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VARUS-KURIER 1 „Die Erfindung aber, mit Hilfe der Gewichte der Schnellwaagen und anderer Waagen das Gewicht zu prüfen, schützt das Leben vor Übervorteilung durch Minderung des Gewichts“ (Vitruv, de arch. 10,1,6) Zu den Funden aus den Grabungen in Kalkriese im Jahr 2000 gehört ein gut erhaltenes Laufgewicht einer „Schnellwaage“ oder „Laufgewichts- waage“, welches auch das Deckblatt des von der „Varus-Gesellschaft“ zum Jahr 2008 herausgegebenen Kalen- ders schmückt (Abb. 1). Der Fund stammt aus Schnitt 32 und ist unter der Fundnummer 24728 registriert. Wie die Abbildung zeigt, handelt es sich um ein kugelförmiges Gewicht mit einem um die Mitte durch dop- pelte Punzen angedeuteten Schmuck- ring. Am oberen Ring, gleichsam dem Halsansatz, befindet sich ein glockenförmiger, zweifach abgesetz- ter Aufsatz, darüber die auf flachem Deckel angebrachte massive Öse. Das perfekt gegossene Gewicht weist einen größten Durchmesser von 4,7 cm, am Hals einen solchen von ca. 1,6 cm auf, was also ziemlich genau einem Drittel des Durchmessers der Kugel entspricht. Die Gesamthöhe beträgt 7,5 cm. Das im Verhältnis zur Größe beachtlich erscheinende Ge- wicht von 558 g erklärt sich dadurch, dass die Kugel aus einem Bleikern mit Bronzeüberzug besteht. In die Öse eingefügt wurde eine aus stärkerem Bronzedraht in durchaus üblicher Weise gefertigte Aufhängung, die in einer Schlinge endet. In der Länge misst sie wie das eigentliche Gewicht 7,5 cm und wiegt ihrerseits 8 g. Mit der Schlinge wurde das Gewicht auf dem Waagbalken der Schnellwaage, die durch unterschiedliche Armlän- gen dieses Balkens charakterisiert ist, auf der Seite des Gewichtsarmes be- festigt und konnte dort in seiner Po- sition verschoben werden. Augenfällig sind die Gebrauchs- spuren, welche besonders an der Öse des Gewichts erkennbar sind, die am oberen Ende, wo die Aufhängung eingepasst wurde, fast schon durch- gerieben ist. Ob der Draht ursprüng- lich zum Gewicht gehörte, ist ange- sichts der außergewöhnlich quali- tätsvollen Ausführung des Gewichts selber nicht ganz sicher, aber durch- aus möglich. Von der Waage selber, insbesondere von dem Waagebalken und seiner Aufhängung, hat sich nichts erhalten. So sind alle Überlegungen zu Größe, Skala, Messbereich und Gestaltung weitgehend hinfällig oder mit großen Unsicherheiten verbunden. Bevor aber die römische Schnellwaage mit einigen mehr oder weniger vollstän- digen Exemplaren vorgestellt wird, muss noch auf ein auffälliges und letztlich nicht völlig sicher zu deu- tendes Detail eingegangen werden, VARUS-GESELLSCHAFT VARUS-KURIER ZUR FÖRDERUNG INFORMATIONEN FÜR FREUNDE UND FÖRDERER DES PROJEKTS KALKRIESE LAUFGEWICHT EINER WAAGE AUS KALKRIESE SCHUTZGEBÜHR 2,50 EUR 13. JAHRGANG-1 / DEZEMBER 2007 DER VOR- UND FRÜHGESCHICHTLICHEN AUSGRABUNGEN IM OSNABRÜCKER LAND E.V. 9 INHALT Laufgewicht einer Waage aus Kalkriese 1 Wallverlauf weiter konkretisiert 4 Navis lusoria 12 Überraschung in Venne 6 Vergleich zu Haltern 8 Kalkriese 3 20 Erfolgreiches Sponsoring 22 Internationaler Kongress 2009 24 Erkenntnisse in Hesselte 10 Feuer, Urnen, Gräber 14 15 Jahre Varus-Gesellschaft 18 2000 Jahre Varusschlacht 16 Abb. 1: Laufgewicht einer Waage aus Kalkriese; Blei mit Bronzeüberzug.

LAUFGEWICHT EINER WAAGE AUS KALKRIESE143.50.35.144/documents/Varus-Kurier_9.pdfVARUS-KURIER 3 Abb. 5: Dreifachhaken zur Befestigung der Last aus Kalkriese. Literatur: · Franken, N.,

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VARUS-KURIER 1

„Die Erfindung aber, mit Hilfe der Gewichte

der Schnellwaagen und anderer Waagen das

Gewicht zu prüfen, schützt das Leben vor

Übervorteilung durch Minderung des Gewichts“

(Vitruv, de arch. 10,1,6)

Zu den Funden aus den Grabungenin Kalkriese im Jahr 2000 gehört eingut erhaltenes Laufgewicht einer„Schnellwaage“ oder „Laufgewichts-waage“, welches auch das Deckblattdes von der „Varus-Gesellschaft“ zumJahr 2008 herausgegebenen Kalen-ders schmückt (Abb. 1). Der Fundstammt aus Schnitt 32 und ist unterder Fundnummer 24728 registriert.

Wie die Abbildung zeigt, handelt essich um ein kugelförmiges Gewichtmit einem um die Mitte durch dop-pelte Punzen angedeuteten Schmuck-ring. Am oberen Ring, gleichsamdem Halsansatz, befindet sich einglockenförmiger, zweifach abgesetz-

ter Aufsatz, darüber die auf flachemDeckel angebrachte massive Öse.Das perfekt gegossene Gewichtweist einen größten Durchmesser von4,7 cm, am Hals einen solchen von ca.1,6 cm auf, was also ziemlich genaueinem Drittel des Durchmessers derKugel entspricht. Die Gesamthöhebeträgt 7,5 cm. Das im Verhältnis zurGröße beachtlich erscheinende Ge-wicht von 558 g erklärt sich dadurch,dass die Kugel aus einem Bleikern mitBronzeüberzug besteht. In die Öseeingefügt wurde eine aus stärkeremBronzedraht in durchaus üblicherWeise gefertigte Aufhängung, die ineiner Schlinge endet. In der Längemisst sie wie das eigentliche Gewicht7,5 cm und wiegt ihrerseits 8 g. Mitder Schlinge wurde das Gewicht aufdem Waagbalken der Schnellwaage,die durch unterschiedliche Armlän-gen dieses Balkens charakterisiert ist,auf der Seite des Gewichtsarmes be-festigt und konnte dort in seiner Po-sition verschoben werden.

Augenfällig sind die Gebrauchs-spuren, welche besonders an der Ösedes Gewichts erkennbar sind, die amoberen Ende, wo die Aufhängungeingepasst wurde, fast schon durch-gerieben ist. Ob der Draht ursprüng-lich zum Gewicht gehörte, ist ange-sichts der außergewöhnlich quali-tätsvollen Ausführung des Gewichtsselber nicht ganz sicher, aber durch-aus möglich.

