-nische Autonomie, von der Kant nichts wusste, weil sie erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts an Bedeutung gewann. Sie bezeichnet das selbständige Entscheiden und Handeln – von Maschinen.

es gibt häuser, die darüber entscheiden, wie viel und welche räume sie heizen.

Es gibt autonome Autos, wie das Google Car, das bereits im August 2012 eine halbe Million Kilometer selbständig gefahren ist. Es gibt Flugzeu-ge, die ohne Zutun des Piloten starten und landen. Es gibt Fabriken, die ohne Arbeiter ihre Produktion steuern. Die Liste ließe sich endlos weiterführen, die Anwendungen autonomer Technik sind unzählbar, genau wie ihre Abstufungen. Teils sind die Anwen-dungen schon real, teils noch visionär. Beim Auto reichen sie vom längst etablierten Antiblockiersystem (ABS) über das teilautonome Fahren mit Assistenzsys-temen wie Müdigkeitskontrolle oder Einparkhilfe bis hin zur Idee des fliegenden Autos, in dem der Fahrer zum Passagier wird. Das autonome Fahren wird bis 2030 zusätzliche Umsätze von bis zu 60 Milliarden Dollar weltweit generieren, besagt eine Roland-Berger- Studie aus dem Jahr 2014. Laut der Beratungsgesell-schaft Deloitte & Touche wird der Smart-Home-Markt in Europa bereits im Jahr 2017 ein Volumen von 4,1 Milliarden Euro haben. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie investiert mit dem Programm Autonomik 110 Millionen Euro in die Weiterentwick-lung von Technologien für die Industrie 4.0. Der Mensch umgibt sich zunehmend mit Technik, die selbständig waltet. Wird sie zur Konkurrenz des Men-schen? Bedeutet ihr Fortschritt den Autonomieverlust des Individuums? »

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06Ein banales Beispiel verdeutlicht, dass Technik den

Willen des Menschen schon heute beschränkt, die Anwendung muss nicht neu und visionär sein: Im Sommer 1985 zeigte das deutsche Fernsehen zum ersten Mal die US-amerikanische Kult- serie »Knight Rider«. Im Vorspann fährt ein schwarzer Sportwagen dem Zuschauer entgegen, David Hasselhoff alias Michael Knight sitzt am Steuer. Eine dunkle Stimme sagt aus dem Off: »Er kommt – Knight Rider – ein Auto, ein Computer, ein Mann.« Pause. Gespannte Stimmung. Der Wagen rollt näher. »Knight Rider – ein Mann und sein Auto kämpfen gegen das Unrecht.« Der Held der Serie ist das sprechende Auto K.I.T.T., ausgestattet mit künstlicher Intelligenz, das allerdings durch eine ganz andere Sache besonders imponiert: quietschende und qualmende Reifen. Junge Männer auf der ganzen Welt haben K.I.T.T. und David Hasselhoff nachgeeifert. Bis die Antriebsschlupfregelung (ASR) serienmäßig in ihre Autos kam. Moderne Fahrer können nicht mehr mit den Reifen durchdrehen. Die Technik verbietet es.

das auto startet den motor nicht, weil es ermittelt hat, dass der fahrer alkoholisiert ist.

»Die Autonomie des Menschen gerät in Konflikt mit der technischen Autonomie«, sagt Michael Decker. Am Karlsruher Institut für Technologie ist er Professor für Technikfolgenab-schätzung am Institut für Philosophie und Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS). Seit zehn Jahren beschäftigt er sich insbesondere mit den Fragen: Wie ver-ändert Technik die Gesellschaft? Welche Folgen hat das Einführen neuer Technologien für den Menschen? »Wir müssen prüfen, ob der Mensch die autonome Technik als wünschenswert ansieht.« Dabei gebe es keine Regel, man müsse sich jeden Fall einzeln ansehen. Das Antiblockiersystem beispielsweise, das automatische Einsetzen der Stotterbremse in Gefahrensituationen, ist bei den Fahrern seit langem als hilfreich akzeptiert; die Antriebsschlupf-regelung hingegen verursacht bei manchem Fahrer Verdruss. Andere Assistenzsysteme, die derzeit auf den Markt drängen, könnten ebenfalls in Konkurrenz zu den Absichten des Fahrers stehen: die Müdigkeitskontrolle zum Beispiel. Das Auto misst den Lidschlag des Fahrers und bemerkt, dass dieser müde ist. Das Auto biegt beim nächsten Rastplatz ein, und der Fahrer ist zur Pause gezwungen. Oder – eine Variante davon – das Auto startet den Motor nicht, weil es ermittelt hat, dass der Fahrer alkoholisiert ist. Das »Ich« will los, das Auto bockt. Sicherheit geht vor Freiheit.

Bislang kann der Fahrer solche Assistenzsysteme über-stimmen, indem er sie abschaltet. »Ein Autonomieverlust des Menschen ist es nur dann, wenn er es zulässt, wenn er die Technik für wünschenswert hält und infolgedessen seine Autonomie ein-schränken lässt«, sagt Decker. Die autonome Technik bietet nach heutigem Stand dem Menschen also mehr Entscheidungsmög-lichkeiten an – nicht weniger. Allerdings warnt der Experte davor, dass »die Zahl dieser Entscheidungen auch in Stress ausarten kann«. Und was, wenn Versicherungen kostengünstigere Tarife anbieten für smarte Autos oder smarte Häuser? Der individuellen Entscheidung stehen dann ökonomische Aspekte entgegen. Bei zwei Dritteln der Fahrer gibt es Vorbehalte gegenüber autonomen Autos, ergab eine aktuelle Akzeptanzstudie des Automobil Club

Verkehr (ACV). Jeder zweite männliche Fahrer befürchtet einen Verlust an Fahrspaß. 48 Prozent aller Befragten haben Angst vor einem Kontrollverlust und 58 Prozent vor einem Ausfall der Technik. Wenn Maschinen selber entscheiden und handeln, verlassen sie sich auf Sensordaten und einen Algo-rithmus, der die Daten auswertet. Bei einfachen Anwendungen basiert die Technik auf Wenn-dann-Programmierungen. Ein Beispiel: Die Nacht bricht herein, Außensensoren am Haus registrieren den Zustand »dunkel« und fahren die Jalousien herunter. Doch so simpel ist es selten. Die Anwendungen, die heute entwickelt werden, sind komplexer. Die Sensoren erfassen immer mehr Daten, die Algorithmen werden immer klüger. Manche autonomen Systeme sind lernfähig geworden. Sie entwachsen den Vorstellungen ihrer Macher, erkennen neue Muster in riesigen Datenmengen und entscheiden darauf basierend. Schneller als der Mensch, exakter, effizienter. Wie hier: An der Börse hat sich das High-Frequency-Trading durchgesetzt. Selbständig agierende Börsencomputer ersetzen menschliche Börsenhändler. Der algorithmische Aktienhandel basiert auf komplexen Entscheidungsmustern, die für Börsen-händler nicht mehr nachvollziehbar sind.

»der freie mensch jedoch, der über seine zukunft bestimmt – er steht auf dem spiel.«

Yvonne Hofstetter ist eine deutsche Unternehmerin, die intelligente Softwaresysteme entwickelt. Ihre Erfahrungen damit hat sie im vergangenen Jahr in ein Buch verpackt, den Spiegel-Bestseller »Sie wissen alles«. Darin warnt sie vor dem Eindringen intelligenter Maschinen in unser Leben. »In Ihrem Auto fühlen Sie sich grenzenlos frei und unbeobachtet? Ihr Neuwagen weiß genau, wo Sie fahren, merkt sich Ihr Fahr-verhalten und leitet es weiter, etwa Ihrer Autoversicherung.« Neue Technologien machten den Alltag bequem, schreibt sie, schließlich schätzten wir Komfort. »Der freie Mensch jedoch, der über seine Zukunft bestimmt – er steht auf dem Spiel.« Wann immer diese Technik mit dem Menschen in Berührung kommt, ob nun an der Börse, im Auto, im Netz oder zu Hause, die Maschine dokumentiert das Verhalten des Nutzers. In einem Interview mit der »Zeit« sagt Hofstetter: »Daraus werden neue Produkte und Dienstleistungen mit viel künstlicher Intelligenz; Maschinen, die selbständig neue Informationen wie unsere Bewegungsprofile und Alltagsgewohnheiten zusammentragen und verarbeiten. Mit noch mehr Daten lernen sie, uns noch besser zu analysieren und aktiv zu beeinflussen.« Ein Angriff auf die Autonomie des Menschen.

Es geht nicht darum, autonome Technik abzulehnen wie ein trotziges Kind. Experten – wie Michael Decker und Yvonne Hofstetter – betonen stets, welche Chancen dieser Fortschritt der Gesellschaft bietet, in ihrer Entwicklung voran-zukommen. Es geht darum, sich darüber zu verständigen, wie eine moderne Gesellschaft die neuen Möglichkeiten in ihre Lebenswelt integrieren möchte. Dazu darf sie sich auf ihre Wurzeln in der Aufklärung besinnen:

der mensch ist frei. //

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Die drei Stufen der Autonomie Erste Stufe Die technische Autonomie beschreibt die Eigenschaft einer Maschine, in bestimmten Bewegungsräumen Steuerungen und Aktionen auszuführen. Sie liegt in Fällen komplexer Automation mit technisch indizierten Freiheits-graden vor. Der Begriff technische Autonomie wird verwendet, wenn Maschinen aufgrund ihrer Sensorik und ihrer Systemeigenschaften selbständig handeln. Zweite Stufe Die personale Autonomie bezeichnet die Fähigkeit von Menschen, spontan Einstellungen einzunehmen und Handlungen auszuführen, die nicht vorhersagbar sind. Sie vollzieht sich in Hand-lungen, die begründbar sind. Sie müssen nicht

moralisch bestimmt sein. Ein Beispiel für personale Autonomie sind Lebenspläne, Wünsche und Inter-essen von Individuen. Dritte Stufe Die ideale Autonomie umfasst rein moralisches Handeln des Menschen. Unter idealen Bedingungen würden sich die Handlungen zu einer integralen Einheit zusam-menfügen. Referenzpunkte für die ideale Autono-mie sind Engel als perfekt autonom und moralisch handelnde Wesen. Modelle sind die Konzeptionen von Rousseaus Gesellschaftsvertrag und Kants Reich der Zwecke. Auch Kants kategorischer Imperativ legt menschlichem Handeln ein verbindliches moralisches Gesetz zugrunde.

Aus: T. Christaller, M. Decker, J.-M. Gilsbach, G. Hirzinger, K. Lauterbach, E. Schweighofer, G. Schweitzer, D. Sturma: Robotik – Perspektiven

für menschliches Handeln in der zukünftigen Gesellschaft; Ethics of Science and Technology Assessment, Springer Verlag, 2001.

Lesen Sie mehr über autonome Technik:

s. 8/9Ein Interview mit Professor Decker über Maschinen und Moral

s. 12Wie der Mensch der Maschine nachstrebt

s. 16 ff.Automotive-Special

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08 » Roboter, die denken, gibt es nicht!«

Wenn Maschinen selbständig entscheiden, brauchen sie

Moral. Die Regeln dafür gibt ihnen der Mensch vor. Doch welche sind das?

Ein Gespräch mit Prof. Michael Decker, Leiter des Instituts für

Technikfolgenabschätzung.

Illustration: Miriam Migliazzi & Mart Klein, dainz.net

moralMoral bezeichnet die Regeln, die das Handeln von Menschen bestimmen oder bestimmen sollten, wobei

Menschen auf den Verstoß gegen diese Regeln mit Schuldgefühlen reagieren. Die »mores« umfassten traditionell das Spektrum von den Konventionen bis zu sanktionsbewehrten Rechtsregeln. In der Philosophie bei Kant

erfolgt eine Verengung und Vertiefung des Begriffs Moral auf die Autonomie des Gewissens jedes Einzelnen. Quelle: Springer Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon

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können maschinen den menschen ersetzen?

