Landig, Wilhelm - Rebellen Fuer Thule (1991, 624 S., Text)

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    Unglaublichkeiten

    prsentiert:

    "Rebellen fr Thule"

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    unten, hier sind sie oben, da englische Word-Version. Sonderzeichen wie , , , , , , oder wurden als normale

    Buchstaben oder Umlaute wiedergegeben.

    England, im Januar 2004

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    Ein Roman

    voller Wirklichkeiten!Wilhelm Landig

    Rebellen fr Thule

    Die Rahmenhandlung zeichnet ein Zeitbild der Gegenwart. Eingeflochten isteine Schlergemeinschaft auf der Suche

    nach fehlendem Geschichtswissen.Mit einer Rckschau beginnt Atlantis aus

    dem Dunkel der berlieferungsmythenaufzutauchen. Nachfahren des atlantischenErbes, die Thuata und Gotenvlker malenein faszinierendes Bild ihrer Wanderungendurch die Erdteile.

    Die Externsteine geben weitereGeheimnisse preis und die

    Spracharchologie untersttzt die Felderder Ausgrabungen.

    Hier lftet sich auch die ursprngliche Herkunft der Schwarzen Sonne. Zusammenhnge zwischen dem Mitternachtsland im Norden und demsumerischen Reich und seinemnachfolgenden Stadtstaat Babel erhellendas Geschichtsdunkel.

    Im Schluteil wird nochmals derdeutsche Antarktissttzpunkt 211 gestreut.

    Vom gleichen Verfasser erschienen dieBnde "Gtzen gegen Thule" und "Wolfszeitum Thule".

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    WILHELM LANDIG

    REBELLENFR THULE

    DAS ERBE VON ATLANTIS

    VOLKSTUM-VERLAGWien

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    ISBN 3-85342-044-3Copyright 1991 by Volkstum-Verlag/Wilhelm Landig

    A-1040 WienUmschlagentwurf: Ingrid Baldauf

    Gesamtherstellung: Bauer Druck, Wien

    Printed in Austria

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    Das sind Buchenrunendas sind Gebrrunenund alle Alrunenund kstliche Kraftrunendem, der sie unversehrtund unzerstrtsich zum Heil behlt.

    Ntz es, vernahmst du'sbis die Gtter vergehn!

    Edda

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    Sehr zu Dank verpflichtet bin ich meinen Freunden und Helfern:Dr. Karl Bahne, DDr. Erich Bromme, Ralf Ettl, Dr. A. Lambardt,

    Karl Provnic, Michael Wagner Ph.D., Prof Dr. Herman Wirth.

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    VORWORT

    Das drftige Geschichtswissen der Jugend von heute, auf einer schmalenEinspurbahn laufend, veranlate mich zu meiner hier vorliegenden Arbeit.

    Unter Beiziehung alter berlieferungen und kaum mehr beachteter undverschwiegener Unterlagen, war ich nach ernsthaften Bemhungen nachbestem Wissen und Gewissen bestrebt, eine Geschichtsschau aufzubauen.Vom uralten Erbe ausgehend bis zur jngsten Neuzeit soll eine deutscheEinheitslinie aufgezeigt werden. Ich habe mich dabei keinem eingehenden

    Geschichtszwang unterworfen, der voller Tabus, bewuter Entstellungenund viel Verschwiegenem steckt. Manche werden kommen und alles besserwissen wollen. Es rhrt mich nicht, ich habe redlich geforscht, ernsthaftgesucht und Quellen gefunden, die vergessen oder verschollen sind.

    Mhselig habe ich mich auch mit mir zuvor fremden Sachgebietenabgegeben, und sehr viel Zeit aufgewendet, um mich darin bewegen zuknnen.

    Die von mir bentzte Rahmenhandlung aus dem Bereich derstudierenden Jugend, fut grtenteils auf einer Reihe von an michherangetragenen Beispielen und tatschlichen Redewendungen. Auch die

    Lehrpersonen gibt es, wenn auch unter anderem Namen. Das Erbe von Thule ist hier eine Leitlinie und soll den Deutschen

    wieder zu einem eigenen Blut- und Geschichtsbewutsein zurckfindenhelfen. Nur aus fernsten Tiefen der Vergangenheit bis zum heutigen Tage

    zusammengestellte und geraffte Geschichtsbildteile, zu einemgeschlossenen Ganzen fhrend, bilden das strkende Bewutsein, um einer

    Zersetzung und Auflsung des deutschen Volkskrpers widerstehen zuknnen.

    Aus diesem Grunde schien es mir auch unumgnglich zu sein, den

    Vorhang von der politischen Bhne der Jetztzeit hochzuziehen. Dies vorallem deshalb, weil die Mchtigen von heute und die ihnen dienenden

    Massenmedien die Ursache der allgemeinen Fehlunterrichtungen undGeschichtsunterschlagungen sind. Es geht so weit, da die Flscher dieWahrheit als Flschung hinstellen.

    Der Geist von Thule ist ein Saatgut. - Es soll die neuen Rebellen frThule, die bereits in der Jugend von heute unter uns sind beseelen undihnen Kraft geben in der Bestandslinie unserer Volkes.

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    Ich glaube an das Erbe von Atlantis! - Erkenntnisse und darausentstehende Pflichten sind die Leitfden eines stolzen Lebens. Um ein

    Leben wertvoll zu machen, bedarf es auch eines stolzen Denkens, das ineinem Idealismus der Selbstlosigkeit wurzeln mu. Viele Menschen von

    heute knnen das kaum verstehen, weil sie entseelt wurden. Aber es muwieder Hochziele geben, die der inneren Verarmung entgegenwirken. Eineneue Jugend mu wieder Ideale aufbauen und einem Leben Inhalt geben.

    Dies meinem Buch zum Geleit! -

    Wilhelm Landig

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    VORWORT...................................................................................................7

    ERSTES BUCH ..........................................................................................11I. AUFRUHR IM KLASSENZIMMER ................................................. 13II. DIE FREUDLOSE ZEIT....................................................................51III. DIE ERNTE DES BSEN................................................................82IV. DAS ERBE .....................................................................................102V. DIE LANGE SPUR..........................................................................146VI. DIE GROSSE UNRUHE................................................................184

    ZWEITES BUCH......................................................................................205VII. DIE NACHFAHREN .................................................................... 207VIII. WEICHENDE NEBEL ................................................................242IX. DIE SONNENSHNE ...................................................................273X. REDENDE STEINE ........................................................................301XI. DIE WIRKLICHE WELT ..............................................................342

    DRITTES BUCH ......................................................................................383XII. RAUNENDES BLUT....................................................................385XIII. DIE SAGA VOM GRAL .............................................................406XIV. DIE KINDER MOSE...................................................................429XV. SEIN ODER NICHTSEIN ............................................................462XVI. BABILU.......................................................................................509XVII. DIE SCHWARZE SONNE ........................................................546

    NACHKLANG..........................................................................................583BIBLIOGRAPHIE FACHLITERATUR-SPRACHWISSENSCHAFT...593JUDAICA (AUSZUGSWEISE) ...............................................................595GESCHICHTLICHE, ARCHOLOGISCHE UND KULTURELLE

    UNTERLAGEN........................................................................................596ATLANTIS-LITERATUR........................................................................601WEITERE LITERATUR..........................................................................602SACH- UND PERSONENREGISTER ....................................................603

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    ERSTES BUCH

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    I.AUFRUHR IM KLASSENZIMMER

    "Die Fackel geht von Hand zu Hand,Wenn einem sie der Tod entwandnimmt sie der nchste wieder auf;der flammende Stafettenlaufgeht weiter...

    Die Zeit rinnt schnell, und niemand frgt,wie lange die Fackel jeder trgt.

    Nur da sie rein und leuchtend brennt,

    und da in ihr mein Herz mitbrenntist wichtig.

    So tragen wir, auch ich und dudie Fackel fernen Zielen zuein kleines Stck. Mag hell sie loh'n,vor uns im Dunkeln warten schondie andern!"

    Heinrich Anacker

    Das Ende des Zweiten Weltkrieges hatte nicht nur fr Deutschland einChaos erbracht, es hinterlie fr ganz Europa ein tiefzerfurchtes Antlitz.

    Neben dem jahrzehntelangen Wiederaufbau verloren sich dasMenschentum und die Tradition der alten kulturellen Werte. Das Chaosebbte ab, aber die Unruhe der Zeit wuchs an.

    Einige Jahre nach dem Krieg meldete sich ein bayrischer Seher zu Wort.Er prophezeite nochmals eine schlimme Zeit und erst nachher werde die

    Welt wieder etwas zur Ruhe kommen. Kurz zuvor aber werden diemenschlichen Bosheiten triumphieren und Schlechtigkeiten Platz greifen.Man werde die Mnner und Frauen an der Kleidung und Haartracht kaummehr unterscheiden knnen. Auch andere Hellsichtige sagten hnlich aus,sprachen von einem Zerfall der Sitten, von naturwidrigen Irrlehren undletztlich davon, da nur eine kleine Minderheit von Wissenden am Endeder argen Dinge eine neue Ordnung errichten wird.- - - - - - - - -

    Die Jahrzehnte waren voll ber die Zeittafel gelaufen. ber der Welt lag

    die Unruhe wie ein graues Laken.

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    Es war November. Zeitbild und Kalenderzeit verschmolzen zu einerEinheit in Grau. ber dem europischen Herzland hingen dunkle Wolkenschwer am verdeckten Himmel, alles in Dsterheit tauchend. Bergeverschwanden berall hinter dicken Nebeln, Tler lagen wie schwarze

    Flecken in den Landschaften und aus den unter Schwaden liegendenStdten ragten nur vereinzelt Betontrme einer menschlichenTermitengesellschaft.

    An den Fenstern der hheren Mittelschule einer Kleinstadt rannen feineWasserfden wie Bchlein herab. Die Bume vor dem Schulgebude warenan diesem Morgen dunkel vor Nsse. Tauben und Spatzen warenverschwunden und hatten an trockenen Stellen Schutz gesucht. Nur wenigeMenschen hasteten ber den schwarzglnzenden Asphalt und hatten eseilig.

    In der Schule begannen die zweiten Unterrichtsstunden. Pnktlich betratder Studienrat Trinek die Klasse des vorletzten Schuljahres. Er kam mitseinem gewohnt schleppenden Gang in das Schulzimmer herein. Er trugseine scheinbar nie gewechselte Lewis-Hose und trotz der Jahreszeit nochimmer einen offenen Hemdkragen, der von einer strhnigen Haarmhnefast verdeckt wurde. Eine altertmlich aussehende Drahtgestellbrille sowieein etwas schtter wirkender Bart gaben ihm ein vergammeltes Aussehen.Seinem ueren entsprechend legte er auch keinen Wert auf eineordentliche Begrung und so blieben die Schler der Klasse einfachsitzen. Das alles war schon Gewohnheit.

    Er nickte nur kurz mit dem Kopf, durchquerte den Raum und nahm anseinem Tisch Platz. Seine etwas wssrig wirkenden Augen berflogen dievor ihm Sitzenden. Mimutig sah er dann durch die perlenbetropftenFenster und rusperte sich.

    Die Schler feixten.Trinek bersah solche Sachen geflissentlich. Nach einer kleinen Pause

    fragte er pltzlich: "Wo sind wir denn in der letzten Geschichtsstundestehengeblieben? -"

    Allgemeines Schweigen.

    "Nun?", drngte er mit hochgezogenen Augenbrauen.Eine Schlerin, die im Klassenjargon Wuschelkopf-Babsy gerufen

    wurde, rkelte sich und piepste gespielt: "Bei den Rmern, HerrStudienrat!" Sie lie dabei die Anrede gedehnt auslaufen.

    "Was heit bei den Rmern?" brabbelte Trinek. "Bei den Rmern sindwir schon lange! - Wir sind doch zuletzt bei einem ganz bestimmten Rmerstehengeblieben. Wer war es? -"

    Schnauzen-Charly, der immer vorlaut das Wort fhrte, witzelte: "MeinGott, lieber Herr Studienrat, da gibt es doch eine Unmen-

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    ge Rmer, mit denen wir bei Ihrem Unterricht befat wurden. Wenn ichnicht irre, haben wir in der vorigen Stunde auch ber Caesar geredet..."