Von der Waage selber, insbesonderevon dem Waagebalken und seinerAufhängung, hat sich nichts erhalten.So sind alle Überlegungen zu Größe,Skala, Messbereich und Gestaltungweitgehend hinfällig oder mit großenUnsicherheiten verbunden. Bevoraber die römische Schnellwaage miteinigen mehr oder weniger vollstän-digen Exemplaren vorgestellt wird,muss noch auf ein auffälliges undletztlich nicht völlig sicher zu deu-tendes Detail eingegangen werden,

VARUS-GESELLSCHAFT

VARUS-KURIER

ZUR FÖRDERUNG

INFORMATIONEN FÜR FREUNDE UND FÖRDERERDES PROJEKTS KALKRIESE

LAUFGEWICHT EINER WAAGE AUS KALKRIESE

SCHUTZGEBÜHR 2,50 EUR 13. JAHRGANG-1 / DEZEMBER 2007

DER VOR- UND FRÜHGESCHICHTLICHEN AUSGRABUNGEN IM OSNABRÜCKER LAND E.V.

9

INHALTLaufgewicht einer Waageaus Kalkriese 1

Wallverlauf weiterkonkretisiert 4

Navis lusoria 12

Überraschung in Venne 6

Vergleich zu Haltern 8

Kalkriese 3 20

Erfolgreiches Sponsoring 22

InternationalerKongress 2009 24

Erkenntnissein Hesselte 10

Feuer, Urnen, Gräber 14

15 Jahre Varus-Gesellschaft 18

2000 JahreVarusschlacht 16

Abb. 1: Laufgewicht einer Waage ausKalkriese; Blei mit Bronzeüberzug.

Varus-Kurier 17.12.2007 15:02 Uhr Seite 1

Page 2: LAUFGEWICHT EINER WAAGE AUS KALKRIESE143.50.35.144/documents/Varus-Kurier_9.pdfVARUS-KURIER 3 Abb. 5: Dreifachhaken zur Befestigung der Last aus Kalkriese. Literatur: · Franken, N.,

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Abb. 2: Schnellwaagen aus Arxtham undEining / Raetien.

Abb. 3: Gewichte aus Kalkriese.

nämlich auf die auf dem oberen Teilder Kugel recht sorgfältig eingepunz-ten Zeichen, die auf zwei Reihenverteilt sind. Unschwer zu erkennenist XXX als Zahlzeichen für 30.Darüber befinden sich in Ligatur dieBuchstaben A und P, wobei P mitkleinem offenem Bogen angeschlos-sen ist. Die Art der Punzierung weisteine deutliche Übereinstimmungmit derjenigen des umlaufendenBandes auf, was dafür spricht, dassbeide gleichzeitig aufgebracht wur-den. Es handelt sich also kaum umeine sekundäre Nutzerangabe, diegrundsätzlich nicht unüblich wäre.

Eine genaue Parallele zu unseremGewicht ist gemäß den gängigen Pub-likationen nicht bekannt, obwohl

kugelige Gewichte gerade auch umdie Zeitenwende im Gebrauch waren.Grundsätzlich weisen römische Ge-wichte auch für Schnellwaagen ganzunterschiedliche Formen auf undkönnen nicht selten den Meister-werken römischer Gestaltungskunstzugerechnet werden (Abb. 2). Bis-weilen sind sie als Bildnis (Büste) einerGottheit (z.B. Merkur, Juno oderCeres) gestaltet, allerdings sind figür-liche Laufgewichte gegenüber unfi-gürlichen in der Zeit, aus der unsereWaage gemäß den Fundumständenstammen muss, noch deutlich in derMinderzahl. Verschieden war auchdas verwendete Material für die Ge-wichte wie diverse Steinarten oderMetalle, wobei das höhere spezifi-sche Gewicht von Metall in der Re-gel wegen der dann geringerenGröße des Gewichts Vorteile mit sichbrachte. Diesen Zweck erfüllte auchdas Kalkrieser Stück mit seinem Blei-kern. Die Ummantelung in Bronzeerfolgte der Optik wegen, was einVergleich mit weiteren Gewichtenaus dem Kalkrieser Fundgut (Abb. 3)besonders deutlich macht. Im Übri-gen konnten auch die skaliertenWaagearme aus verschiedenen Mate-rialien gefertigt sein, nachgewiesensind nicht zuletzt auch solche ausHolz; in unserem Fall bestand der-selbe zweifellos aus Metall.

Die Zahl XXX kann sich sinnvollnur auf eine Maßangabe im Hinblickauf das zu wiegende Gut („Last“)

beziehen, wie solches auch vonanderen Gewichten bekannt ist, wogelegentlich auch P für p(ondo) hin-zugefügt ist. Während aber Zahl-und Maßangaben unterschiedlicherGröße häufig auf Gewichten nach-zuweisen sind – darunter auch XXXwie etwa auf zwei in Lyon undOrléans befindlichen Exemplaren(CIL XIII 10030,40) –, ist die Ab-kürzung A und P in Ligatur unse-rem Wissen nach anderweitig nichtbelegt. Es liegt aber nahe, auch hierP als Abkürzung für p(ondo) (= Ge-wicht) zu verstehen, in A sehen wirdas Symbol für libra („Pfund“), wie esallerdings erst für die spätere römischeZeit mit Bezug zum griechischenBuchstaben Lambda gesichert zu seinscheint. Jedenfalls ergibt sich somiteine sinnvolle Bezugsgröße von 30librae Gewicht gemäß der Punzin-schrift.Die Zahl 30 kann sich aber nichtauf das reale Gewicht der Kugelbeziehen, das zusammen mit derDrahtschlinge 566 g beträgt. Da dieKugel bis auf den Abrieb der Ösevollständig ist, sei ein Näherungs-wert von ursprünglich 573 g ange-nommen, was 1,75 librae entspricht.Für die in Frankreich befindlichenGewichte mit der Angabe XXX be-tragen die gemessenen Werte 250,5bzw. 255 g. Allerdings ist unklar, obhier eine Aufhängung vorhandenund eingerechnet ist. Auch in diesenFällen können aktuelles Gewichtund Zahl nicht unmittelbar aufein-Abb. 4: Funktionsschema einer Schnellwaage.

Waagbalken

Gewichtsarm(mit Meßskalen)

Lauf-gewicht

Laufgewichts-aufhängung

Gegengewicht

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Lastarm

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Page 3: LAUFGEWICHT EINER WAAGE AUS KALKRIESE143.50.35.144/documents/Varus-Kurier_9.pdfVARUS-KURIER 3 Abb. 5: Dreifachhaken zur Befestigung der Last aus Kalkriese. Literatur: · Franken, N.,

VARUS-KURIER 3

Abb. 5: Dreifachhaken zur Befestigungder Last aus Kalkriese.

Literatur:

· Franken, N., Zur Typologie antiker Schnell-waagen, in: Bonner Jahrb. 193, 1993, 69 ff.

· Garbsch, J., Römische Schnellwaagen mit höl-zernen Balken, in: Bayer. Vorgeschbl. 57,1992, 231 ff.

