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Urologe 2012 · 51:615–616 DOI 10.1007/s00120-012-2858-x Online publiziert: 27. April 2012 © Springer-Verlag 2012 J.W. Thüroff Urologische Klinik, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz Laparoskopische vs. robotische  Operationen in der Urologie Einführung zum Thema Accesstrauma Blutverlust Postoperativer Schmerz Kosmetik Accesstrauma Blutverlust Postoperativer Schmerz Kosmetik Kosten OP- Zeit Referenzstandard OP -Zeit Chirugische Versatilität Wahl der Radikalität Lernkurve Kosten 3-D Sicht Artikulierte Instrumente Handtremor Lernkurve Offen Laparoskopisch Robotisch Vorteile Nachteile Abb. 18 Vor- und Nachteile der Operationstechniken Laparoskopische Operationen werden ein elementarer Bestandteil des operati- ven urologischen Armamentariums blei- ben, da sie gegenüber den offenen Ope- rationen folgende unumstrittene Vortei- le haben: das geringere Accesstrauma, ein geringerer Blutverlust bzw. Transfusions- rate, weniger postoperative Schmerzen bzw. Analgetikaverbrauch und ein güns- tigeres kosmetisches Ergebnis (. Abb. 1). Die Fragestellung dieses Heftes befasst sich damit, ob urologische Operationen zukünftig konventionell-laparoskopisch oder robotisch assistiert laparoskopisch durchgeführt werden und welche Argu- mente für jede einzelne hier diskutierte Operation für die eine oder andere Vor- gehensweise sprechen. Im Allgemeinen werden für robotisch assistierte laparoskopische Operationen folgende Vorteile gegenüber den konven- tionell-laparoskopischen Techniken ange- führt: die dreidimensionale (3D-)Sicht in HDTV, artikulierte Instrumentenbewe- gungen, ein ausgefilterter Handtremor, die ergonomische Arbeitsposition des Operateurs sowie eine verkürzte Lernkur- ve (. Abb. 1). Allerdings hat auch im Be- reich der konventionell-laparoskopischen Operationstechniken durch Entwicklung von 3D-Optiksystemen, artikulierten Ins- trumenten und ergonomischen Arbeits- stühlen für den Operateur eine diesbe- zügliche Weiterentwicklung stattgefun- den, die das Manko der konventionellen laparoskopischen Technik möglicherwei- se reduzieren kann. Trotzdem erscheint der da Vinci®-Roboter in seinem derzei- tigen Reifegrad mit einer Integration der beschriebenen Faktoren in ein ergono- misch gut funktionierendes Gesamtsys- tem im Vorteil. Die angeführten Vorteile der robotisch assistierten wo es sich um plastisch-re- konstruktive Operationsschritte oder um lang dauernde, komplexe Operationen handelt. Da die allgemeine Vorteile der laparoskopischen Operationstechniken ebenso für konventionell laparoskopische Operationen wie für roboterassistierte Operationen gelten, müssen für den Ver- gleich zwischen beiden Vorgehensweisen andere Kriterien herhalten, vornehmlich funktionelle und onkologische Ergebnis- se, aber auch Faktoren, die eher für den Operateur bzw. die einen Eingriff anbie- tende Institution als für den Patienten in- teressant sind wie Operationszeit, Lern- kurve, Verfügbarkeit und Kosten des Ein- griffs. Bei der radikalen Prostatektomie ist weltweit eine klare Tendenz der Abkehr von der konventionell-laparoskopischen Technik zur roboterassistierten Opera- tionstechnik erkennbar. Gründe dafür sind ein bereits erreichter hoher Standar- disierungsgrad der robotisch assistierten Operationstechnik, berichtete günstige Ergebnisse bei den chirurgischen Abset- zungsrändern, der Zeitdauer bis zur post- operativen Wiedererlangung der Konti- nenz und den erzielbaren Potenzraten. In den USA liegt der Anteil konventionell la- paroskopischer radikaler Prostatektomien derzeit <1%, ein Fünftel aller Operationen werden noch offen durchgeführt, 80% ro- botisch assistiert. Bei der Nierenbeckenplastik sprechen gute Gründe für die robotisch assistierte Operationstechnik, die aber wegen gleich- wertiger Operationsergebnisse, einer rela- tiv kurzen Operationsdauer und eines re- lativ geringen Grades der Komplexität der Operation nicht zwingend sind. Die Vor- teile der laparoskopischen Operations- technik bezüglich des kosmetischen Er- gebnisses und postoperativer Schmerzen/ Bewegungseinschränkungen treten im 615 Der Urologe 5 · 2012|

