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La Habana Vieja Centro histórico, arquitectura, restauración Seminararbeit im Rahmen der Lehrveranstaltung EX 280.026 Praxis der Stadtentwicklungsplanung (SS 2009) Betreuer: Univ. Prof. Dr. Rudolf Giffinger Mag. Karin Fischer Fachbereich für Stadt- und Regionalforschung Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- u. Umweltplanung Technische Universität Wien Studienrichtung Raumplanung und Raumordnung Verfasser: Christina Simon (0525718) [email protected] Christina Steininger (0525865) [email protected] Wien, Juni 2009

La Habana Vieja - Fachbereich Stadt- und Regionalforschung · La Habana Vieja Centro histórico, arquitectura, restauración Seminararbeit im Rahmen der Lehrveranstaltung EX 280.026

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La Habana Vieja Centro histórico, arquitectura, restauración

Seminararbeit im Rahmen der Lehrveranstaltung

EX 280.026 Praxis der Stadtentwicklungsplanung (SS 2009) Betreuer:

Univ. Prof. Dr. Rudolf Giffinger

Mag. Karin Fischer

Fachbereich für Stadt- und Regionalforschung

Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- u. Umweltplanung Technische Universität Wien Studienrichtung Raumplanung und Raumordnung Verfasser: Christina Simon (0525718) [email protected] Christina Steininger (0525865) [email protected] Wien, Juni 2009

Quellen der Grafiken auf der Titelseite (von oben nach unten):

http://maps.google.com/maps?q=habana%20vieja&oe=utf-

8&rls=org.mozilla:de:official&client=firefox-a&um=1&ie=UTF-8&sa=N&hl=de&tab=wl (4. Juni 2009)

Foto erstellt von Christina Simon (14. Mai 2009)

Schreiner, Sarah (2006): Plätze in Habana Vieja aus dem Plan Maestro 2004 in Stadterneuerung und -

sanierung in der Altstadt von Havanna

Schreiner, Sarah (2006): Konstruktionszustand der Gebäude 2004 in Stadterneuerung und- sanierung

in der Altstadt von Havanna

Foto erstellt von Christina Steininger (14. Mai 2009)

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ........................................................................................................................1

2 Räumliche Abgrenzung Habana Vieja .............................................................................1

3 Historische Stadtentwicklung .........................................................................................2

3.1 Koloniale Entwicklung Havannas 1519 - 1898...............................................................2

3.2 Republikanische Entwicklungsphase 1898 - 1959 .........................................................3

3.3 Revolutionäre Zeit 1959 - 1991 ....................................................................................4

3.4 Sonderperiode 1991 - heute ........................................................................................5

4 Planungsinstitutionen .....................................................................................................6

4.1 GDIC- Grupo para el Desarrollo Integral de la Capital ...................................................6

4.2 DPPFAU - Dirección Provicinal de la Planificación Fisica, Arquitectura y Urbanismo .....7

4.3 OHCH- Oficina del Historiador de La Ciudad de La Habana ...........................................7

4.3.1 Strukturierung der OHCH ......................................................................................8

4.4 Finanzielle Situation der OHCH ....................................................................................9

5 Masterpläne .................................................................................................................10

5.1 Masterplan 1963/1964 ..............................................................................................10

5.2 Masterplan 1971 ........................................................................................................10

5.3 Masterplan 1984 ........................................................................................................10

5.4 Masterplan 1990 ........................................................................................................11

6 Restaurierung und Sanierung der Altstadt ...................................................................12

6.1 Ausgangsituation .......................................................................................................12

6.2 Etablierung von Planungsinstrumenten und -institutionen ........................................12

6.3 Fallbeispiele Sanierung Altstadt Havanna ...................................................................13

6.3.1 Calle Aguillar 68 ..................................................................................................14

7 Zusammenfassung und Schlussfolgerung .....................................................................16

Gedankenexperiment: Auswirkungen auf Kuba durch die Aufhebung der Blockade ..........18

Verhältnis Zentrum Peripherie..............................................................................................19

Bedeutung für die Innere Stadtentwicklung..........................................................................20

Auswirkungen auf die Region Pinar del Rio ...........................................................................20

Literaturverzeichnis .............................................................................................................22

Abbildungsverzeichnis .........................................................................................................25

Simon |Steininger

Seite | 1 Einleitung

1 Einleitung

2 Räumliche Abgrenzung Habana Vieja

Havanna wurde an einer strategisch günstigen Stelle mit einer großen Bucht als natürlichen Hafen

gegründet. Die Altstadt liegt direkt an der Bucht und erstreckt sich etwa einen Kilometer Richtung

Westen. Der Stadtteil Habana Vieja wurde hauptsächlich durch die alten Stadtmauern und das Meer

abgegrenzt. Heute begrenzen die Straßen (im Uhrzeigersinn beginnend beim Castillo de la Punta):

Avenida Carlos Manuel Céspedes nach Süden, die Desamparados Richtung Westen, weiter Richtung

Süden entlang des Hafens bis zum Río Luyanó, wieder nach Westen entlang der Vía Blanca bis zur

Avenida de Mexico Cristina, die in Richtung Norden führt, danach über die Máximo Gomez bis zum

Kapitol, wo die Grenze entlang des Prado (auch Paseo de Martí) wieder bis zum Castillo verläuft.

Auf einer Fläche von etwa 2 Quadratkilometern lebten laut Geese im Jahr 2000 105.000 Menschen1,

wobei diese Zahl aufgrund von Illegalen Einwohnern und ungenauen Zählungen eher einen Schätzwert

darstellt. Laut einer Aussage eines Mitarbeiters der Oficina del Historiador beläuft sich diese Zahl auf

67.000 EinwohnerInnen2

Abbildung 1:Abgrenzung des Stadtteils La Habana Vieja

Quelle: http://www.geographicguide.net/america/pictures/havana-map.jpg (04.Juni 2009)

1 vgl. Geese (2000) online. 2vgl. Power- Point Präsentation OHCH (2009)

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Seite | 2 Historische Stadtentwicklung

3 Historische Stadtentwicklung

Die Stadtentwicklung Havannas ist stark durch drei Gesellschaftsordnungen (Kolonialismus, Kapitalismus und Sozialismus), sowie durch die Sonderperiode geprägt. Jede dieser einzelnen Phasen hinterließ bis heute raumwirksame Spuren in Stadtbild und Flächennutzung. Um die heutige Situation in Havanna besser nachvollziehen zu können, wird anhand dieser vier Phasen die Stadtentwicklung Havannas, unter besonderer Aufmerksamkeit von Habana Vieja, chronologisch erläutert.

3.1 Koloniale Entwicklung Havannas 1519 - 1898

Die heutige Hauptstadt Kubas wurde von der spanischen Kolonialmacht im Jahr 1519 an der Nordküste der Insel mit dem Namen „San Cristobal de la Habana“ gegründet. Wichtigster Standortfaktor war der natürliche Hafen, der als Umschlagplatz für wertvolle Rohstoffe auf dem Weg von Mexiko zum spanischen Festland diente. Er war auch Ausgangspunkt für spanische Eroberungsfeldzüge und entwickelte sich im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts zu einem der wichtigsten Häfen im spanischen Kolonialreich.3 1592 wurde Havanna das offizielle Stadtrecht verliehen und im Jahr 1607 löste Havanna schließlich Santiago de Cuba von seiner Hauptstadtfunktion ab. 4 Um die Stadt vor Piratenangriffen zu schützen, wurden im 16. Jahrhundert die Festungsanlagen Castillo de la Fuerza, Tres Reyes del Morro und die San Salvador de la Punta gebaut. Zusätzlich konnte die Hafeneinfahrt nachts mit einer Eisenkette, die zwischen El Morro und La Punta gespannt wurde, gesichert werden.5 Zusätzliche Schutzfunktion übernahm die zwischen 1674 und 1767 gebaute Stadtmauer, die gleichzeitig als Statussymbol des spanischen Handelssystems galt.6

