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Kurzlehrbuch Chemie Bearbeitet von Gisela Boeck 2., überarbeitete Auflage 2008. Buch inkl. Online-Nutzung. 225 S. Inklusive Online-Zugang (Code im Buch). Kartoniert ISBN 978 3 13 135522 5 Format (B x L): 17 x 24 cm Weitere Fachgebiete > Chemie, Biowissenschaften, Agrarwissenschaften > Chemie Allgemein Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

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Kurzlehrbuch Chemie

Bearbeitet vonGisela Boeck

2., überarbeitete Auflage 2008. Buch inkl. Online-Nutzung. 225 S. Inklusive Online-Zugang (Code imBuch). Kartoniert

ISBN 978 3 13 135522 5Format (B x L): 17 x 24 cm

Weitere Fachgebiete > Chemie, Biowissenschaften, Agrarwissenschaften > ChemieAllgemein

Zu Inhaltsverzeichnis

schnell und portofrei erhältlich bei

Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programmdurch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr

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4 Stoffklassen der organischenChemie

4.1 Die Kohlenwasserstoffe

LerncoachDieses Kapitel baut auf den Modellen zur Be-schreibung der Bindungsverhältnisse vonKohlenstoffatomen mit Einfach-, Doppel- undDreifachbindungen auf. Auch zwischenmole-kulare Wechselwirkungen spielen eine Rolle,schlagen Sie bei Bedarf ggf. nochmals nach.

4.1.1 Der ÜberblickKohlenwasserstoffe sind Verbindungen, die nur ausKohlenstoff- und Wasserstoffatomen aufgebaut sind.Sie bilden quasi das Rückgrat der organischen Che-mie, da durch Substitution der Wasserstoffatomedurch funktionelle Gruppen bzw. durch Austauschder Kohlenstoffatome gegen andere Atome die großeVielfalt der organischen Verbindungen entsteht. Manunterscheidet Kohlenwasserstoffe danach, ob sie ket-ten- oder ringförmig sind, ob sie neben Einfachbin-dungen auch Doppel- oder Dreifachbindungen ent-halten. Diese Klassen bilden homologe Reihen. Dassind Reihen von Verbindungen, die einem gesetzmä-ßigen Aufbau folgen, die sich durch eine allgemeineFormel beschreiben lassen und deren Eigenschaftensich relativ kontinuierlich ändern.

4.1.2 Die gesättigten Kohlenwasserstoffe4.1.2.1 Die AlkaneAlkane (oder Paraffine) sind Kohlenwasserstoffe, dienur Einfachbindungen aufweisen, alle C-Atome sindsp3-hybridisiert. Sie können allgemein durch die For-mel CnH2n+2 beschrieben werden.

Die physikalischen EigenschaftenDie ersten vier Vertreter in der homologen Reihe derAlkane sind gasförmig, dann folgen flüssige und ab 17Kohlenstoffatomen feste Alkane. Neben den gerad-kettigen Kohlenwasserstoffen gibt es verzweigte Ket-ten, bei denen die Anzahl der Konstitutionsisomerenmit der Anzahl der Kohlenstoffatome lawinenartigansteigt.Kohlenwasserstoffe sind unpolar und lösen sich des-halb nicht in Wasser, hingegen aber gut in Chloro-form, Ether oder Benzen, d. h. sie sind hydrophobbzw. lipophil. Alle Alkane sind brennbar, die niederenVertreter entflammen leicht. Sie haben eine gerin-gere Dichte als Wasser (Tab. 4.1). Die Schmelzpunkteverändern sich nicht kontinuierlich, sondern stufen-weise. Die Schmelzpunkte der Alkane mit gerader C-Zahl liegen relativ höher als die der Alkane mit un-gerader C-Zahl.Offensichtlich können diese Ketten durch van-der-Waals-Kräfte (s. S. 32) festere Aggregate bilden. DieSiedepunkte sind umso niedriger, je stärker die Ver-zweigung der Kohlenwasserstoffkette ist.

Die chemischen ReaktionenGesättigte Kohlenwasserstoffe sind relativ reaktions-träge, daher sind zur Auslösung von Reaktionen derAngriff sehr reaktiver Teilchen und drastische Reak-tionsbedingungen notwendig. Durch radikalischeSubstitution können die Halogenatome F, Cl und Breingeführt werden, so entsteht die Stoffklasse derHalogenkohlenwasserstoffe (s. S. 94).

R–H + X2 R R–X + H–X(X – Halogenatom)

Radikalisch verläuft auch die Reaktion zwischenKohlenwasserstoffen, Schwefeldioxid SO2 und Sauer-stoff O2, die zu den Alkansulfonsäuren führt.

2R–H +2 SO2 + O2 R 2 RSO3H

4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Kohlenwasserstoffe 125

Tabelle 4.1

Ausgewählte Eigenschaften von Alkanen

Name Formel Siede-punkt [°C]

Dichte[g·cm–3]

Zahl derKonstitutions-isomeren

Methan CH4 -161 0,42 1

Ethan C2H6 -89 0,55 1

Propan C3H8 -42 0,58 1

Butan C4H10 -0,5 0,60 2

Pentan C5H12 36 0,63 3

Hexan C6 H14 69 0,66 5

Heptan C7 H16 98 0,68 9

Octan C8 H18 126 0,70 18

Nonan C9 H20 151 0,72 35

Decan C10 H22 174 0,73 75

Dodecan C12 H26 216 0,75 355

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Ionische Reaktionen sind an Kohlenwasserstoffenmit tertiären C-Atomen möglich.

Einige wichtige VertreterKettenförmige gesättigte Kohlenwasserstoffe sind– neben Cycloalkanen, Benzen und organischenSchwefelverbindungen – im Erdöl enthalten undwerden aus diesem gewonnen. Viele Alkane werdenauch zu Heizzwecken verwendet.Flüssige verzweigte Alkane kommen als Vergaser-kraftstoff zum Einsatz, wobei deren vollständige Ver-brennung ohne verfrühte Zündungen (sog. Klopfen)wesentlich ist. Als Maß für die Güte eines Benzinswurde die Octanzahl eingeführt, indemman willkür-lich dem n-Heptan, das ganz besonders zum Klopfenneigt, die Octanzahl 0 und dem Isooctan (=2,2,4-Trimethylpentan), das sich erst bei höherer Kom-pression entzündet, die Zahl 100 zuteilte. Die Octan-zahl eines Benzins entspricht dem Isooctangehalt derVergleichsmischung aus Isooctan und n-Heptan mitder gleichen Klopffestigkeit.Methan ist geruchlos, brennt mit blauer Flamme undentsteht z. B. beim anaeroben, bakteriellen Abbauvon Zellulose in den Faulbehältern der Kläranlagenund in Sümpfen auf natürlichem Weg. Es ist auchBestandteil der Darmgase und der Atemluft vonWie-derkäuern, außerdem werden beträchtliche Mengendurch Termiten erzeugt. Etwa 90% des Erdgases be-steht aus Methan. Methan und Luft bilden explosiveGemische und sind im Bergbau als sog. „schlagendeWetter“ sehr gefürchtet.Auch Propan und Butan sind farb- und geruchlos, siespielen als Heizgas, meist in verflüssigter Form, einegroße Rolle und werden auch als Kältemittel sowiezunehmend als Treibgas in Spraydosen verwendet.Höhere Alkane findet man im medizinischen Bereichals Vaseline, Weich- oder Hartparaffin, als Salben-grundlage, aber auch als Mikroskopierhilfe. Paraffi-num liquidum spielt als Laxans eine große Rolle. Beijahrelanger Einwirkung von Rohparaffin kann es zurEntwicklung von Spinaliomen oder Plattenepithel-karzinomen kommen.Mineralöle sind Gemische von gesättigten Kohlen-wasserstoffen, die durch Destillation aus minerali-schen Rohstoffen (Erdöl, Kohle, Holz, Torf) gewonnenwerden.