· Grönke, E. /Weinlich, E., Römische Laufge-wichtswaagen, in: Bayer. Vorgeschbl. 57,1992, 189 ff. (mit umfassender Literatur)

· Kisch, B., Scales and Weights. A HistoricalOutline (New Haven/London 1965)

· Mutz, A., Römische Waagen und Gewichteaus Augst und Kaiseraugst (Augst 1983)(= Augster Mus. Hefte 6)

· Paret, O., Von römischen Schnellwaagen undGewichten, in: Saalburg Jahrb. 9, 1939, 73 ff.

Abbildungsnachweise:

Abb. 2: Garbsch, J., Schnellwaage aus Bronzevon Arxtham, Ldkr. Rosenheim, mitLaufgewicht in Form einer Herkules-büste und aus Eisen aus Eining, Ldkr.Kelheim, mit einfachem Bleigewicht,in: Garbsch J., Römischer Alltag inBayern (München 1994) 148

Abb. 4: Grönke E. /Weinlich E., RömischeLaufgewichtswaagen, in: Bayer.Vorgeschbl. 57, 1992, 189 ff., Abb. 1

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ander bezogen werden; dieses auchnicht, wenn man Untereinheiten wiedie uncia (27,28 g) zugrunde legt.

Die Angabe dürfte sich also allerWahrscheinlichkeit nach auf das zuwiegende Gut (die „Last“) beziehen,d. h. mit dem Gewicht solltenLasten mit 30 librae gemessen wer-den. Konkret muss dieses in Be-ziehung gestanden haben zur Längedes Kraft- bzw. Gewichtsarms, aufdem das Gewicht verschoben wurdemit der oder den entsprechendenSkalen und dem Abstand der Auf-hängung(en) auf dem Lastarm vomDrehpunkt der Waage.Entsprechend der Formel: P (Lauf-gewicht in römischen Pfunden): G(ein römisches Pfund) = t (Längedes Lastarms): s (Skalenabstand fürein Pfund auf dem Gewichtsarm)kann man unter Zugrundelegungder vorstehend ermittelten Werteund Maße folgende hypothetischeBerechnungen beispielhalber anstel-len, mit denen sich allerdings dieGröße der Waage und insbesonderedie Länge von Kraft- und Lastarmnicht rekonstruieren, sondern nurals Möglichkeiten veranschaulichenlassen. Einzuräumen ist auch daswahrscheinliche Vorhandensein ver-schiedener Skalen auf dem Kraftarmund verschiedener Wiegemöglich-keiten auf dem Lastarm (Abb. 4).Bei Zugrundelegung einer zu mes-senden Last von 30 librae (9823,5 g)mit einem realen Gewicht von 1,75

librae (573 g) ergäben sich – ausge-hend von s 1 = 15 cm; s 2 = 20 cm;s 3 = 25 cm; s 4 = 30 cm – die fol-genden Längen für die Aufhän-gungen des Lastarmes: 26,25 cm –11,7 cm – 4,38 cm – 1,75 cm. Manerkennt, dass sich die Länge deszugehörenden Balkens der Waagedurchaus im Bereich des Üblichen be-wegt bzw. bewegen kann. So könnteeine zu wiegende Last von 30 libraemit einem Gewicht von 1,75 libraeauf einer Skala des Gewichtsarmes imAbstand von 20 cm vom Drehpunktan einer Aufhängung auf dem Last-arm im Abstand von knapp 12 cmvom Drehpunkt gewogen werden.Wie man sich die Befestigung einerLast vorstellen kann, mag ein Drei-fachhaken aus Kalkriese illustrieren(Abb. 5), doch sind selbstverständ-lich auch andere Befestigungsarten desWiegegutes an der Waage vorstell-bar bzw. belegt.

Die vielfältige Gestaltung römischerSchnellwaagen mit fester Aufhängungund verschieden langem Gewichts-und Lastarm, aber auch der Ge-wichte und Skalenvariationen ist inder Forschung mehrfach herausge-stellt und mit Beispielen illustriertworden. Sie lassen die technische Per-fektion und Verwendungsvielfaltderartiger Waagen erkennen. Ent-sprechend ihrem näheren Zweck warder Wägebereich verständlicherweiseganz unterschiedlich ausgelegt, unddamit auch die Größe dieser Waa-

gen. Es gab in der Regel verschiedeneAufhängungen für die Lasten in ver-schiedener Entfernung von dem fes-ten Drehpunkt der Waage. Zunächstverfügten die römischen Schnell-waagen fast ausnahmslos über einoder zwei, später auch häufiger überdrei Aufhängungspunkte für verschie-dene Hebellängen, denen jeweilseine andere Skala entsprach.

Selbstverständlich gab es auch imAltertum ganz verschiedene Waage-typen. Man nimmt aber an, dass dieSchnellwaage – lateinisch: statera odertrutina campana, weil dieser Typusnach Isidor v. Sevilla (560-636 n.Chr.) angeblich zuerst in Campanienverwendet wurde – in römischer Zeiterfunden wurde. Sie wurde auch alstrutina momentana bezeichnet, weilmit ihr so schnell gemessen werdenkonnte („Schnellwaage“). ZahlreicheWaagen dieses Typs wurden nichtzuletzt in Pompeji entdeckt, doch gabes schon früher staterae, die anschei-nend vor allem in Oberitalien Ver-wendung gefunden hatten, aber wohlnicht vor dem 2. Jahrhundert v. Chr.in Gebrauch kamen. Später verbrei-teten sich derartige Waagen infolgeihres großen praktischen Nutzenssehr rasch über das ganze Imperium.In Mitteleuropa scheint dieser Typusaber erst wieder seit dem hohenMittelalter in großem Umfang Ver-wendung gefunden zu haben.

Prof. Dr. Rainer Wiegels

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WALLVERLAUF WEITER KONKRETISIERTGRABUNGSKAMPAGNE 2007

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Nachdem in den vergangenen Jahrendas westliche Ende der Wallanlage aufdem „Oberesch“ in Kalkriese unter-sucht worden war, wurden imSommer 2007 zwei Schnitte am Ost-ende des Walles angelegt, um dessenÜbergang zum östlich angrenzendenBachtälchen und den Bezug zu einemdiesem Wallabschnitt vorgelagertenGraben zu klären (Abb. 1 und 2). DieGrabungskampagne dauerte von Junibis September; zwar wurden keinespektakulären Funde entdeckt, dochergaben sich weitere Hinweise aufden Verlauf der Wallanlage.

Ausgehend von Schnitt 30, der bereits1999/2000 untersucht und in demder Wall trotz zahlreicher modernerStörungen – u. a. Mauerfundamenteund Kanalisationsgräben – festge-stellt worden war, wurde Schnitt 44als schmaler Suchschnitt bis an dieöstlich anschließende Bachniederung

herangeführt (Abb. 3). Es fandensich hier allerdings keine eindeutigrömischen Funde und allenfallsspärliche Reste von Wallmaterial.

Mit Schnitt 45 sollte die Nordost-ecke des Schnittes 30 erweitert wer-den, um den in diesem Schnitt erst-mals erfassten Graben vor dem Wallzu überprüfen. Tatsächlich ließ sichder Befund noch über knapp 8 mnach Nordosten verfolgen; der Grabenendete, sauber ausgehoben (Abb. 4),etwa in der Mitte des Schnittes.Auch in diesem kurzen Abschnittzeigten sich in den Profilen unter-schiedliche Grabenquerschnitte: Siesind teils v-förmig, teils muldenför-mig. In der Grabenfüllung lagen zahl-reiche Eisenobjekte, überwiegendNägel. Darüber hinaus wurdenBruchstücke bearbeiteter Steine ge-borgen; einige sind als Fragmenterömischer Mahlsteine anzusprechen,andere eventuell als Salbenreibsteine.Ähnliche Stücke waren bereits infrüheren Grabungsschnitten ent-deckt worden.