    Trinek, der seinen Schlern vieles durchgehen lie, um jeden Anscheineines Autorittsgebarens zu vermeiden, unterdrckte eine rgerliche

    Anwandlung. So lie er nur im Fahlgrau des Tages seine Brillenglserfunkeln, reckte dann seinen Bart vor und sagte: "Jawohl, von Caesar habenwir gesprochen, von Caesarrr...!" Etwas grimmig lie er den letztenBuchstaben ausrollen.

    Die Klasse sa still und wartete."Von Cesarrrr! ..." grollte er nochmals. Dann fuhr er fort: "He, Wulff,

    wiederholen Sie, was Sie ber Caesar wissen!"Der Aufgerufene lehnte sich sitzenbleibend zurck und antwortete: "Wir

    haben das in der vorigen Unterrichtsstunde Gesagte mit groem Interesse

    verfolgt und es bedauert, da dieser groe Rmer whrend der GlanzzeitRoms von Brutus so hinterhltig...""Halt! -" fiel ihm Trinek ins Wort, "wenn wir ber Caesar sprechen,

    dann fangen wir nicht bei seinem Ende an. Wir befassen uns mit demganzen Lebenslauf und seinem Wirken in der rmischen Geschichte. Um esgleich vorwegzunehmen: Caesar hat es selbst verschuldet, da er vonaufrechten Mnner umgebracht wurde, weil er kein Demokrat war!"

    Von irgendwoher kam ein Kichern. Trinek berhrte es.Heinz Rohde, ein schmchtiger und blasser Junge stand pltzlich auf

    und fragte: "Herr Studienrat, warum mssen die Nichtdemokraten sterben?-"

    Trinek starrte den Frager verblfft an. Dann sagte er abwehrend: "Ichhabe das nicht so ausgedrckt. Ich meinte nur, da er deshalb sterbenmute, weil er kein Demokrat war!"

    "Das kommt doch auf dasselbe heraus!" meldete sich wieder Wulff zuWort.

    Eine Lachsalve ging durch die Klasse. Unbeirrt setzte der Schler fort:"Wir haben es nicht nur gehrt, sondern in verschiedenen Bchern auchgelesen, da Caesar fr Rom groe Leistungen erbracht hat und da die

    rmische Geschichte nur aufgrund der Tchtigkeit groer Mnnergeschrieben werden konnte. Htte es solche Mnner nicht gegeben, wreRom ein kleines Dorf geblieben oder gar Beute Strkerer geworden!" Undsich vorbeugend, setzte er hinzu: "Das hat doch mit Demokratie nichts zutun!"

    Trineks Augen wurden schmal und sein Bart begann zu zittern. "Ichwnsche keine Fragen, die einem solchen faschistoiden Den-

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    ken entsprechen," brauste er auf. Sich wieder beruhigend, fuhr er fort: "Ihrhabt doch schon lngst gelernt, da die Demokratie die alleinige Staatsformist, die den Willen der Bevlkerung eines Landes verkrpert. DieseRegierungsform wurde bereits im Altertum geboren und in Griechenland

    und Rom durchgesetzt.""Beide Male waren es aber die Plebejer, die durch dieses System zurMacht kamen und dank ihrer mangelnden Bildung und fehlenden Wissensden Untergang der Reiche in die Wege leiteten," setzte Wulff hartnckigfort. "Unter Caesar war Rom eine Macht..."

    Jetzt schlug Trinek mit der Faust auf den Tisch. "Jetzt ist es genug! -Euch fehlt noch die Reife, um die Gefahren von Machtstaaten zu erkennen.

    Nur eine Mehrheit kann regieren und wenn es die Plebejer sind, dann musich jede Minderheit damit abfinden. Caesar war ja nichts anderes als ein

    schlimmer Despot, der am Hhepunkt seiner Macht stehend, diesemibrauchte. Er unterdrckte das Volk mit Hilfe seiner Legionen. Bis sicheben Mnner fanden, um diesen unertrglichen Zustand zu ndern!"

    "Also doch durch Mord!" piepste Rohde aus dem Hintergrund.Trinek verdrehte die Augen und versuchte es auf sanfte Art: "Lieber

    Rohde! - Man mu solche Dinge aus einem anderen Blickwinkelbetrachten. Es gibt eine Moral zum Widerstand, wenn ein autoritrer Druckzu stark wird. Jede Autoritt ist Zwang, weil dann nicht jeder alles tunkann, was er will."

    Jetzt meldete sich wieder Schnauzen-Charly zum Wort: "OhneRcksicht auf die Allgemeinheit? -"

    Der Lehrer stampfte nun mit dem Fu auf. "h - da sind ja nochGesetze da, die..."

    "Sind Gesetze nicht auch versteckte Autoritt" fragte Wulff scheinheiligdazwischen. Und ehe Trinek noch darauf erwidern konnte, setzteSchnauzen-Charly noch schnell hinzu: "Mir ist da noch etwas unklar, HerrStudienrat! - Wenn eine Autoritt in einer Gemeinschaftverabscheuungswrdig sein soll, dann wre doch eine betonteIchbezogenheit zum Begriff Freiheit letztlich auch eine Ich-Autoritt, durch

    welche eine Umgebungsgemeinschaft verabscheuungswrdig vergewaltigtwird. Einer kann demnach alles tun zum Nachteil der anderen. Sein Ich istso autoritr, da er die Forderung der Mehrheit in den Wind schlagen kann.Und ist das noch demokratisch? -"

    Jetzt merkte Trinek, da er in einer Sackgasse war. Seine noch nichtallzu langen Schlererfahrungen zeigten eine Wende. In den vergangenenJahren hatten die Schler fr den Geschichtsunterricht keine besondereTeilnahme gezeigt und gerade so viel

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    gelernt, um ber eine Zeugnisrunde zu kommen. Er konnte bisher denGeschichtsstoff nach eigenem Gutdnken gestalten und vortragen undseine Zuhrer hatten ihn nie mit Fragen belstigt. Nun wurde pltzlich allesanders. Auf der einen Seite war das aggressive Verhalten der Jugendlichen

    gestiegen und seine eigene progressive Einstellung wurde bertrumpft, aufder anderen Seite setzte ein neuer Denkproze ein. Dieses Denken wurzeltein einer Logik, ber die Trinek nicht gerade entzckt war, weil seineeigenen Vorstellungen Lcher bekamen.

    Die Schler starrten den Pdagogen an und sprten instinktiv, da erunsicher geworden war. Hier hakte Schnauzen-Charly sofort wieder einund fragte mit boshaften Unterton: "Gilt das Recht auf Widerstand nur frAnhnger der Demokratie? -"

    Jetzt wurde der Lehrer richtig bse. Er lief rot an und platzte heraus:

    "Eure Fragen gehen jetzt schon weit ber den Geschichtsunterricht hinaus.Ich lasse mich hier auf keinen politischen Dialog ein. Kehren wir alsowieder zu Caesar zurck. Zu Caesarrrr! ..."

    Die Klasse lachte."Was gibt es da zu lachen?" rief Trinek gereizt."Sie weichen der Frage Rohdes aus, Herr Studienrat!"Der Schler Osten war aufgesprungen und fuhr fort: "Sie selbst haben ja

    davon gesprochen, da Caesar sterben mute, weil er kein Demokrat war.Und Sie haben das zum Nutzen der Demokratie fr gut befunden und alsein geheiligtes Mittel und Notwehrrecht verteidigt. Und nun hat Rohde nurgefragt, ob dieses Recht nur fr das demokratische System gilt. Das ist kein

    politischer Dialog, sondern nur die Frage eines Mitschlers an seinenLehrer, weil er sein Wissen erweitern mchte!"

    "Osten, werden Sie nicht frech! - Ich habe schon erklrt, da allenichtdemokratischen Anschauungen faschistoid sind und daher gefhrlich.Jeder autoritre Zwang ist faschistoid und mu mit allen Mitteln bekmpftwerden. Und genau das haben Brutus und seine Freunde auch getan!"

    Jetzt meldete sich Graff, der seinen Platz neben Wulff hatte: "Nach IhrerAuslegung wre also der in den demokratischen Lndern geduldete

    Kommunismus auch faschistoid, Herr Studienrat!""Wir sind bei den Rmern und nicht bei den Kommunisten!" tobte

    Trinek jetzt noch mehr aufgebracht. "Die Kommunisten sind keineFaschisten, denn sie haben gegen den Faschismus gekmpft!"

    "Dann sind sie also Demokraten?" bohrte Graff weiter."Die Rmer haben..."

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    "Ich meine nicht die Rmer, Herr Studienrat, sondern dieKommunisten!" unterbrach Graff wieder.

    "Der Teufel soll euch alle holen," polterte der Lehrer. "Natrlich sinddie Kommunisten Demokraten, denn sie sind berall eine demokratische

    Partei wie andere auch!""Herr Studienrat, warum gibt es dann in den kommunistisch regiertenLndern nur als einzige eine kommunistische Partei? Und warum sind indiesen Lnder berall Zwangsarbeitslager?" Schnauzen-Charly gluckstedabei.

    Jetzt stand Trinek auf. "Schlu jetzt mit diesem Unfug! - ber solcheDinge knnen wir sprechen, wenn wir beim Abschnitt Neuzeit und demKapitel Ruland angelangt sind. Ich sage es jetzt zum letzten Mal, wir sindnoch in der Rmerzeit und dabei bleiben wir!"

    Nun war es Wuschelkopf-Babsy, die sich interessant machen wollte. Sienahm sich immer wieder ein Beispiel an Schnauzen-Charly, der sowunderbar vorlaut sein konnte. Bisweilen war sie dann ein raffiniertesBiest und so war es auch jetzt.

    "Herr Studienrat," fltete sie mit einem unschuldigen Augenaufschlag,"wenn wir mit dem Kapitel Caesar fertig sind, haben wir auch die ganzermische Geschichte bald hinter uns, nicht wahr? -"

    "Wie kommen Sie darauf?", fragte der Lehrer. "Da gibt es noch etlicheJahrhunderte!"

    "Ach nein", meinte Babsy, "nachdem der Dolch des edlen Brutus in dasschwarze Herz Caesars gefahren war..."

    "Aufhren! - Hren Sie endlich mit dem Unfug auf!", schrie Trinek."Das ist ja heute die reinste Mordstunde..."

    "... und in das schwarze Herz Caesars gefahren war," wiederholte dasMdchen ungerhrt, brach das Zeitalter der rettenden Demokratie an. Unddamit ging es doch wie schon bei den alten Griechen bergab und einemEnde zu. Da brauchen wir also nicht mehr viel lernen und knnen uns dannins Mittelalter begeben, Herr Studienrat!" Sie warf dem Lehrer einen guteingebten Schmachtblick zu und lchelte sphinxhaft.

    "Ich lasse mich doch nicht auf den Arm nehmen", zeterte Trinek. "Ichwei schon, wo Ihr hinauswollt! - Wenn es nach eurem Denken ginge,dann httet Ihr es lieber gesehen, wenn Caesar den Brutus gettet htte unddie Patrizier an der Herrschaft geblieben wren. Seit ich an dieser SchuleLehrer bin, habe ich frher noch nie eine so sonderbare Einstellunggegenber der Demokratie erlebt wie heute in dieser Stunde." Er fuhr sichverzweifelt mit beiden

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    Hnden in die Haare. "Was ist denn nur in diese Klasse gefahren? - Wassich hier abspielt, das ist ja eine reine Revolte!" Er stand auf und mitSteilfalten auf der Stirn sagte er: "Eine solche Entwicklung dulde ichnicht!" - Sein Bart begann wieder leicht zu zittern. "Ich dulde das nicht!"

    Bei seinem letzten Wort verkickste er sich.Diesmal war nur ein leichte Kichern hrbar. Schnauzen-Charly,bermtig geworden, wollte sich schon in der Rolle einesfangschugebenden Jgers sehen, wurde gerade noch von seinem Nachbarnzurckgehalten. "Fr heute reicht es, Charly! -"

    Trinek hatte diese Worte gehrt und kam raschen Schrittes zum TischSchnauzen-Charlys. Er baute sich in Positurstellung auf und japste:"Jawohl, fr heute reicht es! - Es reicht!"

    Wtend eilte er zur Klassentr und schmetterte sie nach dem

    Hinaustreten auf den Gang hinter sich zu.Die Klasse johlte."Den haben wir heute um seinen Schlaf gebracht!" rief Graff grinsend.Wulff, der sonst immer zu den mehr Besonnen zhlte, lachte lauthals.