4.1.2.2 Die CycloalkaneGesättigte Kohlenwasserstoffe bilden nicht nur Ket-ten, sondern auch „Ringe“ mit der allgemeinen For-mel CnH2n (Abb. 4.1).

Da es sich um gesättigte Verbindungen handelt, lie-gen sp3-hybridisierte Kohlenstoffatome vor, die ei-nen Bindungswinkel von 109,5 ° zur Folge haben. Ausdem Geometrieunterricht ist aber bekannt, dass dieWinkel in gleichseitigen Vielecken folgende Wertehaben müssen (Tab. 4.2):

Unter der Annahme, dass alle sp3-hybridisiertenKohlenstoffatome in einer Ebene liegen, müssen da-her erhebliche Spannungen auftreten. Diese wird alsBaeyer-Spannung bezeichnet (Ringspannung bei ali-cyclischen Verbindungen).Die Spannungsenergie kann man aus den bei derVerbrennung der Cycloalkane auftretenden Reak-tionsenthalpien ermitteln. Für Cyclohexan wird sieNull gesetzt. Durch das Abweichen vom Tetraeder-winkel beträgt die Spannungsenergie pro CH2-Gruppe beim Cyclopentan 5,4 kJ/mol, beim Cyclobu-tan 27,2 kJ/mol und beim Cyclopropan 38,5 kJ/mol.Je stärker die Winkel im Ringsystem vom Tetraeder-winkel abweichen, umso größer muss also auch dieReaktivität sein. Das stimmt mit den Beobachtungenüberein: Cyclopropan und Cyclobutan sind äußerstreaktionsfreudig. Neuere Modelle gehen im Fall desCyclopropans von einer anderen Hybridisierung desKohlenstoffatoms und von einem gewinkelten Baudes Cyclobutans aus. Dass auch Cyclohexan nichteben gebaut ist, wurde auf S.103 besprochen. Cyclo-

Die Kohlenwasserstoffe 4 Stoffklassen der organischen Chemie126

Cyclopropan Cyclobutan Cyclopentan Cyclohexan

Abb. 4.1 Einfache Cycloalkane

Tabelle 4.2

Winkel in regelmäßigen Vielecken

Vieleck Winkel in

Dreieck 60 °

Viereck 90 °

Fünfeck 108 °

Sechseck 120 °

Siebeneck 128°34'

4

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pentan sollte aufgrund seiner geringen Spannungeigentlich eben sein, doch neuere Untersuchungenzeigten, dass ein C-Atom etwas aus der Ebene he-rauszeigt.Die Stabilität der Ringsysteme wird überdies durchdie Anordnung der Wasserstoffatome beeinflusst.Die CH-Bindungen stehen häufig nicht in der ener-getisch günstigeren gestaffelten Anordnung. Da-durch entstehen konformative Spannungen, dieman als Pitzer-Spannung bezeichnet: Bei ekliptischerAnordnung stoßen sich die H-Atome ab, die Ring-spannung nimmt zu (Abb. 4.2).

Cyclopentane und -hexane kommen im Erdöl vorund bilden den Grundkörper vieler Naturstoffe.Drei- und Vierringsysteme findet man vor allem inder Gruppe der Isoprenoide (s. S.190). Aber auch

Fettsäuren mit Ringstrukturen sind bekannt, sowurde z. B. in den Lipoidanteilen von Lactobacillusarabinosus und Lactobacillus casei die Lactobacillin-säure gefunden. In gesäuerten Milchprodukten liegtdie Lactobacillinsäure gemeinsammit der hydriertenForm der Sterculinsäure vor. Die Sterculinsäureselbst ist giftig (Abb. 4.3).Es gibt auch Verbindungen, in denen die Ringe überein gemeinsames Kohlenstoffatom verknüpft sind.Diese bezeichnet man als Spirane (spira griech. Win-dung).Kondensierte oder annellierte Ringe besitzen zweigemeinsame Kohlenstoffatome.Brückenringsysteme haben mehr als zwei gemein-same Ringatome (Tab. 4.3).

4.1.3 Die ungesättigten KohlenwasserstoffeAuch Alkene und Alkine bilden homologe Reihen.

4.1.3.1 Die AlkeneAlkene sind Kohlenwasserstoffe mit einer C=C-Dop-pelbindung und können allgemein durch die FormelCnH2n beschrieben werden. Für Alkene ist häufignoch die Bezeichnung Olefine gebräuchlich, wasmit dem öligen Charakter der Produkte zusammen-hängt, die man bei einer Halogenaddition an gasför-

4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Kohlenwasserstoffe 127

Cyclopropan Cyclobutan Cyclopentan

Abb. 4.2 Räumliche Darstellung von einfachen Cycloalkanen

H H

(CH2)9(CHH H23 3)5

H

HC CCOOH

H H

(CH2)7(CH2)7

H

H COOH

Lactobacillinsäure =(11R,12S)-Methylenoctadecansäure

Sterculinsäure =9,10-Methylen-octa-decensäure

Tabelle 4.3

Einfache Ringsysteme

Ringsystem Beispiel Name Verwendung

Spirane Griseofulvin fungistatisches Antibiotikum(orale Behandlung vonPilzerkrankungen)

Kondensierte Ringe Decalin Herstellung von Schuhpflege-mitteln und Bohnerwachs

Brückenringsystem Pinan oder 2,6-Trimethyl-bicyclo[3.1.1]heptan

kommt frei in der Natur nichtvorhanden, ist Grundkörper der„Pinane“, die im Holz und inden Blättern vieler Pflanzenvorkommen

H3CO

Cl

H3CO

O

OO

OC

C

H

H

3

3

Abb. 4.3 Lactobacillinsäure und Sterculinsäure

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mige Alkene erhält (gaz oléfiant frz. ölbildendes Gas).Das Suffix -en zeigt die Doppelbindung an. Bei meh-reren Doppelbindungen steht die Anzahl der Doppel-bindungen vor dem Suffix. Dien bedeutet also 2, trien3 Doppelbindungen.

Die physikalischen EigenschaftenDie physikalischen Eigenschaften der Alkene sindmit denen der Alkane vergleichbar. Die Vertretermit bis zu 4 C-Atomen sind gasförmig, die mit 5 bis15 C-Atomen flüssig und die höheren Vertreter fest.Sie sind brennbar und mit Wasser nicht mischbar.

