8
IV. DIE VORKAROLINGISCHEN KÖNIGSTITEL IN BRIEFEN Die vorkarolingischen Königstitel in Briefen, „indiculi, epistolae etc." 1 ), besitzen gewisse Gemeinsamkeiten, die es erlauben, sie einerseits miteinander zu vergleichen und in einer Gruppe zu behandeln und sie andrerseits von ihren karolingischen Gegenstücken abzuheben. Die Briefe der Karolinger- zeit stammen in vielen Fällen nicht aus der Kanzlei. Als Mitteilungen von Informationen unterschieden sie sich auch formal deutlich von den Diplomen, den fränkischen Königsurkunden, die die Voraussetzungen für diese der mittelalterlichen Diplomatik vertraute Differenzierung erst geschaffen haben. Da die karolingischen Königsbriefe von Personen abgefaßt wurden, die außerhalb der Normen und Traditionen der Kanzlei standen, kann es vorkommen, daß die verwendeten Königstitel gegenüber der kanzleimäßigen Intitulatio der Urkunden stark variieren; sie haben jedoch mit dieser ge- meinsam, daß sie stets an der Spitze der Superscriptio stehen 2 ). Die vor- karolingischen Königsbriefe sind hingegen formal nur sehr schwer von den „eigentlichen" Königsurkunden der Zeit zu unterscheiden. Sie stammen auch sicher wie diese aus den „Königskanzleien" 3 ). Die dabei gebrauchten Königs- titel variieren niemals den Urkundentitel, können ihn jedoch verkürzen und sind in bezug auf ihre Stellung innerhalb der Superscriptio in keiner Weise festgelegt. Die Zahl der vorkarolingischen Königsbriefe mit echter Superscriptio ist äußerst gering. Die Sammlungen Cassiodors 4 ), des Avitus von Vienne, aber auch das Register Gregors des Großen müssen wegen ihrer nachträglichen Bearbeitung der Protokolle von unserer Betrachtung weitgehend ausge- schieden werden. Damit verliert man den überwiegenden Teil der ent- *) Classen II 33 f. Levison, Kleine Beiträge 351. 2 ) Siehe oben 20 f. (allgemein) und unten 237 ff. (besonders). Zu den karolingischen Königsbriefen siehe auch Sickel, Acta Karolinorum 1, 394 ff. Zur Intitulatio im besonderen a. a. O. 401 f. 3 ) Classen II 28 läßt diese Auslegung mittelbar zu. Vgl. oben 20 f. 4 ) Die Variae epistolae Cassiodors haben regelmäßig die Intitulatio des Ausstellers, die nur aus Xamen und Funktionstitel im Sinne des archaischen Formprinzips besteht (vgl. Roller, Das Formular der paulinischen Briefe 57 ff.), an das Ende der Superscriptio gestellt. Die Sammlung ist jedoch, was das Protokoll anlangt, stilisiert worden. Classen II 22 f. Santifaller, Die Verwendung des Liber Diurnus 244 Anm. 2, sowie Heuberger, Vandalisehe Reichskanzlei 95 und a. a. O. Anm. 192. Brought to you by | New York University Bobst Library Technical Services Authenticated Download Date | 12/9/14 3:54 AM

Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts () || IV. DIE VORKAROLINGISCHEN KÖNIGSTITEL IN BRIEFEN

  • Upload
    wolfram

  • View
    213

  • Download
    1

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts () || IV. DIE VORKAROLINGISCHEN KÖNIGSTITEL IN BRIEFEN

IV . D I E V O R K A R O L I N G I S C H E N K Ö N I G S T I T E L IN B R I E F E N

Die vorkarolingischen Königstitel in Briefen, „indiculi, epistolae etc."1), besitzen gewisse Gemeinsamkeiten, die es erlauben, sie einerseits miteinander zu vergleichen und in einer Gruppe zu behandeln und sie andrerseits von ihren karolingischen Gegenstücken abzuheben. Die Briefe der Karolinger-zeit stammen in vielen Fällen nicht aus der Kanzlei. Als Mitteilungen von Informationen unterschieden sie sich auch formal deutlich von den Diplomen, den fränkischen Königsurkunden, die die Voraussetzungen für diese der mittelalterlichen Diplomatik vertraute Differenzierung erst geschaffen haben. Da die karolingischen Königsbriefe von Personen abgefaßt wurden, die außerhalb der Normen und Traditionen der Kanzlei standen, kann es vorkommen, daß die verwendeten Königstitel gegenüber der kanzleimäßigen Intitulatio der Urkunden stark variieren; sie haben jedoch mit dieser ge-meinsam, daß sie stets an der Spitze der Superscriptio stehen2). Die vor-karolingischen Königsbriefe sind hingegen formal nur sehr schwer von den „eigentlichen" Königsurkunden der Zeit zu unterscheiden. Sie stammen auch sicher wie diese aus den „Königskanzleien"3). Die dabei gebrauchten Königs-titel variieren niemals den Urkundentitel, können ihn jedoch verkürzen und sind in bezug auf ihre Stellung innerhalb der Superscriptio in keiner Weise festgelegt.