    "Das kommt davon, wenn man in der Zwickmhle zwischen Lehrstoff undGewerkschaftsbildung kommt. Statt Geschichtsbcher weiter zu studieren,will uns diese Texaskarrikatur nach den Gewerkschaftsthemen ausrichtenund uns einseitig einfrben. Nun, heute hat er wohl gemerkt, da da diePferdchen nicht mitziehen!"

    Wuschelkopf-Babsy tanzte zwischen den Tischen herum. Sie hatteschon eine schne Sopranstimme und sang die Mainzer Karnevalsmelodie"Ja so ein Tag wie heute..."

    Gammelteddy war der einzige in der Klasse, der bisher von Trineksprogressiver Linie angetan war. Sein Vater war in einem Werk Betriebsratund ausgemachter Altmarxist. Und obwohl der Junge ausgiebig die

    politische Familienluft geatmet hatte, trat er zu Wulff, den er weitgehendgemieden hatte. Er gab ihm eine Klaps auf die Schulter und lachte etwasschief: "Das war heute Klasse! - Ich hatte den Trinek zwar gemocht, aberheute habe ich einiges mitgekriegt, was ich vorher nicht recht verstanden

    habe. Mein Alter daheim redet immer von der Solidaritt. Er kann das aufseine Art halten, ich bin jedenfalls mit euch solidarisch!"

    "Das soll mir recht sein." gab Wulff zurck. "Das kannst Du aber auchuerlich zeigen, indem du dir deine Weibermhne etwas krzer machenlt!"

    "Macht euch das etwas aus?" Gammelteddy blinzelte."Willst du unbedingt den Trinek nachahmen? -" Wulff zeigte sich

    gutmtig.

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    "Ich will es berdenken. Jedenfalls habe ich in diesem Monat keineMoneten mehr, um zum Pudelscherer zu gehen..."

    "Ich gebe Dir die Mpse," meinte Wulff.Gammelteddy bekam groe Augen. "Bisher hat mir noch keiner von

    euch etwas angeboten. Das wirft mich ja geradezu vom Stuhl! -""Das lag nur an Dir! -" Wulff lachte leise. "Du mut doch merken, daDein Gehabe mit Diskotheken, Popkrawallen, Camel-Tschicks undRussenwodka bei uns nicht ankommt. Zwischen einem Weiterkommen undVerkommen ist doch ein Unterschied! - Oder nicht? -"

    "Du hast leicht lachen," murmelte Teddy zu Boden starrend. "Du unddie anderen alle, Ihr habt eure Freundschaften und seid eineKlassenfamilie, Ihr habt ein schnes Zuhause mit einer Aussprache, allesDinge, die mir fehlen."

    Wulff sah seinen Klassenkameraden berrascht an. "Was ist denn beidir anders?""Anders, anders," ffte Gammelteddy. Sein Gesicht bekam einen

    verbitterten Zug. "Seit Jahren bin ich mit der Klasse beisammen, aberimmer bekomme ich es zu spren, da man mich nicht in eurenFreundschaftsgruppen haben will. Ich bin fr euch ein Gammler, der immer

    beiseite stehen mu. Aber keiner von euch hat mich je gefragt, warum ichso bin. - -"

    "Oh Mensch, du machst mich verlegen," sagte Wulff. Er wurde leichtrot dabei. "Eigentlich hat keiner etwas gegen dich. Aber dein Gehabe unddie von dir bevorzugte Umgebung entsprechen nicht unsererLebensgewohnheit. Versuche es doch einmal, dich an uns anzupassen."

    "Ihr habt leicht reden...," maulte Gammelteddy. "An schulfreien Nachmittagen sitze ich immer allein daheim, weil meine Mutter arbeitengeht. Am Abend hat sie mit der Hauswirtschaft zu tun und mein Vater istabends oft weg bei der Partei. Ich habe keine Aussprache und keineLernhilfe. Ich bffle alles allein. Und wenn ich mit dem Schulkram fertig

    bin, dann verziehe ich mich in die Diskothek, wo es etwas Bummstrara gibtund man die de vergessen kann. Natrlich sind dort nicht viele feine

    Knaben, die meisten haben irgend einen Defekt, der auch nicht vonungefhr kommt. Niemand fragt nach meinen Verhltnissen und ich frageauch nicht. So einfach ist das, nicht wahr? - -" Und mit etwas Trotz in derStimme setzte er hinzu: "Man kann dort mit Mdchen herumhopsen, dieaus gleichen Verhltnissen kommen und so zwischendurch wird ber einenAufstand gegen das Establishment geredet. Verstehst du das? - -"

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    "So habe ich das Ganze noch gar nicht gesehen," bekannte Wulff betreten. "Ich habe eigentlich immer nur geglaubt, es kommt auf dieZeitung an, die man liest. Aber Mensch, du hast ja Probleme!"

    Gammelteddy wandte sich ab.

    "Warte doch!" hielt ihn Wulff zurck. "Ich gebe dir nach demUnterricht das Pinkepinke fr den Haarabsbler und wenn du etwasmanierlicher aussiehst, kommst du am nchsten schulfreien Nachmittag zumir. Einverstanden? -"

    "Was soll ich bei dir? -" fragte Teddy, der den nicht gerade seltenenFamiliennamen Meier fhrte.

    "Wir werden ber deine Probleme reden! - Wir knnen auch bisweilenzusammen bffeln, wenn eine Schularbeit herankommt. In der Diskothekhilft dir ja doch keiner!"

    "Ich will es mir noch berlegen," meinte Meier zurckhaltend. "Meinstdu es berhaupt ehrlich?" Er sah Wulff von der Seite her etwas mitrauischan.

    "Wenn ich etwas sage, dann meine ich es auch so!", gab Wulffschnippisch zurck.

    "Schon gut," meinte Meier besnftigend. "Und wegen des Geldes - ichkriege die Piepen schon von daheim, la es nur. - Jedenfalls Dank fr dasAngebot! -"

    Da ging wieder die Tr auf. Der Direktor der Schule kam mit demLehrer Trinek herein.

    Sofort flitzten die Schler zu ihren Pltzen. Direktor Faust war noch einPdagoge vom alten Schlag und trotz seiner Strenge beliebt. Die Schlerhatten ein feines Gespr fr die Bewertung ihrer Erzieher. Whrend derDirektor sich nach allen Seiten umsehend zum Lehrertisch begab, gefolgtvon Trinek mit einem verkniffenen Gesicht, stand die Klasse wieSchildwachen.

    "Setzen!" Die Stimme des Direktors war ernst und ruhig. Er selbst setztesich auf den Lehrerstuhl, whrend Trinek sich neben ihn aufbaute.

    Schweigen.

    "Lieber Studienrat," wandte sich der Direktor an den neben ihmstehenden Pdagogen, "was war also in dieser Klasse los? -"

    "Petze!" kam es halblaut aus der Klassenmitte.Trinek zuckte zusammen, whrend der Direktor fragte: "Wer war das? -

    ""Ich!". Schnauzen-Charly stand ruhig auf. "Herr Direktor, es ist mir so

    herausgerutscht.""So, so. - Hten Sie Ihre Zunge! - Ein zweites Mal lasse ich so etwas

    nicht durchgehen."

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    "Sehen Sie, Herr Direktor, das war nur eine kleine Kostprobe von dieserKlasse! - Diese jungen Leute..." Trinek war beinahe hysterisch.

    "Langsam." wehrte der Direktor ab. "Also was war los? -""Wir haben in der heutigen Geschichtsstunde die rmische Geschichte

    zur Zeit Caesar behandelt...""Wieso," stutzte Direktor Faust. "Das ist doch gar nicht auf demLehrplan! - Wie kommen Sie denn dazu? -" Er sah Trinek verdutzt an."Dieses Thema liegt doch schon viel frher zurck. Das ist die vorletzteKlasse vor dem Abitur!"

    Der Angeredete lief rot an. "h - das wei ich. - Aber ich habe diesesZeitthema auf allgemeinen Wunsch..."

    "Das stimmt nicht!" Graff war aufgesprungen."Ruhe!" sagte der Direktor scharf. "Weiter, Herr Studienrat!"

    "Also, hmhm, ich habe den zurckliegenden Stoff der frheren Jahreeiner kurzen Wiederholung unterzogen, um die Klasse fr das kommendePrfungsjahr schon vorzubereiten."

    "Wollen Sie damit sagen, da Sie den vorgeschriebenen Lehrplanstoffschon durchgezogen haben? -"

    "Nein, noch nicht ganz. Aber zeitmig haben wir keineSchwierigkeiten."

    "Na, schn! - Also was war weiter? -""Wir behandelten Caesars Leben bis zu seinem Tod, und an diesem Tod

    hat sich die Klasse rebellierend festgebissen und politische Anwandlungengezeigt, die fr die ganze Schule gefhrlich sind!"

    "Wieso? -" Das Gesicht des Direktors war ein groes Fragezeichen."Die ganze Klasse hat aus der bisherigen Geschichte keine Folgerungen

    gezogen! - Sie bringt politische Anschauungen in die Unterrichtsstunde, dieich nicht dulden kann!" Trinek reckte das Kinn vor und seine Augenfunkelten.

    "Werden Sie deutlicher," forderte ihn der Direktor auf."Im Interesse der Klasse will ich das nicht tun!" wich der Lehrer aus."Hm," machte der Direktor. "Wulff, sind Sie noch der

    Klassensprecher?""Jawohl, Herr Direktor!""Was fr Ansichten vertritt diese Klasse als Folgerung aus dem

    Geschichtsunterricht? - Wo ist die Ursache des rgers? -""Herr Direktor, Herr Studienrat Trinek beschuldigt die Klasse,

    faschistoide Ansichten zu vertreten, weil wir alle Caesar als einen groenRmer bezeichnet haben!"

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    Faust sah den Lehrer an. "Wie ist das zu verstehen? -""Die Klasse vertritt einhellig die Meinung, das das rmische Imperium

    als Machtstaat zur Glanzzeit der Antike zhlt. Dann wurde sogar noch dieAnsicht laut, da der Beginn der demokratischen Herrschaft zugleich der

    Anfang vom Ende des rmischen Reiches gewesen sei. Dieser Mangel anDemokratieverstndnis ist erschtternd!"Der Direktor wiegte bedchtig den Kopf. "Vielleicht liegt das daran, da

    in der Staatsbrgerkunde das Wesen der Demokratie nicht ausreichenderlutert wurde." Er sah zuerst die Schler und dann den Lehrer an. "HerrStudienrat, es gehrt natrlich zu Ihren Pflichten, immer im richtigen Sinneerzieherisch zu wirken. Wir sind hier eine humanistische hhere Schule ineinem Staat mit demokratischer Meinungsfreiheit. Wenn nach IhremErmessen Anla besteht, Ansichtsirrtmer zu berichtigen, dann knnen Sie

    das doch jederzeit sachlich tun!""Herr Direktor, der Herr Studienrat hat uns faschistoid genannt! - Darfer das? -", rief Osten von seinem Platz her.

    Trinek warf einen giftigen Blick in die Klasse.Das Gesicht des Direktors drckte Peinlichkeit aus. Er sah den Lehrer

    etwas hilflos an, dann sagte er: "Wie haben Sie das gemeint? -""Ich habe nur antidemokratische uerungen als faschistoid bezeichnet!

    - Das mssen doch die Schler begreifen.""Wulff, hat das die Klasse wirklich getan? -" Der Direktor sah den

    Klassensprecher antwortheischend an.Der Angesprochene stand auf. "Wir haben nichts anderes getan, als die

    freie Meinung vertreten, da Caesar ein groer Mann war. Der HerrStudienrat war nicht der gleichen Ansicht. Deshalb hat er uns alsfaschistoid bezeichnet. Wir wissen gar nicht, was man unter faschistoidversteht, aber dem Grundton nach ist es etwas sehr abtrgliches. In einemhumanistischen Bildungsinstitut sollte doch der Lehrkrper zur Gnzesachlich mit den Schlern arbeiten. -"

    Jetzt war es wieder Schnauzen-Charly, der sein Mundwerk nicht haltenkonnte: "Das Wort faschistoid hat der Herr Studienrat sicherlich aus der

    Gewerkschaftszeitung, die oft aus seiner Rocktasche herausguckt!" Erstand auf und setzte noch hinzu: "Wir wissen ja, Herr Direktor, dasStudienrat Trinek der Gewerkschaftsvertreter in der Schule ist. Und dieKlasse hat den Eindruck, da der Herr Studienrat mehr nach denRichtlinien der Gewerkschaft als nach dem Lehrplan vorgeht!"