Maschinen übernehmen längst mehr als standardisierte Handgriffe. Sie werden künftig Autos steuern oder Alte und Kranke pflegen. Doch kann das Ersetzen durch einen Roboter je komplett sein? Nehmen wir an, ein Rollstuhl fährt vollautonom in einem Kranken-haus. Er holt den Patienten von Station 5 ab und bringt ihn in den Keller zum Röntgen. Technisch würde man sagen, der Pfleger, der den Rollstuhl schiebt, ist damit ersetzt. Es spielen aber auch zwischenmenschliche Faktoren eine Rolle. Den Plausch im Fahrstuhl kann der Roboter nicht leisten. Man muss genau hinsehen: Wozu ist der Roboter in der Lage und wo liegen seine Grenzen? Wenn es gelingen soll, dass Maschinen den Menschen ersetzen, dann muss das in allen Bereichen gelingen, nicht nur im technischen.

wenn roboter den menschen ersetzen oder ergänzen, stellt sich die frage: können maschinen moralisch entscheiden?

Maschinen entscheiden ja nicht selbständig. Sie entscheiden nach Regeln, die ihnen zuvor jemand programmiert hat. Die Frage muss daher lauten: Wie sollen Roboter Menschen ersetzen? Sollen sie auch moralische Entscheidungen treffen und, wenn ja, nach welchen moralischen Grundsätzen?

in der pflege sind moralische beurteilungen unausweichlich. welche regeln könnte es geben, aufgrund deren maschinen entscheiden?

Das ist bislang nicht geklärt. Eine Debatte darüber muss dringend geführt werden. Ich gebe Ihnen ein Beispiel für ein moralisches Dilemma: In einem Altenheim kommen zwei Klingelzeichen gleichzeitig aus den Zimmern. Die Frage, die sich der Pfleger oder der Roboter nun stellt: Zu wem gehe ich zuerst? Der Mensch entscheidet auch nach Sympathie oder nach Gewohnheit. Herr Müller klingelt ständig, Frau Meier hingegen meldet sich nur, wenn sie Hilfe braucht. Für Pfleger gibt es unangenehme Patienten, zu denen sie weniger gern ge-hen. Maschinen sind da deutlich entspannter. Wenn die Datenlage bekannt ist und wir uns auf programmierbare Fairnessregeln geeinigt haben, dann kann der Roboter diese letztendlich besser umsetzen. Denn natürlich besteht die Gefahr, dass Herr Müller gestürzt ist und wirklich jemanden braucht.

welche moralischen dilemmata könnten beim autonomen fahren auftauchen?

Es besteht die Chance, dass ein autonomes Auto besser fährt als der Mensch. Dafür müssen die

Programmierer aber wissen, welche Regeln sie den Fahr- zeugen mitgeben sollen. Nehmen wir an, ein Kind läuft Ihnen vors Auto. Der Bremsweg ist zu kurz, Sie können entweder links in den Gegenverkehr ausweichen oder rechts in die parkenden Autos. Alle wissen: Das ist das größte Unglück, das passieren kann. Jede Reaktion, die Sie als Mensch in dieser außerordentlichen Situation zeigen, ist irgendwie toleriert. Mit der Technik haben wir auf einmal neue Möglichkeiten. Zwar kann sie die Physik nicht überlisten, aber sie kann gezielt die Fahrtrichtung verändern – besser als der Mensch. Wir könnten sagen: Ein autonomes Auto soll immer mitrechnen, wie es beispielweise durch geschicktes Entlangschrammen an parkenden Autos seine Bremswirkung verbessern kann. Genauso könnten sich Fahrzeuge untereinander über ihre Knautschzonen verständigen. Dann würden sie diese Informationen nutzen, um eine optimale Wirkung dieser Knautschzonen zu berechnen, damit es für alle glimpflich ausgeht. Um dies zu programmieren, müssen wir als Gesellschaft zuerst die Fragen beantworten: Wen schützen wir? Immer das Kind oder immer das Auto mit den meisten Personen? Bislang wissen wir nicht, was wir dem Programmierer sagen würden.

»the edge question« ist eine frage, die der literaturagent john brockman prominenten wissenschaftlern und künstlern einmal im jahr stellt. 2015 heißt sie: was denken sie über maschinen, die denken?

Da denke ich, die gibt es nicht.

weshalb?

Was verstehen Sie unter »denken«? Denken nur Menschen? Oder auch Tiere? Ich sage, dass nur Men-schen denken. Sie entscheiden rational, geben Gründe für ihr Handeln an, können sich in sozialen Kontexten verorten. Das ist Maschinen nicht möglich. Die tech-nische Autonomie reicht nicht an die Autonomie von Menschen heran.

es gibt wissenschaftler, die der meinung sind, sie könnten maschinen ein bewusstsein programmieren.

Wenn wir so weit gehen, müssten wir auch akzeptieren, dass Roboter sagen: Das mache ich nicht, weil ich keine Lust habe. Damit wäre für mich der wesentliche Aspekt von Technik verlorengegangen. Es würde keinen Sinn ergeben, so etwas zu kaufen. Es leben mehr als sieben Milliarden Menschen auf der Erde. Es gibt also keinen Mangel an Wesen, die ich mit Respekt und Würde behandeln »muss«. Ich wüsste daher nicht, warum man solche Systeme bauen sollte, mal davon abgesehen, dass man technisch davon noch weit entfernt ist. //

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Wo die Generation Y

arbeiten möchte

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Die Generation Y ist

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* Lesen Sie dazu auch online »Biete Büroplatz – suche WLAN am Meer.« aus unserem IT-Magazin atFERCHAU #14: bit.ly/1ELUHd9

** Online-Umfrage unter 511 Personen im Alter zwischen 20 und 35 Jahren Quelle: Zukunftsinstitut

in der »Zeit«. Die mit Pippi Langstrumpf aufgewachsenen Kinder sind im Berufsleben angekommen, und sie verändern den Arbeitsmarkt radikal. Nicht ihre Masse gibt ihnen Macht, sondern die Knappheit an Alternativen in Zeiten des demographischen Wandels. Der Generation Y im Geiste sehr nahe ist die Generation Flux: Es handelt sich um Menschen, die sich in einer turbulenten und unvorhersehbaren Wirt-schaftslage am wohlsten fühlen. Die stark darin sind, bewährte Pfade zu verlassen und tollkühne Ideen umzusetzen. Die nichts für sicher halten, aber gerade deshalb kreativ und flexibel denken.

*

Firmen sind von diesen neuartigen Bewerbern gefordert. Personaler finden sich in einer verkehrten Welt wieder: Nicht der Be-werber will gefallen, sondern das Unternehmen muss dem Bewerber gefallen. Es geht um ein vernünftiges Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit, um ergebnisorientiertes Arbeiten, unabhängig von Ort und Zeit, um die Wertschätzung und den Raum für die Entfaltung der Mitarbeiter. Der beliebteste Arbeitgeber bei den begehrten IT-Nachwuchskräften beispielsweise ist Google, besagt die Young Professionals Trendence Studie 2014. In der deutschen Google-Zen-trale in Hamburg gibt es ein hauseigenes Fitnessstudio, Gratisessen und zum Entspannen einen Pool, gefüllt mit türkisen Schaumstoff-würfeln. 20 Prozent ihrer Arbeitszeit dürfen die Mitarbeiter für eigene Projekte aufwenden. Eine Welt, die Generation Pippi gefällt.

Nicht nur Berufs- und Quereinsteiger, sondern auch Füh-rungskräfte könnten viel von Pippi Langstrumpf lernen, schreiben

Annette Blumenschein und Ingrid Ute Ehlers in ihrem Ratgeber »Der Pippi Langstrumpf-Faktor: Managen mit Kreativ-Kompetenz«. Die Trainerinnen fordern mehr Mut, Neugier und Ideen von Führungs-kräften und geben in ihrem Buch dazu Anleitung. Die Autorinnen beklagen beispielsweise eine Kultur der Absicherung: »In einer verunsichernden und komplexen Welt des raschen Wandels wie der heutigen scheint das menschliche Bedürfnis nach Sicherheit zuzunehmen.« Daraus resultiere häufig das Problem, dass man Entscheidungen hinauszögert oder gar nicht trifft – ein Wettbewerbs-nachteil. Wer mit solchen Blockaden kämpfe, dem helfe es, zu fragen: »Was könnten wir tun, wenn wir den Mut dazu hätten?« Zudem müssten Manager nicht nur sich selbst, sondern auch ihren Mitar-beitern vertrauen. »Wer engagiert agierende Mitarbeiter haben will, muss den Mut aufbringen, sie entsprechend handeln und entschei-den zu lassen.« Pippi braucht keinen Boss.

So seltsam es klingt, dass Männer und Frauen in ihren Businesslooks das kleine Mädchen in Ringelsöckchen anhimmeln – so real ist es. Eine Gesellschaft, die zielstrebig und leistungsori-entiert ist, erhöht das Unperfekte und Komische gerne zum Ideal. Fiktion kann zwar nicht zur Wirklichkeit werden. Denn wer schafft es schon, ein Pferd mit bloßen Händen in die Luft zu stemmen? Wer hat einen Koffer voller Goldmünzen unterm Herd versteckt? Wann ist zweimal drei gleich vier? Doch steht Pippi Langstrumpfs Lebensmotto für den Wunsch: Ach, wie gern würde ich mir die Welt so machen, wie sie mir gefällt. //

die generation y = die generation pippiDas sind die zwischen 1980 und 2000 Geborenen.

Sie wollen frei und unabhängig arbeiten, sie wollen Spaß haben, sie wollen nicht schuften, sondern leben, sich entfalten und ohne

Angst vor Autoritäten sein.10

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Die autonome

Göre

Das feuerrote Haar hat sie zu abstehenden Zöpfen geflochten, die Nase ist von Sommersprossen übersät, ihr Mund riesig und breit. Sie trägt ein gelbes Kleidchen und zwei lange Strümpfe, einen geringelten und einen schwarzen. Das ist Pippilotta

Viktualia Rollgardina Pfefferminza Efraimstochter Langstrumpf.

Sie ist das stärkste und merkwürdigste Mädchen der Welt und entstammt der Feder der schwedischen Autorin Astrid Lindgren. Das Kinderbuch erschien 1949 in West- und 1975 in Ostdeutschland, verfilmt wurde es 1969, Millionen kleiner Jungen und Mädchen haben es gelesen oder den Film in Fernsehen und Kino gesehen. Aber Pippi ist mehr als eine Heldin aus vergangenen Tagen: Sie greift in die Gegenwart ein. Die Kinder, die die Geschichten nachts unter der Bett-decke lasen oder die Serien vor dem Zubettgehen ansahen, sind groß geworden. Sie führen Unternehmen, engagieren sich in der Politik und ziehen eigene Kinder groß. Ihr Idol haben sie mitgenommen.

Wenn Pippi in den Zirkus geht, springt sie in die Manege. Wofür sonst hat sie Eintritt bezahlt? Wenn sie durchs Dorf spaziert, läuft sie rückwärts, da spart sie sich das Umdrehen. Freche Jungs wirft sie auf Bäume, mit Polizisten spielt sie Fangen. In die Schule geht sie nicht, lieber erzählt sie Geschichten von Seeräubern. Pippi will Spaß und sie macht sich ihre Welt, wie sie ihr gefällt.

»es wird zeit für die pippilotta in ihnen!«

schreiben die Autorinnen Christine Weiner und Carola Kupfer in ihrem Buch »Das Pippilotta-Prinzip«. Die Trainerinnen für Persönlichkeitsentwicklung richten sich damit an Leser, die des Alltagstrotts überdrüssig sind, die mit ihrer Meinung »hinterm Berg halten, weil sie befürchten unangenehm aufzufallen«. In ihrem Buch breiten die Autorinnen Strategien aus, die schwache Persönlichkeiten stark werden lassen. Doch hätten sie Pippilotta als Kind verinnerlicht, müssten sie den Ratgeber dann noch lesen?

Vielen anderen scheint dieses Verinnerlichen gelungen zu sein: Die Generation Y, das sind die nach 1980 Geborenen, nennt man auch Generation Pippi. »Denn diese Generation macht sich die Welt, widdewidde wie sie ihr gefällt«, schreibt die Journalistin Kerstin Bund

Pippi Langstrumpf ist nicht nur eine Heldin für

Kinder, sondern inspiriert vor allem Erwachsene.