Das historische Stadtzentrum Havannas entwickelte sich wie auch in anderen kolonialen Städten Lateinamerikas in einem schachbrettartigen Muster, welches ausgehend vom Hafen durch die einzelnen Straßenzüge gebildet wurde. Im Unterschied zu anderen Städten, welche auch durch die Kolonialmacht Spanien gegründet wurden, entwickelte sich in Havanna jedoch kein „Plaza Mayor“ (zentraler Platz). Einzelne Plätze, übernahmen bestimmte städtische Funktionen, wodurch sich eine polyzentrale Stadtstruktur entwickelte. 7

Abbildung 2: Plätze in Habana Vieja

Quelle: Schreiner (2006) S 9

Die Plaza de Armas diente als Verwaltungszentrum und Marktplatz. Danach wurde die Marktfunktion auf die Plaza Vieja verlagert. Die Plaza de San Francisco de Asís und die Plaza de la Catedral galten als religöse Zentren Havannas. 8 (siehe Abbildung 2: Plätze in Habana Vieja)

3 vgl. Leinauer et al(1994) S 64 f 4 vgl. Ammerl S 50 f 5 vgl. Leinauer et al (1994) S 65 6 vgl. Scarpaci et al(2002) 7 vgl. Leinauer et al (1994) S 65 8 vgl. Leal Spengler (2004) S 18

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Seite | 3 Historische Stadtentwicklung

Ab 1650 setzte das städtische Wachstum ein. Entlang der von Ost nach West verlaufenden Hauptstraßen siedelten sich Handels- und Handwerksbetriebe. Die Fläche innerhalb der Stadtmauer wurde durch den Bau von neuen Wohngebäuden und durch die Aufstockung bereits vorhandener Gebäude weiter verdichtet. Mitte des 18. Jahrhunderts lebten in Havanna auf einer Fläche von 1,5km² 50.000 Menschen.9

Ende des 18. Jahrhunderts gewann der Zuckerrohrbau deutlich an Bedeutung und versetze Havanna im internationalen Kontext in eine neue Rolle. Die Stadt wurde zum mächtigsten Zentrum der expandierenden Zuckerindustrie und gleichzeitig Umschlagplatz für Sklavenhandel. Die Einwohnerzahl Havannas stieg weiter an und die Stadt dehnte sich ab 1830 Richtung Westen und Südwesten weiter aus. Im Jahr 1860 wurde schließlich die Stadtmauer abgetragen. Die kreolische Oberschicht siedelte sich in den neuen Stadtvierteln Centro Habana und Cerro an, die wohlhabenden gebürtigen Spanier blieben in der Altstadt.10 Einfache Arbeiter und Sklaven ließen sich hingegen am Stadtrand nieder, wo sich Elendsquartiere „Barrios insalubres oder auch Asuntamientos Humanos“ entwickelten.11

Abbildung 3: Gebäude im Originalzustand vs. Gebäude mit Barbacoas

Quelle: Schreiner (2006) S 13

Die Kolonialherrschaft Spaniens endete im Jahr 1902 und Kuba wurde Republik. Die zuvor von Spaniern bewohnten Gebäude in der Altstadt wurden zu diesem Zeitpunkt von ärmeren Bevölkerungsgruppen und europäischen Einwanderern belegt. Zusätzlicher Wohnraum wurde durch das Einziehen von Zwischendecken (Barbacoas) in Gebäuden mit hoher Raumhöhe geschaffen.12 Durch diese meist von Bewohnern durchgeführten Baumaßnahmen verschärfte sich die bereits angespannte Wohnsituation in Habana Vieja noch weiter. Zudem wurde durch die baulichen Veränderungen und die damit einhergehende Übernutzung des Wohnraums die Stabilität der Gebäude gefährdet. die Auswirkungen sind heute deutlich erkennbar.

3.2 Republikanische Entwicklungsphase 1898 - 1959

Infolge der beendeten Unabhängigkeitskriege (1868-78, 1879-80, 1895-98) gewann nordamerikanisches Kapital zunehmend Einfluss. Dies wurde einerseits durch den Ausbau der städtischen Infrastruktur (Wasserversorgung, Kanalisation, Straßenbeleuchtung, Telefon, Gas, Asphaltierung der Straßen etc.) und andererseits durch den Bau vieler Repräsentationsbauten (Präsidentenpalast - heutiges Revolutionsmuseum, Capitolo - nach dem Vorbild in Washington) deutlich.13

1925 wurde der französische Städtebauer Forestier beauftragt einen Generalplan, welcher die Stadtentwicklung strukturieren sollte, zu entwickeln. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise 1929 konnte

9 vgl. Leinauer et al (1994) S 65 10 vgl. Leinauer et al(1994) S 65 f 11 vgl. Scarpaci et al (2002) S 223 12 vgl. Scarpaci et al (2002) 80f, Leal Spengler (2004)S 18) 13 vgl. Ammerl (2005)

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Seite | 4 Historische Stadtentwicklung

dieser jedoch nicht umgesetzt werden. Der ebenfalls durch die Krise ausgelöste Preisverfall des Zuckers führte zu einer starken Wanderungswelle vom Land in die Stadt, wodurch die bereits problematische Wohnsituation in Centro Habana und der Altstadt noch weiter verschärft wurde. 14 Die wohlhabende Bevölkerung beanspruchte hingegen noch immer die neu entwickelten Stadtviertel. Havanna war zu dieser Zeit von einer starken sozialräumlichen Segregation betroffen, welche sich am deutlichsten durch die Bevölkerungsdichte in den einzelnen Stadtvierteln abzeichnete. In wohlhabenden Vierteln wie Marianao bzw. Boyeros lebten 54 bzw. 7 EW/ha, das administrative und kommerzielle Zentrum Havannas konzentrierte sich hingegen auf 5% des urbanen Gebietes mit Bevölkerungsdichten zw. 400 und 800 EW/ha. 15

Nach dem Ende der Weltwirtschaftskrise erholte sich die Zuckerproduktion relativ schnell und es kam in den 50er Jahren zu erneuten kapitalintensiven US-Investitionen im Bausektor. Absolute Priorität hatten der Tourismusbereich, der Bau von Apartmenthäusern für Eigentumswohnungen sowie die dazugehörige Infrastruktur. Ein Tunnel für die Erschließung der Gebiete im Osten der Stadt sowie der Busbahnhof wurden errichtet. Die Altstadt blieb vom Bauboom der 50er Jahre fast gänzlich verschont wodurch der Baubestand großteils bewahrt werden konnte. Allerdings wurde auch kaum in die Instandhaltung oder Instandsetzung investiert, wodurch der Verfall der Gebäude weiter vorangetrieben wurde. 16

1958 lebten 20% der Gesamtbevölkerung Kubas in Havanna, die Zahl der Elendsviertel mit katastrophalen Wohnverhältnissen stieg weiter an und eine klar definierte Raumplanung war nicht vorhanden. 17 Neben der Vielzahl schlecht ausgestatteter Wohnungen waren aber auch die immer höher steigenden Mieten, die die bis zu 25% des Einkommens ausmachten, ein großes Problem, da ¾ aller Menschen in Havanna in Mietwohnungen wohnten. Zudem fehlte dem Großteil der Bevölkerung die notwendige Versorgung mit technischer und sozialer Infrastruktur, obwohl sich über die Hälfte aller Versorgungseinrichtungen Kubas auf die Hauptstadt konzentrierten. 18

3.3 Revolutionäre Zeit 1959 - 1991

Nach dem Sieg der Revolution im Jahr 1959 wurde der ländliche Raum stärker gefördert, um dem starken Stadt-Land-Gefälle und somit der Landflucht, entgegenzuwirken. Zudem war der Zuzug nach Havanna zeitweilig an eine Arbeitsgenehmigung geknüpft, wodurch die Wachstumsrate von 3,4% im Jahr 1958 auf 1,1% im Jahr 1965 gesenkt werden konnte. 19