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    "Ich verbitte mir solche Unterstellungen," schrie Trinek aufgebracht."Herr Direktor!" setzte Wulff, der noch immer stand, fort, "was unser

    Mitschler Charly Weil soeben gesagt hat, entspricht durchaus demEindruck, den die ganze Klasse hat. Bei jedem anderen Fachprofessor ist es

    der Klasse vllig gleichgltig welche Zeitung aus einer Rocktaschehervorsieht. Aber ausgerechnet im Geschichtsfach merken wir es schonlange, da keine deutsche Geschichte vorgetragen wird, sondern

    persnliche Ansichten des Herrn Studienrates und auf die neuere Zeit bezogen offensichtliche Manipulationen einer aus dem Auslandkommenden Propaganda. Nun haben wir in den vergangenen Jahren etlicheProfessoren fr Geschichte gehabt und die Herren waren alle sehrvorsichtig mit dem Stoff, weil sie sprten, da die lteren Bcher in denBibliotheken unserer Eltern alles anders darstellen als die jetzt

    geschriebenen. Was wir jetzt lernen sollen, ist eine einseitig ideologischeGeschichtsverfrbung und fr dieses Jahrhundert Propagandaware alsGeschichtsgut. Und bei Herrn Studienrat Trinek merken wir es deutlich,da er alles mit hintergrndiger Gefhlswallung betreibt. Wir wollen aberin der Schule keine Politik, sondern etwas lernen. Wir wollen nur einegeschichtliche Wahrheit, ganz gleich, ob uns diese zur Ehre gereicht odernicht. Wir erheben Anspruch auf Wahrheit! - Unsere persnlicheEinstellung zu geschichtlichen Einzelheiten bilden wir uns selbst und dieFolgerungen, die wir aus einem wirklichen Geschichtswissen ziehen,

    bleiben nach der Schule uns berlassen.""Diese Tonart," schnaufte Trinek. "Unerhrt! ..."Der Direktor berhrte den Einwurf und sah Wulff scharf an. "Das sind

    schwere Anschuldigungen, die Sie gegen Ihren Lehrer erheben! - Wir sindin einem demokratischen Staat mit einer Lehr- und Lernfreiheit und bisherhabe ich noch keine Klagen ber Mibruche gehrt. Wie kann man sichberhaupt an der Rmerzeit so erhitzen? -"

    "Herr Direktor," fuhr Wulff hflich fort, "Wir werden bei allenmglichen Anlssen mit Nazismus oder Faschismus konfrontiert, ohne daes zu den Lehrplnen pat. Wir Schler wollen lernen und uns nicht um

    eine Vergangenheitspolitik als Daseinszweck kmmern. Auer einemallgemeinen, guten Geschichtswissen haben wir mit der Gegenwart genugvor uns. Wenn der Herr Studienrat uns Geschichte lehren will, wie er sie

    persnlich sieht und uns als faschistoid bezeichnet, wenn wir seinenAnsichten nicht ganz folgen, dann mu ich im Namen der ganzen Klasseeinen sol-

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    chen Vorwurf zurckweisen. Nicht wir Schler sind es, die eine jngsteVergangenheit lebendig machen wollen. Dazu mu einmal ganz eindeutiggesagt werden, wir haben den Eindruck, die schon zum berdru zitierteVergangenheitsbewltigung besteht darin, da die an der Gegenwart

    Gescheiterten, alles Vergangene dafr verantwortlich dafr machen wollen,was ihnen in der Gegenwart nicht glckt. Und das Merkwrdigste in derGegenwart ist das unentwegte Bemhen der Jetzigen, auch Hitler und seinReich nicht sterben zu lassen, obwohl beide schon lngst vergangen sind.Sie reden dauernd ber Hitler, bis er eines Tages seinen Schatten ber dieGegenwart wirft. - Frher hat man die Toten, die guten und die schlechten,mehr oder weniger ruhen lassen und sich immer nur mit den Problemen derGegenwart und der Zukunft befat. Wenn aber einer von uns Jungen dastglich zitierte Phnomen Hitler und seiner Partei zu untersuchen beginnt,

    sei es mit Hilfe alter Literatur oder durch Befragungen in sachlicher Weise,erhebt sich sofort ein Geschrei und eine Untersuchung beginnt, ob da nichtetwa eine gefhrliche Reaktion entsteht. Und wenn wir schon immerwieder die Zeit Hitlers um die Ohren geschlagen bekommen, dann soll mansich damit begngen, uns den Geschichtsstoff von damals in sachlicher undnicht in propagandistischer Weise vorzutragen und wenn dieses Thema

    beendet ist, dann soll es auch beendet bleiben! - Ich mu es wiederholen,da wir keine Propaganda hren wollen, die im Ausland fabriziert wurde,sondern Geschichte lernen. Eine sachliche Geschichte stellt doch in keinerWeise eine Gefahr dar, da Vergangenes bekanntlich nicht wiederkommt.Wozu also das Gezeter um Hitler? - Lat uns Schler mit denVergangenheitsschmerzen und den Alptrumen der politischen Phariser inRuhe! - Warum drckt sich mancher Lehrer auf seine eigene Art um dieDinge herum, belgt uns und sich selbst nur aus einem Hamotiv herausoder auch aus Feigheit vor der jeweils herrschendenMeinungsmanipulation? - Wir bekommen auch alle Tage, gar nicht zumUnterricht passend, die Demokratie als Vorbild vorgesetzt und gleichzeitigvermissen wir hier eine Lehr- und Lernfreiheit. Wir werden in der Schulevon gewissen Lehrpersonen, aber auch oben her, verpolitisiert. Wer nicht

    im Gleichschritt mitzieht, wird sofort als faschistoid bezeichnet. WirSchler haben kein demokratisches Recht, einen sachlichen Unterricht zuverlangen oder ein Aussetzen jeglicher politischer Beeinflussung. Unsere

    praktischen Erfahrungen stimmen nicht mit den Theorien berein, die unsandauernd gepredigt werden. - Wenn wir dann Aufklrung verlan-

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    "Das ist keine schlechte Idee," rief Wulff. Die herumstehenden Schlernickten beifllig dazu.

    Wuschelkopf-Babsy baute sich wichtigtuend vor Wulff auf und puffteden neben ihr stehenden Schler Zeller. "He Zellermnnlein, Ihr habt doch

    die schne Kaffeekonditorei mit dem groen Nebenzimmer. Wir warendoch oft genug bei euch und haben den Geschftsumsatz krftig durchTortenschlecken angehoben. Wie wre es, wenn Ihr uns an einem Abend inder Woche diesen schnen Nebenraum zur Verfgung stellen wrdet? -Was meinst du, Zellermnnchen? -"

    "Sehr richtig! Eine gute Idee," bekrftigte Schnauzen-Charly denVorschlag. Gleichzeitig nahm er diesen Anla, um dem Mdchen um denHals zu fallen. "Babsy, du bist eine kluge Biene!"

    Zeller nickte nur. "Warum nicht? - Von mir aus sind keine Bedenken.

    Ich mu nur meine Eltern fragen, welcher Abend am gnstigsten fr dieFreigabe des Raumes ist. Zum Wochenende drfte es kaum gehen, weil wirda die meisten Gste haben. Freitag ist auch ein guter Tag, aber diesenknnte ich fr uns durchboxen."

    "Ausgezeichnet," meinte Graff. "Frage gleich heute in deinemErzeugungsbetrieb an, der dich zum Menschen gemacht hat und sage unsmorgen Bescheid. Und sorge dann auch gleich dafr, da gengendCremeschnitten zum Verzehr und zur Frderung des Nachdenkensvorhanden sind! - Man soll die Eisen schmieden, so lange sie noch heisind."

    Ringsum kam Beifall auf.Wulff rief Meier zu sich. "Du kommst doch auch? - Ich lade dich ein

    und es wird dir nicht schlechter gefallen als in deiner verruchertenDiskothek. Da gibt es bei den Zellers einen guten Brasil-Kaffee oder wasdu sonst vorziehst. Und von dem amerikanischen Phosphorgebru mitRumschu wirst du bewahrt..."

    Gammelteddy sah Wulff von der Seite her an. "Wenn die ganze Klassehingeht, komme ich natrlich auch! - Wei du, eigentlich hat mir deinSprchlein von vorher ganz gut gefallen. Es pat zu dem, was ich bisweilen

    auch zu denken beginne.""Pause!" schrie Charly. Er deutete mit dem Zeigefinger auf seine

    Armbanduhr. "Wollen sehen, was die nchste Stunde bringt! ..."- - - - - - - - -

    Die Schler hatten in der Klasse ihre Arbeitshefte geordnet, um fr dienchste Unterrichtsstunde bereit zu sein. Sie waren noch alle inHochstimmung, als vom Gang starker Lrm hrbar wurde. Rohde, derseinen Platz neben der Klassentre hatte, stand auf,

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    ffnete die Tr und sah hinaus. Durch den nun offenen Eingang drang einlauter Tumult herein.

    "Da ist etwas los!" schrie Rohde. Sofort drngten einige Schlerneugierig nach und blockierten den Eingang.

    "Was gibt es?" fragte Wulff aus dem Hintergrund lautstark. Durch denWirbel am Gang wurde die Stimme von Professor Kroll vernehmlich, derden Lrm berschrie: "Gehen Sie sofort in die Klassenrume zurck! -Rumen Sie den Gang! -"

    Die Schler taten als hrten sie nichts. Rohde rief in seine Klassezurck: "Der Professor Kroll und zwei Schler der Sechsten fhren einender drei Gammler ab. Ich glaube, es ist der Witter! - Der hat schon mehrereMale fr einen Wirbel gesorgt. Jetzt kann er kaum gehen. Ich vermute, esist ihm schlecht geworden! -"

    Die Gruppe mit dem Professor kam jetzt bei der Siebenten vorbei."Gehen sie in Ihre Klasse!" herrschte Kroll die Schler im Trrahmenan. Als Rohde noch zgerte, trat der Professor zur Tre, drngte dieSchler in den Raum zurck und knallte sie so heftig zu, da der Rahmenzitterte.

    "Wieder einmal Krach in der Sechsten!" rief Graff. "Da hat es schonmehrmals wegen der drei Gammler Rabatz gegeben. Diese haarigen Typenwaren schon einige Male am Morgen verkatert zum Unterricht gekommen.Wozu diese berhaupt eine humanistische Bildung anstreben, wei keinMensch! -"

    Meier hob die Hand und rief: "Ich glaube, ich wei, was mit dem Witterlos ist! - In der Sechsten raunen sie, da er mit den anderen beidenKumpels hascht. Sie bekommen den Stoff in der Diskothek."

    "Huch! -" kreischte Wuschelkopf-Babsy. Theatralisch schlug sie dieHnde vor ihr Gesicht.

    Der Lrm am Gang dauerte an. Rohde wagte es wieder, die Tr einenSpalt breit zu ffnen und lugte hinaus. Geschrei drang herein.

    "In der Sechsten gibt es eine Keilerei." zeterte Rohde aufgeregt. "EinigeKlassenmpse stehen am Gang und schauen zu, was in ihrer Klasse

    geschieht."Graff flitzte zu Rohde. "Wartet," rief er in das Zimmer zurck, "ich gehe

    erkunden!" Er drngte Rohde zur Seite und trat auf den Gang hinaus. Aberehe er noch einen Schler der Sechsten fragen konnte, trat einer von ihnenGraff entgegen und sagte: "Der Witter von uns drfte gehascht haben. Die

    beiden anderen GvD in unserer Klasse sind auch etwas angekratzt. Jetztkriegen

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    sie Keile, weil wir ihretwegen wieder unntigerweise Klamauk haben!"Graff klotzte ihn an: "Was heit GvD? - -""Ach so," meinte der Klassennachbar, "die GvD's sind unsere Gammler

    vom Dienst! - Lange machen es diese Typen ohnedies nicht mehr. Die

    bleiben immer mehr und mehr bei den Prfungen und Schularbeitenhngen. Und wir haben zunehmend rger mit diesen nachgemachtenMenschen. - Jetzt kriegen sie Klassenprgel!"