Sie hilft, Ideen zu verwirklichen, ist der

Generation Y ein Vorbild und macht Managern Mut,

mehr zu wagen.

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Vom prager golem über die repli-kanten bis zu lieutenant commander data in »Star Trek« haben sich die Menschen selbst-geschaffene Begleiter an die Seite gestellt. Derartige Legenden und Geschichten faszinieren uns, denn sie

spielen mit dem Credo der göttlichen Schöpfung und zeugten einst von der bevorstehenden Aufklä-rung. So war der golem ein menschähnliches Gebilde aus Lehm, das im Mittelalter durch jüdi-sche Rituale und Zahlenmystik ins Leben gerufen

wurde. Zu ähnlicher Zeit soll Albertus Magnus in Köln mit Hilfe von Magie und Alchemie eine Bildsäule

geschaffen haben, die sprechen und sich bewegen konnte. Der mediale Durchbruch der androiden

erfolgte im 18. und 19. Jahrhundert mit der zuneh-menden Industrialisierung und dem gesellschaftli-chen Wandel. Die Geschichten spiegeln einerseits die Angst von uns Menschen vor Veränderungen wider, andererseits loteten sie aber auch die Grenzen der technischen und menschlichen Möglichkeiten aus. Die Maschine ist ein mächtiges Werkzeug und zugleich Bedrohung, wenn wir sie nicht kontrollieren können. Goethes Ballade vom »zauberlehrling« aus dem Jahr 1797 spricht doppelt Bände – die un-kontrollierte Technik des beseelten Besens verwies auch auf den gesellschaftspolitischen Wandel der Welt, in der das Autonomiestreben des Einzelnen mit Sturm und Drang auf die traditionelle Ordnung traf.

Im frühen 19. Jahrhundert verfasste Jean Paul seine Humoreske »maschinenmann«,

deren Titelgestalt jede Tätigkeit mittels einer Maschine erledigt. E.T.A. Hoffmann kritisierte in seinem »sandmann« die Aufklärung und die (sich immer weiter

ausdehnenden) Grenzen der Wissenschaft.

Der Untertitel von Mary Shellys »franken-stein« verweist direkt auf den Gedanken, dass sich der Mensch selbst zum Schöpfer aufschwingen kann: »der moderne prometheus«. Kurz zuvor, im Jahr

1800, hatte das elektrische Zeitalter mit der ersten Batterie begonnen, der voltasäule.

Der bekannteste historische Android ragt deshalb heraus, weil er keiner Geschichte entstammte, sondern tatsächlich »lebte«: Der schachtürke wurde 1769 vom genialen Tüftler Wolfgang von Kempelen erbaut, um gegen illustre menschli-che Gegner im Schachspiel anzutreten. Es dau-erte über 70 Jahre, bis entlarvt wurde, dass sich im Inneren der Maschine ein Mensch aufhielt, der die künstlichen Arme und die Figuren auf dem Brett bewegte. In der Zwischenzeit war das Gerät auf große Tournee durch Europa und die Vereinigten Staaten gegangen. Die Maschine wurde nachgebaut und auch als ägypter neu aufgelegt – beide Modelle verbrannten später in einem Museum. Eine Rekonstruktion steht heute im Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn.

Mit der Digitalisierung gibt es nun einen ein-schneidenden Wandel in der Perspektive – zwar werden uns die Roboter optisch und rechnerisch immer ähnlicher,

aber im Gegenzug hat die Menschheit begonnen, sich an den Maschinen zu orientieren. Dieser »Transhumanismus«, also die Fortschreibung des Menschen in der Technik, steckt mitten im Aufbruch. Genforschung, Biotechnik, Gedanken-steuerung des Computers, erweiterte Realität und die Ver-messung des Individuums zeigen Tendenzen auf, in denen sich Nietzsches Philosophie vom Übermenschen abbildet. »Die größte Revolution der nächsten 100 Jahre wird das Menschsein selbst betreffen«, sagte der israelische Histo-riker und Autor Yuval Harari unlängst in der »Süddeutschen Zeitung«. Denn bei all den historischen Veränderungen der Menschheit sei bislang eine Sache statisch gewesen: wir.

Vom Androiden zum Übermenschen – Geschichte der autonomen Maschinen

Belebte, autonome Maschinen sind ein alter Traum der Menschheit, Androiden faszinieren uns und stoßen uns gleichzeitig ab. Doch nicht nur die Roboter veränderten sich im Laufe der Geschichte, auch wir Menschen streben inzwischen den Maschinen nach.

Bilder: Wikipedia – Wikimedia Commons

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292.000340.000

428.000

4,9 MILLIARDEN

AUTONOME FAHRZEUGE

IN KALIFORNIEN SIND 29 AUTONOME AUTOTYPEN

50 MILLIONEN

DAS AUTONOME FAHREN WIRD BIS 2030 ZUSÄTZLICHE UMSÄTZE VON 60 MILLIARDEN DOLLAR WELTWEIT GENERIEREN. BIS ZU 40 MILLIARDEN DOLLAR ENTFALLEN AUF VERKÄUFE VON KOMPONENTEN UND BIS ZU 20 MILLIARDEN AUF SOFTWAREPRODUKTE.

MIT EINER LÄNGE VON FÜNFZEHN METERN UND EINER FLÜGELSPANNWEITE VON ZWÖLF METERN IST DER MECHANISCHE DRACHE »TRADINNO« DER GRÖSSTE VIERBEINIGE SCHREITROBOTER DER WELT. ER WAR FÜR DEN EINSATZ IM ÄLTESTEN DEUTSCHEN VOLKSSCHAUSPIEL, »DER DRACHENSTICH«, GEBAUT WORDEN.

DER KLEINSTE MEDIZINISCHE ROBOTER DER WELT MISST EIN HUNDERTSTEL EINER HAARBREITE, NÄMLICH

0,001 MM.

25 MILLIARDENMIT DEM INTERNET VERBUNDEN SEIN. BIS ZUM JAHR 2020 WIRD DIE ZAHL AUF

DINGE WERDENENDE DES JAHRES 2015

VERNETZTE DINGE STEIGEN.

Anzahl der bis zum

Jahre 2017 eingesetzten Industrieroboter:1

BEFINDEN SICH IN EINEM HEUTIGEN MITTELKLASSEWAGEN.150SENSOREN

NORD

AMER

IKAEU

CHIN

A

ER KOMMT AUS EINEM LABOR DER ETH ZÜRICH UND SOLL IN ZUKUNFT IN SCHWÄRMEN MIT MEDIZINISCHEN WIRKSTOFFEN BELADEN DURCH DEN KÖRPER ZU INFEKTIONEN ODER KREBSTUMOREN GESTEUERT WERDEN.

ZUGELASSEN. IN CA. 20 JAHREN SOLL ES ÜBER

AUF DEN STRASSEN GEBEN.

Quellen: 1) International Federation of Robotics – IFR, 2) computerbild.de, 3) IHS Automotive Inc., 4) Guinness Buch der Rekorde, 2014, 5) K. Reif, Bosch Autoelektrik und Autoelektronik, 6) Roland-Berger-Studie 2014, 7) Gartner Inc. 8) 20min.ch

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a u t o n o m i e

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motogp.com und flo66.de

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Neben dem Engagement als Hauptsponsor der Handball-Legende VfL Gummersbach unterstützt FERCHAU seit diesem Jahr auch die deutsche Motorradrennsport-Hoffnung Florian Alt. Der 19-Jährige fährt aktuell seine erste Saison in der Moto2-WM.

Moto2, das ist Rennsport-Action voller Dramatik und Leidenschaft – in der zweithöchsten Prototypenklasse der Motorrad- WM des Straßensports. Die spektakuläre Serie löste 2010 die bekannte 250-ccm-Klasse ab. Anders als in den seriennahen Superbike-Rennen sind hier ausschließlich Prototypen mit einheitlichen 600-ccm-Viertakt-Motoren zugelassen. Auch Teile wie ECU, Ein- und Auslassventile, Kolben, Bremsen müssen einheitlichen Standards entsprechen, damit für alle Teams möglichst gleiche Voraussetzungen gelten. »Das ist schon bedeutend fairer als früher«, weiß Pilot Florian Alt,

der 2012 als Sieger des internationalen Red Bull MotoGP Rookies Cup und als deutscher Meister der 125-ccm-Klasse für Furore sorgte. Erst im letzten Jahr bestätigte der gebürtige Gummersbacher sein Potential mit der Vizemeisterschaft in der Moto2-Klasse der wichtigen spanischen CEV-Meisterschaft.

»Von dort bis zur Moto2-WM war es ein nahezu logischer Schritt«, freut sich der 1,84 Meter große Oberberger. Bei den auf mehreren Kontinenten stattfindenden Rennen ist er mit einer Suter-MMX2 unterwegs. Das rund 140 PS starke Kraftpaket erreicht streckenabhängig Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h. Sein Aluminium-Chassis stammt von der schweizerischen Firma Suter Racing, die Hightech-Lösungen für den Prototypen-Markt entwickelt. »Die Teile für den Leichtbaurahmen werden aus einem gewaltigen Aluminium-block herausgefräst und passgenau zusammengesetzt.« Das Gewicht des Bikes liegt leer bei 138 Kilogramm. Gefahren wird mit Dunlop-Rennbereifung.

Dass seine Rennsportkarriere seit dieser Saison von FERCHAU unterstützt wird, freut den für das italienische Ioda-Team startenden Florian Alt ganz besonders: »Es war für mich schon immer wichtig, in meiner oberbergischen Heimat vernetzt zu sein.« Für FERCHAU-Geschäfts-führer Stefan Eichholz bedeutet das Engagement im Motorradrennsport den Brückenschlag vom Engineering zum Spitzensport: »Motorsport ist Entwicklungskompetenz, Dynamik und Leidenschaft, eben Technik auf höchstem Niveau. Genau dafür steht auch FERCHAU. Und mit Florian Alt unterstützen wir einen Fahrer, dessen beeindruckende Entwicklung wir schon seit längerem verfolgen.«

GEWINNSPIEL 2 x 4 VIP-Karten für MotoGP!Röhrende Motoren, dramatische Positionskämpfe und an die Grenze gehende Fahrer, die sich mit ihren pfeilschnellen Maschinen rasant in die Kurven legen: Machen Sie mit bei unserem Gewinnspiel und erleben Sie mit Fortunas Hilfe drei Tage lang die einmalige Rennsport- atmosphäre in der zweithöchsten Prototypenklasse der Motorrad-WM (MotoGP 2). FERCHAU verlost jeweils vier VIP-Eintrittskarten (inkl. Übernachtung im EZ sowie Zugang zum Fahrerlager) für die Grand- Prix-Veranstaltungen von Deutschland (Sachsenring, 10.–12.07.2015) und Tschechien (Brünn, 14.–16.08.2015). Was Sie tun müssen?

Loggen Sie sich ein unter ferchau.de/go/gewinnspiel und sagen Sie uns, wie viel PS die Maschine von Florian Alt hat. Kleiner Tipp: Aufmerksam diese Seite lesen. Einsendeschluss ist der 30.06.2015 (bitte den Grand Prix Ihrer Wahl nennen). Viel Glück!

WIR GRATULIERENÜber ein iPhone 6 mit 4,7-Zoll-Bildschirmdiagonale hat sich Herr Andre Langel gefreut. Er arbeitet bei der GE Wind Energy GmbH.Herzlichen Glückwunsch!