Verteilt im Schnitt fanden sich zudemdiverse Metallfunde (Abb. 5), darunter10 römische Kupfermünzen. MehrereFundstücke lagen auf der ehemaligenBodenoberfläche aus der Zeit umChristi Geburt, einzelne waren imLaufe der Jahrhunderte beim Umstür-zen von Bäumen in die durch dasHerausreißen der Wurzeln entstan-denen Baumwurfgruben gerutscht.

Abb. 1: Die Grabungsarbeiten am Ostende desWalles werden von einem Filmteamund interessierten Laien beobachtet.

Abb. 2: Bisher ermittelter Verlauf derWallanlage in Kalkriese.

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Aufgrund der auch in diesem Areal zubeobachtenden Störungen, die beimBau landwirtschaftlich genutzterGebäude in den 60er Jahren des 20.Jahrhunderts entstanden waren, istdie Interpretation der Wallanlage inSchnitt 45 ähnlich schwierig wie inSchnitt 30.Obgleich das Ende des vorgelagertenGrabens erfasst werden konnte, wardas Ende des Walles nicht eindeutignachweisbar, da Wallmaterial sich imaktuellen Schnitt nur in geringenResten abzeichnete. Das Grabenendescheint zudem nicht unmittelbar andie Bachniederung heranzureichen.Daraus ergibt sich jedoch – ebensowie am westlichen Wallende – einAnsatz für künftige Untersuchungen:Es gilt, den Verlauf der den Obereschbegrenzenden Bäche in der Zeit vor2000 Jahren zu ermitteln, um einebessere Vorstellung von der Anbin-dung des Walles an diese natürlichenHindernisse zu gewinnen.

In den kommenden Monaten wirddas Grabungsteam sich mit der Aus-wertung der diesjährigen Grabungsowie der Grabungen der vergange-nen fünf Jahre beschäftigen, um einePublikation auch dieser Forschungs-ergebnisse vorzubereiten. Dabei gehtes in erster Linie um die Kartierungunterschiedlicher Fundgruppen inihrer Beziehung zum Wall, um Zer-störung und Verfall dieser Anlagewährend und nach der Schlachtnäher beleuchten zu können.

Die Ergebnisse der Grabungen ausden Jahren 1989 bis 2002 und dernaturwissenschaftlichen Begleitunter-suchungen sind inzwischen in einerumfangreichen wissenschaftlichenPublikation vorgelegt worden. Sieist seit kurzem im Buchhandel undim Museum Kalkriese erhältlich(Susanne Wilbers-Rost, Hans-PeterUerpmann, Margarethe Uerpmann,Birgit Großkopf, Eva Tolksdorf-Lienemann: Kalkriese 3, Interdiszipli-näre Untersuchungen auf dem Ober-esch in Kalkriese – ArchäologischeBefunde und naturwissenschaftlicheBegleituntersuchungen. Verlag Philippvon Zabern, Mainz. Preis 49 Euro.Detaillierte Informationen auf Seite20).

Die nächste Grabungskampagne isterst für 2009 geplant. Wie in denvergangenen Jahren werden dannauch Laien wieder teilnehmen kön-nen. Wer Interesse an künftigenGrabungen hat, sollte sich mög-lichst bald – unverbindlich – beiGrabungstechniker Axel Thiele an-melden. Die E-Mail-Adresse lautet:[email protected] Voraussetzung für eine Teilnah-me gelten: ein Mindestalter von 16Jahren, körperliche Fitness und min-destens 1 Woche Einsatzbereitschaft.

Dr. Susanne Wilbers-Rost Abb. 5: Freilegung eines kleinen Eisen-objektes.

Abb. 4: Sauber ausgehobenes Grabenende inSchnitt 45.

Abb. 3: Abtragsarbeiten in Suchschnitt 44.

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ÜBERRASCHUNG IN VENNERÖMISCHE FUNDE IM UMFELD VON KALKRIESE

Abb. 1: Ein außergewöhnlicher Fund aus demFrühjahr 2007 – ein mehr als 10 cmlanger Bronzeanhänger mit Silber-auflage: Vorderseite, unmittelbar nachder Bergung.

Feldbegehungen waren nicht nur zuBeginn der archäologischen Unter-suchungen in Kalkriese eine wichtigeGrundlage für das Forschungspro-jekt, sondern begleiten die Arbeitennoch immer regelmäßig zwischenHerbst und Frühjahr. Dabei werdenvon Klaus Fehrs, dem Techniker fürdie Geländeprospektion in Kalkriese,nicht nur bekannte Fundstellenkontrolliert, sondern auch bishernicht untersuchte Areale erschlossen.Die Entdeckung römischer Fundegibt eine zunehmend bessere Vor-stellung von den Ausmaßen desSchlachtareals und Anhaltspunkte fürweitere Aufschlüsse durch künftige

Grabungen. Selbstverständlich wer-den auch Baustellen überprüft, wo-bei rechtzeitige Informationen übervorgesehene Maßnahmen hilfreichsind. Aber auch bei kurzfristigemEinsatz unmittelbar vor oder wäh-rend der Bauarbeiten sind gelegent-lich wertvolle Ergebnisse zu erzielen. Als im Frühjahr 2007 eine Baustelleam neuen Kreisel östlich von Vennebekannt wurde, war der Boden zwarschon fast bis zum anstehenden Sandabgeschoben, doch konnte KlausFehrs noch rechtzeitig Begehungenmachen, ohne die weiteren Arbeitenzu stören. Schon nach kurzer Zeitstieß er auf einen ungewöhnlichenFund: einen mehr als 10 cm langenBronzeanhänger mit Silberauflage(Abb. 1). Gestaltung und Erhaltungs-zustand des Objektes ließen bereitsohne Reinigung auf ein römischesFundstück schließen. Wie sich späterherausstellte, handelt es sich umeinen Anhänger vom Pferdegeschirr(s. Beitrag Joachim Harnecker, Seite 8).Systematische Begehungen des Bau-stellenareals erbrachten zwar weitereMetallfunde, doch war davon bishernur ein Stück eindeutig als römischanzusprechen: eine Kupfermünze(As), die in der Nähe des Anhängersentdeckt wurde. Mit Unterstützungder Gemeinde Ostercappeln, die dieKosten für den Einsatz eines Baggersder Firma Schröder aus Venne über-nahm, konnte im direkten Umfeldder Funde der Boden abgetragenwerden (Abb. 2). Bei der genaueren

Untersuchung der Fundsituationwaren allerdings keinerlei Spuren imBoden erkennbar, die Hinweise da-rauf geben könnten, wie die Stückein den Boden gekommen und bisheute erhalten geblieben waren.Wahrscheinlich sind die beidenrömischen Funde während derSchlacht oder bei den nachfolgendenPlünderungen verloren gegangenund unentdeckt liegen geblieben.Die Bedeutung des außergewöhnli-chen Anhängers liegt aber nichtallein in der qualitätvollen hand-werklichen Ausführung der Metall-arbeiten; für die Forschungen inKalkriese ist seine Fundstelle östlichvon Venne insofern wichtig, als siezeigt, wie weit sich das Kampfarealjenseits der Hauptfundstelle „Ober-esch“, dem heutigen MuseumsparkKalkriese, nach Osten erstreckt (Abb. 3).