Die Zahl der vorkarolingischen Königsbriefe mit echter Superscriptio ist äußerst gering. Die Sammlungen Cassiodors4), des Avitus von Vienne, aber auch das Register Gregors des Großen müssen wegen ihrer nachträglichen Bearbeitung der Protokolle von unserer Betrachtung weitgehend ausge-schieden werden. Damit verliert man den überwiegenden Teil der ent-

*) Classen II 33 f. Levison, Kleine Beiträge 351. 2) Siehe oben 20 f. (allgemein) und unten 237 ff. (besonders). Zu den karolingischen

Königsbriefen siehe auch Sickel, Acta Karolinorum 1, 394 ff. Zur Intitulatio im besonderen a. a. O. 401 f.

3) Classen II 28 läßt diese Auslegung mittelbar zu. Vgl. oben 20 f. 4) Die Variae epistolae Cassiodors haben regelmäßig die Intitulatio des Ausstellers,

die nur aus Xamen und Funktionstitel im Sinne des archaischen Formprinzips besteht (vgl. Roller, Das Formular der paulinischen Briefe 57 ff.), an das Ende der Superscriptio gestellt. Die Sammlung ist jedoch, was das Protokoll anlangt, stilisiert worden. Classen II 22 f. Santifaller, Die Verwendung des Liber Diurnus 244 Anm. 2, sowie Heuberger, Vandalisehe Reichskanzlei 95 und a. a. O. Anm. 192.

Brought to you by | New York University Bobst Library Technical ServicesAuthenticated

Download Date | 12/9/14 3:54 AM

Page 2: Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts () || IV. DIE VORKAROLINGISCHEN KÖNIGSTITEL IN BRIEFEN

Die Überlieferung 129

sprechenden Überlieferung, vor allem des ostgotischen und westgotischen Materials sowie alle burgundischen Königsbriefe5).

Glaubwürdige Brieftitel kennt man von dem Westgotenkönig Sisebut (612—621)«), dem Usurpator Paulus von 673'), den Frankenkönigen Theudebert I. (533—547/48) 8),TheudebaldI. (547/48—555) 9),Childebert II. (575—595)10), Dagobert I. (623—639)11), Sigibert III. (634—656)12). Außer-dem lernt man einiges über den Aufbau der Superscriptio in Königsbriefen aus den Formulae Marculfi13).

Die Form von Königsbriefen haben vier amtliche Schreiben Theode-richs, deren Intitulatio unstilisiert erhalten blieb14), sowie eine „epistola ad episcopos" Chlodwigs I., in der der König eine „einmalige Anordnung" traf15).

Während alle die genannten Dokumente in lateinischer Sprache ge-schrieben sind, kennt man aus Prokop einen griechischen Königsbrief Gelimers an Justinian. Das Problem der Echtheit dieses Schreibens muß nach den Kriterien überprüft werden, die man an den einwandfrei histori-schen Brieftiteln gewinnen kann. Es sind daher zunächst diese Kriterien zu erarbeiten und zusammenzustellen.

Die in Frage kommenden Briefe besitzen als Adressaten den Kaiser, die Bischöfe und hohe weltliche Große18). Die Stellung und der Wortlaut der Intitulatio hängt nun ganz offenkundig von der Person des Adressaten ·) Die Überschriften aus dem Register Gregors des Großen lassen sich aus der Über-

lieferung wenigstens zum Teil rekonstruieren; doch muß man dem Ergebnis eines solchen Versuches stets mit Vorsicht gegenüberstehen. So zeigen die Superscrip-tiones zahlreicher Gregorbriefe an den Kaiser (etwa Greg. Reg. I I I 61. V 30, 36 f., VI 16, 61; S. 220, 310, 317, 320) sowohl Verkürzung wie Nachstellung der kaiser-lichen Adresse, während der a. a. Ο. I 16 a; S. 17 überlieferte Brief der istrischen Bischöfe an Mauricius die volle vorangestellte Inscriptio zeigt. Wie weit man daher Reg. Greg. IX 227; 2, 220 „Domino sancto ac beatissimo papae Gregorio episcopo Recharedus" im einzelnen glauben darf, sei dahingestellt. Über die Sammlung des Λvitus sagt Classen I I 13: „Ein zuverlässig überliefertes Protokoll und Eschato-koll fehlt allen Briefen des Avitus"; vgl. Anm. 17.