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Mit 300 km/h auf Punktejagd

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r e d p a g e s

JUBILÄENKöln und Kassel feiern 35-Jähriges

»Doppelpack« in Sachen 35-jähriges Bestehen: Mit Köln und Kassel feiern gleich

zwei FERCHAU-Niederlassungen am 1. Juli 2015 ein besonderes Jubiläum. Zum

Team von FERCHAU Köln gehören mehr als 100 Mitarbeiter. Tätigkeitsschwerpunkte sind die automobile Fahrzeugtechnik, der Maschinen- und der Sondermaschinenbau

sowie die Informationstechnik. Neben Engineering-Support durch einzelne

Fachkräfte und IT-Consultants wickeln drei Projektgruppen komplette Arbeitspakete im Bereich des Maschinenbaus und der Elektrokonstruktion ab. Die Automobil-industrie hat auch für FERCHAU Kassel

zentrale Bedeutung. So ist das Team eines Onsite-Büros bei einem OEM mit ferti-

gungsbezogener Infrastrukturplanung be-fasst. Die weiteren Tätigkeitsschwerpunkte der Niederlassung liegen im Maschinen-/

Sondermaschinenbau (u. a. ein Technisches Büro), in der Wehrtechnik sowie in der

Elektro- und der Automatisierungstechnik. Nicht zu vergessen: der stetig an Bedeutung gewinnende IT-Bereich. Beschäftigt werden

mehr als 60 Mitarbeiter.

TOP-ARBEITGEBERFERCHAU bei Deutschlands Besten

FERCHAU zählt zu den besten Arbeitgebern Deutschlands. Das bestätigt die von FOCUS gemeinsam mit XING und kununu durch-geführte Erhebung Top-Arbeitgeber 2015

national. FERCHAU wurde unter den Groß-unternehmen erstmals in drei Branchen-

kategorien auf die oberen Ränge gewählt: in der Branche »Dienstleistungen« auf Platz

zwei, in der Kategorie »Beratung, Agenturen, Kanzleien, Forschung und Technik« auf

Platz drei. Und im Ranking »Automobil und Zulieferer« nimmt FERCHAU Rang zwölf ein. In einer weiteren FOCUS-Befragung

zum Thema »Beste Personaldienstleister« wurde in der Kategorie »Vermittlung von

Freelancern« Platz vier erreicht. Auch unter den angehenden Ingenieuren ist FERCHAU einer der beliebtesten Arbeitgeber Deutsch-

lands. Das bestätigt die Universum-Umfrage »Student Survey 2015«, bei der FERCHAU

Rang 45 belegt. Noch drei Plätze besser war mit Rang 42 das Abschneiden beim »trendence Graduate Barometer 2015«.

ferchau.de/go/top-arbeitgeber

PREISVERLEIHUNGHeinz Ferchau erhielt Lebenswerk-Award

Heinz Ferchau, Gründer der FERCHAU En-gineering GmbH und bis 2005 Geschäfts-führer, ist Preisträger des Business-to-Bu-

siness-Service-Awards 2015 des Kaufbeurer Marktforschungsunternehmens Lünen-donk GmbH – Kategorie »Lebenswerk«. Bereits zum fünften Mal zeichnete eine

prominent besetzte Medienjury Serviceun-ternehmen und Serviceunternehmer in

den Kategorien »Lebenswerk«, »Leistung« und »Innovation« aus. Zur Begründung der Auszeichnung von Heinz Ferchau heißt es: »Der Gründer eines kleinen Ingenieurbüros hat es geschafft, eine der stärksten Marken

für Engineering-Services in Deutschland aufzubauen.«

FERCHAU FREELANCE – DAS PORTAL FÜR FREELANCER Noch mehr Komfort und InteraktivitätNach dem Relaunch der Web-Appli- kation FERCHAU Freelance haben freiberufliche Spezialisten ab Juni 2015 die Möglichkeit, noch interaktiver und noch komfortabler ihr Profil einzustel-len, online zu pflegen, tagesaktuell of-fene Projekte bzw. Anfragen einzusehen und sich online für Projekte anzubieten. So kann beispielsweise das eigene Profil direkt aus XING importiert werden. Deutlich komfortabler gestaltet sich außerdem die Suche nach Projekten, inklusive deren Filterung. Die Benutzer- oberfläche der Web-Applikation wurde komplett überarbeitet und kann dank des neuen Responsive Designs auf allen mobilen Endgeräten optimal genutzt werden.

ferchau.de/go/freelance

ÜBERNAHMEFERCHAU erwirbt Rostock System Technik FERCHAU Engineering hat über eine Konzerngesellschaft die gesamten Ge-schäftsanteile der Rostock System Tech-nik GmbH (RST) erworben. RST mit Sitz in Rostock ist eine Tochtergesell-schaft der Airbus Group und beschäftigt 150 Mitarbeiter. Die operative Steuerung und Führung der RST erfolgt künftig unter dem Geschäftsbereich FERCHAU AVIATION. Damit stärkt der Spezialist für Luft- und Raumfahrt vor allem dasKnow-how im Bereich Cabin-Enginee-ring. AVIATION-CEO Harald Felten: »Zusammen mit RST sind wir gerade im Bereich Kabine und Systems- Engineering in der Lage, gewünschte Projektpakete noch lösungsorientierter abzuwickeln.«

FERCHAU AUGMENTED REALITY APPJetzt mit Selfie-Modus

Mit einer Reihe neuer Features wartet das ab sofort herunterladbare neue Release 4.0 (iOS, Android) der FERCHAU Augmented

Reality (AR) App auf. Konzipiert für die aktuellsten Geräteklassen, bietet es Ihnen

die Möglichkeit, noch feiner aufgelöste 3D-Technikmodelle des FERCHAU-

Leistungsspektrums virtuell aus allen Perspektiven zu betrachten. Clou ist der Selfie-Modus, mit dem Sie Selfies

von sich und den ausgewählten 3D-Modellen erstellen können.

Neu: App laden, FERCHAU-Logo auf der Titelseite scannen und

Engineering im Detail erleben.ferchau.de/go/apps

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Illustration: © Stephan WalterFERCHAU AKTUELL 0 2 | 2 0 1 5

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»Nutzen statt kaufen?« und: »Welche Übernahmezeiten sind im Fall der Fälle beim autonomen Fahren

gefordert?« Zwei in die Zukunft weisende Fragen, die die Fahrzeugindustrie bewegen. FERCHAUaktuell

geht ihnen in seinem automotive-special auf den folgenden Seiten nach. Doch auch

schiffbauer und reeder müssen sich neuen Herausforderungen stellen und beispielsweise für

»weißen Rauch bei schweren Pötten« sorgen. Womit wir beim Thema umweltverträglichkeit

wären, für das die elektroindustrie auch aus der Vergangenheit bekannte Wirkprinzipien

wiederbelebt. Nur drei von sieben fachbereichen der FERCHAU World of Engineering. Welche

spannenden Geschichten sich mit den weiteren vier Schlüsselbranchen verbinden – erfahren Sie ebenfalls

in unserem großen Technikteil.

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zu

Fall Das Motorsteuergerät ist Hirn und Herzstück vieler vernetzter Einzelkomponenten beim Automobil. Daraus resultieren hohe Anforderungen an eine

dauerhaft zuverlässige Funktion. Dr. Stefan Gazdag und sein Kollege Philipp Pollok von FERCHAU Stuttgart

tragen durch ihre Tätigkeit beim Technologie- und Dienstleistungsunternehmen Bosch dazu bei,

dass diese gewährleistet ist.

Von

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Fall

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R ums – da hat es gescheppert. Mein Kaffeebecher liegt auf dem Boden, und die Kollegen gucken erschrocken. Aber:

Passiert ist passiert. Beim Geschirr lässt sich das verschmerzen. Was aber wäre gewesen, wenn mir statt der Bürotasse ein sensibles Bauteil wie zum Beispiel ein Kfz-Motorsteuergerät aus der Hand geglitten wäre? Und wie werden die Auswirkungen solcher »Unfälle« untersucht? Anlass für mich, Redakteur der FERCHAUaktuell, einmal der Frage nachzugehen, wie mechanische Festigkeit evaluiert wird und wie FERCHAU-Mitarbeiter diesen Prozess bei Bosch unterstützen.

Im Geschäftsbereich Automotive Electronics der Robert Bosch GmbH sind zwei Mitarbeiter von FERCHAU Stuttgart mit dieser Thematik befasst – wenn auch an unterschiedlicher Stelle. »Unsere Gruppe«, berichtet Dr. Stefan Gazdag im Telefon- interview, »unterstützt die Freigabe von Motorsteuer- geräten – simulativ und über die Erprobung selbst. Ich bin im Bereich Simulation tätig und bilde Fallver-suche mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode (FEM) ab. Aktuell validiere ich ein FE-Modell der Leiter-platte mit den Lötstellen und dem Prozessor. Bevor die Erprobung erfolgt, gilt es sicherzustellen, dass das Modell und damit die Konstruktion korrekt ist.«

»sensible« lötstellen

Kollege Philipp Pollok ist im Projektma-nagement in die Entwicklung eines Plattform- Motorsteuergeräts eingebunden. »Meine Tätigkeit fokussiert sich auf die Musterkoordination für die Erprobung. Dabei geht es um die Bedarfsplanung, beispielsweise: Was wird für mechanische Tests, was für die Erprobung und die entsprechenden Prüfanlagen benötigt? – aber auch um Bestellun-gen bei Lieferanten, die ebenfalls in meine Zustän-digkeit fallen. Letztlich kommt es darauf an, dass zur richtigen Zeit am richtigen Platz die richtigen Geräte liegen. Meine Tätigkeit hat also in erster Linie mit Planung und Koordination zu tun.« »Warum sind Festigkeitsberechnungen gerade bei den Löt-verbindungen so wichtig?«, möchte ich von Stefan Gazdag wissen. »Experimente haben gezeigt, dass im Belastungsfall die Lötstellen bestimmter Bereiche verstärkt beansprucht werden können«, erläutert der promovierte Maschinenbauingenieur. »Bei-spielsweise dort, wo Spannungsspitzen auftreten.

Das sind Erfahrungswerte. Daher richte ich bei der simulativen Analyse besonderes Augenmerk auf diese als kritisch erkannten Bereiche.«

Basis für die Modellvalidierung sind von der Konstruktion zur Verfügung gestellte CAD-Modelle im IGES- oder im STEP-Format, die für die nachfol-gende Berechnung bereits vernetzt sind oder von Stefan Gazdag in ANSYS Workbench vernetzt wer-den. »Bei der Modellvalidierung geht es darum, das jeweilige Modell entweder auf Basis eines Experi-ments oder mit einem anderen, bereits validierten Modell abzugleichen. Die Herausforderung besteht darin, die richtigen, das heißt: übereinstimmende Ergebnisse zu erlangen. Der nächste Schritt ist dann die Anwendung des Modells für das komplette Steuergerät.« gewisses sicherheitspolster

Ansprechpartner von Philipp Pollok sind die Musterplanung und der Musterbau im Bosch-Werk Salzgitter. »Mit der Musterplanung stimme ich ab, wann welche Geräte für die Erprobung zur Verfügung stehen müssen. Gegebe-nenfalls nehme ich auch eine entspre-chende Priorisierung vor. Gemeinsam gehen wir die Bedarfsplanung durch und legen fest, was bei externen Lieferan-ten, wie zum Beispiel den Zulieferern der Gehäuseteile, bestellt werden muss. Das alles geschieht in einem sehr frühen Projektstadium, damit es beim Musterbau nicht zu Materialengpässen kommt. Später bin ich dann oft auch bei den Abnahmen der Anlagen vor Ort.«

»Wie kann man bereits zu so einem frühen Zeitpunkt wissen, wann was gebraucht wird?«, hake ich nach. »Das ist in der Tat nicht so einfach«, konstatiert der 25-jährige Wirtschaftsingenieur. »Da zählen Erfahrungswerte. Und wir planen auch gewisse Puffer für alle Eventualitäten ein …« Entsprechende Erfahrungen konnte Philipp Pollok bereits als Praktikant im Bosch-Geschäftsbereich Car Multimedia sammeln, wo er an der Entwick-lung eines Kombiinstruments beteiligt war und seinen Tätigkeitsschwerpunkt ebenfalls im Bereich der Musterkoordination hatte.