Die Abwanderung vieler wohlhabender Kubaner und US-Amerikaner aus Kuba führte zu einer kurzweiligen Entspannung der Wohnraumproblematik in Havanna. Leerstehende Villen in den Stadtvierteln Vedado und Miramar wurden von nun an für öffentliche Zwecke genutzt oder ärmeren Bevölkerungsschichten zur Verfügung gestellt. Die Anzahl leerstehender Wohngebäude reichte jedoch nicht aus, um die drängende Wohnraumproblematik zu entschärfen. Aus diesem Grund erfolgte die Errichtung neuer Wohnkomplexe mit integrierten Versorgungseinrichtungen in Habana del Este. Dies war die erste große Stadterweiterung Havannas und ermöglichte durch den neu geschaffenen Wohnraum, den Abriss von barrios insalubres.20

Im Jahr 1963 wurde der erste Generalplan Havannas, welcher als wesentlichen Bestandteil die Wachstumskontrolle der Stadt sowie die Erhaltung industrieller Pole enthielt, präsentiert. Nach Verabschiedung des zweiten Generalplanes im Jahr 1970 wurde mit dem Bau der größten Wohnsiedlung Havannas „Alamar“ im Osten der Stadt begonnen.21

14 vgl. Leinauer et al(1994) S 67 15 vgl. Ammerl (2005) S 66 16 vgl. Leinauer et al(1994) S 68 17 vgl. Ammerl (2005) S 66 18 vgl. Leinauer et al(1994) S 68 19 vgl. Leinauer et al(1994) S 70 20 vgl. Leinauer et al(1994) S 69 f 21 vgl. Leinauer et al(1994) S 70

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Seite | 5 Historische Stadtentwicklung

Die Zeit der großen Neubauaktivitäten war auch gleichzeitig Ausgangspunkt für erste Objektsanierungen in Habana Vieja, welche sich jedoch nur auf historisch-kulturelle und touristisch relevante Bauwerke beschränkte. Viele andere Gebäude waren hingegen vom Verfall bedroht und stürzten teilweise auch ein. Verantwortlich dafür waren einerseits das fehlende Desinteresse an der Sanierung historischer Wohngebäude und andererseits die starke Überbelegung des Wohnraums. Im Jahr 1982 erklärte die UNESCO die Altstadt Havannas zum „Kulturellen Erbe der Menschheit“, wodurch neue Hoffnung auf den Erhalt der historischen Baustruktur geschöpft wurde.22

3.4 Sonderperiode 1991 - heute

Der Zusammenbruch der Sowjetunion und die Auflösung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) führten in Kuba zu einer schweren Wirtschafts- und Währungskrise. Die Regierung Kubas war gefordert ein Bündel von markwirtschaftlichen Reformen einzuführen, die erhebliche soziale Konsequenzen nach sich zogen. 23

Die erste staatliche Reform im Juli 1993, war die Legalisierung des Devisenbesitzes. Zwar konnte dadurch Kuba vor dem Staatsbankrott gerettet werden, die Gesellschaft wurde jedoch in zwei Klassen geteilt und die Schere zwischen Arm und Reich geöffnet. Ende 2004 wurde der US-Dollar durch den Peso Convertible ersetzt.24

Da aufgrund der Wirtschaftskrise kein Geld mehr für Restaurierungsarbeiten im historischen Zentrum vorhanden war, wurde dem Stadthistoriker Leal Spengler, welcher für die Altstadtsanierung verantwortlich ist (wird im Kapitel 4.3 OHCH- Oficina del Historiador de La Ciudad de La Habana näher erläutert) freigestellt, sich andere Finanzquellen für seine Vorhaben zu suchen. Die von Leal gewählte Strategie, die Restaurierung durch Joint-Ventures mit ausländischen Firmen zu finanzieren, erwies sich als sehr erfolgreich und wird ebenfalls in diesem Kapitel behandelt.25

22 vgl. Leinauer et al(1994) S 70 f 23 vgl. Lateinamerikanachrichten (2001), online 24 vgl. Lateinamerikanachrichten (2001), online 25 vgl. Leal Spengler (2001), Ochoa Alomá (2005)

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Seite | 6 Planungsinstitutionen

4 Planungsinstitutionen

Die Entwicklung des Stadtteils Habana Vieja ist nicht zentralistisch geregelt, es bestehen mehrere

Organisationen und Institutionen der planenden Verwaltung, die miteinander Verflochten sind.26

4.1 GDIC- Grupo para el Desarrollo Integral de la Capital

Die Gruppe für integrale Stadtentwicklung wurde 1988 gegründet und gewinnt als beratende Institution

immer mehr an Bedeutung. Außerhalb der Hierarchie der Planungsbehörden hat sie keinen formalen

Einfluss auf konkrete Investitionen, die Gruppe kann als Bindeglied zwischen den Planungsinstitutionen

und Beratungsgruppe der Regierung gesehen werden. Das interdisziplinär zusammengesetzte Team hat

die Verbesserung der Lebensverhältnisse und der städtebaulichen Situation zum Ziel. Städtebauliche

Ziele sind die Erhaltung des baulichen Bestands, die Verringerung der Wohndichte und die Schaffung

von mehr Freiräumen. Auch Bürgerbeteiligung ist ein wichtiger Punkt- dazu wurde zum Beispiel das

Modell der Stadt Havanna im Maßstab 1:1000 errichtet, mit dem die Eigenarten und Problembereiche,

Besonderheiten, Konflikte und Anforderungen einer breiten Masse präsentiert werden können.27

Abbildung 4: La Maqueta de la Ciudad

Quelle: http://farm1.static.flickr.com/21/32842824_14ede5c430.jpg (04.Juni 2009)

Die Gruppe erstellt heute Problemanalysen, Entwicklungszenarien und Empfehlungen für die gesamte

Stadt, nur wenige Anaysen und Planwerke betreffen konkret La Habana Vieja. (z.B.: Masterpläne)

Obwohl die Arbeiten der GDIC keinen verpflichtenden Charakter haben, werden sie allgemein

geschätzt.28

Das war nicht immer so; Mitte der 1990er Jahre entstanden oft Meinungsverschiedenheiten und nicht

jede ihrer Stellungnahmen wurde von den anderen Instanzen respektiert.29

26 vgl. Schreiner (2006) S 22 27 vgl. Leinauer et al (1994) S 73 f 28 vgl. Schreiner (2006) S 22 29 vgl. Leinauer et al (1994) S 75

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Seite | 7 Planungsinstitutionen

4.2 DPPFAU - Dirección Provicinal de la Planificación Fisica, Arquitectura y Urbanismo

Diese übergeordnete Behörde, die Aufgaben des Städtebaus, der Architektur und Landesplanung

wahrnimmt agiert auf Provinzebene und ihre Planwerke, Zielformulierungen und Festlegungen sind

rechtlich bindend für alle Institutionen der Stadtplanung. Von dieser Behörde werden städtebauliche

Richtlinien, Masterpläne, Flächenwidmungspläne, Bauleitpläne und Strategien zur ökonomischen und

sozialen Entwicklung von Havanna erarbeitet. Für La Habana Vieja wurden beispielsweise folgende

Vorschriften formuliert:

Maximale Gebäudehöhe

Klassifizierung der Altstadt in

o Zone für Tourismus, Erholung und Freizeit: Altstadt und entlang der Altstadt verlaufende

acht Kilometer des Malecón

o Zentrale Zone: Geschäfts- und Dienstleistungsbereiche (Obispo, O’Reilly)

o Wertvolle und außergewöhnlich wertvolle Gebiete

o Hochwertiges Gebiet

Für diese Zonen wurden Handlungsanforderungen und Schutzbestimmungen festgelegt, die bei der

Sanierung berücksichtigt werden müssen.30

4.3 OHCH- Oficina del Historiador de La Ciudad de La Habana

Die Oficina del Historiador (zu Deutsch: das Amt des Stadthistorikers) wurde im Jahr 1938 gegründet

und ihr Aufgabenbereich wurde folgendermaßen definiert: „Stärkung der Kultur Havannas und

Impulsgeber für eine Weiterentwicklung der nationalen und amerikanischen Kulturentwickung, die der

Öffentlichkeit gewidmet sein soll“31. 1971 wurde mit ersten Restaurierungsarbeiten an wichtigen

Representationsgebäuden begonnen und die Restaurierung war zu dieser Zeit noch von der

Stadtplanung losgelöst32. Nach Untersuchungen des historischen Stadtkerns kam es 1981 zu einem

Fünfjahresplan zur Restaurierung der Habana Vieja, im Jahr darauf folgte die Ernennung zum

Weltkulturerbe (siehe Kapitel 6 Restaurierung und Sanierung der Altstadt). Mit dieser Ernennung kam es

zu großen Veränderungen und einer Erweiterung der Möglichkeiten der OHCH: Ihr wurde ein Fonds zur

Restaurierung der Habana Vieja zugeteilt und es wurde eine Architekturabteilung gegründet. 1986 kam

es zu ersten Richtlinien zur Wiederherstellung des Historischen Zentrums, welche auch in den 1991

erstellten Plano General Municipal eingebunden wurden33.

