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Technologien & Substrate 12 Nr. 17 18. Oktober 2013 Sie haben Technologie- sprünge erlaubt und der Industrie völlig neue Anwen- dungen ermöglicht: Faserver- bundkunststoffe (FVK) haben in den vergangenen 25 Jah- ren eine bemerkenswerte „Karriere“ gemacht. Eine Herausforderung für die Lackierung stellt jedoch der Einsatz von Trennmitteln bei der Herstellung dar. Das Fraunhofer IFAM zeigt jetzt, welche Vorbehandlungsver- fahren geeignet sind. Wo immer es um geringes Gewicht und hohe Steifigkeit geht, sind Faserverbundkunst- stoffe – vor allem mit Carbon- oder Glasfasern verstärkte Kunststoffe (CFK, GFK) – heu- te eine naheliegende Option. In der Herstellung der FVK-Kom- ponenten liegt allerdings eine grundlegende Heraus- forderung verborgen. Fast alle FVK-Bauteile werden in metallischen Formen herge- stellt, in denen sie durch einen Aushärtungsprozess ihre end- gültige Struktur und Stabilität erhalten. Damit sich die Bau- teile nicht fest mit den Formen verbinden, kommen in den meisten Fällen Trennmittel zum Einsatz. Diese bewirken, dass sich die zum Teil mehre- re Meter langen Bauteile ohne Beschädigungen wieder aus den Formen entfernen lassen. Dabei werden jedoch auch Trennmittelreste auf das Bau- teil übertragen, weshalb eine nachträgliche Reinigung der Oberflächen unumgänglich ist. Die Art, die Menge und die Methode des Auftrags des ein- gesetzten Trennmittels ent- scheiden darüber, welcher Reinigungsaufwand anschlie- ßend erforderlich ist, um gute Lackierergebnisse auf FVK- Bauteilen erzielen zu können. Im Flugzeugbau und im Bereich der Windenergie wer- den beispielsweise FVK-Bau- teile oft mit aufwändiger manueller, kostenintensiver Arbeit gereinigt und für die Lackierung vorbereitet durch Schleifen per Hand oder Abwischen mit Lösemitteln. Die Experten aus dem Bereich Plasmatechnik und Ober- flächen PLATO des Fraunho- fer-Instituts für Fertigungs- technik und Angewandte Ma- terialforschung IFAM in Bre- men, beschäftigen sich intensiv mit der Thematik rund um Rei- nigung und Aktivierung von FVK-Oberflächen vor der Lackierung, um den Kunden anwendungsspezifisch beraten und individuelle effiziente Lösungen für die jeweilige Fer- tigung entwickeln zu können. CO 2 -Schneestrahlen – schonend und gründlich In der jüngeren Vergangen- heit hat sich vor allem die CO 2 -Schneestrahl-Reinigung oftmals als geeignete Vorreini- gung erwiesen. Dabei wird Kohlenstoffdioxid (CO 2 ) einge- setzt: Es wird in flüssiger Form in einem Tank gelagert und beim Einsatz durch spezielle Düsentechniken in kleine Schneekristalle umge- wandelt, die mit hohem Druck auf die Bauteiloberfläche beschleunigt werden. Auf diese Weise lassen sich mate- rial- und umweltschonend Kontaminationen von Oberflächen entfernen. Weil die Schneekristal- le wieder in den gasförmigen Zu- stand übergehen, gibt es auch keine Rückstände. Namhafte Automobilfirmen setzen das CO 2 -Schneestrahlen bereits in der Serienproduk- tion vor der Kunststofflackie- rung ein. Damit entfällt nicht nur die aufwändige wässrige Reinigung – die Autobauer können auch sicher sein, dass das Bauteil höchsten lacktech- nischen Anforderungen ent- spricht. Der große Vorteil des CO 2 -Schneestrahlens ist somit die Reinigung. Allerdings sind moderne thermoplastische Matrixpolymere, wie Polyphe- nylsulfid (PPS), die von sich aus hydrophob – also wasser- abweisend – sind, auch nach der CO 2 -Behandlung im saube- ren Zustand nicht gut mit Was- ser