·) Claesen I I 8 Anm. 30 nach Ep. Wisig. 9; S. 671. Der Brief stammt aus 616—620. NA 3, 235 n. 20. ') Iul. Tolet. Hist. Wambae S. 500; vgl. 70 f.

·) Epp. Austras. 19 f.; S. 132 f. Vgl. Anm. 9. Zu den fränkischen Königsbriefen siehe Classen I I 28 und 40. Bezüglich der fränkischen Herrscherjahre folge ich Krusch, Chronologia regum Francorum 485 ff. Zur Datierung und Interpretation der austrasischen Königsbriefe siehe Goubert, Byzance et les Francs 95 ff.

·) Ep. Austras. 18; S. 131. Vgl. Anm. 8. ,0) Ep. Austras. 25; S. 138 (an den Kaiser). 28; S. 140 (an König). 31; S. 141 (an

Bischof). 32; S. 141 (an Beamten). 33; S. 142 (an Bischof). 34; S. 142 (an Beamten). 37—39; S. 144 f. (an Beamte).

n ) Dagobert I. an Sulpicius von Bourges (630 IV 8): Vita Desiderii S. 572. I2) Desid. episcopi Cadurc. epp. I I 9; S. 207. I I 17; S. 212; vgl. Anm. 8. ") I 6; S. 46 ist zu vergleichen mit I 5; S. 45. Weitere Briefe oder briefähnliche

Dokumente sind I 9 f.; S. 48, I 26 f.; S. 59, I 28 f.; S. 60. ») Classen I I 18 Anm. 94. ,s) Cap. 1, η. 1; S. 1; zur Beurteilung des Schriftstückes siehe Classen I I 28 Anm. 128. ") Siehe die Anm. 4 bis 15. Die im Obertext getroffene Aussage betrifft auch die amt-

lichen Schreiben Theoderichs und Chlodwigs. 9 Wolfram, Intitulatio I

Brought to you by | New York University Bobst Library Technical ServicesAuthenticated

Download Date | 12/9/14 3:54 AM

Page 3: Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts () || IV. DIE VORKAROLINGISCHEN KÖNIGSTITEL IN BRIEFEN

130 IV. Die vorkarolingischen Königstitel in Briefen

ab: Mit Ausnahme des Gelimer-Briefes ist keine königliche Intitulatio be-kannt, die in einem Königsbrief an den Kaiser ursprünglich vor der Inscrip-tio gestanden wäre17). Unter Einschluß des Gelimer-Briefes gibt es keinen derartigen Königstitel, der in einem Brief an den Kaiser die ethnische Bereichsbezeichnung hätte1 8) . Derselben Ordnung sind die Königsbriefe unterworfen, die für die Mitglieder des Episkopats bestimmt waren19). Das wenige Material, das auf die Form der Briefe schließen läßt, die die Könige untereinander als Freundschaftsbeweise austauschten, zeigt die Nachreihung der Intitulatio, aber nicht immer die Unterdrückung der ethnischen Be-reichsbezeichnung80). Die Briefe der Frankenkönige an in- und ausländische Würdenträger weltlichen Standes beginnen hingegen mit ,,N. rex Fran-corum" in den tatsächlich ausgefertigten Schreiben und mit „Ille rex" bei Markulf21). Für das Westgotenreich wie für das Regnum Langobardorum fehlt jede vergleichbare Überlieferung.

In den vier amtlichen Schreiben Theoderichs, unter denen drei für die Synode von Rom des Jahres 501 bestimmt waren und eines am 11. März 507 an den Senat gerichtet wurde, stehen zwei Intitulationes vor und zwei nach der Inscriptio. Im letzten Fall, der im Brief an den Senat und in der Prae-

" ) Die sechs burgundischen Köngisbriefe der Sammlung des Avitus (vgl. Anm. 5) folgen scheinbar nicht dieser Regel; ihre Überschriften sind aber stilisiert, wie etwa auch der völlig unmögliche Königstitel „domnus Gundobadus rex" (Aviti ep. 21; S. 54) zeigt. Daher reihen auch nicht einmal die Briefe an den Kaiser (a. a. O. 78. 93 f.; S. 93 und 100 f.) die Intitulatio hinter die Inscriptio, die überdies stark verkürzt wurde (vgl. etwa auch Anm. 4, zum Reg. Greg.).

18) Von dieser Regel schließen sich auch die burgundischen Königsbriefe nicht aus; vgl. Anm. 17.