Übrigens: Mein neuer Kaffeebecher hat gleich zwei Henkel. Sicher ist sicher … //

Dipl.-Ing. (BA) Stephan TempelmannNiederlassungsleiter [email protected]/go/stuttgart

Links im Bild:dr. stefan gazdag philipp pollok

FERCHAU Stuttgart

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Nutzen statt kaufen

»A lles fließt«, behaupteten schon Heraklit und Platon – weil sie das heutige Ver-kehrsaufkommen in urbanen

Ballungsräumen nicht kannten. Beispielsweise in Stuttgart, der »Stau-Hauptstadt« Deutschlands, deren Autofahrer nach Berechnungen eines Navi- Herstellers pro Jahr durchschnittlich fünf Tage im Stau stehen. Und laut ADAC gab es 2014 in Deutsch-land 475.000 Staus mit einer Gesamtlänge von 960.000 Kilometern. Das kostet Zeit, Geld und Nerven – nun denken viele Kunden um: In der Studie »Cars Online« von Capgemini ist der Anteil der Deutschen, die sich mit alternativen Verkehrskonzepten beschäf-tigen, im vergangenen Jahr auf 30 Prozent gestiegen: »Gerade in dichtbesiedelten Regionen mit gutem öffentlichem Verkehrsangebot erfreuen sich Car- Sharing, Mobilitäts-Pakete, Ride-Sharing und inter-modale Transportpakete wachsender Beliebtheit.«

Über einen Kamm scheren lassen sich die Kunden der Zukunft jedoch nicht. Die Zahl der auto- mobilen Nischen für Familien und Singles, Stadt

und Land, Dienstwagen und Cabrios, Europäer und Asiaten ist drastisch gestiegen. BMW allein bietet heute über 30 Modellfamilien an und ist damit keine Ausnahme mehr. Dennoch ist es schwierig, gerade die Jugend zu erreichen. Der Anteil der unter 21-Jäh-rigen mit Führerschein sank in Baden-Württemberg von 30 Prozent im Jahr 2004 auf 23 Prozent im Jahr 2012, und auch in Berlin wird heute die Führerschein-quote mit 90 Prozent pro Jahrgang erst bis zu sechs Jahre später erreicht. »Automobilhersteller müssen sich viel einfallen lassen, um gegen die starke Kon-kurrenz der IT-Anbieter bestehen zu können«, sagt Christoph Donnert, Automotive-Experte bei FERCHAU in München. »Autofahren ist out, Smartphones werden wichtiger« titelte etwas überspitzt dazu die »FAZ«.

Wenn das Auto jedoch in den Hintergrund rückt, gerät das gesamte System in Bewegung. »Schließlich gewinnt Mobilität weiter an Relevanz, und der Anteil der Mobilitätskosten an den Einkom-men steigt weltweit an«, prognostiziert Dr. Juergen Reiner, Partner und Automotive-Experte bei der Strategieberatung Oliver Wyman. Reiner argumen-tiert mit der schlechten »Auslastung« der Autos heute, die den Großteil ihres Lebenszyklus parken: »Jede brachliegende Ressource, die technologisch erschlossen und optimiert werden kann, ruft neue Unternehmen auf den Plan.«

»Die Autonutzung muss wesentlich schlauer werden«, fordert auch der Berliner Wissenschaftler Dr. Andreas Knie: »Wir müssen den flüssigen Verkehr organisieren und nicht den stehenden.« Der Professor

der autokunde von morgen

Das goldene Zeitalter des Autos geht vorüber, die Grenzen des Wachstums sind in Sichtweite. Kunden orientieren sich neu, und Hersteller müssen umdenken: Kreative Geschäftsmodelle und Partnerschaften sind nötig, denn Nutzen ist das neue Haben.

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an der TU Berlin und Leiter des Innovationszentrums für Mobi-lität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) setzt langfristig auf das autonome Auto, bei dem der Fahrer als »Figur« im System abgelöst wird. Das Fahrzeug organisiere sich selbst im Verbund, wodurch, so die These, der Verkehr wesentlich effizienter wird. Als Beispiel dient der Schwarm, der sich »im großen Ganzen« organisiert. »Die Bepackungsdichte der Fahrzeuge auf Autobahnen steigt, und in der Stadt wird nach Bedarf disponiert«, nennt Knie zwei Wege, die zu einem Ziel führen: »Letzten Endes kommt man mit wesentlich weniger Autos als bislang aus.« Vor allem mit weniger privaten Autos.

Die strukturellen Veränderungen ziehen neue Institutio-nen und Wettbewerber nach sich, die Verkehrsleistungen makeln oder aggregieren. »Und durch die Digitalisierung rechnen sich auf einmal moderne Geschäftsmodelle, die bislang getrennte Welten vereinen«, sagt Berater Reiner von Oliver Wyman. Auto- mobilbau, Software, Energie-Infrastruktur, Smart Homes, Ver- kehrsinfrastruktur, Dienstleistungen und Aftersales müssen unter einen Hut gebracht werden. Mobilität ist das neue Fahren, und Nutzen ist das neue Haben. Grundlage dafür bildet die tech-nische Vernetzung über alte Schnittstellen hinweg.

Mit Folgen: Laut Bundesverband CarSharing e. V. waren zum 1. Januar 2015 über eine Million Fahrberechtigte bei den rund 150 deutschen Anbietern angemeldet. Das entspricht einem Zuwachs von 37 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bezogen auf

die führerscheinfähige Gesamtbevölkerung nutzen somit rund 1,5 Prozent der Bundesbürger ein Car-Sharing-Angebot. Nun geht es einen Schritt weiter: »Die Hersteller brauchen andere Betriebsformen für die Mobilität«, fordert der Berliner Wissen-schaftler Knie, der auf autonome Fahrkonzepte in der Entwick-lung verweist. »Autobauer müssen mit Städten diskutieren, Betreiberstrukturen organisieren und die intelligente Nutzung ihrer Produkte wesentlich stärker berücksichtigen als bislang.« Was in Ansätzen bereits geschieht. Daimler beispielsweise hat neben dem Car-Sharing-Dienst car2go einen Kurierdienst (Tiramizoo) gekauft, eine intermodale App (Moovel) entwickelt und eine Beteiligung an MyTaxi geschlossen. »Mit dem klas-sischen Kernprodukt hat das nur noch indirekt zu tun«, sagt FERCHAU-Manager Donnert.

In den kommenden zehn Jahren erwartet Automotive- Berater Reiner indes nur graduelle Veränderungen auf dem Weg vom eigenen Auto zum Mobilitätskonzept. Schließlich sind die »

»Die Autonutzung muss wesentlich schlauer werden – wir müssen den flüssigen Verkehr organisieren und nicht den stehenden.«

dr. andreas knie

Professor an der TU Berlin und Leiter des InnoZ

»Jede brachliegende Ressource, die technologisch erschlossen und optimiert werden kann, ruft neue

Unternehmen auf den Plan.«dr. juergen reiner

Partner und Automotive-Experte bei der Strategieberatung Oliver Wyman

Ameisen bewegen sich effizient auf ein Ziel zu.

Die Menschen arbeiten noch an ihren Mobilitätskonzepten.

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Google arbeitet an eigenen Lösungen für den Individualverkehr, Apple angeblich auch. Für sie bedeutet das Auto schlicht die nächste Generation von IT-Endgeräten. Und wer direkt mit dem Fahrer interagiert, sichert sich die größten Gewinne.

Rund 150 Google-Autos rollen ab diesem Jahr im Rahmen eines großen Tests über kalifornische Straßen, gesteuert von Algorithmen und kontrolliert von Sen-soren, Kameras sowie einem Laser-Radar. Spätestens 2021 sollen die kleinen Kisten marktreif sein und im öffentlichen Straßenverkehr eingesetzt werden. Dann brauchen Nutzer keinen Taxiruf mehr, keine MyTaxi-App, kein Uber – und vielfach auch kein eigenes Auto. Eine Horrorvision für etablierte Autohersteller.

Dass Google aufs Gas drückt, hat Gründe: Andere finanzstarke IT-Konzerne wie Apple mit seiner Auto-Plattform »CarPlay« sitzen dem Unternehmen im Nacken. »Google will sein Werbe-Geschäftsmodell vom Mausklick in die echte Welt übertragen«, erläutert Dr. Juergen Reiner die Strategie. Der Automotive-Experte der Strategieberatung Oliver Wyman vergleicht die Werbeprämien für den Link zum virtuellen Händler mit Prämien für den Transfer des Kunden zum Geschäft. »Das Auto ist ein weiteres Endgerät, und der Fahrgast hat viel Zeit und Aufmerksamkeit für Werbung, wenn das Auto wieder mal im Stau steht oder autonom fährt.« Google und Apple geht es nicht darum, in den Markt

der Autohersteller und -verkäufer einzudringen. Stattdessen wollen die IT-Kon-zerne Lösungen für das autonome Fahren entwickeln, um sie Herstellern in Lizenz zu verkaufen – als eine Art Betriebssystem moderner Autos. Der Jackpot in dem Spiel sitzt an der Schnittstelle zwischen dem Fahrer und dem Fahrzeug. Es geht um die »grauen Daten«, die das Auto erzeugt und aus denen sich Mobilitätskonzepte und zielgenaue Aftersales-Services erschließen lassen, sagt Automotive-Experte Reiner: »Die Schlacht um die grauen Daten wird derzeit ausgetragen, und Autobauer müssen alles daransetzen, die Kundenbindung und die Einnahmen nicht zu verlieren.«

Auch daher positionieren sie sich auf dem Weg in die autonome Moderne, und Audi-Chef Rupert Stadler postulierte in der »Süddeutschen Zeitung«: »Die Hoheit über die Betriebssysteme im Auto hat allein der Hersteller. Und das wird auch in Zukunft so bleiben.« Gelingen wird dies nur, wenn die Autokonzerne recht-zeitig eigene Lösungen für autonomes Fahren auf den Markt bringen – ob sie nun wollen oder nicht. //

Lebenszyklen der Branche lang, und viele Kunden sind nicht bereit, sich über Nacht von ihren erlernten Gewohnheiten und Symbolen zu lösen – »Umparken im Kopf« dauert seine Zeit. »Signifikante Umwäl-zungen erwarten wir nach 2025, wenn sich für die Endkunden durch den Um-stieg nicht nur keine Nachteile gegenüber dem Besitz eines eigenen Autos ergeben,

sondern vor allem Vorteile«, sagt Reiner. Keine Parkplatzsuche mehr, keine Inves-titionen, keine Serviceintervalle, kein TÜV, keine Winterreifen – stattdessen einstei-gen und losfahren. Oder fahren lassen, fordert der Berliner Wissenschaftler Knie: »Solange der Mensch im eigenen Fahrzeug am Steuer sitzt, werden keine Verkehrsprobleme gelöst.« //

Taxi-Droiden und neue Endgeräteworauf google und apple abfahren

Studie zur Mobilität von morgen

bit.ly/1Fz02SK

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Wenn es genügend selbstfahrende Autos gibt, könnte die Zahl der benötigten Pkw um bis zu 43 Prozent sinken, haben Forscher der Uni Michigan ausgerechnet. Dazu haben die Wissenschaftler das Fahrverhalten der amerikanischen Haushalte unter die Lupe genommen. Sobald die Haushaltsmitglieder die Autos nicht parallel, sondern zeitversetzt (Fahrten zur Arbeit, zum Einkaufen, Freizeit …) nutzen, könnte ein autonomes Auto den Zweitwagen oder gar Drittwagen leicht ersetzen. Zum Beispiel bringt das Auto ein Familienmitglied zur Arbeit, fährt dann leer zurück und bringt ein anderes Mitglied ins Fitnesscenter. Damit würde der Anteil der Haushalte, die auf einen Zweitwagen angewiesen sind, drastisch sinken. Bezogen auf die Ausstattung in den USA könnte die durchschnittliche Pkw-Zahl je Haushalt dann von 2,1 auf 1,2 zurückgehen, haben die Forscher ausgerechnet. Im Extremfall bedeutet dies 43 Prozent weniger Autos, die allerdings ihre durchschnittliche Fahrleistung von 11.600 auf 20.400 Meilen pro Jahr erhöhen müssten.

bit.ly/17irclS

Google Self-Driving Car Foto: © Google

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studie: auswirkung von selbstfahrenden autos

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Page 23: Kundenmagazin FERCHAUaktuell 2015/02...stehen: die Müdigkeitskontrolle zum Beispiel. Das Auto misst den Lidschlag des Fahrers und bemerkt, dass dieser müde ist. Das Auto biegt beim

kopfneigungDas System erkennt mit Kameras, ob der Fahrer eingenickt ist oder längere Zeit nicht nach vorne schaut.

alarm: Akustisches Signal und Vibration.

lenkmusterDas System kontrolliert permanent die Lenkbewegungen. Wird längere Zeit nicht oder plötzlich ruckartig gegen- gelenkt, schließt der Assistent auf einen müden Fahrer.

alarm: Optisches Signal, akustisches Signal und Vibration, ggf. kurzes Abbremsen des Fahrzeugs.

fahrspur

Der Assistent kontrolliert nicht den Fahrer, sondern dessen »Spurtreue«. Weicht der Wagen allmählich von der Spur ab, warnt das System und steuert sanft gegen.

alarm: Akustisches Signal und Vibration, ggf. Gegensteuern des Fahrzeugs.

lidschlagKameras beobachten die Augen des Fahrers,

ob die Augenlider längere Zeit geschlossen bleiben – Stichwort »Sekundenschlaf«.

alarm: Akustisches Signal und Vibration.

hirnwellenEin biometrischer Sensor misst die Hirnströme und

reagiert auf Anzeichen für Stress beim Fahrer, um diesen auf deren Vorliegen hinzuweisen.

alarm: Optisches Signal, akustisches Signal, ggf. Abbremsen des Fahrzeugs.

kreislaufHerz-Kreislauf-Parameter des Fahrers werden mit einem biometrischen Sensor erfasst. Das System warnt vor gravierenden Abweichungen vom »Normalbetrieb«.

alarm: Optisches Signal, akustisches Signal, ggf. Abbremsen des Fahrzeugs.