Mehrere Eisenteile wurden bei denGeländebegehungen etwa 100 mwestlich der Fundstelle des Anhän-gers entdeckt; allerdings waren da-runter bisher keine eindeutig alsrömisch anzusprechenden Stücke.Wiederum unterstützt durch denEinsatz eines Baggers konnte auchdieser Bereich zügig untersucht wer-den (Abb. 4). Dabei kamen zahlrei-che Gefäßscherben einheimischerKeramik zutage, die nach einer vor-läufigen Sichtung in die Zeit umChristi Geburt zu datieren sind. Diemeisten Scherben lagen in einemGraben von etwa 20 cm Breite und

Abb. 2: Abtragen des Bodens im direktenUmfeld des Anhängers mit Hilfe einesBaggers.

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ca. 30 cm Tiefe, der ein annäherndrechteckiges Areal von etwa 4 x 5 meinschloss (Abb. 5). Eine Interpre-tation dieses Befundes als Grundrisseines kleinen Gebäudes ist denkbar,doch bleibt die weitere Auswertungder Grabungsdokumentation unddes Fundmaterials für eine endgülti-ge Beurteilung abzuwarten.

Diese eher unscheinbaren Spurengermanischer Besiedlung stehen zwar

Abb. 3: Darstellung des Kampfareals rund umKalkriese.

Abb. 5: Areal der keramischen Funde, wo ein rechteckiger Grundriss zu erkennen ist.Abb. 4: Grabungsarbeiten nahe der Fundstelledes Anhängers brachten zahlreicheGefäßscherben aus der Zeit um ChristiGeburt zutage.

nicht direkt mit den Kampfhand-lungen in Verbindung. Sie tragenjedoch zu einem besseren Verständnisder unter dem Esch bei Feldbegehun-gen schwer fassbaren germanischenSiedlungs- und Infrastruktur bei, dieletzten Endes auch die Rahmenbe-dingungen für die Kampfhandlun-gen zwischen Germanen und Rö-mern mitbestimmt haben.

Dr. Susanne Wilbers-Rost

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VARUS-KURIER8

VERGLEICH ZU HALTERNEIN SELTENER PFERDEGESCHIRRANHÄNGER AUS VENNE

Der interessante Pferdegeschirr-An-hänger, dessen Auffindung im Beitragvon Susanne Wilbers-Rost (Seite 6-7)beschrieben wird, hat das Interessealler beteiligten Kollegen in beson-derem Maße geweckt. Es war schnellklar, dass es sich um ein ausgesprochenseltenes Stück handelt, das aufgrundvon Vergleichsfunden eindeutig indie augusteische Zeit zu datieren ist.

Der mehrteilige Anhänger aus Bron-ze (Abb. 1 links u. Abb. 2 links) hateine Versilberung auf der Schauseite.Eine runde Scheibe mit durchbro-chen gearbeitetem Wirbelmuster gehtnach unten in einen geschwungenenFortsatz über, der in einer abgesetz-ten kleinen Scheibe endet. Hinten istauf der großen Scheibe mit einemMittelniet eine runde Abdeckungangebracht, auf die man von der Vor-

den Schrumpfungsprozess des Form-materials beim Trocknen eine gering-fügige Verringerung der Größe beijedem Neuguss. Das Halterner Stückist gerade im unteren Bereich stärkerkorrodiert, doch war es dort deutlichschlanker. Die leicht ausschwingendenÄrmchen oberhalb der kleinen End-scheibe sind nur noch zu erahnen.

In Haltern fand sich noch ein weiteresExemplar, dessen Scheibe in eineranderen Art in Durchbruchsarbeitgestaltet ist (Abb. 3). Bei diesemAnhänger, der nur fragmentarischerhalten ist, ist die Aufhängevorrich-tung intakt. Sie zeigt, dass es sich umeine Scharnierkonstruktion handelte.Unklar bleibt, ob diese Anhänger zueinem mehrteiligen Ensemble gehör-ten oder allein aufgehängt waren.

Obwohl Pferdegeschirranhänger ingroßer Zahl und vielfältiger Form-gebung aus der Zeit der römischenOkkupation Germaniens überliefertsind, gibt es bisher keine weiterenunmittelbaren Vergleichsstücke. Auchdieses neue Fundstück zeigt wiederdie große Nähe zu den Funden vonHaltern, die in den vergangenenJahren immer wieder festgestelltwerden konnte. Es ist nicht nur diechronologische Übereinstimmung,sondern es scheinen auch dieselbenTruppenteile hier wie dort involviertgewesen zu sein.

Dr. Joachim Harnecker

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Abb. 1: Links: Pferdegeschirr-Anhänger ausVenne, Fundstelle 155, Fundnr. 1Rechts: Pferdegeschirr-Anhänger ausHaltern, Fundnr. Ha 68 Pl.L 35N/470WDie Aufnahmen wurden im Landesamtfür Denkmalpflege, Hannover ange-fertigt. Ein besonderer Dank geht andie Kollegen im Westfälischen Römer-museum Haltern, die das Fundstückzur Verfügung gestellt haben.

Abb. 2: Wie Abb. 1 Rückseiten.

Abb. 3: Pferdegeschirr-Anhänger aus Haltern,Fundnr. Ha 84.612/d1 (nach: M. Müller,Die römischen Buntmetallfunde vonHaltern (Mainz 2002) Tafel 51 Nr. 556).

derseite durch die Durchbruchsarbeitschaut. So ergab sich ein farblicherKontrast zwischen der silbernenOberfläche und dem kupferfarbenenHintergrund. Von der rückseitigenAbdeckung geht eine schmale Laschenach unten ab, deren Ende an derRückseite der kleinen Scheibe befes-tigt war. In Längsrichtung ist der An-hänger leicht gewölbt. Fehlstellen gibtes an der Silberfolie, an der rückseiti-gen Abdeckung und an der Lasche.Deren Verlauf ist jedoch durch dennoch farblich abgesetzten „Abdruck“des verlorenen Stücks gesichert. Amoberen Ende des Objekts findet sichnoch der Rest einer Aufhängeöse. DieLasche auf der Rückseite diente viel-leicht zur Durchführung eines Rie-mens, der verhinderte, dass der Anhän-ger zuviel Bewegungsfreiheit hatte.Der Anhänger ist 11,5 cm lang und0,2 cm dick, die obere Scheibe hateinen Durchmesser von 3,8 cm.