    "Und Ihr da herauen haltet Euch fern? -""Ach wo," erklrte der Gefragte, "Wir haben nur etwas Platz gemacht,

    um sie besser schubsen zu knnen. So von einer Ecke in die andere! - HrstDu sie winseln? -"

    Einer der Nachbarschler, der beim Stiegenaufgang auf Lauerpostenstand, kam pltzlich zurckgerannt: "Husch - husch - zurck, die Profaxe

    kommen -""Aha," rief Rohde in die Klasse hinein, "da ist unser Deutsch-Profaxauch dabei. - Alaaaarm! - Der Germane kommt! -"

    Blitzartig hatte sich der Gang geleert. Graff fand gerade noch Zeit, mitwenigen Worten ber die Sechste zu berichten, als auch schon die Treaufging und der Deutschlehrer, Professor Hhne hereinkam.

    Die Klasse war zur Begrung aufgestanden. Hhne war noch einer derimmer weniger Erzieher der alten Schule und wegen seiner ruhigen undgeduldigen Art beliebt. Fr die Schler war er ein genaues Gegenstck zuTrinek. Er war immer ordentlich gekleidet, zeigte immer ein reines undfrisches Hemd und nahm den Lehrstoff grndlich mit viel Sorgfalt durch.Die Schler respektierten ihn. Er hatte Germanistik studiert, was ihm denSpitznamen "Germane" eintrug. Er legte Wert auf einen ordentlichenSatzbau der Sprache und auf die Beherrschung der Grammatik. Er rgte dieVerwendung von Fremdwrtern, die auerhalb wissenschaftlicherGesprche meist nur eine Halbbildung verschleiern. Er geielte scharf dieSprachverachtung der Muttersprache, weil gerade diese in der Flle desWortschatzes und der Ausdrucksmglichkeiten vielen anderen, vor allemauch der englischen, weit berlegen wre. So nebenbei lie er auch die

    Erklrung fallen, da beispielsweise das Wort "vlkisch" fr andereSprachen unbersetzbar sei und im Englischen beiUmschreibungsversuchen einen vllig anderen Sinn ergibt. Er wies denSchlern nach, da es in anderen Sprachen fr bestimmte Hinweise auchdeutsche Lehnwrter gbe, weil diese an einer

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    deutlichen Aussage am zielfhrendsten seien. In Ostasien findet manbeispielsweise das Wort "Kindergarten". Er machte auch kein Hehl daraus,da er im Rahmen des Lehrplanes die Klassiker vorziehe, weil diese nochimmer fr eine gepflegte Sprache ein Vorbild bten. Seine freie und offene

    Art hatte auf die Schler einen groen Eindruck gemacht und diesebemhten sich redlich, auf seine Linie einzugehen.Hhne nahm jetzt den Platz ein, den Trinek vor kurzem unrhmlich

    verlassen hatte. Er sah die vor ihm Sitzenden an und fragte nachBeendigung seiner Musterung. "Da hat es doch in der Nebenklasse einenWirbel gegeben! - Man hat den Lrm bis in den unteren Stock gehrt. Washat Euch denn der Buschtelegraph zugetragen?"

    Den Schlern gefiel es, da der Professor burschikos auf ihrePennlersprache einging. Wuschelkopf-Babsy machte sich wichtig und rief

    von ihrem Platz nach vor: "Der Witter von nebenan soll gehascht haben! -""Das wei ich bereits," sagte Hhne. "Aber der Wirbel ist ja nochweitergegangen! - Im brigen - in wenigen Minuten wird die Rettung dasein und den Burschen abholen!" Wie zur Besttigung seiner Worte hrteman jetzt die Ambulanzsirene zunehmend nherkommen, dann hrte dasTuten auf. Der Wagen war vor der Schule zum Stillstand gekommen.

    "Nun also, der Wagen ist bereits da! -", ergnzte der Professor seineWorte. "Wenn das stimmt, da der Witter schtig geworden ist und hascht -wie man das heute so unschn fr die Rauschgiftschtigkeit sagt -, dannwird er wohl nicht mehr lange in unserer Schule sein. Sofern sich nicht diehhere Schulbehrde dagegenstellt, drfte ihn der Direktor der Schuleverweisen." Er runzelte die Stirn und fgte noch leiser werdend hinzu:"Aber bei den hheren Schulbehrden ist es wie bei der oft irregehendenJustiz. Die liegen oft sehr schwerlastig." Er brach ab und bi sich auf dieLippen, als habe er zu viel gesagt.

    Die Klasse hatte ihn gut verstanden. Schnauzen-Charly rief vorlaut wieimmer: "Die Programmierer von Oben machen diesen Haschtypen

    bestimmt die Mauer. Das sind ja lauter Leute vom Schlage des HerrnStudienrates Trinek!"

    "Migen Sie Ihre Worte!" rgte Hhne den Schler. "Ich darf solcheBemerkungen nicht zulassen. Wie kommen Sie brigens auf meinenKollegen Trinek? -"

    "Wir haben in der vorhergegangenen Stunde eine Auseinandersetzungmit ihm gehabt," erwiderte Schnauzen-Charly. "Der

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    Herr Studienrat ist dann zum Herrn Direktor gelaufen und mit ihmzurckgekommen. Er hat unsere Klasse als faschistoid verpetzt!"

    Professor Hhne machte groe Augen. "Wie kam es dazu? -", fragte er.Schnauzen-Charly legte jetzt richtig los. Seine Schilderungen ber den

    Vorfall um Csar und ber die kritische Einstellung Trineks zurKlassenmeinung war ein Feuerwerk aus dem Pennlerwortschatz. Er schlodann mit den Worten: "Aber unser Sprecher Wulff hat dem Herrn Direktordie Sachlage klargemacht und dieser hat uns eine gerechte Prfungzugesagt!"

    "So - hat er das? -" Der Professor zeigte sich berrascht."Erwarten Sie nicht von mir, da ich mich so ohne weiteres gegen einen

    Kollegen stelle. Aber es interessiert mich zu erfahren, wie das Thema"Csar" in den Lehrplan der Klasse kommt?"

    "Der Herr Studienrat Trinek hlt sich an keinen Lehrplan," meldete sichGraff dazwischen. "Er meint, wir mssen den ganzen Geschichtsstoff inkurzen Zgen wiederholen um bei den Abschluprfungen besservorbereitet zu sein. Er verwechselt aber Geschichte immer mit Politologieund versucht dauernd uns eine Denkschablone seiner Meinung zuverpassen."

    Hhne winkte wieder ab. "Lassen wir das Thema jetzt. - Ich darf danicht mittun. Darber soll der Direktor befinden. -"

    "Sofern die hhere Schulbehrde den Herrn Direktor in SachenRauschgift und Gewerkschaftsvertretern in Schulen nicht an die Kettenlegt!" rief Osten frech von seinem Platz her. "Man tut doch von Oben heralles, um die aus den Familien kommenden geistigen und seelischenGrundverfassungen zu verndern und aus dem homo sapiens Ameisen zumachen. Man macht uns weis, da diese Dinge eine demokratischeEmanzipation seien. Diese Dinge kommen so von der Seite her in denGeschichtsunterricht hinein, in der Staatsbrgerkunde, und bei sonstigennur halbwegs passenden und auch unpassenden Gelegenheiten. Und dabeizeigt sich eine nicht einmal breitgefcherte Einseitigkeit der modernenDemokratie mit vorzugsweise marxistischen Thesen. Wenn wir anhand der

    in der Schule vorgenommenen Dauerberieselung durch berzeugte odergefgige Manipulatoren, durch eigenes Denken die Entwicklung derTheorien zur Praxis prfen, dann luft das Ganze auf eine Diktatur derAnonymen hinaus, weil man die eigentlichen Initiatoren in diesem Systemnicht angreifen kann. Die bestehenden Gesetze begnstigen immer nur eineRichtung, andere Richtungen und Denkarten werden in jeder Weise

    benachteiligt, die Wahlgesetze mit eingeschlossen. Und was hier in derKlasse vor einer Stunde... -"

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    Hhne schlug jetzt mit der flachen Hand auf den Tisch. "Schlu jetzt! -Wir haben hier keine politische Versammlung, sondern in dieser StundeDeutschunterricht. Sie werden in der Klasse bemerkt haben, da ich bei dervon oben gewnschten Politbildung nicht mitziehe und mich neutral

    verhalte. Aber ich darf die Meinung der Klasse in diesem Zimmer nicht zumeiner eigenen machen, wenn ich nicht eine Versetzung in einen anderenOrt riskieren will! -"

    "Herr Professor," meldete sich jetzt der sonst immer ruhige Wulff, "wirSchler verstehen ihre Einstellung vollkommen und respektieren sie.Erlauben Sie mir aber darauf hinweisen zu drfen, da Ihr Vorgnger, derHerr Professor Reiter aus dem neuen Pdagogennachwuchs, denDeutschunterricht genau so wie der Herr Studienrat Trinek, vllig nacheigenem Ermessen durchgezogen hat. Er hat ja ohne den Lehrplan zu

    bercksichtigen, die Klassiker aus den Deutschstunden verbannt und unsSchler dauernd mit politisch akzentuierten Typen gefttert, wie BertBrecht, Tucholsky, Grass und den modernen Kishon. Wir Schler tun dochnichts anderes, als uns mit unserer Meinung zu stellen! -"

    Professor Hhne sah den Klassensprecher nachdenklich an. "Ihr habt alsSchler eine bemerkenswerte Civilcourage," sagte er dann langsam. "Aberwas sich Professor Reiter erlaubt hat, darf ich noch lange nicht. Er wirdschon gewut haben, warum er das tat. Ich kann meinen Schulplatz nurdurch Leistung behalten. Und ich werde es auch in Zukunft so halten. Mitmeinen Deutschstunden habt Ihr ja bisher noch keine Probleme gehabt -oder? - -" In diesem Augenblick ging wieder ein Sirenengeheul los, dasdann rasch in der Lautstrke abnahm.

    Hhne lenkte jetzt aufatmend ab: "Aha, jetzt ist die Ambulanzabgefahren. - Da denke ich gerade daran, da das Rauschgiftthema gar keinbler Stoff fr eine Schularbeit wre! - Sie wissen doch schon einigesdarber, oder nicht? -"

    Wulff, der noch immer stand, zeigte Unsicherheit. "Hier in der Schulehat man uns keine Aufklrung gegeben. Wir sind nur von unseren Elterngewarnt worden. Von diesen wissen wir auch, da es strenge Gesetze

    gegen das Rauschgift gibt, da aber die Behrden wenig dagegen tun. WirSchler wissen es ja, da es in den Diskotheken, an bestimmtenStraenecken, und zum Teil sogar frecherweise vor den SchulenDrogenverkufer gibt, die ungehindert ihr Unwesen treiben knnen. Undwenn wirklich einmal ein ganz frecher Ganove geschnappt wird, dann gibtes in den Massenmedien nur unntzes Geschrei und die Dinge gehenweiter.

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    Mein Vater hat beispielsweise erfahren, da Gammlertypen in derWiener Opernpassage offen Unterschriftlisten fr eine Freigabe vonSuchtgift auflegen und ihre Werbesprche aufsagen durften. Als sich dasemprte Publikum an einen in der Nhe stehenden Polizisten wandte und

    ein Einschreiten forderten, erklrte der Gesetzeshter verlegen, da ernichts tun knne. Diese Aktion sei nach demokratischem Recht bei derPolizeidirektion angemeldet und genehmigt worden. Die Juristen meintendazu, da dies blo eine Demonstration fr die Aufhebung eines Verbotessei. Die Nutzanwendung einer solchen Auslegung bedeutet, da im Falleeiner sich findenden Mehrheit fr eine Suchtgiftfreigabe, wir alle, also dasganze Volk, demokratisch verrecken drfen." Und erbittert setzte er nochhinzu: "Und wer sich wehrt, wird dann sofort als faschistoid verteufelt. Wielange soll das so weitergehen? -"

    Der Professor machte ein ernstes Gesicht. "Ich habe schon gesagt, daich mir in der Schule keine politische Meinung erlauben darf. Wenn sichnicht alle Lehrpersonen daran halten, dann tun sie es im Bewutsein, einehhere Rckendeckung zu haben. Und fr eine Rauschgiftaufklrung binich im Rahmen meines Unterrichtsfaches nicht zustndig. Dazu kommtnoch, da hinter dem Rauschgiftproblem ein tiefgreifender politischerHintergrund besteht. Wenn man das Vordergrndige behandelt, mu manauch die Hintergrnde mit heranziehen!"