benetzbar. Mit Atmosphärendruck- Plasma kombinieren Um auch diese Polymere besser lackierbar zu machen, bietet sich die Behandlung mit einem Atmosphären- druck-Plasma (AD-Plasma) an. Ursprünglich kaum lackier- bare thermoplastische Mate- rialien lassen sich durch die AD-Plasmabehandlung ent- scheidend modifizieren, indem man mit dieser Methode Sauerstoff in die Werkstoff- oberfläche einbaut. Das ist allerdings nur bei geringen Verschmutzungen sinnvoll, da die Reinigungswirkung des Plasmas auf wenige 100 nm dicke organische Ölfilme begrenzt ist. Daher bietet sich eine Kombination von CO 2 - Schneestrahlen – zur Entfer- nung der Grobverschmutzung – und ein AD-Plasmaprozess – zur Feinstreinigung und Funk- tionalisierung der Oberflächen – an. Beide Prozesse lassen sich automatisiert in der Serienproduktion gut mitein- ander koppeln. Reinigen und aktivieren mit Licht Eine relativ neue Tech- nologie im Portfolio der PLA- TO-Wissenschaftler am Fraun- hofer IFAM ist die Reinigung, Aktivierung und Beschichtung von Oberflächen durch Vaku- um-Ultra-Violett-Strahlung, kurz VUV-Strahlung. Dabei wird von sogenannten „Exci- mer-Lampen“, die über eine Oberfläche gefahren werden, eine Strahlung mit einer Wel- lenlänge von 172 nm abgege- ben. Durch die energiereiche Strahlung gelingt es auch mit diesem Verfahren, Trennmittel- reste zu entfernen oder in Haftvermittler umzuwandeln. Diese Technologie lässt sich insbesondere bei der flächigen Vorbehandlung von FVK-Bau- teilen vorteilhaft in Produk- tionslinien integrieren, um damit eine hochpräzise – und dennoch wirtschaftliche Oberflächenvorbehandlung zu erreichen. Um für jede spezifische Anwendung die ideale Lösung zu realisieren, ist oft eine Kombination von Verfahren sinnvoll. So lassen sich zum Beispiel großflächige CFK- Bauteilbereiche für eine hoch- wertige Lackierung effizient mit VUV-Strahlung vorbehan- deln. Geht es hingegen um die Lackierung oder Beschichtung begrenzter Bereiche eines CFK-Bauteils, ist CO 2 -Schnee- strahlen oder eine AD- Plasmaoberflächenbehandlung empfehlenswert. Im prakti- schen Einsatz nimmt sich die Bearbeitungsvorrichtung in einer Roboterzelle jeweils die Werkzeuge, die sie für den jeweiligen Bereich benötigt. In der industriellen Serienferti- gung findet dies für die ver- schiedenen Prozessschritte an eigenen, aufeinanderfolgen- den Stationen statt. l Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Material- forschung IFAM, Bremen, Dr. Ralph Wilken, Tel. +49 421 2246-448, ralph.wilken@ ifam.fraunhofer.de, www.ifam.fraunhofer.de Lackieren von FVK-Werkstoffen auf optimal vorbehandelten Oberflächen Reinigen und Aktivieren: Das richtige Verfahren für anspruchsvolle Substrate auswählen Reinigung und Aktivierung von komplexen FVK-Oberflächen können z.B. durch CO 2 -Schneestrahlen (links) bzw. Atmosphärendruck-Plasmabehandlung (rechts) oder einer Kombination aus beiden Verfahren erfolgen. Quelle (drei Fotos): Fraunhofer IFAM VUV-Strahlung, die durch Excimer-Technologie erzeugt wird, eignet sich ebenfalls für Reinigung und Aktivierung von FVK-Oberflächen. Um die ideale Lösung zu realisieren, ist eine Kombination von Verfahren oft sinnvoll.Pulverbeschichten Wie sich der Korrosionsschutz pulverbeschichteter Bauteile verbessern lässt. Korrosionsschutz Das Fraunhofer ISC hat jetzt eine selbstheilende Korrosions- schutzlösung entwickelt. Prüf- und Messtechnik Neue Verfahren ermöglichen die berührungslose, flächendecken- de Oberflächenbewertung. Themen in Nr. 18 IFAM