" ) Classen I I 40 Anm. 184 sah bereits diesen Zusammenhang; ebenso bemerkte er, daß diese Regel nicht gilt, sobald Bischöfe und Laien gemeinsam adressiert werden. Sie trifft aber auch nicht zu, wenn der fränkische König mit einem „preceptum" (Form. Marc. I 5; S. 45) an die Bischöfe herantritt. Wie ein Vergleich des „Inde-colum regis ad episcopum" (a. a. Ο. I 6; S. 46: „Domino sancto . . . in Christo patri illo episcopo ille rex" und ebenso I 26 f.; S. 59) mit dem „Indecolum ad laicum" (a. a. O. 29; S. 60: „Ille rex vir inlustris illo") lehrt, tritt die Nachreihung der königlichen Intitulatio hinter die Titulatur des Adressaten eben nur im Brief, „indecolum", an den Bischof auf und nicht in der eigentlichen Urkunde, dem „preceptum". Zur Verwendung einer ethnischen Bereichsbezeichnung im Testa-ment Dagoberts I. siehe Anm. 43.

!0) Epp. Austras. 27 f.; S. 671. Die Ausnahme bezüglich der ethnischen Bereichs-bezeichnung macht Ep. Wisigoth. 9; S. 671, was wohl mit praktischen Gründen und dem Wunsch nach sinnvoller Gleichrangigkeit zu erklären sein wird. Die Formel „illo regi ille rex" tritt Form. Marc. I 9 f.; S. 48 auf; auch hier handelt es sich um „indecoli". Dazu vgl. Anm. 1. Die Anm. 7 genannte Invektive des Paulus gegen den Westgotenkönig Wamba hält sich verständlicherweise nicht an die Höflichkeitsformel.

») Epp. Austras. 32; S. 141, 34; S. 142, 37—39; S. 144 f. Siehe oben 108 Anm. 2; dort auch zur Datierungsfrage. Zur Formel „Ille rex vir inlustris illo" siehe Form. Marc. I 29; S. 60 (vgl. Anm. 19). In den Formulae Marculfi gibt es aber nur einen Titel „Ille rex Francorum"; die der eigentlichen Sammlung angehörenden For-mulare lassen die ethnische Bereichsbezeichnung der Intitulatio mit einer einzigen Ausnahme (I 39; S. 68) aus.

Brought to you by | New York University Bobst Library Technical ServicesAuthenticated

Download Date | 12/9/14 3:54 AM

Page 4: Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts () || IV. DIE VORKAROLINGISCHEN KÖNIGSTITEL IN BRIEFEN

Die Anordnung der Intitulatio innerhalb der Superscriptio 131

ceptio regis I I I missa ad synhodum vom 8. August 501 vorliegt, wird ein-mal, nämlich 507, der volle Titel „Flavius Theodericus rex", das andere Mal nur „Theodericus rex" gebraucht22). Diese Form entspricht dem nachge-stellten „Odovakar rex" in der Schenkungsurkunde an Pierius, aber auch allen Überschriften, die Cassiodor stilisierte23). Die „einmalige Anordnung" Chlodwigs an die Bischöfe seines Reiches zeigt ebenfalls den der Inscriptio nachgereihten Titeltypus „N. rex"24). Die stärkste Verkürzung einer nach-gestellten Intitulatio, die ein Königsbrief aufweist, soll nach dem Register Gregors des Großen der Westgotenkönig Rekkared I. vorgenommen haben, der überhaupt nur seinen Namen nannte25). Es erhebt sich nun die Frage nach der Herkunft und damit zugleich auch nach der Bedeutung von Titel-form und Titelstellung im Rahmen der Superscriptio.

Die Nachreihung der Intitulatio innerhalb der Überschrift folgt der Tradition der spätantiken Behördenkanzleien; „in Briefen an Höherstehende setzten Beamte oft ihre Intitulatio hinter die Adresse"26), was die Stellung der Königstitel in den Briefen an den Kaiser erklärt. Die Intitulatio, die die Könige in den Briefen an den Papst und die Bischöfe gebrauchten, ist aber ebenfalls nachgereiht und besitzt auch denselben Wortlaut wie in den Briefen an den Kaiser. Man sieht, daß die Frankenkönige im Verkehr mit dem Epis-kopat genau zwischen Urkundentitel und Brieftitel unterscheiden ließen. Im Diplom, also dort, wo sie zu befehlen hatten, steht der volle Titel vor der Adresse, während die Bitte und einfache Mitteilung mit der Inscriptio des bischöflichen Adressaten beginnt27).