Die chemischen ReaktionenDie chemischen Reaktionen der Alkene werden vor-wiegend durch die π-Bindung bestimmt. Sie gehenleicht Additionsreaktionen ein, wobei gesättigte Ver-bindungen entstehen. Da die C = C-Doppelbindungnucleophilen Charakter hat, ist das angreifende Rea-gens elektrophil. Diese elektrophile Addition läuft inmehreren Stufen ab, zuerst tritt der elektrophilePartner mit den π-Elektronen in Wechselwirkung,es bildet sich ein π-Komplex, der sich in ein Carbe-niumion umwandelt, das ein dreibindiges positiv ge-ladenes Kohlenstoffatom aufweist. Das ist nun selbstein elektrophiles Reagenz und reagiert mit einemnucleophilen Teilchen (Abb. 4.4).

Bitte lernen Sie solche Mechanismen nichtauswendig. Die Darstellung der Mechanismen solles Ihnen einfacher machen zu verstehen, warumwelcher Stoff wie reagiert. Versuchen Sie, den Me-chanismus nachzuvollziehen. (Abb. 4.4).

Der in Abb. 4.4 dargestellte Mechanismus ist auch aufdie Addition von Wasser (Hydratisierung), Wasser-

stoff (Hydrierung) und Halogenen (Halogenierung)übertragbar. Hydratisierung und Hydrierung sindvon großer Bedeutung für die Biochemie.

MERKE

Ein Kation ist umso stabiler, je besser seine positiveLadung durch Substituenten mit einem +I-Effektausgeglichen wird (s. S. 117)!

Das sekundäre Carbenium-Ion ist stabiler als dasprimäre Carbenium-Ion. Das Proton greift also im-mer das wasserstoffreichere Kohlenstoffatom an(Markovnikov-Regel). Diesen ganz gezielten Angriffbezeichnet man als regioselektiven Angriff. Deshalbentsteht nur das in Abb. 4.4 dargestellte Carbenium-ion.

Einige wichtige VertreterKohlenwasserstoffe mit Doppelbindungen spielen inder chemischen Industrie eine große Rolle, sie sindaber auch in der Natur weit verbreitet. Besondersvom 2-Methyl-buta-1,3-dien(Isopren) leitet sich diegroße Gruppe der Isoprenoide ab (s. S.190).Ethen (Ethylen) ist ein brennbares Gas mit leichtsüßlichem Geruch, in höheren Dosen wirkt es narko-tisch. Ethen wird auch in reifenden Früchten gebildetund beschleunigt den Reifungsprozess. Es wird ausErdöl gewonnen. Die Hälfte des hergestellten Ethenswird für die Polymerisation verwendet.Alkene besitzen eine große industrielle Bedeutung,weil sie mit sich selbst zu Polymeren reagieren kön-nen (polys griech. viel, meros griech. Teil, Stück).

Die PolymerisationDie Polymerisation ist ein Spezialfall der Addition. Sielässt sich allgemein wie folgt formulieren (Abb. 4.5):

Die Kohlenwasserstoffe 4 Stoffklassen der organischen Chemie128

R

R R

CH

CH CH

C

C C

H

H

H

H H

2

2 2

R

R

C

C

H

H

C

C

H

H

3

3

C

C

l

l

R CH CH3

Bruttogleichung:

Elektrophil

Reaktionsmechanismus: Nucleophil

Carbenium-Ionπ-Komplexelektrophiler Angriff

Cl

+ HCl

Abb. 4.4 Elektrophile Additionvon Chlorwasserstoff an Alkene

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Der entscheidende Schritt ist die Aktivierung derDoppelbindung z. B. durch UV-Licht oder Ionen.Dann addieren sich schrittweise weitere Moleküle.Es entstehen langkettige Additionsprodukte wie z. B.Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyvinylchlorid(Polychlorethen, PVC) oder Polystyrol (Styropor, PS),die in Tab. 4.4 gemeinsam mit den Grundbausteinen(Monomeren) gezeigt werden.

4.1.3.2 Die AlkineEinteilungAlkine sind Kohlenwasserstoffe mit einer C≡C-Drei-fachbindung und können allgemein durch die FormelCnH2n–2 beschrieben werden. Das Suffix -in zeigt dieDreifachbindung an. Tritt mehr als eine Dreifachbin-dung auf, wird dies durch -di, -tri angegeben.

Die physikalischen Eigenschaften und die chemischenReaktionenAlkine sind hinsichtlich der Schmelz- und Siede-punkte wieder gut mit den analogen Alkenen bzw.Alkanen vergleichbar.Alkine sind aber weniger reaktiv als die Alkene, dieReaktivität steigt also nicht von der Einfach- über dieDoppel- zur Dreifachbindung. Das am sp-hybridisier-ten Kohlenstoffatom noch vorhandene Wasserstoff-

atom wird relativ leicht abgespalten. Man sagt des-halb, dass die Alkine C–H-acid sind und drückt damitaus, dass die C–H-Bindung im Sinne einer Säure-Base-Reaktion gespalten werden kann. Es könnenalso z. B. mit Silberlösungen Salze entstehen (im tro-ckenen Zustand häufig explosiv).Additionsreaktionen sind typisch für Alkine, im ers-ten Schritt entstehen Alkene, diese können dannweiter zu Alkanen reagieren.

Ein wichtiger VertreterDas wichtigstes Alkin ist Ethin (Acetylen), das mithoher Temperatur im Sauerstoffstrom verbrenntund deshalb zum Schweißen benutzt wird. Ethin be-sitzt auch eine leicht narkotisierende Wirkung. Es istneben Ethen eines der wichtigsten Ausgangspro-dukte für die Herstellung organischer Verbindungen.

4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Kohlenwasserstoffe 129

H2C CH

R

CC HH 2 23 C

RR

H H

n

n–2

CH2 CH RH

Abb. 4.5 Polymerisation

Tabelle 4.4

Übersicht wichtiger Polymere

Monomer Formel Polymer Beispiele für den Einsatz

Ethen (Ethylen) Polyethylen PE Rohre, Folien, Apparaturen, Isoliermaterial,Spielzeugohne Umweltbelastung verbrennbar

Propen (Propylen) Polypropylen PP stark beanspruchte technische Teile, Koffer,Schuhabsätze, Taue

Styrol Polystyrol PS Maschinen- und Apparatebau, Elektrotech-nik, Gehäuse für Küchengeräte, Geschirrphysiologisch unbedenklich

Buta-1,3-dien Polybutadien Reifen, Förderbänder, Schuhsohlen

2-Methyl-buta-1,3-dien(Isopren)

Polyisopren Reifen, Schuhsohlen, Verpackungsmaterial

Chlorethen (Vinylchlorid) Polyvinylchlorid PVC Isoliermaterial, Rohrleitungen, Fensterprofile,Schallplatten, Vorhängeökologisch umstritten

Acrylnitril Polyacrylnitril PAN Faserstoff

Tetrafluorethen Polytetrafluorethylen (PTFE) Oberflächenbeschichtung,für extreme Bedingungen geeignet

H2C CH2

H2C CH

CH3

H2C CH

H2C CH CH CH2

H2C C CH CH2

CH3

H2C CH

C l

H2C CH

CN

F2C CF2

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4.1.3.3 Die Cycloalkene und -alkineCycloalkene sind noch reaktionsfreudiger als die ana-logen offenkettigen Verbindungen. AlkylsubstituierteRinge kommen in ätherischen Ölen und in Algen vor.Cycloalkine haben keine praktische Bedeutung. EinBeispiel für ein Cycloalken ist in Abb. 4.3 aufgeführt(s. S.127).