Lackieren von FVK-Werkstoffen auf optimal vorbehandelten ...vm.besserlackieren.de/download/2013_17_BL_S12_RZ.pdf · mit der Thematik rund um Rei - nigung und Aktivierung von FVK-Oberflächen

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Technologien & Substrate12 Nr. 17 18. Oktober 2013

Sie haben Technologie-sprünge erlaubt und der Industrie völlig neue Anwen-dungen ermöglicht: Faserver-bundkunststoffe (FVK) haben in den vergangenen 25 Jah-ren eine bemerkenswerte „Karriere“ gemacht. Eine Herausforderung für die Lackierung stellt jedoch der Einsatz von Trennmitteln bei der Herstellung dar. Das Fraunhofer IFAM zeigt jetzt, welche Vorbehandlungsver-fahren geeignet sind.

Wo immer es um geringes Gewicht und hohe Steifigkeit geht, sind Faserverbundkunst-stoffe – vor allem mit Carbon- oder Glasfasern verstärkte Kunststoffe (CFK, GFK) – heu-te eine naheliegende Option. In der Herstellung der FVK-Kom-ponenten liegt allerdings eine grundlegende Heraus- forderung verborgen. Fast alle FVK-Bauteile werden in metallischen Formen herge-stellt, in denen sie durch einen Aushärtungsprozess ihre end-gültige Struktur und Stabilität erhalten. Damit sich die Bau-teile nicht fest mit den Formen verbinden, kommen in den meisten Fällen Trennmittel zum Einsatz. Diese bewirken, dass sich die zum Teil mehre-re Meter langen Bauteile ohne Beschädigungen wieder aus den Formen entfernen lassen. Dabei werden jedoch auch Trennmittelreste auf das Bau-teil übertragen, weshalb eine nachträgliche Reinigung der Oberflächen unumgänglich ist. Die Art, die Menge und die Methode des Auftrags des ein-gesetzten Trennmittels ent-scheiden darüber, welcher Reinigungsaufwand anschlie-ßend erforderlich ist, um gute Lackierergebnisse auf FVK-Bauteilen erzielen zu können. Im Flugzeugbau und im Bereich der Windenergie wer-den beispielsweise FVK-Bau-teile oft mit aufwändiger manueller, kostenintensiver Arbeit gereinigt und für die Lackierung vorbereitet – durch Schleifen per Hand oder Abwischen mit Lösemitteln. Die Experten aus dem Bereich Plasmatechnik und Ober- flächen PLATO des Fraunho-fer-Instituts für Fertigungs-technik und Angewandte Ma-

terialforschung IFAM in Bre-men, beschäftigen sich intensiv mit der Thematik rund um Rei-nigung und Aktivierung von FVK-Oberflächen vor der Lackierung, um den Kunden anwendungsspezifisch beraten und individuelle effiziente Lösungen für die jeweilige Fer-tigung entwickeln zu können.

CO2-Schneestrahlen – schonend und gründlich

In der jüngeren Vergangen-heit hat sich vor allem die CO2-Schneestrahl-Reinigung oftmals als geeignete Vorreini-gung erwiesen. Dabei wird

Kohlenstoffdioxid (CO2) einge-setzt: Es wird in flüssiger Form in einem Tank gelagert und beim Einsatz durch spezielle Düsentechniken in kleine Schneekristalle umge-wandelt, die mit hohem Druck auf die Bauteiloberfläche beschleunigt werden. Auf diese Weise lassen sich mate-rial- und umweltschonend

Kontaminationen von Oberflächen entfernen. Weil die Schneekristal-le wieder in den gasförmigen Zu-

stand übergehen, gibt es auch keine Rückstände.

Namhafte Automobilfirmen setzen das CO2-Schneestrahlen bereits in der Serienproduk-tion vor der Kunststofflackie-rung ein. Damit entfällt nicht

nur die aufwändige wässrige Reinigung – die Autobauer können auch sicher sein, dass das Bauteil höchsten lacktech-nischen Anforderungen ent-spricht. Der große Vorteil des CO2-Schneestrahlens ist somit die Reinigung. Allerdings sind moderne thermoplastische Matrixpolymere, wie Polyphe-nylsulfid (PPS), die von sich aus hydrophob – also wasser-abweisend – sind, auch nach der CO2-Behandlung im saube-ren Zustand nicht gut mit Was-ser benetzbar.