Laparoskopische vs. robotische Operationen in der Urologie

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Page 1: Laparoskopische vs. robotische Operationen in der Urologie

Urologe 2012 · 51:615–616DOI 10.1007/s00120-012-2858-xOnline publiziert: 27. April 2012© Springer-Verlag 2012

J.W. ThüroffUrologische Klinik, Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz

Laparoskopische vs. robotische Operationen in der Urologie

Einführung zum Thema

AccesstraumaBlutverlust

Postoperativer SchmerzKosmetik

Accesstrauma BlutverlustPostoperativer Schmerz Kosmetik

Kosten

OP- Zeit

ReferenzstandardOP -Zeit

Chirugische VersatilitätWahl der Radikalität

Lernkurve Kosten

3-D SichtArtikulierte Instrumente

HandtremorLernkurve

O�en Laparoskopisch Robotisch

Vorteile

Nachteile

Abb. 1 8 Vor- und Nachteile der Operationstechniken

Laparoskopische Operationen werden ein elementarer Bestandteil des operati-ven urologischen Armamentariums blei-ben, da sie gegenüber den offenen Ope-rationen folgende unumstrittene Vortei-le haben: das geringere Accesstrauma, ein geringerer Blutverlust bzw. Transfusions-rate, weniger postoperative Schmerzen bzw. Analgetikaverbrauch und ein güns-tigeres kosmetisches Ergebnis (. Abb. 1). Die Fragestellung dieses Heftes befasst sich damit, ob urologische Operationen zukünftig konventionell-laparoskopisch oder robotisch assistiert laparoskopisch durchgeführt werden und welche Argu-mente für jede einzelne hier diskutierte Operation für die eine oder andere Vor-gehensweise sprechen.

Im Allgemeinen werden für robotisch assistierte laparoskopische Operationen folgende Vorteile gegenüber den konven-tionell-laparoskopischen Techniken ange-führt: die dreidimensionale (3D-)Sicht in HDTV, artikulierte Instrumentenbewe-gungen, ein ausgefilterter Handtremor, die ergonomische Arbeitsposition des Operateurs sowie eine verkürzte Lernkur-ve (. Abb. 1). Allerdings hat auch im Be-reich der konventionell-laparoskopischen Operationstechniken durch Entwicklung von 3D-Optiksystemen, artikulierten Ins-trumenten und ergonomischen Arbeits-stühlen für den Operateur eine diesbe-zügliche Weiterentwicklung stattgefun-den, die das Manko der konventionellen laparoskopischen Technik möglicherwei-se reduzieren kann. Trotzdem erscheint der da Vinci®-Roboter in seinem derzei-tigen Reifegrad mit einer Integration der beschriebenen Faktoren in ein ergono-misch gut funktionierendes Gesamtsys-tem im Vorteil.

Die angeführten Vorteile der robotisch assistierten wo es sich um plastisch-re-konstruktive Operationsschritte oder um lang dauernde, komplexe Operationen handelt. Da die allgemeine Vorteile der laparoskopischen Operationstechniken ebenso für konventionell laparoskopische Operationen wie für roboterassistierte Operationen gelten, müssen für den Ver-gleich zwischen beiden Vorgehensweisen andere Kriterien herhalten, vornehmlich funktionelle und onkologische Ergebnis-se, aber auch Faktoren, die eher für den Operateur bzw. die einen Eingriff anbie-tende Institution als für den Patienten in-teressant sind wie Operationszeit, Lern-kurve, Verfügbarkeit und Kosten des Ein-griffs.