Die Ursache dafür, daß die Könige dem Kaiser und den Bischöfen den-selben Ehrenplatz an der Spitze ihrer Briefe zustanden, dürfte in ihrem Selbstverständnis als „filii" des Augustus wie der Bischöfe liegen. Fast alle der überlieferten Adressen enthalten die Anrede „dominus" und die Be-zeichnung „pater" oder „papa"28).

" ) Classen II 18 Anm. 94. «) A. a. 0 . 18. ») Wie Anm. 15. *5) Wie Anm. 4 (Reg. Greg. I X 227; 2, 220). 2S) Classen I 80 und a. a. O. Anm. 398. Roller 422—425; bes. 424. " ) Vgl. Form. Marc. I 5; S. 46: „. . . Qua de re statuta presentibus ordinavimus,

ut . . . " (Preceptum de episcopatum: „Ille rex vero apostolico illo episcopo). I 6; S. 46, I 26 f.; S. 59 f.: „. . . petimus . . .". Von den drei Indiculi haben die zwei letztgenannten eine Formel, wodurch der Empfänger aufgefordert wird, für den Fall, daß er die Bitte des Königs nicht erfüllen will, dies in einem „responsum" zu begründen.

28) Die in Anm. 27 genannten drei „indiculi" haben in der Adresse „patri". Ebenso die in den Anmerkungen 4 (Rekkared, papae) und 8: unter diesen beiden Briefen Theudeberts I. befindet sich das berühmte Schreiben des Franken an Justinian (ep. Austras. 20; S. 133). Obwohl der Frankenkönig, der nach seinen Erfolgen in Italien mit dem Hoheitstitel „augustus" operierte — vgl. Bucklisch, Augustus 27. Zöllner, Frank. Geschichte. — in diesem Brief von seiner „maiestas" spricht (Ewig, Königsgedanke 18 Anm. 44), hat er es nicht verabsäumt, die kaiserliche Adresse ausführlich zu fassen und den Kaiser als „pater" anzusprechen. Dazu vgl. Helm, Untersuchungen über den auswärtigen diplomatischen Verkehr 386: „Theoderich, Athalarich, Sigismund von Burgund und die Könige der Franken Theodebert I. und Childebert II. bezeichneten den Kaiser auch als ihren Vater."

9*

Brought to you by | New York University Bobst Library Technical ServicesAuthenticated

Download Date | 12/9/14 3:54 AM

Page 5: Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts () || IV. DIE VORKAROLINGISCHEN KÖNIGSTITEL IN BRIEFEN

132 IV. Die vorkarolingischen Königstitel in Briefen

Rekkared I. soll, wie gesagt, die Voranstellung der Inscriptio mit der bloßen Namensnennung verbunden haben. Diese Kurzform kommt aus dem spätantiken Privatbrief29). Der Exarch Bomanus gebrauchte im Antwort-brief an Childebert II. die Überschrift „Domino excellentissimo atque praecellentissimo Childebertus regis (sic) Francorum Romanus30)." Auch der kaiserliche Patrizius Venantius ordnete seine Intitulatio, in der aller-dings noch „patricius" vorkommt, einer umfangreichen und mit der eben genannten vergleichbaren Titulatur des Königs nach31). Hingegen hatte derselbe Childebert II. an den Personenkreis, dem sowohl Romanus als auch Venantius angehörten32), als „rex Francorum" geschrieben, der die weltli-chen Großen erst nach der Nennung seines Titels nannte. Dadurch trat er den höchsten Mitgliedern der magistratischen Hierarchie gegenüber und auch von diesen anerkannt wie ein spätrömischer Oberbeamter auf33). Seine Inscriptio wird nur im Kaiserbrief der Intitulatio des Ausstellers nachge-reiht34). Sonst steht der König, wie ja auch das „frühmittelalterliche Schul-heft vom Ämterwesen" lehrt35), als „rex" über allen weltlichen Machthabern mit Ausnahme des Kaisers selbst. Diesem billigte hingegen er wieder den Ehrenvorrang zu, den er auf die Mitglieder des Episkopats ausdehnte, weil auch sie seine „Herren" und „Väter" sind. Untereinander wenden die Könige ebenfalls diese Form an, wenn sie einander nicht beleidigen wollen34). Man wird in der Nachreihung der Intitulatio in dieser Art von Briefen einen Ausdruck gegenseitiger Hochachtung erblicken.