Seit dem Jahr 1993 hat der Stadthistoriker noch mehr Möglichkeiten: Im Zuge der Spezialperiode

wurden die Mittel für die Stadterneuerung knapp und der OHCH Möglichkeiten gegeben um andere

Finanzquellen zu erschließen. Sie ist seither unmittelbar dem Staatsrat untergeordnet und verfügt

autonom über ihre Einnahmen aus Kapitalgesellschaften. Ein Viertel der Einnahmen müssen für soziale

Zwecke in der Altstadt verwendet werden und das System scheint zu funktionieren, denn es werden

laufend Häuser saniert.34

30

vgl. Schreiner (2006) S22 ff 31 vgl. Leal Spengler (2001), Ochoa Alomá (2005) 32 vgl. Fornet Gil (2004) 33 vgl. Schreiner (2006) S 25 f 34 vgl. Leal Spengler (2001), Ochoa Alomá (2005)

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Seite | 8 Planungsinstitutionen

Heute wird der Zuständigkeitsbereich der OHCH durch die ehemalige Stadmauer und seit dem Jahr 2001

den östlichen Malecón- Abschnitt bis zur Straße Belascoain begrenzt. (Siehe Abbildung 5:

Zuständigkeitsbereich OHCH) Im Jahr 2003 kam noch das Chinesische Viertel dazu35.

Abbildung 5: Zuständigkeitsbereich OHCH

Quelle: Schreiner (2006) S 17

4.3.1 Strukturierung der OHCH

Die Oficina del Historiador teilt sich in drei maßgebende Bereiche auf:

Physisch- materieller Raum: Dieser betrifft die Rekonstruktion der Gebäude und die Bauliche

Entwicklung der Habana Vieja. Hierzu gehört auch die Escuela Taller, die im Rahmen der

Exkursion besucht wurde, in der Ausbildungen als SteinmetzIn, GipserIn, TischlerIn, etc. gemacht

werden können

Sozialer Raum: Die Einbindung von der Bevölkerung bei Sanierungsmaßnahmen ist bei

Maßnahmen der OHCH gesetzlich vorgeschrieben. Neben der Bürgerbeteiligung beschäftigt sich

dieser Bereich auch mit der Organisation von Kulturveranstaltungen und der Errichtung von

sozialer Infrastruktur wie z.B.: Konzertsäle, Bibliotheken etc.

Fiskalischer Raum: Hier beschäftigt man sich mit der Finanzierung der OHCH. Als

Einnahmequelle gelten die Einnahmen der Zeitung Opus Habana, Eintrittsgelder aus Museen,

die restlichen Einnahmen stammen aus internationalen Kooperationen. 36

35 vgl. Power- Point Präsentation OHCH (2009) 36 vgl. Schreiner (2006) S 27 fff

Simon |Steininger

Seite | 9 Planungsinstitutionen

4.4 Finanzielle Situation der OHCH

Laut eines Mitarbeiters des Oficina del Historiador werden jährlich 120 Mio. Euro für die Sanierung der Altstadt erwirtschaftet. Eine genaue Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben der OHCH sind aus folgender Abbildung abzulesen:

Abbildung 6:Einnahmen und Ausgaben der OHCH in %

Einnahmen Ausgaben

Unternehmen (Hotels, Geschäfte, Lokale) 70,2% „rentable“ Unternehmen 45%

Bankkredite 19,1% Sozalprogramme und Wohnbau 35%

Internationale Kooperationen 5,4% Infrastruktur, Notfälle 20%

Steuern 5,3%

Quelle: Power- Point Präsentation OHCH (2009)

Simon |Steininger

Seite | 10 Masterpläne

5 Masterpläne37

Für die Stadt Havanna wurden schon sehr viele Masterpläne erstellt, teilweise wurden sie bereits ein

paar Jahre nach ihrer Veröffentlichung wieder verändert. Es scheint, als wäre bei jeder neuen Version

zwar versucht worden die Fehler des vorhergehenden Plans auszubessern, dafür wurde manchmal auf

andere Themen vergessen. Grundsätzlich wurden nur wenige Planungen auch ausgeführt, Bereits vor

der Revolution gab es erste Städtebauliche Konzepte, hier soll jedoch nur auf die Pläne danach

eingegangen werden.

5.1 Masterplan 1963/1964

Havanna hatte zur Zeit der Erstellung des Planes etwa 1,5 Millionen Einwohnern und ein Ziel des Planes

war, das natürliche Bevölkerungswachstum von 23.000 Menschen und den Zuzug von etwa 17.000

MigrantInnen pro Jahr zu stoppen. Dafür wurden wichtige Industrieanlagen in die Peripherie verlagert

und das Bevölkerungswachstum konnte gedrosselt werden. Schon damals war die hohe

Bevölkerungsdichte ein Problem für die Stadt, deshalb wurde weniger Geld in den Erhalt sowie Bau

neuer Wohngebäude im Stadtkern investiert. Die Bevölkerungsdichte konnte nicht verringert werden,

stattdessen kam es zu einem Qualitätsverlust im Bereich der Gebäude und beim Stadtbild.

Das Ziel, das Problem der Umweltverschmutzung, insbesondere in der Hafengegend zu lösen wurde mit

Recyclingmaßnahmen und der Verlagerung von Mülldeponien zum Teil erreicht.

Auch Grünflächen stellten ein wichtiges Thema im Masterplan dar, in Folge wurde in den 1970er Jahren

der Parque Metropolitano errichtet. Es ist eher ein System von Parks, zu dem z.B. der Botanische Garten

und der Zoo gehören.

5.2 Masterplan 1971

Dieser Plan sollte die Schwächen des Vorangegangenen Masterplans ausgleichen. Ihm fehlte es vor

Allem an Grundlagenerhebungen, technischen Vorgaben und dem Einbezug von Natur und Kultur.

In der Verkehrsplanung kam es zu Verbesserungen der Busverbindungen, die Bahn wurde nicht

miteinbezogen. Es gab ein Vorhaben zum Bau einer Autobahn, die bis zur Hafengegend reicht,

umgesetzt wurde es aber nicht.

Für Industrie und Handel wurden am Hafen neue Terminals errichtet und auch ein Passagierterminal

wurde gebaut.

Schon damals wurde der Tourismus in das städtebauliche Konzept miteinbezogen, das Ziel die Altstadt

zu sanieren wurde ins Auge gefasst. Mit der Erklärung zum UNESCO Weltkulturerbe entstand weiterer

Druck dort zu handeln.

Umweltschutz und Bürgerbeteiligung fanden keine Erwähnung in diesem Plan

5.3 Masterplan 1984

In diesem Plan wurden erstmals die Stadt- Umland- Beziehungen miteinbezogen, Themen waren die

Bevölkerung, das Verkehrsnetz, die landwirtschaftliche Produktion und der Tourismus.

Um eine Balance zwischen Stadtkern und Umland zu schaffen wurde ein System von Plätzen angedacht,

von denen sich ein Großteil im traditionellen Stadtkern befinden sollte und weitere in anderen

Stadtvierteln, damit es auch dort zu einer Identitätsbildung kommen konnte.

37 Scarpaci et al. (2002) 131-149

Simon |Steininger

Seite | 11 Masterpläne

Für den Tourismus wurden weiterhin ältere Gebäude restauriert und Hotels gebaut.