Bei der radikalen Prostatektomie ist weltweit eine klare Tendenz der Abkehr von der konventionell-laparoskopischen Technik zur roboterassistierten Opera-tionstechnik erkennbar. Gründe dafür

sind ein bereits erreichter hoher Standar-disierungsgrad der robotisch assistierten Operationstechnik, berichtete günstige Ergebnisse bei den chirurgischen Abset-zungsrändern, der Zeitdauer bis zur post-operativen Wiedererlangung der Konti-nenz und den erzielbaren Potenzraten. In den USA liegt der Anteil konventionell la-paroskopischer radikaler Prostatektomien derzeit <1%, ein Fünftel aller Operationen werden noch offen durchgeführt, 80% ro-botisch assistiert.

Bei der Nierenbeckenplastik sprechen gute Gründe für die robotisch assistierte Operationstechnik, die aber wegen gleich-wertiger Operationsergebnisse, einer rela-tiv kurzen Operationsdauer und eines re-lativ geringen Grades der Komplexität der Operation nicht zwingend sind. Die Vor-teile der laparoskopischen Operations-technik bezüglich des kosmetischen Er-gebnisses und postoperativer Schmerzen/Bewegungseinschränkungen treten im

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Nachteil der verschiedenen Trokarinser-tionen gegenüber einem an der Scham-haargrenze liegenden Pfannenstielschnitt konstatiert werden.

Für den Operateur ist ein nicht zu ver-nachlässigender Vorteil die gute ergono-mische Arbeitsposition bei der robotisch assistierten Technik, insbesondere bei lang dauernden und komplexen Eingrif-fen. Nachteile sind die hohen Kosten mit Anschaffungskosten des da Vinci-Robo-ters von ca. 1,8–2,2 Mio. EUR, Wartungs-kosten von ca. 150.000 EUR/Jahr sowie Verbrauchsmaterialen von ca. 1500 EUR/Operation, die (je nach Abschreibungs-dauer) in ca. 3000–3500 EUR Mehrkos-ten/Operation resultieren. Damit er-scheint eine kostendeckende Durchfüh-rung von da Vinci®-Operationen im Rah-men des DRG-Systems nicht darstellbar.

Trotzt der „technischen Aufholjagd“ der konventionell laparoskopischen Ope-rationstechnik ist zu erwarten, dass sich die Indikationen für robotisch assistier-te Operationen über die hier diskutierten Operationstechniken hinaus weiter aus-weiten werden und zunehmend Opera-tionen am Ureter und unteren Harntrakt umfassen werden. Mit einer weiteren Ver-breitung der robotisch assistierten Opera-tionstechnik bis hin zur flächendecken-den Vorhaltung ist auch dann zu rechnen, wenn nach Auslaufen der Patentbindung in den Jahren 2013/2014 Konkurrenzsys-teme mit hoffentlich niedrigerem Kosten-profil zur Verfügung stehen werden.

Aus Mainz mit kollegialen Grüßen

J.W. Thüroff

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. J.W. ThüroffUrologische Klinik, Universi-tätsmedizin der Johannes  Gutenberg-Universität Mainz,Langenbeckstraße 1, 55131 MainzJoachim.Thueroff@ unimedizin-mainz.de

Vergleich zu offenen Operationen beson-ders deutlich bei Eingriffen an der Nie-re zutage, wobei allerdings keine Unter-schiede zwischen konventionell laparo- skopischer und robotisch assistierter Technik zu erkennen sind.

Bei der Nierenteilresektion bestehen klare Vorteile zugunsten der robotisch as-sistierten laparoskopischen Technik. Da-mit lassen sich schwierigste, zentral gele-gene Tumoren, teilweise in Zero-Ischä-mie-Technik organerhaltend operativ ent-fernen, was konventionell laparoskopisch weltweit nur einigen wenigen spezialisier-ten Operateuren in gleicher Weise gelingt.