Die nachgestellte Intitulatio lautet in den meisten Fällen ,,N. rex". Eine Ausnahme davon bildet die Intitulatio Sisebuts im Brief an den Lango-bardenkönig Adaloald37). Der Westgotenkönig nennt den anderen seinen „Herrn" und „Bruder". Beide sind „flavische" Könige; gerade darum aber gebraucht Sisebut, wie ich meine, nicht die gewöhnliche Intitulatio. Der gentile Königstitel der Langobarden gibt den Wortlaut für die Inscriptio ab, während Sisebut auf die stets vorhandene Möglichkeit der westgotischen Politik38) auswich, eine gentile Intitulatio zu wählen. Denn sowohl bei den Goten wie bei den Langobarden repräsentierte anscheinend der Namenstitel „Flavius" einen theoretisch-politischen Anspruch auf „universale" Gültig-keit, so daß nicht zwei „Flavii reges" nebeneinander auftreten konnten39).

Vgl. ders. 385 Anm. 3 und Goubert, Byzance 131. Zur Anrede der Bischöfe als „patres" siehe weiters die Anm. 11 und 12.

") Siehe Roller, Das Formular der paulinischen Briefe 57. s») Ep. Austras. 41; S. 147. al) A.a.O. 39; S. 145. ®2) Siehe die oben Anm. 21 genannten Briefe. Unter den Adressaten, die in dieser

Weise angesprochen werden, befindet sich auch der Vater des Kaisers selbst. Ein mögliches Schreiben an den Exarchen erschließt Goubert, Byzance et les Francs 158.

S3) Zur Originalüberlieferung der entsprechenden Dokumente siehe Brandl Archiv für Urkundenforschung 5, 277. Mallon, Paliographie Romaine pi. XXVII. Kresten, Auszeichnungsschriften 17 Anm. 28.

M) Ep. Austras. 42; S. 148. 8S) Beyerle, Das frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen 6 f., 18 ff. M) Siehe Anm. 7 und 10 Anm. 4. »') Wie Anm. 6. »•) Siehe oben 77f. ">) Siehe oben 71 und Anm. 91.

Brought to you by | New York University Bobst Library Technical ServicesAuthenticated

Download Date | 12/9/14 3:54 AM

Page 6: Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts () || IV. DIE VORKAROLINGISCHEN KÖNIGSTITEL IN BRIEFEN

Die Abhängigkeit des Wortlautes von der Anordnung der Intitulatio 133

Außer Sisebut hatte aber schon Theoderich eine unverkürzte, in diesem Fall jedoch flavische Intitulatio der Inscriptio nachgestellt. Dieser Sach-verhalt zerstört auch darum das Schema, das die Analyse der fränkischen Königsbriefe so eindeutig ergab, weil hier weltliche Große in der Adresse genannt werden. Allerdings halte ich diesen Widerspruch doch nur für einen scheinbaren; denn wenn diese „weltlichen Großen" den Senat repräsentieren, wenn „Domitori orbis, praesuli et reparatori libertatis senatui urbis Romae Flavius Theodericus rex" geschrieben wird40), dann hat man eben hier einen Akt der „Höflichkeit" aus „staatspolitischen" Gründen gesetzt und gleich-zeitig nicht darauf verzichtet, das flavische Königtum des Amalers zu be-tonen.

Hingegen hat unter den drei „praeceptiones" Theoderichs an die Bischöfe eine einzige die Intitulatio nachgereiht und auch auf den Typus „N. rex" verkürzt. Es tritt also hier derselbe Typus auf, den Odoaker seinem „frater" Pierius gegenüber anwendete41). Da auch Cassiodor die Form „Adresse—Name—Funktion" zur Regel seiner umstilisierten Überschriften machte, könnte es sein, daß sich die gotische „Staatskanzlei" stets mehrere Möglichkeiten für eine flexible „Politik" der Superscriptiones offenhielt. Das eben entwickelte Schema der fränkischen Königsbriefe hätte hingegen das Ergebnis eines Prozesses dargestellt, der auf der anderen Seite zu den „stereo-typen Formeln merowingischer Diplome"42) führte.

Eine scheinbare Ausnahme macht jedoch das Testament Dagoberts I., in dem zwar die angeredeten Bischöfe vor der Intitulatio genannt werden, diese jedoch „Dagobertus rex Francorum" lautet. Das Stück, das als Ab-schrift erhalten blieb, gilt freilich als höchst verdächtig. Aber selbst wenn seine Superscriptio echt sein sollte, so hat doch W. Levison gezeigt, daß das Testament nicht die Form eines Königsbriefes, sondern den Aufbau privater Urkunden nachahmt43).

Art und Umfang der Überlieferung zwingen schließlich dazu, die Frage, warum die nachgereihte Intitulatio zugleich auch verkürzt wurde, zu modifi-zieren. Sie hat vielmehr zu lauten: Warum stößt die Intitulatio, die in den Briefen der Frankenkönige nach der Inscriptio steht, die ethnische Bereichs-bezeichnung ab, während sie doch mit dem Urkundentitel „N. rex Franco-rum" identisch ist, sobald sie an der Spitze des Königsbriefes genannt wird ?