Als Zentrum sollte Havanna auch die bestmögliche medizinische Versorgung bieten, auch ein

naturwissenschaftliches Forschungscenter war geplant.

5.4 Masterplan 1990

In diesem Plan wurde die Stadt von den PlanerInnen in 600 Zonen geteilt, die getrennt untersucht

wurden. Daraufhin wurde beschlossen, dass die einzelnen Gebiete mehr Entscheidungsbefugnisse

bekommen sollten, damit lokal gehandelt werden könnte.

Auch die Einbindung der Bevölkerung wurde mit der Weitergabe von Befugnissen an lokale Akteure

forciert und das in allen Phasen (Planung, Durchführung, Erhaltung). Als positiver Nebeneffekt wurden

so auch leicht erreichbare Arbeitsplätze in den Wohngegenden geschaffen.

Simon |Steininger

Seite | 12 Restaurierung und Sanierung der Altstadt

6 Restaurierung und Sanierung der Altstadt

Die Restaurierung der Altstadt stellt ein wichtiges Element der Stadtplanung Havannas dar. Um einen

besseren Einblick in diesen Prozess zu bekommen, wird im folgenden Kapitel die Ausgangssituation in

Habana Vieja und die Etablierung relevanter Planungsinstrumente und -institutionen näher beleuchtet.

Daran anschließend werden zwei Fallbeispiele präsentiert, wodurch einen Einblick in das

Sanierungsgeschehen geboten wird. Die Ziele der Altstadtsanierung werden im Kapitel 7

Zusammenfassung und Schlussfolgerung diskutiert.

6.1 Ausgangsituation

Die koloniale Bebauung der Altstadt Havannas konnte zu großen Teilen erhalten werden. Ausschlaggebend dafür war vor allem die Verschonung Habana Viejas vom Bauboom der 50er Jahre (vgl. Kapitel 3 Historische Stadtentwicklung). Aber auch der Rückzug der Oberschicht aus der Altstadt zu Beginn des letzten Jahrhunderts trug zur Erhaltung bei, da dadurch ein geringerer Investitionsdruck auf den städtischen Strukturen lag. Seither konzentriert sich die ärmere Bevölkerungsschicht auf das innerstädtische Gebiet, wodurch zahlreiche andere Schwierigkeiten entstanden. Als eklatanteste Probleme sind die hohe Einwohnerdichte, der niedrige Ausstattungsgrad der Wohnungen, fehlenden Investitionen in technische Infrastruktur sowie der Verfall der Gebäude, welcher durch klimatische Bedingungen (hohe Luftfeuchtigkeit, Hurrikans) noch weiter verschärft wird, zu nennen.38

Wie problematisch die Wohnsituation bereits 1981 in den historischen Stadtteilen (Habana Vieja und Centro Habana) war, zeigt die untenstehende Grafik (Überblick über den privaten Wohnraum 1981). 39 In Habana Vieja hatten im Jahr 1981 fast die Hälfte der Einwohner nur ein Zimmer als Wohnraum zur Verfügung, knapp 40% lebten in einem Apartment und eine schwindend geringe Anzahl (17%) lebte in einem eigenen Haus. Diese starke Konzentration von Einzimmerwohnungen lässt auf eine sehr hohe Wohnraumdichte in der Altstadt Havannas schließen. In Playa verfügten hingegen knapp 50% über ein eigenens Haus, 46% lebten in einer Wohnungen und nur 6% mussten sich mit einem einzigen Zimmer zufrieden geben.

Trotz dieser ernüchterndern Zahlen wurde in Habana Vieja in den letzten drei Jahrzehnten kaum staatlicher Wohnungsbau durchgeführt (0,6% der staatlichen Baumaßnahmen in Gesamt-Havanna), sondern die Förderungen in weniger dicht besiedelten Gebieten am Stadtrand sogar weiter erhöht. 40

Abbildung 7: Überblick über die Verteilung von privatem Wohnraum

Quelle: CPV (1981)

6.2 Etablierung von Planungsinstrumenten und -institutionen

Bereits 20 Jahre vor der Revolution wurde in der Verfassung festgelegt, dass „die Kultur in allen ihren Äußerungen ein wesentliches Anliegen des Staates darstelle“ und „der Staat mittels eines Gesetzes zum Konservierung des Kulturschatzes der Nation seine künstlerischen und historischen Reichtümer regeln wie auch speziell seine nationalen Denkmäler und Orte, die entweder durch ihre natürlichen Schönheiten

38 vgl. Leinauer et al(1994) S 78 f 39 vgl. Harms/Zschaebitz (1988) S34ff 40 vg. Schreiner (2006) S

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Seite | 13 Restaurierung und Sanierung der Altstadt

oder durch anerkannten künstlerischen oder historischen Wert gekennzeichnet sind, schützen werden“ 41. Diese allgemeine Festschreibung blieb jedoch ohne sichtbare Auswirkungen.42

Erste Restaurierungsarbeiten an Repräsentationsbauten wurden erst im Jahr 1971 durchgeführt. Diese waren von der Stadtplanung noch losgelöst und konzentrierten sich auf einzelne Kirchen und Museen, wie die Kathedrale von Havanna oder den Palacio de los Capitanes Generales. 43 Wenige Jahre später (1976) erfolgte erstmals eine für die weitere Planung relevante Untersuchung der Stadtstruktur, da die Ergebnisse dieser Untersuchung in den 1981 erstellten Fünfjahresplan zur Restaurierung von Habana Vieja einflossen. Ende der 70er Jahre wurde die Altstadt Havannas in die Liste der Nationalen Monumente aufgenommen und 1982 schließlich von der UNESCO zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt.44 Ab diesem Zeitpunkt erlangte das historische Zentrum einen bevorzugten Status und verlangte nach der Stärkung einer Institution, welche sich mit den Aufgaben der Sanierung beschäftigt. Aus diesem Grund wurde der Oficina del Historiador (OHCH) ein Fond für die Restaurierung des historischen Zentrums, sowie für die Umsetzung von Projekten mit sozialem Charakter zugesprochen. Zusätzlich wurde eine Architekturabteilung geschaffen, welche für die Ausführung der Arbeiten verantwortlich war.45 1986 wurden die ersten allgemeinen Richtlinien zur Wiederherstellung des historischen Zentrums herausgegeben, welche durch den Plano General Municipal (1991 von DAU Baubehörde und DPPFAU in Kooperation erarbeitet) durch die OHCH umgesetzt wurde.46

1993 übertrug Fidel Castro dem Stadthistoriker und Archäologen Leal Spengler (OHCH) die Altstadtsanierung (Fläche von 214 ha). Die Oficina del Historiador ist seither unmittelbar dem Staatsrat untergeordnet und kann als einzige Behörde autonom über die Einnahmen verfügen. Ausschlaggebend für die Zuteilung dieser weitreichenden Befugnisse waren die ökonomische Krise, die Periodo Especial (Sonderperiode). Für die Restaurierung waren keine Finanzen vorhanden, weshalb Leal freigestellt wurde, andere Geldquellen zu suchen. Seither wird die Altstadtsanierung großteils durch Joint-Ventures mit ausländischen Firmen finanziert.47

Dass diese ökonomische Strategie auch bereits in früheren Jahren von Erfolg gekrönt war wird durch die Tatsache, dass zwischen 1993 und 1997 mehr Gebäude restauriert werden konnten als vor der Krise, bestätigt. Ein weiteres Resultat der Sanierungsarbeiten war die Erklärung des historischen Zentrums als „Zone mit großer Bedeutung für den Tourismus“.

6.3 Fallbeispiele Sanierung Altstadt Havanna

Anhand von zwei unterschiedlichen Beispielen (Revitalisierung des „Plaza Viejas“ & Restaurierung eines Wohngebäudes „Calle Agiar 68“ ein Pilotprojekt eines Züricher Architekts) soll ein Eindruck über die Sanierungstätigkeit in Habana Vieja vermittelt werden.

