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LUTHER UND K I RCHHOF FÜR DIE

des Glauben s zu Prag 21 . Horn ung im Jahre 1 694

grausam ermordet. 1)

Aber se lbst di ese j üdische Tugend, das Festhaltenan den Geboten , wurde von den Dichtern zum An laßdes Spottes gen ommen . So ist die oben erzählte Begebeh

he it aus Paul i’s Schimpf und Ern st“ auch inWendunmuth ?)enthal ten , abe r in der We ise , daß die Lehre für dieChristen wegfäl lt, und das Hauptgewicht darauf ge legtwi rd, daß der Bischof den Juden verbot, den Feiertagder Christen , näm l ich den darauf folgenden Sonntag, zuen tweihen , und so mußte

„der arme Jude“ zwe i Tage

warten , bis ihm Hilfe wurde . So wurde auch ihre Frömmigkeit, die all erdings in di ese r Erzähl ung e ine überspannte Form ann immt, belacht un d bestraft. Nochärgerem Hohn wurden sie aber ausgesetzt, wenn sie

ihren Glauben n icht hie l ten oder gar ein oder der andereJude sich t a u f e n l ieß . Bei den Priestern war der

Bekehrungseifer gegenüber den Juden zwar sehr groß .

Und Lu t h e r n enn t des öfteren das letzte Ziel aller D iskussion en mit den Juden die Taufe . Ja, se lbst K i r c h h o f 3)l äß t sich an e i n e r Stel le im Zusammenhang mit den

se lbstverständl ichen Beschuldigun gen dazu verleiten , derTaufe der Juden das Wort zu reden : Wenn du e inenJuden siehst

,sei e ingedenk

,daß diese Leute tägl ich dich

und deinen Herrn Jesus ve rfluchen und schänden . Auß

dem jämmerl ichen fall aber der e lenden Men schen und

se in er ewigen Verdamn uß halber, soltu ein hertzlichs

miß fal len und erbarmung haben , und sagen : 0 a llmäch

tiger gott und vatter, ist es müglich, dass er glauben und

leben sol, so bekehre ihn , das bitt ich dich von hertzen :

wir sol ln un s nicht bewegen laßen,Ob uns di e oder jen e hassen ,Sondern ihm fal l zu Hertzen faßen .

1

) S . G . F r e i tag , Bilder aus deutscher Vergangenheit. a . a . O .

7

) I . 2 , 32 . E in Bischof zu Magdeburg vezieret die Juden .

3) Wendunmuth V . 32 .

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PU R CH A SE D FO R THE

Un ive rsity of Toron to Libra ry

FR O I\ I THE

]oseph a nd Gertie Schwa rtz

Memoria l Libra ry Fund

FO R THE SU P POR T O F

]awish S tud ie s

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D UDE

IN DEN DEUTSCHEN

D ICHTUNG EN DES'

0 .

15 , ü . UND 11 JAHRJ

HUNDERTES . o 0 0 0

O S KAR FRAN KL.

APPROBIERTALS DOKTO R -DlSSERTATION VON

DER PHILOSOPH. FAKULTÄT DER

K . K . UNIVERSlTAT lN WlEN . 0 0 0

19 0 5 .

R. PAPAU S CHE K RO BERT HO FFMANN

IN MÄHR .-O STRAU. IN LE IPZ IG .

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D UDE

IN DEN DEUTSCHEN

D ICHTUNG EN DES

16 . UND 17 . JAHRHUNDERTES . o 0 0 0

O S KAR FRAN KL.

APPROBIERTALS DOKTOR -DISSERTATION VON

DER PHILOSOPH. FAKULTÄT DER

K . K . UNIVERSITAT IN WIEN . 0 0 0

19 0 5 .

R . PAPAU S CHE K RO BERT HO FFMANN

IN MÄHR.-O STRAU. IN LE IPZ IG .

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ALLE RECHTE,

BESONDERS DAS“ UBERSETZUNO SRECHT IN FREMDE

SPRACHEN VORBEHALTEN .

DRUCK VO N

R . PAPAUSCHEK ,

BUCH U KUNSTDRUCKEREI .MÄHR .

-OSTRAU .

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Meinen teueren Eltern

RABBINER DR . ADOLF UND KLARA FRANKL-GRUN

in Liebe und Dankbarkeit zugeeignet.

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sichtspunkten gearnet werden , und da ließen sich

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E INLE ITUNG .

n vir die Dichtungen da 1 6 . und 1 7 . Jahr

la tes in bm g znf ilue fiäd lnng m den l uden nmd

Judentu m “ ersuchen . K ein fnea dige1 W ik i: ,

der ganaa a Zeit, in

m eht m h die .ämiä zten der

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vie len Dichtungen Gemeinsam e zusammengehal ten un d

ein getreues Bild der Strömungen in den Dichtungengegeben werden . A llerdings mußten dann oft mehrereWerke e i n e s Dichters an verschieden en Ste l len behande l t werden , so konn te z . B . ein D iskussion sdrama des

Han s Sachs n icht am se lben O rte wie ein Fa stnachtspiel,

in dem er e in en j üdi schen Wucherer darste ll t, behande l twerden . Doch mußte diese Schwierigke it in der Be

handl ung des Stoffes hingenommen werden,da es n icht

darauf ankam , die Stel l ung e i n e s Dichte rs zu den Judenzu geben ,

sondern vor allem auf das Gesamtbil d des

gan zen Ze itraum es Nachdruck ge legt werden mußte .

Dam it di ese r nun kl ar und scharf he rvortrete , mußteoft auch die chron ologische Einte i lung durchbrochen“werden , die aber i n n e r h a l b der stofflichen Gruppenmögl ichst genau e ingehal ten wurde . Eine Entwicklungzum B esseren , e inen Fortschritt gab es in den Dichtungendie ses Zeitraumes n icht

,und so konn te ich auch n icht

zeigen , wie sich derse lbe Gedanke in den Jahrhundertenbei den verschieden en Dichtern zum Guten geänderthatte

,denn übera ll herrscht diese lbe gehässige Stimmung,

bei den Dichtern des 1 5 . Jahrhundertes eben so wi e beidenen des 1 7 . Jahrhundertes . Ja, man ware fast versucht,den Gipfe lpunkt de s Hasses in den Le istungen des 1 7 .

Jahrhundertes (Abraham a S . Clara,Buchholtz) zu sehen ,

den en gegenüber sogar da s 1 6 . Jahrhundert mit denDichtungen Fischarts und Kirchh ofs in den Hin tergrun dtritt . Ein e gewisse Ste igerung suchte ich in

der E in

teil ung dadurch festzuh alten, daß ich von der‘

Gesta lt

des nur l ä c h e r l i c h e n Juden (Diskussion , Verspottun g)zu der Ze ichnung des s c h l e c h t e n Juden (Wucherer,Hostienschänder, Kindermörder) überging. Oft tritt aberauch hie r der Un terschied n icht genau he rvor, da auchin e i n e m Drama ve rschiedene Typen (des l ächerl ichenund des schlechten Juden ) dargeste l l t werden (z . B . Ayer),

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oder sogar e ine und dieselbe Pe rson bald lächerl ich baldschlecht geze ichnet ist (s . englische Komödianten ). Dochglaube ich, in diese r Hin sicht das Richtige getroffen und

auch hie r den Gesamte indruck n ich t verwischt z u haben .

Darnach habe ich folgende Kapite l fe stgesetzt

I . Diskussion über das Juden tum ,Judenfrage .

II . Verspottung und Schmähung der Juden und des

Judentums .

I I I . D er Jude al s \Vucherer.

IV. Der Jude a l s Hostien schander und K in dermord€r.

Judenvertreibung.

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v ie len Dichtungen Geme insame zusammengehal ten und

e in getreues Bild der Strömungen in den Dichtungengegeben werden . Allerdings mußten dann oft mehrereWerke e i n e s Dichters an verschieden en Stel len behande l t we rden , so konn te z . B . e in Diskussion sdrama des

Hans Sachs n icht am se lben Ort e wie e in Fa stnachtspiel,

in dem er einen j üdischen Wuch ere r darste l l t, behande l twe rden . Doch mußte diese Schwierigke it in der Be

handlung des Stoffes hingenomm en werden,da e s n ich t

da rauf ankam , die Ste l lung e i n e s Dich ters zu de n Judenzu geben

,sondern vor al lem auf das Gesamtbild des

gan zen Ze itraum es Nachdruck ge legt we rden mußte .

Dam it dieser nun klar und scharf hervortrete , mußteoft auch die ch ronologische Einte ilung durchbrochenwerden , die aber i n n e r h a l b der stoffl ichen Gruppenmögl ichst genau e ingehal ten wurde . Eine Entwicklungzum Besseren , e inen Fortschri tt gab es in den Dichtungendie ses Ze itraumes n icht

,und so konnte ich auch n icht

zeigen , wie sich derse lbe Gedanke in den Jahrhundertenbei den verschieden en Dichtern zum Guten geände rthatte, denn überal l herrscht diese lbe gehässige Stimmung ,bei den Dichtern des 1 5 . Jahrhundertes eben so wie beidenen des 1 7 . Jahrhundertes . Ja, man ware fast ve rsucht,den Gipfe lpunkt des Hasses in den Le istungen des 1 7 .

Jahrhundertes (Abraham a S . Clara,Buchholtz ) zu sehen ,

den en gegenüber sogar das 1 6 . Jahrhundert mit den

Dichtungen Fischarts und Kirchh ofs in den Hin te rgrun dtritt. Eine gewisse Steigerung suchte ich in der E in

te il ung dadurch festzuhal ten , daß ich von der Gesta ltdes nur l ä c h e r l i c h e n Juden (Diskussion , Ve rspottung)zu der Ze ichnung des s c h l e c h t e n Juden (Wuche re r,Hostim m händer, Kindermörde r) übe rging. Oft tritt aberauch h ie r der Un te rsch ied n icht genau he rvor, da auchin e i n e m Drama ve rschiedene Typen (des läche rl ichenund des s c h lechten Juden ) dargeste l l t we rden (z . B . Ayer) ,

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oder sogar e ine und diese lbe Person ba ld lächerl ich baldsch lecht geze ichnet ist (s . englische Komödian ten ). Dochglaube ich, in di eser Hin sicht das Rich tige getroffen und

auch hie r den Ge samte indruck n icht ve rwischt zu haben .

Darnach habe ich folgende Kapite l festge setzt

1 . Diskussion über da s Juden tum,Juden frage .

I I . Verspottung und Schmähung der Juden und des

Judentums .

I II . Der Jude als Wucherer.

IV. Der Jude a l s Hostien schander und K indermorder.

Judenvertreibung.

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DISKUSS ION ÜBER DAS JUDENTUM.

JUDENFRAGE .

Die Juden von dem Vorzuge des Christen tumszu uberzeugen, die Christen in ihrem Glauben zu be

stärken , war seit jeher das größte Be streben der Kircheund der in ihrem Dien ste s tehenden Schriftste l ler gewesen .

Diese beiden gleichl aufenden Bestrebungen erhie ltendichte rischen Inhal t un d dichterische Form hauptsächlichim Dram a . Als Gegen stand der Zwiegesprache , aus den ensich das Drama en twicke lte, wurde der Streit der Judenmit den Christen über die Vorzüge und Nachteil e der

Lehren ih res Glauben s sehr oft behandel t , sowohl 1 . in

Vorspielen und Einlagen als Teil en von Dramen mit

verwandten Stoffen , al s auch 2 . a l s Ganzes in e igen enDiskussion sdrm en . Die e rste Gattung findet sich in deng e i s t l i c h e n S p i e l e n , di e zwe ite in den Fa s tn a c h ts p i e l e n und Dramen ähn l ichen Charakters . I n 3 . Lin iekommen dann di e P r o s a -S t r e i t f r a g e n über das Judentum in Betracht.

Geistliche Spiele.

Besondere Ge legenheit,Juden und Christen im

Kampfe um ihren Glauben vorzuführen , gaben die

Weihnacht und Oste rspie le . Die Erzählung von den

Anfängen des Christentums, die Darste l lung der Geburtund Le iden des Begründers der Kirche legten den

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DISKUSS ION Ü BER DAS JUDENTUM . JUDENFRAGE .

Dichte rn e inen solchen Stre it sehr n ahe . S ie fandendiesen entweder im Verlaufe der Handlung se lbst z . B .

im übe rl ieferte n Stre it Jesus’ mit den ihn richtendenJuden gegeben ‘

) oder sie dichteten ihn,da der e rste

Fa l l ihnen zu wen ig Ge legenhe it gab,sich über Juden

und Judentum in der beabsichtigte n We ise zu verbreiten,

al s Vor ode r Zwischen spie le hin zu . Diese werden un s,

sowe it sie m it unserem Thema im Zusammenhang stehen ,beschäftigen . Als typisches Muste r ste l le ich das latei

n ische W'

e ih n a ch t s p i e l vo n B e n e d i k t -B e u r e n aus

dem 1 3 . Jahrhundert hin . Vor dem Eingeh en in di e Handl ung, das ist die Darlegung der Geburt Ch risti, steht da sVorspie l

,

3) das aus e inem Stre it des Hauptvertreters der

Kirche , Augustin ,se iner Begleite r Isaias und Dan ie l

1

) Eine Diskussion zwischen Jesus und den Juden findets ich in jedem größeren Pas sionsp iele . S ie geht aber über einigeVerse nur s elten hi naus . Doch darf man nicht wirkliche Gründeund Gegengründe erwarten , sondern fas t nur Schimpfworte . Ver

hältn ismäß ig am erwähnenswertesten ist dieser Streit Christi mitden Juden im Donaueschinger Spie l . Jesus behauptet, der SohnGottes zu sein und führt als Beweis dafür die vie len Wunder an ,

die er getan hat . Die Juden werfen aber S teine nach ihm . Das

wiederholt s ich noch einmal im Stücke beim Streit Jes us ’ mit denJuden im Tempel . Auch hier werfen die Juden Steine nach ihm ,

er aber geht unverletzt hinweg . Unzweifelhaft lag in der oftma ligenDarstel lung des S teinigens eine bea bsichtigte Au freizung des

Volkes,welches das Publikum bei der Aufführung bildete , gegen

die Juden . E in Streit Jesus ’ mit den Juden im Tempe l ist auchim Alsfelder Pass ionspiel . H ier findet sich derse lbe Vorwurf gegenJesus wie im Streit der Christiane m it der Judaea des Donauesch inger S pie ls , daß näm lich Jesus sich rühme , Abraham geseh enzu haben ,

obwohl er erst 45 Jahre alt sei. Steine werden Jesusauch im Frank furter Spie l nachgeworfen .

7) H erausgegeben in den carmina burana von Schmeller.

Durch fast alle Vorspie le zieht s ich der Gedanke , dieJuden von der Erscheinung Christi zu überzeugen . Sogar in einemTiroler Himmel fahrtspiel (mitgetei lt bei Pich ler) finden wir e in

prophetisches Vorspie l m it dieser Tendenz.

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DI SKUSS ION Ü BER DAS JUDENTUM . }UDENFRACIE.

ristisch fur die me iste n spateren in deu tsche r Sprachege sch riebenen Streitgedichte . I n fast al len derartigenStücke n führt der Ve rtre te r der Kirche die Prophe te nal s Zeugen und Mitkämpfer für Jesus 1) an

, auch die

S i b y l l a tritt in we l tl ichen und geistl ichen Diskussionengegen di e Juden auf ; der Ve rtrete r der Juden bringt auchSpäter nur sehr wen ig e in leuchtende Gründe vor und

macht e s so seinem Gegner le icht ihn zu widerlegen .

Als Stre itobjekt wird der Zweife l der Juden an der

Gottabstammung Christi gen ommen , und die Frage , ober der von den Propheten verkündete Mann sei odern icht. Dabe i treten, wie es auch schon hier der Fal lwar

,die Christen vornehm auf (voce sobria et discreta) ,

die Juden aber aufgeregt und re izbar. Zum Schluß folgt,wenigstens in den Fa stnaehtspielen des 1 5 . Jahrhunderts ,fast immer die Taufe der Juden , nur se l ten bleibt dieDiskussion unen tschieden . Nach dieser Zusammenfassung der charakteristischsten Eigen arten al ler Spie lewill ich die bedeutendsten Pa ssionspiele des 1 5 . und

1 6 . Jahrhunderts e iner kurzen Besprechung un terziehen .

Se lbstverständlich kommen hier nur d i e Te ile in Betracht,die sich auf mein Thema beziehen , al so vor al lem die

Diskussionen . Das F r a n k f u r t e r Pa s s ion s p i e l fi be

1

) So nehmen die Propheten , die im Vorspie le des S t. Gal lenerWeihnach tspieles aus dem 14 . Jahrhundert (Mone , A ltdeutscheS piele I .) auftreten ,

auch fur Christus Stel lung. Ja , hier tritt außerBileam , Jes aias und Danie l noch Moses , David , Salomo , Jeremiasund Micha (in 264 Vers en) auf. Im Tiroler ludus planctus Mar.

virginis cum prophetie (mitg. bei Pichler) treten die ProphetenJeremias , Jes aias , Daniel und andere a lttestamentliehe Figurentei ls a ls Vorherverkünder, tei ls als Vorbi lder des Leidens Chris tiauf. Die dies en Prephetenrol len zugrundegelegten Texte sind : fürJeremias : Jet . IX. l . ,

für Jesa ias : Jes . I . fur David : PsalmXXI I . etc.

Das R eg istrierbueh bei Pichard, Frank furter Archiv I I I .Seite 137 ff . , Kürschner, National literatur, etc .

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F RANKEURTER PASSIONSPIEL.

ginnt ganz anal og dem B .-B . Weihnachtspiel mit e inem

Stre ite . Sowe it wir aus dem un s erhalten en Te ile ent

nehmen auch hier die Propheten Wortführerfür C hristus. Augustin us , auch hie r der Ve rtreter derKirche, schl agt die Diskussion vor, spricht abe r fast garn icht se lbst, sondern heißt die Propheten die Ve rteidigungführen . Die Juden sind n icht durch e ine Person, denArchi syn agogus, sonde rn durch Isac, Bandi r, Joseph ,Abraham

,Liebe rmann 1

) und Moses vertreten . Augustinu sund die Propheten sprechen sehr vornehm

,die Juden

haben , wie Augustin us sagt, spehen mut (Hinterlist) . DieAn tworten der Juden sind grob und heftig :

„svig a doz

waz claff is du,was se is du dummer odil 2) crage, svig um

seclichiz Bam etc. Die Diskussion sch ließt Augustinusmit der Bemerkung :

„Ihr Juden

,ih r hat wohl gehort

“,

dan n singen al le Pe rsonen auch die Juden,de ren

Überredung also vorausgesetzt wird ein Loblied aufCh ristus . Darauf folgt die Passion . Am Schluße derse lbenfängt die Kirche an , mit der Synagoge zu disputieren .

Die Kirche pre ist den neuen Gott , die Synagoge wil lihn n icht anerkenn en („umm e keyn en got en we iz ichn it

“) darauf wirft di e Kirche der Synagoge „

re speelichen

mut vor. Nach dem Stre it gehen 8 bis 10 Juden zu

Augustinus und verlangen die Taufe . Augustin us hältsie für wert de s Himme l reiches . Sobald die Synagogedies sieht, singt sie traurigen Sin ne s „

Israe l min zartediet“ und nimmt sich die Krone vom Haupte . Übe rdieses Eingeständn is ih rer Niederlage freut sich die

Kirche und wird von al len beglückwün scht. Mit e inem

Schlußgesang ende t das Stück. So setzt sich hier dieim Vorspie l begonnen e Diskussion am Schluße wiederfort und endet natürl ich mit dem Siege der Kirche .

1

) Man beachte die den Z e i tve rh a l t n i s s e n entnommenenNamen , welehe Beziehungen auf die damalige Zeit ( 15 . Jh .) zuließen .

2) o di l viel leicht odilis = gehäss ig . barn = K ind , Knabe .

_ 9 _

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DISKUSS ION Ü BER DAS JUDENTUM . JUDENFRAGE .

Das D o n a ue s ch in g e r Pa s s io n s p i e ll ) hat auch

das übl iche Vorspie l , in dem die Diskussion durch einenWettgesang der Enge l und der Juden schule ve rtreten ist.D ie Diskussion zwischen den al legorischen FigurenChri stiana und Judzea ist hier nach der Kreuzigunge ingeschoben . Ch ristiana, „

die Konigin, c h r i s t l i c h u n d

s c h ö n g e k l e i d e t“, ersche in t unter dem Kreuz, in derHan d e in rotes Fähnlein mit e inem goldenen Kreuz

,sie

schaut uber und um sich und beginn t zu j ammern übe rden Tod Christi ; da ersche int Judaea

,ein e andere K ön i

gin , „j ü d i s c h g e k l e i d e t“, auch sie hat ein Fähn lein

in der Hand , das ge lb mit ei nem schwarzen Abgott

(Gotzen) ist, l ärmend geht sie gegen Christiana vorund ve rte idigt die Tat der Juden . Nach einer Aufforderung der Christian a an die Christen , den Tod des He i

lands zu rächen, folgt der we itere Verlauf der Handlung,Chri stus wird vom Kreuze genomm en

,gesalbt und be

graben , dann spricht wi eder Christiana und mach t scharfeAusfäl le gegen die Juden . Judaea we ist s ie zur Ruhe ‘

beschuldigt Christus des Betruges , da er behauptete ,er habe Abraham gesehen , er wäre von e iner Jungfraugeboren, kurz, er verdiene die Strafe vollauf. Nun n imm tChristiana zu e iner langen Rede das Wort

,in der sie

den gan zen Stammbaum Ch risti von Adam her ableite tund seine Sendung, das Men sehengeschlecht zu e rlösen,me ldet . Zum Sch luß verbindet sie der Judaea die Augenund zerbricht das Banner der Besiegten . Nich t nu

erwahn t m ag der in die sem Stück gan z außergewöhn l ichstark hervortretende Judenhass ble iben . Schon in der

Ein le itung zählt der proclamator al le s auf,was Jesus

du rch den fal schen Judenrat e rdulde t hat, be i der Dar

s t el l ung der Le iden se lbst ge fül l t sich der Dichte r ine ine r wide r wärtigen Breite , wie s ie die geha ss ige Stim

Mone I . S eite 184 ff.7

) „wan ha t das klappern endlich ein end .

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DONAUESCHINGER UND ALSFELDER PASSIONSPIEL.

mung gegen das dem christlichen Mitte lal ter so missliebige Judentum eingab , 1) und in der Diskussion kannsich Christian a n icht genug da mntun , gegen die Judenzu schüren . S ie wi l l n icht fruher von ihre r Klage lassen,al s bis an den Juden der Tod des He ilands gerächt wird,und in ihrem Jamm e r findet sie imm er

,und imme r nur

das e ine Wort : he lfet mir,christen , rächen diese that

an dem fal schen j üdischen rath ‘

Das Vorspie l des A l s f e l d e r Pa s s io n s p i e l e s

e nthält in der Form,in der es un s erhal ten ist, 2) zwar

n icht wie da s Frankfurter_

Spiel e ine Diskussion,

es istaber auch schon dert auf die später folgende Diskussionhingewie sen , wenn Ve rs 235 ' ff be i der Beratung der

Teufe l, wie da s Erlösungswerk zu hinde rn sei

,Natyr zu

Luzife r sagt,daß er

-sieh an der Juden dancz“3) machenund sie von früh bis spät auf den falschen Glaubendes Jesus aufme rks am machen wolle , bis sie ihn ü b e rf ü h re n und töten würden . Die Diskussion se lbst iste ingeschoben n ach der Urteilsprechung, sie be schließtden zweiten Tag .

4) Da s dürfte -wohl die langste Diskus

sion '

in e in em * ge istl ichen Spie le se in . Der Verfassers te l lt es

, wahrsche in l ich aus diesem Grunde,gan z frei ,

die Diskussion aufzuführen oder n icht. S ie bildet für siche in e igenes , umfangreiches Stre itgedicht. Das Thema desStreite s , da s von der Kirche angegeben wird

,ist aus

Math . III. und lautet :„Pen itentiam agite , appropinquabit

en im regnum celorum“

. Die Kirche beginnt,die Syn a

goge antwortet und sucht die Gründe zu widerlegen ,

1

) S . Wilken a . a . 0 . Der Verfasser, der keineswegs ein

Judenfreund ist , hält es hier doch für nötig, diesen Umstand tadelndzu erwähnen .

2

) Herausgegebe n von Grein 1885 .

Über den Tanz der Juden s . den Sch luß dieses S tuckes

und den Abschnitt„Verspottung“.

I n der Ausgabe von Grein S . 142 ff . , Vers 4480—5263 .

— 1 1

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DISKUSS ION Ü BER DAS JUDENTUM . JUDENFRAGE .

doch ge ht die Kirche auf die E inwande der Synagogen ie e in . I n ruhiger Weise knüpft s ie an das eben ausgesprochen e Tode surte il an und me in t

,daß man

, da alleMen schen sterblich seien , da s He il in Gott suchen sol le .

Wenn aber die hie r Ve rsamme l ten,so sagt sie , n icht an

Ch ristus glauben,so mögen s ie sich schämen . Darauf

antworte t di e Syn agoge heftig und aufbrausend :„disse

zarge hie r vor uns stad und Wil rügen un sere m issetad“.

Auch s ie wendet sich an die anwesenden Juden und

forde rt s ie auf, be i der alten Lehre zu verharren Jetzt

wird die Kirche auch boss und besch impft die Juden . AlsBeweis für die Richtigkeit ihres Glauben s müssen wiede rdie Pre pheten herhalten , deren Aussprüche zitiert werden .

Sie beruft sich auf Moses , Je rem ias, Ezech iel , Dan ie l,Abekug (Habakuk), Mal ach ias, Jonas, Salomon , Dav id,Simeon und führt zum Sch luß n och Sibyl la e in . An fangshat die Syn agoge nur Schimpfworte für die Aussprücheder Proph eten , im Ve rlauf der Diskussion fangt sie aberdie Frage der Jungfräulichke it der Maria auf (S Weihnachtspiel), doch beachtet die Kirche die E inwm fe n icht.Nur auf die Bemerkung der Synagoge , daß e s dochn icht dre i Götter, Gott Vater, Gott Sohn und den heilGeist geben könne, antwortet die Kirche , doch sehrunbeholfen . Jede Antwort der Kirche endet mit derAufforderung an die Juden , zum Christentum übermtreten , und jedesmal such t die Synagoge di e Juden aufih rer Se ite zu halten . Schließl ich ergibt sich die Kirche,we lche die Fruchtlosigke it ihre r Bemühungen ein sieht,und tro stet sich dam it, daß die Juden zu ewige r Pe inverurteil t sind. Die Synagoge ruft ihr noch e in ige grobeWe rte nach

,e rk lärt , daß sie auf den wirk lichen Messias

warte n we rde und forde rt di e Knaben auf, um das Kalb1

) S ie nennt die Juden ofters bei Namen : „her Sanderman ,

Wengker, S noppenkile , K adrot, R upin , Lendiksile etc.

, kurz ein

Kauderwe lsch , das nicht zu entziffern ist.

_ 12 _

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WELTLICH E SP IELE (FASTNACHTSPIELE) .

zu tanzen . Hier geben al so die Juden ausnahm sweise n ichtal s bes iegt aus dem Stre it hervor. In teressan t ist dieErklär ung

,we lche die Syn agoge bei Abbruch des Ge

Spräches gibt : „s in agoga bedeute t quasi n on gagack,

und zemmet n it zu weschen über dagk“(Synagoge be

deutet gleichsam n ich t schn atte rn und e s ziemt sich n icht

!für sie] zu schwatzen den gan zen Tag).

Der gan zen An lage und dem vom ge istlichen Spielelosge lösten Inhal te n ach hat diese Diskussion schon vie lÄhn l ichkeit m it den Stre itgedichten und Fastn achtspielen ,

deren Besprechung wir un s jetzt zuwenden . Ch a r a k t e

r i s t i s ch f ü r d i e g e i s t l ic h e n S t ü c k e i s t, d a ß d i e

D i sk u s s i o n e i n g e s ch ob e n i s t o d e r i n e i n em V o rs p i e l e b e h an d e l t w i rd, d a s s i c h im S t ü c k e f o r tse tzt. Als Vertreter der K irche treten Augustin us

, die

Propheten, Ecclesia, Christiana, al s Vertrete r der Judender Archisyn agogus, Synagoga , Judaea auf. Der Gegens tand des Stre ites ist , wie ich schon e rwähnte, fastimmer derselbe .

2 . Weltliche Spiele (Fastnacht5piele).

Neben und n a c h den geistl ichen (Spie len ) Diskuss ion en en twicke l ten sich auch solche, die e in en reinwe l tlichen Charakter schon äußerlich dadurch an nahmen ,daß sie ohn e jede Beziehung zu dem re l igiösen Inhaltder ge istl ichen Spie le standen . Die Abtrennung der Diskussion en von den Passion sdramen war den Dich ternschon deshalb angezeigt , we il e ine Diskussion , die in

die Handlung e ines geistlichen Spie les e ingeschobenwurde , entwede r das Stück in Nachteil setzte oder se lbstn icht die Aufmerksamkeit fand

, die man ih r offenbarzukommen lassen wol lte . Außerdem waren eigene we l tl iche Diskussionen für den Dichter deshalb vorte ilhafter,we i l er in der ganzen An lage der Dichtung e inen

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DISKUSS ION Ü BER DAS JUDEN '

I'

UM. JUDENFRAGE .

großeren Spie l raum hatte , und we il er mit Juden und

Juden tum offen sein en Spott tre iben konn te , was ihmim Zusammen hang m it den ge istlichen Spie len infolgeihre r he il igen Handlung doch n i cht immer am Platzschi en . Die Annahme , daß die Vorspie le und Ein lagender ge istl ichen Spie le zeitlich di e ersten poetischen Diskuss ionen waren ,

und daß sich erst aus ihnen die we ltl ich en Diskussion sdramen en twicke l ten

,dürfte woh l n icht

angezwe if e l t werden . S ie erklärt sich ja auch schon ausder En tstehungsgeschich te des Dramas . Denn al s Stofffür dieses, da s aus Diskussion en he rvorging, wahl te man

anfangs mit Vorl iebe Themen re l igiösen Inhal ts und

erst spater kamen we l tl iche Stoffe hin zu . U nd e inensolchen re ligiösen Inhalt hatten auch die D isk ussionenüber den Wert des Christentum s . Da nun die unmitte l

baren Gegn er des Christentum s die Juden waren , somußte n aturgemäß vor a l lem mit ihnen und ihrem Glauben der Kampf aufgenommen werden . Diese r Kampfzieh t sich dann m it der Ze it aus dem ge i stl ichen Gewande ,in das er gekleidet war, heraus und setzt sich eben in

se lbständigen Streitdramen fort . Jeden fal l s zeugt die

Losl ösung der Diskussionen über Juden tum und Ch ristentum vom geistlichen Spie le und ihre eigene Bearbeitungin we l tlichen , j a, in Fa stnachtspielen von der Bedeutung,we lche di eser Art des Streites von den christl ichenDichtern beige legt wurde . Schon im 14 . Jahrhunde rtfindet sich e ine Disputation , 1) und aus dem An fange des

1

) „diz is t ein disputacio wider die juden ,

“ die Handschrift istm ir unbekannt, ein Teil des Gedichtes is t in der OberrheinischenChronik wiedergegeben . Als Charakteristikon wil l ich folgendeStel le an führen : Der Jude wirft dem Christen vor, daß er Holzanbete , da er das Kreuz anbete . Darauf antwortet der Christ : I hrbetet auch Moses ’ Buch an

,das aus stinkenden Häuten gemacht

is t. Der Jude erwidert : Wir beten nicht das Buch s elbst an , son

dern das,was dari n steh t , d ie Kraft der Worte . Darauf der Christ

Nun,auch wir beten nich t das Holz an . sondern nur den ,

der an

_ 14 _

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DISKUSS ION Ü BER DAS JUDENTUM . JUDEN FRAGE .

in Betracht. 1) Die Juden ve rlangen desha lb, we il s ie von

den Ch risten verfolgt werden , e ine Disputation : da rumb

ist un ser we iser rat, die synagoge zu ste ll en hie gen eur

kirchen“. Die Juden sind al so die Veran sta lter der

Diskussion . Als ihr Ve rtreter tritt der Rabbi, al s Ver

te idiger der Christen der Doktor auf . Es entwicke l t s iche in Streit uber die Leh ren des Talmud

,in dem der

Ch rist die Fragen ste l l t, der Jude zu an tworten hat.Die Fragen sind aus den obskurste n Te i len de s Ta lm udund den kabbal istischen Deutungen desse lben gewählt .Der christl iche Dichte r zeigt darin ohne Zweife l e inegroße Be lesenheit, der wir n icht imme r folgen kön nen .

Der Jude ble ibt in v ie len Fäll en die An twort schuldig,wird ausgelacht und m it den E igentumlichk eiten se ine rangeblichen Lehre ve rspottet. Äuß erlich wird der Siegdes Christen dadurch angedeutet, daß ein Jude

,der dem

Stre ite beigewohn t hat, von den Bewe isen des Doktorsüberzeugt wird und zum Christen tum übertritt . Dochist der endgil tige Sieg dam it n icht gegeben . Das Gesprächsol l im n ächsten Jahre fortgesetzt werde n u nd da sol lder Jude die Fragen ste l len .

„Also biss übers j ahr, ob

wir sein am Leben , muss auch die Kirch ir antwurt

geben der synagog n ach irem wil len , die sie desgle ichenmeyn t zu stil len .

“ Erwähnen wil l ich, daß der Jude, der

1

) Die Veran las sung zu diesem S tucke war der im J . 1413

zu Tortosa stattgefundene Kongreß , auf dem Ra bbiner gegenchristliche Gelehrte kämpften ,

und der damit endigte , daß sämtlicheJuden sich taufen ließen . In folge dies es Kongresses erließ PapstBen edikt XI I I . eine Bu l le , we lche die Exemplare des Tahn nd zu

zerstören verbot. Aus diesen Flugschriften gegen die Juden scheintFolz seine Kenntnis der j üdischen Literatur zu haben . Wahnschein lich kan nte er auch die Schrift über die j üdische Dogmatik ,die sich jetzt handschriftlich in der Bibliothek zu Weimar be findet.S ie beginnt mit den Worten :

„Judei dicunt, deum studuiss e in

Thalmut,Contra hett got ges tudiret in Thalmut, so wer er nit

vo l l al ler Kunst“.

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FASTNACHTSPIEL VON KAISER KONSTAN '

I'

IN .

sich taufen laßt, sagt „so man m éyn gut mi r

'

streufet

ab, wie würd ich armer dan n ernehrt .

“ 1 )

Im ganzen ist der Disput sehr mäß ig und geht mehrauf Spitz findigke iten aus . Vie l bedeutender ist das F a s tn a ch t s p i e l vo n Ka i s e r K o n s t a n t in ?

) Kaiser K on

stan tin ist vom Juden tum zur Kirche übergetreten , sein eMutter nun will ihn mit Hi l fe des R abbi zur alten Leh rew iede r zurückführen . Doch Kaiser Kon stan tin hält festdaran

,denn an ihm hat das Christen tum Wunder getan

Verunreint war sein Le ib und Leben und mi t Aussatzgan z umgeben , j üdische wie he idn ische Ärzte sahen nur

e in e Hi lfe, ihn im Blute von 3000 Kindle in zu baden .

Doch der Christengott he i lte ihn durch seine Jünger.Nichtsde stowen iger ist der Kaiser, um seiner Mutter n ichtgrundl os die Bitte abzuschl agen , dazu bere it, daß em

Jude mi t e inem Christen über die be iden Re lig ionendi sputie re . Nun folgt e ine lange Diskussion . Während imvorhergehenden Stücke der Christ fragt, ist hier derRabbi der Fragende, und der Christ an tworte t. Natü rl ichsind die Einwürfe so gewählt, daß sie vom Christenmit Leichtigke it wide rlegt werden können . Der Judefragt z . B . wieso die Chri sten dre i Götte r haben , denVater, den Sohn und den he il igen Geist. Darauf antwort etder Christ : Wie da s Tuch dre i Falten hat und doche ines ist, so ist es auch mit den dre i Gottern , auch S i e

sind e in es Sinnes und e ine s Geis te s . Auch in der Bibe lwerde durch dre imal ige Wiede rholung e ine s Worte s auf

die Dre iz ahl hingewi e sen : heilig, heil ig , he ilig. Dawidsagt : Gesegnet se i unse r Gott, Gott, Gott.

1

) Das Bedenken , daß den Juden schon deshalb die Taufeschwer fall en m üsse, wei l ihnen dann ihr Vermögen abgenommenwird , findet sich auch bei Gengenbach. (Siehe den Abschnitt :Der Jude a ls Wucherer“)

Über diese Diskussion s . die Ein leitung Wi lh e lm Grimm ’s

zu Konrad v. Mürzburg'

s S i lves ter. (S . XIV ff.) Göttingen 1841 .

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DISKUSS ION ÜBER DA. l w en . JUDENFRAGE

In Be tra cht . Die Juden I_re n deshalb

, weil sie vonde n Chris te n verfolgt we r di ne Disputati0n : „

darumbIs t unse r we is e r ra t, die sv zu stellen hie gen eurk irche n !

. Die Juden s im die Veranstalter derDis kus s ion . A ls ih r Ve rtrr l itt der Rabbi

, als Verte idiger de r Chris te n der I h I

'

auf. Es entwickelt, siche in S tre it übe r d ie Lehre Talmud, in dem derChris t die Fragen s te l l t. Jude zu antworten hat.Die Fragen s ind aus den 0 —te n Teilen des Talmudund de n kabbal is tischen Du ngen desselben gewählt.De r chris tliche Dichte r zei J ui n ohne Zweifel einegroße Be lese nhe it , de r wir immer folgen können.

Der Jude ble ibt in vie len Pl die Antwort schuldig,wird ausge lacht und mit d( .1 w ntumlichkd ten seinerangeblichen Le hre ve rspo ttet . \n l le rli0h wird der Siegdes Christe n dadurch angede daß ein Jude, der demStre ite be igewohnt hat , von It.-we isen des Doktorsübe rzeugt wird und zum Cl w nt 111n übertritt. Dochis t de r endgiltige Sieg dam it n l 1 g eg eben . Das Gesprächso l l im nächste n Jahre fortgn t werden und da sollder Jude die Fragen s te l len . . . l>u biss ubers jahr, ob

wir se in am Leben, muss an die Kirch ir antwurt

geben der synag og n ach irem i l n . die sie desgleichenmeyn t zu stil len .

“ Erwähnen n l ich , daß der Jude, der

1

) Die Veran las sung zu diesem nvke war der im J. 1413

zu Tortosa stattge fundene Kongreß I f dem R abbiner gegenchristliche Gelehrte kämpften , und de d mit endigte, daß sämtlicheJuden sich taufen ließen . In folge di Kongresses erließ PapstBenedikt XI I I . eine Bu l le , we lche dieExemp lare des Talmud zu

zerstören verbot. Aus diesen Flugschn en geg

Folz seine Kenntnis der j üdi schen ltc a turscheinl ich kannte er auch die Schrift im die

die sich jetzt handschri ftlich in der Biiorhek zu WeimarSie beginnt m it den Worten : „

Judei k unt, deum studThalmut

,Contra b ett got gestudiret i Thalmut,“

voll al ler Kunst“.

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FASTNACHTSPIEL VON SER KO NS'

I'

ANTIN .

s ich taufen laßt, sagt so n 1 meyn gut mir streufct

ab, wie würd ich arme r dam crnchrt.

I m gan zen is t der Disp1 sehr mäßig und geht mehrauf Spitzfindigke iten aus . Vie mdcutender ist das F a s tn a ch t s p i e l vo n K a i s e r 13 n s t a n t in fl

) Kaise r K on

stan tin ist vom Juden tum zm K irche übe rgetreten , se in eMutte r nun wil l ihn mit Hilfe les Rabbi zur al te n Leh rewiede r zurückführen . Doch l eiser Kon stan tin hält festdaran

,denn an ihm hat das u isten tum Wunde r ge tan

Verunreint war se in Le ib 11 . Leben und mit Aussatzgan z umgeben , j üdische wie idn ische Ärzte sahen nur

e ine Hi lfe, ihn im Blute vo 3000 Kindle in zu baden .

Doch der Christengott he il te ihn durch se ine Jünger.Nichtsde stowen iger ist der Ka e r, um se ine r Mutte r n ichtgrundlos die Bitte abzuschlren ,

dazu bereit, daß em

Jude mit einem Christen ü r die be iden Re l ig ionendisputie re . Nun folgt e ine lan : Diskussion . Während imvorhergehenden Stücke der hrist fragt, is t hie r derRabbi der Fragende

,und der

b rist an twortet. Natü rl ichsind die Einwürfe so gewa t, daß sie vom Chr istenmit Leichtigkeit wide rlegt rden könn en . Der Judefragt z . B . wieso die Christc dre i Götter haben

, den

Vater, den Sohn und den heil an Geist . Darauf an tworte tder Christ : Wie da s Tuch rei Falten hat und doche ine s ist, so ist es auch mit an dre i Gottern , auch sie

sind ein es Sin n e s und eine s ciste s . Auch in der Bibe lwerde durch dre ima l ige Wie<rholung eine s Worte s aufdie Dreizah l hingewi e sen : h h

'

g, he il ig , he ilig . Dawidsagt : Ges egnet se i ott

,Gott

,Gott.

den schon deshal b die Taufe

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DISKUSS ION Ü BER DAS JUDENTUM . ]UDENFRACIE .

Eine andere Frage ist der al te Stre it, der immer in

diesem Jahrhundert wiederkehrt,und der uns noch bei der

Behandl ung des An tichrist-Them a’s beschäftigen wi rd,warum ge rade Jesus der Messias sei, das könne dochn ich t mögl ich sein , da in der Schrift stehe, daß be imErsche inen des Me ssias das Lamm un d der Wolf friedlich be ieinander wohn en und ohne Streit sein werden .

Da s ist doch seit Jesus n icht e inmal bei den Men schender Fal l . Die An twort lautet ganz im Sinn e der damaligen Ze it :

„Die Kinder Gottes

,das sind doch wir

, die

giftigen Wurme , das seit ihr, wann hätte t ihr un s in

eure r Gewa l t,al s ihr in un serer se it gezahlt, k e i n

C h r i s t e r l e b t e J a h r e s f r i s t“. So finden wir schonhie r e inen in den Fa stnachtspielen des 1 6 . Jahrhunde rtssowie in den Schwänken und anderen l iterarischen Denkmälern sich oft w i e d e r h o l e n d e n H i n w e i s d a ra u f

,

d a ß d i e J u d e n,w e n n s i e d i e Ma c h t h ä t t e n

,d i e

C h r i s t e n v i e l a r g e r b e h a n d e l t w ü rd e n a l s e s d i e

C h r i s t e n m i t d e n J u d e n tu n . O f f e n b a r w o l l e n d i eD i c h t e r d am i t d i e g ew i ß n i c h t a l l zu f r e u n d l i ch e

H a n d l u n g s w e i s e d e r C h r i s t e n g e g e n d i e J u d e nr e c h t f e r t i g e n . Hier sol l diese Antwort aber noch denZweck haben , die Frage de s Juden zu bean tworten und

sein e Zwe ife l zu widerlegen . Wir sind, mein t der Ch rist,friedl ich genug, und som it stimm t auch die Propheze iungder Bibe l . Und der Rabbi , der auszog, um den Christenzum Juden zu machen , wird richtig überzeugt und se lbs tCh rist. Mit ihm auch die Mutte r Kon sta ntins und die

anwe senden Juden . Diese freuen sich schon auf die gute nWürste des Schwe ines, die sie von j etzt we rden e ssendürfen des müsse n die verhe ite n sche lk, die j uden e nt

be h ren SO wird der Jude auch hier, trotzdem er die

Taufe n immt,verhöhn t. Se in Tun entspringt n icht

s os ehr de r Überzeugung wie dem Ve rlangen n ach

S ehwe ineflcisch . Man kann sagen , daß dam it zum e rsten

18

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FASTNACHTSPIEL VON KAISER KONS'

I'

ANTIN .

male in diesen Stücken der nur auf Vortei l bedachteSinn der Juden beton t wird, ein angebl icher Charakte

'

rzug,der in der Figur des j üdischen Wuchere rs seine Ausa rbe itung e rlangt.