Mit Atmosphärendruck- Plasma kombinieren

Um auch diese Polymere besser lackierbar zu machen, bietet sich die Behandlung mit einem Atmosphären- druck-Plasma (AD-Plasma) an.

Ursprünglich kaum lackier- bare thermoplastische Mate-rialien lassen sich durch die AD-Plasmabehandlung ent-scheidend modifizieren, indem man mit dieser Methode Sauerstoff in die Werkstoff-oberfläche einbaut. Das ist allerdings nur bei geringen Verschmutzungen sinnvoll, da die Reinigungswirkung des Plasmas auf wenige 100 nm dicke organische Ölfilme begrenzt ist. Daher bietet sich eine Kombination von CO2-Schneestrahlen – zur Entfer-nung der Grobverschmutzung – und ein AD-Plasmaprozess – zur Feinstreinigung und Funk-tionalisierung der Oberflächen – an. Beide Prozesse lassen sich automatisiert in der Serienproduktion gut mitein-ander koppeln.

Reinigen und aktivieren mit Licht

Eine relativ neue Tech- nologie im Portfolio der PLA-TO-Wissenschaftler am Fraun-hofer IFAM ist die Reinigung, Aktivierung und Beschichtung von Oberflächen durch Vaku-um-Ultra-Violett-Strahlung, kurz VUV-Strahlung. Dabei wird von sogenannten „Exci-mer-Lampen“, die über eine Oberfläche gefahren werden, eine Strahlung mit einer Wel-lenlänge von 172 nm abgege-ben. Durch die energiereiche Strahlung gelingt es auch mit diesem Verfahren, Trennmittel-reste zu entfernen oder in Haftvermittler umzuwandeln. Diese Technologie lässt sich insbesondere bei der flächigen Vorbehandlung von FVK-Bau-teilen vorteilhaft in Produk-tionslinien integrieren, um damit eine hochpräzise – und dennoch wirtschaftliche – Oberflächenvorbehandlung zu erreichen.

Um für jede spezifische Anwendung die ideale Lösung zu realisieren, ist oft eine Kombination von Verfahren sinnvoll. So lassen sich zum Beispiel großflächige CFK-Bauteilbereiche für eine hoch-wertige Lackierung effizient mit VUV-Strahlung vorbehan-deln. Geht es hingegen um die Lackierung oder Beschichtung begrenzter Bereiche eines CFK-Bauteils, ist CO2-Schnee-strahlen oder eine AD- Plasmaoberflächenbehandlung empfehlenswert. Im prakti-schen Einsatz nimmt sich die Bearbeitungsvorrichtung in einer Roboterzelle jeweils die Werkzeuge, die sie für den jeweiligen Bereich benötigt. In der industriellen Serienferti-gung findet dies für die ver-schiedenen Prozessschritte an eigenen, aufeinanderfolgen-den Stationen statt. l

Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Material- forschung IFAM, Bremen, Dr. Ralph Wilken, Tel. +49 421 2246-448, ralph.wilken@ ifam.fraunhofer.de, www.ifam.fraunhofer.de

Lackieren von FVK-Werkstoffen auf optimal vorbehandelten OberflächenReinigen und Aktivieren: Das richtige Verfahren für anspruchsvolle Substrate auswählen

Reinigung und Aktivierung von komplexen FVK-Oberflächen können z.B. durch CO2-Schneestrahlen (links) bzw. Atmosphärendruck-Plasmabehandlung (rechts) oder einer Kombination aus beiden Verfahren erfolgen. Quelle (drei Fotos): Fraunhofer IFAM

VUV-Strahlung, die durch Excimer-Technologie erzeugt wird, eignet sich ebenfalls für Reinigung und Aktivierung von FVK-Oberflächen.

„Um die ideale Lösung zu realisieren, ist eine Kombination von Verfahren oft sinnvoll.“

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