Bei der Suche nach Vergleichsstückenkamen in erster Linie die römischenMilitärlager der augusteischen Zeitin Frage. So lieferte Haltern die ein-zigen wirklichen Parallelen. Einerder Anhänger aus Haltern ist sogarso ähnlich, dass man fast von einemPendant sprechen kann; allerdingsist er etwas größer (Abb. 1 rechts u.Abb. 2 rechts). Dafür gibt es vielleichteine Erklärung: Wenn man davonausgeht, dass die Rohlinge immerwieder in der verlorenen Form nach-gegossen wurden, ergibt sich durch

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Bereits im Varus-Kurier 1/2006 wur-de ausführlich über die Bedeutungder Ems für die römische Militärlo-gistik und über die Funde im südli-chen Emsland berichtet. Die damalsins Auge gefasste Grabung konntedank des Entgegenkommens derzuständigen Kreisarchäologin, Dr.Andrea Kaltofen, sowie des Landbe-sitzers und des Pächters im Septemberdieses Jahres in Hesselte durchgeführtwerden. Es war eine Lehrgrabung desFaches „Alte Geschichte: Archäolo-gie der Römischen Provinzen“ derUniversität Osnabrück unter Lei-tung des Verfassers, bei der Studentender Universitäten bzw. Fachhoch-schulen Osnabrück, Oldenburg,Berlin und Wiesbaden zusammenmit freiwilligen Helfern der Archäo-logischen Gruppe Lingen die Gra-bungsmannschaft bildeten (Abb. 1).Möglich wurde die Grabung durchdie Unterstützung der Energiever-sorgung Emsbüren, die einen Bau-wagen als Grabungshaus zur Verfü-gung stellte. Die Einmessung derGrabung erfolgte durch Dipl.-Ing.Wolfgang Remme. Trotz des nichtimmer optimalen Wetters konntedie Grabung durch den unermüdli-chen Einsatz aller Beteiligten ord-nungsgemäß abgeschlossen werden.Der Grabungsschnitt von 4 x 40 mwurde im Bereich der dichtestenStreuung von Prospektionsfundenangelegt. Die Pflugschicht wurdemit einem Minibagger abgezogen,danach ging es in Handarbeit weiter

(Abb. 2). Da sich im größeren Teildes Schnitts der anstehende gelbeSand direkt unter der Pflugschichtzeigte, mussten nicht allzu vieleAbträge von Hand durchgeführtwerden, was bei der knapp bemesse-nen Zeit von 14 Tagen von Vorteilwar. Leider bedeutete dieser Um-stand allerdings auch, dass unter dermodernen Pflugschicht keine älterenHorizonte mehr vorhanden waren(Abb. 3). Alles Fundmaterial lag alsoin der Pflugschicht und war über-wiegend bei den seit vielen Jahrendurchgeführten Begehungen bereitsabgesammelt worden. Entsprechendgering war die Ausbeute an Fundenbei der Grabung. Es kamen beimAbtragen nur schlecht erhalteneKeramik-Scherben und Feuerstein-geräte heraus. Die Hoffnung, weitere

Abb. 3: Befundschnitt am Profil. Die Grenzezwischen der Pflugschicht und demanstehenden Sand ist wie mit demLineal gezogen.

Abb. 4: Blick über das Planum während derDokumentation der Befunde. JederBefund ist durch einen nummeriertenLöffel gekennzeichnet.

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ERKENNTNISSE IN HESSELTELEHRGRABUNG IM SÜDLICHEN EMSLAND

Abb. 1: Die Grabungsmannschaft.

Abb. 2: Der Grabungsschnitt von Süden.

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Metallfunde zu bergen, trog. Aller-dings gab es eine große Zahl vonVerfärbungen im anstehenden Sand(Abb. 4). Diese Befunde deuteten aufBodeneingriffe in historischer undprähistorischer Zeit hin. Überwie-gend handelte es sich um kleinereMulden und Vertiefungen, die sichdurch ihre dunklere Farbe vomumgebenden Sand unterschiedenund als ehemalige Pfostengrubenanzusprechen waren. Eine größereVerfärbung von ca. 125 x 80 cm beieiner Tiefe von fast 50 cm konnteaufgrund ihrer regelmäßigen Anlageversuchsweise als Kellergrube ange-sprochen werden. Fanden sich in denanderen Verfärbungen nur sporadischFundobjekte, die eine Datierungermöglichen, enthielt die Keller-grube doch einige Scherben, die sieevtl. in die vorrömische Eisenzeitdatieren. Die Befunde und dasFundmaterial deuten darauf hin,dass hier in den Jahrhunderten umdie Zeitenwende eine germanischeSiedlung existierte. Die bei den Be-gehungen der vergangenen Jahre ge-borgenen römischen Metallfundemüssen im Zusammenhang mit die-ser Siedlung stehen.

Eine Überraschung war, dass es inprähistorischer Zeit am Südende desGrabungsschnitts eine Bodensenkegab, die spätestens im Verlauf des1. Jahrtausends v. Chr. in mehrerenPhasen zugeweht oder zugeschwemmtwurde. Da bei der Grabung in diesem

Bereich nicht der anstehende gelbeSand angetroffen wurde, sonderneine relativ homogene hellbraunePackung (Abb. 5), wurde versucht,dem anstehenden Sand in die Tiefezu folgen, also den alten Gelände-verlauf wieder herzustellen, um evtl.doch noch vorhandene ältere Hori-zonte zu entdecken. Dies erwies sichals Knochenarbeit, denn die ehema-lige Oberfläche tauchte bis zumSüdende des Schnitts auf ca. 1,70 mab. Während des Abtragens, dasschichtweise vorgenommen wurde,konnten keine unterschiedlichenVerfüllungshorizonte erkannt wer-den. Diese zeigten sich erst nachdem Putzen des Profils (Abb. 6).Das aufgefüllte Material enthieltkaum Funde, erst ganz unten fan-den sich einige jungsteinzeitlicheScherben und Flintgeräte, die zei-gen, dass zu dieser Zeit die Senkenoch vorhanden war. Einige schwa-che Verfärbungen in dieser Tiefekonnten nicht näher angesprochenwerden.

Die Grabung bestätigte die bereitsausgesprochene Vermutung, dass essich um ein Siedlungsareal handelt.Vorausgegangene bodenkundlicheBohrungen hatten schon angedeu-tet, dass die alten Oberflächen weit-gehend verloren sind. Dies zeigtedie Grabung eindrücklich. Der Be-fund lässt sogar vermuten, dass hierTeile der alten Oberfläche durchPlaggenschlagen entfernt wurden.

Wenige hundert Meter südlich be-ginnt der Hesselter Esch, das Gra-bungsgelände war dagegen bis ins20. Jhdt. Brach- oder Weideland.Die genauere Bearbeitung der Gra-bungsfunde und der bei den Bege-hungen geborgenen Stücke, dienoch ausstehen, lässt sicher eine ge-nauere Datierung der Siedlungs-stelle zu. Durch die Münzfunde istzumindest die Zeit vom 1. Jhdt. v.bis zum 4. Jhdt. n. Chr. gesichert.Nicht geklärt werden konnte aller-dings, wie die für die aktuellen For-schungen relevanten frühkaiserzeit-lichen römischen Funde in die ger-manische Siedlung kamen. AlsMöglichkeiten bieten sich an: 1. DieSiedlung liegt am Marschweg derrömischen Truppen, die in der Näheüber die Ems und die Große Aaübersetzten. Und/oder 2. Es gab inder Nähe einen Stützpunkt derOkkupationstruppen.