Der Vergleich mit der antiken Tradition44) wie mit den Briefen der Zeit lehrt45), daß die Nachordnung der Intitulatio fast immer eine Veränderung, zumeist auch eine Verkürzung des Titelwortlautes erforderte. Diesem for-malen Prinzip blieben die fränkischen Königskanzleien treu. Die nachge-«) Classen II 18 Anm. 94; vgl. Anm. 22. " ) Wie Anm. 40 und Anm. 22 f. «) Classen II 86. " ) DMsp. 39. Levison, Kleine Beiträge 350 ff. Classen II 30 Anm. 153. " ) Siehe Classen I 80 Anm. 398 und die dort verzeichneten Briefe. Roller 424 f. 45) Siehe etwa die Überschriften der Briefe, die in den von Santifaller, Die Verwendung

des Liber Diurnus 245, verzeichneten Sammlungen aus dem 5.—7. Jahrhundert erhalten blieben.

Brought to you by | New York University Bobst Library Technical ServicesAuthenticated

Download Date | 12/9/14 3:54 AM

Page 7: Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts () || IV. DIE VORKAROLINGISCHEN KÖNIGSTITEL IN BRIEFEN

134 IV. Die vorkarolingischen Königstitel in Briefen

stellte Formel „N. rex" bedeutete in diesem Fall die Anerkennung des kaiserlichen wie bischöflichen Ehrungsvorranges, wozu eben die antike Höflichkeitsform bestens geeignet schien49).

Den erwähnten Königsbriefen gegenüber nimmt das Schreiben Gelimers an Justinian einen besonderen Platz ein. Erstens ist es innerhalb einer lite-rarischen Darstellung überliefert, die ein Autor verfaßte, der seine Helden im Sinne der rhetorischen Stilprinzipien Briefe schreiben läßt47). Wie das Bellum Vandalicum, so ist selbstverständlich auch der Gelimer-Brief in griechischer Sprache geschrieben, während die Korrespondenz der Ger-manenkönige, soweit man sie kennt, lateinisch abgefaßt war48). Es ergibt sich daher zweitens ein, was den authentischen Wortlaut der möglichen Intitulatio anlangt, nicht zu unterschätzendes Übersetzungsproblem. Drit-tens enthält unter den von Prokop mitgeteilten Briefen allein der des Van-dalenkönigs eine Superscriptio, so daß man sie mit keinem Gegenstück ver-gleichen und auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüfen kann. Viertens ver-stößt ihr Wortlaut Βασιλεύς Γελίμερ ' Ιουστινιανω βασιλεΐ nicht nur gegen die „Etikette", was vom Briefinhalt her noch verständlich wäre49), sondern die kurze zweigliedrige Superscriptio weicht auch bezüglich der kaiserlichen Titulatur in der Adresse von den vergleichbaren Schriftstücken stark ab50). Zum fünften erkennt man, daß diese Überschrift in Form eines Chiasmus aufgebaut ist51). Die Verwendung einer rhetorischen Figur in einer Urkun-denformel muß an sich zwar nicht deren Glaubwürdigkeit schwächen52). Aber eine literarische Darstellung, die den Inhalt ihrer Aussage den Prin-zipien der Form ungleich leichter unterwirft als die „Urkunde" selbst, ver-ringert freilich das Vertrauen in die von ihr allein mitgeteilte „Urkunde", wenn man besonders in ihren festen Formeln allzuviel Rhetorik findet. ") Kaiser Mauritius schreibt an Childebert II. und nennt den König „vir gloriosus

rex Francorum" (Ep. Austras. 42; S. 148). Die Briefe der Frankenkönige an die Kaiser (Anm. 8—10) enthalten die nachgestellte Formel „N. rex". Sollte die Unterdrückung der ethnischen Bereichsbezeichnung im Verkehr mit Byzanz einen ähnlichen Sachverhalt meinen wie der flavische Titel der italischen Könige, dann wäre nicht einzusehen, warum etwa dem Vater des Kaisers und den übrigen weltlichen Großen an dessen Hof von einem „rex Francorum" geschrieben wurde, während die ebenfalls dort tätigen geistlichen Würdenträger dieselbe Anrede seitens eines „N. rex" erhalten wie der Kaiser. Eine Form übrigens, die die Franken-könige auch ihren eigenen Bischöfen gegenüber gebrauchten. Die nachgestellte Intitulatio „N. rex" kann daher, wie Goubert, Byzance et les Francs 130 f., ver-mutete, nur ein Zeichen der Ehrerbietung sein.