Zukunft

Entwicklungsstatus

Verfügbar

pupilleKameras beobachten die Augen des Fahrers,

ob die Blickrichtung längere Zeit nicht nach vorn gerichtet ist – Stichwort »Smartphone«.

alarm: Akustisches Signal und Vibration.

Seit rund zehn Jahren arbeiten Autohersteller an Systemen, mit denen die Aufmerksamkeit der Fahrer überprüft wird. Hintergrund ist, dass die meisten Unfälle keinen technischen Hintergrund haben, sondern auf der fehlenden Konzentration des Fahrers basieren.

Untersuchungen zufolge kann sich die Reaktionszeit von Autofahrern schon nach vier Stunden Nonstop-Fahrt um 50 Prozent verlängern. Das Unfallrisiko verdoppelt sich, und nach sechs Stunden steigt es sogar um mehr als das Achtfache an. Die Systeme dienen lediglich der Unterstützung – die Verantwortung für das Führen des Fahrzeugs liegt weiter jederzeit beim Fahrer. Eine Studie der TU Berlin (2013) stellt

zudem den Sinn der Assistenten in Frage: Die vermeintliche Sicherheit könne Fahrer dazu verleiten, Pausen hinauszuzögern.

Autonom fahrende Autos sind das nächste große Ding. Doch die Umsetzung kann dauern, und sie wird schrittweise erfolgen. Vorerst muss der Mensch immer dann übernehmen, wenn es gefährlich wird.

A uf dem Weg zum autonomen Auto gibt es eine wichtige Konstante: den Menschen. Dieser muss immer dann das Steuer übernehmen können,

wenn die Assistenzfunktionen an ihre Grenzen stoßen. Die Faustregel: Je niedriger der Grad der techni-schen Unterstützung, desto schneller ist der Fahrer gefordert. Hier geht es um die Übernahmezeit – die Zeitspanne, in der der Mensch bei Problemen wieder die Kontrolle übernehmen muss. Mal ist es »umge-hend«, mal in vier bis sieben Sekunden. Bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h ergibt sich im Fall von sieben Sekunden bereits ein Reaktionsweg von über 200 Metern. Folglich arbeiten die Ingenieure daran, den Menschen in seinem teil- und hochautomatisierten

Auto wach zu halten, denn wer seinem Wagen zwei Stunden auf der Autobahn beim Abstandhalten zuschauen muss, wird schnell unkonzentriert. Erste Systeme zur Erkennung des Lidschlags, der Kopfhal-tung und der Blickrichtung wurden schon vor rund zehn Jahren entwickelt, nun können Autos Fahrdy-namikdaten wie das Lenk- und das Bremsverhalten auswerten. Entwickler tüfteln an Systemen, um die Herzfrequenz und die Gehirnströme zu messen – bei hohem Stress soll der Wagen selbständig abbremsen.

Der Trend geht dahin, dass Fahrer komplett mit Kameras und Sensoren überwacht werden sollen, auch um bei einem Unfall die Schuldfrage zwischen Mensch und Maschine klären zu können. //

Nicht stören, Fahrer träumt!23

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sind vollautonome fahrzeuge auf deutschen straßen zulässig?

Nach derzeit geltendem Recht ist nur das teilautomati-sierte Fahren zugelassen, bei dem sich der Fahrer zwar von den Assistenzfunktionen unterstützen lassen darf, aber jederzeit die volle Kontrolle über das Fahrzeug behalten muss. Hoch- oder vollautomatisiertes Fahren, bei dem der Fahrer die Verantwor-tung an das System übergibt, ist momentan noch nicht erlaubt.

das wiener übereinkommen über den straßenverkehr von 1968 bildet den rahmen für das verhaltensrecht, das sich im natio-nalen straßenverkehrsrecht widerspiegelt. ist das überhaupt noch zeitgemäß?

Geregelt ist im Wiener Übereinkommen, dass jedes Fahrzeug einen Führer haben und dieser das Fahrzeug jederzeit beherrschen muss. Autonomes, also fahrerloses Fahren ist darin nicht vorgesehen. Vergangenes Jahr wurden zwar Änderungen zur Automatisierung der Fahrzeuge beschlossen. Aber ob und wie sich die Anpassungen konkret auf das nationale Straßenver-kehrsrecht auswirken werden, ist momentan noch Gegenstand juristischer Diskussionen.

wie lange wird es schätzungsweise dauern, bis autonome autos hierzulande fahren dürfen?

Die Technik ist hier schneller als das Recht. Bis der Rechtsrahmen für autonome Autos geschaffen ist, wird es voraussichtlich noch viele Jahre dauern. Die Industrie plant die Einführung der Teilautomatisierung 2016, der Hochautomatisie-rung 2020 und der des vollautomatisierten Fahrens 2025.

was wird sich eher ändern: die akzeptanz bei den menschen oder die gesetze?

Entscheidend für die Akzeptanz bei den Nutzern wird sein, dass die neuen Technologien die Unsicherheiten des Nutzers ausräumen. Das bedeutet, sie müssen so ausgestaltet sein, dass der Fahrer jederzeit weiß, in welcher Automatisie-rungsstufe sich das Fahrzeug befindet und welche Handlungs- und Überwachungsanforderungen an ihn bestehen. Dabei sind unter anderem auch Fragen wie Bediensicherheit und Daten-schutz zu berücksichtigen. Hierfür muss ein entsprechender Rechtsrahmen geschaffen werden. //

Quelle: Grade der Automatisierung und ihre Definition (BASt)

B DAUTOMATISIERUNG

A

Das System übernimmt Quer- und Längsführung vollständig in einem definierten Anwendungsfall.

Der Fahrer muss das System dabei nicht überwachen. Vor dem Verlassen des Anwendungsfalls fordert das System den Fahrer mit ausreichender Zeitreserve zur Übernahme der Fahraufgabe auf. Erfolgt die Übernahme nicht, wird in den risikominimalen System-zustand zurückgefahren. Systemgrenzen werden alle vom System erkannt, das System ist in allen Situationen in der Lage, in den risikominimalen Systemzustand zurückzufahren.

Das System übernimmt Quer- und Längsführung für einen gewissen Zeitraum in spezifischen Situationen.

Der Fahrer muss das System dabei nicht überwachen. Bei Bedarf wird der Fahrer zur Übernahme der Fahraufgabe mit ausreichender

Zeitreserve aufgefordert. Systemgrenzen werden alle vom System erkannt. Das System ist nicht in der Lage, aus jeder Ausgangs-

situation den risikominimalen Zustand herbeizuführen.

Das System übernimmt Quer- und Längsführung (für einen gewissen Zeitraum oder/und in spezifischen Situationen).

Der Fahrer muss das System dauerhaft überwachen. Der Fahrer muss jederzeit zur vollständigen Übernahme der Fahrzeug- führung bereit sein.

Fahrer führt dauerhaft entweder die Quer- oder die Längsführung aus. Die jeweils andere Fahraufgabe wird

in gewissen Grenzen vom System ausgeführt.

Der Fahrer muss das System dauerhaft überwachen. Der Fahrer muss jederzeit zur vollständigen Übernahme

der Fahrzeugführung bereit sein.

Fahrer führt dauerhaft (während der gesamten Fahrt) die Längsführung (Beschleunigen/Verzögern) und die Querführung (Lenken) aus.

driver only

teilassistiert hochautomatisiert

teilautomatisiert vollautomatisiert

Die Technik ist schneller als das Recht Vier Fragen an Claudia May,

ADAC-Juristin.

C E

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wie erklären sie den aktuellen hype um die digitale trans- formation?

Digitale Transformation beschreibt den fun-damentalen Wandel vom Unternehmen hin zu einer vollständig vernetzten digitalen Organisation. Auf Basis von neuen Technologien und Applikationen werden immer mehr Prozesse und Prozesselemente umgestaltet und an die Anforderungen wie Echtzeit und Vernetzung der digitalen Ökonomie angepasst.

können sie konkrete beispiele nennen?

Zum Beispiel werden immer mehr Produkte digitalisiert: Bücher, Musik etc. sind nur der Anfang. Denken Sie an digitalisierte Dienstleistungen wie Beratung, Kundenservice, Produktvergleiche. Ein anderes Beispiel ist die Anreicherung von Produkten durch digitale Features, etwa bei Autos. Hier wird Software sowohl für die Steuerung des Fahrzeugs als auch in puncto Entertainment immer mehr zum differenzierenden Faktor. Weitere Themenfelder, die die Digitalisierung vorantreiben, sind Industrie 4.0 – die intelligente Vernetzung von Betriebsanlagen – oder das Internet der Dinge. Dieser Wandel nimmt jetzt richtig Fahrt auf.

woran machen sie das fest?

Ein Indiz dafür ist, dass Cloud-Computing in breitem Umfang in den Unternehmen angekommen ist. Cloud-Computing dient als »Ermöglicher« und macht es Unternehmen einfacher, den Weg »digitale Transformation« zu beschreiten.

was bedeutet das für die industrie?

Unsere Studie zeigt, dass die Industrie einen überdurchschnittlich hohen Einfluss (70 Prozent) der Transformierung im Bereich der Produktion spürt und damit den Stellenwert der Digitalisierung für das eigene Kerngeschäft wahrnimmt. Firmen sollten sich darauf konzentrieren, ihre Wertschöpfungsketten zu optimieren, und firmenübergreifend über alle Partner

und Lieferanten hinweg für eine nahtlose Integration sorgen. Das bildet die Basis für ein umfassendes Digital Engineering vom Anfang (Konzeption und Prototyping) bis zum Ende (Produktion und Vertrieb). Ganz bewusst muss hierbei auf die Vernetzung mit der realen Welt geachtet werden.

welche auswirkungen hat die digitale transformation auf engineering-prozesse?

Immer mehr Unternehmen sind dabei, ihre individuelle »Digital Infrastructure Fabric« (DIF) zu entwickeln. Dabei handelt es sich um einen Baukas-ten von Software- und Service-Komponenten, der auf unterschiedlichen Ebenen für die notwendige Unter-stützung sorgt. Zunehmend wichtiger werden auch Developer-Skills, DevOps und Programmierkennt-nisse – Stichwort: Software-defined Environments. In der IT werden Systeme konfiguriert, indem sie mit Programmcodes oder Skripten programmiert werden. Das bedeutet, dass Ingenieure und Entwickler entspre-chend weitergebildet werden müssen. //

42%12%

43%

Hat sich als erfolgreich in der Praxis erwiesen

Nur auf dem Papier, wird nicht gelebt

In der Entstehung

Nicht vorhanden

3%

n = 100 Studie »Digital Business Readiness«Quelle: Crisp Research AG, 2015

WIE WÜRDEN SIE DIE »DIGITAL TRANSFORMATION STRATEGIE« IHRES UNTERNEHMENS BEZEICHNEN?