4.1.4 Die aromatischenKohlenwasserstoffe (Arene)

Die Bindungsverhältnisse im Benzen sindwichtig, um die aromatischen Kohlenwasserstoffeverstehen zu können. Schlagen Sie ggf. noch einmalnach (s. S. 91).

Ursprünglich geht die Bezeichnung „aromatisch“ tat-sächlich auf den angenehmen Geruch der Stoffe zu-rück, die aus Balsamen, Harzen u. a. Naturstoffen ge-wonnen wurden. Später verstand man darunter alleKohlenstoffverbindungen, die die besonders stabileElektronenanordnung des Benzens aufwiesen. Dochauch viele heterocyclische Verbindungen haben diefür Aromaten typischen Eigenschaften. Deshalb cha-rakterisiert man heute die Aromaten anhand derBindungsverhältnisse – es sind ebene Ringsystememit (4n +2) π-Elektronen. In diesem Abschnitt gehtes um das Benzen und seine Derivate.

4.1.4.1 Die physikalischen Eigenschaften und diechemischen ReaktionenDa es eine Vielzahl von Arenen gibt, ist eine Zusam-menfassung der Eigenschaften problematisch. Wich-tig ist aber, dass sie über eine gute Lipidlöslichkeitverfügen und sich daher in Nervensystem, Leber undKnochenmark anreichern können.Das chemische Verhalten der Arene wird durch daskonjugierte π-System bestimmt. Es finden bevorzugt(elektrophile) Substitutionsreaktionen statt, d. h. dieArene reagieren regenerativ unter Erhaltung derKonjugation. Dadurch können Hydroxy-, Nitro-,

Amino-, Alkyl- u. a. Gruppen in den Ring eingeführtwerden.In Analogie zu der Reaktion an Alkenen mit elektro-philen Reagenzien bildet sich auch bei den aromati-schen Kohlenwasserstoffen zuerst ein π-Komplex,der dann in das durch Mesomerie stabilisierte Are-niumion übergeht. Dann erfolgt aber eine Protonen-abspaltung, weil dadurch das aromatische Systemwieder hergestellt wird. Die Substitution hat alsoVorrang vor der Addition (Abb. 4.6).

4.1.4.2 Einige wichtige VertreterDie Abb. 4.7 stellt einige aromatische Kohlenwasser-stoffe vor. Diese können ein oder mehrere Ringsys-teme enthalten.Das im Steinkohlenteer, Tabakteer oder Automobil-abgasen vorkommende Benzo[a]pyren ist krebser-zeugend (Abb. 4.7). Es ist aber nicht voll aromatisch,denn es hat 20 und nicht (4n+2) π-Elektronen.Das Benzen gehört zu den wichtigsten Grundstoffender chemischen Industrie. Es ist eine Flüssigkeit mitcharakteristischem Geruch, die mit stark rußenderFlamme verbrennt. Es ist mit Wasser nicht mischbar,aber ein gutes Lösungsmittel für viele hydrophobeorganische Verbindungen. Der Einsatz wird mög-lichst beschränkt, da Einwirkung auch kleinererKonzentrationen über einen längeren Zeitraum zuschweren Schäden im blutbildenden System desKnochenmarks führt.Durch Einführung von Alkylgruppen entstehen To-

luen und die Xylene, die wichtige Syntheseausgangs-stoffe sind. Diese Verbindungen sind weniger toxischals das Benzen.

4.1.4.3 Die kondensierten aromatischen RingeDie Delokalisierung der π-Elektronen ist in konden-sierten Ringen nicht so ideal wie im Benzen. Deshalbsind diese Verbindungen auch reaktiver und dienenals Ausgangsstoffe vor allem für Farbstoffsynthesen.Kondensierte Ringkohlenwasserstoffe sind oft giftig.Naphthalen fand aufgrund seiner antiseptischen und

Die Kohlenwasserstoffe 4 Stoffklassen der organischen Chemie130

E

HEE

E– H

π-Komplex Areniumion

Abb. 4.6 Mechanismus der elektrophilen Substitution anBenzen

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anthelmintischen Wirkung Eingang in die Medizin,ist aber heute nicht mehr im Gebrauch.

4.1.5 Die HalogenkohlenwasserstoffeHalogenkohlenwasserstoffe oder Alkylhalogenide

sind Kohlenwasserstoffe, in denen Wasserstoffatomedurch Halogenatome substituiert wurden. Auch hierkönnen homologe Reihen formuliert werden.

4.1.5.1 Die physikalischen EigenschaftenDie meisten Halogenkohlenwasserstoffe liegen alsFlüssigkeiten vor, nur einige sind bei Raumtempera-tur gasförmig und relativ wenige Verbindungen sindfest. Allgemein gilt, dass die Siede- und Schmelz-punkte von Monohalogenverbindungen des gleichenKohlenwasserstoffs mit der Atommasse der Halo-gene und mit zunehmender Anzahl der Halogen-atome ansteigen. In Wasser sind Halogenkohlen-wasserstoffe fast unlöslich, gut löslich sind sie inAlkoholen oder Ether.

4.1.5.2 Die chemischen ReaktionenAufgrund der Elektronegativität der C–X-Bindungsind die Verbindungen nicht mehr unpolar. Dies er-möglicht nucleophile Substitutionsreaktionen

(s. S.119). Halogenatome können relativ leicht ersetztwerden. Die Bindungsstärke der C–X-Bindung nimmtvom Fluor zum Iod hin ab, deshalb ist Iod auch einewesentlich bessere Abgangsgruppe als Fluor. Daswird noch durch die bessere Polarisierbarkeit desdeutlich größeren Iodid-Ions unterstützt. Auch Elimi-

nierungen sind als Konkurrenzreaktionen von Be-deutung, dabei entstehen Alkene.

4.1.5.3 Einige wichtige VertreterHalogenkohlenwasserstoffe sind wichtige Zwischen-produkte bei organischen Synthesevorgängen, siewerden aber auch als Lösungsmittel, Anästhetika,Feuerlösch-, Kälte- und Treibmittel verwendet.Chlormethan (Methylchlorid) CH3Cl ist sowohl einMethylierungs- als auch Kältemittel. Es wird in be-trächtlicher Menge von Meeresalgen erzeugt bzw.fällt bei der Brandrodung in den Tropen an.Dichlormethan (Methylenchlorid) CH2Cl2 ist lipid-löslich und reichert sich im Nervensystem an. Des-halb wirkt es narkotisch. Es wird als Lösungsmittelund für die Extraktion von beispielsweise Koffeinund Hopfeninhaltsstoffen verwendet.Trichlormethan (Chloroform) CHCl3 ist eine nichtbrennbare, süßlich riechende Flüssigkeit, die unterLichteinwirkung in Gegenwart von Sauerstoff sehrleicht in das extrem giftige Phosgen zerfällt.