*') Proc. bell. Goth. I 9, 20 ff. Classen II 5 und a. a. 0 . 20. Courtois, Les Vandales 245 scheint den Titel ernstzunehmen. Zum Stilprinzip des Briefes siehe Norden, Kunstprosa 88 Anm. 1. Vgl. oben 81 Anm. 28.

**) Die von Helm, Untersuchungen 385 f., gebotenen Ergebnisse setzen einen lateini-schen Briefwechsel des Kaisers mit den Königen der Germanen voraus.

") Wie Anm. 47: Gelimer bezeichnet die „Ermahnungen", die Justinian durch seine Gesandten vortragen läßt, als Einmischungen in die inneren Angelegenheiten seines Reiches und weist sie samt und sonders zurück.

60) Reg. Greg. 116 a; S. 17 (wie Anm. 4) und die Briefe an den Kaiser (wie Anm. 8—10). 51) Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik 1, 361; § 723. ") Vgl. etwa Fichtenau, Rhetorische Elemente 39 ff.

Brought to you by | New York University Bobst Library Technical ServicesAuthenticated

Download Date | 12/9/14 3:54 AM

Page 8: Lateinische Königs- und Fürstentitel bis zum Ende des 8. Jahrhunderts () || IV. DIE VORKAROLINGISCHEN KÖNIGSTITEL IN BRIEFEN

Ein vandalischer Königebrief 135

An der Intitulatio Gelimers ist der Sachverhalt echt, daß im Königs-brief an den Kaiser keine ethnische Bereichsbezeichnung gebraucht wird. Nur relativ richtig ist hingegen die Voranstellung des Funktionstitels vor den Namen des Titelträgers. Sie wird zwar im Urkundentitel des Vandalen-königs Hunerich bezeugt53); aber die Form „Basileus N." besitzt in den griechisch überlieferten Kaiserbriefen zahlreiche Gegenstücke54). Und damit wurde auch bereits das Vorbild genannt, woraus der Gelimer-Brief bei Prokop zu verstehen ist. Die lapidare Kürze der hier gebrauchten Superscriptio kommt aus dem „klassischen" Kaiserbrief55). Als einen solchen hat Prokop jenen vandalischen Königsbrief auch überliefert. Einmal vom Inhalt her, indem er Gelimer an Justinian wie einen Souverän an den andern schreiben läßt. Das andere Mal, was die Superscriptio betrifft, in der ein βασιλεύς den andern anspricht. Mag Prokop das Wort βασιλεύς auch noch so frei und vielseitig verwenden; in der Superscriptio dieses Briefes kann er nur aus-drücken wollen, daß der Vandalenkönig dem Kaiser wie seinesgleichen gegenübertritt5®).

Man könnte daher vielleicht sagen: Prokop hatte die Absicht, das „bellum iustum" des Kaisers gegen den vandalischen Usurpator, der nicht nur die Nachfolgeordnung Geiserichs, sondern auch das Imperium selbst störte, zu demonstrieren. Er kannte den Gesandtschaftswechsel zwischen Konstantinopel und Karthago und wohl auch die dabei vorgetragenen Instruktionen57). Möglicherweise hatte Prokop auch einmal einen vandali-schen Königstitel gesehen, der die Funktion vor dem Königsnamen nannte. Dazu kam der Wunsch, einen klassischen Kaisertitel zu gebrauchen, um den Einbruch Gelimers in die überkommene Tradition noch stärker hervor-treten zu lassen. Die gefällige Figur eines Chiasmus konnte der formalen Fiktion ein ansprechendes Äußeres verleihen. „Tant de choses en deux mots ?", wird vielleicht der Leser, skeptischer noch alsM.Jourdain, sagen, hört er die vielen Möglichkeiten, die eben vorgetragen wurden. Doch der Brief-titel Βασιλεύς Γελίμερ gibt, da er allein durch Prokop überliefert wird, nur Anlaß zu Hypothesen. " ) Vgl. Classen II 5 Anm. 20; siehe oben 79 Anm. 22. " ) Roller 56 ff. " ) Vgl. Roller 57. 5") Zur ungenauen Terminologie bei Prokop siehe etwa Helm, Untersuchungen 383

Anm. 2. Wickert, Princeps col. 2127. Ensslin, Theoderich 112. Vgl. 10 Anm. 4: Brief Schapurs II.

" ) Courtois, Les Vandales et l'Afrique 244 f.

Brought to you by | New York University Bobst Library Technical ServicesAuthenticated

Download Date | 12/9/14 3:54 AM