Digitale Transformation – was dahinterstecktFünf Fragen an René Büst, Senior Analyst und Cloud Practice Lead bei dem IT-Research- und Beratungsunternehmen Crisp Research.

Was ist DevOps?Ein Kunstwort aus Development (Entwicklung) und Operations (Betrieb). Es beschreibt Maß-nahmen, um häufige Bruchstellen zwischen Anwendungsentwick-lung und IT-Betrieb in Unternehmen zu überwinden.

i

rené büst Senior Analyst und Cloud Practice Lead bei Crisp Research

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26

10projektübergabe an pl

150projektabschlußmeeting

15eingangsprüfung der erhaltenen dokumente und daten

100korrekturmaß- nahmen festlegen und überwachen

140auslieferung derprojektunterlagen und-daten an den kunden

20kick-off-meeting mit dem kunden

160unterlagen und datenarchivieren

30kick-off-meeting projekt vorbereiten

40kick-off-meeting projekt

50projektdurchführung gemäß meilensteinplan

35projektsteuerungsiehe kapitel 4.7

60einbindung undüberwachung vonlieferantensiehe kapitel 4.11

110designreviewmeeting/designreviewdurchführen

80qualitätsprüfunggemäß prüfplanungdurchführensiehe kapitel 4.12.2

va201 vertriebkapitel 4.8schritt 70rechnungslegung

b

b

a

a

70meilenstein

erreicht?

90i.o.?

120freigabereview?

130letzter meilenstein

erreicht?

ja

ja

ja

ja

nein

nein

nein

nein

A»Prozessqualität

von

bis

ZFERCHAUaktuell sprach

mit dem Leiter des TB Bremen, Ulrich Beetz, über die Durchführung

von Projekten im Maschinenbau.

«

In mehr als 70 Technischen Büros (TBs)

wickelt FERCHAU komplette Arbeitspakete auf werkvertraglicher Basis ab.

Dabei spielen Prozessqualität und Prozesssicherheit

eine zentrale Rolle.

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mit welchen aufgaben ist das tb bremen im bereich des maschinenbaus befasst?

Wir beschäftigen uns mit der Optimierung von Arbeitsabläufen innerhalb von Fertigung und Montage, konstruieren Montage- und Transport- vorrichtungen für die Automobil- und die Luftfahrt- industrie und führen statische Berechnungen durch. Die FEM-Analysen beziehen sich auf Maschinen-baukomponenten, Behälter, Arbeitsbühnen etc. und erfolgen unter Berücksichtigung verschiedener Lastfälle und Materialien sowie gegebenenfalls von Druck und Temperatur.

bei der abwicklung kompletter arbeitspakete kommt der prozess-qualität besondere bedeutung zu. wie stellen sie diese für ihre kunden sicher?

Wir arbeiten wie alle Technischen Büros von FERCHAU nach einer verbindlichen und praxis-orientierten Verfahrensanweisung, die neben den prozessualen Anforderungen auch die organisato-rischen Zuständigkeiten festlegt. Mit dieser »Bibel der TBs« sichern wir unseren Kunden Prozess- qualität und Prozesssicherheit von A bis Z. was heißt das in der praxis?

Grob skizziert beginnen die Projekte mit dem Angebotsprozess, der ebenso wie die Auf-tragsbestätigung und alle nachfolgenden Schritte exakt geregelt ist. Im nächsten Step kommt es zum Kick-off-Meeting mit dem Kunden. Im Meeting werden alle noch offenen Details zur Projektdurch-führung und zu den Arbeitsschnittstellen geklärt und zweckmäßig vereinbart. Während des Projekts selbst führen wir im Team wöchentliche Projekt-besprechungen und mit dem Kunden ebenfalls meist wöchentliche Fortschrittsmeetings durch. Darüber hinaus erstellt und pflegt unser Projekt-management einen Aktionsplan. In ihm werden vom Projektstart bis zum Projektende unter anderem offene Punkte mit dem Ziel der Risikominimierung bearbeitet und regelmäßig verfolgt. Der Aktions-plan erhöht kundenseitig die Projekttransparenz und optimiert die projekttechnische Zusammenar-beit. Der Vorteil für unsere Kunden besteht in einer verlässlichen Terminplanung einerseits und in der Handlungsfähigkeit bei unvorhergesehenen Unwäg-barkeiten andererseits. Qualitätsprüfungen gemäß Prüfplan, Designreviews, Freigaben, aber auch die Einbindung von Unterlieferanten – die einzelnen Prozessschritte sind das Ergebnis langjähriger Erfahrungen und Verbesserungen auf dem Feld der Auftragsentwicklung.

gibt es prozessuale schwerpunkte, die den kunden besonders wichtig sind?

Das ist in der Tat so. Sie beziehen sich auf das Kick-off-Meeting und drei in der Regel sehr zentrale Projektphasen. Das ist zum einen die Ent-wurfsphase, bei der wir mit dem Kunden technische Voraussetzungen und die Inhalte abstimmen, die für ihn besonders wichtig sind. Die zweite Phase ist die Konstruktionsphase, also die 3D-Umsetzung mit der Detailkonstruktion. Im Nachgang folgt dann die sogenannte Zeichnungsphase mit Zeichnungsablei-tung, Erstellung der Stücklisten etc. Am Projektende stehen Lieferung, Abnahme, Abschluss-besprechung und ein Lessons Learnt zur weiteren Verbesse-rung unserer Prozesse.

wie wird die zeit- liche und qualitative erreichung der projektziele sicher- gestellt?

Auf der zeitlichen Ebene erfolgt dies über den Meilensteinplan und die damit zusammenhän-genden Meetings. Qualitativ verfügen wir über ge-naue Prüfpläne, die pro Zeichnung, pro Baugruppe oder pro Bauteil eine Selbstprüfung vorschreiben. Dazu kommt eine nach dem Vier-Augen-Prinzip erfolgende fachliche Prüfung durch (mindestens) einen weiteren Entwickler mit passendem Kompe-tenz- und Erfahrungsprofil. Er untersucht stichpro-benartig, ob die Selbstprüfung wie vorgeschrieben abgelaufen ist. Prüfkriterien und Prüftiefe basieren auf statistischen Erfahrungswerten und auf den mit unseren Kunden vereinbarten Anforderungen zur produktbezogenen Qualitätssicherung.

vertrauen ist gut, heißt es; kontrolle sei besser. gilt das auch im hinblick auf eine übergeordnete prüfung der prozessqualität?

Absolut. Bei den Technischen Büros von FERCHAU wird die strikte Prozessorientierung im Rahmen regelmäßig durchgeführter Audits evaluiert. Dazu werden aus der gesamten Pro-jekttätigkeit des jeweiligen TB meist zwei Projekte herausgegriffen, im Hinblick auf die genaue Um-setzung der Verfahrensanweisung durchleuchtet und nach klar festgelegten Kriterien vom zentra-len Qualitätsmanagement bewertet. Unterm Strich ergibt sich eine prozentuale Gesamtsumme. Wir in Bremen haben in den letzten Jahren alle Audits zu 100 Prozent bestanden. //

Ulrich Beetz [email protected]/go/bremen

CAE-/CAD-SystemeCATIA V5InventorCreo Parametric Siemens NXSolidWorksEPLAN u. a.

FEMANSYS

ERP-/PLM-ToolDBWorks

i

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Prozesse auf dem Prüfstand

NUCAP steht für »Nadcap Users Compliance and Audit Program«. Um ganz vorne zu beginnen: Nadcap ist das National Defense Contractors Accreditation Program, ursprünglich ein Auditing- Programm der US-Aerospace-Industrie für kritische Fertigungsverfahren, das sich als Standard durch-gesetzt hat. Es stellt sicher, dass die gelieferten Teile wirklich die Eigenschaften aufweisen, die der Konstrukteur verlangt. So werden heute viele Teile von Flugzeugen geklebt.

Wie aber lässt sich nachweisen, dass eine Klebenaht die nötige Festigkeit aufweist? Hierzu werden die Fertigungsprozesse penibel dokumen-tiert und mit regelmäßigen Audits überprüft. Neben Produktionsverfahren wie Schweißen, Kleben oder Wärmebehandlung zertifiziert Nadcap auch be-stimmte Prüfprozesse. Durchgeführt werden die Audits vom Performance Review Institute (PRI). »Mit NUCAP haben große Firmen der Flugzeugindustrie, die ›Primes‹, einen Weg geschaffen, sich gegen- seitig zu zertifizieren, ohne wettbewerbsrelevante Aspekte aufdecken zu müssen«, sagt Michael Kröhan,

Stellvertretender Niederlassungsleiter FERCHAU Friedrichshafen. Die Inhalte der Audits sind die gleichen wie im Nadcap-Programm, nur der Teil-nehmerkreis ist ein anderer.

Auditoren sind Ingenieure mit langjähriger Praxis, die momentan sehr begehrt sind. Wie wird man Auditor? »Eine Standard-Ausbildung gibt es nicht«, erklärt PRI-Sprecherin Joanna Leigh. Das PRI veranstaltet Trainings, und bis man Auditor ist, muss man viele solcher Trainings absolviert haben. Das Themen- spektrum reicht von interper-soneller Kompetenz über Qualitätsmanagement bis zu speziellen Fertigungsme-thoden. Das Wichtigste aber ist die Erfahrung. »Auditor kann man nicht lernen, da wächst man hinein«, sagt QM-Spezialist Remigius Loriz vom Luftfahrtzulieferer Liebherr Aerospace. //

NUCAP, die Grundlage für die konstant hohe Fertigungsqualität in der Luftfahrtindustrie.

Mehr zu NUCAPbit.ly/1QzsmLF

Liebherr Aerospacebit.ly/1E0HzMr

weitere infosMichael Kröhan

Stellv. Niederlas-sungsleiter FERCHAU

Friedrichshafen

ferchau.de/go/ friedrichshafen

Markttrend: Aftersales-Services

Die Automobilbranche zeigt, wie es geht: Die Verkäufe von Ersatzteilen machen lediglich zehn Prozent des Umsatzes eines Autoherstellers aus, dennoch spülen sie 50 Prozent des Gewinns in die Kasse. Autowerkstätten generieren sogar 60 Prozent ihres Gewinns mit Ersatzteilen.

Was für das Konsumgut »Automobil« gilt, lasse sich auf die Investitionsgüterbranche wie Her-steller von Pumpen, Kompressoren und Armaturen übertragen, heißt es in der Untersuchung. So lohne sich das Angebot von Dienstleistungen in mehrerlei Hinsicht: Sie sind ein Verkaufsargument für neue Produkte und festigen die Kundenbindung. Daneben tragen sie dazu bei, die Produkte zu verbessern – etwa indem Informationen aus der Servicephase in die Entwicklung zurückfließen.

Auch sind die Margen im Servicegeschäft meist größer als im Produktgeschäft. Außerdem hilft das Aftersales- und Servicegeschäft, Markt-

schwankungen auszugleichen, wenn in Zeiten schlechter Konjunktur das Neugeschäft leidet.

Im deutschen Maschinen- und Anlagenbau entfällt auf das Aftersales- und Servicegeschäft lediglich ein Umsatzanteil von 15 Prozent, schätzt der Verband VDMA. Doch angesichts des weltweiten Ge-samtumsatzvolumens für Maschinen und Anlagen von geschätzten 2.250 Milliarden Euro (2012), von denen 212 Milliarden von deutschen Herstellern realisiert werden, ist das Potential enorm – vor allem kleine und mittelständische Anbieter unterschätzen das.