Erwähnen swe rt ist in di e sem Stücke die An lehnungan geschich tliche Personen , die

-

als Ein kl e idung der Diskussion dienen , im übrigen abe r n icht we iter he rvortreten . Hinwe isen wil l ich n och auf die vie len Wunderin di esem Fastnachtspiel . Vor al lem ist Kon stan tin nur

durch ein Wunder von se iner Kr ankhe it geheil t worden .

Durch di ese übernatürliche Einwi rkung wird er be

stimm t,Christ zu werden . E in anderes Wunder, ein

Gottesge richt, entsche ide t die Diskussion und ve ranlaßt die Juden zur Taufe . Diese s Gottesgericht bautsich auf dem Glauben der Bekenne r der j üdischen und

christl ichen Rel igion auf,1) daß die Nen nung des Gotte s

namen s Wunder wirke . Der Jude zieht nun aus dem

Um stä n de , daß das Wort „Jesu s“ ohne Folgen ausge

sprochen werden kann , die Folge rung, daß Jesus un

mögl ich Gott se in kön ne . Wen n er den Namen s e i n e sGotte s n ennen werde , müsse derjen ige

,der ihn hört,

sterben . Er wil l das an e inem Ochsen bewe isen . Das

Tie r wird gebracht, der Jude sagt ihm etwas ins Ohr,worauf der Ochs tot n iederfäl l t. Der Christ bestre ite t es

,

daß der Jude den Namen Gotte s genann t habe,sondern

den des Teufe l s, worauf das Tier al lerdings sterbenmuß te . Schl ieß lich me int er, daß der Name s e i n e sGotte s noch we it wirksamer wäre, denn mit die semNamen wolle er den Ochsen wiede r lebendig machen .

Und, 0 Wunder, das gel ingt richtig. Alle Juden we rden

„Jeder, der den Namen Gottes höre, musse sterben“. Diese

Annahme wird nun in den verschiedensten Formen variiert, besonders ausgenützt wird sie im Sylvester des Konrad v. Würzburg .

Bekanntlich dürfen rechtsgläubigc Juden auch heute noch den

Namen Gottes nicht aussprechen und lesen für Jehowah„Adonay

“.

_ 1 9 _

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DISKUSS ION Ü BER DAS JUDEN '

I'

UM. JUDENFRAGE .

durch diese Tat uberzeugt. Dieses Gottesgericht mogeein Ze ichen für die Art und die Mitte l se in

, mi t denender R el igi onstreit gefüh rt wurde .

An diese e rn stgem einten und ern stgefuhrten Zwiegespräche wi l l ich eines an schließen , das auch aus demEnde des 1 5 . Jahrhunde rts stamm t und gleichsam e ineParodi e der früher genan nten bilde t :

„E i n D i s pu t a tz

e i n e s fr e ih e i t s m i t e i n em j u d e n “ v o n R o s e n b l u t.

D ie Ve ran lassung zu diesem Stre ite ist ähn l ich denenal ler derartigen Diskussion en . E in Jude kommt m it

e in em Ch risten in Niederland in Stre it über die Güteih re r Re l igion . I n diesen Streit wird schl ießlich die gan zeEinwohn erschaft der Stadt

,Juden und Christen , ver

wicke l t, bis ein al te r Jude vorschlägt , man sol le von

jeder Se ite den Tüchtigs ten erwählen , und diese beidensol lten um den besseren Glauben stre iten . Der besiegteTeil müsse dann die Stadt freiwillig verlassen . Die

Begebenhe it wird also loka lisie rt, und e in e we ittragendeFolge des Disputs angen ommen . Der Vorschlag wirdangenommen

,und nach al tem Muster müßte man jetzt

ein ern stes Wortgefecht e rwarten , das schließlich mitdem Siege des Christen tum s endigen müß te . Doch diesma l kämpft man n icht mit den Waffen des Geistes,wen igsten s n icht die Chr isten Denn während die Judenden tüchtigsten Mann auswähl en , finde t sich auf derGegense ite n iemand, der sich getraute, diesen folgenschweren Kampf aufzunehmen . Da e rsche in t den Chr istenin der größten Verzweiflung, a l s s ie schon glauben , denOrt verlassen zu müssen , Hilfe in der Gestalt e in es

der zufäl lig des Wege s daher kommt und

kurz en tsch l ossen er hat ja dabe i n ichts zu verl ie rensich bere it e rklärt, dem Juden gegenüberzutreten .

Die Christe n will igen in ihrer Not e in, und so wird zu

Freiheit Landstreicher.

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DISKUSS ION Ü BER DAS JUDENTUM . JUDENFRAGE.

jedem Men schen offen sei und ihr n iemand en tzogenwürde . Der Chri st abe r m it be sserer Berech tigung durchdie zugemachte Hand sage , daß die Gnade Gotte s ver

schlossen sei und n icht jedem zuteil werde , sondern nur

dem,der um e twas Rechte s bitte und der Erbarmung

würdig sei. Der Christ in sein e r Ein fal t glaubte aber,daß der Jude ihm m it flache r Hand eine Ohrfe ige gebenwollte

,worauf er ihm die Faust wies .

Bei der dritten Frage steckt der Jude e i nen Finge rin den Mund, worauf der Freih e it sich m it der Handüber Magen und Bauch fahrt. Der Jude erk lärt sichh ie ra uf endgül tig für besiegt :

„al l un ser synn , die seyn

verlorn , got hat die Cristen auserkorn,

“denn er wollte

mit der le tzte n Frage zeigen , daß al le Rede vom Mundekomme , wogegen der Christ Recht habe , wen n er mit

se in e r Handbewegung mein e, daß das Herz und n ichtder Mund die Grundlag e a l les Reden s s ei. Der Freihe itaber erklärt, daß er bei der Lösung daran gedacht habe,daß der Jude an ze igen wollte , er habe Hunger, wogegene r ausdrücken wol lte , daß er bere its geges sen hab e und

satt sei. Dam it sind die dre i Fragen ge l öst, das Ch ristentum geht al s Sieger aus dem Kampfe hervor, die Judenaber müssen di e Stadt verlassen .

Das Merkwürdigste in diesem Stucke ist die Ar tder Diskussion und ihre Lö sung. Das Motiv, daß derEinf al tspin se l in seiner We ise die Frag en der ge lehrte ste nMänner deute t, findet sich als u ral te Volkssage in e i

a igen Quel len aus dem Orient, in e iner aus dem 1 3 . Jahrhunde rt stamm enden Pandekte nglosse des Accussius und

sch li eßlich in Rabe lais’ Gargantua und Pantagrue l . 1)Hie r wil l der Dichte r neben der Absicht, die Diskuss ionläche rl ich zu machen , auch bewe isen , daß Gott die

S . Germania 1858 , disputa tz v. R einhold Köhler. Auch„Salomon und Morolt

“ berüh rt dieses Motiv.

22

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HANS SACHS : KOMÖDI E , DASS CH R ISTUS DER WAHRE MESS IAS SEY .

Ch risten n icht verlas'se und groß auch ist in dem Schwachen

,daß er sich zur Rettun g seines Glauben s auch

Kinder und Dumme ause rwäh le nach se inem Gutdunken,

auf ke inen Fa l l aber lasse er die,we lche auf ihn ver

trauen ,‚

un te rgehn . So liegt di e En tsche idung die sesStre ites wieder in e inem Gottesgericht, dessen Werkzeughier ein Landstre icher ist, wie e s in Gegenbach

’s

schn öden Juden “ ein Schm ied ist . D ie gan ze leichteAr t

, wie e in e solche Diskussion zu Ende geführt wird,

die hier in der Dichtung so verde rbliche Folgen fur di eJuden ann ahm , ist beze ichnend für den geringen Ern stdi eser Diskussion en .

Doch kehren wir wieder zu den wissen schaftl ichenDiskussionen zurück . Darin finde t sich jetzt e ine großeUn terbrechung bis auf Ha n s S a c h s

, der in der K o

m o d i e,d a ß C h r i s t u s d e r w a h r e M e s s i a s s ey

“,den

a lten Diskutierstoff wieder aufgre ift. Man kann n ichtsagen , daß sein Stück einen Fortsch ritt gegen über denenaus dem 1 5 . Jahrhundert bedeutet. Ganz n ach der altenSch ablone und sogar ohn e j ede äußere Veran lassungSpiel t sich der Stre it zwischen dem Christendoktor und

dem Judenrabbi ab . Der e ine behauptet,daß der Messias

bereits gekommen sei, der andere bestre itet es . Be ide

bringe n Zeugn isse fur ih re Behauptungen aus der Bibe lund den Propheten . Fur den Christen tritt David

,Esaias

,

Micheas , Moses und Jeremias,für den Rabbi Adam

,

Abraham, Jakob m it ihren Aussprüchen aus dem al tenTe stamen t ein . D en be l iebten Einwurf des Juden

,daß die

Propheze iungen Esaias’

, es werde nach dem Ersche inendes Messias, „

der Wolf be im Lämm le in wohnen, der

Parde l wird des K itzle ins schonen, der Löw

’ be im Kalbwird wohnen wem , die Kuh sich we iden bei dem Bam

“ 1)n icht mit Christus e ingetrof fen s ind , such t de r Ch ristendoktor in sehr schwacher Weise zu widerlegen

„hör jud,

Denselben Einwand s . Kaiser Kons tantin .

23

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DISKUSS ION Ü BER DAS jUDENTUM . JUDEN FRAGE .

da s is t ge istl ich geschehn , durch jud und beiden gesehn “.

Übrigen s,me in t der Dokto r, ist n icht die Propheze iung

Je saias’in Erfüll ung gegangen

,daß die Blinden sehend,

die Tauben hörend und die Lahmen gehend werden ?

Hat n icht Je sus Kranke geheil t ? Doch der Rabbi istauch dadurch n icht uberzeugt : Jesus sei eben e in Zauberer,e in fal scher Prophet gewesen .

Da tritt,

um dem verworrenen Spie l e in kurzesEnde zu be re iten , Jakob se lbst gegen den Rabbi auf

,

der Gen esis 49 sagt :„das Zepter

,das wird n it genumen

Von j uden,bis auf erd

’ wird kummen Der held Messiasan dem end, Dann ist aus euer Regimen t“.

Und e s ist wahr, „seit Christus haben die Juden

die Macht verloren,s in d ein Gespött aller Völkerschar,

von Gott verstoßen ganz und gar,“

e s muß also unbedingt Christus der Me ssias se in

, der Rabbi ist überzeugt,geh t hin und l äßt sich taufen .

Man kann n icht sagen , daß die Argumente immer

glucklich gewählt sind. So kan n es n icht zum Besten beider Beurteil ung des Stücke s sein , daß der Rabbi durchein en Satz

,den er doch al s gründlicher Kenn er der Bibel

auch schon frühe r ge lesen haben muß, auf einmal überzeugtworden se in sol l . Dieser Satz enthält übrigen s e ine An

spielung auf die traurige Lage der Juden, die s ich auchin G e n g e n b a c h s

„N o l l h a rt

“ wiederholt. Den Nollhart

befragen verschiedene Stände über die Zukun ft, der Papst,der Kaiser, der König von Frankreich, der Bischof vonMainz

,zum Schluß auch der Jude , 1) der ge rn e wisse n

möchte , wann der Messias kommen wird . Se in Wunschist es, daß der Messias sofort ersche inen möge , damit

1

) Der Jude wird hier a ls Vertreter eines bestimmten S tandesoder einer Gruppe aufgefaßt, wie Kaiser und Papst. Doch tritt ernicht, wie e in andermal bei Gengenbach und öfters be i Sachs und

Ayrer a ls Vertreter des betriigerisch en K aufnmnns ta ndcs , a ls \Vuehe

rer,sondern a ls der einer bes onderen G laubensgemcinschaft auf.

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GENGENBACH NOLLHART-ANTICHR IST .

sich die Juden mit sein er Hilfe an ihren Pe inigern , denChristen

,rächen könn ten . Nollhart an twortet wie bei

Sachs,dass der Messias schon längst gekommen sei.

Schon in den beiden zuletzt besprochen en Stücken ,bei Sach s und Gengenbach

,spitzt sich die ganze

Diskussion über di e Vorzüge des Juden tum s und

Ch ristentums imme r mehr auf einen Pun kt zu, auf die

Frage,ob der Messias bere its gekomm en sei oder

n icht. Und in der Tat ist das ja da s Um und Auf

a l ler Diskussion en zwischen Juden und Christen . Al leanderen Stre itfragen können nur n eben säehlich sein gegenüber der einen , ob d e r i n . d e n S c h r i f t e n d e r J u d e ns o o f t v e r k ü n d e t e E r l o s e r n o c h zu e rw a r t e n s e i

o d e r n i c h t. Wenn die Juden überzeugt we rden konn en ,d aß d e r M e s s i a s in C h r i s t u s er s c h i e n e n s e i, somüssen sie n otwendigerwe ise zum Christen tum übe rtreten .

Die Wichtigkeit, diese Frage zu besprechen , leuchtete dendeutschen Dichtern bald ein . Sie griffen abe r noch eine

andere Frage auf,die sich auch im j üdi schen Schr ifttum

findet und in engem Zusammenhang mit der vorigensteht, die Frage vom A n t i c h r i s t.

Der Antichrist ist der Gegn er Jesus’, er ist derwahre Messias, auf den die Juden warten , denn er

w i rd die Herrschaft der Christen zun ichtemachen und

den Juden wieder zur Macht,zu ihrem Lande verhelfen .

Das ist n ach An sicht der Dichte r die j üdische Auffassungvom Antichrist. Nach christl ichem Sin ne muß er aber,n achdem er e ine ze itlang die Macht innegehabt hat,wieder zugrundegehn und von der Kirche gestürzt werden .

Die Sage vom An tichrist zieht sich durch die ganzej üdis che Geschichte , s ie findet s ich zuerst bei Dan ie lund Jesaia , dann in den Apokryphen und den sibylli

n ischen Büchern und geht von dort auf die neutesta

men tliehen Schriftste l le r Paulus u . a . uber. 1) Nach diesen

S . Lous set und M . Fried länder : Der Antichrist.

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D ISKUSS ION ÜBER DAS JUDENTUM . JUDEN FRAGE .

das is t ge istl ich gesehehn , durch jud und beiden gesehn “.

Übrigen s, m e in t der Dokto r, ist n icht di e ProphezeiungJe sa ias

’in Erfül lung gegangen

,daß di e Bl inden sehend,

die Tauben hörend und die Lahmen gehend werden ?

Hat n icht Jesus Kranke geheilt ? Doch der Rabbi istauch dadurch n icht uberzeugt : Jesus sei eben e in Zauberer,ein falsche r Prophet gewesen .

Da tritt,

um dem ve rworrenen Spie l ein kurzesEnde zu bere iten, Jakob se lbst gegen de n R abbi auf

,

der Gen esis 49 sagt :„das Zepter

,das wird n it genumen

Von j uden,bis auf erd

’ wird kummen Der held Messiasan dem end , Dann ist aus euer Regim en t“.

Und e s ist wahr, „seit Christus haben die Juden

di e Macht ve rloren,s in d ein Gespött al ler Völkerschar,

von Gott verstoßen gan z und gar,“ e s muß al so unbedingt Christus der Messias se in , der Rabbi ist überzeugt,geht hin und läßt sich taufen .

Man kann n icht sagen , daß die Argumente imm erglücklich gewählt s ind. So kan n es n icht zum Besten beider Beurteilung des Stücke s sein , daß der Ra bbi durchein en Satz, den er doch als gründlicher Kenn er der Bibelauch schon frühe r ge lesen haben muß, auf einm al überzeugtworden se in sol l . Dieser Satz enthält übri gen s e ine An

spielung auf die traurige Lage der Juden, die s ich auchin G e n g e n b a c h s

„N o l l h a rt

“ wiederholt. Den Nollhart

befragen verschiedene Stände über die Zukun ft, der Papst,der Kaiser, der König von Frankre ich, der Bischof vonMainz

,zum Schluß auch der Jude , 1) der ge rne wissen

möchte , wann der Messias kommen wird . Se in Wun schist es

,daß der Messias sofort ersche inen möge , damit

Der Jude wird hier a ls Vertreter eines bestimmten Standesoder einer Gruppe aufgefaßt, wie Kaiser und Papst. Doch tritt ernicht, w ie e in andermal bei Gengenbach und öfters be i Sachs und

Ayrer a ls Vertreter des betriigerischeu K aufmannsta ndcs , a ls \Vuch erer, sondern a ls der einer besonderen G laubensgemeinschaft auf.

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GENGENBACH NOLLHART-ANTICHR IST .

s ich die Juden mit se ine r Hil fe an ihren Peinigern , denChristen

,rächen könn ten . Nollhart an twortet wie bei

Sachs,dass der Messias schon längst gekommen sei.

Schon in den be iden zuletzt besprochen en Stücken ,bei Sachs ‚

und Gengenbach, spitzt sich die gan zeDiskussion über di e Vorzüge des Juden tum s und

Chris tentum s imm e r mehr auf einen Pun kt zu, auf di eFrage

,ob der . Messias berei ts gekommen sei oder

n icht. Und in der Tat ist das ja da s Um und Auf

al ler Diskussionen zwischen Juden und Christen . Al leanderen Stre itfragen können nur n eben sächlich sein gegenüber der ein en

,o b d e r in d e n S c h r i f t e n d e r Jud e n

s o o f t v e r k ü n d e t e E rl o s e r n o c h -

z u e rw a r t e n s e i

o d e r n i c h t. Wenn die Juden überzeugt we rden können ,d a ß d e r M e s s i a s in C h r i s t u s er s c h i e n e n s e i, somüssen sie n otwendigerweise zum Christen tum übertreten .

Die Wichtigkeit, di ese Frage zu besprechen , leuchtete dendeutschen Dichtern bald e in . Sie griffen aber noch e ineandere Frag e auf, die sich auch im j üdischen Schrifttumfin det und. in engem Zusammenhang m it der vorigensteht, di e Frage vom A n t i c h r i s t.

Der An tichrist ist der Gegn er Jesus’, er ist derwahre Me ssias, auf den die Juden warten ,

denn er

wird die He rrschaft der Chri sten zun ichtemachen und

den Juden wieder zur Macht, zu ih rem Lande verhe lfen .

Das ist n ach An sicht der Dichter die j üdische Auffassungvom Antichrist. Nach christl ichem Sinne muß er abe r,nachdem er e ine zeitlang die Macht innegehabt hat,wieder zugrundegehn und von der K irche gestürzt werden .

Die Sage vom Antichrist zieht sich durch die ganzej üdische Geschichte , sie findet sich zuerst bei Dan ie lund Je saia , dann in den Apokryphen und den sibylli

n ischen Büchern und geht von dort auf die n eutesta

men tliehen Schriftste l ler Paulus u . a . uber. 1) Nach diesen

S . Lous set und M. Fried länder : Der Antichrist.

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D ISKUSS ION Ü BER DAS JUDENTUM . juDENFRAO E .

Wurde die j üdische Vorste ll ung eines \Vidersachers des

Ch ristus von den Kirchenvätern der nachf olgenden Jahrhunderte weite r ausgebilde t und zwar me ist im Zusammen

hange mit der Sage vom Un te rgang der We lt und dem

jüngsten Gericht. Diese j üdisch—christl ichen Überliefer

ungen gehen das ganze Mitte la lter hindurch . Die frühe renwie späte ren K irchensehriftste ller legen sie dar in

ih ren Erklärungen der bibl ischen Abhandl ungen , vie leGeschichtschreiber bringen s ie mit den Ereign issen derVergangenheit in Zusammen hang, und manches schwärme

rische Gemüt fand darin Stoff für se in we issagendesund bußpredigendes Streben . Die allgeme ine Verbreitungdieser Ideen und die große Empfängl ichkeit dafür bewirkte , daß der An tichrist und da s j üngste Gericht auchin die europäische National l iteratur übergingen . Dasälte ste d e u t s c h e Gedicht di eser Art stammt aus demIX . Jahrhundert Darnach begegn en wir e rst wiederdem An tichrist in den deutschen Dichtungen des XII .

Jahrhunderts . Zunächst komm t die Episode be im SegenJakobs, 2) dan n der Abschn itt in der Görlitzer Evan

ge lienharmonie3) in Betracht

,dann durfte folgen das

auch bei Hoffmann mitgeteil te Gedicht vom„E n t e c ri s t

“.

Doch können uns hie r n ur jene Dichtungen beschäftigen ,die e inen Zusammenhang mit den t a t s ä c h l i c h e n jü d is ch e n V e r h ä l tn i s s e n d e s M i t t e l a l t e r s haben .

I n diesen Werken besteht das offenkundige Be

streben,die j üdische Sage ins Lächerl iche zu ziehen . Alle

gehen wen igsten s in ihren Grundrissen auf e in lateini

sches Drama des 18 . Jahrhundert s zurück , das bei Pez,

Muspilli, her. v . Jak . Grimm :_ „Der Dichter hat mit der

chris tlichen Vorste llung offenbar einzelne heidnische Zuge aus dem

a ltnordischen Mythus von Harti und Muspill i verwebt. (DeutscheMy th . S .

Hoffmann , Fundgruben I I . S . 80.

3

) Hoffmann , Fundgruben I . S . 103 .

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D ISKUSS ION Ü BER DAS JUDENTUM . JUDEN FRAGE .

unter den Flugeln , zu sein er Rechten die Seheinheiligkeit,zu seiner Linken die Ketzerei . D ie Heuchler begrüßenihn und e rrichten ihm einen Thron im Tempel , die

Kirche muß sich, geschmäht und zerschlagen , zuruck

ziehen . Der An tichrist wil l da s Alte abschaffen , ein n euesR echt weisen , er sendet Boten an die Kön ige, daß diegan ze We l t ihm , dem „

aus der Schrift Verheißenen“

(sicut ex scripturis mundo fuit promissus) al s ih remHerrn huldige . Die Kön ige kn ien vor ihm , er schreibtden Anfan gsbuchstaben se in es Namen s auf ihre Stirn e .

Den Kön ig der Deutschen hofft er durch Geschenke zugewinn en, denn unvorsichtig ware e s, mit dem furorTeutonicus e inen Kampf zu wagen . Der Kon ig durchschaut aber die Täuschung, es kommt zum Kampfe und

das Heer des An tichrist wird geschlagen . Jetzt greift es

der An tichrist anders a n,er tut Wunder über Wunder.

Durch die Heilung e in e s Aussätzigen , Erweckung e in esSche in toten wil l er sich Jesus gle ich zeigen , und die

Deuts ch en werden dadurch auch richtig bewogen , ihnan zuerkennen . Mit ihre r Hilfe besiegt er den König vonBabylon

,den Ketzer und Heiden

,den Juden aber läß t

er sagen , daß er al s ihr Messias gekommen sei, der

ihnen von den Propheten verkündet werden war : Surge,Jerusalem

,surge, il lum inare, captiva din Syn agoga

laeta re . Freudig schließen sich die Juden ihm an , er

verkündet ihnen , daß er sie wieder ins Land der Ver

heißung (terra promissionis) bringen werde . Doch datreten die Propheten Enoch und Elias 1) auf und zeugenfü r Christus

, den die Juden, mißtrauend den Verkündi

gungen und Ze ichen,kreuzigten , und fordern sie auf,

vom fal schen Messias, dem Antichrist, abzufallen . Die

Juden gehorchen und anerkennen Christus . Die Propheten

Diese beiden Propheten treten auch in dem oben erwähnten„En tecris t“ für Christus ein , offenbar deshal b , weil s ie auch in den! uel len a ls Vorläufer des Antichrists genannt sind.

—28

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DAS ALTE CROSS SPI EL VOM U FF UND UNTERGANG DES ANTICR IST .

werden vor den An tichrist geführt, bleiben aber ihmgegenüber standhaft. Die Syn agoge erklärt, gerne den

Märtyre rtod und. all e Ve rfolgungen erle iden zu wollenun d bedauert ihren Irrtum

, der An tich rist aber stürztzusammen , die S eheinheiligen en tfliehen , die anderen ,auch di e Juden, kehren zum chr istl ichen Glauben zurück,und die erlöste Kirche singt ein Hal le lujah .

Die se s Stuck wurde in s Deutsche ubertragen und

n och im 1 5 . Jahrhundert aufgeführt,un ter anderem auch

in Xanten im Jahre 1 473 und. 1481 1) un te r dem Tite l

„d a s a l t e g r o ß s p i e l vom u f f u n d u n t e r g a n g d e s

a n t ic r i s t“

Be i der Übersetzung in s Deutsche mussen sehrVie le Ausfäl le gegen die Juden hinzugekommen se in ,denn der Haß der Christen wurde so seh r erregt

,daß

sich der R at zu Frankfurt am Main im Jahre 1469 beider Aufführung des Spie le s veran laßt sah

, Vorsichts

maßrege ln zum Schutze der Juden zu Auchim L u z e r n e r A n t i c h r i s t (1 549) kommen die Judenv ie l schl echter weg al s im a lten l ate in ischen Dram a.

Im Oktobe r 1 338 befahl die Obrigke it i n Freiburg,

im

Breisgau,daß n iemand ein Spie l auf Juden machen

dürfe, „das inen l aster oder schande mug gesin

“, ein

Beweis für die Gehässigke it der Aufführungen .

Doch kehren wir zum An tichriststuck zuruck . Esist sehr n ahe l iegend, daß das Fastnachtspiel vom „

H e r

z o g v o n B u rg u n d“ durch dieses Stück bee in flußtwurde . Das e rwähnte Fastnachtspiel behande l t auch dieIdee des Antichrists

,aber in vie l derberem Ton e al s

das latein ische Drama,wahrsche in l ich m it mehr Be

ziehungen zur deutschen Überarbeitung.

1

) Nach den Aufzeichnungen des Kanonikus Pelz.

2

) S . Jannsen a . a . O. Die Übersetzung dieses Stückes ist

verloren gegangen .

— 29

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DISKUSS ION Ü BER DAS jUDENTUM. JUDENFRAGE.

Ohne lange Ein leitung führt e s gle ich in die Mitteder Handlung : Der Judenmessia s ist erschienen

,die

Juden j ubeln ihm al s dem Rette r in ihrer bedrängtenLage zu . Er sol l ihnen Hilfe bringen, wird aber al sfal sche r Messias von der Sibylla en tlarvt. Un te r anderemmuß auch das Glücksrad für’s Christentum en tscheiden

,

indem des Fürsten Figu r oben steht, die des Me ssias

aber un ten .

1) D ie Juden , we lche fest an ihn geglaubt

hatten , werden gezwungen , von den Zitzen e ines Schweineszu trinken , dan n werden ihnen Blasen angebunden

,und

Hunde hetzen sie durch die Dabei quält sie derNarr mit groben Spaßen .

I n diesem Stücke sind die Zeitverhaltnisse sehrstark berührt . So ist auf die Not der Juden

,die man

zu dieser Ze it aus vie len Städten am Rhe in und an der

Donau vertrieben und hingem ordet hatte,sehr häufig

angespie l t. Daß die Juden in solchen bedrängten Tagen ,da a ll e menschl iche Hil fe versag te, da man gegen sie

noch ärger al s gegen Tiere wütete, von den Menschenweg auf übe rirdische Rettung ih re ganze Hoffnung setz tenund zum letzten Trost, den ihn en ihre Religion gab,griffen

,daß n äm l ich die Ze it der Rettung n icht mehr

fe rne sein könne, ist sehr leicht begreiflich . Diese Rettungkönne aber nur der von Gott gesandte Messias bringen ,und so setzten sie ihr ganzes Hoffen und Sinnen aufihn . Der Messiasgedanke war n iema l s bei ihn en ganzausges torben . I n Gebeten und Wünschen , im Ghetto und

in feuchten Tempe lmauern erhie l ten s ie sich den e inzigenLichtbl ick

,der ihn en gebl ieben war, die Hoffn un g auf

ein e bessere Zukun ft, wie sie ihnen durch ihre Prophe tenvon Gott ve rheißen worden war. Und wenn sie glaubten ,ih re Marte rn n icht mehr e rtragen zu können, da sahihre von diesen schönen Zukunftsbilde rn übe rre izte

A lso auch hier ein Gottesgericht.S . den Abschnitt : Verspottung .

_ 30 _

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HERZOG VON BURGUND .

Phan tasie den Retter erscheinen und ihrer Not ein Endemachen . Eine solche Ze it war es

,da

den Juden der

ganzen We l t in der Pe rson des Sabbatai Zewi , des

Mann es aus Smyrn a, der Messias gekomm en schien, und

ein e v ie l ärgere für di e Juden in Deutschland,da sie

fünf Jahrzehn te vorher den Messias in Gedanken und

Wort herbeiséhn ten .

l)

Die ser Stimmung der Juden bemächtigten sich nun

die christlichen Dichter in ihren We rken , um di e re l igiöseSage vom An tichrist m it der dama l s bestehendenGedankenwe l t der Juden zu verquicken . Der Spaß in

diesen Fastnachtspielen kam nur auf Kosten der Judenund. ihre r trüge rischen Hoffn ungen zur Ge l tung, un d. sohatten die Juden zum Schaden n och den Spott . Daß

der Dich ter der Fastnachtspiele in die Gedanken der

Juden e ingeweiht war,geh t schon daraus hervor, daß

er den Messias im eben besprochen en Stücke, dem

„Herzog von Burgund“

,auf die Frage des Herzogs

,

warum er sich für den Messias ausgebe,sagen läßt : Wir

haben 1400 Jah re von den Christen die größten Übe lge l itten und hätten n och vie l mehr ge l itten , wenn sie

wüßten, we lchen Haß wir gegen sie hegen und. wievie l

1

) Die ganze Zeit vor und nach der R eformation war vol lsolcher Phantastereien , deren Anhanger nicht al lein die Juden waren .

So predigte 1528 der Kürschner A ugus t Bader, ein Wiedertäufer,daß di e Türken alle geistliche und we ltliche Obrigkeit zerstörenwerden , dann werde ein neues R eich aus Christen ,

Juden , Heidenund Türken entstehen . I n diesem R eiche werde er, A ugust Bader,der Prophet

‚ein König werden

,nach ihm sein junger S ohn und

also seine Nachkommen für und für, die sol lten herrschen auf

dem Erdreiche tausend Jahre : ein jeder werde nach den 12 Stämmen

Israe ls 12 Diener haben , im übrigen aber sol l al les gemeinsam seinund jedermann arbeiten . Schon wurden für den Propheten die

königlichen Insignien ange fertigt und mehrere Juden aus Worms,

Leigheim und Gunstburg in den Plan eingeweiht, als er in einerVersamm lung ergriffen und hingerichtet wurde .

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DISKUSS ION Ü B ER DAS JUDENTUM . JUDENFRAGE.

Kindlein wir ihnen gestohlen und getotet haben, wie wirun s m it deren keuschem Blute röteten

,die wir den Christen

entfüh rten zur Schmach der j ährlichen G eburt Jesu .

1)Der Dichter ste l l t die Sache so dar, als ob einer

von den Juden sich desha lb , we il sie die Ankun ft desMessias n icht mehr erwarten konn ten

,a ls solchen ver

kleidete und für sich daraus Vorteil ziehen wol lte .

Doch wahrend er in diesem Stücke en tlarvt wird, ble ibter der Messias in des

„E n t c ri s t F a s t n a c h t“ und

tritt offen gegen Jesus auf. Er tut Wunder,und al le

,

Kaiser sowohl wie Pfaffen , schl ießen sich ihm an .

Die Juden,die ihm sofort Gefolgschaf t leisten , bitten

ihn, er möge ihn en die Macht geben , we l che sie seit der

Zerstörung Jerusalems nicht mehr gehabt haben . S ie wirdihnen verheißen , und hohnend sprechen sie zu den Christen :Jesus Christus euer Gott

,hat mit euch getrieben sein en

Spott, er war ein rechter Trügner. Der E ntechrist istder richtige Gott, wir reden es ohne al len Haß

,er ist

unser Messias . Das bleibt er auch bis zum Ende desStückes . So gibt der Dichter di esmal den Juden wenigsten s im Fastnachtspiele di e Macht in die Hände und

läß t den An tichrist s ich tüchtig austol len . Zum Schl ußsche in t ihm dieses Tre iben doch etwas bedenkl ich, und

er en tschuldigt sich : Herr Wirt, habt unsern Schim pfvergut ! Wir haben gehabt e inen guten Muth . Ob wirden Schimpf beten zu vil gethan , so söllt ihr’s uns nit

veriibe l han .

2)

1) E in Hinweis auf’s Blutmarchen ,

wie wir ihn noch oftfinden werden . Natürlich war damit eine noch größere Aufreizunggegen die Juden bezweckt.

Übrigens ein auch bei anderen Fas tnachtspielen sich vorfindender typischer Schluß . An diese Fas tnachtspiele , welche dieVerspottung der j üdischen Hoffnungen stark hervortreten las sen ,

also damit schon ins nächste Kapite l reichen , schließt sich eineauch auf die S ehnsucht der Juden nach dem Messias anspie lendeSage vom

„J ud e n m e s s i a s

“,die ich im nächsten Kapite l behandle.

_ 32 _

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ENTCRIST FASTNACHT . ZUSAMMENFASSUNG .

W e n n wi r di e p o e t i s c h e n D i s k u s s i o n e n ,d i e

g e i s t l i c h e n u n d w e l t l ic h e n , z u s amm e n f a s s e n db e s p r e c h e n ,

s o f i n d e n w i r ü b e r a l l d i e B e t o n u n gd e s c h r i s t l i c h e n G l a u b e n s g e g e n u b e r d em jü d is c h e n

,f a s t d u r c hg e h e n d s a u c h zum S c h l u ß d e n

S i e g d e s C h r i s t e n , d e r d u r c h d i e Ta u f e d e r

J u d e n ä uß e r l i c h g e z e i g t w i r d. Di e j üd i s ch eR e l i g i o n w i rd a l s l ä c h e r l i c h u n d f a l s c h h i n g es t e l l t

,s e l t e n , s o im H e r z o g v o n B u rg u n d, w i r d

a u c h d i e S c h l e c h t i g k e i t d e r J u d e n e rw a h n t . I n

e rn s t e n un d h e i t e r e n D i s k u s s i on e n ,im g e i s t l i

c h e n u n d w e l t l i c h e n S p i e l e f e i e r t d a s C h r i s t e ntum s e i n e T r i um p h e , m e n s c h l i c h e s K ö n n e n ,

u n d

w e n n e s n ö t i g i s t,g ö t t l i c h e s E i n g r e i f e n m uß

h e r h a l t e n,

um d i e U e b e rl eg e n h e it d e r K i r c h eg e g e n ü b e r d e r Syn ag o g e z u b ew e i s e n . D i e B i b e l ,d i e P r o p h e te n , Sy b i l l a t r e t e n g e g e n J u d e n un d

Jud'

e n t um a u f. D o c h i s t d a s w i s s e n s c h a f t l i c h eG e s c h ü t z o f t f a l s c h

, u n d j ü d i s c h e.G l a u b e n s

s a c h e n s in d v e r ä n d e r t un d e n t s t e l l t w i e d e rg e

g e b e n . We r s i c h n i c h t ü b e r z e u g e n l äß t , f ä l l td e r ewi g e n V e r d amm n i s a n h e im l

). Uebe r die Wirkung der Auffüh rungen auf die Chr isten habe ich schon

gesprochen . H o h n u n d S p o t t war noch das Mildeste,

was den Juden daraus e rwuchs . Und al s diese Diskussions-Stücke aus der Mode kamen , fand man andereMitte l und Dichtungsgattungen , in denen man den Judenl ä c h e r l i c h machte .

Bei Moscherosch (Philander infernal is Schluß) werdenKaiphas und Judas erst in der Höl le überzeugt und jammern nun

über ihr Schicksal , die Plagen , welche sie in der Hölle erduldenmüssen ,

und denen s ie nicht ausgesetzt worden wären , wenn sie

rechtzeitig den Messias erkannt hätten .

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DISKUSS ION Ü BER DAS JUDENTUM . JUDENFRAGE .

Kindlein wir ihn en gestoh len und getotet haben, wie wirun s m it deren keuschem Blute röteten , die wir den Ch ris tenentfüh rten zur Schmach der jährlichen Geburt Jesu .

1)

Der Dichter ste ll t die Sache so dar, als ob ein ervon den Juden sich deshalb , weil sie die Ankun ft desMessias n icht mehr e rwarten konn ten

,al s solchen ver

kleidete und für sich daraus Vorteil ziehen wol lte .

Doch wahrend er in diesem Stücke entlarvt wird,ble ibt

er der Messias in des„E n t c ri s t F a s t n a c h t“ und

tritt offen gegen Jesus auf. Er tut Wunder,und al le,

Kaiser sowohl wie Pfaffen, schl ießen sich ihm an .

Die Juden,die ihm sofort Gefolgschaf t leisten , bitte n

ihn, er möge ihn en die Macht geben , we lche sie seit der

Zerstörung Jerusal ems n icht mehr gehabt haben . Sie wirdihnen verheißen , und hohnend sprechen sie zu den Christen :Jesus Ch ristus euer Gott

,hat mit euch getrieben sein en

Spott,er war ein rechte r Trugner. Der E ntechrist ist

der richtig e Gott, wir reden es ohne a l len Haß,er ist

unser Messias . Das ble ibt er auch bis zum Ende desStückes . So gibt der Dichte r di esmal den Juden wenigsten s im Fa stnachtspiele di e Macht in die Hände un d

läß t den Antichrist s ich tüchtig austo l len . Zum Schl ußsche in t ihm dieses Tre iben doch etwas bedenkl ich, und

er en tschuldigt sich : Herr Wirt, habt unsern Schimpfvergut ! Wir haben gehabt e inen guten Muth . Ob wirden Schimpf beten zu vil gethan , so söllt ihr’s uns nit

verübe l han .

2)

1) E in Hinweis auf’s Blutmarchen , wie wir ihn n och oft

finden werden . Natürlich war damit eine noch größere Au freizunggegen die Juden bezweckt.

Ü brigens ein auch bei anderen Fas tnachtspielen sich vorfindender typischer Schluß . An diese Fas tnachtspiele , wel ch e dieVerspottung der j üdischen Hoffnungen stark hervortreten las sen ,

als o damit schon in s nächste Kapite l reichen ,schließt sich eine

auch auf die Sehnsucht der Juden nach dem Messias anspie lendeSage vom

„J ud e nm e s s i a s

“,die ich im nächsten Kapitel behandle .

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3 . Prosa-Streitfragen über das judentum.

Die eben besprochenen poetischen Diskussionenzwischen Juden und Ch risten hatten vor al lem den Zweck

,

den Ch risten den Vorzug ihres Glauben s gegen über demj üdischen zu zeigen und die Juden in ihrem Glaubenlächerlich zu machen . Erst in letzte r Lin ie konn te dieAbsicht damit verbunden sein , Juden se lbst zu bekehren .

Da s war schon in folge der dama l igen Ve rhältn isse schwermoglich . Den n im

'

1 5 . und 1 6 . Jahrhundert war es ein e

grosse Se l tenheit, wenn ein oder der andere Jude an den

Aufführungen teil nahm oder auf andere We ise zurKenn tni s der Spiele kam . So blieben die Juden diesenchristl ichen Ein flüssen schon deshalb fremd

,weil sie jeder

Berüh rung in Sprache und Denk ungsart,in örtl icher ,

wi rtschaftl icher und ge istiger Beziehung m it ihren andersgläubigen Nachbarn en tbehrten . Und darnach war auch dieAbsicht, die Juden durch diese Diskussionen zur Taufe zubewegen, wenn sie überhaupt existie rte, von vornhereinre in theoretisch . Ganz anders verhält e s sich da abe r mitden p r o s a i s c h e n D i s k u s s i o n e n und S t r e i t s c h r i f t e n .

Zu diesen mußten die Juden n otgedrungen schon des

halb Ste l lung nehmen, weil sie sehr oft durch sie in

le tzter Lin ie an ihrem e igenen Leib und Gut bedrohtWaren

,denn e s ist ja bekann t aus der Ge schichte dieser

Ze iten,die in diesem Punkte bei al len Völkern Asha

liehkeiten aufweist, daß die Juden , wenn sie den ge

lehrten und unge lehrten An schuldigungen (denn d a swaren in letztem Zie le die Stre itschriften) n icht ba ldein e Spitze boten, zum öfteren dem \Vutausbruch des

.Pobe ls un te rlagen , das di e An schuldigungen, aufgestache l t durch Pfarrer und HetzaposteP), nur zu ge rnfü r bare Mün ze nahm . Worüber wurde da n icht a l les

E in solcher Hetzpries ter wird unter anderen erwähnt indem Volks lied der Juden zu R egensburg .

_ 34 _

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REUCH LIN-PFEFFERKORN .

gestü tten und was al les den Juden zur Last ge legt !Wir werden im Verlaufe diese r Arbe it sehen , wessen di edeutschen Dichter di e Juden beschuldigten, h ier könn enwir nur diejen igen Vorwürfe in Betrach t ziehen , die sichauf ihren G l a ub e n u n d d i e B ü c h e r i h r e s G l a u b e n sbeziehen . Be son de rs der Talmud ist zu wiederholtenm alen

der Angriffspunkt der Ch risten gewesenl) . I n di eser

Zeit der gährenden Re l igion skämpfe, wo die katholischeK irche wankte

,glaubte m an der al lgemeinen Zersetzung

dam it Einhalt tun zu könn en , daß man di e Aufm erksamkeitauf die Juden lenkt e . Besonders ge taufte Juden gefie len sichin dem Kampfe gegen’

das Judentum . E in getaufter Judewar es, der den großen Stre it für und wide r das Judentum anze tte l te . Es war Jchann Pfefferkornä. DieserMann

,ein Werkzeug der Dominikan er, verlangte in sein er

e rsten Schrift, „Der Juden spiege l“ (1 507) vor al lem die

Wegn ahme der Bücher der Juden , um sie so zum

Christen tum zu bekehr en . Auch in seine r„Judenb eiehte“

und im „Juden feind“ überschütte t er die Juden m it Hohnund Ve rachtun g. Da trat R e u c h l i n gegen ihn auf.Reuchlin s Beziehungen zum j üdischen Schrifttum l iegen vorallem darin , daß er der e rs te christl iche Ge lehrte war, ders ich in Deutschl and di e genaue Ken ntnis der h e b r ä i s c h e nSprache an e ignete . Seit Reuch lin hat jeder größere deutsche

1

) Über die Verspottung des Talmuds s . Verspottung. Es

kam übrigens auch vor, daß man den Talmud als Beweismittel fürd ie Christen benützte . So ist die große Disputation zu Tortosa zu

dem Zwecke einberufen werden ,um aus dem Talmud zu beweisen ,

daß der Mess ias bereits erschienen sei und in Jesus seine Verkör

perung gefunden habe.

Über den Streit Pfefferkorn-R euchl in ist von j üdischerSeite des öfte ren geschrieben we rden , so daß ich es nicht nötighabe , die einzelnen Phasen genau hervorzuheben . I ch werde michdesha l b darauf beschränken , mehr das literarische Moment zu be

tonen . Im übrigen s . Grätz, Geschichte der Juden Bd. 9 , L. G e i g e r,

Reuehlins Leben und Werke.

3 5

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D ISKUSSION Ü BER DAS jUDENTUM. JUDENFRAGE .