Plaza Vieja48

Der vermutlich 1586 angelegte Platz sollte im Zuge von Restaurierungsarbeiten in seinen ursprünglichen baulichen Zustand zurückversetzt werden. Zwar wurde die unter dem Platz befindliche Tiefgarage aus dem Jahr 1952 beseitigt, die Chance den Platz zeitgemäß zu gestalten wurde jedoch nicht wahrgenommen - das Bild eines lebendigen Marktplatzes ist nicht mehr vorhanden. Der Standort wurde vielmehr zu einem Platz für touristische Zwecke umgestaltet. In vielen revitalisierten Gebäuden befinden sich Kunstgalerien oder Restaurants, wodurch es zu einem Verdrängungsprozess der dort ansässigen Bevölkerung gekommen ist. Da der Tourismus das wichtigste ökonomische Standbeins Kubas ist, scheint die Restaurierung des Platzes für Touristen nahe liegend und auch wichtig. Problematisch

41 vgl. Hardoy/Desantos 42 vgl. Dirsch et al (1994) S 56 43 vgl. Schreiner (2006) S 24 44 vgl. Schreiner (2006) S 25 f. 45 vgl. Beckmann / Andreas (1999) S 45

46 vgl. Leal Spengler (2001), Ochoa Alomá (2005)

47 vgl. Leal Spengler (2001), Ochoa Alomá (2005)

48 vgl. Ammerl (2006) S 118 ff

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erscheint hingegen die in Abbildung 8 sehr deutlich erkennbare punktuelle Sanierung in der Altstadt Havannas, da oft direkt neben den sanierten Straßen Gebiete weiter verfallen. Der Plan „Schutzkategorie der Altstadt“ (siehe Abbildung 9: Schutzkategorien der Altstadt) legt die Schutzkategorie sowie die Priorität bei der Sanierung fest. (Je dunkler das Gebäude, desto höher die Schutzkategorie).49

Abbildung 8

Quelle: Eigene Erhebung (Mai 2009)

Abbildung 9: Schutzkategorien der Altstadt

Quelle: Ochoa Alomá (2005), Leal Spengler (2001)

6.3.1 Calle Aguillar 6850

Das Wohnhaus Calle Aguillar 68 befindet sich Nahe der Hafeneinfahrt in Habana Vieja. Es wurde 1880 erbaut und im Jahr 1943 zu einem Renditeobjekt umgebaut. Durch die massive Übernutzung stürzten 1992 mehrere Decken ein. Seither steht Haus leer. Der Schweizer Verein „Calle Aguillar“ (gegründet von

49 vgl. Alomá (2005) Leal Spengler (2001)

50 vgl. Verein Calle Aguiar, online

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2 Zürcher Architekten) machte es sich zur Aufgabe dieses Gebäude in Zusammenarbeit mit dem OHCH und der Caritas Schweiz wieder bewohnbar zu machen und dieses Vorhaben zu finanzieren. Die Gesamtkosten betrugen 210.000 US-Dollar, davon waren 100.000 bereits gesichert, der Verein organisierte 100.000 Dollar durch Spenden.

Bei der Sanierung wurde großer Wert auf die Erhaltung der bestehenden Gebäudestruktur (Vorhalle, Treppenhaus, Innenhof etc.) gelegt.

Mit Bauarbeiten wurde im Frühjahr 2001 begonnen, aufgrund von Finanzierungsengpässen kam es allerdings immer wieder zu Unterbrechungen. Im Frühling 2006 konnte Projekt abgeschlossen werden und kurz darauf konnten erste Familien einziehen. Die zukünftige Nutzung sieht Wohnraum für 9 Familien und einen Familienarzt vor.

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Abbildung 10: Calle Aguillar 68

Quelle: http://www.calleaguiar-cuba.ch/index.asp (05.Mai 2009)

7 Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Seit der Gründung Havannas wurde die städtische Agglomeration stark durch die drei Entwicklungsphasen (Kolonialismus, Kapitalismus und Sozialismus), sowie durch die Sonderperiode geprägt. Einerseits fanden zahlreiche Wanderungsprozesse der verschiedenen Bevölkerungsschichten statt, andererseits wurde das Stadtbild durch räumlich-konzentrierte Investitionen im Bausektor stark geprägt.

Durch die untenstehende Abbildung 11: Räumliche Wachstumsphasen der Stadt Habana 1519 - 1958 wird noch einmal ein Überblick über die räumlichen Wachstumsphasen, sowie die Bevölkerungsentwicklung der Stadt Havanna zwischen den Jahren 1519 und 1958 gezeigt.

Abbildung 11: Räumliche Wachstumsphasen der Stadt Habana 1519 - 1958

Plan Director (1984), Leinauer et al. (1994)

Habana Vieja, der älteste Stadtteil der Hauptstadt erfährt seit einigen Jahren, im Rahmen des Sanierungsprogramms große Aufmerksamkeit. Die kubanische Regierung nennt als Ziel der Altstadtsanierung „nicht die künstliche, museumsartige Restauration Habana Viejas, sondern das

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Aufhalten des architektonischen Verfalls im Rahmen eines integrativen Prozesses“.51 Diese Zieldefinition beinhaltet vorrangig den Erhalt des historischen Baubestands, die Verbesserung der technischen Infrastruktur, sowie eine Verringerung der Einwohnerdichte innerhalb dieses Gebiets. Zusätzlich sollen die Bewohner in diesen Prozess miteinbezogen werden. Die Tatsache, dass die Altstadt 1995 zur „Zone mit großer Bedeutung für den Tourismus“ (vgl. Kapitel 4.2) erklärt wurde, bringt einen weiteren kritischen Aspekt in die Zieldefinition mit ein.

Zwar wird seit der Ernennung der Altstadt Havannas als „Kulturerbe der Menschheit“ im Jahr 1982 rege an der Sanierung der touristisch relevanten Bausubstanz gearbeitet und dadurch auch eine generelle Aufwertung Habana Viejas erzielt. Doch ob diese Strategie auch im Sinne der dort ansässigen Bevölkerung ist, ist fraglich.

Sicher ist, dass durch die Restaurierungsarbeiten Verdrängungsprozesse stattfinden, welche in einem gewissen Ausmaß auch nötig sind, um eine Verringerung der Wohnraumdichte zu erreichen. Bedeutet ist jedoch die Frage danach, wie dieser „Verdrängungsprozess“ organisiert wird. Werden die Menschen mithilfe von materiellen Geschenken, wie einem Kühlschrank oder einem Fernseher nach Alamar gelockt, wird ihnen eine Notunterkunft zur Verfügung gestellt, oder wird an einem anderen Platz adäquater Wohnraum geschaffen? Diese Frage gilt es vor dem Hintergrund der angestrebten „Partizipation bei der Altstadtsanierung“ zu beantworten, um einen integrativen Aufwertungsprozess vollziehen zu können.

Abschließend kann gesagt werden, dass seitens der Regierung große Bemühungen getätigt werden, um die Bebauung des Altstadtkerns zu erhalten, sanieren bzw. den heutigen Anforderungen entsprechend anzupassen. Für die Durchführung dieses Vorhabens wurden adäquate Instrumente und Institutionen geschaffen, welche auch in Zukunft wegweisend für den Erfolg sein werden. Grundsätzliche Probleme, wie beispielsweise zu wenig aussagekräftige Statistiken über die tatsächliche Bevölkerungsdichte (z.B. ist zwar die Anzahl der Wohnungen bekannt, aber nicht die Zahl der Einwohner) sind zu beseitigen, um den Aufwertungsprozess der Altstadt erfolgreich weiterführen zu können.