Deshalb und aufgrund seiner atemlähmenden Wir-kung wird es nicht mehr als Narkotikum verwendet.Tetrachlormethan (Tetra) CCl4 ist ein Zellgift, dasnarkotisch wirkt und Leber und Nieren schädigt. Beihohen Temperaturen bildet es ebenfalls Phosgen,deshalb ist sein Einsatz als Lösungs- und Feuerlösch-mittel stark rückläufig.

4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Kohlenwasserstoffe 131

CH3

CH3

CH3 CH3

CH3

CH3

CH3

aromatische Kohlenwasserstoffe

Benzen Toluen ortho-Xylen(1,2-Dimethyl-

benzen)

meta-Xylen(1,3-Dimethyl-

benzen)

para-Xylen(1,4-Dimethyl-

benzen)

Naphthalen

nicht-aromatisches System

Benzo[a]pyren

Abb. 4.7 Aromatische Kohlenwasser-stoffe und Benzo[a]pyren

CHCl3 + 12 O2 ASonnenenergie COCl2 + HCl

Phosgen

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Klinischer Bezug

Fluorierte Kohlenwasserstoffe wie Trichlorfluormethan(CCl3F), Dichlordifluormethan (CCl2F2) oder Chlordi-fluormethan (CHClF2) sind thermisch und chemischsehr beständige Halogenkohlenwasserstoffe. Sie sindungiftig, wirken aber narkotisierend und werden des-halb als sog. Schnüffelstoffe missbraucht (Inhalationleicht flüchtiger Substanzen zur Rauscherzeugung).Die genannten Halogenkohlenwasserstoffe wurden ingroßem Maßstab als Treibmittel in Spraydosen, zumVerschäumen von Kunststoffen, als Kältemittel und alsFeuerlöscher eingesetzt. Ihr Einsatz ist aber ökologischbedenklich, da in der Stratosphäre aus den Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen (FCKW) durch Ozon Chlor ent-steht. Durch diese Reaktion verringert sich die Kon-zentration des Ozons und die Schutzwirkung der Ozon-schicht im Hinblick auf die UV-Strahlungverschlechtert sich.

Check-up4 Wiederholen Sie einige einfache Beispiele für

Alkane, Alkene, Alkine und cyclische Kohlen-wasserstoffe sowie die charakteristischenReaktionen dieser Stoffklassen.

4 Machen Sie sich nochmals einige Begriffe klar:anhand der Alkane die Konstitutionsisomerieund Konformationsisomerie, anhand derCycloalkane die cis-trans-Isomerie und an-hand der Alkene die E/Z-Isomerie.

4 Am Beispiel der Kohlenwasserstoffe kannmangut verstehen, was mit dem Begriff homologeReihe gemeint ist. Es bietet sich daher an, andieser Stelle die Definition und die Änderungder physikalischen Eigenschaften innerhalbeiner homologen Reihe zu wiederholen(s. S. 125).

4.2 Die Alkohole, die Phenole und dieEther

LerncoachFür das Verständnis der Eigenschaften undReaktionen von Alkoholen, Phenolen undEthern sind die Definitionen von Brønsted-Säure, Brønsted-Base, amphoterer Verbin-dung und Säurestärke wichtig (s. S. 58).

4.2.1 Der ÜberblickAlkohole R–O–H kann man als Monoalkylderivate,Ether R–O–R als Dialkyl- oder Diarylderivate desWassers H–O–H auffassen.Phenole können zwar auch durch die allgemeineStrukturformel R–O–H beschrieben werden, für R

steht aber immer ein aromatischer Rest (Arylrest),der zu einem anderen Reaktionsverhalten führt. Inder Natur kommen viele Alkohole sowohl frei alsauch verestert vor (z. B. in Fetten oder Wachsen).Ein wichtiger Bestandteil der Nervensubstanz istz. B. Sphingosin, ein langkettiger Aminoalkohol. Ste-roide sind in der Mehrzahl Alkohole, wobei auchZucker prinzipiell als Alkohole aufgefasst werdenkönnen. Phenole findet man als Bestandteile vonPflanzenfarb- und -gerbstoffen, etherischen Ölen,Pflanzenwuchsstoffen, Riech- und Geschmacksstof-fen, Steroiden, Alkaloiden und Antibiotika. Etherspielen vor allem als Lösungsmittel eine große Rolleim Labor.

4.2.2 Die AlkoholeDurch eine nucleophile Substitution kann man ausHalogenkohlenwasserstoffen leicht Alkohole herstel-len. Nach der Anzahl der OH-Gruppen unterscheidetman ein-, zwei-, drei- oder allgemein mehrwertige

(auch Poly-) Alkohole (Tab. 4.5).

Ist die OH-Gruppe (bei aliphatischen Kohlenwasser-stoffen) an einem endständigen (d. h. primären) C-Atom fixiert, spricht man von einem primären Alko-

hol. Bei sekundären Alkoholen befindet sich die OH-Gruppe an einem sekundären C-Atom, bei tertiärenan einem tertiären C-Atom (Tab. 4.6).

Die Alkohole, die Phenole und die Ether 4 Stoffklassen der organischen Chemie132

CCl2F2 ASonnenenergie CClF2 + Cl·

Cl· + O3 A ClO· + O2

ClO· + O2 A 2 O2 + Cl·

4

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4.2.2.1 Die physikalischen EigenschaftenNiedere Alkohole sind flüssig und mit Wasser belie-big mischbar. Sie haben einen charakteristischen Ge-ruch. Bei mehr als 4 Kohlenstoffatomen überwiegtjedoch bei einwertigen Alkoholen der hydrophobeCharakter, diese Alkohole sind dann schlecht odergar nicht in Wasser löslich.Mehrwertige Alkohole lösen sich in Wasser generellbesser als einwertige Alkohole. Auch der süße Ge-schmack nimmt mit der Anzahl der OH-Gruppen zu.Die Siedepunkte der Alkohole sind im Vergleich zuKohlenwasserstoffen mit annähernd gleichen Mol-

massen deutlich höher (Tab. 4.7). Das hängt mit derAusbildung von Wasserstoffbrückenbindungen zu-sammen (s. S. 31), infolgedessen liegen die Molekülewie Wasser assoziiert vor (Abb. 4.8).Auch innerhalb der konstitutionsisomeren Alkoholeändert sich der Siedepunkt. Je mehr das Alkoholmo-lekül einer Kugelgestalt nahe kommt, wie man es bei

4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Alkohole, die Phenole und die Ether 133

Tabelle 4.5

Einige Beispiele für ein- und mehrwertige Alkohole

Formel Wertigkeit Name Anwendung

einwertig Ethanol alkoholische Getränke

zweiwertig Ethan-1,2-diol/Ethylenglykol Gefrierschutzmittel

dreiwertig Propan-1,2,3-triol/Glycerol/Glycerin Fettbaustein, Vorstufe desSprengstoffs Nitroglycerin

vierwertig 2,2-Bis(hydroxymethyl)-1,3-propandiol/Pentaerythrit

als Salpetersäureester pharma-zeutischer Einsatz alsgefäßerweiterndes Mittel

Tabelle 4.6

Die Konstitutionsisomeren des Butanols als primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole

primärer Alkohol sekundärer Alkohol tertiärer Alkohol

Butan-1-ol Butan-2-ol 2-Methyl-propan-2-ol

n-Butanol sek-Butylalkohol tert-Butylalkohol

Tabelle 4.7

Vergleich der Siedepunkte von Alkoholen und Kohlenwasserstoffen

Verbindung Molmasse Siedepunkt (°C)