    "Das hat mein Vater auch schon angedeutet," rief Wulff.Er holte tief Atem, dann platzte er heraus: "Wie wre es, Herr Professor,

    wenn Sie uns auerhalb der Schule eine private Aufklrungsstundeschenken wrden? - Unsere Klasse hat jetzt wchentlich an einem Abendein Treffen und da liee sich ein kleiner Vortrag gut verbinden! -"

    Hhne sah die Schler berrascht an. "Weshalb macht Ihr denn solcheTreffen? -"

    "Ganz einfach," gab Wulff ungerhrt zurck, "man predigt uns dauernddas Wort "Dialog" und darum sind wir zu dem Entschlu gekommen, auchals Klassengemeinschaft unter uns Dialoge zu fhren und uns mit denProblemen der Schule und unserer Erziehung zu befassen. Damit sind wir

    ja vllig auf der Linie der Neudemokraten!""Was heit Neudemokraten? - Was ist denn das schon wieder fr ein

    Modewort? - -" fragte Hhne nun vllig verdutzt."Ach, das ist ganz einfach zu erklren," erwiderte Wulff. "Wir

    unterscheiden aus eigener Feststellung heraus zwei Arten vonDemokratien: die klassischen Demokraten, die zwar in der Vielfalt

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    ihrer Meinungen ihre Grostaaten und ihre Kulturen zugrundegeredet haben, aber freie Ansichten vertreten lieen, sowie

    Neudemokraten, welche nur lizenzierte Gruppierungen in einerInteressensgemeinschaft anerkennen und freie Meinungen einengen.

    Ansonsten luft alles wie gehabt!"Entgeistert sah der Professor den Sprecher an. Langsam sagte er dann:"Was seid Ihr denn fr eine Klasse? - Aus Eurem Weltbild kommt eineziemlich ketzerische Sprache zutage..." - Pltzlich lachte er lauthals los:"Ihr seid genauso, wie die Jugend zu meiner Zeit! - Meine Altersgenossenund ich haben auch einmal so rebelliert. Wir haben ebenso eigenmchtigund eigenwillig gedacht, wie ich das nun bei Euch sehe. Eine strmischeJugend hlt die Welt immer in Atem!" Wieder ernst werdend, setzte erhinzu: "Ich mchte Euch aber raten, solche Dinge nicht in der Schule zu

    behandeln. Wenn Ihr in der Schule mit Politik konfrontiert werdet, danntappt in keine Fallen!""Ein Hoch unserem Professor!" rief Rohde aus seiner Ecke.Hhne winkte ab. "Keine Aufregung, wenn ich bitten darf!" Er sah auf

    seine Uhr. "Es ist hchste Zeit mit dem Unterricht zu beginnen. Was nunden Vortrag anbelangt, so bin ich dazu bereit, wenn es im privaten Rahmengeschieht und ohne Trara ber die Bhne geht!"

    Begeistert klatschte die Klasse Beifall.Das Gesicht des Professors verlor jetzt jede Strenge."Schon gut, schon gut," sagte er mit einer abwehrenden Handbewegung.

    - Wann und wo soll denn das sein? -""Wenn es Ihnen, Herr Professor, nichts ausmacht," antwortete Wulff als

    Klassensprecher, "dann am kommenden oder darauffolgenden Freitagabends!"

    Hhne berlegte kurz. "Nun - sagen wir, am darauffolgenden. -Einverstanden? -"

    "Jaaaaa - !" schrie die Klasse im Chor."Schlu jetzt!" schlo der Professor ab. "Wir beginnen mit dem

    Unterricht! -"

    - - - - - - - - -Am bernchsten Tag war wieder ein Unterricht bei Trinek fllig.Die Klasse erwartete mit Mimut den Stundenanfang mit der

    ungeliebten Lehrkraft. Alle waren sich einig darber, demGeschichtsprofessor mangelndes Interesse spren zu lassen.

    Trinek kam wie immer mit seinem fleckigen Habitus in die Klassehereingeschlurft. Seine vorbergebeugte Haltung und die hngendenSchultern veranlaten Osten zu einer halblauten Bemerkung: "... wie einOrang-Utan auf Bodenurlaub! -"

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    "Wer hat etwas gesagt?" fragte Trinek rgerlich und lie seine Augenber die Klasse schweifen. Dabei drehte er sich um und musterte denrckwrtigen Teil des Klassenzimmers. Diesen Augenblick ntzteSchnauzen-Charly, frech wie immer, dem Lehrer die aus der Rocktasche

    nach hinten herausstehenden Gewerkschaftszeitung vorsichtigherauszuziehen, um sie dann gleich fallen zu lassen. Laut rief er: "HerrProfessor, Ihr Schadeblatt liegt am Boden!"

    Trinek fuhr herum. "Was haben Sie gesagt? -"Schnauzen-Charly wies mit der Hand auf den Boden und wiederholte:

    "Ich habe Sie aufmerksam gemacht, da Ihre Zeitung auf dem Boden liegt.-"

    "Sie haben Schade-Blatt gesagt! - Was meinten Sie damit? -"Der Schler heuchelte Erstaunen, dann sagte er wie beilufig: Es ist

    schade, da das Blatt auf der Erde liegt und man es aufheben mu!"Trinek sagte giftig: Ich wei zwar nicht, wieso die Zeitung aus meinerTasche fallen konnte", warf dem Schler einen mitrauischen Blick zu,"sehr merkwrdig, wirklich sehr merkwrdig", setzte er brabbelnd hinzu."Eigentlich htten Sie ja die Zeitung auch aufheben knnen! - IhreErziehung ist nicht gerade die beste..."

    "Sie verlangen von mir einen Nullbock-Service," gab Schnauzen-Charly patzig zurck. "Fr mich es ja nicht schade um diese Zeitung und diesekann von mir aus liegen bleiben, bis die Putzfrau kommt. Ist ihnen dasBlatt etwas wert? -"

    Trinek lief rot an. "Ich verbitte mir solche freche Reden! - MeineZeigung geht Sie gar nichts an. Wenn Sie so weitermachen, knnen Sienoch etwas erleben! -"

    Jetzt fiel Wulff ein: "Unser Mitschler hat doch weiter nichts gesagt, alsda Sie ihre Zeitung verloren haben. Und da diese kein Unterrichtsmittelist, geht sie uns gar nichts an. Und kein Schler darf mitErziehungshinweisen beschimpft werden, weil sonst dieSelbstverwirklichung des Menschen behindert wird. Sie selbst haben dochimmer wieder so neben dem Unterricht ber die Selbstverwirklichung des

    homo novus - ich meine hominis novi -, Zusatzbelehrungen eingestreut. Ichfordere im Namen der Klasse die Einhaltung der Schulregeln!"

    "Genug jetzt!" rief Trinek und stampfte mit dem Fu auf. Wtend hober selbst die Zeitung vom Boden auf.

    Nun wollte Graff auch nicht vor seinen Klassenkameradenzurckstehen. Mit einem treuherzigen Augenaufschlag meldete

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    er sich und bat mit demtiger Miene: "Herr Professor, ich habe schon seitfrhmorgens Durchfall. Ich verspre wieder ein gefhrliches Rhren und

    bitte Sie, die Klasse verlassen zu drfen!" Dabei stand er bereits auf, undhielt sich den Leib. "Herr Professor, bitte opfern Sie fr mich einen Teil

    Ihrer Zeitung, weil am Lokus das Papier ausgegangen ist..."Jetzt japste Trinek nach Luft. Er verstand die in bittender Formherangegangene Herausforderung nur zu gut, sah aber keine Mglichkeit,diese als solche zu werten. Der Schler Graff sah ihn mit weinerlichenHundeaugen an und krmmte sich, von einem scheinbaren Druck geplagt.Und die ganze Klasse sah ihn dabei mit einer merkwrdigen Ruhe an.

    Jetzt krmmt sich Graff noch mehr und warf dabei seinen Stuhl um:"Herr Professor, Herr Professor! ..." Er machte einen Satz und wetzte zurTr hinaus, nicht ohne dabei dem Professor einen wehen Blick zuzuwerfen.

    "Ihr Hllenbrut", brach es aus Trinek heraus, "bei euch wei man nie,wie man wirklich daran ist. Hier, nehmt in drei Teufels Namen die Zeitungund lauft dem Graff nach!" Er reichte das Blatt wtend demnchstsitzenden Schler, der mit einer geradezu affenartigenGeschwindigkeit aufsprang und auch aus dem Raum eilte.

    Jetzt begann die Klasse lauthals zu brllen.Mit Mhe hielt Trinek noch an sich, um nicht in eine Hysterie zu

    verfallen. Er merkte, da er das Opfer einer gerissenen Attacke war, der erwehrlos gegenberstand. Er wollte Ruhe fordern, doch brachte er nur einaufgeregtes Kreischen zuwege.

    Mit dem Fu wieder aufstampfend, sagte er: "Wehe euch, wenn Ihrmich auf den Arm genommen habt! - Ich werde nach der Stunde den Lokusinspizieren und nachsehen, ob wirklich kein Papier vorhanden ist. -"

    "Aber Herr Professor!", flsterte Wuschelkopf-Babsy vorwurfsvoll. "Siewerden doch nicht als Klo-Inspekteur in die Geschichte eingehen wollen? -"

    Wieder eine Lachsalve.Jetzt wechselte Trineks Rte ins Weie. "Ihr Mistkfer, das werdet Ihr

    mir ben! -"

    Wulff sprang auf. "Herr Professor, wir werden uns jetzt wirklichbeschweren!"

    Trinek sagte nichts mehr. Er schlurfte zu seinem Vortragstisch, setztesich mde nieder, wobei er die Klasse bse musterte. Von rger undUnrast getrieben, erhob er sich nach wenigen Minuten schweigsamer Ruhe,sah zum Fenster hinaus und wandelte von

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    Zeit zu Zeit mit den Hnden am Rcken verschrnkt herum. Das ging eineWeile so dahin, bis die Stunde um war. Als er den Raum dann verlie,schlug er heftig die Tre zu.

    Gleich nachher kam Graff zurck. Er baute sich mit Spitzbubenmiene

    vor Wulff auf und rief fr alle Schler hrbar: "Lieber Klassensprecher, ichmache Meldung: "Indizienrolle liegt im Hof und die Quatschzeitung istvernichtet. Tatort somit ohne Beweise! -"

    Das war die Rache der Klasse.- - - - - - - - -

    In der Kaffeekonditorei Zeller war das groe Gstezimmer, das auch oftfr Veranstaltungen bentzt wurde, bis auf den letzten Platz besetzt. DieSchler der Siebenten hatten dafr gesorgt, da auch zahlreiche Eltern,Geschwister und noch Schler der Sechsten mitgekommen waren. Der

    Geschftsinhaber hatte noch mit viel Mhe Sitzgelegenheiten besorgenmssen, um dem Besucherandrang nachkommen zu knnen. DieKaffekche hatte alle Hnde voll zu tun und die Kuchenregale leerten sich.

    Der Schler Zeller strahlte ber das ganze Gesicht, als er seineKlassenkameraden begrte: "Nun, - hat es geklappt? - Prima, was? -"

    Schnauzen-Charly sorgte fr einen Dmpfer: "Das war Dein Glck,Zellerrbe. - Sonst wren wir Dir heute aufgelauert und htten Dein

    blankes Achterteil mit grner lfarbe angestrichen! -"Zeller verzog das Gesicht. "Immer nur Schnauze, was? -"Pnktlich zur angesagten Zeit betrat Professor Hhne den Raum.

    Erstaunt stellte er fest, da nahezu hundert Personen anwesend waren. Mitverblffter Miene wandte er sich zu den ihm am Eingang erwartendenSchlern Wulff und Graff: "Ihr seid eine richtige Verschwrerbande! - Dahabt ihr mir die halbe Stadt an den Hals geladen. Es fehlen gerade noch derBrgermeister, der Schuldirektor, und so weiter bis zumFeuerwehrhauptmann und den Leuten von der Bestattung! -"

    Die beiden angesprochenen Schler wurden rot im Gesicht. Siebegannen zu stottern.

    "Larifari!" machte es Hhne kurz. "Ist ja ohnedies nicht mehr zu

    ndern..."Er lie sich durch den vollbesetzten Raum hindurchlotsen. berall

    wurde er von den Eltern begrt und einige seiner Schler trommelten aufPennlerart auf die Tische.