51 vgl. DPPF (2000)

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Gedankenexperiment: Auswirkungen auf Kuba durch die Aufhebung der Blockade

Um dieses Gedankenexperiment zu wagen werden zuerst ein paar Grundannahmen zu diesem Thema

gemacht um danach drei Spezialthemen, die auf die Raumplanung bezogen sind, abzuhandeln:

Die Geschichte der Handelsbeziehungen zwischen Kuba und den USA reicht bis ins 18. Jahrhundert

zurück und war meist von starken Spannungen zwischen den Ländern betroffen. Nach der Revolution

von 1959 wurde nach und nach neben Anderem auch das Eigentum US- Unternehmen und US-

BürgerInnen auf Kuba verstaatlicht. Damit begründeten die USA eine umfassende Wirtschafts-, Handels-

und Finanzblockade gegen Kuba.52 Die Strenge der Gesetze zu den Beziehungen zu Kuba änderte sich

immer wieder, seit 1992 wurde 17 mal in der UN- Generalversammlung über eine Resolution zur

Beendigung des Embargos gegen Kuba abgestimmt mit 185 Stimmen dafür, drei Staaten dagegen (USA,

Israel, Palau), zwei Enthaltungen (Marshall Inseln, Mikronesien) und 2 Abwesenden (Irak, El Salvador)53

International gibt es also großes Interesse an der Beendigung des Embargos und auch die kürzlich von

US-Präsidenten Barack Obama verabschiedete Milderung der Beschränkungen54 weisen darauf hin, dass

es in Zukunft zu einer Aufhebung der Blockade kommen könnte.

Unserer Meinung nach wird die Aufhebung der Blockade schrittweise passieren, der zeitliche Ablauf ist

nicht einschätzbar, da es bei den diplomatischen Verhandlungen auf das Geschick und den Willen der

Akteure ankommt. Es ist damit zu rechnen, dass beide Seiten Forderungen stellen werden. Wir gehen

davon aus, dass US-amerikanische Unternehmen wieder Besitzansprüche an die in den 1960er Jahren

verstaatlichten Unternehmen stellen und versuchen werden sich in die Menschenrechtspolitik Kubas

einzumischen. Von Kubanischer Seite ist damit zu rechnen, dass die Regierung die Rückgabe der

Guantánamo- Bucht verlangt und versucht die Einschränkungen durch die USA möglichst klein zu halten.

Wir gehen davon aus, dass sich an den Rechten für die Bevölkerung Kubas nicht besonders viel ändert.

Die kubanische Regierung wird versuchen weiterhin die Oberhand bei den Entscheidungen zu behalten

und zentral zu entscheiden. Dennoch würden diese zentralen Entscheidungen Auswirkungen auf die

Bevölkerung haben. Laut dem Exportbericht wird Kuba bei einer Ermöglichung des Handels mit den USA

versuchen das negative Handelsbilanzssaldo aufzubessern, indem Nickel, der bereits jetzt schon das

wichtigste Exportgut darstellt, verstärkt abgebaut wird. 55 Auch der Export von Tabakwaren wird

ansteigen. Spannend wird es zu sehen, wie es sich zum Beispiel mit den Pharmaerzeugnissen verhält

und ob die Kubanischen Produkte am internationalen Markt wettbewerbsfähig sind. Da die Kubanische

Regierung in den letzten Jahren stark in diesem Bereich investiert hat wird sie das heftig auf die Probe

stellen. Es bestehen Vermutungen, dass die USA auch aufgrund von angeblichen Ölvorkommnissen vor

der Küste Kubas starkes Interesse an einer Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen denken. Laut US

Geological Survey gibt es vor der Küste Kubas Reserven von zwischen 4,6 und 9,3 Milliaden Barrel Rohöl

(zum Vergleich: erwiesene Ölreserven der USA 20 Milliarden Barrel)56. Dies spricht dafür, dass das Ende

des Handelsembargos schon bald in Sicht sein könnte; die USA müssen sich beeilen, da Kuba sonst seine

Ölfelder an Venezuela und andere Staaten verkaufen könnte.

Kuba hat gerade in der Spezialperiode versucht die Abhängigkeit von Lebensmittelimporten zu

verringern, dennoch ist es bisher weitgehend noch nicht gelungen die Landwirtschaft flächendeckend zu

modernisieren. In der Provinz Pinar del Rio sieht man heute noch Menschen, die mit Ochsen ihre Felder

52

vgl. Piok (2003) S 26-29 53 vgl. United Nations (2008) 54vgl. Zeit Online (2009) online. 55vgl. Außenwirtschaft Österreich (2008) S7 56 vgl. Weithenmayr (2008) online.

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bewirtschaften. Mit einer Aufhebung des Embargos könnte eine Intensivierung der Landwirtschaft durch

Import von Landmaschinen und Know-How gelingen, die Frage ist, ob das auch im Interesse der USA ist,

da sich bei heutigen Eigentumsverhältnissen die Versorgungssituation für Kuba merklich verbessern

könnte, aber die Lebensmittelimporte aus den USA sinken würden. Mit einer Intensivierung der

Landwirtschaft würde auch eine höhere Arbeitslosenzahl vor allem im ländlichen Raum einhergehen.

Der Tourismus ist eines der Steckenpferde der heutigen Kubanischen Wirtschaft. Sollte es allen US-

Amerikanern erlaubt werden nach Kuba zu reisen ist mit einem großen Anstieg der Touristenzahlen zu

rechnen, die vorhandene touristische Infrastruktur würde nicht ausreichen. Das Preisniveau würde

aufgrund knapper Güter ansteigen, gleichzeitig müssten neue Investitionen getätigt werden und hier

wird sich für Kuba die Frage stellen in welchen Gebieten das geschehen soll. Kuba setzt heute schon auf

seine Kulturgüter (z.B.: La Habana Vieja, Indio-Höhlen, Landschaftsbild) und seine Strände. Ohne

ausreichende Verkehrsinfrastruktur wird das aber kaum zu schaffen sein. Schon heute sind viele

Gruppen mit Bussen unterwegs- wenn aber die Touristenzahlen ansteigen wird es vor allem in

städtischen Bereichen zu erheblichen Verkehrsproblemen kommen. Viele Touristen nutzen auch gerne

Mietautos um selbst herumzureisen. Wenn es dann auch für KubanerInnen leichter wird ein Auto zu

erstehen werden die Städte den Verkehr nicht fassen können. Falls sich Kuba weiterhin so stark am

Tourismus orientiert werden vor allem Tourismusgebiete von Infrastrukturverbeserungen profitieren.

Baumaterial, Kanal, Strom, Wasser, Abfall- es könnte sein, dass diese Bereiche in diesen Gebieten gut

funktionieren, dafür müssen aber auch Abschläge in anderen Gebieten gemacht werden. Wie das mit

dem sozialen Gedanken noch vereinbar sein wird und ob sich die Bevölkerung das gefallen lässt wagen

wir nicht einzuschätzen.

Verhältnis Zentrum Peripherie

Ausgehend von den zuvor beschriebenen Annahmen, wird sich die Aufhebung der Blockade auch auf

das Verhältnis „Zentrum - Peripherie“ auswirken. Wie genau diese Veränderungen aussehen werden ist

schwer einzuschätzen, deshalb wird anhand von zwei Themengebieten versucht auf mögliche

Entwicklungspfade einzugehen.

Bereits heute konzentriert sich der Industriesektor Kubas auf die Hauptstadt Havanna, weil diese im

Gegenzug zu anderen Provinzstädten über mehr Agglomerationsvorteile (Arbeitskräftepotential,

zahlreiche Infrastruktureinrichtungen, Nähe zu anderen Unternehmen etc.) verfügt. Ist die Ansiedlung

ausländischer Unternehmen zukünftig gestattet, oder sogar erwünscht (in Form von Joint-Ventures),

wird sich diese im Sinne der Polarisationstheorie (nach Myrdal 1957) vor allem auf die Stadt Havanna

konzentrieren. Laut dieser Theorie fließt Arbeit und Kapital in die gleiche Richtung, wodurch ein zirkulär-

kumulativer Prozess ausgelöst wird57. Die Ansiedlung neuer Betriebe führt zu neuen

Wachstumsimpulsen, wodurch in weiterer Folge neues Kapital nach Havanna fließen wird.