Ein Tipp: Aftersales-Services in einer extra Gesellschaft betreiben – Untersuchungen des VDMA zufolge erzielen Unternehmen, die Aftersales-Ser-vices als eigenständiges Geschäftsmodell praktizie-ren, einen durchschnittlichen Deckungsbeitrag von 47 Prozent. //

bit.ly/1HljQdA

Eine Studie des VDMA und von McKinsey & Company belegt, dass im Service-Geschäft für Anlagenbauer viel Potential schlummert.

michael kröhan

Stellv. Niederlassungsleiter FERCHAU Friedrichshafen

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Seitdem Schwungräder aus Kohlefaser gefertigt werden, sind rein mechanische Systeme zur Brems- energie-Rückgewinnung auch für die Anwendung im Automobilbereich wieder vorstellbar geworden. Volvo beispielsweise testete schon früh die als Schwungrad-KERS (Kinetic Energy Recovery System) bekannte Technik in Kombination mit einem Turbo-Vierzylinder: »Das System arbeitet an der Hinterachse. Bei der Verzögerung des Fahrzeugs beschleunigt die Bremsenergie das Schwungrad auf bis zu 60.000 U/min. Sobald das Fahrzeug wieder anfährt oder beschleunigt, leitet das rotierende Schwungrad die gespeicherte Energie über ein spezi-elles Getriebe auf die Hinterräder. Der Verbrennungs-motor, der seine Kraft an die Vorderräder überträgt, wird während des Bremsvorgangs abgeschaltet.« Als Ergebnis der Tests konnte der Kraftstoffverbrauch um bis zu 25 Prozent gegenüber einem vergleich-baren Sechszylinder-Turbomotor gesenkt werden.

Schwungradspeicher als Alternative zu Akkus oder Batterien – das ist heute immer öfter gängige Praxis. Schließlich sorgen die Kurzzeitspeicher durch ihren hohen

Wirkungsgrad, enorm schnelle Zugriffs- und Aufla-dezeiten, geringe Betriebskosten sowie eine hohe Umweltverträglichkeit für einen effizienteren Umgang mit Energie. Ausschlaggebend für den Aufschwung des Speicherprinzips ist der Einsatz hochfester Verbund-werkstoffe beim Schwungrad, wodurch sich dieses auf Drehzahlen von 60.000 U/min beschleunigen lässt. Die Rotationsenergie wird gespeichert, indem der Rotor induktiv an einen elektrischen Generator gekoppelt und entsprechend abgebremst wird. Zum Einsatz kommt die aus dem Motorsport bekannte Technik (KERS) unter anderem bei Elektro- und Hybridfahrzeugen. Dabei geht es um die kurzfristige Speicherung von Brems- energie mit dem Ziel der nachfolgenden Nutzung beim Beschleunigen.

Anwendung finden Schwungradspeicher aber auch zur Nutzung von Bremsenergie bei elektrischen Schienenfahrzeugen, in Systemen zur unterbrechungs-freien Stromversorgung (USV) sowie zur Glättung von Spannungsspitzen in Stromnetzen. Wissenschaftler der Leuphana Universität Lüneburg bringen die Technik als umweltfreundliche Speicherlösung für die Energie-wende ins Gespräch. Die Professoren Erik Hansen und Stefan Schaltegger erklärten bei einem internationalen Workshop: »Schwungradspeicher bieten wegen ihres auf der Mechanik beruhenden Prinzips wesentliche Umweltvorteile und können bei entsprechender Weiter-entwicklung auch ökonomisch eine wettbewerbsfähige Alternative darstellen.« Mögliche Anwendungsfelder sehen sie unter anderem bei der Stabilisierung von Stromnetzen, etwa beim Management der unregel-mäßig anfallenden erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne. Auch die an der Frankfurter Börse notierte Williams Grand Prix Holdings Ltd. arbeitet an entspre-chenden Lösungen. Das erklärte Ziel: »Energiespei-chersysteme, die zunächst für die Formel 1 entwickelt wurden, auch in einem Stromnetz installieren zu können«. //

Zeit, dass sich was drehtDie seit mehr als 1.000 Jahren bekannte Schwungradtechnik erfährt durch die Anwendung hochfester Verbundwerkstoffe ein bemerkenswertes Comeback.

Mehr zu Energie- speicherungbit.ly/1GmNuhi

Mehr zu Schwung- radtechnikbit.ly/1E8kYQEbit.ly/1DnbzHZbit.ly/1GbJIJG

»Schwungradspeicher bieten wegen ihres auf der Mechanik

beruhenden Prinzips wesentliche Umweltvorteile. «

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Scrubber – weißer Rauch für schwere Pötte

B eim Verbrennen des Schweröls, eines Abfallprodukts aus der Benzinher-stellung, gelangen Schwefeldioxide, Stickoxide und Rußpartikel in die Luft.

Schwefeldioxide sind für den sauren Regen verant- wortlich. Stickstoff wirkt sich auf die Anreicherung von Stoffen in ökologischen Systemen – im Fachjar-gon Eutrophierung – aus. »Die Rußpartikel betreffen direkt den Menschen. Als Feinstaub, kleine Partikel mit einem Durchmesser von 2,5 µm, dringen sie in die Lunge und können von dort aus Herz-Kreislauf- Erkrankungen auslösen«, erklärt Prof. Ralf Zimmer-mann, Leiter des »Joint Mass Spectrometry Centre« (JMSC), einer Kooperation der Universität Rostock und des Helmholtz Zentrums München, sowie Sprecher des Helmholtz Virtual Institute HICE (www.hice-vi.eu).

Allein ein Luxusliner stößt täglich umge- rechnet so viel Ruß- und Schwefelpartikel aus wie 12.000 Pkw, bei einzelnen Schadstoffen sogar so viel wie 350.000 Autos, haben Forscher nachgerech-net. Und nicht nur in Kreuzfahrtschiffen wird der Treibstoff Schweröl verfeuert, sondern auch in über 90.000 Frachtschiffen auf den Ozeanen. 4.000 sind allein regelmäßig auf Nord- und Ostsee unterwegs.

Höchste Zeit für sauberere Antriebe, die internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) macht Dampf: Sie hat die Grenzwerte für den Schwefel-massenanteil im Treibstoff ab 2015 und nochmals ab 2020 sowie die für Stickoxide ab 2016 verschärft. Seit Jahresbeginn darf in den ausgewiesenen Sulphur Emission Control Areas (SECAs) der Schwefelgehalt im Treibstoff maximal 0,1 Prozent betragen, ab 2020

nur noch 0,05 Prozent. Damit sinkt die erlaubte Menge für den Schwefelausstoß auf ein Zehntel des bisheri-gen Grenzwerts, zudem sollen weniger Stickoxide und Rußpartikel aus den Schornsteinen aufsteigen.

Erfüllen können die Reeder die strengeren Umweltauflagen, indem sie in küstennahen Re-gionen und Häfen schwefelarmen, hochwertigen Schiffsdiesel einsetzen. Allerdings ist dieser rund doppelt so teuer wie Schweröl. Bedenkt man, dass ein schnell fahrendes Kreuzfahrt- oder Container-schiff um die 300 Tonnen täglich verbraucht, sind Preisunterschiede von bis zu 100.000 Euro pro Tag möglich.

Forscher Ralf Zimmermann sieht im Verzicht auf Schweröl zwar grundsätzlich eine Verbesserung. »Viele kritische Emissionen wären damit ausgeschlossen«, erklärt er. »Aber auch hochwertiger Diesel erzeugt Rußpartikel, die sehr aggressiv auf menschliche Lungenzellen einwirken.« Ein Umstieg auf gasgetriebene Schiffe gilt zwar als langfristige Perspektive. Doch die Umrüstkosten sind hoch.

Eine Alternative zu niedrigschwefligen Treibstoffen sind Abgasnachbehandlungsanla-gen, sogenannte Scrubber. Ihr Einsatz ermög-licht die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte, und der Rußpartikelausstoß wird um 60 Prozent reduziert, selbst wenn Treibstoffe mit bis zu 3,5 Prozent Schwefelgehalt verbrannt werden.

Schiffbauer und Reeder müssen handeln: Seit Januar 2015 gelten strengere Emissionsvorschriften. Verwendung von Schiffsdiesel, Umstieg auf Liquefied Natural Gas (LNG) oder auch der Einsatz von Abgaswäschern – sogenannten Scrubbern – sind die Lösungen, an denen gearbeitet wird.

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»Die Technologie ist vorhanden, nun müsste sie im großen Stil

eingebaut werden.«

Technologisch unterscheidet man drei verschiedene Scrubber-Systeme: nass offen, nass geschlossen und trocken. Bei allen entsteht die Reinigungswirkung dadurch, dass die Verbrennungs-abgase des Motors durch ein Reinigungsmedium geleitet werden. Dieses kann Seewasser, Frischwas-ser oder ein Trockengranulat sein. Ein Großteil der Abgassubstanzen wird gelöst oder reagiert chemisch mit den Inhaltsstoffen des Wassers bzw. des Gra- nulats und wird so dem Abgasstrom entzogen. Die trockenen Entschwefelungsanlagen binden die Schwefelverbindungen in Kalksubstraten, dabei entsteht Gips. Die als Gaswäscher bezeichneten nassen Entschwefelungsanlagen (Schwefelscrubber) nutzen Salz- oder Süßwasser mit Natronlauge.

Doch wie bei der Verwendung des Schiffsdie-sels oder der Umrüstung auf LNG-Antriebe stehen den Reedereien hohe Investitionen ins Haus.

Scrubber schlagen mit einem einstelligen

unteren Milli-onenbetrag

zu Buche. Nach mo-mentanen

Erfahrun-gen steigt

zudem der Kraftstoff-

verbrauch bei ihrem Einsatz

um zwei bis drei Prozent. Der Bran-

chenverband EGCSA rechnet vor, dass sich

die Investitionen bei einer Aufenthaltsdauer

von 60 Prozent innerhalb der SECA-Zonen in weniger

als fünf Jahren amortisieren. Allerdings dämpft der aktuell

niedrige Ölpreis die Bereit- schaft zu Investionen in

saubere Antriebe.

Forscher Zimmermann lässt das nicht gelten: »Jeder Pkw braucht für die grüne Plakette einen Rußfilter und einen Oxi-Kat, für Schiffe gibt es derartige Vorschriften nicht.« Das müsse sich ändern. Er sieht die Gesetzgeber in der Pflicht, etwa durch schärfere Kontrollen. Scrubber sind für ihn daher der richtige Kurs und Teil einer zukunftsfä-higen Lösung, wobei es neben den Schwefel- und Stickoxid-Emissionen eben auch die Rußpartikel zu berücksichtigen gelte. Elektrostatische Abscheider oder Gewebefilter sollten Scrubber-Systeme daher künftig ergänzen.

»Die Technologie ist vorhanden«, resümiert der Forscher. Nun müsse sie im großen Stil einge-baut werden. Die Herausforderung für Ingenieure sei es, die Abgasreinigungstechniken für den Alltag auf Schiffen weiterzuentwickeln. //

fakten

Allein die 15 größten Schiffe der Welt stoßen pro Jahr so viele Schadstoffe (Schwefeldioxid) aus wie 750 Millionen Autos. Quelle: Naturschutzbund Deutschland

Der Schwefeldioxidausstoß der Schifffahrt beträgt das 97fache der kommerziellen Flugzeugflotte. Quelle: DK-Group Marine Industry Innovators

Ein Luxusschiff stößt so viel Ruß aus wie 12.000 Autos. Quelle: Nabu

Umweltbundes- amtstudie zu Scrubbernbit.ly/1wUHx6e

ralf zimmermann

Leiter des »Joint Mass Spectrometry Centre« (JMSC)

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Page 32: Kundenmagazin FERCHAUaktuell 2015/02...stehen: die Müdigkeitskontrolle zum Beispiel. Das Auto misst den Lidschlag des Fahrers und bemerkt, dass dieser müde ist. Das Auto biegt beim

»Die Freiheit des Menschen liegt nicht

darin, dass er tun kann, was er will,

sondern dass er nicht tun muss,

was er nicht will.«Jean-Jacques Rousseau, 1712–1778 französisch-schweizerischer Philosoph