Dichte r in grosserem oder ge ringerem Maße a u s d em

G e i s t e d i e s e r S p ra c h e g e s c h ö p f t. Durch die Bekanntschaf t m it dem j üdischen Leibarzte Friedrichs III . ,

Jak ob ben Jechie l Loan s , war es ihm mögl ich, s ich gründ

lich i n die Sch riften diese r Sprache einweih en zu lassen l .)Er wurde der Lehrer der anderen . Die bedeutend

sten Männ e r se ine r Zeit wie Erasmu s von Rotte rdamund Hutten waren sein e Schüler in einer Sprache

,we lche

da s verhaßte Volk der Juden redete, ke in Wunder, das ss ich gegen ihn

,der m it der Sprache auch da s In teresse für

die Juden verbre itete,der Haß der Dunkelmanner rich

te te . Nich t daß er vie l le icht über die Juden , wen igstensan fangs (1 505) e ine von den anderen Männern dieser Zeitabwe ichende An sicht hatte , auch in se inen Augen warensie zumeist die \Vucherer ‘

ö, doch sah er auch mit e inem fürdie damal ige Zeit sta un en swe rten Freiblick die Ursachediese s Gewe rbes

,d ie er auf die Engherzigke it der Christen

zurückführte . Unzähligen An fe indungen wurde er dafürausgesetzt. Schon daß er sich der Un te rwe isung e inigerJuden bedien t hatte, wurde ihm von den Dominikanernübe l ausge legt ; daß er das judische Schrifttum gegenPfefferkorn 3) und seinen Anhang verteidigte, wurde ihmals Judenbegun stigung vorgeworfen . Als er aber in e inem

1

) Die Frucht dieser Kenntnis und seiner Studien waren dierudimen ta hebraica

,ein vol lständiges Lehrgebäude der hebräischen

S prache , Grammatik und Wörterbuch . S ein Verdienst liegt darin ,

daß er nicht auf die Vu lgata oder die Kirchenväter zurückgeht ,sondern den Urtext selbst als Grundlage für sein Werk benützt.So baute er sein Werk frei von al len I rrtümern der Ü bersetzungen auf .

2) S . Doctor J . R euch lins tütsch missive , warumb die juden

so lang im e l lend sind .

8) P f e f f e r k o rn wird sowoh l von seinen Freunden , den

Dominikanern,als auch von R euchl in sehr schlecht behandelt;

Re uch lin spricht von ihm a ls dem wahn sinnigen und verderbten

Menschen , dem Halbjuden zu Köln (S emijudreus), der den Judenmeh r genutzt habe a ls all e ihre Bücher, der in lateinischerS prache durchaus nichts verstehe (epp. il l . vir. v. 3 b) . R euchlin

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REUCH LIN-PFEFFERKORN .

Werke 1) gar den Ausspruch tat, daß er die Rel igion derJuden

für die re in e Gottesve rehrung halte, kannte derHaß der Dunkelmann er gegen ihn ke ine Grenzen . Man

wol lte ihn dadurch am empfindl ichsten treffen , daß

man gegen die hebräischen Bücher auftrat. So ver

langte Pfefferkorn , der als getaufter Jude die Ken ntn isdes Hebräischen besaß

, di e Kon fiskation der hebrä

ischen Bücher ?) Reuch l in anwortete im„Augen spiege l“

ist auch nicht überzeugt von seiner christlichen Gesinnun g und

warnte ihn 1509 , anders zu scheinen al s er im Innern sei.

(Augenspiegel B l . XXXIX .)N och andere getaufte Juden traten in dieser Zeit gegen das

Judentum auf. So veröffentlichte P e t ru s N ig e r = Peter Schwarz,der auch Disputationen m it den Juden in R egensburg, Frankfurtund Worms hielt, in deutscher Sprache den „

Stern Mes sias“. DiesesBuch behandelt die Dreiein igkeit, die Menschwerdung Christi , dieschon erfolgte Erscheinun g des Messias , die Verwerfung des Messiasdurch die Juden u . s . w . Auch hier ist die Tendenz : Überzeugungder Juden . Auch V i cto r vo n Kar b e n stel lt sein Wissen , das er

sich als Jude angeeignet hatte , in den Dienst der K irche. Er schreibt,wahrschein lich erst durch Pfefferkorn veran laßt, mehrere Büchergegen die Juden

, von denen ich das in deutscher Sprache verfaßteBuch erwahne :

„Wie Herr Victor v. Karben , welcher ein R abbi

der Juden gewesen ist, zu christlichem G lauben kommen ,weiters

findet man darinnen eine köstliche Disputatz eines gelehrtenChrist en und eines ge lehrten Juden , darin al le Irrtümer der Judendurch ihre eigene Schrift aufgelöst werden .

“(Zeitschrift für historische

Theo logiede verbo mirifico

2) Der Kampf gegen die hebräische Sprache wird in den

ep . obs . vir. verlacht. So gibt Petr. Lapp . saerae Pagiginae Licentiatus folgende Gründe dagegen an :

„Et si dicunt (Reuch lin et esteri)

quod sciant literas Graecas et Hebraicas , habetis respondere , quod talesliterae non curantur a Theologie. ! uia sacra scriptura sufficien ter

est trans lata, et non indigemus ali is translation ibus . Et potius non

debemus discere ta les literas propter despectum J u d a e o rum et

Graecorum ; quia Judaei viden tes quod discimus suas literas , dicuntEcce Christiani discun t nostras scientias ‚ et sine i l lis non possun t

fidem suam defendere , et sit magna verecundia Christian is'

, et

Judaei fortificunt se in sua fide“

3 7

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DISKUSS ION Ü BER DAS JUDENTUM . JUDENFRAGE .

(1 5 1 1 ) auf diese Angriffe . Er wendet sich an al lewe lche wess Standes , Ste l lung und Würde auch immer,die Wahrhe it l ieben ,

und Lugen , tückische, hinterhältigeAusfäl le

, wie s ie sich Pfefferkorn in se iner La s terschriftgegen ihn e rlaubt hat, aus dem Grunde hassen“. Hiergeh t er mit Pfeffe rkorn und se inem christl ichen Anhangaufs schärfste ins Gericht. Sein ganzes weite res Lebenist angefül l t mit Kämpfen gegen die K ö lner l ). Auf

sein er Seite steht die In te l lig enz Deutschlands, so Huttenund Crotus, der Ve rfasser der D u n k e lm ä n n e r b r i e f e .

Diese sind wohl, obzwar in late in ischer Sprache ge

schrieben , die wichtig ste l ite rarische Frucht dieses Streite s .Ganz Deutschland lach te über diese Briefe , in denen dierückschrittliche Gesin nung der Kämpfer gegen die Judenverspottet wird .

Nur den Inhalt e ines Briefes will ich wiedergeben ,da er die An sicht dieser Leute über das Judentum ausdrückt

, wie sie ihnen von den H um a n i s t e n in den

Mund ge legt wurde . Der Magister Johannes Pellifex er

zählt, dass er neul ich mi t e inem jungen Theologen zur

Zeit der Frankfurter Messe a n zwe i anständig aussehendenMänne r vorübergegangen sei, we lche schwarze Röckeund K aputze mit Mönchshüllen getragen hätten , sodaß er sie fur Geistl iche gehalten habe, vor ihnenReve ren z gemacht und das Barett gezogen habe . Se inBegleite r habe ihn aber darauf zu se inem Entsetzenaufmerksam gemacht, daß es Juden gewesen se ien , und

daß er damit eine Todsünde begangen habe, weil es an

Götzendienst stre ife und gegen da s erste Gebot verstoße .

Denn wenn e in Christ e inem Jude Ehren erwe ise,

1

) Jahrelang wurden Prozesse gefurt, zu Worms , zu Mainz ,zu S peier, bis nach Rom ging man . I ch beschränke mich darau f ,d ie Tatsache zu betonen , daß von 15 10—17 ganz DeutschlandSte l lung nahm zu einem Streite , der Angriffe und Verteidigungdes j üdischen Schrifttums behande lte.

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EPISTULAE OBSCURORUM VIRORUM.

handl e er gegen da s Christen tum und scheine se lbst ein

Jude zu se in, und di e Juden wurden sich rühmen , sie

seien m ehr als die Christen und nur in ihrem Unglaubenbestärkt werden 1). Deshalb riet der jun ge Geistl iche demMagister Pellifex,

seinen Fall vor dem Offizial zu

be ichten,we il er bei genauer Betrachtung die Juden

unbedingt am“

ge lben R ade des Kleides hätte erkennenmüssen ?) Pellifex richtet nun an O rtuin Gratin s die Frage

,

ob er e ine Todsünde begangen habe und dieser Fall vorden Bischof ode r gar vor den Papst gehöre . Auch druckter seine Em pörung darüber aus, daß die FrankfurterJuden diese lbe Tracht wi e “

die Doktoren der heil igenTheologie tragen 3).

Nichts konn te besser die Erbärmlichkeit der Theologen geißeln , a l s di eser Bri ef e s tut

,der den Ern st

,

m it dem solche kl e inliche und lächerliche Fragen be

hande l t werden,verspottet.

Fast hätten bei dieser heftigen Fehde von Christenfur und gegen das Juden tum beide Tei le auf die Judenvergessen und auf die Tenden z, we lche in allen Diskussich en , poetischen und prosaischen , judenfreundl iehenund j uden fe indlichen

,immer a ls letzter Zweck hervortritt

,

die Absicht n äml ich, die Juden zum Chr istentum zu

bekeh ren ich sage fast, denn es wäre un richtig zu

behaupten , daß dies in der Tat geschah . N ie haben die

katholischen Orden davon abge lassen , se lbst gegen den

Willen der Juden Proselyten zu und. auch

1) S . das vorige Zitat aus d . epist. obs . vir. unum '

giluum

e irculum ante in pallio.

3

) quod cives permittunt , Judaeos incederein habitu magistrorum n ostrorum . Mihi videtur, quod non est reetum et es t magnum scandalum ,

quod non es t differentia interJudaeo s et magistros nostros , etiam es t una

'

. derisio sacrosanctae

Theologiae. (I I . Brief) .Gustav F re y ta g sagt in den

„Bildern aus deutscher Ver

gangenheit“ bei Bes prechung dieser Periode (I I I . S . 392 ff) : N ur

ein Geschl echt, zäher und hartnäckiger a ls die Husitensohne und

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DISKUSS ION Ü BER DAS JUDENTUM JUDEN FRAGE .

R euchlin s erste r und letzte r Gedanke in bezug aufs Judentum bewegt sich in dieser Rich tung. I n seine r erstenSchrift (1505) „

warumb die Juden im e l lend sind“

beton t er, „dass man m it den Juden

,die 1300 j ahr in

der Ve rban nung leben , Rücksicht haben müsse und s ie

mit Sanftmut und Milde b e k e h r e, wan sye Jhesuh al s

den rech ten M e ssias e rkennen , so würdt a l l i r sach guthie in diser we l t und dort ewiglichen amen“. Auch n achdem Streit mit Pfefferkorn hat er diese Hoffnung nichtaufgegeben .

Sein großer Nachfolger im Stre it mit der KircheMa r t i n L u t h e r predigt dasse lbe Lied l ). I n der Schrift

„D a s s J e s u s e i n g e b o r e n e r J u d e s e i

“(1 523)

tritt er für ein plan vol le s Vorgehen gegen die Judenauf :

„Un sere Narren , die Papste , Bischof, Sophiste n un d

Mön che, die groben Ese l sköpfe, haben bishe r al so mitden Juden gefahren , das s wer ein gute r Christ wäregewesen, hatte wohl me cht ein Jude werden . Und wennich e in Jude gewesen wäre und hätte solche Tölpe l undKnebe l gesehen den christl ichen Glauben regieren und

lehren , so wäre ich ehe ein sau werden , denn ein Chris t.Denn sie haben m it Juden gehande lt als wären sie

H u n d e und n icht Men schen , haben n ichts m ehr kunntthun

,denn sie sche l ten und ihr Gut n ehmen , wenn man

sie ge tauft hat, ke in christl iche Lehre noch Leben hatman ihnen bewiesen , sundern nur der Papste rei und

Möncherei unte rworfen ich hoffe wenn ma n mitden Juden freundl ich hande l t und aus de r heiligenSchrift sie säuberl ich un te rwe iset, es sol lten ih rer vielrechte Christen werden“. Diese lbe An sicht spricht er

die mäh rischen Bruder reizte die Bekehrungs lust des Ordens (Jesu)ohne Au fhören , das waren die J u d e n .

Im S treite Pfe fferkorn—R euchlin steht Luther auf SeiteR e uch l ins . Einen Brief an S palatin (15 14) schl ießt er mit den

Worten : vale s tora pro me et o rem u s p r o Ca p n io n e .

_ 40 _

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D ISKUSSION Ü BER DAS JUDENTUM . JUDENFRAGE.

das s er den erw arteten Massenübertritt von Juden zum

Prote stan tismus n icht durchsetzen kann , zu den heftigstenund ungerechtfertigsten Angriff en auf die Juden . Damithat er übe rhaupt das Gebiet der Diskussion und Sachl ichkeit verlassen , er wiede rholt den alten Vorwurf gegensie , den wir n och oft finden werden , das s die Judenden Chr isten übe l gesinnt se ien und Böses an tun wolltenund schließt sich den Ausfäl len gegen di e Juden an die

wir in den Dichtungen dieser Zeit überal l an treffen ,und deren Besprechung wir uns im n ächsten Kapite lzuwenden .

Mit Luthe r endigen die Stre itigke iten und Diskussion en der Dichter für und wide r das Judentum . Die

poetischen Bestrebungen , die Juden zu Christen zumachen das Charakteristikon dieser Diskussionenhören auf, di e ve rgeblichen Versuehe en tmutigten die

Dichte r. Auch war nach dem Auftreten Luthers das

christlich e Deutschland durch die Reformation in zwe iLager geteilt

,die genug damit zu tun hatten , sich gegen

se itig zu befehden . Die Juden wurden al s ketzerischesVolk betrachtet, das man nur n och beschimpfte und

verhöh nte . Da man se inen Zweck n icht erreichen konn te ,so übergoß man die Juden und das Judentum m it der

ga nzen Lange des Spottes, den die Dichter zur Verfügunghatten , um sie v e rä c h t l i c h u n d l ä c h e r l i c h zu machen .

Was man zeitweilig schon in den Diskussion sdramen

begonnen hatte, setzte man jetzt in anderem Gewandee ifrig fort .

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VERSPO TTUNG UND SCHMAHUNO DER

JUDEN UND DES JUDENTUMS .

Daß man keine Ge legenhe it im Leben der deutschenJuden außeracht l ieß, um sie verächtlich zu machen , istbei ihrer Lage selbstverstandlich . Es war noch gut, wen nsich die Dichter über die Bräuche l ustig machten und

die Juden nur verspotteten . Hatte man sich vor allemin den Diskussionen bestrebt, den G l a u b e n der Judenal s fal s ch hinzuste l len und zu diesem Zwecke kein Mitte lunversucht ge lassen , so verfehlte man auch n icht, überK l e id u n g, A u f t r e t e n u n d G e b r ä u c h e bei dieser Gelegenheit herzufal len . Man zwang die Juden des Mitte lal te rs e ine eigen e Tracht anzulegen . Das h inderte die

Dichte r aber n icht, über diese aufgezwungen e Tracht zuspotten . I n fast a l len Passionspie len trägt die Synagoge alsVertrete rin der Judenhe it e ine besondere Kle idung, baldschwarz , bald ge lb . Im Donaueschinger Spie l ist dieTracht n icht angegeben , dafür abe r di e Vorschrift , daßdie Synagoge j üdisch gek le idet se in musse . S e b a s t i anBr a u t schimpft übe r

„den j üdisch syt“ und sagt (Nar

renschiff S . 7 )Das dut al l k leyder sindt vol fe l tRück, mente l , hembden und brust duchPantoffe l , styffe l, hosen , schuchWild kappen

,mente l umblauff dran

,

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES JUDENTUMS .

Der j ü d i s c h s y t Wil gan tz uff sta nKurtz , schäntlich und beschrotten röck

Das eyn e r kum den nahe] bdöck

Pfuch schand der tütschen nacion !

B r a u t me in t mit den R ücken„vol fe l t“ die zu

se iner Zeit aufgekommen e fal tenreiche K leidertracht.

Auch G e i l e r v . K a i s e r s b e rg sagt in sein en Predigtenübe rs N a rr e n s c h i f f

„Quid tandem de mantellis , qui

fimbriis juda ic i s in ora corundum s un t notati per omniasimiles depictis iud e o rum vestibus ?“ D ie hier geäuß erteAnsicht

,als ob die falten re ichen Män te l und Röcke

wirklich e ine j üdische Sitte gewesen wären 1), ist falsch .

Mit m ehr Recht kann man von einem spezifischjüdischen Ken nze ichen in der Tracht bei den

„J u d e n

r i n g l e in“ sprechen . Seit In nocenz HI . musste n die Judenin Frankre ich, Deutschland und Niederlanden goldeneRinge vorn e a n der Brust als Abzeichen tragen . Se it1 55 1 wurde auf das Tragen des Ringlein in Oeste rreichund Deutschland streng gesehen . F i s c h a r t2) nenn tdieses Abzeichen im Zusammenhang mit der Kle idunge in iger Monchsorden

„S ie haben auch e inen feinen Brauchda s sie an Kleide rn auff der brustE in ze ichen füren nur mit lust

g le ich wie die jü d e n R i n g l e i n tragen“

.

A yr e r schreibt genau vor, dass der Darste l ler der Judenfigur in j üdische r Tracht mit e inem Barett und einem

1

) Auch G u d em a n n (Erziehungswesen der Juden im Mitte lalte r Band I I I , S . 274) tritt dies er Anschauung der Dichter entgegen . B ra n t, dem das Aufkommen der langen Mänte l nich t wil lkommen war

,wol lte offenbar mit der Bezeichnung „

j üdischer syt“

nichts anderes als d ie Schl echtigkeit der Sache bezeichnen , ohnean eine direkte Beein flussung durch die Juden zu denken , etwa so

wie wir von einer„Teufelss itte

“ im sch lechten Sinne sprechen .

F i s ch a rt e d. Kurz. I . Dominici Leben S . 826 ff.

— 44

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BRANT . AYRER . JUDENRINGLEIN . JUDENGESANG .

l angen R ock bekleidet se in musse . Auch an den Ge

bärden sol lte man die Juden erkenn en. Sie sol len immerlebhaft, aufbrausend se in

!

. Im Al sfelder und Aug sburgerPassion spiel ist es vorgeschrieben , dass die Juden e inengrotesken Tanz um das Kreuz

,auf dem Christus hängt ,

aufführen . Zu be sonderen Verspottungen gab ihr GesangAn lass

,der sogenann te „

Judengesang“

. I n den Passionspie len fin det sich de s öfteren di e Angabe :

„Judwi can

tan te s ebraicum .

“ Im Luze rne r Oste rspie l„hoppen sie sin

gend beim Tanz um das goldene Kalb auf . ein em Beine .

Bei Anfertigung des golden en Kalbes lautet ihr Lied

Sind fröhlich,sind fröhlich all

,

dem nüwen Gott mit richem schall !I n cordi s m ambre j ubilo

,

Hebron , lehem ,l o, l o, lo.

Pate rn oster Pirentbitz,I n dem Namen Taberitz

,Taberitz und. I sack,

I sack und Abraham,Abraham und K ickrion

,

K ickrion und Schlachisschloss,

Schlachisschloss und schwin in Fleisch ,Tribt den Juden us den Schweiß .

Dieser Judeng esang ist also ein sinn l oses Wortgebilde von

hebräischen , griechischen, late in ischen Wörtern ve rmischtmit groben Witzen . I n der

„a l ten und n euen Ee“ singen

die Juden und„zwen j ung judenknaben hal te n das buch

dazu :„Adan bolan a asche r molach pethorem ,

Koll Jhezir n iffra bohot natha sa beHefizo kol asan i meloch scheinon ikrah

Das sol l ein j üdisches Morgengebet„Adaun aulom

“ se in,

aber es i st gan z verstümme l t und ve run sta lte t. Die Übersetzung dieses Gebetes, die der Rabbi gibt, l autet

Der herr,der ewiklieh regnirt,

E e, wann er al le dink formirt,

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES JUDENTUMS .

Der j ü d i s c h s y t Wil gan tz uff stanKurtz , schäntlich und beschrotten röck

Das eyner kum den nabe l bdöckPfuch schand der tütschen nacion !

B r a n t me int m it den Röcken„vol fe l t“ die zu

se iner Ze it aufgekommene fal ten re iche K leidertracht.

Auch G e i l e r v . K a i s e r s b e rg sagt in sein en Predigtenübers N a rr e n s c h i f f

„Quid tandem de mantellis

,qui

fimbriis juda ic i s in e ra corundum sun t notati per omn iasim iles depictis iud e o rum vestibus ?“ D ie hier geäuße rteAn sicht

,a l s ob die falten re ichen Män te l und Röcke

wirklich e ine j üdische Sitte gewesen wären l ) , ist falsch .

Mit mehr Recht kann man von e inem spezifischjüdischen Kennze ichen in der Tracht bei den

„J u d e n

r i n g l e i n“ sprechen . Seit I nnocenz III . mussten die Judenin Frankre ich , Deutschland und Niederlanden goldeneRinge vorn e a n der Brust als Abze ichen tragen . Se it1 55 1 wurde auf das Tragen des Ringle in in Oesterre ichund Deutsch lan d streng gesehen . F i s c h a r t‘ nenn tdieses Abze ichen im Zusammenhang mit der Kle idunge in iger Monchsorden

S ie haben auch e inen fe inen Brauchdas sie an Kle ide rn auff der brustE in ze ichen füren nur mi t lustgle ich wie die jü d e n R in g l e i n tragen“.

A yre r schreibt gen au vor, dass der Darste l ler der Judenfigur in j üdische r Tracht m it e inem Barett und e inem

Auch G u d em a n n (Erziehungswesen der Juden im Mittelal te r Band I I I , S . 274) tritt dies er Anschauung der Dichter entgeg en . B ra n t, dem das Aufkommen der lan gen Mänte l nich t wil lkommen war, wol lte offenbar m it der Bezeichnung „

j üdisch er syt“nichts anderes als d ie Schlechtigkeit der Sache bezeichnen , ohnean eine direkte Beein flussung durch die Juden zu denken , etwa so

wie wir von einer„Teufelss itte“ im schlechten Sinne sprechen .

1

) F i s ch a rt cd . Kurz. I . Dominici Leben S . 820 ff.

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BRANT. AYRER . ]UDENRINGLEIN . JUDENGESANG .

l angen Rock bekle idet se in musse . Auch an den Ge

bärden sollte man die Juden erkenn en’

. Sie sol len immerlebhaft , aufbrausend se in . Im Alsfelder und AugsburgerPassion spiel ist es vorgeschri eben , dass die Juden e inengrotesken Tan z um das Kreuz

,auf dem Ch ristus hängt ,

aufführen . Zu besonderen Verspottun gen gab ihr Gesan gAn lass

,der sogenann te „

Judengesang“

. I n den Passionspie len findet sich des öfteren die Angabe :

„Judaei can

tan te s ebraicum .

“ Im Luzerne r Oste rspie l„hoppen sie sin

gend beim Tanz um das goldene Kalb auf einem Beine .

Bei An fe rtigung des golden en Kalbes laute t ihr Lied

Sind fröhlich,sind frohl ich all,

dem nüwen Gott mit richem schal l !I n cordi s mambre j ubilo,Hebron

,lehem ,

le , 10, lo.Pate rn oster Pirentbitz,In dem Namen Taberitz

,Taberitz und I sack,

I sack und Abraham,Abraham und K ickrion

,

K ickri on und Schlachisschl oss,

Schlachisschloss und schwin in Fleisch,Tribt den Juden us den Schweiß .

Dieser Judengesang ist also ein sin n loses Wortgebil de von

hebräis chen , griechischen, late in ischen Wörtern ve rmischtmit groben Witzen . I n der

„alten und n euen Ee“ singen

die Juden und„zwen jung judenknaben hal ten das buch

dazu :„Adam bolan a ascher molach pethorem ,

K eil Jhezir n iffra bohot n athasa beHefizo kol asan i meloch scheinon ikrah

Das sol l e in jüdisches Morgengebet „Adana aulom“ se in ,

aber es ist gan z verstümme l t und vera nsta ltet. D ie Übersetzung dieses Gebetes, di e der Ra bbi gibt, l autet

Der he rr, der ewiklich regnirt,

E e, wann er al le dink formirt,

_ 45 _

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES JUDEN It

Was er und schuf fo rt himme l und erdenVon K onigen er genent ist we rden

Got, und herseht he ll,h ime l und erden .

Er ist gewest, ist und wirt werden,

Ein ein iger,n it zwifeltig, vernimm,

A llein di e s te rk und he rschaft im .

Vor im kein erste r wirt gedichtNoch au ch nach im kein laste r nichtEr mein erloser und mein got

,

Mein s te rk und hoffnung in der not,

I n an rufung in zu e rweichen,

Mein trost, me in leben und mein ze ichenMein schlaf und ru von ihn a ll fristDes gle ich m ein müe und ubung ist

,

Er leben und auch ste rben heist,

Des send ich in sein hand me in geist,

Und er setzt me ine r sel e in zil .Fort ich nimand mer furchten Wil .

(Fa stnachtspiel I .

D ie Übersetzung ist fast fehle rfrei und zeugtder Kenntnis des Hebräischen . Im H i m m e l f a h r t 3 1aus der Ste rzinger Sammlung lehrt der Archisynago«ein en Judenjüngling auf j üdisch be te n und gibt da ie ine Parodie des

„Vaterun ser“ und des Credo z

besten .

1) Doch bei allen diesen Verspottungen spria

der Jude imme r ein ko rrekte s Deutsch , ein Beweis, des einen Judenjargon in dieser Zeit n och nicht gab.

Un te r den Büchern der Juden war es vor allder T a lm u d , der von den Chris ten n icht verstandc

und de shalb als besonde rs gehäs sig und gefährlich hige ste llt wurde . Schon im 1 3 . Jahrhunde rt sagt dt

Dichte r H e l b l i n g von ihm :„ez war wol der in verbat

ketzerlichez t a lm u t , e in b u c h v a l s c h u n d un g en a em.

1

) Creizenach , Ges chichte des neueren Drama’s I . S . 247

2) v. 1 157 Haupt

,Zeitschr. f. d . A . Bd . IV. I I .

— 46

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VERSPO TTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES JUDENTUMS .

Was e r und schuf fort himme l und e rden .

Von K on igen er genent ist werdenGot

,und herseht he l l , hime l und e rden .

Er ist gewe st, ist und wirt werden,E in e in ige r

,nit zwifeltig, vern imm,

A ll ein die ste rk und he rschaft im .

Vor im ke in erste r wirt gedichtNoch auch nach im ke in laste r nichtEr me in erloser und me in got,Mein sterk und hoffn ung in der not,

I n anrufung in zu erwe ichen ,Mein trost, me in leben und mein zeichen

,

Me in schlaf und ru von ihn a ll fristDes gle ich m ein müe und ubung ist

,

Er leben und auch ste rben he ist,Des send ich in sein hand mein geist,U nd er setzt me iner sel ein zil .Fort ich a imand mer furchten wii .

(Fa stnachtspiel I .

Die Übersetzung ist fast fehl erfrei und zeugt von

der Kenntn is des Hebräischen . Im H imm e l f a hr t sp i e l

aus der S terzinger Samml ung lehr t der Ar chisynagoguse inen Judenjüngling auf j üdisch be te n und gibt dabe ie ine Parodie des

„Vaterun ser“ und des Credo zum

besten .

1) Doch bei al len diesen Verspottungen sprich t

der Jude imme r ein korrekte s Deutsch , ein Beweis, daßes e inen Judenjargon in dieser Ze it noch n icht gab .

Un ter den Büchern der Juden war es vor al lemder T a lm u d , der von den Christen n icht verstandenund deshalb al s besonders gehässig und gefährl ich hingeste l l t wurde . Schon im 18 . Jahrhundert sagt derDichte r H e l b l in g von ihm : ez war wol der in verbut i rke t zcrlichez t a lm u t, e in b u c h v a l s c h u n d un g e n a em

fi)

Creizenach ,Ges chichte des neueren Drama’s I . S . 245 .

v. 1 157 Haupt,Zeitschr. f. d . A . Bd . IV. I I .

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DER TALMUD

Ähn l ich sagt ein Ungenannter

B erda ist in abgrunde,

Gamaliel in Kündean t a l am o t di e vünde

die valschen vünde rouben

ir sinn e rehte s gelouben

Auch Folz klagt uber das„s ch e n t l i ch p u c h T a lm u t

un d Ra b i n a R a b i n a s c h e ?) Doch en twicke l t er e ine

für die damalig e Ze it staunen swerte Kenntn is der jüdischen Lite ratur bei Aufzählung der Bücher

,in di e der

Talmud eingete il t wird

Das erste Zoder K adoschim 3)Und he lt der heil igen ordnunge

Dariun sich uht die alt und j ungeUnd Scharim 4

) das an der puchDa man der Kreuter Kraft in sucht .Und Thahanats 5) das dritt puch istVon irer Re in igung

,das wist.

Das vierdt puch Zeder N esokim 6 )

Da man aus Scheden Urte il t in,

Das fünft Zeder mohe t vern empt .

Zeder Na schim hält die sechste stat.Da man der we ib ordn ung inn hat .Noch sind ir puche r ane za lRabi Racha, I sack , Smohel,

Judas,Alza und Naaman

,

Wahn, Schl ame, Symetan,

1

) V . d . Hagen , Minnesinger I I I . S . 481 . S . Gudemann ,a . a .

2

) I n der alten und neuen EB S . 7 . R abina R abinascheRabina, R abi Ascha, zw e i bedeutende Hebraisten , die um 500 n .

Ch . den Talmud beendigten .

8

) Se fer K odasch im , richtig das V . Buch .

4

) Serapm ,

richtig das I . B .

r’) Taharot, richtig das V I . B . Nes ikim ,

ist auch in der richtigen Einteilung das IV . B .

_ 47 _

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER ] UDEN U . DES JUDENTUMS .

Auch s ie den Targen fer bes tehen .

Das puch Preschitz und der prophete nElle Schamets und Malachim

,

hi ichle, Schemots , Hedabarim,

Wa ldaber und Waikra ,

Vehameleeh, Johaschuah,Auf we lchem sie beweren wollenUnd vor der christen schar erzellenDas man unbillich sie ve rsagAl s ir wert horen in irer clag.

1)

R e u c h l in sieht sich veranlaß t,die Angriffe gegen den

Talmud energisch zurückzuweisen :„D e r T a l m u d i s t

n i c h t d a r z u g e s c h a f f e n , d a s s j e d e r m a n m i t u n g ew a s ch e n e n f ü ß e n d a r ü b e r l a u ff u n d s a g, e r k än d s

a u c h Die weil nun ain so klein sinn iger Kopf nit

mag ergre ifen die he im l ichkeit e iniger Kunst und istdere nit würdig und verstat die ding anders dann sie an

se lber sind, wollten ihr raten , dass man sol liehe bücherve rbrennen se lte, darum dass sie ain ungelerter man n it

kändt verstehn . Ich glaube we l n a in “ !

Reichten den Dichtern die Gebrauche und Lehrender Juden zum Spotte n icht hin , so suchten sie Ge legenhe it, durch k om i s c h e S i t u a t i o n e n , in die sie die

Juden brachten, ode r durch Ver z e r r u n g d e s L e b e n sd e r J u d e n das Publikum zu unterhalten . Darin warendi e Dichte r groß . Bald werden zwe i verrückte Juden ,die an e iner Schnur festgebunden sind, auf die Bühne

1

) Einige Werter und Bezeichnungen sind nicht mehr ver

s tändlich . A lza A l la, Naaman Nachman , Wahn Wal es ,

Schl ame S a lomo , Symetan Simeon Targen Targumim ,

Preschitz Bereschi th ,E l le Schamets E le Schemoth , Malach im

Maleach i, Michle Mischle , Wa ldabar Wajedaber. Mit den

letzten Vers en verkundet der Herold , daß die Juden die Angriffegegen sie und ihre Büch er verteidigen wol len .

_ 48 _

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HERZOG VON BURGUND . SCHMÄHUNG .

gefuhrt1) bald trinken die Juden aus einem mit Wein

ge fül lten Kalbe, so im Alsfelder Passion spiel (v. 8278)

„bibun t ex cule vita l i“.

2) E in geradeso verabscheuu'

ngs

würdiger wie abstoßender Vorgang befindet sich im

„H e r z og vo n B u rg u n d“, we die Juden zur Strafe

gezwungen werden , von einer Sau zu trinken . D ie Ste l leist zu charakteristisch für die Behandlung der Juden inden Dichtungen dieser Ze it, als daß ich sie n icht imTexte wiede rgeben sol lte . Das Zita t lautet

„Ich sprich

,dass man vor al lem ding

Die a l lergrößte schwein smutter pringDarun te r sie sich schm iegen all

Saug jede r ein tutten mit schal l ;Der Messias l ig un te rm schwan tz !

Was ir enpfall, das so ll er gan tzZusammen in ein seeklein pinden

Und dann da sse zu e inem mal verschlinden .

“3)

Diese VerseWurden auf offener B uhn e un te r demBeifall des Narren und wohl auch dem des Publikum sgesprochen .

Im allgeme inen wurde der J u d e als die ve r

k ö rp e r te S c h l e c h t i g k e i t darge ste l l t, a l le s Böse der

S . Hans Sachs . Der teuffel nam ein alt weib zu der ehe ,

Liter. Verein Bd . 195 . S . 17 .

2

) Auf dense lben Gebrauch muß es sich auch beziehen , wenn151 1 das Kalb in der Synagoge mit fün f Maß Wein in Hal l beiInns bruck gefü l lt wird

,und wenn in Dresden bei der Johannis

prozession den Schülern Grosch en für ein Kalbs fe l l und ein

Fäßchen Bier bewil ligt wird. (Creizenach I . S . 205 . Anmerkung) .3

) Diese empörende Behand lung der Juden findet sich aus

dem altrhein ischen antiquarias näher besprechen und abgebildet inJ . Scheible

’s Schaltjahr (Stuttgart 1846) und neuerdings in Georg

Liebe ’s„Judentum in der deutschen Vergangenheit“. Das Bild selbst

war zu Frankfurt a ./M. am Brückentore zu sehen . E in ähnlichesgleich fal ls in Stein gehauenes Bild findet sich an der WittenbergerPfarrkirche.

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VERSPO'

I'

TUNG U . SCHMÄHUNG DER ] UDEN U . DES JUDENTUMS .

We l t ve re in igte sich im Juden und vereinigt en die

Dichte r in di esem Namen . So kam er se lbst in den

Ruf e i n e s Z a u b e r e r s . Luther sagt :„E in Jude steckt

so vol l Abgötte re i und Zaubere i al s neun Kühe Harehaben .

“ I n Wendunmuth findet sich e in e Erzähl ungübe r die

„Zaubere i der Juden“. Dort heißt es :

„Die

Juden haben ihre Zaube re i wie andere Teufe l sbeschwörer,mit dieser wol len sie die Chr isten betrügen . Ge l ingt es

ihnen , so kommen sie in Ehren,wo n icht

,so gilt’s ja

nur e inem Christen , an dem ihnen n ichts l iegt, d e n n s i e

a c h t e n e i n e n C h r i s t e n w i e e in e n H u n d. Dann bringtKirchhof eine Geschichte, in der die Zaubere i e inesJuden zun ichte wurde . Ein st kam ein Jude zu HerzogAlberi ch von Sachsen m it e in em Apfe l oder Knopf

, der

ein Amulett gegen Schuß sowie überhaupt gegen a lleBeschädigungen se in sol lte . Der Herzog führte den Judenvor’ s Tor und ve rsuch te zuerst an dem Juden se lbst dasMitte l . Es bewährte sich abe r ni cht, und der Jude wu rdegetö tet .

Aber so vie le Fehl er man den Juden vorwarf und

so sehr man auch über ihre n Glauben spotte te , e i n eTugend ließen ihnen die Dichte r doch , das ist dieg e t r e u e E i n h a l t un g i h r e r G e b o t e un d F e s t e .

1)

Darin waren sie sogar ein Mu s t e r u n d V o r b i ld f ü rd i e C h r i s t e n . Dichter und Prediger wiesen auf dieJuden hin

,die den Sabbath n ie entwe ihen würden .

B r a n t sagtD ie j uden spotten un ser ser,

Das wir dem fürtag dun t solch ere

G u s tav F r e i tag (Bilder aus deutscher Vergangenheit I I I .S . 892 ff) sagt bei Besprechung dieses Zeitraumes von den Juden„Durch Wa ffen , ! ua len ,

Gefängnis wurde ihn en (den Juden) dasChr is tentum aufgedrängt , in der R egel v e rg e b e n s . Kein streitbares Volk ha t heldenmütiger roher Gewa lt widerstanden als diese

Waffen losen . Die großartigste n Beispiele von beharrlichem Helden

mut werden selbst von christlichen Erzählern berichtet.

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BRAN'I' , PAUL I , SCHU PP, ABRAHAM a s . CLARA . FRÖMM IGKE ITDER JUDEN .

Den sie noch halten a lso styf f

Das ich sie n it jnns n arren schiffWollt setzen

,wann sie n it

_

a ll stunt

Sun st jrrten, wie eyn de uber hundt

(Narren schiff S .

Bei P a u l i 1) finde t sich die Erzäh lung, daß die

Juden e in en ihre r Glauben sgenossen , der am Sam stagdes Jah res 1 2 70 in e in en Abort gefal len war , deshalbn icht aus seiner unangenehmen Lage befre ien wol lten ,weil sie den Sabbath n icht en tweihen wollten . Darauszieht P a u l i di e Lehre für die Ch risten und meint, es

sei e in e Schande, daß die Christen ihren Sonn und

Fe ie rtag so wenig e inhal ten , während di e Juden strengeauf di e Feier des Sabbathes sehen

„so das die Juden

und Heiden sehen , so werden sie geärgert un d werdenn it Christen “. Auch B a l t h a s a r S c h u p p 2) zähl t die Ver

gehen auf, di e am Sonn tag begangen werden und fährtdann fo rt :

„We lcher Jude tut am Sabbath was hier

gesch ieht, Wenn manche r Jude konnte am Sabbath e in eRosenobe l durch Wucher un d Schachere i verdien en, er

wü rde es n icht tun“. Se lbst A b r a h am a S . C l a r a, gewißke in Freun d der Juden

,muß unte r gleichze itiger Be

schimpfung der Juden obschon dieses geldsüehtige

und wücherische Gesinde l die gan tze Woche hin durchschachert , hande lt, laufft, kaufft, wieder verkaufft , n egeciret, verin teressieret etc. etc.

“ doch zugeben , daß sie sich

„von al ler Schacherey und \Vuche rey auffs genaueste

entha l ten , ja n icht e inma l ein Ge ld anrühren , sobald nur

die Sterne auffgehen zu dem Sabbath“. Auch er ziehtdaraus die Sehluß folgerung, daß dieses Gebot, den Sabbathzu he il igen , n icht nur dem Volke Israe l vorgesch riebenwe rden ist, sonde rn auch „

dir,me in Christ, dir, merk es

1

) a . a . O. S . 240.

7) Die Feiertage (Predigt) S . Schrifften S . 234.

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER ] UDEN U . DES JUDENTUMS .

wohl , dir mein Handwercksmann ! Mein Kauf und Han

de lsmann ! Me in Amtman n ! Me in Burgersmann ! Mein

Haus-Patron . kommt, wischet eure schläffrige Glauben sAugen au s und leset das dritte Gebot

,we l ches heißt und

lautet : memen to,ut diem Sabbathi

Einen Abfall vom Glauben bestraften die Judenfurchterlich. Diesen Um stand e rfaßten di e Dichte r richtig.

Mi t den schreckl ichsten Flüchen belegt in d e r a l t e nu n d n e u e n E e der Rabbi seinen Glauben sgenossen

, der

zum Christen tum übe rtre ten wil l

„Bei Schirma, als ein Jud ich pin »

Und ziehen dich die Gaim hin

so wisse bei Hermuß das darzu ,dass ich den gemainen Fluch dir thu .

Dass Gott dir ewig sey vol l bassUnd dass die Tefer und die makass

Die Aura und maropot,

die Maschmaschmia und der TodDich vorankamen zu al lererstUnd dass du zu k a p e r a w e r s t.

Ahn lich fl ucht der Messias im H e r z o g von B u rgun d

„Dass euch die dru s, peulen und der rit (Fieber) erwurg

und Euch verschlint die ert“

.

Schon e ine der äl te sten deutschen Dichtungen ,

vie l leicht die älte ste, welche sich mit den Juden befaßt,behande l t das Thema , daß Juden die Taufe e i nes Kindesm it Gewalt hindern Und noch im Jahre 1694

e rschien e ine Schrift übe r„die man nhafte Beständigke it

des zwölfj äh rigen Knaben Simon Abele s, we lche er, um

den christlichen Glauben zu behaupten , an Tag gegeben ,da ih n Lazarus Abe les , se in j üdischer Vater, aus Haß

„Gehab Dich woh l“ 1706 -09 S . 55 u . 56 .

„Daz Judel“, Wiener Hs .

‚ 2696 , gedr. bei Hahn 129-184.

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VERSPO'

I'

TUNG U . SCHMÄHUNG DER ] UDEN U . DES

Von e ine r merkwürdigen Bekeh rung e ines Juden berichte tauch e in Me iste rgesang

„V o n e i n em Ma r i e n b i ld e“.

l)

E in Mann, der in große r Ge ldverlegenhe it ist, versetztse in letztes Gut, ein Marienbild an einen Juden . Ererhält dafür 80 Mark geborgt . Mit diesem Ge lde gehter in die Fremde , samme lt Re ichtümer, kann abe r wegeneines Sturmes auf hohe r See n icht zur festgesetztenFrist n ach Hause und muß so fürchten, daß das Bildverfa lle . I n se iner Angst fleht er zu Maria, die ihm auche rscheint, ihn tüchtig auszankt

,we il er das Bild ve rse tzt

habe , und ihm den R at gibt,er möge das Ge ld in den

Fluß werfen . Am Ve rfal l stage findet der Jude im Wassere inen Schrein mi t 80 Mark . Als nun der Kaufmannbei seiner Rückkehr das Bild ve rlangt , we igert sich der

Jude es auszufe lgen, bevor das gebe rgte Ge ld in se in emBesitze sei. Er e rklärt sich auch dazu bere it, vor dem Richterzu beschwe ren , daß er das Ge ld n icht e rhalten habe . I n

dem Augenbl icke aber, da er die Finger zum Schwur auf’sMarienbild legt, fangt das Bild an zu sprechen und erklärt

,

daß der Jude das Ge ld im Schre ine habe . Durch diesesWunder wird der Jude so ergriffen , daß er sich taufen läßt.

Auch J o h a n n D r a ko n i t e s, ein Prediger aus derMitte des 1 6 . Jahrhunderts, setzt sich in e in er Schriftan läß l ich der Taufe e ines Juden 2

) sehr für die Bekehrungderse lben e in . Trotz a l ledem herrschte unte r den Dich te rndas größte Mißtrauen gegen die Getauften ß

) Man warf

Der Stoff ist aus dem Maria le magnum , einer großenmi ttelalterl . Samm lung von Marien legenden , in d ie Beispie lsamm lungdes späteren M.

—A. übergegangen , und aus einer derse lben schöpfteder Dichter M ich e l M ü l l e r, ein Meistersänger aus dem An fangd . 16 . Jh . S . Goedeke u . Tittmann Schauspie le d . 16 . Jh .

„Liederbuch“.

Auch hier wie im „Jüdel

“ die Wirkung des Marienbildes .

2

) Von der Tauffe des Juden Gerson Mit W eib und Kindemzu Marpurg in Christum getauft 1545 . Doktor Joanne-3 Drakonites .