Methanol CH3–OH 32 + 65

Ethan CH3–CH3 30 –89

Ethanol CH3–CH2–OH 46 +78

Propan CH3–CH2–CH3 44 –42

H3C CH2 OH

CH2 OH

CH2 OH

CH2

CH

CH2

OH

OH

OH

CH2

C

CH2

CH2 O

OH

OH

CH2HO

CH2 CH2 OHCH2H3C CH CH3CH2H3C

OH

CH3

C

CH3

OHH3C

O OH H

R R

O OH H

R R

δ+ δ+ δ+ δ+δ– δ– δ– δ–

Abb. 4.8 Die Ausbildung von Wasserstoffbrücken bei Alkoho-len

4

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den in Tab. 4.6 dargestellten Formeln der Butanolesehr schön sehen kann, um so niedriger liegen dieSiedepunkte, denn die Ausbildung von Wasserstoff-brückenbindungen und die van-der-Waals-Wechsel-wirkung sind dann weniger effektiv.

4.2.2.2 Die chemischen ReaktionenBildung von Ethern, Estern und AlkenenDa die Bindungspolarisierung nicht nur in der OH-Bindung, sondern auch in der CO-Bindung auftritt,existiert eine Vielfalt von Reaktionsmöglichkeiten.Alkohole können prinzipiell sowohl als Säure alsauch als Base reagieren. In Gegenwart sehr starkerSäuren ist die Anlagerung eines Protons möglich.Dabei entstehen Oxoniumionen (Abb. 4.9).

Es kann aber auch ein Proton abgespalten werden.Die Abspaltung des Protons erzwingen aber nurstarke Reduktionsmittel, durch die das Proton sofortzu Wasserstoff reduziert wird. In wässriger Lösungerfolgt keine Protonenübertragung, da die Azidität inder Größenordung der Azidität von Wasser liegt.Mit der Bildung des Oxoniumions in Gegenwart star-ker Säuren beginnt die Dehydratisierung der Alko-hole zu Alkenen (Abb. 4.10a). Diese Reaktion steht inKonkurrenz zur Etherbildung (Abb. 4.10b).

Es kann bei einem Überschuss an Säure auch eineEsterbildung stattfinden (Abb. 4.10c). Mit mehrproto-nigen Säuren erfolgt eine sukzessive Veresterung.Das Ethylhydrogensulfat ist ein saurer Ester, danoch ein Proton abgespalten werden kann.Die Substitutionsreaktion der Alkohole mit Halogen-wasserstoffsäuren kann auch als Veresterung aufge-fasst werden (Abb. 4.10d). Das tatsächliche Reaktions-verhalten kann z. B. durch die Konzentration derReaktionspartner beeinflusst werden. Ein Säure-überschuss begünstigt die Esterbildung. Bei hohenTemperaturen tritt die Veresterung zugunsten derEtherbildung zurück. Mit dieser konkurriert dannzunehmend die Eliminierung zu Alkenen (s. S. 118).Die Eliminierung von Wasser gelingt bei sekundärenoder tertiären Alkoholen leichter als bei primärenAlkoholen.Aus Alkoholen und Carbonsäuren, also organischenSäuren, entstehen ebenfalls Ester (s. S.156).

Klinischer Bezug

Ein Ester aus dem dreiwertigen Alkohol Glycerin (Gly-cerol oder Propan-1,2,3-triol) und Salpetersäure istdas Glyceroltrinitrat (Nitroglycerin), der Hauptbe-standteil von Dynamit (Abb. 4.11). In kleinen Dosenspielt es als Vasodilatator der Koronargefäße bei An-gina pectoris eine Rolle.Die Grundwirkung ist die Relaxation der glatten Mus-kulatur. Alle Wirkungen am Gesamtorganismus beru-hen darauf.

Die Alkohole, die Phenole und die Ether 4 Stoffklassen der organischen Chemie134

Abb. 4.9 Die Reaktion von Ethanol als Säure bzw. als Base

H

H

3

3

C

C

C

C

H

H

2

2

O

O

H + Na

H + H

H3C CH2 O Na + 1/2 H2

H3C CH2 OH

H

Ethanol als Protonendonator

Ethanol als Protonenakzeptor

Oxoniumion

H

H

H

H

3

3

3

3

C

C

C

C

C

C

C

C

H

H

H

H

2

2

2

2

O

O

O

O

H

H

H +

H +

H2C CH2

H3C CH2 O CH2 CH3

H

H

3

3

C

C

C

C

H

H

2

2

O

O

S

S

O

O

H +

H

O

O

O

O

H3C CH2 O S O CH2 CH3

O

O

CH2 CH3HO

HO S OH

O

O

H3C CH2 XH X

H SO2 4

H SO2 4

Ethen

Diethylether

Ethylhydrogensulfat (saurer Ester)

Diethylsulfat (neutraler Ester)

X = I, Br, Cl Halogenalkan

a

b

c

d

+ H O2

+ H2

+ H O2

+ H O2

+ H O22

Abb. 4.10 Die Reaktionen von Ethanol mitSchwefelsäure (a–c) und mit Halogenwas-serstoffsäuren (d)

CH2

CH

CH2

O NO2

O NO2

O NO2

Abb. 4.11 Glycerolnitrat

4

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Redoxreaktionen der AlkoholeVon besonderer Bedeutung in der Biochemie ist dasRedoxverhalten der Alkohole (Abb. 4.12).

Primäre Alkohole lassen sich über Aldehyde zuCarbonsäuren oxidieren.Sekundäre Alkohole bilden bei der Oxidation Ke-

tone.Tertiäre Alkohole können unter Erhalt des C–C-Bindungsgerüsts nicht oxidiert werden.

Natürlich ist in allen Fällen unter drastischen Bedin-gungen, wie z. B. einer Verbrennung, die Oxidation zuCO2 und H2O möglich. Dabei wird aber das C–C-Bin-dungsgerüst zerstört!Die Oxidation von Ethanol mit Kaliumchromat alsOxidationsmittel wird in den „Pusteröhrchen“ zumNachweis von Alkoholkonsum benutzt. Bei positivemBefund erfolgt ein Farbumschlag von Gelb nach Grün,da das Kaliumchromat reduziert wird und Cr3+ ent-steht (Cr3+ ist für die Grünfärbung verantwortlich).