Das starke Bevölkerungswachstum der letzten Jahre in den Provinzhauptstädten, lässt darauf schließen,

dass auch an diesen Standorten ein ökonomischer Aufschwung stattgefunden hat. Aus diesem Grund

wird angenommen, dass sich ein ähnlicher Prozess wie in der Hauptstadt vollziehen wird. Im Gegenzug

dazu wird die Wirtschaftskraft in den ländlichen Regionen abnehmen, wodurch eine sukzessive

Entleerung der Peripherie hervorgerufen wird. Da dadurch eine Kostenersparnis für den kubanischen

Staat entstehen würde - die Bereitstellung von sozialen Infrastruktureinrichtungen könnte stärker auf

die Städte konzentriert werden - ist anzunehmen, dass dieser Entwicklungsprozess auch im Sinne der

Regierung ist.

57vgl. Giffinger, Kramar (2007/08)

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Seite | 20 Gedankenexperiment: Auswirkungen auf Kuba durch die Aufhebung der Blockade

Wie bereits erwähnt wurde, wird der Staat, im Falle einer Aufhebung der Blockade, versuchen vermehrt

Touristen aus den USA anzuwerben. In Havanna würden durch den Ausbau des Tourismussektors die

Altstadtsanierung weiter angetrieben und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die ländlichen

Regionen würden durch die Ausweitung des touristischen Angebotes ebenfalls profitieren, da die

Straßen weiter ausgebaut werden. Da dadurch aber neue touristische Anziehungspunkte, sowie der

Ausbau von Hotels fokussiert werden, scheint die Frage nach geeigneten Tourismuskonzepten

grundlegend.

Der Tourismussektor zeigt sowohl für das Zentrum, als auch für die Peripherie neue Chancen. Jedoch

muss beachtet werden, dass sich dadurch auch die Kluft zwischen Bewohnern mit und ohne Devisen

weiter vergrößert wird, wodurch der soziale Gedanke des Systems ein weiteres Mal in Frage gestellt

wird.

Bedeutung für die Innere Stadtentwicklung

Wir gehen davon aus, dass die Bevölkerung von Havanna weiterhin wachsen wird, wenn auch nicht so

stark wie in den Provinzhauptstädten. Damit wird auch der Bedarf an Wohnraum steigen. Im optimalen

Fall erschließt Kuba seine Reserven (wie zum Beispiel das Industriegebiet am Hafen) und schafft dort

zentrumsnahe Wohnmöglichkeiten. Damit könnte der Mangel an Wohnraum beseitigt werden. Dazu

müsste es die Stadt aber zulassen, dass Developper aus dem Ausland mitmischen, denn selbst kann das

der Staat momentan noch nicht finanzieren und auch wenn durch die Aufhebung des Embargos mit

mehr Geld zu rechnen ist, kann man nicht davon ausgehen, dass rechtzeitig mit der Stadterweiterung

finanziert aus Eigenmitteln begonnen werden könnte. Die Einbindung von ausländischen Investoren in

die Stadterweiterung birgt aber auch Risiken. Offiziell gibt es in Havanna keine Segregation- es wird von

„privilegierten“ und „normalen“ Menschen gesprochen. In den Stadtspaziergängen hatte man trotzdem

oft das Gefühl an Straßenzügen von einer in die andere Welt zu kommen. Wie in anderen

Lateinamerikanischen Städten werden sich kapitalstarke Investoren die besten Teile herauspicken- es

könnte zu so genannten gated communities und somit zu einer weiteren Segregation kommen.

Mit dem weiteren Bevölkerungswachstum und einer Aufhebung des Handelsembargos ist auch mit

einem rapiden Anstieg an Pkw und Lkw zu rechnen. Der große Hafen der Hauptstadt könnte eine viel

wichtigere Drehscheibe für Import und Export von Gütern werden, wenn nur die Voraussetzungen dafür

stimmen.Wenn Kuba noch rechtzeitig beginnt Maßnahmen für den Güter-, den öffentlichen und den

nicht motorisierten Verkehr zu schaffen könnte es gelingen einen Kollaps zu vermeiden. Ansonsten

hätte dieses dann eigentlich innerstädtische Problem auch Auswirkungen auf die Beziehung zum

Umland und die Wettbewerbsfähigkeit von Havanna, möglicherweise von ganz Kuba wird gehemmt.

Auswirkungen auf die Region Pinar del Rio

Kann Kuba zukünftig auf dem internationalen Markt Handel betreiben, wird ein größerer Fokus auf

Exporte gelegt werden. Um sich in dem globalen Netz behaupten zu können, muss die

Wettbewerbsfähigkeit des Landes gestärkt werden.

Die Region Pinar del Rio ist derzeit stark vom Tabak- und Agrarsektor geprägt, weshalb in dieser Gegend

große Auswirkungen zu erwarten sind. Einerseits wird eine Intensivierung der Landwirtschaft

stattfinden, da die bisherige Bewirtschaftung im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähig ist.

Andererseits wäre auch eine Ausweitung der Tabakproduktion denkbar, da ein beträchtlicher Teil des

gesamten kubanischen Tabaks von den Tabakfeldern der Region kommt. Um dieses Potential weiter

stärken zu können, wäre die Etablierung eines Tabakclusters möglich. Derzeit konzentrieren sich fast alle

Tabakfabriken auf die Hauptstadt Havanna, deshalb ist schon allein aus diesem Grund die Zustimmung

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der Regierung zu diesem Vorhaben unumgänglich. Mögliche Anreize für den Staat, dieses Vorhaben

umzusetzen, sind die räumliche Nähe, die Eisenbahnverbindung, sowie Autobahnverbindung zwischen

den Standorten. Allerdings reicht die räumliche Verflechtung für die Etablierung eines Clusters alleine

nicht aus. Die Tabakproduktion ergänzende Betriebe, wie beispielsweise eine Papierfabrik müssen in der

Region angesiedelt und in die Wertschöpfungskette miteinbezogen werden. Eine intensivere

Zusammenarbeit der Region Pinar del Rio und der Stadt Havanna, würde die Wettbewerbsfähigkeit

dieses Sektors sicherlich stärken, wodurch auch eine Profilierung dieser Region stattfinden würde. Die

Innovationskraft dieses Sektors wird vermutlich auch die Ansiedlung anderer Betriebe (soweit dies vom

Staat gewollt bzw. erlaubt ist) nach sich ziehen und somit eine steigende Bedeutung der Provinz im

Stadt-Land-Geflecht hervorrufen.

Allerdings muss darauf geachtet werden, dass keine zu große Abhängigkeit von einem einzigen

Wirtschaftssektor geschaffen wird, da die Region durch ein mögliches Wegbrechen dieses Bereichs

ansonsten Gefahr läuft, unterzugehen. Dieses Unterfangen wird durch den Ausbau des

Tourismussektors, welcher im Falle der Auflösung des Embargos stattfinden wird, abgeschwächt, da in

der Region dadurch das zweite ökonomische Standbein aufgebaut werden wird.

Abschließend kann man sagen, dass die Auswirkungen einer Aufhebung des Embargos schwer

einzuschätzen sind und es für beide Länder schwierig werden wird Entscheidungen politisch zu

rechtfertigen, da viele gegenseitige Ressentiments für vergangenen und aktuelle Probleme existieren.

Ob und wenn ja wie sie aufgebrochen werden bleibt spannend.

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Seite | 22 Literaturverzeichnis

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Seite | 25 Abbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1:Abgrenzung des Stadtteils La Habana Vieja ......................................................................... 1

Abbildung 2: Plätze in Habana Vieja ........................................................................................................ 2

Abbildung 3: Gebäude im Originalzustand vs. Gebäude mit Barbacoas .................................................... 3

Abbildung 4: La Maqueta de la Ciudad .................................................................................................... 6

Abbildung 5: Zuständigkeitsbereich OHCH .............................................................................................. 8

Abbildung 6:Einnahmen und Ausgaben der OHCH in % ........................................................................... 9

Abbildung 7: Überblick über die Verteilung von privatem Wohnraum ....................................................12

Abbildung 8 ...........................................................................................................................................14

Abbildung 9: Schutzkategorien der Altstadt ...........................................................................................14

Abbildung 10: Calle Aguillar 68 ...............................................................................................................16

Abbildung 11: Räumliche Wachstumsphasen der Stadt Habana 1519 - 1958 ..........................................16