    In einer Raumecke war ein kleines, improvisiertes Podium errichtetworden. Hinter einem schmalen Tisch sa bereits zur ber-

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    raschung des Professors der Sprecher des Eltern-Vereines, der sich soforterhob und den Gast begrte. Mit wenigen Worten dankte dieser demRedner fr seine Bereitschaft zu dem vorgesehenen Thema zu sprechen. Erwies noch darauf hin, da er mit der bernahme der Begrung den

    Schulen die Verantwortung fr diese Veranstaltung abnehme. Dannbergab er dem Professor das Wort.Hhne hatte sich mittlerweile von der berraschung ber den

    zahlreichen Besuch gefat. Mit seiner gewohnt ruhigen Art begann er:"Meine Damen und Herren! - Als ich von den jungen Leuten

    angesprochen wurde, einen Aufklrungsvortrag ber die Suchtgifte undihre Gefahren zu halten, war es mir klar, da es sich um ein heikles Themahandelt. Denn was wir zur Zeit erleben, ist die Auswirkung einer gezieltenZersetzung, die gegen die Vlker des Westens gerichtet ist. Wenn man weit

    in die Geschichte zurckgreift und die Entwicklung desRauschgiftkonsums unter besonderer Bercksichtigung des europischenRaumes verfolgt, sieht man die jetzigen Vorgnge vllig anders, als wennman sich nur mit den Konsumgefahren befat! -"

    Der Professor zog einen kleinen Merkzettel aus der Tasche, den er vorsich auf den Tisch legte. Nach einem kurzen Rundblick fuhr er fort:

    "In der altgriechischen Literatur lie sich Homer im Gesang desOdysseus vernehmen: "... Aber ein andres ersann nun Helena, TochterKronions: Rasch warf sie in den Wein, von dem sie tranken ein Mittel,Kummer zu tilgen und Gram und jegliches Leiden Gedchtnis..." - Hierfindet man bereits eine klare Aussage ber die Verwendung vonBetubungsmittel. Die neuzeitliche Altertumsforschung hatte schon lngstfestgestellt, da Opium, aus gypten kommend, in Sdeuropa als Rausch-und Betubungsmittel Eingang fand. Vor allem wurde Griechenland vongyptischen Hndlern besucht. Bereits aus dem Jahre 1600 vor derZeitenwende fand sich ein Papyrus mit der Anweisung eines gyptischenArztes, als Heilmittel gegen Kindergeschrei Mohnkrner zu verwenden.

    Weit ltere Spuren fanden sich bei der Freilegung einer mindestensviertausend Jahre alten Pfahlbausiedlung im Genfer See. Hier fand man

    neben dem erhalten gebliebenen Hausrat noch zahlreiche Mohnkapseln, diesich nach einer Untersuchung bereits als Zuchtform erwiesen. Offen istallerdings ein Nachweis, ob damals der Mohn nur wegen des Samenlsoder auch als Rauschmittel angebaut wurde. Weitere alteMohnkulturspuren fanden

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    sich auch im alten Mesopotamien, und in Kreta wurde sogar eineMohngttin verehrt. Eine Darstellung von ihr war am Eingang desLabyrinths aufgefunden worden. Sie sollte zweifelsohne auf die Gefahrendes Opiums hinweisen: wer durch das Tor in das Labyrinth eintritt, findet

    keinen Weg mehr zurck...Im Nationalmuseum von Athen kann man eine Grab-Stelle desMohnjnglings Mekos besichtigen. Neben ihm befindet sich der Gott desTodes, Thanatos. Diese zusammenhngende Symbolik zeigt deutlich, dadie alten Hellenen bereits die groe Gefahr der Pflanze des Vergessenserkannt hatten. Und im kultischen Bereich findet man die drei Jenseitstoredes Traumes, des Schlafes und der Ekstase bei den Eleusischen Mysterien.Ferner berichtet Hesiod ber eine Mohngttin namens Mnemosyne.

    Wenig bekannt ist ein Hinweis von Erasistratos, der den frhen Tod

    Alexanders dem Groen auf den dauernden Genu eines mit Opiumversetzten Weines zurckfhrt. Der lange verschollen gewesenenAlexanderbiographie Iskender-nama ist ebenfalls zu entnehmen, daAlexander schtig war.

    Man wei heute, da er bei seinen Feldzgen unterwegs Mohnfelderanlegen und vor Beginn einer Schlacht an seine Soldaten neun KugelnOpium austeilen lie. Dies ist besonders erwhnenswert, weil sich dieneuzeitlichen groen Mohnanbaugebiete im Nahen und Mittleren Osten anden gleichen Stellen erhalten haben. Von da an bis heute lebte eineununterbrochene Kette von Generationen immer an denselben Feldern vomAnbau der Drogenpflanze, die immer ein eintrgliches Geschft blieb.

    Der Rmer Silius berichtete in seinem "Punischen Krieg", daHannibal, knapp vor Rom, fr zwei Wochen seinen Marsch unterbrach undeinen Tiefschlaf hielt. Der Traumgott Somnus habe - so schreib Silus - aufWeisung der rmischen Schutzgttin Juno mit Hilfe eines Mohnsaftes demkarthagischen Feldherrn diesen Schlaf beschert. Das heit im Klartext, daein verkleideter rmischer Agent dem Hannibal einen Schlaftrunkzuspielte, wodurch die Rmer Zeit gewannen, um ihre Verteidigung zuverstrken. Spter verstrkten sich die Opiumeinfuhren nach Rom. Sie

    kamen alle aus den gleichen Lndern, die Alexander durchzogen hatte. Esgab sogar eine Zeit hindurch eine Mnze, auf der eine Mohnpflanzeabgebildet war.

    Als die Germanen in die rmischen Gebiete eindrangen, machten sieebenfalls die Bekanntschaft mit dem Mohn. Aber im Gegensatz zu denanderen Vlkern lehnten sie die daraus gewonnene Droge ab, nachdem siedie Gefhrlichkeit erkannt hatten. Und

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    als spter Karl, in der gngigen Geschichte der Groe genannt, diermische Reichskrone erhalten hatte, erklrte er sogar den Mohnsaft als einWerk des Satans und belegte den Gebrauch mit hohen Strafen.

    Erst im ausgehenden Mittelalter verwendete der berhmte Paracelsus

    das Opiat Laudanum als schmerzstillendes Mittel, das bis in die jngsteZeit in Gebrauch blieb.Im achtzehnten Jahrhundert begann eine neue Ausweitung und Bltezeit

    fr die Opiate. Der britische Gouverneur Warren Hastings hatte nach derEroberung von Bengalen im Jahre 1772 vom Staatssystem der Mogulnskrupellos das Opiummonopol bernommen. Er belieferte dann China mitOpiumkuchen und nahm Silber als Bezahlung. Da im Reich der Mitte einstrenges kaiserliches Opiumverbot herrschte, lie Hastings die Ware durchdie Chiu-Chaus und Tongs, die Geheimgesellschaften, in das Land

    schmuggeln. Die verbotene Einfuhr lief ber den groen Hafen Kanton, dervllig von den Chiu-Chaus kontrolliert wurde. Um das Jahr 1830 herum belieferten die Briten mit Hilfe von rund fnfzig Opiumreedereiensechsundvierzig Opiumfirmen in Kanton. Im Jahre 1839 war dieOpiumeinfuhr trotz des noch immer bestehenden Verbotes auf fast zweiMillionen Tonnen jhrlich angewachsen. Im gleichen Jahr kam dann derchinesische Vizeknig Li persnlich nach Kanton und verhngte eineBlockade. Unter seiner Aufsicht wurde eine Million Kilogramm Opiumffentlich verbrannt. Nun griff die britische Regierung ein und entsandte1840 eine starke Flotte. Mit 16 Schlachtschiffen und einer AnzahlTransportern fuhr sie in den Perlflu ein, eroberte Kanton, plnderte dannShanghai und fuhren anschlieend sogar in den Pei-Ho-Flu ein, der nachPeking fhrte. 1842 mute China dann in Nanking einen Friedensvertragunterzeichnen, in dem sie Hongkong abtreten und fnf weitere Hfen frdie Europer ffnen mute. James Matheson, der eigentlicheOpiumgewaltige zu dieser Zeit, kehrte dann nach England zurck, wo ervon der Knigin Viktoria geadelt und Mitglied des Unterhauses wurde.

    Als schlielich im Jahre 1880 die anhaltenden Opiumeinfuhren nachChina auf 6500 Tonnen gestiegen waren, gab es im Reich der Mitte bereits

    zwanzig Millionen Schtige. Nun entschied der Kaiser in Peking, denMohn im eigenen Reich anzubauen. Die sdlichen Provinzen Szechuan undYnnan wurden die Hauptanbaugebiete. In der Folge gingen die Importeaus Indien auf 3200 Tonnen zurck und die Inlandproduktion stieg auf22000 Tonnen. In den Stdten des Landes lagen berall verhungerndeSchtige

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    herum und die um einen Gesichtsverlust bangenden Chinesen verbtenscharenweise Selbstmord mit einer berdosis Opium.

    Zu diesem Zeitpunkt bernahmen es Missionare, als Gegenmittel inChina Morphin zu verteilen. Bis zum heutigen Tag nennen es die Chinesen

    Jesus-Opium. Es kam dann 1900 zum Boxeraufstand. Nach Niederschlagung desselben wollte man den Teufel durch den Beelzebubaustreiben und brachte als vorgebliches Heilmittel groe Mengen Heroin indas Land. Da das Morphin ebenso rasch um sich gegriffen hatte, wurde dasReich der Mitte zu einem faulenden Kranken, der einem elenden Endezusteuerte. -"

    Der Redner hob die Stimme: "Jetzt, im auslaufenden zwanzigstenJahrhundert, rcht sich Asien an Europa! - Whrend man frher auf KostenChinas gigantische schmutzige Geschfte abwickelte, schlgt man in

    Europa mit politischer Hinterlist zu. Der Suchtgiftangriff soll die VlkerWesteuropas schwchen und wenn mglich sogar zerstren. Ich kommenachher noch darauf zurck! -

    Nochmals zu China zurckkehrend: Im Jahre 1911 wurde die letztechinesische Kaiserin durch den Demokraten Sun-Yat-sen gestrzt. Sun-Yat-sen hatte in Europa Medizin studiert und wurde durch seineVerbindung zu Freimaurerlogen politisch als Demokrat und Republikanergeschult. Die Revolution vernderte das Gesicht Chinas vllig und die neueVolkspartei, die Kuomintang, rief ein Jahr spter in Nanking die Republikaus, die aber ein strenges Militrregime im Gefolge hatte. Abermalswurden Gesetze gegen das Opium erlassen. Im Jahre 1916 begann dannnoch ein Brgerkrieg der rivalisierenden Generle, dessen zehnjhrigeDauer dem Lande groen Schaden zufgte. Die Generle suchten Hilfe beiden europischen Lndern sowie von Japan, und finanzierten ihreWaffenkufe witziger Weise mit Opium. Weitere Einzelheitenberspringend, mu zu China abschlieend noch gesagt werden, da dieOpiumseuche im Lande erst durch den Kommunisten Mao-Tse-tung zumErlschen gebracht wurde. Der Mohn blieb aber weiter ein politischerExportartikel. Nur Hongkong blieb weiter als Vermittlungsstelle und zwei

    Drittel der Hafenarbeiter sind dort zur Zeit noch schtig. Sie nennen dieRauchinhalation im Hafenjargon "Drachen jagen". Die britische Polizei istweitgehend machtlos. Sie erreichte blo, da eine weitere Zunahme derOpiumschtigen hintangehalten wird. Dafr aber steigt die Zahl derHeroinschtigen, in dem es das Opium berflgelt. Das neuzeitlicheHauptanbaugebiet der Rauschgiftpflanzen ist das goldene Dreieck. Es sinddie Gebiete von Birma, Afghanistan,

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    bis in den Norden von Thailand. In Hongkong befinden sich noch zweiHeroin-Raffinerien, frher waren es noch fnfzehn. Aber der Schmuggelund Vertrieb blht. Die traditionellen englischen Stammfirmen haben sichoffiziell aus dem Geschft zurckgezogen und pochen auf ihre Seriositt.

    Dennoch ist es ein offenes Geheimnis, da noch stille Beteiligungen laufen.Unter den Siegeln grter Verschwiegenheit kann man aber noch erfahren,da die geheimen Querverbindungen bis in die britischen GeheimdiensteMI5 und MI6 reichen.