Bekannt ist ja , daß man s e lbst Pfefferkorn den Halbjuden„Semnudaeus

“ bei jeder Gelegenheit vorwarf. Selbst Reuchlin und

der Verfas ser der Epis tulae ebsc. vir. taten das .

_ 54 _

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D ICHTUNGEN GEGEN DI E TAU FE DER JUDEN .

ihn en un laute re Absichten vor und glaubte se lbst n ichtdaran, daß die Kraft des kirchlichen Glauben s sie wirklich uberzeugen kön nte . So freuen sich im Fastnachtspie le 1) die Übergetreten en schon auf die guten Schwe inswürste , die sie jetzt werden essen könn en, und

„der

taüfte Jud“ wird geradeso wie der ungetaufte verlacht.Am meisten wettert K i r c h h o f gegen die Juden , we lchesich taufen lassen . Er weiß n icht genug Beispie le von

der Schlechtigkeit und dem Betrüge solcher Leute zu

erzähl en . Er gibt in verschiedenen Erzäh l ungen die

Gründe an , we lche e in en Juden zur Taufe führen . Der

e ine Jude will sich taufen lassen , nachdem er die

greuliche Wirtschaft in R om ge sehen hat. Jetzt will er

den Christengott gerne anbeten , denn er ist m ehr denn

gütig un d gedul dig . Kann er solche Bübere i und Schandezu R om dul den, so wird er auch a ll e andere Schalkheitund Untugen d derWe lt übersehen . E in an derer Jude 3)geht zu ein em Pfarrer und. teilt ihm mit, daß er getauftwerden wolle . D er Pfarrer ist dazu bere it und veransta lte t am Vorabend der Taufe ein großes Festessen .

Der Jude aber stiehl t die silbern en Becher weg und

l äß t die Taufe„bis auf weite res“ auf sich beruhen :

„Mein stu

,daß er den Glauben sucht ? Den er doch und

un s al le verflucht, Morgen s und Abends, und das täglichSaugt a n all en , das un s ist b eheglich

“. An einer anderen

Ste l le 4) wil l Kirchhof zeigen, daß der Getaufte innerlich

1

) Herzog von Burgund . S . den vorigen Abschnitt .Wendunmuth I I I . S . 188 . Ausgabe des lite r. Ver. Hier

tritt auch der Haß Kirchhof’s gegen R om zutage .

3) „Listige dieberey eines Juden“. Wendunmuth I I . S . 287

(Stuck

„Juden bekehrung“ IV . 280 (Liter. Verein Bd . I I I . S .

I n einer Anmerkung wenigstens wil l ich erwähnen , daß auch dieDichter früherer Jabi h . sich gegen die Bekehrung der Juden aus

gesprochen haben . B e rth o l d vo n R e g e n s b u rg (18. Jahrh .) nennt

— 55

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VERSPO'

I'

TUNO U . SCHMÄHUNG DER ] UDEN U . DES JUDENTUMS .

doch immer Jude ble ibe . Zu diesem Zwecke erzähl t erein e Ge schichte von e inem Konvertiten , der es bis zum

Kanon ikus und Dekan in Köln brachte . Auf dem Totenbette be stimmte er

,daß man se in Bild auf der Kirchen

türe befestigen sol l te und zwar so, daß er in der einen

Hand e ine Katze,in der an deren ein e Maus halte .

Damit wol lte er an ze igen,daß , sowen ig sich Maus und

Katze vertragen könnten , sowenig auch der Jude mit

dem Christen :„Welch freundschafft hat ein katz und

mauß,S eauch ein Christ in s Juden hauß . Stürb ein

Christ durchs Juden gesicht,Scorpii gifft ließ der Jüd

Ein e ande re Geschichte e rzählt J a k o b F r e y in

der„G a r t e n g e s e l l s ch a f t

“ fi) Der Jude Tobias läß t sich

n ach vie len Bemühungen dazu überreden, Ch rist zu werden . Man rät ihm n un , sein gan zes Ve rmögen den

Armen zu schenken , Gott werde ihm in hundert Tagense in Ge ld wieder zurückgeben . Er tut die s und ist einezeitlang bei den Bürgern der Stadt zu Gaste , die ihm

wegen se in es Übertritte s vie l Ehre antun . Doch werdensie endl ich seiner m üde , und der gute Mann weiß n icht,wo und wie er sein Auskommen finden soll . Sein Ge ldist weg, Wucher darf er n icht tre iben , er wird arm und

aus Gram krank . Aus Verzweiflung übe r seine Lageentläuft er dem Spita l, in dem er ge legen ist, fluchtetweitweg in der Abs icht, sich das Leben zu n ehmen .

es töricht,daß man einen Juden , um ihn zum Christen zu machen ,

gewaltsam in das Wasser stoße (Predigten , ed. Kling. S .

F r au e n l o b zähl t unter denen , welche sich mit erfolglosen oder

gefäh rlichen Geschäften befas sen , auch den jenigen auf,der

„alte

Juden töufet“(Vid . Hagen I I I . 878)

1

) Im Dom zu Freising ist das Bi ld der Sau mit den Juden ,dar unter die Inschrift :

„So wahr die Maus die Katz n it frisst, wird

der Jud ein wahrer Christ“.

2

) Kürschner’

s Nationall iteratur Bd . 24. S . 2 14.„ein jud

ward chris ten , verdarb und ward wider reich“. cap. 1 1 .

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D ICHTUNGEN GEGEN D IE TAU FE DER ] UDEN .

FREY , ANONYMUS , SCHU PP.

Der Zufall aber wi ll e s, daß er auf eine r Wiese einen

Sack vol l Juwe len findet . So ist er mit einem Schlagewieder reich. Jetzt kann er auch a l les dazutun

, um wiedergesund zu werden . Da kommen diese lben Leute , we lcheihn vorher von sich gestoßen haben

,zu ihm und ver

suchen,sein Ge ld aus ihm he rauszulocken . Doch sie

bemühen sich vergeblich . Um son st we isen sie auf dieWahrhe it ihres Glauben s hin , da ihm Gott den Reichtumwieder gegeben habe . Er gibt se in Ge ld n icht mehr ausden Händen . Gott habe ihn so lange warten l assen

, daß

er darüber fast gestorben wäre. Er wol le liebe r auf dasChri stentum verzichten , ehe er sich wieder de s Ge ldesentblöße . Frey folgert daraus di e Lehre : em a lter Judegibt se lten ein guthen christen wie die al ten Hunde, dieIond sich se lten bändig machen

“.

l)

All erdings’f

geht mit m ehr Berechtigung aus der

Erzählung e ine andere Lehre he rvor, n äml ich di e, daß

di e von Frey e ingeführten Chri sten dort, wo es ihrenVorte il gi lt, das wahre Christen tum zwar predigen , se lbstes abe r n icht üben .

Auch ein A n e n ym u s aus dem Jahr e 1 535, der

großen Haß gegen die Juden zur Schau tragt,spricht

sich gegen die Aufrichtigke it der Judentaufen aus

„Ob sich ein Jud schon tauften lat

So ist er doch n it fisch on gradUnd hat darzu zwelff eyd geschworn

Ist K risam und tauff dran

1

) die lassen sich selte n bandigen .

Der Judenen Badetub . E in Anzeygung it er manigfeltigen

schedlichen hende l zu warnung allen Christen , jren triegliehen listigkeite n zu entweichen und die zu vermeiden .

„Wer wissen wil l was

scha nd und schad ,Entspringet aus dem Judenbad , Der se lb durch

leß mich biß zum endt, Von jn wir sehend scind verblendt“

. OhneOrt u . Autornamen . Der Verfas ser nennt sich zum Schluß : Philippv . A l lendorf.

—57

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄ HUNG DER

') EH U . DES JUDENTUMS.

Auch B a l t h a s a r S c h u p p hé icht viel von den

Bekehrungs r‘suchen :

„Was wr es , wenn ich zehn

Jahre predigte und die Arria ne

d i e Jü d e n , di e Türcken und Ke tze r und Schwärmer wide rlegte , und inn erhalb zeh Jahren e i n e n solchenKetzer bekehrete .

1)

Aus die sen Zeugn is sen geht 9 rve r, daß di e Dichterim al lgemein en von den getaubn Juden nicht sehre rbaut waren un d sie gerade so hrt ihrem Spott und

Hohn ve rfolgten , al s wenn sie J‘en wären. Um aberdem Spotte über di e Juden einen h reichenden Ausdruckzu verleihen

,gen ügten den Die lern die ta ts äch lichen

Verhältnis se nicht . S ie suchten ime r neue Lagen zu

erfinden , in denen der Jude lächdich daste hen mußte .

So bildete sich imm er mehr da Be streben aus, den

J u d e n, der in der Wirk lichke it und auch in vielen

Dichtungen der geschäft lich Tüc‘igere war,a ls den

B e t r e g e n e n darzustel len . Damit rreichten die DichterDoppelte s . Es wurde ihnen möglicl sich und ihr Publikum auf Kosten der Juden zu u&rhalten und gleichze itig zu zeigen, da ß die Juden n irt immer die Überlegenen seien . Wenig ste n s in de D i c h t u n g wurdensie von den Chri sten betrogen . Eine nzabl von S e h

W_ä ü

.

k e n hat die se Tendenz . So erzählt K i r c h h o f, 2) wie zu

e inem reichen Juden ein Gese lle hmmt , der sich für

1

) „S ieben bösen Geister,“ Zuschrir Man muß hie

; hé

achten , daß die R edensart „getaufter Jude bei den Dichtern da

16 . und 1 7 . Jah rhunderts oft nicht auf inen Juden ,der zum

Christentum übergetreten war, angewend wurde , sondern !auf

Ch r i s t e n ,die sich wie Juden (Wucher) benahma r. S . der.!

Abschnitt W u c h e r e r. So ist auch das Stichwort zu verstehen :„die ungetauften Juden verkauften Jesum (m stum ,

wäre er noch

auf Erden , er würde von den g e t a n f f tn J u d e n (d . s. die

christlichen Wucherer) aber verkauftet werde“. S . Wander, Smith :

wörterbuch .

Beraubung eines Juden I I . S . 288

— 58

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DER ] UDE S I R BETROGENE . K I RCHHOF .

den Diener einer u l er Frau ausgibt und ihm me ldet,daß seine Herrin Gc

. ld « echseln und auch e in ige Kost»

barkeiten kaufen wi l l e . Der Jude, begie rig, Gewinn zu

e rzie len , macht sich vil auf den Weg. Auf der Straßewird er abe r von d un iese llen überfal len , se ine s Ge ldesbe raubt und überdie s n 3h in e inen Fluß geworfen , ausdem er sich nur mit ;_ ro r Muhe rette t. Der Dichte r m achtaus seiner Freude ube r len ge lungenen Be trug gar ke inHehl . Vie l milde r i—t in e ine r anderen Erzählung, inder al lerdings auch (1 Juden den Schaden haben .

1 )

Kaise r Maximil ian e rb t von den Juden e ine Anzah lvon Eie rn . Damit er de ifteren von ihnen Eier bekomme,spe rrt er sie in e inen afig und ahm t so das Be ispie ldes äsopischen Ge iz

'

ra es n ach,der se ine Henn e

,die

täglich ein Ei legte, tö te , in der Hoffn ung, auf e inmalzu al len Eie rn zu kon 1 en . Die Juden , we l che durchihr Geschenk die Gun s des Kaisers zu gewin nen hofften ,mussen ihren Versuch 3 wer biißen :

„Such ke ine Freund

schaft durch Ge schenkeLieb zu we rden durch schmeichlerische renck , Und las dein e s Reichtum s kein ScheinHabe n bei dem , der ) r n it k le in Freun dschaft gegenDich im Hertzen hat 11zu in se inem Gewalt auch statDein le ib und gut ! da ist me in rat

“.

An anderer Ste l le erzahlt K i r c h h o f,daß ein Ede l

mann sich von e inem J len 500 Gulden ausgeborgt hatte .

Der Jude verfolgt ihn uf Schr itt und Tritt wegen der

Abzahl ung. So kommt auch e inmal auf den Ede lmannzu, ge rade, da d iese r i Begriffe ist, sich den Bart ab

scheren zu lassen . De1 Schu ldne r bittet den Juden nur

sol ange um Geduld, bi sein Bart abgenommen sei. Dader Jude auf di ese edingung eingeht

,läß t sich der

Ede lman n den Bart ni -t we iter sche ren, trägt von da

1

) Maximiliano S ß l16 1 911 die Juden eyer. I . S . 42 .

2

) a . a . 0 . IV . 2 . 3 522 .

— 59

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES JUDENTUMS .

Auch B a l t h a s a r S c h u p p hält n icht vie l von den

BekehrungsVer‘suchen :

„“Tas wär es

,wenn ich zehn

Jah re predigte und die Arrianer,Photin ianer Nestorianer

,

d i e J ü d e n , die Türcken und andere Ketzer und Schwärmer widerlegte, und inn e rhalb zehn Jahren e i n e n solchenKetzer bekehrete .

1)

Aus die sen Zeugn issen geht hervor, daß die Dichterim al lgemein en von den getauften Juden nicht sehrerbaut waren und sie ge radeso mit ihrem Spott und

Hohn verfolgten, al s wenn sie Juden wären . Um abe rdem Spotte über die Juden e inen hinre ichenden Ausdruckzu verleihen , genügten den Dichtern die tatsächlichenVerhältnis se n icht. S ie suchten immer neue Lagen zuerfinden , in denen der Jude lächerl ich dastehen mußte .

So bildete sich imm e r mehr das Bestreben aus,den

J u d e n , der in der Wirklichkeit und auch in vie lenDichtungen der geschäftl ich Tüchtigere war

,al s den

B e t r o g e n e n darzuste l len . Dam it erre ichten die DichterDoppe l te s . Es wurde ihn en möglich

,sich und ihr Publi

kum auf Kosten der Juden zu un terhalten und gleichze itig zu zeigen

,daß die Juden n icht immer die Übe r

legen en se ien . Wenigsten s in der D i c h t u n g wurdensie von den Chri sten betrogen . Eine Anzahl von S chwä nk e n hat diese Tenden z . So erzählt K i r c h h o f,

wie zue inem reichen Juden e in Gesel le kommt, der sich für

1

) „S ieben hosen Geister,“ Zuschrift. Man muß hier be

achten ,daß die R edensart

„getaufter Jude“ bei den Dichtern des

16 . und 1 7 . Jahrhunderts oft nicht auf einen Juden ,der zum

Christentum übergetreten war, angewendet wurde , sondern auf

C h r i s t e n , die sich wie Juden (Wucherer) benahmen . S . den

Abschnitt W u ch e r e r. So ist auch das Sprichwort zu verstehen :„die ungetauften Juden verkauften Jesum Christum , wäre er nochruf Erden , er würde von den g e ta u f f t e n J u d e n (d . s . die

christlichen Wucherer) aber verkauftet werden“. S . Wander, S prichwörterbuch .

Beraubung eines Juden I I . S . 238.

— 58

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES JUDENTUMS .

an e in en halben Bart, und der Jude muß sich mit se inerForderung für imm er zufriedengeben .

I n ähn l icher We ise ist d e r J u d e d e r B e t r o g e n eim ä l t e s t e n '

F a u s tb u ch l ). Auch hier ist das vom

Juden dem Faust geborgte Ge ld die Ursache des Betruges .Faust gibt dem Juden als Pfand e ines sein e r be idenBe in e, das er sich in des Juden G egenwart abschn eidet .Dem Juden wird das Bein auf dem He imweg zu schwer,und er wirft es weg. Nach dre i Tagen läßt Faust

, der

die sen Vorgang vorausge sehen hat,den Juden holen und

verlangt von ihm das Pfand zurück. Da der Jude es

n icht m ehr hat,ist Faust sein er Pflicht ledig und

zwingt den Juden noch fürs weggeworfen e kostbarePfand 60 Thaler zu zahlen . I n der Bearbeitung des

Faustbuches durch \Vidman ns Nachfolge r,Pf i t z e r

si nd e in ige Änderungen be i dieser Erzählung vorgenommen . Der Jude wirft das Be in n icht weg , weil es

ihm zu schwer is t, sondern aus Furcht, es kön nte ihm

dadurch e in Nachte i l oder Verdruß erwachsen, wennFaust an der Operation ste rben sol lte . Zum Schluße

kommt der Jude in soweit besse r weg , al s sich Faustdamit zufrieden gibt

,daß ihm die Schuld e rlassen wird .

Eine En tschädigung verlangt er aber

N eudruck von W . Braune , Halle 1878 , K ap . 38, S . 82.

N aturlich schneidet sich Faust nicht in Wirklichkeit das Bein ab . D ie

Ges chichte ist eine der Täuschungen ,wie sie bei Faust oft vorkommen .

Faustbuch , herausg . v . Kel ler, literar. Verein N r. 146 . S . 265 .

I n der Anmerkung , die der Verfas ser an diese Erzäh lung kn üpft,erörtert er auf Grund dieser Tat, des al lbekannten Wuchersder Juden , die Frage , ob man s ie überhaupt unter den Christenwohn en las sen sol le . Unter den Gründen , die er f u r die Judenan führt

,ist auch der, daß sie doch

„Gottes Volk , das auch die

hei lige Schrift bis auf unsere Zeit verwahret,“ sind . Daran schließte r die Erzählung von der Untat eines getauften Juden . der wegeneines Diebstah les zum Tode verurteilt worden war und , weil er

keine Gnade gefunden hatte , das Kreuz beschmutzte und in den

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DER JUDE ALS DER BETROGENE . FAUSTBUCH , SACHS .

Auch ein S c hw a n k 2) d e s H a n s S a c h s verspottetwenigsten s in seinem e rsten Te i le den habsüchtigen Juden

,

der vom Chr isten betrogen wird . Der Inhalt ist folgenderE in armer Mann zieht mit einer Ladung We in

, die ein

al ter Gau l führ t,des Weges durch Schwabach . E in

Jude , der den Gaul sieht und auf bil lige Weise in

seinen Besitz kommen wil l, bietet dem Mann e 10 Taler ;doch da der Besitzer 1 2 Ta ler verlangt, un terbleibt derKauf. Auf dem we iteren Wege kommt der Wagen mit

dem Gau] zu Fal le . Der Gaul abe r trinkt den Wein, deraus dem geborstenen Fasse rinn t, völlig aus . Vergeben sist das Bemühen des Mann es , da s Tier vom We ine wegzubringen . D a das Pferd infolge des Weingen usses intiefen Schl af verfällt

,der Mann aber aus Furcht vor

Wölfen n icht am Wege übernachten kann , zieht er demGaule die Haut ab, um so wen igsten s e twas von dem

Tiere zu retten . Mit der Haut kommt er klagend übersein Mißgeschick in ein e Herberge . Doch

,we lches Wun

der,am nächsten Tage findet sich der geschunden e Gau],

den der Besitzer natürl ich für tot gehalten hat, wohlgemutin der Herberge bei seinem Herrn wiede r ein . Dieser

,froh,

da s Tier wieder zu haben , legt ihm di e Haut wiede r aufden Rücken und zieht gegen Schwabach vorbe i am Hausedes Juden . Sobald dieser ihn sieht

,bietet er fur den

Gau] diesmal 1 1 Taler, und jetzt ist der Mann sehrgern e bereit, ihm das Tier zu geben . Der Jude wil l n achdem Kaufe das Tier versuchen und schwingt sich auf

das se lbe . Doch da fangt das Pferd, das bei der Berührung naturgemäß große Schmerzen empfindet

,an zu toben,

Kot warf. Die merkwürdige Geschichte selbst von der Absagungdes Fußes Faust’s erk lärt er fur eine Täuschung des Teufels , mittelsder der Jude genas fiihrt wurde.

„A lso kann der Teufe l die Sinne

der Men schen ,sonderlich d e re n H e rz e n n i c h t m i t G o tt e s

W o rt ve rwa h rct s i n d, in mancherlei Wahn ein führen“.

1

) S ach s , Der Jud mit der geschundenen gramma .

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES JUDENTUMS .

stürm t in e in en Kräme rladen und ze rschl agt al le Gläser.Jetzt e rst sieht der Jude, daß er sich hat hinte rs Lichtführen las sen und e inen ge schundenen Gaul gekauft hat.Bis zu diesem Punkte der Erzäh l ung ist der Jude der

Gefoppte . Doch wendet der Dichte r den Schwank n ochzum Guten für den Juden . Der Jude in seiner Pfif figke it, die ihm S a c h s n icht absprechen will , bestre ichtden Gau l mit Baumöl und siehe da ! es wächst ihm e inebaumwoll en e schneeweiße Haut nach. Mit dieser Sehen swürdigke it zieht der Jude durch Stadt und La ndund ve rdien t sich vie l Ge ld . So weiß er schließlich dochseinen eigenen Vorte il aus dem Ge schäfte zu ziehen .

1)

In al len diesen Erzähl ungen wird d e r J u d e a l s

d e r j e n i g e h i n g e s t e l l t, d e r s e l b s t b e t r ü g e n wo l l t e,s c h l i e ß l i c h ab e r d e r B e t r o g e n e

Auch J o r g Wi ck r am lacht uber die betrogenenJuden . Das R o l lw a g e n b ü ch l e in

3) erzäh l t die Gesch ichte

1

) N o ch d r e i a n d e re S c h w a n k e d e s H an s S ach s befass en sich mit den Juden , doch gehören zwei davon nicht in denR ahmen dieser Abhandlung , da s ie geschichtlich sagenhafte Er

eign isse ohne jeden Zusammenhang m it den Zeitverh ältnissen be

rühren . Der Voll ständigkeit halber erwähne ich sie : E s ist„Die

plage der Juden ob dem Tempe l“ und„Der teufe l erscheint den

juden in Greta in der gesta lt Mose“. Unbedeutend , nach dem MusterBrant’s , ist der dritte Schwank . Vorübergehend erwähnt der Dichterauch hier die Schlauheit der Juden : „

Der junge Kauffmann fras seinen todten Juden“. Der tote Jude ist ein Kaufmann aus Vened ig ,der in Bo logna gestorben is t , und dessen zerstückelten Leichnamseine Gefäh rten , um so das Verbot des Leichentransportes zu um

gehen , in ein Faß mit Zucker, Hon ig und Wein stecken . Währendder Fahrt ö ffnet ein junger Kaufmann das Faß und verzeh rt einenTei l des Inhalts , den er für Cachert hält. Die Sache kommt am

n ächsten Tag auf und der Kau fmann wird ausge lacht.2) S . über den Juden a ls betrogenen Betrüger“auch Abschnitt

I I I .„Der Jude als WuchererAusgabe in Kurz’ Bibliothek , Le ipzig 1865 , Bd . 7 . Anhang

(aus der Ausga be von 1557 , die wahrschein lich nicht von Wickramse lbst herriihrt) LXXXI I I . S . 147 . geschwinder listig . Der

Schwank auch gedruckt bei Pauli ( 1567) B l . 1 43 b .

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JÖRG WICKRAM : ROLLWAGENBÜCHLEIN .

wie ein geschwinder Kund in Italien di e Juden umb

gros ge l t bracht, das sie jm mit gutem wil len gaben on

verdien t“. E in Mönchsbruder i n e iner Stadt Ital ien se ifert sehr gegen di e Juden , besonders gegen ihre täg

lichen Gebete und Verfluchungen wider die christlicheObrigkeit und Christenhe it und setzt es auch wirkl ichdurch, daß die Juden gezwungen werden , diese schmähl ichen Gebe te aus ih ren Gebetbüchern zu stre ichen .

1)

Darüber sind di e Juden sehr erbittert und suchen Ge

legenheit, sich an ihm zu rächen . Lange Ze it ge lingt esihnen nicht

,bis sie sich endl ich mit Hilfe eines der

Ihri gen am Zie le ih re r Absicht glauben . Diese r Jude hatn äm l ich un te r se inen Bekannten auch ein en Leybruder

aus dem Kloster des Predigers, der in den Plan e ingeweih t wird und vorschlägt, den Prediger zu vergiften .

Die Juden , die frohs

'

sind, den verhaßten Gegner los zu

werden , vemprechen dem Bruder reichliche Be lohnung .

Dieser aber denkt gar n icht daran , dem Predig er e inenSchaden zuzufügen

,sondern wil l nur das Ge ld der Juden

e instecken . Deshalb te il t er dem Predige r den An schlagmit und kommt mit ihm übere in , den Juden e ine Fal lezu legen . Mit diesen vere inbart er, den Prediger am

Sonntag n och vor der Predigt, in der er, wie bekann twurde, wieder über die Juden schimpfen wil l, zu ver

gifte n . An scheinend ge lingt der Plan . Der Prediger, so

Wieder ein Hinweis darauf, daß die Juden in ihren Ge

beten die Christen verfluchen sol len . Der Verfas ser se lbst ist uberzeugt von der Existenz solcher Gebete und will

„al le zu end diser

historien setzen ,wiewol er sich fürgenummen hat, ein eygens

Tractetlin wider solche jrs bösen gebreuch zu schreiben“. Einesolche Schrift von Wickram ist mir unbekannt. Dieser Satz kannviel leicht zu den vielen Gründen , die Kurz schon an füh rt, (Einleitung S . XXV I I I ff .) mit ein Grund sein ,

daß diese Ausgabevon 1557 nicht von Wickram selbst herrührt

,denn es ist doch

anzunehmen , daß er später einmal auf diese Äußerung zurückgekommen ware .

— 63

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER ] UDEN U . DES jUDENTUMS.

heißt es in der Stadt, ist plotzlich schwer erkrankt, und

die Juden verkünden frohl ockend, daß diese Krankheite ine Strafe Gotte s für die Angriffe des Predige rs gegendie Juden sei. Denn Gott habe von altersher all e die

,

we lche sich wider die Juden erhoben haben , hart gestraft.Doch die Freude sol lte n icht lange währen . Balderschein t der Bruder bei den Juden

, e rzähl t,daß Gefahr

vorhanden sei, es könn te die Schandtat entdeckt werdenund erhält von den Juden vie l Ge ld, dam it er aus der

Stadt en tkomme und re inen Mund hal te . Er geht abermit dem Ge lde zum Prediger zurück und anderen Tagesschon sehen ihn die Juden in Begle itun g des von der

angeblichen Krankhe it so schn el l ge sunde ten Predigersspaz ieren gehen . Die überl iste ten Juden befällt natürlichein großer Schrecken , und schleun igst machen sie sichaus dem Staub . So bringen die beiden Brüder e s zustande ,das Ge ld der Juden zu e rhal ten und von ihn en selbstbefreit zu werden .

Mit we lch’ schl ichten Worten die Erzählung auchge schrieben ist, so läß t sie doch tief bl icken . Lachendund scherzend wird berichtet, daß die Juden , die sichgegen e inen Hetzprediger auflehnen wollten , ihr Ge ldumsonst aufwendeten und, um der e igen en Lebensgefahrzu en tgehen , noch die Stadt ve rlassen muß ten . DieseAuf fassung der D i c h t e r von der Stel lung der Juden ,

die doch gewiß keine rosige ist, muß aber noch g u tg e n a n n t w e r d e n i m V e rg l e i c h e z u r \Virkl ich

k e i t ; den n nach al lem, was uns überl iefert ist, kannman sagen , daß e in solcher Fa l l , wie er e rzäh l t worden ist,dann , wen n er sich tatsächl ich irgendwo e reignet hätte ,sich erl ich e in e große Judenverfolgung hervorgerufen hatte .

An e ine r ande ren Ste l le des R o l l w a g e nb uch l e i n s ‘) machen s ich e inige Baue rn in rech t ordi

S tück XLVI I I . a . a . O . 86„Einem Juden buß t einer den

hustcn“

. büßt. bessert.

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F ISCHART : E INE GROSSE WUNDERZEI 'I'UNG .

närér Weise mit e inem'

kranken Juden e inen Spaß .

Der Mann, der in e inem “’irtshaué e inen Hustenanfafl

bekommt, wird von den Bauern gefragt, was Teufe l esmit seinem Husten sei. Er gibt darauf zur An twort, daßer e in en Regen husten werde .

1) Da wird er von den

rohen Bauern, die einen Regen für ihr Getreide schonsehn l ich st herbeiwun schen, be im Schöpfe genommen , auf

der Erde gesch leift und m it Füßen getreten unter demRuf e :

„Hey, du schaudl icher Jüdischer hund, hastu so

lang ein R aegen in dir gehabt und hast den mit gewaltin dir behalten ; waß hastu dann guten we in , früch t undfuter verderbet

,das al le s furkommen wer, wann du e inen

sol liehen grossen Regen nit in dir behalten hettest !“

Erst al s sie meinen , des Scherzes sei genug getan , hörensie auf zu prügeln . Der Jude macht sich dann natürlichschne l l aus dem S taffbe . So wird se lbst eine Laune derNatur

, wie es das Ausble iben des Regen s ist, zum An laßgen ommen

,den Juden .zu verspotten und zu prüge ln .

Ein e noch merkwurdigere Ge legenheit, uber dieJuden herzufal len , ergreift F i s c h a r t im Schwank

„a i n

g ew i s s e W u n d e r z e i tu n g v o n a i n e r S c hwa n g e re nJ üd i n zu B i n z wa n g e n

,v i r m e i l vo n Au g sp u rg,

w e l c h e k ü r z l i c h d e n 1 2 . D e c emb r i s, d e s n ä c h s tv e rs ch i n e n e n J a r s, a n s t a t t zw a i e r K in d e r z w a il e ibh a f t e S chw e in l in o d e r F a r l i n g e p ra ch t

Der Dichte r beteue rt, daß er wahrhe itsgemäß berichte,

man möge ja n icht denken , daß er„vilicht den Juden

nur zu spott“ die Geschichte n iederschre ibe . Zu Binzwangen wurde e ine Jüdin schwange r und nach der ge

wöhn lichen Frist gebar sie, 0 Wunder, zwe i „S a u l e in “,

1

) „Einen R egen husten“. Kurz erklärt diese Phrase als

„es

wird bald regnen , was ich daraus entnehm e , daß ich husten muß ,

da der R egen auf mich immer einen solchen Einfluß ha t“.

Johann Piechart’s sämtliche Dichtungen , deutsche Bibliothek herausg . von H. Kurz , Leipzig 1867 , X . Bd . S . 7 1 .

— 65

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES JUDENTUMS .

von denen das eine sofort n ach der Geburt, das andere

ein e Stunde darnach starb. Man glaube aber ja nicht,daß diese Wundergeschichte auf einem Zufal l beruhe,denn wäre schon das We ib e rschrocken, so wäre dochkeine Sau der g a n z e Leib ; es wäre doch wenigsten sein G lied n ach Men schenart, oder e s wären doch n ichtgleich z w e i Schwe ine gewesen .“Dies “’under hat Gottaber ges chickt, um Juden und Christen zu warnen, „

vomSäuischen leben zu lassen“ und uns Gottes würdig zuerwe isen . Des Dichte rs Absicht ist also die, aus diese rGe schichte eine Wa rnung für die Christen und Judenzu ziehen , für die Christen , ein

„n üchte rnes“ Leben

führen, für die Juden , das Ereign is al s Stra feGotte s zu nehmen dafü r, daß sie den M e s s i a s nichtanerkennen .

Noch in einer anderen Erzählung wird ihr falsche rMessiasglaube zum An laß genommen, sie zu verspotten .

Den Umstand , daß die Juden an n ichts so fest glaubte n ,wie an die Erscheinung des Messias, nützte T i l l E u l e ns p i e g e l 2) aus, um ihn en einen Possen zu spie len . Dre iJuden zu Frankfurt kaufen von ihm auf der Messeseinen e igen en Kot, den er in ein rotes Zeug e ingewicke l that

,um 100 Gulden nur deshalb, weil sie seine r E rklä

rung Glauben schenken , daß derjenige, we lcher diese

„Prophetenbeere

“in den Mund nehme, von Stund an

weissagen könn e . Die Juden , die auf diese Weise dieAnkun ft des Messias zu erfahren glauben , „

das un s n it

wer e in kle in er trost“,zahlen verblendet den hohen

Preis . S ie lassen al le Juden der Stadt zu„schul klopfen“, 3)

um in deren Gegenwart das Geheimn is der Beere zu

1

) „Dan wer erschrocken schon das Weib , So wer kein Sau

« l och der gantz leib ; Vileich t so wer ein glied daran , \VelchsMenschenart möcht zeigen an ; zu dem so wer es nicht ein par“.

Literarischer Verein . Bd . 27 .

schul k lopfen in den Tempe l rufen .

66

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VERSPO'

I'

TUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES JUDENTUMS .

hie r die gerechte Ve rge ltung fur die Ve rspottung beider Geburt des Heilands geübt wird . Das Kind wird,wie später bei Abraham a S . Clara, von den Juden

getödtet, sein e Mutter zum Ge ständn is gezwungen .

Groß ausgesponnen und in Versen ist die Sagevon F o l z 1) behande l t worden . Sie ist in Schlesien lokalisiert . Dort wohn t ein reicher Jude , der e ine sehr schöneTochter hat. Zwei Fenste r ihres Zimmers gehen n ach demHofe mit der Aussicht auf die Behausung ein es christlichen Studenten . Dieser gesteht der schon en Jüdin seineLiebe , fi ndet Gehör und wird des Nachts in ihr Zimm ereinge lassen . Da die Folgen der Liebschaft n icht aus

ble iben , greift der Studen t zu e iner List. Er steigt Nachtsin das Zimmer der Elte rn und verkündet den Schlaf endenm itte l s e ines Rohres den Beschluß Gottes, daß ihreTochte r den Messias gebären werde . Man möge n ichtfragen , wer der Vater des Kindes sei, sondern ihm

Glauben schenken . Jetzt sei die Zeit da, wo das j üdischeGeschlecht, „

das l ang gewesen ist verschm echt“,uber

die Christen und Heiden he rrschen werde . D er VaterAbraham teilt auf di ese Propheze iung hin sofort in derFrüh e den 4 Äl testen Gotte s Offenbarung mit. Dieseverkünden sie in der Synagoge dem ge samten Volk e mitPreis und Dankesliedern die Rückkehr der Juden inih r Land könne n icht mehr fern se in . Die Tochte r desAbraham wird mit königlichen Ehren überhäuft, man

richtet für sie ein neues Gemach ein , das wundervollausgestatte t wird grün in grün , m it goldenen Sternen ,das Bett und die Stühle aus Cypressen . Man pflegt s ie

1

) Bib liothek d . literarischen Vereines , Fas tnachtspiele 3 .

(Bd . 80) S . 1223 ff„Von der Juden Messias“.

Das Gebet im Tempe l charakterisiert der Dichter folgendermaßcn :

„S ech t do hub sich ein suchs heulen , dar ein die b un t

begunden peulen , mit sulchem scheutzlichem gepem ,Als ob s ie all

vol teuffel wem (S .

68

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DER IUDENMESSIAS EIN MÄDCHENCAESAR IUS HE ISTERBACH , FOLZ .

wie e ine Furstin , an di e Juden der gan zen We l t wirddie \Vundermär gesch rieben und Geschenke aus al lerWe l t überfluten die Stadt. Als sie endl ich mit größe renWehen al s andere Frauen gebärt, ist das Kind ein

Mädchen . Da erhebt sich großer Jammer bei allen Juden ,Vater un d. Mutter verbergen sich viele Tage ohn e zuessen und zu

'

trinken . D ie erzürn te, enttäuschte Menge

wil l uber Mutter und Kind herfal len , doch der Studen terreich t es m it Hilfe der Obrigkeit

, daß man beide inSicherheit bringt . S ie werden getauft und. der Studen the iratet di e Tochter.

Das Stück is t vol l Gehässigke it gegen di e Juden .

S ie,di e schon wähn ten , di e letzten Tage der Ch risten

seien gekommen , m üssen ve rn ichte t und en ttäuscht weiterim Elend leben . Durch die List e ines Ch risten , der ein

j üdisches Mädchen cv

verführt, werden sie mit Blin dheitgeschlagen . Mit großer Liebe und Absicht ist di e Freudeder Juden ob der Kunde vom Erscheinen des Messiasgeschil dert. Der Dichter kan n n icht genug Worte finden

,

um das Tun der Juden auszumalen . Um so kürzer faßter sich bei Eintritt der K atastr0phe : „

Der Juden Schandwar offenbar was soll ich do von sagen mer, eß

bleib den Juden die uner“. I n der Schilderung sinde in ige Eigenarten des Dichte rs zu e rkennen . Die Erkenntn is

,daß das Kind ein Mädchen sei

,ist folgendermaßen

dargeste l l t :

„do het es e in e gelids n ichtal s man gewöhn l ich an knäblein sicht

,

ob e s ein saw im ab het gepissen,Mit wurtz und al le har ausge rissenoder wie im son st wer gescheen

Aus dem Mönch des Boccaccio macht der Dichter e in enStuden ten . Verschieden von den ande ren Bearbe itungenist hier der Umstand, daß das Mädchen ganz gut weiß ,daß sie n icht die Ge l iebte e ines Enge l s , sonde rn e ines

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES JUDENTUMS .

hie r die gerechte Ve rge ltung fur die Verspottung beider Geburt des Heilands geübt wird. Da s Kind wird

,

wie späte r bei Abraham a S . Clara, von den Juden

getödtet, se ine Mutter zum Ge standnis gezwungen .

Groß ausgesponnen und in Versen ist die Sagevon Fo l z 1) behandel t worden . Sie ist in Schlesien lokalis iert . Dort wohn t ein reicher Jude , der e ine sehr schöneTochtcr hat. Zwe i Fen ster ihre s Zimmers gehen nach demHofe mit der Aussicht auf die Behausung ein es christlichen Studenten . Dieser gesteht der schon en Jüdin seineLiebe , findet Gehör und wird des Nachts in ihr Zimmere inge lassen . Da die Folgen der Liebschaft n icht aus

ble iben , greift der Student zu e iner List. Er ste igt Nachtsin das Zimmer der Eltern und verkündet den Schlafendenm itte l s ein es Rohres den Beschluß Gottes, daß ihreTochte r den Messias gebären werde . Man möge n ichtfragen

, wer der Vater des Kindes sei, sondern ihm

Glauben schenken . Jetzt sei die Ze it da,wo das j üdische

Geschlecht, „das l ang gewesen ist verschmecht

“, über

die Christen und Heiden herrschen werde . Der VaterAbraham teilt auf diese Prophezeiung hin sofort in derFrühe den 4 Ältesten Gottes Offenbarung mit . Dieseverkünden sie in der Syn agoge dem gesamten Volke mitPre is und Dankesliedern die Rückkehr der Juden inihr Land könne n icht mehr fe rn se in . D ie Tochter desAbraham wird mit koniglichen Eh ren überhäuft, man

richtet für sie ein n eues Gemach ein , das wundervollausgestatte t wird grün in grün , m it goldenen Ste rnen ,das Bett und die Stüh le aus Cypressen . Man pflegt s ie

Bibliothek d . literarischen Vereines , Fastnachtspiele 3 .

(Bd . 30) S . 1223 ff„Von der Juden Messias “.

Das Gebet im Tempel charakterisiert der Dichter folgendermaßcn :

„Sech t do hub sich ein suchs heulen , dar ein die bunt

hegunden peulen , mit su lchom scheutzlichem geper n, Als ob s ie al l

vol teuffel wem (S .

68

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES JUDENTUMS.

chr is tl ichen Studen ten ist. S ie ist sich ihrer Sünde bewuß t,doch ke in eswegs reuevol l , son dern empfindet im Gegente il das größte Le idwesen darüber, daß sie während derganzen Zeit ihrer Schwangerschaft, da sie un ter derAufsicht der Juden steht, ihres Studen ten wird entbehrenmüssen . S ie n immt auch zum Schluße gerne die Taufe .

So feie rt auch in di eser Dichtung das ChristentumTriumphe .

In W e n d unm u th ’) l autet die Erzählung : „E i n

M o n c h z e ug t d e r J u d e n M e s s iam“. Die Begebenhe it spie l t in Prag. Der Mön ch gibt sich für einen

Enge l aus und verführt da s Mädchen . Das f olgende istganz wie bei Folz . Damit die Juden vor den Chris tennicht beschämt dastünden, erhalten die Rabbiner denAuftrag nachzusuchen

,ob es nicht möglich sei, daß der

Messias deshalb, weil er solange auf sich warten l ieß,in der Gestalt eines Weibes geboren we rden könne . Obder Mön ch bestraft wurde, wird ni cht berichte t. Die

Erzählung ist kurz gehalten und wie der Bericht e in erwirkl ichen Begebenheit geschrieben .

I n dem selben Stil und Ton ist die Ge schi chte auchbei A b r a h a m a S . C l a r a ?) e rwähnt. Nicht gesagt wirdaber hier

,ob der Student, we lcher das Mädchen verführte ,

sich für e inen Enge l ausgab . Da s widerspricht offenbardem Gefühle des Geistl ichen Abraham . Die Judene rwarten in großer Menge die Geburt des Knaben . Übe rdie E nttauschung sind sie so ergrimmt , daß sie das Kind

„wide r e ine Wand werfen und zerquetschen“.

Wohl am längsten und gan z fre i gestaltet mit

vie len e igenen Ergänzungen erzählt die Geschichte al sse lbst e rlebte Begebenhe it der He ld des wun d e rb a r

a . a . O , I . 2 . 50.

2) Abrahamische Lauber-Hutt. Ausgabe v. 1 72 1 bei Georg

Lehmann S . 32 .„Ein Student betrieget einen Juden“.

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DER IUDENMESS IAS E IN MÄDCH ENKIRCHHOF , ABRAHAM a S . CLARA , G R I MMELSHAUSEN .

l i c h e n V og e l n e s t e s 3) . Bei G r imm e l s h a u s e n ist

gegenüber den anderen Bearbeite rn vor al lem deshalbeine geän de rte Situation, weil hier das Voge lnest, mitdem er sich un sichtbar machen konn te, mitspie lte .

Dadurch konn te der Phanta s ie ein vie l größerer Spielraum gegeben werden . Das Voge ln est ist übe rhaupt dieVe ran las sung , daß die Erzähl ung sich abwicke ln kann .

Und das kommt so . Der He l d wil l vor Ausbruch des

zwischen Frankreich und Hol land drohenden Krieges ein en amhafte Summe Ge ldes aufbringen , um sich und di e

Seinigen vor Not zu bewahren . Er en tschließt sich zu

di esem Zwecke zu ein em Einbruch in das Haus e inesreichen portugiesischen Juden , der in Hol land (Amste rdam)lebt. Mit Hi lfe des Vogelne ste s macht er sich un sichtbarund ge langt so auf leichte We ise in das Haus . Dochfindet er das Ge ld nicht

,da es in ein em Gewölbe einge

spe rrt ist . Auf der Suche n ach den Schl üsse ln di esesVerwahrungsortes sieht er ein We ib, das ihn den Zweckseine s Kommen s auf ein e geraume Ze it vergessen läßtund sein Herz mit fl ammende r Begier zu ihr en tz ün det .So ist der Eingang zur e igen tlichen Handlung geschaffen .

Sofort ist sich der He ld darüber im klaren , da ß er dasWe ib

,di e Tochter des reichen Juden

,besitzen müsse

,er

könne sonst n icht leben . Doch wie sol l er zu ihr ge langen ?

Ist es ihm doch bekannt, daß die Juden ihre We ibergen au und vorsichtig vor dem Fall bewahren . Er grei ftdeshalb zu e iner List . An e inem Freitag aben d hat er,

al s er sich ge rad e im Hause dieses Juden Eliezer befundenhat, gehört, wie der Hausvate r n ach Abwicklung e in erlänge ren Zeremonie sagte : „

Der Prophet El ias, der

Prophet Elias, der Prop s t Elias komme bald zu un s mit

dem Moschiach, Gottes und Dav ids Sohn ! Das sol lihm bei seiner Absicht förderl ich sein . Zufallig hat der

3

) Deutsche Dichter d . XV I I . Jah rh . 10. 1 1 . Grimmelshausen ,

S implicianische Schriften , I I . Tei l S . 146 ff .