Die Nephrektomie, unabhängig ob als Tumornephrektomie oder als Nephrekto-mie bei benignen Grundleiden kann zwar robotisch assistiert durchgeführt werden, doch erscheint der erhöhte technische, zeitliche und Kostenaufwand hier gegen-über der konventionell laparoskopischen Nephrektomie kaum gerechtfertigt. Die Nephrektomie wird Domäne konventio-nell laparoskopischer Operationstechnik bleiben.

Bei der radikalen Zystektomie hat die laparoskopische Operationstechnik gegenüber der offenen Operation zwar Vorteile wie den geringeren Blutverlust, allerdings werden bei anschließender offen chirurgischer Durchführung der Harnableitung andere Vorteile wie das reduzierte Accesstrauma wieder zunich-te gemacht. So erscheint es plausibel, dass nur bei komplett intrakorporaler Opera-tion, d. h. der radikalen Zystektomie und Harnableitung als laparoskopische Ope-ration, die Vorteile der laparoskopischen Vorgehensweise dem Patienten gänzlich zugute kommen. Wegen des Fehlens von Langzeitergebnissen bestehen bei der ra-dikalen Zystektomie auch noch Unsicher-heiten bezüglich des onkologischen Out-come, so dass die Debatte zwischen offe-ner Operation und laparoskopischer Ope-rationstechnik hier noch nicht ausdisku-tiert ist. Allerdings ist die radikale Zystek-tomie mit intrakorporaler Harnableitung ein gutes Beispiel dafür, dass hier die ro-botisch assistierte Technik wegen der rela-tiv langen Operationsdauer und der Kom-plexität des Eingriffs der konventionell la-paroskopischen Technik vorzuziehen ist.

Urogynäkologische Deszensusopera-tionen wie die Sakropexie oder abdomi-

nale Netzimplantationen lassen sich so-wohl laparoskopisch als auch robotisch assistiert durchführen. Auch hier be-stehen bei der Präparation und der Fixa-tion der Netze durch Nähte Vorteile für die robotisch assistierte Technik. Bei ver-gleichbaren Operationsergebnissen, re-lativ kurzer Operationsdauer und gerin-ger Komplexität der Operation bestehen hier allerdings keine eindeutigen Vortei-le für die robotisch assistierte Operations-technik.

Die retroperitoneale Lymphadenekto-mie (RPLA) bei Hodentumorpatienten kann laparoskopisch durchgeführt wer-den, wobei die bessere Sicht und die ar-tikulierten Instrumente theoretisch einen Vorteil für die robotisch assistierte Opera-tionstechnik bieten würden, insbesondere bei nervenerhaltender RPLA. Allerdings ist heutzutage die Indikation für eine sol-che Operation selten gegeben, die wesent-liche Indikation der RPLA besteht in der Entfernung von Postchemotherapieresi-duen, was wegen der Schwierigkeit und teilweise auch Unvorhersehbarkeit (z. B. Gefäßersatz) des Operationsverlaufs am besten mittels offener Operationstechnik durchzuführen ist.

Zusammenfassend ist die robotisch assistierte Operationstechnik auf dem Vormarsch und dies teilweise aus guten Gründen und nicht nur wegen der unsäg-lichen patientenadressierten Werbung, die einerseits industriegetrieben ist und andererseits auch von den anbietenden Zentren erfolgt. Es sind nicht nur der ge-ringere Blutverlust und weniger postope-rative Schmerzen, die die Patienten nach dieser Operationstechnik verlangen las-sen, sondern zumindest Gleichwertigkeit zur offenen Operation wenn nicht gar tendenziell bessere funktionelle Ergeb-nisse sowie eine niedrigere Rate positiver chirurgischer Absetzungsränder. Im Ver-gleich zwischen offenen und laparoskopi-schen Operationstechniken sind es die Eingriffe an der Niere, die den deutlichs-ten Vorteil beim kosmetischen Ergeb-nis und postoperativen Schmerz zuguns-ten der laparoskopischen Technik bieten. Unterschiede zwischen konventionell la-paroskopischer und robotisch assistierter Vorgehensweise sind hier allerdings nicht erkennbar. Bei den urogynäkologischen Operationen müssen gar ein kosmetischer

616 |  Der Urologe 5 · 2012

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