    Ehe sich noch die hohe Politik des Rauschgiftmarktes bemchtigte, tratdem asiatischen Verteilerring eine bedeutende Konkurrenz entgegen. Eswar dies die sizilianische Mafia, die in den USA zu operieren begann. Alsim Jahre 1924 in den USA das Heroin verboten wurde, nahm sich dieMafia dieser Geschfte an. Der aus Polen stammende Maier-

    Suchowljansky begann als Heroin-Pusher bei der "Koscher-nostra" unterder Leitung eines gewissen Rothstein, ehe er sich selbstndig machte. Derzweite Stern am Himmel dieser Dunkelgeschfte wurde Bugsie Siegel undals dritter kam dann noch Lucky Luciano dazu. Obwohl man Lucianodurch ein Attentat auszuschalten versuchte, berlebte er. Er wurde sogarder Boss der Bosse und zog einen groen Geschftsring auf, der dieProstitution und den Heroinmarkt kontrollierte. Im Herbst 1936 sank seinStern, als einige leichte Mdchen zu plaudern begannen. Einunbestechlicher Staatsanwalt lie ihn verhaften und in der Folge erhielt ereine Haftstrafe von dreiig bis fnfzig Jahren. Dank der guten Organisationging der Heroinhandel ungehindert weiter. Erst beim Ausbruch desZweiten Weltkrieges wurde es schwierig, Heroin in die USAhereinzubekommen. Die Preise fr diesen Stoff stiegen rapid und auerdemwurde er noch mengenmig "gestreckt". Und dann kam die groe Stundeder Mafia, als sie vom amerikanischen Geheimdienst CIA umUntersttzung angegangen wurde, um mit Hilfe der sizilianischen Mafiosidas amerikanische Landeunternehmen auf Sizilien vorbereiten zu helfen.Die US-Marineabwehr schuf nach dem Ausbruch des Krieges unter demCode "Operation Unterwelt" zur Bekmpfung der deutschen und

    italienischen Spionage in den Hafenanlagen in New York eineOrganisation. Dies konnte nur mit Hilfe der Mafia geschehen, die terrain-und personenkundig war. Als dies spter ruchbar wurde, nannten es dieZeitungsschreiber eine patriotische Zusammenarbeit zwischen Militr undUnterwelt. Lucky Luciano wurde in ein anderes Gefngnis verlegt, umleichter erreichbar zu sein. Er war jedenfalls der groe

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    Boss, der alles fhrte. Dort erhielt er den Auftrag, sich mit der Planungeiner Massenlandung von amphibischen Fahrzeugen auf Sizilien sowie mitweiteren Aktionen zu beschftigen. Dazu brauchte man schlielich auchdie Untersttzung der sizilianischen Mafia. Der militrische

    Verbindungsmann war Major Murray Gurfein von der militrischenAbwehr. Ein britischer Offizier namens Norman Lewis schrieb nach demKrieg ein Buch mit dem Titel "The Honored Society, - a Searching Look atthe Mafia" auf deutsch: "Die Ehrenwerte Gesellschaft - eine Betrachtungder Mafia", das in der Putnam-Edition, New York, im Jahr 1964 erschien.Hier berichtete er, da bei der Landung in Sizilien Panzer an Land fuhren,die gelbe Flaggen mit dem schwarzen Buchstaben "L" fhrten, was"Luciano" besagen sollte. Angeblich soll Luciano die Landung selbstgeleitet haben. 1971 erschien dann bei der Library Press ein New York ein

    weiteres Buch von Luigi Barzini, "From Caesar to the Mafia" mit Materialber die Rckkehr der Mafia. Hier heit es unter anderem, da der MafiosoDon Vizzini mit den Befehlshabern der amerikanischen, britischen undkanadischen Invasionstruppen leichtes Spiel hatte. Der Autor zeigtironischerweise auf, da die Besatzungsmchte nach der erfolgten Invasiondie Entlassung der Mafiosi verfgten, die unter Mussolini in dieGefngnisse geworfen worden waren. Die Alliierten bezeichneten dieMafia-Gangster als "Opfer der faschistischen Tyrannei!".

    Ein anderer italienischer Autor, Michele Pantaleoni, bezeugt in seinemBuch "The Mafia and Politics" herausgegeben bei der Coward McCannEdition, 1966 in New York, da Mussolini die Mafia vor dem Eintreffender Invasionstruppen fast vllig ausgerottet habe, die dann ber Nachtwieder neu erstand und ihre Mitglieder berall in den sizilianischen unditalienischen Stdten oder Drfer als Brgermeister einsetzte.

    Nicht genug damit, setzte ein anderer amerikanischer Geheimdienst desUS-Amtes fr strategische Dienste, der OSS, eine hnliche Hausarbeit aufder Insel Korsika an. Viele korsische Verbrecher, die aufRauschgiftschmuggel spezialisiert waren, wurden von dem OSSausgebildet und ihre Fachkenntnisse zum Waffenschmuggel fr den

    franzsischen Widerstand eingesetzt. Diese Korsen blieben auch weiter frden Rauschgiftschmuggel ttig und erfreuten sich der amerikanischenProtektion. Jetzt hat man die Rechnung fr die Duldung desRauschgifthandels als Gegenleistung einer Untersttzung im Kriegseinsatzerhalten, weil sich die gezielte Zersetzungsaktion im Westen der gleicheKanle bedient. Diese ebenfalls widerliche Geschichte ist brigens in dem

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    Buch "The OSS In World War II", von Edward Hymoff, bei BallantineBooks, New York 1974, genau beschrieben. Auf der amerikanischen Seitedes Atlantik gab es zu diesen sehr befremdlichen Vorgngen noch einekuriose Schluszene. Der Mafiaknig Lucky Luciano richtete am Tag des

    Waffenstillstandes an Thomas Dewey ein Amnestieansuchen. Dazuerklrte ein New Yorker Strafaussetzungsausschu nach eingehenderUntersuchung, da Luciano aufgrund seines patriotischen Einsatzes eineEntlassung aus dem Gefngnis verdient habe. Luciano ging frei, dochwurde ihm nahegelegt, er mge Amerika verlassen. Seine Nachfolgebernahm Vito Genovese, der die noch zunehmenden Geschfte imRahmen des frivol genannten "Nationalen Verbrecher-Syndikates"weiterfhrte und ausbaute.

    Aber das ist noch nicht alles. Bei einer Kongre-Vernehmung im

    Zusammenhang mit Machenschaften der Federal Reserve-Bank geriet dernach dem Kriegsende zum Leiter der Foreign-Liquidation-Commissionernannte Thomas McCabe in das Kreuzfeuer der Senatoren. McCabe hattedie im Ausland lagernden berschssigen Armeegter im Wert von zwlfMilliarden Dollar zu verwalten und mit Schwarzmarktmethoden in derWelt zu verkaufen. Die Industrie hatte vom Staat bereits ihr Geld erhaltenund kmmerte sich nicht darum, was mit ihren Erzeugnissen geschah. Undder Staat war nur besorgt, da die Ware nicht mehr nach den Staatenzurckflo und mit der Nachkriegsproduktion konkurrierte. So wurde dasvon amerikanischen Soldaten stammende Blutplasma nach China verkauft,ebenso aber auch groe Mengen von Betubungsmitteln, vorwiegendMorphium und Kodein. Diese Drogenmitteln stammten aus dem Erste-Hilfe-Material und wurden nun durch die McCabe-Kommission demRauschgifthandel zugefhrt. Dieser Schwarzhandel lste in einer Reihe vonLndern eine innenpolitische Korruption aus, die sogar zu kriminellenHandlungen in England, sowie in Indien, China und auf den Philippinenfhrte. Nachdem McCabe den grten Teil der Waren verschachert unddabei rund 12 Milliarden Dollar eingenommen hatte, wurde er fr seinezweifelsohne fragwrdigen Verdienste zum Vorsitzenden des Federal-

    Reserve-Boards ernannt und von dem amerikanischen Prsidenten Trumanbesttigt.

    Mittlerweile war auch Luciano nicht unttig geblieben. Whrend er inseiner Villa in Sizilien von den Behrden berwacht wurde, wo sich hinterden Fensterscheiben ein Doppelgnger zeigte, weilte er in Rom undverbndete sich mit dem libanesischen Reeder Sami El-Khouri, der seineHnde auch in der Poli-

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    tik seines Landes hatte. So wurde in Beirut eine Verarbeitungs-Sttte frMorphin eingerichtet, der Rohstoff kam aus der Trkei und aus dem Iran.Die Spitzen der libanesischen Behrden waren auf der Gehaltsliste desneuen Rauschgiftunternehmens. Ein gut organisierter Transportkanal sorgte

    dafr, da ein Teil des hergestellten Stoffes auch nach Mailand geliefertwerden konnte, wo die italienische pharmazeutische Firma Schiaparelli amAnfang der Fnfzigerjahre ohne Buchfhrung etwa siebenhundertKilogramm Heroin herstellte. Luciano selbst hatte sich schon vorher, imJahre 1947, nach Kuba abgesetzt, wo er sofort ein Dauervisum erhielt. Dort

    berief er nach Havanna eine Gipfelkonferenz ein, an der 16 fhrendeMafiavertreter mit ihren Stben, eine Anzahl korrumpierterGewerkschaftsfhrer und mehr als hundert Rechtsanwlte teilnahmen. Nunsollte Kuba zum Zentrum des internationalen Rauschgiftringes werden.

    Unterdessen zahlten die USA fr ihre im Kriege begonnene Toleranzund Zusammenarbeit mit den Bossen der Rauschgiftgangs einen hohenTribut. Im Jahre 1952 war die Zahl der Schtigen in den VereinigtenStaaten von zwanzigtausend bei Kriegsende, auf sechzigtausendLasterkranke angestiegen.

    Nun stieg auch Fidel Castro mit Duldung der Mafia in das Geschft.Hier ging es jetzt nicht mehr um rein finanzielle Ertrgnisse, derSchwerpunkt verlagerte sich in die Politik. Mit einem Knall begann eineGrooffensive gegen die westliche Welt, die seither keine Unterbrechungmehr erfuhr.

    Castro verschiffte den Stoff im Wert von Dollarmilliarden nach Florida.Er spekulierte beinhart, die amerikanische Jugend durch Heroin undKokain zu vergiften und zu zerstren. In der Folge griff diesesUnternehmen auch mit dem gleichen Ziel nach Europa.

    Linkskubaner, gefhrt von harten und mrderischen Bossen, bauteneinen riesigen Schmuggelring auf, um das gefhrliche und tdlicheRauschgift in die USA zu bringen. Die Organisationsleitung grifftentakelartig ber Rotchina, Nordvietnam, Afrika und dem Mittleren Ostenauf Castros Weisung und Verbindungen nach dem ganzen

    nordamerikanischen Erdteil. In Kuba selbst blieb der Drogengebrauchstreng verboten und es gab berhaupt keine Suchtflle auf der Zuckerinsel.Die gesamten Dollarreserven des Castro-Regimes stammen berwiegendaus dem Rauschgiftexport. Vorher war Heroin noch aus Frankreichgekommen, wo es von Marseille aus in die Vereinigten Staaten verschifftwurde. Das Rohopium kam ber die Trkei nach Frankreich, wo es inchemischen Laboratorien zu Heroin verarbeitet wurde. Als Rich-

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    ard Nixon sein Amt als amerikanischer Prsident antrat, verwahrte er sichin Frankreich und in der Trkei, und drohte Repressalien an, falls derRauschgiftschmuggel nicht unterbunden wrde. Da insbesonders dieTrkei auf US-Dollar angewiesen war, nahm man Nixons Drohungen ernst

    und sperrte die Opiumfarmen im Lande. Ebenso kam Frankreich denamerikanischen Vorstellungen nach und fahndete nach den Laboratorien.Auch hier zeigte es sich, da Politik und Rauschgift schon eng

    verknpft waren. Der Kopf der franzsischen Rauschgiftszene war dieFamilie Guerini, die aus Sizilien stammte. Vorerst hatten sich dieRauschgiftleute eng mit den franzsischen Sozialisten Gaston Defferresverbndet. Als spter De Gaulle an die Macht kam, kam es zu Reibereienmit den korsischen Banden des Marcel Francisci, die Barbouzes genanntwurden, und als Schlgertrupps von den Rechten in Sold genommen waren.

    Francisci besa ein eigenes Heroin-Labor. Die franzsische Polizei profitierte von dem Kleinkrieg der Banden untereinander. Im Jahre 1968starb der Boss Guerini durch elf Schsse in den Bauch. 1971 griff dieHeroinseuche auch auf das fr