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES JUDENTUMS.

christlichen Studen ten ist. S ie ist sich ihrer Sünde bewußt,

doch kein eswegs reuevoll, sondern empfindet im Gegentei l da s größte Le idwe sen darüber, daß sie während derganzen Zeit ihrer Schwangerschaft, da sie un ter derAufsicht der Juden steht, ihres Studen ten wird entbehrenmüssen . Sie n immt auch zum Schluße gerne die Taufe .

So feie rt auch in dieser Dichtung das Christen tumTriumphe .

I n W e n d u nm u t h l ) laute t die Erzählung : „E i n

M o n c h z e ug t d e r J u d e n M e s s i am“. Die Begebenhe it spie l t in Prag . Der Mön ch gibt sich für e inenEnge l aus und verführt das Mädchen . Das

‚ folgende istganz wie bei Folz. Damit die Juden vor den Christennicht beschäm t dastünden, erhalten die Rabbiner denAuft rag nachzusuchen, ob es n icht möglich sei, daß der

Messias deshalb, weil er solange auf sich warten l ieß,in der Ges talt eines Weibes geboren we rden könne . Obder Mön ch bestraft wurde, wird nicht berichtet . Die

Erzählung ist kurz gehal ten und wie der Bericht einerwirkl ichen Begebenheit geschrieben .

I n demse lben Stil und Ton ist die Geschi chte auchbei A b r a h am a S . C l a r a ?) erwähn t. Nicht gesagt wirdaber hie r, ob der Student, we lcher das Mädchen ve rführte ,sich für einen Engel ausgab. Das widerspricht offenbardem Gefüh le des Geistl ichen Abraham . Die Judene rwarten in großer Menge die Geburt des Knaben . Überdie Enttäuschung sind sie so ergrimmt , daß sie das Kind

„wide r e ine Wand werfen und zerquetschen“.

Wohl am längsten und ganz fre i gesta ltet mit

vie len e igen en Ergänzungen erzäh l t die Geschichte al sse lbst erlebte Begebenhe it der He ld des wu n d e rb a r

a . a. o , I . 2 . so.

Abraham ische Lauber-Hutt. Ausgabe v. 1 72 1 bei GeorgLehmann S . 32 .

„Ein Student be trieget einen Juden“.

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES JUDENTUMS .

Held in der Stadt einen getaufte n Juden kenn enge le rnt,

der ihn in der Juden Sitten und Gebräuche e in führte ,m it de ren Hilfe er den Vate r dieses schönen Mädchen sberucken will . Im An schl uß an den S egenspruch , den

er von Eliezer gehort hat, gibt ihm der Getaufte (se inName ist Erasmus) genaue Kunde von den Hoffnungender Juden , die sich darauf beziehen, daß der M e s s i a s ,eingeführt und voraus verkün det durch den Prophe tenE l i a s

,die Juden aus ihrem Elend befreien werde . Zwei

diese r Sagen , we lche sich an die Ankunf t des Elias undMessias knüpfen

,benutzt er nun

,um die Juden in Sicher

he it zu wiegen . Die erste ist die,daß er in den Tempe l

durch zwe i Blasrohre Papierfetzen wirft, auf denen ein

hebräischer Spruch, der m it der Ankunft des Messias inZusamm enhang ste ht, geschrieben ist. Die versamme ltenJuden sind natü rl ich über di e vom Himme l kommendeBotschaft sehr erfreut. Die Stimm ung des Eliezer und

der Juden wird aber n och e rwartungsvol le r,als der He ld

sich auf den Sesse l, der bei j üdischen Festlichke iten fürEl ia s imm e r be reit steht, setzt, m it Hil fe des Voge lnestesfür n iemanden sichtbar und doch di e ihm vorgesetztenSpeisen vertilgend .

Nachdem er so da s große Ereignis genügend vorbereite t zu haben glaubt, wagt er den le tzten Schritt.Und damit knüpft G r imm e l s h a u s e n wieder an den

al ten Stoff an . Er tritt, se l tsam gekleidet, in der Nachtan des Eliezer Bett und verkündet ihm i m NamenGotte s

,daß se ine Tochte r den Me ssias zur We l t bringen

werde , dessen Vate r der Prophet Elias sein werde . Von

da an geht die Handlung schne l l von statten . Eliezer gehtauf den Befehl Gotte s gliickse lig e in , a l les wird fürElias prachtig he rgerichte t, der He ld ist am Zie le se ine sWunsche s . Auch hie r zeigen sich ba ld die Folgen , und

den Schluß bilde t die Geburt e ines M ä d c h e n s . Die

Enttäuschung der Juden we icht bald e iner Hoffn ung,

_ 72 _

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DER IUDENMESSIAS EIN MÄDCHENGR I MMELSHAUSEN , VOGELNEST .

derse lben , die auch Kirchhof erwähn t daß nam l ich dieMöglichk e it bestehe

,es kön nte sich das Mädchen in

ihrem d r e i z e h n t e n Leben sjahre in einen Knaben ver

wande ln . Dem frommen G r i mm e l s h a u s e n ist es abe rauch n och darum zu tun

, das Mädchen und ihr K indn icht unter den Juden aufwachsen zu lassen . Wie beiFo l z soll auch hier das Mädchen zum Christen tumübertreten , doch währen d dort der V e r f ü h r e r die

Getaufte he irate t, sucht sich hier der He ld fur sie ein enanderen Gatten , den er auch in der Gesta lt des ebenfal l s getauften Juden

,seines Freundes

.

Erasmus,finde t.

Dieser, der von dem Gerüchte der Ankun ft des j üdi schenMessias e rfahren hat und deshalb wegen sein e r TaufeGewissen sbisse empfindet, wird von se inem Freunde inden wah ren Sachve rhalt e ingeweiht. Nun wil l es der

Zufall,daß , Erasmus, solange er noch Jude war, se lbst

die Absicht gehabt hat, die schön e Jüdin al s Frau he imzuführen , diese Hoffnung aber nach se iner Taufe ! aufgeben mußte . Mit Hilfe des He lden wird es nun möglich

,

das verfüh rte '

und betrogene 'Mädchen in den Plan und

die Liebesabsichten des Erasmus '

e inzuwe ihen,

sie gibtle ichte n Herzen s ihre Einwil l igung und flüchtet aus demElternhaus

,wird Christin und die Frau des Erasmus

,

ihres e rsten Liebhabers . So wird sie,ihr Kind und e ine

weibl iche Mitte l sperson , we lche die Kupplerin abgibt.,dem Glauben gewonn en

,Erasmus neu darin bestärkt

,

und der He ld konnte seine Ge lüste befriedigen . Den

Juden aber bleibt n ich ts als der Spott und die getäuschteHoffnung

,über deren Albernheit da s ie doch son st

„e in ge lehrtes

,schlaues , spitzfindiges und verschlagenes

Volk“1) sind sich der Dich te r nicht genug wundern kann .

Grimme lshausen zeigt '

ia der Behand lung die sesStoffe s so recht die Überlegenhe it des Dichters gegenübe r den ande ren Bearbe ite rn . Da ist kein Ereignis ohne

s . a . a . o . 13 . Kapite l , 8 . 229 .

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES jUDENTUMS .

Held in der Sta dt e inen getauften Juden kenn enge le rnt,der ih n in der Juden Sitten und Gebräuche e inführt e,m it de ren Hil fe er den Vate r dieses schönen Mädchen sberucken will . Im An schluß an den Segen spruch , den

er von Eliezer gehort hat, gibt ihm der Getaufte (se inName ist Erasmus) genaue Kunde von den Hoffnungender Juden , die sich darauf beziehen, daß der M e s s i a s ,eingeführt und voraus verkün de t durch den ProphetenE l i a s

,die Juden aus ihrem Elend befreien werde . Zwei

dieser Sagen , welche sich an die Ankunf t des Elias undMessias knüpfen , benutzt er nun

,um die Juden in Sicher

he it zu wiegen . Die erste ist die,daß er in den Tempe l

durch zwe i Blasrohre Papierfetzen wirft, auf denen ein

hebräischer Spruch, der m it der Ankun ft des Messias inZusammenhang steht, geschrieben ist. Die versamme ltenJuden sin d natürl ich über die vom Himme l kommende

Botschaft sehr e rfreut. Die Stimm ung des Eliezer und

der Juden wird aber n och erwartungsvol le r,al s der He ld

sich auf den Sesse l, der bei j üdischen Fe stlichkeiten fürEl ias imm e r bereit steht, setzt, mit Hil fe des Voge lnestesfür n iemanden s ichtbar und doch die ihm vorgesetztenSpeisen vertilgend.

Nachdem er so das große Ereignis genugend vorbereite t zu haben glaubt, wagt er den le tzten Schritt.Und dami t knüpft G r imm e l s h a u s e n wieder an den

alten Stoff an . Er tritt, se l tsam gekle idet, in der Nachtan des Eliezer Bett und verkündet ihm i m NamenGotte s, daß se ine Tochter den Messias zu r We l t bringenwerde , dessen Vater der Prophet Elias sein we rde . Von

da an geht die Handlung schne l l von statten . Elieze r gehtauf den Befehl Gotte s glückse lig e in , al les wird fürElias prächtig hergerichte t, der He ld ist am Zie le seines\Vunsches . Auch hie r zeigen sich bald die Folgen , und

den Schluß bilde t die Geburt e ines M ä d c h e n s . Die

Enttä uschung der Juden we icht bald e iner Hoffnung ,

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES ] UDENTUMS .

logische Begrundung, e in Moment en twicke l t sich ausdem a nderen . und al les ist festgefügt. Aus der unschein

ba ren Sage macht er e ine l ange , verw icke l te Handlung ,in der se ine großen Kenntn isse des j üdischen Glauben s,j üdischer Sitten und Brauche 1) verwertet werden . Nurso lange er diese ausnützen kann

,hat die Sage für ihn

In teresse, a l le s andere wird mögl ichst kurz e rzählt. Erse lbst verstand wohl das Hebräi sche n icht, schein t sichabe r wirk l ich von e inem getauften Juden , wie se in He ld

,

in die j üdische Sagenwe l t e inführen haben lassen . Daß er

sich stark dafür in teressierte und e ine große, wenn auchoft fal sche oder verworrene Kenn tn is davon hatte , gehtn icht nur aus diese r Ste l le

,sondern auch aus anderen

We rken dieses Dichte rs hervor.

So benützt und erzäh l t er im„v i r i d a r i u m h i s t o

d e um”) Geschichten aus dem M a a s e b u ch, auf das ersich als Que l le beruft . Eine dieser Erzählungen, die denTite l

„d e r r a r e Wü n s ch e l r in g

“ führt,wil l ich wieder

geben : Im Lande Utz wohnte ein berühmter Ra bbi , der70 Sprachen kann te und e ine große Jeschiwah (Schule)besaß . Er ware mit seinen Bachurim (Schülern ) glückl ichgewesen , wenn er n icht ein böse s We ib gehabt hätte ,da s ihm das Leben verle idete . Daz u kam n och, daß er

plötzl ich in folge e in er Reih e von Mißge schicken gänzlichverarmte . Da er, der bisher selbst Un terstützungen ausgete il t hatte , sich schän1te , den Leuten zur Last zu fal len ,

Über die j üdischen Messias sagen s . vor al lem die E in

leitung zum Vogelnest von Tittman n S . XXI ff. Doch sind dortauch viele unrichtige und übertriebene Angaben , so ste l lt er diekabbalistischen Anschauungen als solche al ler Juden und vorge

schriebene Gebräuche dar.

„viridarium h istoricum

“,das is t

„historischer Lustgarten ,

aus we lchem anstatt heilsamer,frischer Menschen und Vieh ergui

ckendcr Gewächrzc, hundert außerles ener Geschichten“. S tuck 5„Der gcitzige Korn -Jud

“. Stück 6 :

„Der rare Wunschelring

“.

Stück 55 :„Der wieder aus dem Paradies s gekommene Jud“.

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GR I MM ELSHAUSEN : V I R I DAR IUM .

beschloß er mit e iner An zahl von Schulern,denen er

sein e mißliche Lage m itte ilte,heimli ch aus dem Orte zu

ziehen und in anderen Städten se ine Lehre zu verbreiten .

Wohin er kam , wurde er m it großen Ehr en empfangen .

Das ging so e in ige Jah re,bis se ine Schäler des ewigen

Umherziehen s müde wurden und nach Hause zu zieh enverlangten . Der Rabbi hat sie nur bis über Schabbes

(Sabbat) zu ble iben,vie l le icht wurde Gott ihm m ittler

weil e ein Mase l (Gluck) ode r Bracha (Segen ) bescheren .

Und richtig, al s er an ein Gereisich (Gesträuch) kam , sah

e r ein Wiese l,das e inen kle inen Rin g im Mun de trug.

Er jagte dem Tiere n ach , bis e s den Ring fal len l ieß .

Der Rabbi hob ihn auf und e rkann te sofort, da er ein

großer Chacham (We ise) war, daß es mit dem Rin g e inebe stimmte S egulla (Bewandtn is) haben müsse und verfie lauf den Gedanken, (il) der Ring n ich t etwa ein K ischuff

(Zaubere i) an sich hätte,so daß mit seiner Hilfe alle

Wün sche in Erfüll ung gehen . Er versuchte es , und se inWun sch, einen Sack voll Gold zu besitzen

,ging richtig

in Erfüllung . Da bekleidete und beköstigte er seineJünge r und zog wieder nach Hause . Sein We ib aber

,

das über den großen Reichtum des He imgekehrten er

staun t war,quälte ihn so lange , bis er ihr sein Geheim

nis an ve rtraute . Da be tte l te sie ihm auf e inen Augenblickden R ing ab und verwün schte ihn in e inen Wehrwolf.

Als solche r richte te er im Lande großen Schaden an .

Vergebens war das Bemühen der Leute, se iner habhaftzu werden . Da versprach der König dem jen igen se ineTochte r und das Reich

,der das Land von dem Wolfe

befre ien würde . E in Hofmann Joötz machte sich nun

auf,gegen ihn zu kämpfen . Dre imal wurde er vom

Wolfe besiegt. Doch das Tie r schenkte ihm das Lebenund zog mi t ihm an den Hof. Joötz erhie l t die Handder Kön igstochter und nach dem Tode des Kön igs dieKrone . Der Wolf aber wohnte vier Jahre bei ihm . Eines

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES

Tages schrieb dieser einen hebräischen Vers in den

Schnee,in dem er mitte il te, daß er ein verwun schener

Mensch wäre, die Wohn ung se iner Frau angab und umErlösung bat. Der König wuß te sich in den Besitz desR inges zu setzen , der Wolf wurde wieder Men sch

, ver

wande l te sein e böse Frau in ein e Esel in und erlebtenoch den von ihm ve rfügten Bau e iner Schu l (Tempe l) .

Ich habe die Geschichte genaue r wiedergegeben , weilauch hier, wie im Voge ln est, ein Wundérin strument e inegroße Rol le spie l t. Es ist möglich, daß Grimme l shausenAn regungen zu der Geschichte, die er im Voge lnesterzählt

,aus diesen j üdi schen Maasebüchern nahm .

Auch an anderen Ste l len beschäftigt sich G rimm e l s

h a u s e n mit den Juden und ihren Eigen schaften . SoSprich t er sich über den Wucher der Juden auf dasschärfste aus . I n

„S im p l ic i s s im i w u n d e r l i c h e r

G a u k e l t a s ch e“ 1) befindet sich ein Gedicht

„Mauschals

betreff end“, das ich wegen seiner Origin ali tät hier an

fü hren will

Karger Jud ! Wil tu mehr GoldAuch aus me inem Buch erpressen ,Das ich se lbst gern haben wolt ‘?Du komst mir vor sehr vermessen .

Laß darvor die güld’nen Stück

Springen, die du e ingesch lossen ;Diese laß mir hie r zurück ,Son st machst Du mir schl imm e Possen .

Auch an andere r Ste l le e rgeht er sich in Ausfa l lengegen den Wucher und die Gehäs sigke it der Juden .

I n der„v e r k e h r t e n W e l t“ kommt Simplicius in die

1

) S . Deutsche Dichter des 1 7 . Jahrh . 10, 1 1 . Grimmelsh . ,

S impl ician ische Schriften 1 , 2 . Leipzig 1877 . S . Dazu imOriginal Holzschnitte : I . Eine Reihe Charaktere . I I . Darunter linkse in J u d e

, e i n e n K r e i s m i t e i n em P u n k t a u f d em Ma n t e l etc.

76

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER JUDEN U . DES JUDEN'

I'

UMS .

gutem Gewissen ; der Commissarius weißt auff al le Ausflücht e inen Vorte il , der Jud auff alle Vortei l ein Ausflucht. Die Juden werden auße r Gericht

,der Comm is

sarin s auch im Gericht al s fal sche Zeugen gehal ten .

Der Jud gibt n ichts ve rgebens , der Commissarius thutn ichts umbsonst. Der Jud ist e in Spötter

, der Comm issar ius ein Fretter

,n ach dem Sprichwort

E in Commissarius ohn Lohn,

E in Jud ohn Spott,Mein eyd und Hohn

Scind zwen Buben in der Haut,

Der dritt, der diesen heyden traut.

die Juden und die Commissarn haben e in Gesetzund Freyheit, we l ches heißet Liegen und Triegen , wannes ihnen nur e inträgt . Die Juden “Seynd die Marcksauger

der Ch risten , die Commissarii die Blutsauge r der Christenetc. Also daß kein Volck under Mäuschen zu finden

,

die e i nander gleicher seyen al s ein Jud und ein Com

missarius .

In folge dieser Ahn lichkeit hassen sie auch einander,sie sind gegense itige Rivalen

, „deren jeder gern hätte ,

was e inem anderen zusteht“. D ie Handlung se lbst istNeben sache . Der K ommissarius ist Ank lager gegen e inenSch re ibe r, der ihn Dieb genann t hat. Bedeutender s inddie Leh ren

,die der Jude , „griingelblich mit e inem bre iten

schwartzen Bart vnd langen Habichs-Nasen“, dem K om

missarius gibt : Er mein t, der Komm issar sol le sich nachden Italien e rn richten , deren erste r Wunsch in der Frühese i

„Gesundhe it und Gewinn“. Wer wirkl ich gewinnen

wo l le, dürfe sich n icht um den guten Namen kümmern ,s ich n icht schäm en

,se lbs t m it dem Korb auf den Markt

zu ge h en, wie e s der Jude tue , dann we rde ihn n iemand

be ste h len kön nen , da s se i das e in zige Mitte l , das e rwor

be ne Gut auch wirkl ich zu erhal te n .

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MO SCHEROSCH GESICHTE , PH I LAN DER .

Der Jude ist al so doch tüchtiger, ge rieben er alsder K ommis sarius , er gibt ihm Ratschl äge . So gibtMoscherosch trotz al ler Fein dse l igke it im Ton doch dieR ü h r i gk e i t d e s J u d e n zu .

Vie l strenger und schärfer geht er mit den Judenim Ph i l a n d e r

_

i n f e rn a l i s l ) zu Gericht . Wie Grimm els

hausen knüpft Moscherosch an einem Weg durch di e

Höl le an , um se in e Äuß erungen über die Juden vorzu

bringen . Doch während Sim pliciu s dem Ju lian us nur

e inen kurzen Bericht über di e Lage der Juden oben in

der We lt gibt, macht E xp e r t u s eine n R undgang durchdie Höl le un d beschreibt im Angesichte der Qualendie ser Verdamm ten ihr e Verbrechen auf der Erde . Sokomm t er auch zu den Juden : Da ist vor al lem J u d a s ?)mit se in en Juden, leicht erkenn tlich an ihren ge lben Hüten ,den ge lben Ri nglein

v

an den Kl eidern , Judas hat auß e rdem n och e in en Strick um den Hal s . Für das Verbrechen ,das sie an Jesus begangen haben , müssen sie fürchter

l iche Strafe e rle iden . Sie werden hin und her geschleift,mit Geiße ln und eise rn en Sporen geschlagen , an s Kreuz

gehefie t, kurz, al le Mis setaten , die sie an Christus verübthaben

,werden an ihnen j eden Freitag wiederholt . Exp ertus

is t ganz entsetzt über diese Qualen , besonders aber, daer sieht, daß die Juden nach den erlitten en Martern in

die bren nenden Kl üfte geworfen werden , und ihnenSchwefe l und Pech in die Hälse gegossen wird .

Er geht weiter und kommt in den Ra um,der die

wegen “’uchers und Betrugs schmach te nden Juden 3)

behe rbergt . Dieses Quartier ist schon fast ganz vol l un dfortwährend werden noch neue Opfer gebracht . Um

Phi lander infernal is , Vivo R edivivus apparens . Das ist

Se ltzame Wunderbarliche Visiones , Formen , Ges ichter und leiblich eGesta lt Phi landers von S ittewal t . Franckfurt bev Joh . Gottfr.

Schönwettem 1648.

S . 63 7 . S . 766 ff.

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG ER

gutem Gewissen ; der Comms ar1flücht einen Vorteil, der Jua aufflucht . Die Juden we rden .ißer

sarin s auch im Gericht al fa]Der Jud gibt n ichts vergeha ,

c

n ichts umbsonst. Der Jud is einsarius ein Fretter, n ach dem prit

E in Commissarius oh LoE in Jud ohn Spott

,Iein <

Scind zwen Buben inderDer dritt, der diesen ) evd

die Juden und die Conn iss

und Freyheit, we lches heißet .isgees ihnen nur e inträgt . Die Jucn S t

der Christen , die Commissarii ce Bletc. Also daß ke in Volck ude rdie ei nander gleicher seyen eir

missarius .

In folge diese r Ahn lichkmhassrsie sind gegenseitige Rivalen

,dere

was e inem anderen zusteht“. Die

Neben sache . Der K ommissarius s t ASchre ibe r

,der ihn Dieb genau hat.

die Lehren,die der Jude , „grunelb licl

schwartzen Bart vud langen Haichs-l

m issarins gibt : Er me in t, der mm is

den Italien ern richten , de ren creer Wu

sei„Gesundhe it und Gewinn“. Wer

wolle, dürfe 3

sich n ich tzu gehen

,

be stehlenbene Gut

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VERSPOT'

I'

UNG U . SCHMÄHUNG DER ] UDEN U . DES JUDEN'

I'

UMS .

gen ugenden Platz fur die ankommenden Juden zu haben ,werden die chr istlichen Kräm er an ein em anderen Orteun tergebrach t. D ie Geister , we lche das Geschäft de sSchleppen s besorgen, sind durch die große Arbeit schonkrumm und lahm geworden . Im Innern dieses Raumessieh t es schrecklich aus . E in höllischer Lärm wie in einerJuden schu le“ a l le jammern und stöhnen vor Schmerzen ,

die großten Qualen haben aber die Rabbinen zu erdulden ,

diese Leute , we lche daran Schuld sind, daß die Judenam Talmud und se inen Irrtümern festhal ten . Was müssendiese al les erleiden ! E in Teil wird m it glühenden Zangenauseinandergerissen , e in Te il gespießt und gebraten , e in

Te il zerschn itte n und mit siedendheisem Blei wiederzusammengelötet, den e in en werden Nase und Oh ren ,

Hände und Füße abgeschn itten , den anderen die Zungeaus dem Hal s gerissen (wegen der Lästerung gegenCh ristus), die e inen werden gehenkt, die anderen geköpft,mit K roten und mit Schlangen gepe inigt .

So kann der Dichter sich gar n icht genug tun inden Strafen der Juden ; was an Martern ein fanatischerKopf nur ersinnen kann , wird hier an den Juden verübt,und da man im Leben und in der Wirk lichke it dochn icht al les so recht ausführen kann , so wird die E in

kle idung e ine r Höl len szen e gewahlt,in der die Phan tasie

re ich l ich sehwelgen kann . Was haben aber auch die

Juden im Leben al le s ge tan ! Wahrl ich , wenn man die

Aufzäh lung der Schlechtigke iten l iest, die der Postil londer Begle iter des Expertus, gibt, so begreift m an die

Strafen : „Im Kaufen und verkaufen

,lügen und trügen ,

wuchern und ste hlen , Junge und Alte in s Verderbenbringen , die Hausgenossen zur Untreu und die Diebezum Diebs tah l ve ran lassen ,

den Diebstahl abnehmen ,Burge r und Bauer in der Zah l ung des Ge ldes betriigen ,de n Wuch er bis auf 30 per cen to unmenschl ich e rhöhen ,die Notarios m it Ge ld bestechen

,die Handschriften von

— 80

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BUCHHOL'

I'

Z : HERCULISCUS .

einfä l tigen Leuten bei den N otariis auf Gericht zu sichnehm en , aber das Ge ld dam ach n icht bezahlen , jedochaber, daß es geschehen sei

,bei der Obrigke it mit jüdi

sobem Eyd behaupten , den Diebstahl verschweigen , ihreSchatzung n ich t recht anzeigen

,und dadurch die Ohrig

keit betrügen , heim l ich al le Buben stücke, auch die grenliebsten , verdüstern , die Christen täglich verschreien und

v e rfolgen , sie als Goim betrügen, und daß e s ke ineSünde sei, die Goim zu betrugen

,offentlich lehren

,in

Gerichten al les leugnen und falsche Eyde darüber schworen

,und endlich Christum,

ihren Messias verleugnen und

tägl ich lästern und. dann in Summa solche Lasterbegehen , we lche son sten un ter Menschen , auch un terHeyden , ja von den Teufe ln se lbst n icht haben erdachtwerden können“ das al le s und n och vie l mehr tundie Juden , und Expertus zwe ife l t n icht mehr, sie be

kommen ih ren ewigen Lohn in diesen höll ischen Flammen .

S o g i b t Mo s ch e r o s ch e i n e Z u s a mm e n f a s s u n ga l l e r D in g e , w e l c h e d e n J u d e n v o rg ew o r f e n u n d

d e r e n tw e g e n s i e v e rh ö h n t un d g e s c hm ä h t w u rd e n .

D a s i s t w o h l d e r H ö h e p u n k t i n d e r S c h i l d e r u n gj ü d i s c h e r M i s s e t a t e n b e i d e n D i c h t e r n d i e s e rJ a h r h u n d e r t e . Wo imme r son st Juden als schlechteMen schen dargeste l l t wurden , we rden ihnen Laster zum

Vorwurf gemacht, die auch Moscherosch aufzählt.Auch B u c h h o l t z wiede rhol t e inige Vorwurfe in

se inen Romanen . Trotzdem ihn die Stoffe se in er Arbe itenin fremde, ferne Gegenden und ande re Ze iten führen,so sucht er doch imme r Beziehungen zu den Zeitver

hältnissen . An vie len Ste l len findet er Gelegenkeit,

seine r Abne igung gegen die Juden in eingestreuten Episoden Ausdruck zu geben . I n „

H e r c u l i s cu s u . H e r c u

l id i s l a“ ze igt er, wie der Haß der Juden gegen die

Christen dre i Juden von Tyrus veran laßt, e inen le ibe igenen Christen aufs schmählichste zu behande ln . Die

— 81

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER ] UDEN U . DES JUDENTUMS .

Juden werd en al s grausame Leute geschilde rt, denen jedeTat gegen die Christen recht ist. Der unglücklicheSklave wird aber von den He lden de s Roman s

, di e

überhaupt e in e Art waltende r Gerechtigke it vol l führen ,gerettet , die Juden werden damit bestraft, daß S ie in nerha lb e iner bestimmten Frist die Stadt Tyrus verlassenmüssen .

Befre ien die He lden hier einen Leibeigenen aus derHand der Juden

,so gil t es später

l ) sich se lbst e ine rjüdischen Karawan e

,von der sie angegriffen werden ,

zuerw eh ren . Das tun die He lden auch gegen e ine großeÜbermacht mit Leichtigkeit, töten e inen Teil und machendie anderen zu Gefangenen . Mit anderen Juden , die denGefangenen zu Hil fe kommen , verfahren sie auf diese lbeWe ise . So geben sie

„der j üdischen Rotte“ den gebührenden

Lohn fü r die Schandtaten , di e sie in ihrem He imatsortea n den Christen verübt haben . Die Gefangenen we rdenn ach Jerus alem vor den Richter geführt. Diese r zeigtsich anf angs al s Freund der Juden

,da er von den He lden

Rechen schaft über die gefangenen Juden fordert, erst wieer den kai serlichen Ilk eibrief s ieht, wird er gefügig und

tut, wie ihm aufgetragen wird . Auf das Verlangen der

ch ristlichen Sieger werden die Juden da zu ve rurteilt, dieStadt zu verl assen und ihre Habe abzuliefern .

Noch e inmal 2) werden drei Juden ,'

we lche schöneDiamanten und Kostbarke iten zum Kaufe anbiete n , inTyrus für ihren Betrug bestraft. Die Juden legen n äm l iche rs t echte Steine vor, ve rtauschen sie aber dan n mit

mindem ertigen , un echten . Doch da die He lden ermahntwe rden s ind, auf der Hut zu sein , „

daß ihnen die rechten

ge liefe rt werden , denn wer mit einem Juden hande l te ,müßte gar n icht zweife ln , daß er

’s mit e i nem betrieglichen

Buben zu tun hätte “, erkennen sie die Arglist und führ en

m . , 20. IV. 28.

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VERSPOTTUNG U . SCHMÄHUNG DER ] UDEN U . DES jUDENTUMS .

eine gehässige Stimmung gegen die Juden . M o s ch e ro s ch

und B u c h h o l t z werfen ihnen die alte Beschuldigung vor,daß s ie W u ch e r tre iben . Dieses Ge schäft der Judenhatten seit jehe r die Dichter getade l t, der j üdische Wuchererwar schon im 1 6 . Jahrhundert e ine bekann te Figur inden Dramen dieser Zeit. Mo s c h e ro s ch w i e d e r h o l t en u r d a s, w a s a n d e r e D i c h t e r v o r ihm g e s ag t un d

g e s t a l t e t h a t t e n .

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DER JUDE ALS WUCHERER.

Wenn die Dich te r des 1 6 . und 1 7 . Jahrh .

die Figur des Juden dichterisch ve rwerteten , so ist es

naturlich, daß sie ihm di e Ste l lung e in räum ten , di e er

im Leben Deutschlands hatte . Diese Lage war nun e inedoppe lte, insofern man die Juden al s arbeitende , schaffende Wesen

,als Men schen

,die ihrem Berufe

,ihren

Neigungen n achgehen , auffaßte , und in sofern sie alsJuden Verfolgungen von den um sie wohnenden Völkernerduldeten .

Der Beruf der Juden n un in den genann ten Jah rhunde rten war das G e l d v e r l e i h e n , d e r Wu c h e r, und

es ist selbstverstandlich, daß der Jude als Wuchere r inden deutschen Dichtungen dieser Ze it e ine große Rol lespie l t, wenn auch n icht eine so große

, wie man es bei

der Verbre itung der Juden in deutschen Landen und bei

der Bedeutung, die sie al s Geldmakle r hatten,erwarten

sol lte . Um die Behandlung der Juden al s Wuchere r beiden deutschen Dichtern und ih re An sicht vom j üdischenWucher genau kennen zu lern en ,

wi rd es nötig sein,sich

die gesch ichtliche Ste l l ung der Juden,sowe it sie auf den

Wucher Bezug hat,zu vergegenwärtigen .

1)

1

) S . S tobbe , Geschichte (1. Juden Deutschlands wahrend d.

Mitte lalters . S . 104 ff.

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DER JUDE ALS WUCHERER .

Es ist heute e rwiesen , daß die Juden sich nur

gezwungen und nur deshalb, we il ihnen alle Wege , aufmdere We ise ih ren Leben sun te rhal t zu verdienen

,ab

gespe rrt waren , zum Ve rdi en ste durch das Ge l dve rleihen

griffe n . Solange die Juden in Deutschland ohne BeschränkungHande l treiben du rften ,

und das war bis zum Beginnde s 1 2 . Jahrhundertes der Fal l haben wir ke ineNach richt, die besagt, daß sie Wucher getrieben hätten .

Dieses Verhältn is änderte sich m it den Kreuzzügen . Gle ichbeim Beginn e derse lben wurden die Juden ,

gegen we lchesich j etzt der re ligiöse Fanatismus und e in e nationaleAn tipathie e rhob

,überal l verfolgt und in e ine verachte te

Ste l l ung herabgedruckt. Die Kaufleute sch lossen sich inGenossen schaften fest zusammen

,zu we lchen dem ver

achteten Juden der Zutritt versagt wurde, er durfte n ichtmehr den Großhande l betre iben , durfte n icht auf Messenund Märkten e rschein en , er wurde vom We l thande l zurückgedrängt und auf den Schacher und Wuebe r besch ränkt .So wurden kle ine und große Darlehen m it und ohne

Pfände r, der E in und Verkauf von gebrauchten Sachen

ihr Hauptgeschäft. Mochten sie auch hie und da v ie l le ichteinze l ne Gewerbe betreiben oder Grundbesitz e r werbendürfen , ihre hauptsächliehste Erwerbsque l le war seit denK reuzzugen d e r Wu c h e r, das zinsbare Darleh en , sei es ,

daß s ie dem armen Bürger oder dem Handverker, der

s ich in Ge ldn ot befand, kleine Summen auf beweglichePfände r vorstreckten , sei e s

,daß sie den Kai sern

,de n

we l tl ichen oder geistl ich en Fürsten,den R ittern und

Kn ech ten gegen die Verpfz'

indung von GrundstückenDa rlehen gaben ,

we lche für jene Ze it gera dezu a ls e normbe trach te t werden müssen .

Dem Wu c h e r ve rda nkte es der Jude des Mitte l1 lte rs , da ß ihm trotz a l le s Na tiona lhasses und re l igiöse rUnduldsamke it fast übe ra l l der Aufen tha l t gestattet wu rde ,ihm hatte er es auch zuzusch reiben , wenn von Ze it z u

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DER JUDE ALS WUCH ERER .

zume ist Ge istliche, den jen igen , der Christus um 80

Silbe rl inge verkaufte, al s schachernden , hande ln den Juden,darstel l te n und so eine Verbindung mit den zeitgen össischenJuden he rs te l l ten . Die Entwicklun g di eser Absicht läßtsich in den Passion spielen genau verf olgen .

Während jen e Szene in der S t . G a l l e n e r P a s s i o ndes 14 . Jahrhundertes mit sechs Versen abgetan wird,en twi cke l t sie sich später zu e iner mit e iner gewissenAbsichtl ichke it ausgedehn ten Episode .

1) I n der gen annten

Passion ?) fragt Judas den Kaiphas, was er erhalte, wenner Jesus verrate . Da man ihm 30 Pfenn ige biete t

,me in t

er : es ist werliehe wolveil, doch gebe ich in uch an urseil und der Hande l ist fe rtig .

I n der D o n a u e s c h i n g e r Passion aus dem 1 5 .

Jahrhundert s ind es die Juden,we lche an Judas mit der

Aufforderung, Jesus zu ve rraten,heran treten . S ie bieten

ihm 30 Pfenn ige „im gütem Ge lde

“und dazu noch ein

gut Geschenk“

. Judas ist sehr zufrieden„das ist ein

hübsch gel t, ich bin ihm hold“

.

Am bre ite sten und mit e inem sichtl ichen Behagenist diese Ste l le al s Feilsch und Schacherszene im A l sf e l d e r Pa s s io n s p i e l (15 . Jahrh .) 3) da rgeste l l t. Judasbietet sich se lbst zum Verrat an :

„wolt er mer geben

ein k le in gut, ich vorradden em sin leben und sin blut“.

Und er schl ägt ihnen se lbst ruhig vor :„ich enwe l uch

n it uberdingen : gebe t mer drißigk schil linge“

. Doch denJuden ist dieser Pre is zu hoch :

„sol ln mer al so th ier

1

) I n einer Munchener Handschrift aus dem 13 . Jahrhunderterfolgt die Annahme des Angebotes ohne jeden Widerspruch : Judas :„O pontifices , o viri magni consilii , Jesum volo vobis tradere .

Pontifices : 0 Juda , si nobis Jesum iam tradideris , triginta argenteis

remuneraberis . Judas : Jesum tradam cred its , rem promissam mihisolvite , turbam mecum deducite , Jesum caute deducite“

2) Gedruckt be i More , altdeutsche Schauspie le I .Hera usgegeben v. Greinz. Die Szene Vers 3 150—3257 .

— 88

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ST. GALLENER , DONAUESCHINGER , ALSFELDER PASS ION .

kéuffen un ser gnoss“

. Schl ießlich erkl ären sie sich bereit,30 Pfennige zu geben . Er ist damit sofort e inverstanden

„e hie solde gen esen

,ich gebe en e umb e in o penn ig

(ehe er heil davonkommen sol l , gebe ich ihn auch um

einen Pfennig). Kaiphas zahlt ihm nun langsam di e 30

Pfennige auf, e in en nach dem anderen vorzähl end, immernachdem er ernrge gezähl t hat, e rm ahn t er den Judas

,

er solle sich überzeugen , ob es so recht ist und die

Pfennige echt sind. Sobald er fertig ist, fordert er ihn

auf : Gebrichs t Dir e twas,so red und m it n ichts swig !“

Judas setzt nun all es mogliche aus an den Pfenn igen

„d er penn igk ist roit, disser ist krank, dis ser ist doch

zurissen , disser hot ein hole, di sser hot‘

ein fal sch ze ichen,

di sser ist doch swarcz, di sser ricz' ist zu maile langk,

der ist blien “. An fangs g ibt ihm Kaiphas andere Pfenn igefür die bean ständeten

,doch schließlich ve rliert er die

Gedul d und ruft : Judas woll est du dich hen cken,hie

gulde dir ein strangk, wil tu un s disen tagk gehigen“

.

Doch Judas läßt sich nich t aus der Ruhe bringen und

erst bis ihm al les nach se in em Wunsch getan ist, ist er

zufri edengeste l l t und wil l tun, was man von ihm begehrt.

So zeigt sich imme r di e Absicht der Dich ter, dieseSzene zu e iner S ch a ch e r s z e n e umzugestalten und auf

diese We ise An sp ie l ungen auf die Zeitverhältn isse zu

geben .

Nicht m inder ist das bei der zwe iten Ste l le der

Fal l , die ich vorh in e rwähnte,der Szene , in der der

Krämer se ine Sa lben anpreist und sie Ma rien verkauft.I m ä l t e s t e n d e u t s c h e n Pa s s i o n s p i e l

! ) schon wirde in Krämer vorgeführt (palten aere, auch late in isch in stitorgenannt), der wre ern Jude des Mitte la l ters behande l twird . Denn er muß nach e inem Bra nche , der in diesenJah rhunde rten gegen über den Juden gal t

,sich ve rpflichten

1

) S . K urz’sche Beiträge zur Gesch . 11 . Literatur 11 . Pfeifer,

Germania V I I I, S . 273 ff.

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DER JUDE ALS U CHERER .

zume ist Geistliche , den jen ige der Christus um 30

Silberl inge verkaufte, al s schachrnden , handelnden Juden,darste l lten und so e ine Verbindug mit den ze itgen össischenJuden he rste l lten . Die E ntwrklung diese r Absicht läßtsich in den Passion spielen genu verfolgen .

Während jene Szene in (h S t . G a l l e n e r P a s s i o ndes 14 . Jahrhundertes mit sehs Versen abgetan wird,en twicke l t sie sich spate r zu ine r mit e ine r gewissenAbsichtlichke it ausgedehn ten E isode .

1) I n der gen anntenPassion 2) fragt Judas den K aihas , was er erhalte, wenner Je sus verrate . Da man ihm 30 Pfenn ige bietet, me inter : es ist werliehe wolveil, d h gebe ich in uch an ur

seil“, und der Handel ist fe rtiI n der D o n a u e s c h i ng r Passion aus dem 1 5 .

Jah rhundert sind es die Juden .welche an Judas mit derAufforderung, Jesus zu ve rrate heran tre ten . S ie bietenihm 30 Pfenn ige

„im gütem G de“ und dazu noch ein

gut Geschenk“

. Judas ist se‘ zufrieden das ist ein

hübsch ge l t, ich bin ihm hold“

Am bre ite sten und mit e em sichtl ichen Behagenist die se Ste l le al s Feilsch nurSchacherszene im A l sf e l d e r Pa s s io n s p i e l (15 . Ja h .) 3) darge ste l lt. Judasbietet sich se lbst zum Ve rrat

„wolt er mer geben

ein k le in gut, ich vorradden en sin leben und sin blut“.

Und er schl ägt ihnen se lbst ru'

g vor : „ich enwel uch

nit uberdingen : gebe t mer drißik schil linge“. Doch denJuden ist die ser Preis zu hoch sol ln mer al so thier

1

) I n einer Munchener Handscl f r aus dem 13 . Jahrhunderterfolgt die Annahme des Angebotes oh jeden Widerspruch : Judas :„O pontifices , 0 viri magni consilii Jesum volo vobis trade1'8 .

Pontifices : 0 Juda , si nobis Jesum ia tradideris , triginta argé nteis

remuneraberis . Judas : Jesum tradam redite , rem promissam mihisolvite , turbam mecum deducite , Jesur caute deducite

“.

Gedruckt bei More , altdeutsa Scha uspie le I .3

) Herausgegeben v. Greinz. ) ie

— 88

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DER JUDE ALS WUCHERER .

e ine Summe Ge ldes zu-

'

zah len , dami t ihm freies Ge leitegewährt werde . Er erklärt sich auch bereit, für dieErlaubn is

,seinen Kram aufschlagen zu dürfen , zwanzig

Pfund Gold zu zahlen , doch erst dann , bis er se ine Wareverkauft habe und verpflichtet sich nur

,n icht abzur e isen,

ohne Urlaub von Pilatus genommen zu haben . So isth ier das Gesetz der damal igen Zeit ganz verquickt mitden Personen des Passionals und e in e Szene eingefügt,die nach der Erzäh lung der Passion gar n icht hiehergehört.

Mit großter Beredsamkeit preis t er übrigen s seineWare an und sucht s ie an den Mann zu bringen :

„die

drie bühsen die sint vol l,daz spriche ich uf min triuwe

der selben salben niuwe, uh ir die chouffen wellent, sö

Wil ih daz ir cellent dar umbe mit gedinge mir zwencic

shil lings , dez ca laze ih nih t ein ort“ 1) fügt er en ergi seh hinzu .

Im \Vo l f e n b ut t l e r n i e d e r d e u t s c h e n O s t e rs p i e l ?) preist der Krämer sein e War e erst lateini sch an

und dann deutsch . Hier sagt er gan z offen , daß seineSalben sehr gut für den heiligen Le ichnam Christi seinwerden

,so daß er offenbar weiß, wofür die We iber die

Salben brauchen . Doch nicht nur die Salben , sondernauch ar sedige Arznei verlangen sie von ihm , die er

ihn en auch verkauf t. Er sagt :„ik han vors loten minen

lif nach arsedig men nich iar“(ich habe aufgebraucht

me inen Le ib nach Medizin manches Jahr) . 3)

1

) „ort“ vierter Tei l eines Gul dens , hier wohl „

Hel ler“.

Gedruckt bei Sehönemann S . 149 ff .Der j üdische Kaufmann ist also hier auch Medizinman n .

Wenn man wil l,kann man darin die An fänge des j üdischen K ur

pfuschers sehen ,den Hans Sachs dann ausgesta ltet hat. Auch im

Wiener Osterspie l vom Jahre 1472 (8 . folgende Seite) kommt indies er Szene ein Arzt vor, dessen Kunst vom Diener R ubin in

marktschreierischer Weise angepriesen wird .

— 90

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PASSIONSPIELE . SACHS : BESCHREI BUNG ALLER STANDE .