Dr. Joachim Harnecker

Abb. 5: Blick über das 1. Planum. Während im Hintergrund bereits der anstehende gelbe Sanderreicht ist, liegt im Vordergrund bräunliches Füllmaterial.

Abb. 6: Das Südprofil des Schnitts. In der unter–sten Schicht lagen neolithische Funde.

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NAVIS LUSORIAEIN SPÄTRÖMISCHES KRIEGSSCHIFF IM TEST

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Abb. 1: Die rekonstruierte Lusoria legt zuihrer ersten Testfahrt ab.

Als im Juli 2003 der Nachbau einesspätantiken Kriegsschiffs imRegensburger Westhafen ins Wassergesetzt wurde, war bereits klar, dassaus den Testfahrten wichtige Ergeb-nisse hinsichtlich der Rolle diesesSchiffstyps bei der Kontrolle dergroßen Ströme Rhein und Donauund ihrer Nebenflüsse zu erwartenwaren. Dies umso mehr, als es sichbei dem zugrunde liegenden archäo-logischen Befund offenbar um denStandardtyp der navis lusoria han-delte, deren Einsatz und Wertigkeitsogar in der literarischen Überliefe-rung ihren Niederschlag gefundenhaben. Voller Anerkennung äußertsich etwa der römische Militär-historiker Vegetius: „Über dieLusorien, die auf der Donau im täg-lichen Wachdienst ihre Postenbeschützen, glaube ich, kann ich(was die Wiedereinführung der klas-sischen militärischen Einstellungs-,Ausbildungs- und Dienstnormenbetrifft) schweigen, weil die häufige-re Praxis bei ihnen mehr Kunst ge-funden hat, als die alte Gelehrsam-keit aufgezeigt hatte.“ (Veg. mil. 4,46)Mit anderen Worten, diese Schiffeund ihr Einsatz waren so ausgereift,dass man selbst aus der hochgelob-ten Militärkunst vergangener Zeitenkeine Anregungen zur Verbesserungziehen konnte.

Bereits nach wenigen Fahrten warklar, dass auch der Nachbau denhohen Ansprüchen des Vegetius

gerecht wurde. Leicht zu handhabendurch den Flachboden, erstaunlichstabil und bemerkenswert schnell,erwies sich das Schiff als echtesHigh-Tech-Produkt antiker Schiff-baukunst, ganz zugeschnitten aufdie Bedingungen mäandrierenderFlusssysteme. In römischer Zeitsaßen allerdings weder Sklaven (diees unter den Besatzungen römischerKriegsschiffe sowieso nicht gab)noch Seesoldaten an den Riemen,vielmehr wurde die Besatzung vonden Angehörigen des Landheeresgestellt, die in den Lagern entlang derFlüsse stationiert waren. Die spannen-de Fragestellung, wie schnell damalseine völlig ungeübte Truppe vonLandsoldaten mit einem derartigenSchiff adäquat umzugehen lernte,konnte dann bei Testfahrten mitStudenten der Universität Hamburgjeweils im Sommer 2005 und 2006in Angriff genommen werden.

So legte die rekonstruierte Lusoriaam Morgen des 6. Juni 2005 vonihrem Schwimmsteg an der Mün-dung der Naab in die Donau zurersten Messfahrt ab. An zwei Fluss-inseln vorbei ging es die Naab auf-wärts bis zur Wendemarke und wie-der zurück. Diese erste Eingewöh-nungsfahrt dauerte 114 Min., wobeieine Strecke von 8,6 km zurückge-legt wurde. Dabei konnte immerhinschon eine Spitzengeschwindigkeitvon 3,5 kn (6,5 km/h) bei Fahrtdurchs Wasser erreicht werden, die

Durchschnittsgeschwindigkeit betrug2,45 kn (4,53 km/h). Um Messfehlerauszuschließen, wurde von den ab-soluten Messwerten die in den ver-schiedenen Flussabschnitten mittelsHandlog, GPS und Peilung ermit-telte Strömung abgezogen.

Bereits nach einem einzigen Tag undnur zwei Trainingseinheiten miteiner Gesamtdauer von 187 Min.kam die keineswegs so gut wie römi-sches Militär austrainierte und vor-bereitete Studentencrew schon ge-fährlich nahe an das von anerkanntenFachleuten prognostizierte Geschwin-digkeitslimit von 5 kn heran. Beson-ders Aufsehen erregend ist dabei dievergleichsweise kurze Gesamtfahrzeitvon nur etwas mehr als drei Stunden.Damit hatte sich schon am erstenTag das archäologische Experimentals lohnend erwiesen. Ein derartangelegter Versuch rechtfertigt dem-nach den Aufwand; er ergänzt undkorrigiert nicht unerheblich die theo-retischen Berechnungen zur Leis-tungsfähigkeit antiker Schiffe.

Nach drei Tagen an Bord konnte dieuntrainierte Truppe die bis dato mitwechselnden Besatzungen über zweiJahre hinweg ermittelte Höchstge-schwindigkeit klar übertreffen. Eszeigte sich, wie wichtig Koordinationund Kontinuität der Mannschaft beider Handhabung der Lusoria waren,aber auch, wie leicht erlernbar derUmgang mit diesem an die Fluss-

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verhältnisse angepassten Fahrzeugfür die Landtruppen war, die Romentlang der Ströme stationiert hatte.

Segelversuche mit einer weiterenHamburger Crew im Jahr 2006zeigten, dass man das Rahsegel dernavis lusoria nicht nur bei Vorwind-oder Raumschotkurs, sondern auchbei halbem Wind noch effektiv fürden Vortrieb nutzen konnte. Diesund die leichte Handhabung desSegels durch einige wenige Crew-mitglieder schonten die Kräfte dermodernen wie der antiken Besat-zungen und erhöhten bei einiger-maßen günstigen Winden Tages-reichweite und Reisegeschwindig-keit ganz erheblich.

Fragen wir nach der Effizienz sol-cher Schiffe bei der Verteidigung desReiches, dann müssen wir uns klarmachen, dass zwei Kaisergesetze ausden Jahren 412 und 443 (CTh7,17. Nov. Theod. 2,24,11) dieAmtsträger in den Provinzen an derunteren Donau stromab der Mün-dung des Olt verpflichteten, die Zahlder dort stationierten Lusorien wiefrüher (!) auf den Stand von 225 Ein-heiten zu bringen. Damit wäre aufdrei Stromkilometer eine Lusoriagekommen.

Auch wenn die Sollstärke wohlkaum ständig vorgehalten werdenkonnte, verdeutlicht der "Seesieg" desMagister militum Promotus eben

auf der unteren Donau, dass man beiausreichender Anzahl einen Stromwie die Donau selbst gegen massiveFeindkräfte aus dem Barbaricum alsVerteidigungslinie nutzen und dieseGrenze abschotten konnte. Im Jahr386 fügte Promotus den Greutun-gen, die auf 3.000 Einbäumen überdie Donau ins Imperium eindringenwollten, eine vernichtende Nieder-lage zu, die von Claudius Claudia-nus maßgeblich auf die Überlegen-heit seiner Schiffe zurückgeführtwurde (Claud. 8,623 ff.). Mit denjetzt vorliegenden Ergebnissen zurLeistungsfähigkeit und zur Hand-habung des Standardtyps der Lusoriawird diese Nachricht eindrucksvollbestätigt.