4.2.2.3 Einige wichtige VertreterMethanol (CH3OH) ist ein farbloser, brennbarer,leicht beweglicher Alkohol, der erstmals bei der Des-tillation von Holz entdeckt wurde und deshalb gele-gentlich auch als Holzgeist bezeichnet wird. Er ist mitWasser unbegrenzt mischbar und löst sogar vieleanorganische Salze. Methanol ist toxisch und führtneben Herzinsuffizienz und Muskelschwäche zu ei-ner Abnahme des Sehvermögens bis hin zur Erblin-dung. Die Toxizität beruht auf der Oxidation desMethanol zu Methanal und Ameisensäure. Ameisen-

säure kann schlecht ausgeschiedenwerden und führtdeshalb zu einer schweren Azidose.Ethanol (C2H5OH) ist eine klare, farblose, würzig rie-chende und brennend schmeckende, leicht entzünd-liche Flüssigkeit. Ethanol ist mit Wasser ebenfallsmischbar, dabei tritt eine Volumenkontraktion undWärmeentwicklung auf. Der physiologische Gehaltdes menschlichen Bluts beträgt 0,002–0,003%, also0,02–0,03 0⁄00.In der Natur kommt Ethanol überall dort vor, wozucker- oder stärkehaltige Substanzen durch Hefe-zellen vergoren werden (sog. alkoholische Gärung):

Bei der alkoholischen Gärung entstehen noch zahl-reiche Nebenprodukte, die als Fuselöle bezeichnetwerden. Das sind vor allem die aus Aminosäurender Hefe entstehenden Alkohole 3-Methyl-butan-1-ol und 2-Methyl-butan-1-ol. Sie spielen für das Bu-kett eines Weines eine Rolle.Bereits durch 70%iges Ethanol werden Bakterien ab-getötet oder in ihrer Entwicklung gehemmt. Deshalbkannman Ethanol als Konservierungsmittel imHaus-halt und für anatomische Präparate nutzen. DieHauptmenge des produzierten Ethanols wird für Ge-nusszwecke eingesetzt. In der Technik ist Ethanol einwichtiges Lösungsmittel u. a. für Duftstoffe und Kos-metika. Aufgrund seines hohen Heizwertes wird esvergällt als Brennspiritus eingesetzt. Unter Vergällenversteht man die geringe Zugabe von Stoffen, dieschlecht wieder abgetrennt werden können, dieaber dazu führen, dass eine Verwendung als Lebens-oder Genussmittel nicht mehr möglich ist. Die tech-nische Anwendung wird nicht beeinflusst.

Klinischer Bezug

Auf den Menschen wirken geringe Mengen Ethanolanregend, größere Mengen berauschend. Mit zuneh-mendem Ethanolgenuss tritt zuerst Bewegungsdrang,später Ermüdung und Muskelerschlaffung bis zur Nar-kose mit Atemstillstand auf. Durch die Erweiterung derHautgefäße wird vermehrt Wärme abgegeben, des-halb erfrieren stark alkoholisierte Menschen bereits beigeringen Kältegraden.

4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Alkohole, die Phenole und die Ether 135

R RC C

H OH

R CH R

OH

R C R

O

R C R

OH

R

O Oprimärer Alkohol

sekundärer Alkohol

tertiärer Alkohol

Aldehyd Carbonsäure

Keton

unter Erhaltung des C-C-Gerüstsnicht möglich

OM

OM

OM

OMR CH2 OH

Abb. 4.12 Die Oxidation der Alkohole (OM = Oxidationsmittel)

Kohlenhydrat Ethanol Kohlendioxid

C6H12O6 3335Enzym 2 C2H5OH + 2 CO2

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Ethanolgenuss in der Schwangerschaft kann aufgrunddes leichten Übertritts in den Kreislauf des Embryoszum embryofetalen Alkoholsyndrom mit Wachstums-störungen, Intelligenzdefekten, engen Lidspalten etc.führen.Der Ethanol-Abbau erfolgt in der Leber durch dasEnzym Alkoholdehydrogenase. Dabei entsteht Ethanal,das dann durch die Aldehyddehydrogenase zu Essig-säure oxidiert wird. Für diese Oxidationsprozesse wirdNAD benötigt, wodurch andere NAD-abhängige Pro-zesse wie der Fettabbau beeinträchtigt werden. Dieneurophysiologische Wirkung des Ethanols beruhtvor allem darauf, dass das beim Abbau entstehendeEthanal biogene Amine in ihrer Funktion als Neuro-transmitter beeinträchtigt.

4.2.3 Die PhenolePhenole werden ebenfalls nach der Anzahl der OH-Gruppen in ein- und mehrwertige Formen unterteilt(Abb. 4.13).

4.2.3.1 Die physikalischen EigenschaftenPhenole sind kristallin, der Siedepunkt steigt mit derAnzahl eingeführter OH-Gruppen. Auch die Löslich-keit nimmt mit der Anzahl der OH-Gruppen zu. VielePhenole sind licht-, luft- und schwermetallempfind-lich und wirken bakterizid.

4.2.3.2 Die chemischen ReaktionenDie Säureeigenschaft der Phenole wird durch dieWechselwirkung der freien Elektronenpaare amSauerstoffatom und der π-Elektronenwolke des aro-matischen Rings bestimmt. Die Spaltung der OH-Bin-dung ist so relativ einfach. Bei Zugabe von NaOHentsteht das wasserlösliche Salz Natriumphenolat(Abb. 4.14).Wenn am aromatischen Ring weitere funktionelleGruppen stehen, die elektronenziehend auf das Sys-tem wirken (z. B. Pikrinsäure, s. Abb. 4.13), dannschwächt das die OH-Bindung noch stärker. Als Folgenimmt die Säurestärke zu und der pKs-Wert kannfast die Größenordnung der pKs-Werte von Mineral-säuren erreichen. Aufgrund ihrer Azidität könnenPhenole im Vergleich zu Alkoholen leichter verestertund verethert werden.Phenole bilden mit Fe3+-Ionen intensiv gefärbteKomplexe, die man zu kolorimetrischen Bestimmun-gen (z. B. des Adrenalins), nutzen kann.Zweiwertige Phenole mit OH-Gruppen in 1,2- und1,4-Stellung (Brenzcatechin und Hydrochinon inAbb. 4.13) werden leicht oxidiert. Es entstehen Chi-

none (Abb. 4.15).Das Chinon-Hydrochinon-Redoxsystem dient alsGrundlage für die sog. Chinhydron-Elektrode, die in

Die Alkohole, die Phenole und die Ether 4 Stoffklassen der organischen Chemie136

OH OH

OH

OH

OH

OH

OH

OH

CH3

OH

CH3

CH3

H3C

R

OH

OCH3

NO2

O2N NO2

OH

Phenol Brenzcatechin1,2-Dihydroxybenzen

Resorcin1,3-Dihydroxybenzen

Hydrochinon1,4-Dihydroxybenzen

meta-Kresol Thymol R = H: GuajacolR = CH –CH=CH : Eugenol2 2

Pikrinsäure

Abb. 4.13 Einige Beispiele für Phenole

O H O H

OH + NaOH O

Bindungsschwächung

+ Na + H O2

Abb. 4.14 Phenol als Protonendonator

4

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der pH-Messtechnik als Arbeitselektrode verwendetwurde.Die Eigenschaft der Chinone, leicht Elektronen rever-sibel abgeben zu können, macht sich auch die Naturbei biochemischen Redoxvorgängen zunutze. Diewegen ihrer weiten Verbreitung in der Natur Ubichi-none genannten Biochinone sind als Coenzym Q alsElektronenüberträger in der Atmungskette in denMitochondrien beteiligt.Auch Vitamin E (oder α-Tocopherol) ist ein in Pflan-zen weit verbreitetes Phenol. Im menschlichen Kör-per erfüllt es offenbar verschiedene Funktionen. Be-sonders wichtig scheint seine Aufgabe als Fänger fürPeroxid-Radikale zu sein, um so Membranen undandere oxidationsempfindlicheMoleküle vor Schädi-gungen zu schützen.Der Grundkörper Phenol hat der ganzen Stoffklasseseinen Namen gegeben. Gelegentlich wird auchheute noch von Carbolsäure gesprochen, da es beider Leuchtgasgewinnung aus Steinkohle erhaltenwurde und saure Eigenschaften aufwies. Phenol bil-det farblose Kristalle mit einem typischen Geruch. Eswirkt hautätzend und ist oral eingenommen stark