Nicht vie l anders benimmt sich der mercator inder W ie n e r H an d s c h r i f t d e s O s t e r s p i e l e s vomJahre 1472 . Dort ist aus dieser Szene eine B u r l e s k e nEp i s o d e gemacht. Dem Kräme r steht der DienerR ub i n zur Se ite . In langem Wortschwal l preist er

se ine Ware, und a ls der Diener sich e inmal entfernt,zankt er ihn aus :

„du soll est hier keufen und verkeufen

und die leute wohl t e u s ch e n un d l e i c h e n “. So wirddem Kaufmann schon eine betrüge rische Absicht zugeschrieben .

Diese Figur des jüdischen Wuchere rs geht nun

aus den g e i s t l i c h e n S p i e l e n in di e Fa s t n a ch t sp i e l ed e s 1 6 . J a h r h u n d e r t s über. Al lerdings wird in den

we l tl ichen Dichtun gen f r ü h e r e r Jahrhunderte der Judeal s Wucherer auch gen ann t. 1) Aber als d r am a t i s c h eFigur komm t er erst bei S a c h s vor. In den Fastn achtspie len des 1 5 . Jahrhundertes sucht man vergeben s n achihm . Und doch muß der Jude in diese r Eigen schaftauch schon dam als überal l bekann t gewesen se in . Wardoch die Vorste ll ung vom Juden mit der des Wucherers so eng be i den Dichte rn verknüpft, daß Han sS a c h s rm Gedichte

„B e s c h r e i b u n g a l l e r S t än d e“,

in dem er den Kaufmann s den Handwerkstand und

andere bespricht, auch den J n e d a ls besonderen Standeinfüh rt und ihn folgende Verse sagen läßt :

„ich pin n icht umbsun st ein Jüed genan t,ich le ich nur halb ge lt auf ein phant,Löst man s n it zu gesetztem zil,So gil t es mir den noch so vil ,

Freidank (13 . Jahrh .) singt : „swaz verstat in homer haut

lihter loest ma n juden phant“ (ed . Grimm S . U lrich von

Lichtenstein sagt :„do muosten dan ze den juden varn s i al di da

gevangen warn , man sach s i setzen a lzehant, vil maneger sachenkoetelichez phant.

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DER JUDE ALS WUCHERER .

Darmit verderb ich den losen hanffen ,die gern feyern , fressen und sauf fen .

Doch n embt mein hande l gar n it ab,

Weil ich me in s gleichen vie l prüeder hab .

So ist bei S a c h s der J u d e g l e i c h b e d e u t e n dm i t Wu c h e r e r, und fur das Wort Jude kann man

richtig Wuch erer e in setzen , wenn er sagt :„me in werg

zeng und pet zu Schwaibach un te rn Juden ste t. 1)Seit dem 1 5 . Jahrhundert wurde im Zusammenhang

mit dem j üdischen Wucher bei den Dichte rn ein feste sBild gebräuchl ich, das Bild vom

„Jud e n s p i e s s

“.

Dieses Wort, das nur in der Zusammen se tzung

„m it dem Juden spieß rennen

“2) angewendet wird, ist n ieauf Juden se lbst bezogen , sondern nur auf Christenmit wucherischer Gesinn ung . Man hat wohl bei diesemAusdruck an das Hasten und Rennen der dem Erwerbnachjagenden j üdisch en Wucherer gedacht. Das Wortfindet sich bei einer Anzahl von Dichte rn des 1 6 . Jahrhundertes

,so sagt B r a n t (Laien spiegel 1 509 , Schluß)

1

) H . Sachs , den wucher und ander peschwerd betre ffend 1557 .

Heyne (s . Grimm , Wörterbuch IV . 2) meint,daß die

Phrase„m it dem Judenspiesz rennen“ sich an das Turnierwesen

an lehn e :„Wie eine ganze R eihe von bildlichen Ausdrücken davon

entnommen wurde , die zum Teile bis heute dauern , so ist auchdas Streben nach Gewinn unter dem Bilde eines R ennens mit

Speer oder S pieß gefaßt, und der Volkswitz ha t die un lautereWaffe , die bei diesem R ennen gebraucht wird , ein en

„Judenspieß “

genannt. Dem gegenüber erklärt giidemann (Erziehungswes en derJuden I I I . , S . 276) die Bezeichnung des Wuchers als eines S pießesund den Gebrauch der Phras e

„m it dem Spieße drrrchbohren

“in

dem Sinne von Wucher treiben als aus dem Italienischen stammend .

Von dorther kam das Bi ld nach Deutschland , wie so vie le auf

Hande l und Finanzwes en bezügliche Ausdrücke aus dem I ta lienischen ins Deutsche iibergegangen sind“. G . weist an Beispie len aus

italienischen Dichtungen und Predigten nach , daß die Tätigkeitde s Wucherers unter denr Bilde eines Menschen dargestel lt wurde ,der einem anderen Pcits che nh icbe oder einen Stich (stoccata ) mit

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DER JUDE ALS WUCHERER .

Darm it verderb ich den losen hanffen ,die ge rn feyern , fre ssen und sauffen .

Doch n embt m ein hande l gar n it ab,

Weil ich me ins gleichen vie l prüeder hab .

So ist bei S a c h s der J u d e g l e i c h b e d e u t e n dm i t W u c h e r e r, und fur das Wort Jude kann man

richtig Wuche rer ein setzen, wenn er sagt :„me in wer

g

zeug und pet zu Schwaibach un te rn Juden stet. 1)Seit dem 15 . Jahrhunde rt wurde im Zusammenhang

mit dem j üdischen Wucher bei den Dich te rn ein feste sBild gebräuchl ich

,das Bild vom

„Jud e n s p i e s s

“.

Dieses Wort, das nur in der Zusammen setzung

„m it dem Juden spieß rennen

“ 2) angewendet wird, ist n ie

auf Juden se lbst bezogen,sondern nur auf Christen

mit wucherischer Gesin n ung . Man hat wohl bei die semAusdruck an das Hasten und Renn en der dem Erwerbnachjagenden j üdischen Wucherer gedacht. Das Wortfindet sich bei e in er An zah l von Dichte rn des 1 6 . Jahrhundertes

,so sagt B r a n t (Laien spiege l 1 509 , Sch luß)

1

) H . Sachs , den wucher und ander pes chwerd betreffend 1557 .

2

) Heyne (s . Grimm , Wörterbuch IV . 2 ) meint, daß die

Phrase„mit dem Judenspiesz rennen “ sich an das Turnierwesen

an lehne :„Wie eine ganze R eihe von bi ldlichen Ausdrücken davon

entnommen wurde , die zum Tei le bis heute dauern , so ist auchdas Streben nach Gewinn unter dem Bilde eines R ennens mit

Speer oder Spieß gefaßt, und der Volkswitz ha t die un lautereWaffe

,die bei diesem R ennen gebraucht wird

, ein en„Judenspieß

genannt. Dem gegenüber erklärt giidemann (Erziehungswesen derJuden I I I .

, S . 276) die Bezeichnung des Wuchers als eines S pießesund den Gebrauch der Phrase

„mit dem Spieße durchbohren“ in

dem Sinne von Wucher treiben a ls aus dem I talienischen stammend .

Von dorther kam das Bild nach Deutschland , wie so viele auf

Handel und Finanzwesen bezügliche Ausdrücke aus dem I ta lienischen ins Deutsche iibcrgegangen sind“. G . weist an Beispie len aus

italienischen Dichtungen und Predigten nach , daß die Tätigkeitdes unter dem Bilde eines Menschen darges tel lt wurde ,der einem anderen l’e itschenhiebe oder einen Stich (stocca ta ) m it

_ 92 _

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SACHS, BRANT : DER ]UDENSPIESS .

so rennen vil mit juden spiesz und suchen al lweg aigen

geniesz“ oder derse lbe (Narren schiff 7 6, mancher

wil l ede l syn und hoch, Des vatter doch macht bum lebum , Und mit dem küffer werek ging umb, Oder hatsich al so begangen , Das er vacht mit eynr staheln stan

gen Oder ran t mit eym j u d e n sp i e s z Das er gar vie l zuboden stiesz

“.

Aueh S a c h s bedien t sich dieses Ausdruckes an

eine r Ste ll e, in der er den Christen wegen ih re s wucherischen Tre iben s Vorwürfe macht

zum vierdten sint die j uden vil zu wen ig,Sun st dorften die christen mit solcher men ig

Nit renn en mit dem judenspiesz,mit borgen und mit le ihen, mit popitzen ,verkauffen und finan zen ,mit schwinden griffen und mit alefanzen

B r a n t sagt in ähn l icher Absicht (Narren schiff93 , „

gar lydl ich wer der j uden gesuch (Wucher),Aber sie mögen n it me bliben , Die c h r i s t e n - j u d e n sie

vertrieben, Mit juden spiesz di ese lben renn enEine Sch rift aus dem Jahre 1 541 ist geradezu

„D e r Ju d e n s p i e s z

“ betite l t. Auf dem Titelblatte i stein Man n mit e inem Spieße abgebildet, darun ter stehendie Worte

dem Stoßdegen oder Spieß in die Flanken versetzt. I n Italienwurde der S pieß in der Bedeutung von Wucher niemals als das

aussch ließliche Attribut der J u d e n bezeichnet, erst in Deutschlandha be man den Spieß zum

_„J u d e n s p i e ß

“ gestempelt. GegenG .

’s Erk lärung , die mir im allgemeinen die richtigere zu sein

scheint, möchte ich nur einwenden ,daß im 16 . Jahrhundert schon

die A nsicht vorherrschend war, daß die Phrase dem Turnierwesene ntnommen sei. Murner hat n ämlich zu der S tel le , d ie den Tite l„Mi t d em J u d e n s p i e s z r e n n e n “ trägt (N arrenbeschworungS tück einen Holzschnitt

,der ein T u rn ic r zwischen einem Narren

und Fürsten gegen einen Juden , der seinen Spieß verloren hat,

darste l l t. Vor dem Bilde steht :„der juden sind n it gnug uf erden ,

so die christen wuchrer werden

93

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DER JUDE ALS WUCHERER .

„der juden spiesz bin ich genann t,Ich fahr daher durch al le landVon grossen jüden ich sagen Wil

D ie schaden dem l and thun in der stil“.

Die kleine Schrift hande l t von den Ch r i s t e n , welchemit dem Judenspieß rennen , Wucher treiben und den

armen Le uten das Ge ld nehmen . Der Verfasser ist offenbar e in Geistl icher.

Er se tzt das we l tl iche Tre iben in Gegen satz zumge istl ichen , das darin besteht, sich und sein e See le zuGott zu e rheben und an das Ende zu denken . Mit e inergroßen Be lesenheit bringt er Beispie le aus der Geschichteund Bibel , die bewe isen sol len, daß es den en , di e nur

n ach Ge ld strebten , n icht gut gegangen ist, und daß sie

mit al l’ ihrem Reichtum sich doch vor dem Tode n ichtschutzen kon n ten : Man habe die Juden vertrieben

,um

nur se lbst ungestort statt 10 Gulden 1 1 zu verlangen ,

auf al len Wegen und Stegen , auf den Bergen oder imTale , am Markte oder auf den Gassen gebe es Leute ,die m it dem Judenspieß rennen ; e s gebe ke inen wahrenCh risten mehr, alles sei bestochen

„wer je tzt die hand

n ich t silbern kan n , der muss auch hinte r der Thüre stahn “.

Und doch sei das Große auf Erden durch die Armutgekommen .

„Das römisch Re ich und sein hoher nam

a nfeng llich aus armut he rkam“

. Als e s re ich und mächtigwurde , ging es daran zugrunde . Der Ve rfasser schließtmit dem Wunsche , daß die Christenhe it vom Rennen mitdem Juden spieße ablassen möge .

Die angeführte n Ste l len sind e in Beweis dafur, wie

al lgeme in der Ausdruck und die An sicht der deutschenDichte r war übe r die Beschäftigung und das Gewerbebe i dem Volke , mit dem diese Bezeichnung ve rknüpftwar. S ie zeigen abe r auch, daß der Wuche r bei denCh riste n n ich t wen iger al lgeme in war al s be i den Juden

Anmerkung 5 . Seite 9 5 . u . 96 .

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DER ] UDE ALS WUCH ERER .

der Ehemann uber die Fran , der Trinker fuh rt Beschwerdeüber den Wirt, der Pfarre r, der Handwerker, der Pilge rsind un zufrieden, zum Schluß klagt auch der J u d e seinLeid . Wenn er Christ werden wolle, so werden ihmHindern isse in den Weg ge legt, al s Jude müsse er wuchern ,

Fe lde ist , n icht verkaufen will , wei l er hofft, nach der Erntegrößeren Gewinn zu erzie len . Da kommt ein Gewitter und zündetihm Haus und Hof an und vernichtet natürlich auch sein Getreide :Wucher ist vor Gott ein Greue l ; der verscherzt sein höchstes Heil ,der dem Geiz ergeben ist, Hüte dich darvor, O Christ ! AuchS im p l ic i s s im u s (3 . Buch , 23 . Kapitel) sagt von seinem K ostherrn :

„W e i l k e i n e J u d e n i n s e l b i g e s tat t k omm e n d ö r f e n ,

k o n t ee r m i t a l l e r l e i S ach e n d e s to b e s s e r w u ch e rn .

S elbst im F a s t n a ch t s p i e l werden c h ri s t l i ch e Wuchererdargeste l lt. So sind in H an s S ac h s ’ Stück :

„D e r J ü n g l i n g im

Ka s t e n “ die beiden Wucherer C h ri s te n . S ie werden bei ihrenMissetaten ertappt, und der R ichter spricht ihnen ins Gewissenir zwen , schembt euch ins hertz hinein , das ir wol lt doch so erberseyn , So tugentha fft, so frumb und gwiss , Bendt täglich m it demj ud e n -s p i e s z, saugt aus das mae reichen , armen S ehrscharf kritisiert S a ch s hier übrigens den Wucher, wenn er sagt :„Was meinstu , das un terschied sey Zwischen ein wuchrer und ein

dich ? S ie hal ten baid des geitzes trieb , Denn das es der dieb heim lichth ut, Der wuchrer offentlich gwindt sein gut

“. Auch Ay re rs

„halbnärrischer Wucherer“ im jgleichnamigen Fas tnachtspiel ist ein

C h ri s t und heftiger Judenfeind . W o l f f, der a ls Jude verkleideteKel lner, füh rt dessen Feindschaft gegen die Juden au f Konkurrenzneid zurück und meint :

„Ey , wie haben euch die Juden so lieb !

S ie halten euch für ihren Freund . Und warumb seyd ih r ihn so

feind ? Viel leicht d a ß s i e e u e r H a n dw e r k tr e i b e n ?“ Darüberwird der Wucherer sehr erbittert : W i l l s t D u m i c h zu e i n emJ u d e n v e rg l e i c h e n ?“Darauf an twortetWol ff : „

M e i n H e rr, t h u te n orn Z o rn w e n d e n ,

m i ch arm e n J u d e n n i c h t a l s os e h e n d e n . W i r J u d e n s e in d w o h l s o g u t a l s jh r. M e i n tI h r

, e s h a t k e i n e J ud e n h i e r? S o h a t e s d o c h v i e l J u d e ns p i e ß“.

Diese Beispie le mögen ein genügender Beweis dafürsein ,

da ß die Dichter d e n W u c h e r d e r C h ri s t e n ,den s ie mit

nicht weniger scharfen Worten verurteilten als den der Juden ,

k e i n e s w e g s l e u g n e te n . A l lerdings wurde die letzte S chu ld immerauf die Juden geschoben .

_ 96 _

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WUCHER DER CH R ISTEN SCHU PP .

da jeder andere Erwerb ihm abgeschnitten sei Der Judenclag lautet

Die Juden clagen all gemain

Ir not,die ist warlich n it klain

Wenn sy gern wölten Christen seyn

So straff man sy bey hoher pe in .

Ir güter müssen s meyden garSon st leyd sy n it der christen schar.So mussen sy denn j uden pleiben ;Auch lässt man sie kain h antwerck tre ibenDa! it sy sich wohl mochten n erenVud sich auch von dem wucher kerenSy müssen sich gar vil erle idenI r n a r u n g t hu m a n jn ab s c hn e i d e nMi t a i n em gw e rb , h a i s s wu ch e rey

D e r s e y ye t z t a in em ye d e n f r e y.

Aus diesen Ve rsen sprich t ein so starkes , be iDichtern des 1 6 . Jahrhundertes gänzlich u n g ew o h n t e sE i n t r e t e n f ü r d i e J u d e n , daß man fast versucht wird,d iese Äußerung als iron isch in dem Sinne e ine r fal schenKlage der Juden aufzufassen , zumal G e n g e n b a c h an

anderer Ste l le gegen die Juden loszieht (s . Hostienschändung) . Allerdings ist das nur e ine Vermutung. Daßman von den Juden be im Übertritt zum Christentumdie Abliefe rung ihres Vermogen s verlangte, e rwähn t auchF o l z in der

„a l t e n un d n e u e n E e

“als Klage der

Juden . Was Gengenbach über die Absperrung der Judenvon ande ren Erwerbsquel len sagt, en tspricht den geschiehtl ichen Tatsachen .

Führt Gengenbach geschichtl iche Grunde zur Verteidigung des j üdischen Wuchers an , so komm t der RabbiBen Israe l in B a l t a s a r S ch upp

’s

„D i s s e rt a t i o Vo n

d e r K u n s t r e i c h zu w e r d e n “ aus ganz anderenVoraus se tzungen zum gleichen Schlusse . Dieser entschul

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DER JUDE ALS WUCH ERER .

der Eheman n uber die Frau , der Trinke r fuhrt Beschwerdeübe r den Wirt, der Pfarre r, der Handwerker, der Pilgersind un zufrieden , zum Sch luß klagt auch der J u d e se inLeid . Wenn er Chr ist werden wolle

,so werden ihm

Hindern isse in den Weg ge legt, al s Jude müsse er wuchern ,

Fe lde ist , nicht verkaufen will , wei l er hofft, nach der Erntegrößeren Gewinn zu erzielen . Da kommt ein Gewitter und zündetihm Haus und Hof an und vernichtet natürlich auch sein Getreide :Wucher is t vor Gott ein Greue l ; der verscherzt sein höchstes Heil ,der dem Geiz ergeben ist, H üte dich darvor, O Christ ! AuchS im p l i c i s s im u s (3 . Buch , 23 . Kapitel) sagt von seinem K ostherrn

„W e i l k e i n e J u d en i n s e l b i g e s tat t k omm e n d ü r f e n ,

k o n t ee r m i t a l l e r l e i S a c h e n d e s t o b e s s e r w u ch e rn .

Se lbst im F a s t n a ch t s p i e l werden c h ri s t l i c h e Wuchererdargestel lt. So sind in H an s S ac h s ’ Stück :

„D e r J ü n g l i n g im

Ka s t e n “ die beiden Wucherer C h ri s te n . S ie werden bei ihrenMissetaten ertappt , und der R ichter spricht ihnen ins Gewissenir zwen , schembt euch ins hertz hinein , das ir wol lt doch so erberseym, So tugentha fft, so frumb und gwiss , Bendt täglich m it demj u d e n -s p i e s z , saugt aus das mae reichen

,armen S ehr

scharf kritisiert S ac h s hier übrigens den Wucher, wenn er sagt :„Was meinstu , das unterschied sey Zwischen ein wuchrer und ein

dieb ? S ie halten baid des geitzes trieb , Denn das es der dieb heim lichth ut, Der wuchrer offentlieh gwindt sein gut

“. Auch Ay r e r s

„halbnärrischer Wucherer“ im 1gleiehnam igen Fas tnach tspie l is t ein

C h ri s t und heftiger Juden feind . W o l f f, der a ls Jude verk leideteKel ln er , führt des sen Feindscha ft gegen die Juden auf Konkurrenzneid zurück und meint :

„Ey , wie haben euch die Juden so lieb !

S ie halten euch für ihren Freund . Und warumb seyd ihr ihn so

feind ? Viel leicht d a ß s i e e u e r Ha n d w e r k t r e i b e n ?“ Darüberwird der Wucherer sehr erbittert : W i l l s t D u m i c h zu e i n emJ ud e n v e rg l e i c h e n ?“Darauf antwortetWolff : „

Me i n H e r r, t h u te n or n Z o rn w e n d e n ,

m i ch arm e n J u d e n n i c h t a l s os e h e n d e n . W i r J u d e n s e in d w o h l s o g u t a l s jh r. M e i n tI h r

, e s h a t k e i n e J ud e n h i e r ? S o h a t e s d o c h v i e l J u d e ns p i e ß“.

D iese Beispie le mögen ein genügender Beweis dafürs ein , daß die Dichter d e n W u ch e r d e r C h ri s t e n ,

den s ie mit

nicht weniger s charfen Worten verurteilten a ls den der Juden ,

k e i n e s w e g s l e u g n e t e n . A l lerdings wurde die letzte S chu ld immerauf die Juden ges choben .

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DER JUDE ALS WUCHERER .

digt den Wuche r folgendermaßen :„I ch we is wohl

, daß

etliche Christen witzige Ausmachungen auf den Wuebererdach t haben , der eine sagt er seye ein armer Teufe l ,der ande re , e in Wuche re r seye der größte Brecher desSabbath , denn se in Pflug stehe am Sabbath n icht mitRuhe , der dritte sagt : E in Wuchere r trete das ersteGe setz , so nach dem Fal le des Men schen gegeben werden ,

mit Füßen . Denn Gott habe dem Men schen befohlen ,

daß er das Brot im Schweiße s e i n e s Ange sichtes esse ,n icht im Schwe iße e ines frembden Angesichtes . Der

vierdte sagt, e s seye e in e Sache wider die Natur,daß

e in Ge ld das andere gebäre . Andere sagen ein andere s .Abe r verzeucht me ine r Fre iheit, wel che m ir eure Gütemacht. I ch hal te darfür

,der Wucher seye un te r den

gü l t i g e n S a c h e n wegen bärtigke it des menschlichenHerzen s . Den n weil den Mensch en vonnothen ist, daßs ie einander Ge ld leyhen und aufnehmen

,und weil sie

e ine s so harten Herzen s seyen , daß sie es umbsonst

n icht darleih en wollen , i st vonnothen , daß der Wuche rzuge lassen

So fanden sich immer Dichter, die den Wucherder Juden te il s aus Gründen der Zweckmäßigke it, te ilsaus denen des Zwanges und der Notlage der Juden ver

te idigt en . Doch hinderte das natürl ich ande re Dich tern icht, den j üdi schen Wucherer zu verspotten und dem

Hasse des Volkes auszusetzen .

Die beste Ge legenheit dazu bot das D r am a . Der

Jude a ls Wuche re r und Betrüge r wa r e ine imme r dankbaraufge nommene Figur des Fa stnachtspie les . Auch war e s

h ie r fü r den Dichter e in Le ichte s , zu chara kterisie renund nach dem Leben zu gestalten . Je häßl icher und

Es hande lt sich darum ,wer au f d ie Inse l der G luckseligen ,

\ l lautis , aufgenommen werden soll . Der Wucher wir d vom Ra bbiverte idigt und schließ lich

„mit vorgeschriebenen conditionen und

G es etz zuge la s sen .

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DER JÜD . WUCH ERER IM DRAMA -AVRER .

verabscheuungswurdiger er den Juden zeichnete , destosicherer konnte er auf Erfolg rechn en . So wird nur se ltender Jude a ls Wuche rer im eigen tlichen Sinn e des Wortese ingeführt , al s ein Men sch

,der Ge ld auf hohe Zin sen

borgt (wie bei Gryph ius) diese Auffassung wäre jafür den Dichte r zu wenig ergiebig gewesen sondernal s derj en ige, de r s e i n e c h r i s t l i c h e Um g e b u n g a u f

i rg e n d e i n e W e i s e b e t r ü g t u n d s i c h ü b e r a l lb e r e i c h e rn w i l l . Deshalb dringt fast überal l die An sichtdurch

, daß der Jude der Ausbeuter des ch ristl ichenVolkes ist , das er haß t und. vern ichten würde , wennihm dazu nur di e Möglichke it gegeben ware .

So lacht Ayr e r s j üdi scher Wuchere r Abraham ,1 )

der schon im Person enverzeichnis a l s d e r J u d e u n d

Ch r i s t e n v e rr ä t h e r“ bezeichn et wird, übe r die Leichtgläubigke it der Christen

,die sich von den Juden aus

beuten l assen :

Bey Gott , groß narren seind die Chr isten ,Dass sie jedoch aus unseren l istenNit mercken

,dass al le j uden seindt

Ih nen von Hertzen gram und fe indt.Traun, ich sag bey me inem Eyd,

Es ist mir in mein em hertzen leyd,

Dass ich sie nur muss sehen lebenW e n n m i r gw a l t ü b e r s i e w e r g e b e nW i e s i e gw a l t ü b e r d i e J u d e n h a b e nS i e b e t e n l ä n g s t g f re s s e n d ie r a b e n .

Die se Ste lle , die n ur ein e von den vie len ist, indenen den Juden die gehäss igsten Wort e und Absichtengegen

,

die Chr isten in den Mund ge legt werden,ist

bezeichnend für die Auffassung,we lche die Dichte r in

1

) J . Ayrer, „Comedi vom Soldan von Babylonia vnd dem

R itter Tore l lo von Pavia,wie es ihm auf seiner Re ise zum h l .

La nd ergangen “.

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DER ] UDE ALS WUCHERER .

ih ren We rken über die Juden hatten .

l ) I n diesem Sinnes ind die Figuren des jüdischen Wuchere rs gezeichnet .

So hat H a n s S a c h s im Fa stnachtspiel „D e r

s c hw a n g e r e b aw e r m i t d em f ü l“ e inen„Ju d e n a rz t“

e ingefüh rt, der ohn e jedes Wissen und ohn e jede Be

rechtigung sich für e inen Arzt ausgibt und so die Bauernbetrügt . Von der He ilkun st ve rsteht er gar n ichts

, er

fand e inst al s Wah rsager beim Landvolke sein Auskommen ; al s es ihm an fing schlecht zu gehen ,

wurde er

Arzt. Sein Tun kennzeichnet er se lbst ganz offen

„Ich hab der schwartzkunst nit studie rt,Noch medicina doctoriert,Darf derha lb in ke in statt nit mehrUnd m ich nur bei den bawern mehr,

Dann ich auf al le Dorf-Kirchwe ih zeuch ,Da ich auf schlag al le scheuchGross sige l und brief auf und ab,Wie ich dem und jhn em gholffen hab .

I s t d o c h e r d i c h t e t un d e r l o g e n ,Ha b d i e b aw r e n l a n g b s ch i s s en u n d t r o g e n ,Wann ich kan n ichts zu artzney

—sachen,

Denn ein schlechte purgatzen machen ,Die den bawren macht ein grümpl im bauch,E im hilfft

’s, der ande re stirbt daran

Da liegt mir eben nichtsen an .

D ie Handlung besteht nun darin,daß der Arzt

e ine Probe seines K onnen s ablegt. E in Bauer ist schwerkrank

,und der Knecht erhält den Auftrag, mit dem

Harn des Bauern zu e inem Arzt zu gehen , der nach

Un te rsuchung desse lben dem Bauer he l fen sol l . Der

Knecht verschütte t aber den Harn und re icht dem

Ob die Dichter in Wirklichkeit diese Meinung von den

Juden hatten oder ob s ie sich nur in ihren Dichtungen für das Publikum e ine solche zurechtlegten ,

bleibe dahinges te llt.

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DER JUDE ALS WUCHERER .

S a c h s hat h ier woh l nur aus dem Be streben se inerZe it he raus , e inen Betrüger, in we lchem Fache ode rGewerbe immer er an getroffen wird

,zum Juden zu

stempe ln , auch den un ree l len Arzt zum Juden gemacht .Jüdisch e Zuge, j üdische Kleidung bemuht er sich garn icht ihm zu geben . D ie Angabe

„Judenarzt genügt ihm .

Auch in einem anderen Fastnachtspiel „D e r T e u f e l

n a hm e i n a l t e s W e i b z u r E h e“ hat S a c h s zwe i

Personen , ganz unabhangi g von der Tradition,fast

gewal tsam zu Juden gemacht . Be ide werden zwar“

'

ucherer genan n t, so daß n ach der damal igen Gepf10

genhe it ih re Hervorhebung al s Juden begre ifl ich ersche int,

doch haben sie im Stücke kein e Ge legenheit,ihren

Wueber zu betätigen . Im Gege nteile,

s i e sind es, die

zum Besten gehal ten werden, und mit denen der Teuf e l

se in en grausam en Spaß tre ibt . Der Teufe l n äm l ich , der

in der Wahl se in er Frau furchtbar un vorsichtig warund un ter dem Pan toffe l sch recklich zu leiden hat,en tlauft und verdingt sich e inem Arzte

,dem er vor

sch lagt er werde in den Korper e in e s Men schen fahren,

der Arzt möge ihn dann austre iben,so würden sie mit

Le ichtigke it vie l Ge ld ve rdien en , da s sie untere in ander

in einem Kapite l : J u d e n b e t r ü g e n m i t i h r e r A rz n e i“ die

Christen davor , sich von j üdischen Ärzten behandeln zu las sen . Denndie Juden streben n ur darnach , die Christen weidl ich zu plag en oderheim lich umzubringen : E in Narr bei solchem Hi lfe sucht, derChris tum se lbst und Dich verflucht“. A lso auch hier wieder dieErwähnung des Has ses der Juden gegen die Christen ,

und aus diesemGrunde die Warnung vor j üdischen Ärzten . I c h w i l l a l s o d a s imT e xt e G e s ag t e da h i n b e g r e n z e n ,

d a ß s i ch au ch a n d e r eD i c h t e r a l s S ach s f i n d e n , d i e d e n j ü d i s ch e n A rz t a l s

B e t r ü g e r h i n s te l l e n . Der Grund dürfte schließ lich bei al lenderse lbe gewesen sein ,

nam lich der, daß s ie gewohnheits und

zeitgemäß in jedem Betrüger den Juden sahen ,der das christliche

Vo lk s chädigen wol le am einze lnen und in der G esamtheit. Der

b e t r ug e r is ch c A rz t wa r soh iu in ihren Augen eben der

J ud e n a r z t.

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SACHS : DER TEU FEL NAHM E IN ALTES WEI B .

teil en wollten . Der Arzt ist mit dem Vorsch lage einver

standen , und der Teufe l sucht sich zu sein en Opferndi e beiden j üdischen Wucherer Esaw und Moses aus

,

fährt erst in den Körper des Esaw, der Arzt heilt ihnund erhält statt der versprochen en Be lohn un g von 20

Ta lern dreißig. Mit dem Teufe l te il t der betrügerischeArzt aber nur die 20 Taler. Der Teufe l , der von dem

Betrug Kenntn is hat und sich rächen wil l, fährt in den

Körp er des zweiten Juden,aus dem ihn nun der Arzt

vergeben s auszutreiben sucht. Erst auf die Drohung, daßdie Fran komme ihn abzuho len , l äuft der Teufe l schne l ldavon .

Das Stuck wird e inge leitet und beschlossen durchein en Mon olog, in den sich merkwürdiger We ise die

beiden im Stücke so ? arg hergenommenen Juden teil en .

Im Schlußmon olog, in dem sich Sachs en tschuldigt, woferner jemanden verletzt haben soll te, sagt der ein e von den

beiden Juden :„Nun frew wir uns, dass diese statt Keine

Juden mer in ir hat,die solch kurtzweil möcht habn

verdrossen“. Der Dichter tre ibt al so di e Unwahrschein

l ichk e it so weit,daß er den Juden des Stückes se lbst

seine Freude über die Judenreinheit von Nürnberg aus

drücken Er berührt damit gan z das politischeGebiet und macht aus seinem Haß gegen die Juden ,den er mit fast al len damaligen Dichtern geme in samhatte , gar ke in Heh l . ‚Daß er damit auch im Sinne desPublikum s spricht, ist se lbstve rständl ich . D ie ganzeZe ichnung diese r Juden figuren ist auf den Beifal l derZuschaue r berechnet . We lchen Lacherfolg müssen nur

die Szenen he rvorgerufen haben,in denen der Jude , vom

1

) S ach s bezieht sich hier auf die im J . 1499 s tattgefundeneVertreibung der Juden aus N iirnberg : „

Anno 1499 um Lichtmesshaben die von N ürnberg die Juden aus de r Stadt getrieben und

ihre Schu l abgebrochen und ihren Kirchhof m it Häusern verbaut“.

(S . S ch ud t, J iid . Merckwürd igkeiten I . S .

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DER JUDE ALS WUHERER .

S a c h s hat h ier woh l nur aus dem Bestreben se inerZeit heraus , e inen Betruger, in we l chem Fache ode rGewerbe imm er er angetroffen wird, zum Juden zu

stempe ln ,auch den un ree l len Ar zum Juden gemacht .

Jüdische Züge , j üdische K leidurr bemuht er s ich gar

nicht ihm zu geben . Die Angabe Judenarzt genügt ihm .

Auch in e inem anderen Fastachtspiel „D e r T e u f e l

n a hm e i n a l t e s W e i b z u r .h e“ hat S a c h s zwe iPe rsonen ,

ganz un abhangig vo der Tradition , fastgewal tsam zu Jude n gemacht. Beide werden zwarWucherer genan n t, so daß n ach er damaligen Gepflo

genhe it ihre Hervorhebung als Jnon begreiflich e rsche int,

doch haben sie im Stücke ke e Ge legenhe it,ihren

Wucher zu betätigen . Im Gegemile . s i e sind es,die

zum Besten geha lten we rden , undmit denen der Teufe lse in en grausamen Spaß tre ibt . I r Teufe l n äml ich , derin der Wah l se in er Fran furclbar unvorsichtig war

und un te r dem Pantoffe l schr4klich zu le iden hat,

en tläuft und ve rdingt sich e iner Arzte,dem er vor

schlagt, er werde in den Korper n es Men schen fahren ,der Arzt möge ihn dann austreib so würden sie m it

Le ichtigke it vie l Ge ld verdien en , l a s sie unteremander

in einem Kapitel : J u d e n b e t r ü g e n ri t i h r e r A rz n e i“ die

Christen davor, sich von j üdischen Ärzten ehandeln zu lassen . Denndie Juden streben n ur darnach , die Chris n weidl ich zu plagen oderheiml ich umzubringen : E in N arr bei ) lehem Hil fe sucht, derChristum se lbst und Dich verflucht ‚ so auch hi er wieder dieErwähnung des Hasses der Juden gegen d Christen

, und aus diesemGrunde die Warnung vor j üdischen Arzt I ch w i l l a l s o d a s imT ext e G e s ag t e da h i n b e g r e n z e n , a l l s i c h au ch an d e reD ic h t e r a l s S ach s f i n d e n , d i e d e | ü d i s ch e n A rzt a l s

B e t r ü g e r h i n s t e l l e n . Der Grund di t schließlich bei al lenderselbe gewesen sein , nam lich der, daßsw gewohnh eits und

zeitgemäß in jedem Betrüger den Juden fll « n,der das christliche

Volk schädigen wolle am einze lnen unci n der Gesamtheit. Der

b e tr ü g e ri s ch e A rz t war sohin in h e n Augen eben der

J ud e n a r z t.

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DER JUDE ALS WUCHERER .

Teufe l bese ssen , wahn sinmg auf der Buhne herumhupfte !Der al lgemeinen Zustimmung war der Dich ter übrigensauch gewiß, wen n er den Arzt, nachdem der e ine Judegehe ilt worden ist und das Ge ld gezahlt hat

,sagen l äß t :

„Es trug be in Juden gut gewinn . Wie , wann du in die

s tatt thets t wandern und f ü h r s t b e i n J u d e n in d e n

a n d e r n ? “ Der Jude , der al s Wucherer Christen betrügenwil l

,wird verspottet und für se ine Missetaten gründlich

bestraft.

I n ähn l icher We ise ist der j ü d i s c h e Wu c h e r e rauch der Betrogen e ‘) in Ayre r s Fastnachtspie l „

Von

e in em Juden zu Franckfort, der e in em Dieb wi l l se in gestohlengut abkaufen“. Der Jude Acron borgt auf \Vueherzin senund kauf t auch gerne gestohlene Waren

,die er zu bil l igen

Pre isen e rhält. Da gerade die Ze it der großen Frankfurte rMesse ist , geht er auf den Rat seiner Frau in die Stadt

,

um die Gelegenhe it wahrzun ehmen,ein gestohlenes Gut

zu kaufen . Der Zufal l ist ihm günstig, und er kann beobachten , wie ein christl iche r Dieb ein Stück Barchent ausdem Laden ein es Kaufmann es, der mit se inem Nachbarin e in Gespräch ve rtieft ist, nimmt . Der Jude nahert sichdem Dieb und ve rsucht, mit schön en Worten die Warevon ihm zu kaufen . Den Dieb beruhigt er darüber

, daß

er Mitwisse r des Diebstah l s ist, mit den Worten : „Ke in

Jud keinen Christen verredt, wenn er ihn schon siehtetwas n ehmen, denn es wer al ler j uden schadt, we nn man

es west in diser stadt, dass sie gestohlenes gut kaufen,

des sie doch haben e in großen hauffen“. Als abe r derChrist merkt, daß der Jude ihn beim Diebstahl gesehenhat , schenkt er ihm das Stück Barchen t.

Diese Figur des betrogenen Betrugers , des j üdischenWucherers

,der den Christen betrügen wil l und se lbst iiberlis tet

wird , is t e in beliebtes Motiv der deutschen Dichter in ihrerSchi lderung und Dars tel lung der Schlechtigkeiten der Juden . S .

über den Juden a ls den Gefoppten auch Abschnitt„Verspo ttung“.

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AYRER : VON E INEM JUDEN ZU FRANCKFO RT.

Doch das sol l dem Juden , der’ voll ' Freude uber

das gute Geschäft ist, schlecht bekommen . Der Dieb gehtzum Kaufman n, bei dem er vorhin den Diebstahl verübthat, sagt ihm ,

daß der Jude ihn bestohl en habe, und

während der Kaufmann dem Juden'

nachjagt, stie h lt er

im Laden n ach Herzen slust . So hat der Dieb Doppeltese rreicht

,e inmal den Juden , der vom Diebstahl wuß te und

ihn immerhin verraten konnte , Se lbst al s Dieb e in fangenlassen , dann auch Ge legenh eit erhal ten , zu n ehmen , waser wil l . Der Jude wird auch richtig ge fangen und, n achdemer von den Kaufleuten geprüge lt worden ist, vor denRichte r gebracht. Hier wird der Sachve rhalt aufgeklärt ,und der Jude zu e in er Ge ldstrafe von 200 Ta lern verurteilt.Zu Hause erhält er von sein er Frau wegen sein er Ungeschi cklichk e it Sch lage .

So wird der Jude in sein em Eifer, einen bill igenunree l len Kauf zu machen , von

'

dem Diebe überlistet und in der Freude , die Ware um son st erhal ten zu

haben,geht er blind in die ihm geste l l te Falle . Er erhält

di e verdi ente Strafe, denn so sagt der Dieb„het

er mir meinen barchet glassen Dam it lassen ziehen me inestrassen Und n icht gesucht se in e igen gwin , So wers jhmkomm en n icht dahin“.

Doch ist der Jude n icht so schlecht wie seine Frau .

S ie is t se in böser Ge ist, sie tre ibt ihn immer an , gestohleneWaren zu kaufen . Er gibt das auch se lbst zu : „die diebe

gebn ein ding umbs halbe ge lt, U nd du hast m ichabgerichtet drauf, Dass ich gern aufs wolffest kauff“

,

sagt er zu ihr . S ie zankt fortwährend m it ihm, s ie betrügtselbst einen reichen Mann , indem sie ihm fal sches Ge ldauszahlt und tröste t sich in dem Bewußtsein : „Es istschon gebüß t und gebeichtet, wenn ich dem G o im unrechttue

“.

Acron selbst hat es verstanden , alle We l t uber se ineUnred hchkeit h inwegzutä uschen . Ja

,sogar die Obrigke it

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DER JUDE ALS WUCHERER .

wußte er in dem Glauben an s e in e Ehrlichke it zu erhalten .

Und da m a n ihn de s Diebstahles beschuldigt,kann der

S tadtknecht n ich t gen ug nachdrücklich seine Verwun de rungüber die Ta t des Juden ausdrücken ; „

ich hab zuvor beyme inem l eben von d i s em j uden n ie vernommen , Dassdergleichen klag über ihn sey kommen

“. U nd der Bürge r

meiste r, vor den der Angeklagte gefuhrt wird, ist festdavon uberzeugt, daß Aoron nur

„verb lent“ worden sein

könne . Ein e An sicht,die j a ein erseits

,wen n man den

Ein fluß der Frau e rwägt,richtig ist

,anderse its die

Pfif figke it des Juden zeigen sol l , m it der er die schondes öfteren ausgeführten Hehlereien zu verbergen wußte .

Übrigen s scheint er durch die se Lehre klug geworden zuse in , denn reuig sch l ießt er mit den Worten : Auf un rechteW'

e ise erworben es Gut gedeihet n icht.Auch der Jude Abraham in Ayre r s „Comödie vom

Soldan von Babylonia“ wird von den Christen übe rlis te tund bestraft. Abraham ist eine Episoden figur des Stückes .Sein Charakter ist ke ineswegs unantastbar. Er verrät denFe ldzug des Kaisers He in rich dem Sul tan und erhältdafür e ine entsprechende Be lohnung, er gibt sich ein emAbt als Arzt au s und stiehlt dessen Pferd, er betrügtdie dummen Christe n dam it, daß er Hunde anstatt Schwe ineverkauft und e rklärt se in Vorgehen dam it, daß er sagtWenn wir müssen der Chr isten Hunde sein, so halte ich

s ie fur un sere Säu er ist überhaupt der erklärte Feindder Ch risten und kan n se inen Haß n icht genug oft wiederholen : Ich hab oft gesagt und thu’s n och sagen : denG o im thue ich Fe indschaft tragen“. Doch nehmen die

Ch risten auch Rache an ihm . Für se inen Betrug mit denHunden wird er vom Diener Jan uberliste t und mit

Was s e r begossen . Und al s er sich re vanch ieren wil l unds ich zu die sem Zwecke a ls G eis t der ve rstorbenen Mutte rdes Jan ve rkle ide t

,wird er erkann t und durchgeprüge l t.

Und Ja n e rklärt im Vollgefühll seine r Tat : I ch glaube n icht.

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DER JUDE ALS WUCH ERER .

D ie'

l‘

oehter de s N iceas , die Schwe ste r des E n tfuhrten ,e rg luht in Liebe zum Dien e r

,und da er ih re Liebe nicht

e rhört,be schuldigt s ie ihn

, daß er ihr Gewalt antunwo l l te . D e r Diene r sol l daraufh in geh enkt we rden . Aufder \Vahls tatt überg ibt e r die Kette

,we lche e r se it

s e in e r En tfüh rung a ls einstma l ige s Geschenk se ine r Elternm it sich träg t, dem N iceas . Man e rkennt die. Kette und

dam it auch den Sohn . Hirschlein , der die Spur desSklaven verfo lgt ha t und eben in Genua ankomm t

,

be s tätigt die Aussagen des Wiedergefundenen und übe ral lhe rrscht e ite l Freude .

D ie Charakteristik und Auseinanderha ltung der

dre i Juden , des Diebes Moses, se ine s Diene rs Samue lund des Jude n Hirschlein ist sehr gut ge lungen . M o s e sist e in Erzschelm , der n ur auf Betrug sinn t und übe ral lse inen Vorte il sucht. Se ine An sicht ist

Wenn e iner in der We l t hinnenAuff e in Reys balt vil ge l ts wil l gewinnenSo darf er kein en Men schen feh len ,K on er n it betriegen , So muss er stehlenUnd se in see l uf d ’ uberdhur setzen,Falsch spila und die leut ve rle tzenMit großem wucher und finanz,Das leben drob setzen in d ’ schan tz,Nicht achten , wenn s schon ist n it recht

So is t er gewalttätig , e in abgefe irn ter Schurke , dabe iabe r vors ich tig , er läßt s ich von seinem Diene r e inenE id se lnvören , daß dies er n ie gegen ihn aussagen werde .

Dam it e r ganz siche r s e i, gebraucht er n och e ine Vors iehtsmaßrege l : „

darzu du auch verschwme n musst, damitdu den Aydt n icht dhust brechen , das K o l in d e r e ‘)

l( o l indere Kol N idreh , das Gebet, welches die Judenam Vorabend des Versöhnungs tages sprechen . Der Dichter is t derfals chen A nsich t., d ie auch heute noch bei den Christen vie l fach

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AYRER : COMODIE VON N I KOLAUS .

n icht zu sprechen , kun fft ig auf un serem l angen tag“

.

Da er abe r erfährt, daß der Diener ihn doch verratenwoll e

,schrickt er auch vor e in em Morde n icht zurück .

Ein e ganz andere Figur ist der Dien er, der unselb

ständige , feige Handlanger des Herrn,der sich’s gefal len

lassen muß, um se inen Lohn betrogen zu werden . I n

dem Augenblicke, wo er sich endlich zu e iner en tschei

denden Tat, der e in zigen guten in se inem Leben , n äm l ichzur En tdeckung des Diebstahles auf raffen wi l l

, (al lerdingstut er das n icht aus Reue

,sondern aus Rache) wird er

getötet.

Den beiden Missetätern ste ht der Jude Hirschleingegen über

,d e r e h r l i c h e, a b e r z i em l i c h b e s c h r än k t e

J u d e . Zwar geht auch er einem ungewöhn l ichen Erwerbn ach, al s er sich auf die Suche n ach dem gestohlen enKn aben begibt, doch ist es begreiflich, daß er al lemöglichen Mitte l versucht, um die versprochene Be

lohnung von 2000 Kronen zu gewinnen . Se ine E in

fältigkeit trägt ihm aber nur Pruge l ein .

Ayr e r bezweckt mit der Gegenuberstellung der

verschiedenen j üdischen Charaktere auf der einen Se itedie G e f ä h r l i c h k e i t und S c h l e c h t i g k e i t d e s J u d e nin den beiden Missetätern zu zeigen , auf der anderenSe ite fehl t auch der H o h n gegenüber den Juden n icht,der in der Gestalt des un schuldig geprüge l ten Hirschleinzum Ausdruck komm t. E s w e r d e n a l s o in d i e s emS t ü c k e d i e ty p i s c h e n z w e i Jud e n ro l l e n v e r e i n i g t,d i e s i c h f a s t d u r c h d i e g a n z e L i t e r a t u r d i e s e rJ a h r h u n d e r t e z i e h e n

,d i e Fig u r d e s s c h l e c h t e n

u n d d e s l ä c h e r l i c h e n J u d e n .

verbreitet ist, daß dieses Gebet den Juden von al len wahrend desJahres eingegangenen Verpflichtungen befreie. Deshalb läßt Mosessein en Diener schwören , daß er dieses Gebet nicht mehr sagen dürfe .

Übrigens verrät der Diener trotz dieses Schwures seinen Herrn .

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DER ] UDE ALS WUCHERER .

D ie Tochter de s Niceas , die Schwester des E n tfuhrten ,e rgl üht in Liebe zum Dien er

,und da er ihre Liebe n icht

erhört , beschuldigt s ie ihn, daß er ihr Gewalt an tun

wollte . Der Dien er sol l daraufh in gehenkt werden . Aufder \Vahlstatt übergibt er die Kette, we lche er se itse in er En tfüh rung al s ein stma l ige s Geschenk seine r Elternmit sich trägt, dem Nicea s . Man erkennt die Kette und

dam it auch den Sohn . Hirschlein,der die Spur des

Sklaven ve rfolgt hat und eben in Gen ua ankommt,

bestätigt die Aussagen des \Viedergefundenen und überal lherrscht eite l Freude .

Die Charakteristik und Auseinanderhaltung der

dre i Juden,des Diebes Moses, se in e s Dieners Samue l

und des Juden Hirschlein ist sehr gut ge lungen . M o s e sist e in Erzschelm , der n ur auf Betrug sin nt und überal lse in en Vorte il sucht. Se ine An sicht ist

Wenn e in er in der We l t hinnenAuff ein Reys halt vil ge l ts wil l gewinnen,So darf er ke inen Men schen fehlen ,K on er n it betriegen , So muss er stehlenUnd se in see l uf d’ uberdhur setzen,Fa lsch spil n und di e leut verle tzenMit großem wucher und finanz,Das leben drob setzen in d’ schan tz

,

Nicht achten , wenn s schon ist n it recht

So ist er gewalttätig , ein abgefe imter Schurke, dabeiabe r vorsichtig , er l äßt s ich von seinem Diene r e inenE id schwören

,daß dieser n ie gegen ihn aussagen we rde .

Damit er ganz sicher se i, gebraucht er n och e ine Vors ichtsmaßrege l : „

darzu du auch verschworen musst, damitdu den Aydt n icht dhust brechen , das K o l in d e r e ‘)

K olindere Kol N idreh ,das Gebet, welches die Juden

am Vorabend des Versöhn ungs tan sprechen . Der Dichter is t derfalschen Ans ich t, die auch heute noch bei den Christen vie l fach

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DER JUDE ALS WUCHERER .

Eigen schaft des Betruges zu haben , die ihm die Dichte rder früheren Jahrhunderte gaben .

E s erubrigt n och, die Stucke der e n g l i s c h e nK om ö d i a n t e n , sowe it sie mi t un serem Thema in Zusammenhang steh en , zu besprechen . Ich reihe sie e rstjetzt, abgesonde rt von den deutschen Dichtungen an

,

we il sie ja ganz unabhängig von ihnen en tstanden sind undauf die Entwicklung der Figu r des j üdi schen Wuchererske in en Einfluß hatten . Aus doppe lten Gründen war denKomödian ten diese Figur genehm und angeze igt. S ie , diemit dem Geschmacke des Publikums rechn eten

,mußten

den sch lechten Juden auf die Bühn e bringen , außerdembot ihn en auch der Zufall solche Stoffe in ihren Vorbildern dar. S h ak e s p e a r e’ s „K a u fm a n n von V e n e d i g “

und M a r l o w e’ s „J u d e v o n M a l t a“ wurden bel iebteRepertoirestücke der Engländer. Die Bearbe itung dieserStücke ist D i e Com ö d ia g e n a n d t d a s s w o h l g es p ro ch e n e U h r th e i l e yme s \Ve i b l ich e n S t u d e n t e no d e r D e r J u d e v o n V e n e d ig

“Ä ) Das Personenverzeichnis n enn t an vierter Ste l le den Juden Barrabas

,

he rnach Joseph . Dieser Name we ist zunächst auf M a rl o v e ’ s Stück hin

,in dem der Jude auch Barrabas heißt.

I n der Tat knüpft auch der erste Akt, der e ine Judenvertreibung auf der Inse l Cype rn entha lt

,äuße rl ich an

Marlowe an . Das Stück wird darin zitiert,indem die

Juden ve rtre ibung und Plünderung in Mal ta ?) a ls Vorbildderjen igen in Cypern e rwähnt wird . Damit ende t aberschon di e Beziehung zu Marlowe .

Da s Stück se lbst ist der Idee und dem Grundgedanken nach e ine An lehnung an den

„K a u fm a n n

Herausgeg . v. Joh . Meissner. 1885 . Wien .

2) „Man weiß , was s ie neulich zu Mal ta vorgenommen haben

S ie durffte n wohl derma le ins diease< gantze Königreich den Türkenverraten“. Hier ist also wie der der Jude a ls Verräter des Vaterlandes und S pion er wahnt. (S . Ayror) .

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ÜBER EIN WOHLGESPROCHENES URTE I L .

v o n V e n e d i g “, all erdin gs in vergroberter Form . Der

Inh alt ist folgender : Der Prinz von Cyp ern setzt es be ise inem Vate r durch

,daß die „

verächtliche Nation der

Juden“, die sich vor Ze iten in diesem Lande„einge

schl eifet“ hat, jetzt aber n icht al le in „di e gütter v iell er

Edl en un d Un edl en durch Wucher an sich gebrach t,sondern auch in den kön iglichen Rega lien , Ze llen und

Eink omm en des Landes Cypern ihre Hän de mit einge

mi scht hat“, aus dem Lande vertrieben werde . Dieser

Beschluß wird dem reichsten Juden Barrabas verkündet :„Weil ihr n ichts zu uns here in in s Land gebracht, deshalb ist euer hab und gut con fiscieret und uns heimgefallen , ihr abe r sol lt euch morgen des Tags mitsambtWe ib und Kin dern aus dem Lande packen, so lieb eucheuer Leben ist“.

Auf di esen strengen Befehl verlassen die Judennatür l ich di e Stadt. Der Prinz e rbittet sich zur Be l ohnungda durch der Juden abschaffung e ine große Last von

unseren Schultern weg ist und auch andere Ländersich in acht nehmen we rden mit den Juden“

,die Er

laubn is einer Re ise nach Venedig. Diese wird ihm auchvom Vate r ertt un ter der Bedingung, daß er sich nur

als einfache r Ede lman n ausgebe und erst bis di e Legation , die ihm nachgeschickt werden solle , ankomm e

,al s

Prin z hervortrete und das gewünschte Bündn is mit

Venedig gegen die Turken abschließe .

Doch die Ra che des reichen Juden aus Cype rnverfolgt ihn . Als venetianischer Soldat verkleidet, setztes der Jude durch

,daß er al s Begle ite r des Prin zen nach

Venedig m itgenommen werde . Jetzt wil l er al les aufwenden , um sich an dem Prinzen für die Ve rtre ibungder Juden zu raehen :

„V e rm e in e s tu

“,ruft er aus

,

„d a s j ü d i s c h g e s c h l e c h t g a n t z a u s z u t i l g e n ‘? Ne in

e s kann nicht se in,wann man uns an e inen orthe ver

treibet, so kommen wir an e inen ande ren testo heuffiger

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DER JUDE ALS WUCHERER .

zusahme n,ich we rde schon wieder zu me in en Gutern

ge langen ,du aber wirst den Tod aus meiner handt

empfangen “. SO schl ießt der e rste Akt.

Der zwe ite Akt spie l t in Venedig, wo sich um die

Gunst der schönen Ane iletta die Bewe rber schlagen ,besonde rs zwe i Männ e r Santine l l i und Grimaldi bemühens ich sehr

,Gehör zu finden . Doch trotz des Zureden s

des Vaters kan n sich die Schone für ke inen von beidenen tsche iden . Der Prinz erbl ickt bei sein er Ankunft inVenedig An e iletta und e rglüht sofort in Liebe zu ihr.Auch s ie ist vol le r Bewunde rung für den schön en und

anmutigen Jungl ing (3 . Akt) .

Durch di e Ve rmittl ung des Pieke lhärings , des Dien ersdes Prinzen , wird es den Liebenden mögl ich

, sich ihre'

Liebe zu gesteh en . Die n ächste Szene führt den Judene in

,der in e inem langeren Monolog berichtet, daß er in

Venedig wiede r reich geworden ist, sich auch da s He imats

rech t dort erworben hat, wäh rend der Prinz e in Fremde rist . Sein Haß gegen den Prinzen und se in Verlangensich zu rächen

,ist nur noch mehr gestiegen . Und wiede r

sch l ießt er m it dem stolzen Ausspruche : Wa s d e n k e tI h r d o c h

,i h r n ä r r i s c h e n C h r i s t e n , d a ß I h r m e in e t,

d i e J u d e n z u v e r t i l g e n ? Ach , weit gefehlt ! Alsdannbeginn et un se r Glück erst recht zu Blühen und zuG rün en ; wir seint gleich e iner diirren Ochsenhaut, we lche,We nn ma n a n e inen Ende darauftritt, an dem andern indie Höh e geh t. Aus dem Lande Cypern war ich verjaget,j etzt g e h t m ir

’s auf dem Wa sser wohl . Auf der R e is ehatte ich n ur e in Auge , jetzt habe ich ge nauna ch m e in em Vo rte i l zu schauen ; ich musste m ich m it

e inem ze rris s e n en Rock beh e l fen , jetzt habe ich Kle ide r ,nich t a l le in zur Nothturfft, sondern auch zur Pracht undHe rrlic hke it. Zuvor h ie ss ieh Barrabas , je tzt abe r habe

l°lr war a ls eina ng iger Soldat verkleidet.

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DER ] UDE ALS WUCHERER .

zusahmen, ich werde schon wieder zu me in en Güternge langen , du abe r wirst den Tod aus mein er handtempfangen “. SO schließt der e rste Akt.

Der zwe ite Akt spie l t in.

Venedig, wo sich um di e

Gun st der schönen An e iletta die Bewerber schlagen ,be sonders zwei Männe r Santine l l i und Grimaldi bemühensich sehr , Gehör zu finden . Doch trotz des Zureden sdes Vaters kann sich die Schone für ke inen von beidenen tscheiden . Der Prinz e rblickt bei sein er Ankunft inVenedig An eiletta und e rglüht sofort in Liebe zu ihr.Auch s ie ist vol le r Bewunde rung für den schön en und

amnutigen Jungling (3 . Akt) .

Durch die Vermittl ung des Picke lhärings , des Dien e rsdes Prinzen , wird es den Liebenden moglich

,sich ihre‘

Liebe zu gesteh en . Die n äch ste Szene führt den Judenein

,der in e inem la ngeren Monolog berichtet, daß er in

Ven edig wieder reich geworden is t, s ich auch das Heimats

reeht dort erworben hat, wäh rend der Prinz e in Fremde rist . Se in Haß gegen den Prinzen und se in Ve rlangens ich zu rächen , ist nur noch mehr gestiegen . Und wiedersch l ießt er m it dem stolzen Aussprache : Wa s d e n k e tI h r d o c h

,i h r n ä r r i s c h e n C h r i s t e n , d a ß I h r m e in e t

,

d ie J u d e n z u Ach , weit gefehlt ! Alsdannbeg inn et un se r Glück e rst rech t zu Blühen und zu

G rün en ; wir seint gle ich einer diirren Ochse nhaut, we lche ,we nn man a n e inen Ende darauftritt, an dem andern indie Höh e geh t. Aus dem Lande Cypern war ich verjage t,j e tzt ge ht m ir’s auf dem Wasser woh l . Auf der R e isehatte ich nur ein Auge , jetzt habe ich genaunach m e inem Vo rte il zu schauen ; ich musste mich mite inem ze rris se n en Rock beh e lfe n , jetzt habe ich Kle ide r,nich t al le in zur No thturfft

,sondern auch zur Pracht und

l l crrlie hke it. Zuvo r h iess ich Barrabas,jetzt abe r habe

Er war a ls eina ugiger Soldat verkleidet.

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VERGLEICH DES WOHLGESPR . U RTEI LS M IT DEM KAU FMANNVON VENEDIG .

ich den Namen Joseph an m ich genommen . Sieh dichnur fle iss ig vor , me in Prin z

,denn der Joseph sucht

dein en Un tergang. I ch bin zwar nicht der Joseph von

Arimathia, abe r kriege ich Dich nur in meine Klauen ,so will ich doch der Joseph sein , we lcher Dir zu de inemGrab verhelffen wird

Jetzt sol l dem Juden auch Ge legenhe it gegebenwe rden, se in en Rachedurst zu stil len . Vor al lem borgtder Prin z

,welcher sich, gemäß e in er Verabredung mit

se iner Ge l iebten,als Arzt verk le idet

,zu ihr begibt

,die

nötigen Kleider be im Juden aus . Der Jude gibt sie ihm,

bestreicht sie aber vorhe r mit Gift,um den Prinz auf

diese We ise zu tödten . Von ein em Erfolge diese s Ver

suches wird aber weiter n ichts erwähn t. Die erstenSzen en des vie rten Aktes sind mit dem Besuche des

Arzte s bei Aneiletta und der Aufregung über die an

gebliche Krankhe it ausgefü l lt . Dann folgt'

die große Ausleihszen e (IV. 6 Der Prin z benötigt dringend Ge ld undschickt den Pickelhäring zum Juden

,damit er 2000Dukaten

von ihm geborgt e rhal te . Der Jude übe rlegt sche inbar :2000 Dukaten („Langsam ausgesprochen

“ wird ausdrück

l ich angegeben ) ist ein großes Geld. Schl ießlich borgt er

es für e inen Monat, mit der bekann ten Klause l „wo

n i c h t, s o s o l l d e r f r omm e J u d e J o s e p h u s M a c h th a b e n

,e in J u s t P f u n d F l e i s c h a u s m e i n e n L e i b

z u s c h n e i d e n , w o e s ihm am b e s t e n g e f ä l l t“. Der

Prinz zaudert e ine l ange Ze it, auf den Pakt ei nzugehen,

erst nach den verschieden sten Versicherungen des Juden ,daß da s Ganze nur Form sache se i, wil l igt er ein . Jetztist der Jude überglücklich, die Rache sche int gesichert.E in Schiff aus Cype rn kann erst nach Verlauf e inesMonats in Venedig ankommen .

Der fünfte Akt folgt S h a k e s p e a r e am getreuesten .

Das Ge ld langt n icht ein und der Jude bes teht aufseinem Rechte . Auch der Ausruf E in wahrer Dan ie l

,

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DER ] UDE ALS WU CH ERER .

ich die Darste llung des j üdischen Wuchere rs . D er„Jude

von Mal ta“. ein Stück, das. die englis chen Komödian tenoft aufführten, da s. abe r verloren gegangen se in dürfte ,beha n de l t in der Ha up ts ache (n ach Marlowe) einen

K in d e sm o r d. ein Thema , da s wir im nä chs ten Kapitelausführ en .

Im allgem e in en sin d die‚j üdi sc hen Wuche re r“ als

die Ausbe uter des chris tlichen Volkes, da s si e aus dem

Inn ersten has sen, geschilde rt Das is t ihr Grun dn der

sich be i a llen Figuren wiederholt. Damit vers uchten dieDichter sich in die Denkungskreise der Juden hineinzuversetzen . Der Haß der Juden mag ja auch man chmalvorha nden gewesen sein , schließ lich ein se hr begrei flicherHaß . wenn man die v ie len Anfeindumge n, denen die

Juden ausg es etzt waren,in Erwägung zieht. Da ß die

An feindungen der Chr is ten nicht ge ringe r wurden , wennihn en von den Dichte rn immer un d immer wied er di eSe hleeht

'

g keit, der Eigenn utz der Juden vor Augengeführt wurde . is t begre iflich. S ie brachen si ch da nn in

V e r f o l g u n g e n gegen die Juden Bahn die von den

Dichtern als Folgen des j ü d i s c h e n Wu c h e r s, d e r

Ho s t i e n s ch än dun g u n d d e s K in d e r m o r d e s, Eige nscha ften ,

die den Juden zuge schrieben wurden . dargeste l l t wurden .

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DER JUDE ALS wue rm

ich die Darstel lung des j üdischen E

von Malta“, ein Stuck , das die enfi

oft aufführten , das aber verlorenbehande l t in der Hauptsache (nt

K i n d e sm o r d, ei n Thema , das wiriausführen .

Im al lgemeinen sind die judr

die Ausbeuter des christlichen Vol

Innersten hassen , geschildert. Das 1sich bei al len Figuren wiederhol t.Dichter sich in die Denkungskreis

zuversetzen . Der Haß der Juden me

vorhanden gewesen se in , schließ lichHaß

,wenn man die vie len An fe

Juden ausgesetzt waren , in E rwägl

An feindungen der Christen n icht geihn en von den Dichtern immer un

Schlechtigkeit, der Eigennutz der

geführt wurde , ist begreiflich . Sie 1

V e r f o l gun g e n gegen die JudenDichtern als Folgen des jü d i s e lHo s ti e n s ch ä n dun g u n d d e s K i t

schaften , die den Juden zugeschrie

ste l lt w urden .

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DER JUDE ALS I'DSTIENSCHANDER UND

KINDERMO RDER ]UDENVERTREIBUNG

Schon in de n i hergehenden Kapite ln habe ich

des ö fteren dan n ! daß e in e

Beschuldigung der

wi ederkehrt, das is t

Ge legenheit be nützen . 111 gegen die Chris te n feindl ichvorzugehen . E s is t lt le icht begreifl ich, da ß diese rGedanke

,der im bes Falle auf e iner Selbsttäuschung

Juden , die so hart von den

Christen bedrängt “den , hä tten ja kein e Mens chenri ch t auch die an ihn en ve rübte nsuchten , so erwogen mit Recht

die chr is tlichen Die

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DER JUDE ALS WUCHERER .

e in andere r Dan iel“ findet sich hier. Ane il etta befre itih ren Ge l iebten und wird, nachdem seine Abkun ft durchdie Ankunft der Legation bekannt wird, se in We ib .

D ie Abweichungen von Shakespeare dürften schonaus der Inha ltsangabe ersichtl ich se in . Das Stück ve rrätunbedingt e in e tüchtige Kraft und vie l Se lbständigke it.Vor al lem ist die Rache des Juden v ie l stärker begründet.Bei Shakespeare besteht das Ve rbrechen des An ton io inder fortwährenden Beschimpfung Shylocks

,hier liegt ein

tieferer, objektivere r Grund zur Rache vor, die Ver

treibung der Juden aus dem Lande,die der Prinz ver

schuldet hat . Die Ge l dgie r des Juden tritt stark zurück .

Dafür en tfäl lt aber fü r den Juden hier ein andere rUmstand, der bei Shakespeare stark in die Wage fäl lt,die Wut über die En tführung seiner Tochter . Barrabassucht im

.

Gegen satz zu Shylock se ine Rache insgeheimzu ne hm en . Er verk le idet s ich und nähe rt sich in andererGestalt und in e inem anderen Lande dem Prin zen . Deshalbwundert diese r sich mit Recht darüber, daß der ihm ganzunbekann te Jude e ine so merkwürdige Bezahlung verlangt,während Anton io wen igsten s ahnt, daß hier e ine m eh

süchtige Absicht des Shylock vorliegt. Der Jude Josepherwät auch im ganzen Stücke n icht dem Prinzengegen übe r seine Identität mit dem aus Cypern Ver

triebenen . Darm l iegt unbedingt ein techn ischer Feh le rdes Stückes .

Zweima l betont der Jude (s . das Zitat) die ver

geb liehe Mühe des Prinzen und der Christen , die Judenzu vern ich ten . Er ist überzeugt von der \Vidersta nds

fäh igke it und Unausrottbarkeit des j üdi schen Volkes .Die oftmal ige Wiederholung dieses Um standes, we lcheder Dichter unbee in flußt von Shakespeare se tzt, läßtdarauf schl ießen , daß m it diesen Wort en die eigeneMe inung des Dichters wiedergegeben ist ; vie l leicht wol lteer dam it auch gegen die damals übl ichen V e r f o l g u n g e n

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DER ] UDE ALS WUCHERER .

ich die Darste ll un g des j üdischen Wucherers . Der„Jude

von Mal ta“, ei n Stuck , das die englischen Komödian tenoft aufführten , da s aber verloren gegangen sein dürfte ,behande l t in der Hauptsache (nach Marlowe ) einenK i n d e sm o r d, ei n Thema , das wir im n ächsten Kapite lausführen .

Im al lgeme inen s ind die„j üdischen Wuche re r“ al s

die Ausbeuter des chr istlichen Volkes, das sie aus demInnersten hassen , geschilde rt . Das ist ihr Grundzug, dersich bei al len Figuren wiederhol t. Damit ve rsuchten dieDichter sich in die Denkungskreise der Juden hin einzuversetzen . Der Haß der Juden mag j a auch manchmalvorhanden gewesen sein , schließlich ein sehr begre iflicherHaß

,wenn man die vie len An feindungen , denen die

Juden ausgese tzt waren , in Erwägung zieht . Daß die

An fe indungen der Christen n icht geringer wurden, wennihn en von den Dichte rn immer und imm er wiede r dieSchlechtigkeit, der Eigennutz der Juden vor Augengeführt wurde , ist begre iflich . Sie brachen sich dann in

V e r f o l g u n g e n gegen di e Juden Bahn , die von den

Dichtern al s Folgen des j ü d i s c h e n Wu c h e r s, d e r

Ho s t i e n s ch ä n dun g u n d d e s K i n d e rm o r d e s, Eigenschaften

,die den Juden zugeschrieben wurden ,

ste l l t w urden .

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DER JUDE ALS HOSTIENSCHANDER UND

K INDERMO RDER. JUDENVERTREIBUNG.

Schon in den vorhergehenden Kapite ln habe ich

des öfteren darauf aufmerksam gemacht,daß e i n e

Beschuldigung der Ch risten gegen die Juden imme rwiederkeh rt

,das ist der Vorwurf, daß die Juden jede

Ge legenhe it benützen,

um gegen die Christen fe indl ichvorzugehen . Es ist sehr le icht begreif l ich

,daß dieser

Gedanke,der im besten Fa lle auf e in er Se lbsttäuschung

beruhte,aufkam . Die Juden

,die so hart von den

Ch riste n bedrängt wurden , hätten ja keine Men schensein dürfen , wenn sie n ich t auch die an ihn en verübtenMissetaten zu verge l ten suchten

,so erwogen m it R echt

die christlichen Dichte r und ste l l ten die Juden al s dieärgsten Fe inde der Christen hin . Dann wurde der Spießumgekehrt und die Angriffe der Christen als ein e ArtNotweh r bezeichn et

,al s der n atürliche Selbsterha ltungs

trieb , der es erforderte,die Hasser des Christentum s zu

verfolgen . Ma n kon struierte Angriffe der Juden gegenchristlich e Branche und Sitten

,gegen Ch risten se lbst

und hatte dann die beste Entschuldigung, wenn man die

Juden vertrieb .

D ie vielen Judenverfolgungen sind, soweit s ie von

den Dich te rn darg este l lt wurden , immer die Folge von

schlech ten Taten der Juden, die natürl ich in den gre l l sten

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DER JUDE ALS HO STIENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER .

jUDENVERTREIBUNO .

Farben gesch ilde rt waren . Was wurde den Juden al leszur Last ge legt ! Im 1 4 . Jahrhundert war es hauptsächl ichdie Be schuldigung der Brun nen ve rgiftung, die gegen sie

erhoben wurde . Cyr i a cu s S p a n g e n b e rg bezweife l t esa l lerdings, daß die Juden e ine solche Tat vol lbrachthätten : Es l ieß Gott, sagt er in der Ma n n s f e ld i s ch e n

C h r o n i k (pag . 33 7 ) „seine Straff Ann o 1 349 über die

ungläubigen verste ckten Juden gehen . Ob sie aber dieBr un nen vergiff tet hatten a n al len Orten , weiß ich n icht

,

sonderlich daß daraus die Pestilenz soll te durch ganzEuropam kommen

,ist n icht glaublich

,denn Gifft bringet

ja n icht Pestil en z, sondern den gewissen Tod“.

Während also Spangenberg nicht glaubt, daß die

Juden die Urheber der Pe st gewesen seien, erhebt dre i

Jah rhunderte Später A b r a h am a S . C l a r a diesen Vorwurf wieder und me int, daß die Pe st des Jahres 1 6 7 9 ,die zue rst in der Leopoldstadt ausbrach, „

wegen der

schlimmen Inwohner der Judenstadt genannt we rden se i“,

und an anderer Ste l le wande l t er diese Verdächtigungin e ine direkte Beschuldigung um

„zuma len es bekann t

ist, daß dergleichen pestilenzische Seneh durch die bösenFe ind

,durch die J u d e n , durch die Todtengraber, auch '

durch die Hexen verursacht worden“.

l)

Doch im a l lgeme inen finde t sich in den zu behande lnden Jahrhunde rten der Vorwurf der B r u n n e nv e r g i f t u n g nur se l te n , dafur trete n zwe i andere Be

schuldigungen in den Vordergrund, da s ist die H o s t i e ns c h ä n d u n g und das Märchen von der B e n ü t z u n g d e sC h r i s t e n b l u t e s .

Der Glaube , daß die Juden aus Rache gegen Mariaund Je sus

,sich an Hos tien vergange n haben und die

Ge legenhe it imme r benützte n , sich a n dem S innb ilde des

ch ris tliche n Erlöse rs zu verge he n , war ziem lich a l lgemein .

1,mm Wienn . 172 1. s . 25 .

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DER_] UDE ALS HO STIENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER .

] UDENVERTREIBUNG .

läßt sich der Schm ied abbringen :„solch groß sachen sind

missl ich zu triben“

. Der Abt, dem er von dem Vorfal lKunde gibt, rät auch zur Mäßigung : „

man muß n it ylen

mit disca großen dingen “, er möge di e Bestrafung nur

getrost Marien se lbst uberlassen :„got wirts n it unge

re chen Ion “. Al s der Schm ied je tzt die Sache ruhen l assenwil l , erschein t ihm ein Enge l im Schlafe , der ihn im

Namen Maria’s aufforde rt, die Ange legen he it weite r zu

verfolgen und sie vor den Pfarrer zu bringen . Doch auchdieser rat dem Schmied, von der weiteren Verfolgungabzusehen , er me int, die Juden se ien so behend, daß sie

sofort, wenn sie von der Klage horten, „so vyl ge l ts

daran strecken,das man vor jn n iit schaf fen kann“. So

könn e man nur se lbst zu Schaden kommen :„darin gib

ich ein solchen radt,dass du versehwigest dise that

“.

Maria werde es schon wissen lassen , wenn sie etwasi n die se r Sache ge tan wissen wolle . Der Schm ied gehtnach Hause und betet inbrün stig zur Mutte r Gottes

,sie

ersche in t ihm auch richtig m it blutendem,durchstochenem

Herzen und fordert ihn auf,se lbst die Schmach, die ihr

angetan wurde , zu rächen und den Fal l dem Grafen vorzutragen . Der Schm ied tut sofort

, wi e ihm befohlen wurde .

Der Graf wi l l sich aber auch n icht recht der Sacheannehmen . Er könn e auch n ichts gegen die Juden tun ;

obzwar sie ungläubig seien,müsse er doch gerecht gegen

sie vorgehen : „darumb ich rat du last dar von Und l as t

Mary mit irem R inde walten“.

Doch da der Schmied nicht aufhort zu drängenund s ich e rbietet, Zeugen zu brin gen , e rklärt sich derGraf bere it

, die Sache zu un te rsuchen . Der herbe igehol teZeuge, der mit dem Schm ied bei der Tat anwe send war,beschwört vor dem Abte , daß er die Wahrhe it sage :denn ,

so mein t der Graf, „wie wol das s ie nit christens indt , So ist es dannocht a l s wol sund, By ewige r ver

dampnüss se nd ir merken eben So sol l n iemand ke in fal sch

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PAMPHILUS GENO ENBACH : VON DEN FÜN F SCHNODEN JUDEN .

gezeugniss geben , dem juden als wol al s dem christen“.

Be ide schwören nun, daß sie n icht aus Haß gegen die

Juden, sondern der Wahrheit gemäß aussagen . Daraufwird e in er der beteil igten Juden

,den s ie m it Namen

angeben können , herbeigeholt und auf die Folter gespannt.Doch leugne t er en tschiede n

,daß er die Tat vol lbracht

habe und gibt an,daß der Schm ied ihm Fe ind sei und

deshalb e ine falsche Anzeige gemacht habe . Zum Bewe is,daß er unschuldig sei, schlägt er ein Gottesgericht vor.Er wil l mit dem Schm iede kämpfen ; wenn er besiegtwerde, möge man ihn bestrafen . Der Kampf geht vorsich und der Schm ied besiegt mit Hi lfe Maria’s denJuden . Darauf wird der Jude durch die Stadt geschleift,dem Schmiede aber we rden auf Befehl des Grafen von

der Priesterschaft große Ehren erwiesen . D ie Lehre,daß

man Maria imme r in Ehren halten und ihr dienen sol le ,beschli eßt das Stück .

Die Handl ung des Stücke s hat infolge des personlichen Eingreifen s der Mutte r Gottes vie l Ähn l ichkeitmit dem Me is tergesang „

E in Marienbild“ (s . Abschn itt

„Verspottung “) und in folge des Gotte sgerichtes,in das

Maria auch e ingreift,Beziehungen zur

„Disputatz eine s

Freiheits“

I n der Inha ltsangabe glaube ich schon das auf

fal lende Momen t hervorgehoben zu haben,daß jede r

, an

den sich der Schmied wendet, di e Sache n icht weiteruntersuchen will . Der e in e tut es aus Feighe it, der andere

(Pfarre r) aus Lässigke it, da es doch seine Pflicht alsPries ter wäre, e ine Schmähung der Gottin zu bestrafen

,

be i al len abe r spricht die Furcht vor den mächtigenJuden m it

, die mit ihrem Einfluß den Ankläger schädigenkönnten . Se lbst der Graf traut sich n icht, gegen die

Juden aufzutre ten . Das ist ein Punkt, der n irgends in denDichtungen so hervortritt wie hier. 1) Die Tendenz des

A l lerdings ist auch in anderen Dichtungen von der Macht

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DER JUDE ALS HO STIENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER .

] UDENVERTREIBUNG .

läßt sich der Schm ied abbringen :„solch groß sachen sind

missl ich zu triben“

. Der Abt, dem er von dem Vorfal lKunde gibt, rät auch zur Mäßigung : „

man muß n it ylen

mit di sen großen dingen “, er möge die Bestrafung nur

getrost Marien se lbst übe rlassen :„got wirts n it unge

re chen le n“. Al s der Schm ied jetzt die Sache ruhen lassenwil l

, ersche in t ihm ein Enge l im Sch lafe , der ihn im

Nam en Maria’s aufforde rt,die Ange legenheit we iter zu

verfolgen und sie vor den Pfarre r zu bringen . Doch auchdieser rat dem Schmied

,von der weiteren Ve rfolgung

abzusehen , er me int, die Juden seien so behend, daß sie

sofort, wenn sie von der Klage horten, „so vyl ge l ts

daran strecken,das man vor jn n üt schaffen kann“. So

könn e man nur se lbst zu Schaden kommen : „darin gib

ich ein solchen radt, dass du versehwigest dise that“

.

Maria werde es schon wissen lassen,wenn sie etwas

i n diese r Sache getan wissen wolle . D er Schm ied gehtnach Hause und betet inbrün stig zur Mutter Gottes, sie

erschein t ihm auch richtig m it blutendem ,durchstoehen em

Herzen und fordert ihn auf,se lbst die Schmach, die ihr

angetan wurde , zu rächen und den Fa l l dem Grafen vorzutragen . Der Schm ied tut sofort

, wi e ihm befohlen wurde .

Der Graf wil l sich aber auch n icht recht der Sacheannehmen . Er könne auch n ichts gegen die Juden tun ;

obzwar sie ungläubig seien , müsse er doch gerecht gegens ie vorgehen :

„darumb ich rat du last dar von Und last

Mary mit irem Kinde wa lten“.

Doch da der Sclnn ied n icht aufhort zu drängenund s ich e rbietet, Zeugen zu bringe n , erkl ärt sich derGraf be re it, die Sache zu un tersuchen . Der herbe igeholteZeuge

,der mit dem Schm ied bei der Ta t anwesend war,

beschwört vor dem Abte , daß er die Wah rhe it sage :denn , so me in t der Graf, „wie wol das s ie n it christensindt , So is t es dannocht a ls wol sa nd, By ewiger ver

dampnüs s se nd ir merke n eben So sol l n iemand kein fal sch

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DER JUDE ALS HO STIENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER .

JUDENVERTRE IBUNO .

S tuekes geht nun offenbar dah in , gegen die Le isetrete rund Vertuscher solche r Dinge aufzutreten und den

Schm ied . der unbeirrt bis zur Bestrafung der Schuldigenaush ie lt . zu loben und als We rkzeug Marien s darzuste l len .

Auffa l lend ist auch die gle iche Behandl ung, die den Judenund den Christen zutei l wird . Der Graf e rmahn t dieZeuge n naehdriiek lichst, die Wahrhe it zu sagen ,

auch daes s ich um Juden hande l t. Auf da s Verlangen des Judenhin w i l l i g t der Graf und der Schm ied in ein Gottesgericht, von dem s ie die ganze Ange legenhe it abhängigmachen . Um so g röße r ist zum Schluß der Sieg des

Ch risten und der Maria .

Vie l barmhe rzige r zeigte s ich n ach e iner E rzahlungdes A b r a h am a S . C l a r a 1) Jesus, dessen Bild von

e in em Juden sch recklich verstumme lt wurde . Das Bildwurde m it den garstigen Spe ich e ln angespien

,unte r

tausend Schmach und Liisterworten schlugen die JudenNäge l durch die Hände

,unte r andern ist einer da mit

e inem spitzigen Eisen , sticht das he il ige.

Bild in di e

Se iten , wovon das hänffige Blut wunderbarlicher Weißge fl osse n . daß sie darmit große Geschir r angefül lt“ .

Und doch e rbarmte s ich Gott dieser Juden ; statts ie zu strafen , bekehrte er sie und sie , „

die vorherChr is tum gekreuziget, sind naclnn a len s zum Kreuz gekrochen ,

haben ih re Sunden bereut und Buße ge tan “.

S ind diese Hostienschändungen nur erdichtet und

o h ne e rwie sen en historisch en Hintergruml auch inbezug

der Juden die R ed e . Besonders den j üdischen werfendic Dichter einen großen Ein fluß , den s ie mit ihrem Ge ld aus üben .

vor. S o finde t s ich in einer Predigt aus dem 14 . Jahrh . (N one ,

S chaus pie le) der Vorwurf , daß die Fürs ten s ich von den Juden|ws techen las sen und im R e g e n s b u rg e r \' o l k .

—z l ie d is t ausdrück

lieh vo n ihrer Macht die R ede , und versteck te Anspielungen se lbstgege n Kaiser Maximilian feh len dort nicht.

.\brah . l .auberh iitt, S . 74.

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ABRAHAM . VOLKSLI ED ÜBER D . VERTRE I BUNG D . JUDEN AUS PASSAU .

auf die Strafe, so gibt es andererseits wieder Dichtungen ,die wen igsten s in Hinsicht auf die Folgen h istorischeTatsachen sind. So be richtet von der V e r t r e i b u n g d e rJ u d e n a u s P a s s a u e i n V o l k s l i e d

,in dem als Ursache

der Vertre ibung ausführl ich die al lerdings auf die

geschichtl iche Wahrhe it hin unkon troll ierbare Mitte ilunge iner Hostien schändung angegeben wird.

Der Verfasse r des Volksliedes n ennt sich F r i t zFe l l h am e r. Das Lied ist desha lb in teressant, we i l h ierein Christ se lbst, Cristof E issiggreissenhamer, (

der Urheberder Schandtat ist. Denn er verkauft den Juden das

Sakramen t für einen„rhe in ischen Gulden“. Doch erfaßt

ihn spater Reue und er zeigt die Tat dem Landrichteran . Daraufhi n werden 1

di e Juden gefangen gen ommen

und gestehen , daß „Ve ige l Jude hat a in messer genummen ,

gestochen in das Sakramen t so rain“. Dre i Blutstropfensind darauf aus dem Sakrament geflossen ; von den ach tTeilen des Sakramen ts schickten die Juden zwe i nachPrag, zwe i n ach Neustadt und zwe i nach Salzburg, diedurchstoehenen zwe i behie l ten sie und warfen sie in s

Feuer, um den Glauben der Ch risten zu„bewaren

Und glänzend bewährte sich der Glaube . Denn aus dem

Ofen flogen zwe i Tauben heraus . Das gestehen die Juden ,und dafür werden zehn Juden verbrann t , die anderen ausder Stadt getri eben . Dort aber wo der Ofen stand, wirde in schöne s Gotteshaus gebaut und Wunder auf Wunderbegeben sich da . Was dem Christen

,der die Hostien

für die Juden gestohlen hatte,geschah , wird n icht be

richtet. Gan z unve rm itte l t wird in e ine r d er l etztenStrophen un seres Gedichtes m itgeteilt, daß man in Schär

ding e inen ge richtet, der den Juden in Passau seinenKnaben verkauft habe . Das Gedich t, das ziem l ich wirrist, sol l ein Preis der Mutter Gottes se in

,der von den

1

) bewaren prufen .

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DER juDE ALS HO STI ENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER .

JUDENVERTRE I BUNG .

Stückes geht nun offenbar dah in , gegen die Le isetrete rund Vertuscher solche r Dinge aufzutreten und den

Schm ied , der un be irrt bis zur Bestrafung der Schuldigenaushie lt , zu loben und al s We rkzeug Marien s darzuste l len .

Auffa l lend ist auch die gleiche Behandlung, die den Judenund den Christen zute il wird . Der Graf e rmahn t dieZeugen nachdrücklichst

,die Wahrhe it zu sagen

,auch da

es sich um Juden hande l t. Auf das Verlangen des Judenhin w i l l i g t der Graf un d der Schm ied in ein Gottesgericht, von dem sie die ganze Angelegenhe it abhängigmachen . Um so größer ist zum Schluß der Sieg des

Christen und der Maria.

Vie l barmhe rziger zeigte sich n ach e iner Erzäh lungdes A b r a h am a S . Cl a r a l ) Jesus, dessen Bild von

e inem Juden schrecklich ve rstümm e lt wurde . Das Bildwurde mit den garstigen Spe iche ln angespien , un te rtausend Schmach und Lästerworten schlugen die JudenNäge l durch die Hände

,unte r andern ist eine r da mit

e inem spitz igen Eisen , sticht das heil ige.

Bild in die

Seiten , wovon das häuffige Blut wunderbarlicher Weiß

geflossen,daß sie darmit große Gesch irr angefül lt“.

Und doch erbarrü te sich Gott dieser Juden ; statts ie zu strafen , bekehrte er sie und sie, „

die vorherChr istum gekr euziget, sind nachm a len s zum Kreuz gekrochen , haben ihre Sun den bereut und Buße getan “.

S ind diese Hostien schandungen nur erdich tet und

ohne e rwie sen en historischen Hintergrund auch inbezug

der Juden die R e de . Besonders den j üdischen \Vucherern werfendie Dichter einen großen Ein fluß , den sie m it ihrem Geld ausüben .

vor. So findet sich in einer Predigt aus dem 14 . Jah rh . (Mone ,Schauspie le) der Vorwurf , daß die Fürsten sich von den Judenbes tochen las sen und im R e g e n s b u rg e r V o l k s l i ed ist ausdrück

lich von ihrer Macht die R e de , und versteckte Anspielungen se lbstgegen Kaiser Maximi lian fehlen dort nicht.

A brah . La nberh iitt, S . 74.

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DER ] UDE ALS HO STIENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER.JUDENVERTREIBUNO .

Juden in Pas sau so übe l m itgespie l t wurde, die Strafeder Juden, ihre Vert re ibung, wird nur kurz e rwähnt.

Vie l ausführlicher wird die V e r t r e i b u n g d e r

J u d e n a u s R e g e n s b u rg, die 15 1 9 stattfand, i n 4

Vo l k s l i e d e r n berichtet Zum besseren Verständnis derLieder wil l ich vorher ube r die Lage der Juden in

Regen sburg nach R. V . Lil ieneron 1) e in ige s berichten :

Die Juden waren in Regen sburg seit sehr al ten Ze ite nansa ssig . Der Bezirk

,in dem s ie wohnten

,e iner der

äl te sten Stadtte ile , war von e iner Mauer umgeben . I n

diesem Gebiete mußten sie al le jen e Bedruckungen ,Ver

folgungen und häufig wiederkehrenden Leben sgefahrenübe r sich ergehen lassen , in denen der christliche Eiferdes Mitte lal te rs so e rfinderisch war. Es war ein Haufeenger , hoher Häuser, arm an Licht und Luft

,in den en

die Juden wohnten . Oft durften s ie aus ihrem Bau garn ich t heraus und man l ieß dann nur ein kle ines Pförtpchen offen , dam it ihn en die nötigsten Leben sbedurfnisse

und die Pfande r der Christen , die des Ge ldes der Judenbedurften

,hin eingetragen werden konn ten . Manchmal zu

Oste rn versperrte man ihn en sogar, ohne sich darum zukümmern

,ob sie mit Lebensm itte ln versehen waren, auch

noch dieses letzte Sch lupfloch auf länge r als acht Tage .