toxisch. Die 5%ige Lösung kommt als Desinfektions-mittel zum Einsatz. Mitte des 19. Jahrhunderts war esdas einzige bekannte Antiseptikum. Im 1. Weltkriegkam es in den Lazaretten zum Einsatz. So entstanddie Bezeichnung „Karbolmäuschen“ für die im Laza-rett tätigen Schwestern. Auch andere Phenole wiemeta-Kresol, Thymol, Guajacol oder Eugenol habenantiseptische Eigenschaften, weswegen sie in Gur-gelmitteln oder Hustensaft zu finden sind.

4.2.4 Die Ether4.2.4.1 Die physikalischen EigenschaftenEther sind nicht so hydrophil wie Alkohole undmischen sich vielfach nicht mit Wasser. Da sie keineWasserstoffbrückenbindungen ausbilden, liegen ihreSiedepunkte deutlich unter denen der isomeren Al-kohole (Tab. 4.8).Da viele Ether eine größere Dichte als Luft haben,sammeln sie sich bei unkontrolliertem Ausströmenam Boden und können sich unbemerkt ausbreiten.Bei der Arbeit mit Ether ist deshalb größte Vorsichtgeboten.Ether können sowohl symmetrisch als auch unsym-

metrisch gebaut sein, auch cyclische Ether sind be-kannt (Tab. 4.9), als Reste R treten Alkyl- und Aryl-gruppen auf.

4 Stoffklassen der organischen Chemie Die Alkohole, die Phenole und die Ether 137

OH

OH

OH

O

O

O

– H – e – H – e

Hydrochinon Semichinon 1,4-Benzochinon

Abb. 4.15 Oxidation von Hydrochinon

Tabelle 4.8

Siedepunkte und Molmassen im Vergleich

Formel Name Mol-masse

Sdp. °C

CH3–CH2–CH2–CH2–OH Butan-1-ol 74 118

CH3–CH2–O–CH2–CH3 Diethylether 74 35

CH3–CH2–CH2–CH2–CH3 Pentan 72 36

Tabelle 4.9

Einige Beispiele für symmetrische, unsymmetrische und cyclische Ether

Formel Name Vorkommen/Anwendung

symmetrischer Ether Dimethylether, Methoxymethan synthetische Zwecke, als Treibgasvon Aerosolen

unsymmetrischer Ether Vanillaldehyd, 4-Hydroxy-3-methoxy-benzaldehyd,Vanillin

Duftstoff der Vanilleschote

cyclischer Ether Dioxan sehr gutes Lösungsmittel

H3C O CH3

C

OH

OCH3

H O

O

O

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4.2.4.2 Die chemischen ReaktionenAufgrund der freien Elektronenpaare am Sauerstoffkann in Gegenwart starker Säuren ein Proton an-gelagert werden. Ether sind also sehr schwache

Brønsted-Basen, in Wasser reagieren sie neutral.Man kann auch zeigen, dass am Sauerstoff nucleo-phile Eigenschaften auftreten (Abb. 4.16). Ether bildenin Gegenwart von Luftsauerstoff und bei Lichteinwir-kung Peroxide, die zu ungewünschten Reaktionenführen und explosiv sind. Peroxide sind instabile,radikalisch zerfallende Verbindungen der allgemei-nen Formel R–O–OH oder R–O–OR. Deshalb müssenEther in dunklen Flaschen aufbewahrt werden.

Klinischer Bezug

Ether spielen vor allem als Lösungsmittel eine großeRolle im Labor. CH3–CH2–O–CH2–CH3 ist der bekann-teste Ether und wird häufig auch einfach als„Ether“ und nicht als Diethylether oder Ethoxyethanbezeichnet. Diethylether diente lange Zeit als Narkose-mittel, wird aber aufgrund seiner starken Nebenwir-kungen (z. B. Erbrechen) nicht mehr verwendet.

Check-up4 Rekapitulieren Sie die Einteilung der Alkohole

und ihre wichtigsten Reaktionen. Verdeutli-chen Sie sich z. B. die Produkte der Oxidationvon primären, sekundären und tertiären Al-koholen.

4 Machen Sie sich nochmal den Zusammenhangzwischen chemischer Struktur und physikali-schen Eigenschaften klar (z. B. Änderung desSiedepunktes).

4.3 Die Thiole und die Thioether

LerncoachIn diesem Kapitel spielt das Element Schwefeleine wichtige Rolle. Wiederholen Sie dahernoch einmal, welche Eigenschaften Sie aus derStellung des Schwefels im Periodensystem imHinblick auf den Atomradius, die Elektro-negativität und die Oxidationsstufen ableitenkönnen.

4.3.1 Der ÜberblickDie Thiole (oder Thioalkohole) R–S–H sind dieSchwefelanaloga der Alkohole R–O–H, die ThioetherR–S–R die Analoga der Ether R–O–R (theion griech.Schwefel).Formal können beide Stoffgruppen auch als Derivatedes Schwefelwasserstoffs H–S–H aufgefasst werden(Tab. 4.10). Da der Atomradius von Schwefel größerals der von Sauerstoff und die Elektronegativität we-sentlich geringer als beim Sauerstoff ist, ergeben sichdeutliche Unterschiede in den Eigenschaften und imReaktionsverhalten.

4.3.2 Die Thiole4.3.2.1 Die physikalischen EigenschaftenThiole bilden keine Wasserstoffbrückenbindungenaus. Folglich haben sie niedrigere Siedepunkte alsdie entsprechenden Alkohole (Ethanol Sdp. 78 °C,Ethanthiol Sdp. 35 °C). Niedere Thioalkohole sindstark übelriechend und zudem toxisch.

4.3.2.2 Die chemischen ReaktionenThiole reagieren wie Schwefelwasserstoff schwachsauer. Die Säurestärke liegt über der der analogenAlkohole, da die S–H-Bindung mit einer Bin-dungsenergie von 348kJ/mol schwächer als dieO–H-Bindung (Bindungsenergie 463kJ/mol) ist. DerpKS-Wert von Ethanol beträgt pKS =16, von Ethan-thiol pKS =10,5. In Gegenwart von Basen bildenThiole Salze. Die Quecksilbersalze sind schwer lös-lich.Damit hängt auch die heute zum Teil noch gebräuch-liche Bezeichnung Mercaptan zusammen (corpusmercurium captans lat. Quecksilber fällender Kör-per).

Die Thiole und die Thioether 4 Stoffklassen der organischen Chemie138

R O R R O R

HH

Oxonium-Ion

Abb. 4.16 Ether als Nucleophil

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