Neben der Erschwe rung ihres Geschäfte s , die schon indiesen äußeren Zuständen lag, waren sie auch n och durchAbgaben al ler Art gedruckt, an den Kaiser, an die

Herzoge von Baye rn , an den Bischof, die Stadt ; gle ichwoh l hatte n s ie mit ihrem rastlosen Handelstrieb e inenbedeutenden Teil des städtischen Geschäfte s a l lmählichin ih re Hände gebracht, Stadt und Umgebung weit hinauszu ih re n Schuldnern gemacht und e in e Menge von Pfands tücken in ih ren G ewölben aufgehäuft ; so war es dahingek ommen , da ß s ie die R e ichen in de r Stadt waren ,

„D ie b ist . Volks lieder der Deutschen vom 13 . bis 16 . Jh .

Le ipzig , be i F . C . Voge l . I I I . B . , S . 3 16 -3 19 .

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VOLKSLI EDER U . DI E VERTREI BUNG DER ] UDEN AUS REGENSBURG .

wah rend n icht nur die städtischen ‘Finanzen,sondern

auch der Hande l und das Handwerk der Stadt mehrund mehr in Ve rarm ung versanken . Das Volk gab mitkurzem Urte il den Juden geradezu Schuld, die Ursachedieser Verarm ung zu se in , und die Priester fanden will igeOhren , wenn sie übe r den Wuche r der Juden die StrafeGotte s und der Men schen in Predigten und Gebetenhe rabflehten .

Seit 15 1 7 war der Fanatismus des Volkes ganzbesonders durch di e Haß atmenden Predigten des ausIngolstadt nach Regen sburg gekommen en Dompredige rsB a l t h a s a r Hubm eye r entzündet. Man wartete nur

noch auf das mit dem Tode des Kaisers Maxim il ian in

Aussicht geste l lte In terregnum , um gegen die Juden gemein sam vorzugehen . Sobald Max im il ian die Augen ge

schlossen hatte,

erschien am 2 1 . Februar 1 5 1 9 e ineDeputation der Handwe rker auf dem Rathaus , um die

Ve rtreibung der Juden zu forde rn . D er Rat,der die Depu

tation se lbst veran laßt hatte, sagte natürl ich die Erfüllungihres Begehren s zu . Den Juden wurde befohlen , innerha lbzweier Stunden die Synagoge zu räumen , al le Pfandstückedem Rate zur Deckung e in e r Schuldforderung an die

Juden schaft auszuhändigen und mit ihre r son stigen Habeinnerhal b 5 Tagen die Stadt zu ve rlassen . Daß man

ihnen ih re Habe l ieß , war freil ich nur für das Wen ige ,da s sie in der Eile auf den ungenügenden Tran sportm itteln mit sich fortschaffen konn ten , von Weit . Nun

stürzte sich die wilde Menge auf die Synagoge,deren

entwe ih te r Platz durch e ine Kape l le der schönen Maria“

wiede r geheiligt werden so l lte .

Die Ve rtre ibung der Juden und die Einweihungder Kape l le besingen die 4 Volksl ieder , ein fünftes nochdie Wunde r, we lche Maria in der Kirche vollbrachte .

I n ke inem e inzigen Lied werden die Bedrückungen und

Verfolgungen,we lehe die Juden zu erdulden hatten , mit

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DER ] UDE ALS HO STIENSCHÄN IZR UND K INDERMÖRDER.

JUDENVERTR BUNO .

Juden in Passau so ube l mitg pie lt wurde, die S trafeder Juden, ihre Vertre ibung, wi rd nur kurz e rwähnt.

Vie l ausführl icher wird 1'

e V e r t r e i b u n g de r

J u d e n a u s R e g e n s b u rg, d 15 1 9 stattfand, i n 4

Vo l k s l i e d e r n berichtet Zum esseren Verständnis derLieder wil l ich vorhe r uber re Lage der Juden in

Regen sburg nach R . v . Lilien oul) e in ige s berichten :

Die Juden waren in R egen sbur se it sehr al ten Zeitenan sässig . Der Bezirk, in dem sie wohn ten, e in er deraltesten Stadtte ile , war von cinr Mauer umgeben . I n

diesem Gebiete m ußten sie al le >n e Bedruckungen ,Ver

folgungen und häufig wiederkerenden Leben sgefahrenübe r sich ergehen lassen , in denn der christl iche Eiferdes Mitte lalte rs so erfinderisch a n Es war ein Haufeenger , hohe r Häuser, arm an I sht und Luft, in denendie Juden wohnten . Oft durfte ] sie aus ihrem Bau garn icht heraus und man l ieß dann n i r ein kle ine s Pförtchen offen , dam it ihn en die n öt sten Leben sbedurfnisse

und die Pfande r der Christen , ( 1 des Ge lde s der Judenbedurften

,hine ingetragen werderkonn ten . Man chmal zu

Oste rn versperrte man ihn en s0gr, ohne sich darum zukümmern

,ob sie mit Leben sm ittel ve rsehen wa ren , auch

noch die ses letzte Sch l upfloch ar l änge r al s acht Tage .

Neben der Erschwe rung ihre s Cschäftes , die schon in

diesen äußeren Zustanden lag, wa=n sie auch n och durchAbgaben a l le r Art gedruckt, ar den Kaiser, an die

Herzoge von Bayern , an den Bis«mf, die Stadt ; gle ichwohl hatte n sie m it ihrem ra stlo . r Hande lstrieb e inenbedeutenden Teil des städtischen ( ieschäftes a l lmählichin ihre Hände gebracht, Stadt undn ebung we it hinauszu ihren Schuldnern gemacht und n e Menge von Pfandstücken in ihren Gewölben aufgehuft ; so war es dahingekommen , daß sie die R eichen i r der Stadt waren ,

1

) ‚D ie b ist. Volks lieder der Den h c n vom 18. bis 16 . Jh .

Leipzig , bei F . C . Vogel . I I I . B . , S . 3 1 ( l t) .

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DER JUDE ALS HO STIENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER .

] UDENVERTREIBUNO .

leidsvoll e rwähnt, im Gegen te il , gleich im e r s te n Lied„w ie die n ew cape l l zu der schonen Maria in R egenspurg

erstl ich aufkomen ist“ wird denen , die sich der Judenangenomm en hatten

„dan n etl ich auß der christenhait,

den was vast umb die j uden l aid“ der Vorwurf gemacht ,„daß di e l ieb gots gar in in n it sche int“. Dagegen we rdenaber die Räte , we lche sich bei der Ve rtre ibung der

Juden besonders hervorgetan haben , namen tlich angefuhrt.

Dann ergeht sich der Dichter des langen und breitenin der Aufzählun g und Beschreibung der Missetaten der

Juden,

s ie tre iben Wucher in der ganzen Stadt, der

gan ze Besitz ist in ih ren Handen„so e in e r ein kle id

kaufen wol t,gar bald er zu dem j uden trolt der

handwercksman kunt n ichts verkaufen , es was a l les zumj uden l aufen“. Dann wird übe r die Ve rstockthe it derJuden Klage gefüh rt

,die an Be ispie len aus der Bibe l

bewiesen und a ls wichtigste s Argument gegen die Judenaugefiihrt wird : „

so frumm ward n ie kein JudenhundDer n it versucht, wie er da kund S ch e n d e n , un e re n d i e

r a i n e m a i d“. Ferner wird ihnen vorgeworfen , daß sie zuFriedrichs Ze iten Kinde r e rmordet hätten ; doch konn tedie Sache gegen die Juden

„kein furgang han , byss da

sta rb Maxim il ian “. Damal s war i n Regensburg der bere itsgenann te Dr. Bal thasar Priester, „

der lernet Regen sburgzu hand, wie man die sach solt greiffen an

, dass se l igwürde frau und man

Dieser Mann nun,den der Kaiser Maximil ian wegen

se in er Hetzereien absetzen wollte , macht aus der Ver

tre ibung der Juden für sich e inen Ve rdienst . Er zette l tdie ganze Ge sch ichte a n . Zieml ich gesehiehtsgetreu wirddie Ve rtreibung se lbst geschildert :

1) S owohl hier wie oben („d ie liebe gottes mehr in in nicht

scheint“) wird die Vertreibung der Juden a ls ein gottgefa lliges

Werk gepries en .

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VOLKSLI EDER ÜBER D . VERTREI BUNG D . JUDEN AUS REGENSBURG .

„bei leib und leben thet man in sagen,dass sie allsambt in sieben tagenRegen sburg die statt ve rlassen selten

und nemen m it in was sie weiten .

Alles ir gut hat man in ge lassenUnd h ats be lait byss auf die strassen 1

)

Die Juden baten flehentl ich, man m ege Si e i n der

Stadt lassen , doch war das al les vergeben s, ihnen halfweder Ge ld n och Gun st. Die Zerstorung des Tempel swird in den kürzesten und prosaischesten Worten erzäh l t? )An Ste l le der Syn agoge wird die Kape l le Maria’s aufgebaut. Der Himme l skön igin zu Ehren wird auch die

Judengasse zerstört . Schl ießlich fügt der Dich te r n och,

offenbar um di e Greue l taten der Christen zu rechtfe rtigen,

ein e Erzäh lung hinzu, daß man n äml ich bei der Zer

s törung der Hauser e inen Ke l le r fand, in dem Blutverge ssen war. Er spie lt dam it auf’s Blutmärchen an .

800 Juden hat man so aus Regen sburg vertrieben .

Der Sch luß des Gedich tes legt die Vermutun g nahe ,daß der Verfasser ein Priester war , den n mit besonderemNachdruck wird hervorgehoben , daß das gan ze gottgefällige Werk nur mit Hil fe der Priester zustande kamund daraus die Leh re ge folgert : Halte die Priesterschaftin Ehren .

Das z w e i t e Lied unterscheidet sich n icht wesentlichvon dem ersten . Auch hier wird die Schlech tigke it derJuden in mögl ichst gre l len Farben gesch ilde rt ; doch eine

Schändung der Hostien wird ihnen n icht zum Vorwurfgemacht

,dagegen wird aber auf den angebl ichen Mord

von Christe nkindern hingewiesen . Trotz der Macht der

1) Naturl ich konnten die Juden nur die bewegliche Habe

mit sich nehmen , Häuser und Fe lder blieben in der Hand ihrerFeinde .

2

) Zu ha nd man die synagoge zerriss Vor leid mancher indie hosen schyss .

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DER ] UDE ALS HO STIENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER .

JUDENVERTREiBUNO .

leidsvoll e rwähnt, im Gegen te il , gleich im e r s te n Liedw ie die new cape l l zu der schonen Maria in R egen spurg

erstl ich aufkomen ist“ wird denen , die s ich der Judenangenommen hatten

dan n etl ich auß der christenhait,

den was vast umb die j uden l aid“ der Vorwurf gemacht ,daß die l ieb ge ts gar in in n it scheint“. Dagegen we rdenaber die Rä te , we lche sich bei der Vertre ibung der

Juden besonders hervorgetan haben , namen tlich angefuhrt .

Dann e rgeht sich der Dichte r des langen und breitenin der Aufzählung und Beschreibung der Mi sse taten derJuden , s ie tre iben Wucher in der ganzen Stadt

,der

gan ze Besitz ist in ihren Handen„so e iner ein kle id

kaufen we lt,gar bald er zu dem j uden trolt der

handwercksman kunt n ichts verkaufen , es was a l les zumj uden l aufen“. Dann wird übe r die Verstockthe it derJuden Klage geführt, die an Be ispie len aus der Bibe lbewiesen und a l s wichtigste s Argument gegen di e Judenangeführt wird :

„so frumm ward n ie kein Juden hun d

Der n it versucht, wie er da kund S ch e n d e n , u n e re n d i er a i n e m a i d“. Ferner wird ihnen vorgeworfen , daß sie zuFriedrichs Zeiten Kinder e rmordet hätten ; doch konn tedie Sache gegen die Juden

„ke in furgang han , byss da

sta rb Maxim il ian “. Damal s war in Regen sburg der bereitsgenan nte Dr. Bal thasar Priester, „

der lernet Regen sburgzu hand

, wie m an die sach solt greiffen an, dass sel ig

würde frau und man“

Dieser Mann nun, den der Kaiser Maximil ian wegen

se iner Hetzere ien absetzen wollte , macht aus der Ver

tre ibung der Juden fur sich e inen Verdien st. Er zette l tdie ganze Ge sch ichte a n . Ziem l ich geschiehtsgetreu wirddie Ve rtreibung se lbst geschilde rt :

S owohl hier wie oben die liebe gottes mehr in in nich tscheint“) wird die Vertreibung der Juden a ls ein gottgefa l liges

Werk gepries en .

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DER JUDE ALS HOSTIENSCHANDER UND K IND ERMÖRDER .

JUDENVERTRE I BUNG .

Juden hat sich aber die Sache zu ihren Ungun sten e

wendet . Zuerst wird die Syn agoge der Juden zerstrt

dann werden sie se lbst aus der Stadt gewiesen . U n e

s c h l ag e n un d u n g e s toß e n schickt man sie auf fre1deStrassen“ fügt auch dieser Dichter hin zu . Der Hinwis

auf die Prediger am Sehlusse des Stückes fehlt auch lernicht . Im übrigen ist das Stück vie l kürze r al s das er e .

Das d r i t t e Lied ist aber Wiede r großer und'

n

Strophen form abgefaßt. I n 18 n eunzeiligen Strophn

werden die Schandtaten der Juden aufgezählt, nur e1e

Strophe be singt die Vertre ibung und die Zerstorung es

Tempel s . Neu erwähn t ist hier die geschichtl iche Tt

sache, daß die Regen sburger auch den be rühmten aha

Friedhof der Juden, in dem ungefähr 5000 Grabsteiewaren, zerstörten . Fur diejen igen , die e twa der JudnBübereien n och beschutzen wol lten , führt der Dichtr

in einigen Strophen aus, daß die Mutte r Gottes se ltt

mit der Tat e inverstanden sein müsse,denn sie hae

Wunder auf Wunder vol lführt und die Kape l le , die irzu Ehren auf dem Platze errichtet werden sei

,were

von al len Kranken m it Erfolg aufge sucht. 1)

Das v i e r t e Lied„die Ausschaffung der Juden vo

Regen sburg bezaichnende“ führt al s Grun d des Hasss

der Juden gegen die Christen den Um stand an,daß d

letzteren den j üdi schen Friedhof zerstört hätten„nt

bicke l und mit band ryss man die (se . Grabste ine) an

zu hand, die mauer musste auch daran“. Im übrigen i

dieses Lied zum großten Te il wie das ganze f ü n f t e dcVerherrlichung Maria’3 gewe iht .

1

) Gegen die Glaubwurdigkeit der Wunderwirkung Mariaspricht sich S e b a s t ian F ran c k in seiner

„Chronika, Zeitbuc

und Geschich tsbibel“ aus . (S . Fol . 2 12 a, 224 a .) Er berichtet, da

die schöne Maria nach einigen Jahren aufgehört habe zu leuchteund Wunder zu tun .

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z um

“w i e“. u o l W rg u ‘n

Taube n A“ h lgß ü h vü n ß n t n n i i fi

m W ü t ü b fl ö

ei h il’

gzr ü nfl u u 0rt

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DER }UDE ALS HO STIENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER .

jUDENVERTREI BUNO .

Juden ha t s ich abe r die Sache zu ihren Ungun sten ge

wendet . Zuerst wird die Synagoge der Juden zerstört,

dann we rden s ie se lbst aus der Stadt gewiesen . U n g es c h l ag e n un d u n g e s toß e n schickt man s ie auf fremdeStrassen“ fügt auch diese r Dichter hinzu . Der Hinwe isauf die Prediger am S ehlusse des Stückes fehlt auch hiern icht . Im übrigen is t das Stück vie l kürzer al s das e rste .

Das d r i t t e Lied ist aber Wieder großer und in

Strophen form abgefaßt. I n 18 n eunzeiligen Strophenwerden die Schandtate n der Juden aufgezählt

,nur e ine

Strophe besingt die Ve rtre ibung und die Zerstorung des

Tempel s . Neu erwähn t ist hier die geschich tl iche Tatsache, daß die Regen sburger auch den berühm ten altenFriedhof der Juden

,in dem ungefäh r 5000 Grabste ine

waren , zerstörten . Fur diejen igen , die etwa der JudenBübere ien n och beschützen wollten , führt der Dichte rin einigen Strophen aus, daß die Mutte r Gottes se lbstmit der Tat einverstanden sein müsse , denn sie habeWunder auf Wunde r vol lführt und die Kape l le , die ihrzu Ehren auf dem Platze errichtet we rden sei

,werde

von a l len Kranken m it Erfolg aufgesucht. 1)

Das v i e r t e Lied die Ausschaffung der Juden von

R egen sburg bezaichnende“ führt al s Grund des Hasse s

der Juden gegen die Christen den Um sta nd an , daß di eletzteren den j üdischen Friedhof zerstört hättenbicke l und mit band ryss man die (se . Grabste ine) ausszu hand, di e mauer musste auch daran“. Im übrigen istdieses Lied zum großten Te il wie das ganze f ü n f t e derVerh e rrl ichung Maria’s gewe iht .

mit

1

) Gegen die G laubwürdigkeit der \Vunderwirkung Maria’sspricht sich S e b a s ti a n F ra n c k in seiner

„Chronika , Zeitbuch

und Geseh ich tsbibe l“aus . (S . Fol . 2 12 a , 224a .) Er berichtet, daß

die schöne Maria nach einigen Jahren au fgehört habe zu leuchtenund Wunder zu tun .

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DER JUDE ALS HO STIENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER .

JUDENVERTREI BUNG .

Gottes phlegen sie zu sche l ten ,Son e

,Thl na ,

we lche s so erschreck liche La sterworte , dass e ine ehrbarefede r sie n ich t getrawet zu verde llmetschen . S ie betena l le Tag mehrma l, Gott wolle uns Christen vertilgendurch Pe st, Hunge r und Krieg , ja al le Creaturen und

Geschopffe sollen denen Christen zuw ieder seyn . Ke nn en

dann größe re Sche lme in der gantzen We l t ge fundenwerden al s die Juden ?

An eine r anderen Ste l le 52 ) gibt Abraham se in emHaß gegen die Juden Ausdruck, indem er sagt :

„Die

wilde sten Völker, Heiden , Mohren , Indianer , Barbarenund das ungesch lachteste , w ildeste Volk in der n euenWe l t, se ien den J u d e n vorzuziehen, denn sie hättensich doch zum Ch risten tum bekehren lassen . Un te r al lenNationen findet man aber ke in e so hartnäckige und un

gläubige Völker al s di e verzweyfflete Juden , diese seynd

der Abfanm a l ler Gottlosen und ungläubigen Leuthe“.

Abraham ist woh l der gehas sigste Dichte r diesesgan zen Ze itraumes ; n eben den Be schimpfungen un d

Anschuldigungen , die bei den Dichte rn überhaupt üblichwa ren , hat er auch die Verleumdungen erwähnt

,um

deren twillen die Juden so vie l zu e rdu lden hatten,

näm l ich die Hostien schän dung, die ich bereits zitie rthabe

,und die Ank lage des Gebrauches von Blut, die er

im„Ab ra h am i s ch e n La u b e rh ü t t

“ zu bewe isen sucht.Dort füh rt er im e rsten Kapite l unter dem Tite l

„Der Jud sagt zwar auch Adenai ! Doch hat er keinenNutz darbey

“e ine Re ihe von Schl echtigke iten der Juden

a n, die beweisen sol len , daß die Juden zwar in a l len

ih ren Nöte n und An l iegen„Adonaj

“ rufen , doch ke inenAnte il an Gott haben . Denn s ie schmähen den Name n

„Jesus “ und legen ihn so aus , daß sie aus den Buch

Hebr . : Sonah Prostituierte , Telujah gekreuzigt ,Th inuf Dreck .

Ce ntifolium . 1709 . S . 343 .

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AB RAHAM : LAUBERHÜTT , HUY UND PEUY, CENTIFOLIUM.

staben dieses Worte s an agrammatis ch„lmmach, Schemo,

Uzicho“machen , was sovie l wie „

sein Nam e und Ge

däehtnus soll ausge löscht und vertilget werden“ h eißt.

Auch in der Syn agoge verfl uchen sie Jesus mit denWorte n Jesus sit anathema, verflucht sey e Jesus“.

Merkwürdig —und spitzfindig is t nun der Üb ergangden jetzt Abraham e inschl ägt , um aufs Blutmärchen zu

komm en„Ob nun schon “, sagt er, „

di e versteckte

Hebräer und Mausehl Christum in alleweg un d al lezeitfla chen und schmähen

, wie auch un s Chris ten geschworneun d abgesagte Feind seyn , könn en sie gle ichwohl en der

Christen n ich t entrathen,nicht al lein wegen der Han dl

schaff te n und ihrer Sehachereyen , sondern forderist w e g e nd e s C h r i s t e n-B l u t, w e l c h e s s i e n o t hw e n d ig h ab e nu n d g e b r a u c h e n m ü s s e n , w e l ch e s a u s f o l g e n d e nz u v e rn e hm e n

“ 3) Und nun zäh lt er nach seinem

Gewäh rsmann An ton ius Benfinius„dem bewehr ten und

gl aubwürdigen Gesch ieht-Schre iber e ine R eih e von Zereme n ien der Juden auf, zu den en sie Ch riste nblut benötigen . Als e rste Zeremonie n enn t er die Beschn eidung

,

zu der die Juden , um das Blut zu stil len , ChristenblutDann dien t das Blut dazu, um Friede und

Ein igkeit un te r ihn en zu e rhal ten . Der Gen uß desselbenschützt vor gewis sen Krankheiten , macht sie bei Gottbeliebt, der Bes itz dieses Blutes verhinde rt

,daß sie

„häßl ich, garstig un d abschäulich stin ken“, den ste rbendenJuden ha l ten sie das Blut e ines ge ta uften un d von ihn ene rwürgten Kinde s vor, um ihn en so das ewige Lebenzute il werden zu lassen . So sch l ießt der Autor mit

der durch se in e Bewe ise be stätigte n Behauptung, daßdie Juden zwar Adonaj rufen , aber keinen Nutzen davonhaben können .

3)

1

) a . a. O . S . 33 .

S . diese Ansicht auch im„Judenspiel

“.

Man braucht nicht erst hinzuzufügen,das al le diese

Angaben und Zeremonien aus der Luft gegriffen sind .

1 33

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DER ] UDE ALS HO STIENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER .

jUDENVERTREIBUNO .

Gottes phlegen sie zu sche lten ,Son o

,Thlua

,

we lche s so e rschreck liehe Lasterwoü e, dass e ine ehrbarefede r sie n icht getrawet zu verdollmetschen . S ie betena l le Tag mehrma l

, Gott wol le un s Christen vertilgendurch Pe st, Hunger und Krieg, ja al le Creaturen und

Gesch0pffe sol len denen Ch risten zuwieder seyn . Könn endann größere Sche lme in der ga ntzen We l t gefundenwerden a l s die Juden ?“

An ein er anderen Stel le ?) gibt Abraham seinemHaß gegen die Juden Ausdruck, indem er sagt :

„Die

wilde sten Völker, Heiden , Moh ren , Indianer, Barbarenund das ungeschlachteste

, wi ldeste Volk in der n euenWe l t, se ien den J u d e n vorzuziehen , denn sie hättensich doch zum Christen tum bekehren lassen . Un ter al lenNationen findet man abe r ke in e so hartnäckige und un

gläubige Völker al s die verzweyfflete Juden , diese seynd

der Abfanm al ler Gottlosen und ungläubigen Lenthe“.

Abraham ist woh l der geha ssigste Dichte r diesesgan zen Ze itraumes ; n eben den Beschimpfungen und

Anschuldigungen , die bei den Dichtern überhaupt ublich

waren , hat er auch die Verleumdungen e rwähnt,um

deren twil len die Juden so vie l zu erdulden hatten,

näm l ich di e Hostien schä ndung, die ich bereits zitie rthabe , und die Anklage des Gebrauches von Blut, die er

im„Ab ra h am i s ch e n La u b e rh ü t t

“ zu bewe isen sucht.Dort füh rt er im ersten Kapite l unte r dem Tite l

„Der Jud sagt zwar auch Adon ai ! Doch hat er keinenNutz darbey

“e ine Reihe von Schl echtigke iten der Juden

a n, die bewe ise n sol len , daß die Juden zwar in al len

ihren Nöten und An l iegen„Adonaj

“ rufen , doch ke inenA nte il a n Gott haben . Denn s ie schmähen den Namen

„Jesus“ und l egen ihn so aus , daß s ie aus den Buch

H ebr. : Sonah Prostituierte , Telujah gekreuzigt ,Th inu f Dreck .

Centifolium . 1709 . S . 343 .

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DER ]UDE ALS HO STIENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER .

] UDENVERTRE IBUNG .

I ch habe m it der Besprechung des StandpunktesAbraham s über das B l u tm ä rch e n der Darste l lung vorgegriffen ,

den n schon in früheren Jah rhunderten wurdendie Juden von den Dich tern diese r Schandta ten beschuldigt. Im 1 3 . Jahrh undert sagt der Dichter He lb ling 1)„ez bringet noch al liu jar din j uden Kri stes marter dar ;e in Kristen sie morden t“. Auch in den Fa stnachtspielendes 1 5 . Jahrhunderte s finden sich An spie lungen auf den

angebl ichen Blutgebrauch der Juden . Se zäh l t der Judein

der al ten und neuen E e“ un ter den Vorwü rfen , dieman den Juden macht

,auch den auf :

„wir brauchen euer

Kinder plut“. Im Herzog von Burgund“ behauptet derJude , daß se in Volk, we l ches während 1400 Jahren diegrößten Üb e l erl itten hätte

,noch vie l meh r angefeinde t

we rden wäre, wen n die Christen wüßten , „we lchen Haß

wir gegen sie hegen und wie vie l Kindle in wir ihn en

ge stoh len und getödtet haben , wie wir uns mit ihremkeuschen Blute röteten, die wir den Christe n entführtenzu smach der jährl ichen Geburt Jesu“. Hier wird di eSache so dargeste l lt, al s ob die Christen von di esenTaten der Juden gar n ichts wiißten . Als Grund dieserSchl echtigke it wird hie r die Geburt Je sus’ angegeben .

Der Historiker J o h a n n A v e n t i n nenn t an e in er Ste l lesein e r Ge sch ichtswerke die Juden Mörder von Christenkindern

,

und auch K i r ch h o f erspart ihnen n icht diesenVorwurf. Er me in t

,die Juden brauchen Ch ristenblut , um

Sterbende m it dem Blute un schuldiger Christerrknabenzu bestre ichen . Dabe i sagen s ie : Wenn der in den Pro

phete n v erhe ißene Messias bere its gekommen is t und e s

Jesus war, so möge dieses un schuldig verge ssene Blutdir behiilflich und förderl ich se in zum ewigen Leben 3).

S . Haupt, Zeits chrift f. d . A . IV. 11 . v. 1099 ff .G eiger. a . a . O . S . 320.

A lso eine ähn liche Verwendung des B lutes wie bei Abr.a S . Clara .

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BLUTMÄRCHEN : AVEN'

I'

IN , K I RCHHOF .

Darnach sind die Juden al so noch Se lbst in Zweife l , obder Messias bereits gekommen sei oder n icht. Die Zeremon ie des Kindermordes beschre ibt Kirchhof genauSie (die Juden) stehlen ein Kind (ein Kn abe muß es

sein), martern es auf s Osterfest greul ich,daß es e ines

langsamen Tode s stirbt, fangen das Blut auf, pressen und

sangen es, wenn es nicht mehr laufen will , mit Federkie len aus dem K örperlein , sch icken dieses al s ein be

sonderes Geschenk und e ine besondere Ve rehrung sichgegen se itig zu .

Während aber die Dichter doch davor zurückschreckten , die Blutbeschuldigung zum Gegen stande e inergrößeren Dichtung zu machen und n ur ge legen tlich davonsprechen , ist un s aus de

u

m 1 6 . Jahrhundert von unbekann tem Ve rfasse r ein Drama erhal ten , dessen Stoff sichnur mit dieser Frage befaßt. Das „

E n d ing e r J ud e ns p i e l“1) behande lt di e Ermordung e ine r christl ichenFam il ie durch Juden und die Strafe , we lche die Judendafür traf. Gesch ichtlich nachgewiesen ist die S t r a f e ,denn im Jahre 1470 wurden all e Juden aus der E ndinger

Mark vertrieben , und erst im Jahre 1 785 wurde ihnendie Erlaubn is

,dort zu wohn en , von Kaiser Josef II .

wieder e rte ilt . Was an der Ta t, die den Juden zur Lastge legt wurde, wirk lich Wahrhe it ist, kann heute n ichtmehr festgeste l l t werden . Ob die Juden etwa aus Racheam Christenvolk die Tat vollbrachten , wie im Stückeöfters erwähnt ble ibe dahingeste l lt ; sicher aberist, daß der andere Grund, die Benützung des Ch risten

1

) Herausgegeben in d . N eudrucken deutscher Literaturwerkedes 16 . und 17 . Jahrh . von Karl v. Amira. Halle 1883 . S . darüberL. Geiger, a . a . O .

2) Der Haß der Juden und die . Verwendung des Christen

blutes werden des öfteren a ls Ursachen der B luttat angegeben . So

Vers 2 1 1,2 12

, 329 , „Das s blut derselben bhaltet fliss ig , die häupter

auch gantz unverdriss ig , zuc grossen sachen , die mir wissen ,zuc

brauchen künstlich und zuc gn ies sen (V. 595 - 598) etc.

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DER JUDE ALS HO STIENSCHANDER UND tNDERMÖRDER .

JUDENVERTRE I BUNG .

I ch habe mit der Besprechung es StandpunktesAbraham s über das B l u tm ä r ch e n de Darste l lung vorgegrif fen ,

denn schon in frühe ren Jahnunderten wurden

die Juden von den Dichtern die se r Seandtaten beschuldigt . Im 1 3 . Jahrhunde rt sagt der Ie hter He lbl ing 1)„ez bringet noch a lliu jar din j uden Ki stes m arter dar ;ein Kristen sie morden t“. Auch in derFa stnachtspielendes 1 5 . Jahrhundertes finden sich Aus e lungen auf den

angebl ichen Blutgebrauch der Juden . b zählt der Judein

(

der al ten und neuen E e“ un ter de Vorwm fen , die

man den Juden macht,auch den auf : ‚f ir brauchen eue r

Kinder plut“. Im Herzog von Burguli“ behauptet derJude, daß sein Volk, we l ches während l 400 Jahren diegrößten Übe l erlitten hätte, n och vie l mehr angefeindetwerden wäre, wenn die Christen wüßte, „we l chen Haß

wir gegen sie hegen und wievie l K idlein wir ihn engestoh len und getödtet haben , wie wi uns mit ihremkeuschen Blute röteten , die wir den Cristen entführtenzu smach der j ährlichen Geburt Jesu Hier wird dieSache so dargeste l lt, a ls ob die Ch i! ten von die senTaten der Juden gar n ich ts wüßten . s Grund dieserSchl echtigke it wird hier die Geburt 3sus’ angegeben .

Der Historiker J o h a n n A v e n t i n n eu. an e in er Ste l lesein er Ge sch ichtswerke die Juden Mörtr von Christenkindernfl) und auch K i r c h h o f erspart in en n icht diesenVorwurf. Er m e in t

,die Juden brauchen 311ristenblut, um

Sterbende mit dem Blute un schuldige Christenknabenzu bestreichen . Dabei sagen sie : Wenn le r in den Pro

pheten verheißene Messias bere its gekom.e n ist und. es

Jesus war, so möge dieses un schuldig e rgossene Blutdir behülflich und förde rl ich sein zum v igen Leben

1

) S . Haupt, Zeitschrift f . d . A . IV . 11 . 1099 ff .2

) Geiger. a . a . O . S . 320.

8

) A lso eine ähn liche Verwendung des B tes wie bei Abr.a S . C lara.

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DER JUDE ALS HO ST1ENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER.JUDENVERTREI BUNG .

blute s , vo l l ig haltlos ist und nur dem Glauben des ver

hetzten Volke s entsprang. Natürl ich fäl lt der ganzeSchatten wieder auf die Juden , al le s Licht auf die von

den bösen Juden verfolgten Christen . Schon der Prologusergeht s ich in K l agen über

„der j uden grewlich missethat

und hass der chri sten überal auf disem armen jamerthal“

.

Dieser Haß der Juden habe sich schon f rüher in al lenmöglichen Schandta ten gezeigt und stifte t noch heutigenTage s v ie l Übe l . Den frommen Ch risten haben die Juden

gar oft die Brunnen vergiftet, Verräte re i getrieben und

v ie le Schelmen stücke began gen (v . 30 Das Ärgsteaber haben sie in Endigen verubt und das möge zum

„gedachtnuss diser morderthat , der großen un schuldt auchzuc ehren“ in dieser Tragödie erzäh l t werden .

Es war im Jahre 1462 al so 8 Jahre vor derVertre ibung da fe ierten die Juden in Endingen da s

zu dem vie le fremde Juden in der Stadtein trafen . Ra bbi Elias bittet Gott, er möge die Judennoch oft die ses Fest der Hütten feiern lassen und

„den

gwa lt der christen“ stürzen , da diese die Juden „mit

höchster schanden durch ech ten ,schandtlieh schmehen ,

sehenden in al le r we l t, an a l len enden“ (v . 148

Auch wil l der Rabbi mit se inen Getreuen Rat ha l ten

„ob m ir dem christenvolckh mit l ist e in duckh 2) bewe isenkundten frisch“. Die Juden ge hen freudig auf seinenVorsch lag e in und beschließen ,

wen n sich ihnen die

Möglichke it bieten sol lte , e ine n Mord an Chris ten zu

bege h en . D ie Ge legenh eit dürfte auch gün stig se in , dadie Frau des Elia s seh r oft a rme Ch risten leute in ih re r

„Scheue r “ aufnehme .

Der zwe ite Akt beginnt m it der Einke h r e ine rFami lie

,die aus Mann, Frau und zwe i Kindern be steht,

in die Scheue r des Elias und e nde t mit de r Ermordungdie s e r Leute durch die Jude n .

lauherfes t Laubhütte n fest.Hin terhal t .

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DAS ENDINGER JUDENSPIEL.

Im dritten Akt me ldet Jakob Metzger dem Burgermeister, daß er um Mittern acht in des Juden Elias Hause in en großen Larm gehört habe und spricht den Ver

dacht aus,daß die armen Leute, die bei Elias e ingekehrt

waren , von den Juden getötet se in kön nten . Der Bürgerme ister schl ägt die Sache aber n ieder, da kein e Bewe isegegen die Juden vorzubringen se ien

Der vierte Akt, der n ach 8 Jahren spie l t,beginnt

mit der Auff indung der Kn ochen der Erm ordeten . Jetzte rinn e rt sich der Bürgerme ister an die se inerzeitige An

zeige des Jakob Metzge r (5 . Akt). Die Juden werdenvor den Rat gerufen , und Elias gesteht alles „

ohne marterund pein“. Auch die anderen geben die Schandtat zuund in e in e r langen Ge richtsve rhandlung wird beschlossen ,

daß die Juden geschleift , gestein igt und hingerichtetwerden sol len . Dieses Urte i l wird auch an ihn en vollzogen .

Die Quel le für das Stück , das wahrsche in l ich e rstan der Wende des 1 6 . und 1 7 . Jahrhundertes entstand

,

war e in e Erzäh l ung übe r das Ve rhör und die Hinrichtungder Juden . Dort wird der Rabbi Elias , die e inzige Personim Stücke, die der Autor zu charakterisiere n versucht

,

a l s derjen ige hingeste l lt, der von der Tat abrät und nur

durch Drohungen dahin gebrach t wird, die Tat zu ver

heiml ichen . Im Stücke ist er derjen ige , der die anderenan tre ibt

,dann aber sich ausschl ießt : erstl ich von diser

blutbadts that ausgenommen sey me in ra b i n a t“ (v . 5 75

Er ist auch der Erste, der ein Geständn is ablegt, da s ,wie der Verfasser beton t, ohne jeden Zwang ode r e ineAnwendung der Folte r erfolgt. Als die Juden gefragtwerden

,warum s ie die Tat vol lbrach t hätte n , antworten

s ie , daß da s Blut gut für den „crisan1“ 2) se i. Also diese lbe .

1

) Auch im Lied von den„fun f schnoden Juden“ wol len die

Behorden auf die Klage ohne Beweise gegen die Juden nichtvorgehen .

2) Beschneidung .

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DER JUDE ALS HO STIENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER .

JUDENVERTRE IBUNO .

Behauptung, di e späte r auch Abraham a S . Clara unterseinen Gründen für den Christenmerd der Juden aufzählt .

Diese Beschuldigung des Christenmerdes hattenv ie le Juden m it dem Tode oder der Ve rtre ibung büß enmüssen . Im a l lgeme in en kan n man aber sagen , daß sichdiese schwerste Beschuldigung nur spärl ich in den Werkenbekan n ter Dichter findet, umsomehr lebte sie aberV o l k s l i e d und Vo l k s b u c h fort.

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DER ] UDE ALS HO STIENSCHÄNDER UND K INDERMÖRDER .

JUDENVERTREI BUNG .

Behauptung, die später auch Abraham a S . Clara unterse inen Gründen für den Christenme rd der Juden aufzählt.

Diese Beschuldigung des Christenmerdes hattenvie le Juden m it dem Tode oder der Ve rtre ibung büßenmüs sen . Im a l lgem einen kan n man aber sagen , daß sichdies e schwerste Beschuldigung nur spärl ich in den We rkenbeka nn ter Dichter findet, umsomehr lebte sie aberV o l k s l i e d und Vo l k s b u c h fort.

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SCHLUSS .

Wir haben die An sichte n der Dichter uber Judenund Juden tum während e ines Ze itraume s von 300

Jahren darzulegen versucht. I n al len Dichtungsgattungen ,im Drama

,Schwank

,Fastnachtspiel, Volkslied, ja se lbst

in den Sprichwörtern finden wir den Juden 1mmer wiede rInne rhalb der stoffl ichen Einte ilung, von der ich m ichle iten ließ, tritt am Schlusse die l iterarisch imm erhinin teressan te Ersche inung zutage , deren tieferer Grund inder verschieden en Art der Behandl un g der Juden fragel iegt, daß sich die Dichte r

I . für die Diskussion der Gattung der Fastnachtund ge istl ichen Spie le ,

I I . für die Ve rspottung der Schwanke , wie uberhaupt

der Prosa,

I I I . zur Darste l lung des Juden al s Wucherers derDramen und

IV. zur Beschuldigung der Hostienschandung und des

Kinde rmordes hauptsächlich des Volksliedes und

Volksbuche s bedienten .

S e heftig auch die Juden in den Dichtungen diese rJahrhunde rte angegriffen wurden , die Ze it war doch n ichtmehr fe rn ,

in der die Ste l lung der deutschen Juden sowoh lim Leben wie in der Poesie e ine wesentl iche Besserunge rfahren sol lte . Wahrhe it und Dich tung gehen in diesemPunk te Hand in Hand . I n der Mitte des 18 . Jahrh.

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SCH LUSS .

(1 749) sch re ibt der junge L e s s i n g seinen Einakter

„D i e J u d e n“ und 5 Jah re später ( 1754) lernt er e inenJuden kennen , der sein bester Freun d werden sollte ,M o s e s M e n d e l s o h n , das Vorbild zum

„N a t h a n“.

Und di e größte p o l i t i s c h e Tat des 18 . Jahrhundertes

in Deutschland, das Toleran zedikt, begrüß t K l o p s t o ckm it der verhe rrlichenden Ode : An Kaiser Joseph II.

F ü r s t e n d e s G e i s t e s u n d d e r G e b u r t s u c h t e na n d e n J u d e n w i e d e r g u t z um a c h e n , w a s J a h rh u n d e r t e a n i h n e n g e s un d ig t h a t t e n .

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REG ISTER

DER BESPROCHENEN DICHTUNGEN .

Abraham a S . C lara,Gebah Dich wohl

Abrah . Lauber-HüttMerck ’s WiennHuy u . Pfuy

Centifolium

Als felder Pas s ionspiel

Albertinns Ägidius , Lucifers KonigreichAyrer Jakob , Fas tnach tspiel v. halbnärrischen Wucherer 96

Komödie vom Sul tan v. Babylon 99,106

Fas tnaehtspiel von einem Juden zu Franck fort 104

Komödie v. N ikolaus , dem verlorenen Sohn 107

Fas tnach tspiel vom fals chen N etarius 1 10

Aventin Johann 134

Benedikt-Beuren , Weihnach tspiel 6

Boccaccio 67

Bo lz Johann, Welß p iegel . 95

Brant S ebas tian , Narrenschiff 43 , 93

La ienspiegel 92

Buchholtz, Hercul iscus 81 ff.Crotus epistulae obs . vir. 38 ff .

IDisput zwischen einem Juden und einem Christen 14

Donauesch inger Pas sionspiel 10, 89

Faustbuch 60

Fischart Johann ,Dominici Leben 44

Von einer schwangeren J iidin 65 ff .Folz

,Pas tu . alte und neue Ehe . 15 , 47 , 97 u . a .

Judenmess ias 68

Fas tn . Kaiser Konstantin 17

Herzog v . Burgund 29 ff , 49 , 134Entcris t Fas tnacht 32 ff.

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FranckFrank furter PassionFrey , GartengesellschaftSt . Gal lener PassionGeiler v. KaisersbergGengenbach Pamph ilus , N ollhart

C lag etlicher StändFün f schnöde Juden

Grimmelshausen , Simp licissimusVogelnestViridarium histor.

Gauckeltasche

Verkehrte WeltGryphius , Horribiliscribrifax

Heisterbach Caesarius von :

HelblingH immelfahrtspiel

Juden BadstubJudenspiel EndingerJudenspiessKarben Viktor 37

Kirchhof, Wendunmuth 55 , 58, 59 , 70, J

„ 101 , 1 34

Komödianten , Englische 1 13 ff .

Ludus paschal is de adven tu .27 ‚ 29

K ühlmann„Wittfrau“ 1 10

Luther Martin , Dass Jesus ein geborener Jride 40

Wider die SabbatherVon den Juden und ihren LagenTischreden

Luzerner AntichristMü ller, Von einem Marienbi ldMoscherosch ,

Phil . v. S ittcwa ld

Phil . in fernal isMurner, Narrenheschworung

N iger PeterPauli , Schimpf 11 . ErnstPfefferkorn

,Judenspiegel

R euchlin , de verbo mirificotütsch missive , warumb die JudenAugenspiege l

Rosenblut, disputatz eines Freiheits .

S achs Hans , Comödie Dass Christus der wahre Messias

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Seit

Sachs Hans , Schwank der Jud mit dem gesch . gramma 6

Schwank Der jun ge Kaufmann fras s einen tedten

Juden etc . 6‘

Fas tnachtspiel : Der Teuf e l nam ein a lt Weib 49 , 10

Der Jüngling im Kas ten 9

Schupp Balthasar, Die Feiertage 5

Sieben bösen Geis ter 5

Von der Kunst reich zu werden 9

Span genberg Cyriacus 12

6Till Eulenspiege lVolks lied von der Vertreibung der Juden

in Passauin Re gensburg

Wickram Jorck Rol lwagenbuch lein

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De r Ju de i n de n deu t s ch e n

Di ch t un ge n de s 1 5 1 6

un d 1 7 . Ja h rhun de r t e s