Prof. Dr. Christoph Schäfer

Abb. 3: Ein Blick auf die Crew.

Abb. 2: Die Messinstrumente im Heck.

WISSENSCHAFT GEHT ALLE AN

Der Kalender 2008 ist da

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Der Kalkriese-Kalender hat inder Vergangenheit zahlreicheFreunde und Liebhaber gefun-den. Aus diesem Grund hat dieVarus-Gesellschaft für das Jahr2008 eine neue Auflage heraus-gegeben. Auf 12 kommentiertenFarbtafeln werden bedeutendeFundgegenstände aus 15 JahrenGrabungsgeschichte in Kalkriesevorgestellt. Unter den präsentier-ten Fundobjekten befindet sichbeispielsweise ein 2000 auf demOberesch geborgener Greifen-kopf aus vergoldetem Silberblech.Der Greifenkopf ist Teil einesornamentalen Zierblechs, dessenursprüngliche Funktion nichtmehr erschlossen werden kann,weil es stark zerstört ist. Zier-bleche von hoher kunsthand-werklicher Qualität wurden inKalkriese mehrfach gefunden.

Die Realisierung des Kalenderswurde durch das Engagementder NOSTA GRUPPE LogistikInternational, der KreissparkasseBersenbrück, der KreissparkasseMelle, der Sparkasse Osnabrück,der MBN Bau AG und derRheiner Stahlbau GmbH er-möglicht. Auch für das Jahr 2009soll wieder ein Kalender ver-öffentlicht werden.Interessierten Sponsoren wird dieMöglichkeit einer eigenen Auf-lage mit Eindruck des Unter-nehmenslogos geboten, nutzbarz.B. als exklusive Geschenkideefür Geschäftspartner. Mitgliederhaben bereits ein Exemplar desKalenders erhalten. Der Kalenderkann für 14,50 Euro zzgl. Ver-sandkosten bei der Geschäfts-stelle der Varus-Gesellschaft unterTelefon 05401/495219 bestelltwerden. Darüber hinaus ist er imMuseum und Park Kalkriese, inder Tourist-Info Osnabrück undim Kulturgeschichtlichen Mu-seum Osnabrück erhältlich.

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FEUER, URNEN, GRÄBERERDGAS MÜNSTER FÖRDERT AUSSTELLUNGSPROJEKT

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IE Abb. 1: Ausstellungseröffnung.

Seit 1994 beteiligt sich die ErdgasMünster an der Finanzierung der mitKalkriese verbundenen Forschungs-stelle „Rom und Germanien“ derUniversität Osnabrück. Darüberhinaus sieht sich die Erdgas Münsteraber auch allgemein mit der Ar-chäologie verbunden. Sie hat in denvergangenen 10 Jahren bereits mehr-fach archäologische Ausstellungs-projekte gefördert, die als sogenannteWeihnachtsausstellung im Foyer deseigenen Verwaltungsgebäudes inMünster präsentiert wurden. Unterden bisherigen Kooperationspartnernbefinden sich u. a. die Stadtarchäo-logie von Uelzen sowie das Archäo-logische Museum der Stadt Frank-furt. Im vergangenen Jahr fiel dieWahl auf die Stadt- und Kreisar-chäologie Osnabrück. Mit zu dieserEntscheidung beigetragen hat dieEntdeckung überregional bedeuten-der Fundstellen im Rahmen einesLeitungsbauprojektes der ErdgasMünster im westlichen und südli-chen Randbereich der Stadt Osna-brück. Zwischen Osnabrück-Hellernund Hasbergen konnten Überrestevon Brandbestattungen freigelegtwerden, die anhand ihrer Beigabendeutliche Bezüge zur Ausbreitungder keltischen Kultur während dermittleren bis jüngeren vorrömischenEisenzeit, dem 4. bis 2. Jahrhundertv. Chr., erkennen ließen.Die hohe Bedeutung dieser Entde-ckung stellt sich insbesondere vor demHintergrund des bundesweit beach-

teten Schnippenburg-Forschungs-projektes der Stadt- und Kreis-archäologie Osnabrück dar: Hierwerden seit dem Jahr 2000 exakt diegleichen sachkulturellen und histo-rischen Beziehungen zwischen Nord-westdeutschland und dem kelti-schen Kerngebiet im süddeutschenMittelgebirgsraum anhand der Aus-grabungsergebnisse auf einer klein-räumigen Befestigungsanlage imWiehengebirge bei Ostercappelnuntersucht. Die auf der Erdgas-Trasse entdeckten Fundstellen fügensich nahtlos in diesen Kontext ein,da sie zeigen, dass sich die keltischenEinflüsse im Osnabrücker Land auchim Bereich des Bestattungswesens,d. h. der Brandbestattungen, archäo-logisch nachweisen lassen.

Für die Weihnachtspräsentation inMünster im Dezember 2006 wurdedaher eine Ausstellung konzipiert,die die Möglichkeit zur besonderenBerücksichtigung der neu entdeck-ten Fundstellen mit sich bringt, sichaber deutlich von der von Mai bisSeptember 2007 gezeigten Schnip-penburg-Ausstellung unterscheidet.Gleichzeitig sollte sie die Präsenta-tion weiterer ungewöhnlicher, bislangselten ausgestellter archäologischerFundstücke aus dem Fundus derStadt- und Kreisarchäologie Osna-brück ermöglichen. Die Wahl fielauf das Thema Brandbestattung.Unter dem Titel „Feuer, Urnen,Gräber“ wird in der AusstellungAbb. 2: Plakat zur Ausstellung.

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Abb. 3: Brandgräber im Grabenprofil einer Erdgas Münster-Gasleitung in Osnabrück-Hellern.

eine vollständige Übersicht über dieverschiedenen Varianten des Beiset-zens von Leichenbrand gegeben,angefangen bei den „Brandskelett-gräbern“ der älteren Bronzezeit biszu den beigabenreichen römischenBrandgräbern aus der jüngerenrömischen Kaiserzeit.

Aufgrund der Aktualität und der all-gemeinen Bedeutung dieses Themasfür die Nachbarregionen, aber auchwegen der gelungenen Gestaltung derVitrinen und der Text-Bildelementedurch die Firma „Bildschön“ ausMelle wurde verabredet, diese Aus-stellung nach der Erstpräsentationvom 5. Dezember 2006 bis zum 12.Januar 2007 in Münster auch inanderen Orten aus dem Geschäfts-bereich der Erdgas Münster zu zei-gen. So kam es im August/September2007 zu einer Anschlusspräsentationin der Euregio-Bücherei in Nordhorn.Bis Dezember 2007 war „Feuer,Urnen, Gräber“ bei der RWE Osna-brück, einem weiteren Sponsor dieserAusstellung, zu sehen. Im Jahr 2008sind die Stadtverwaltung Schüttorf(17.01.-16.02.), das Emslandmu-seum Lingen (24.02.-13.04.) unddas Tuchmacher Museum Bramsche(24.04-01.07) weitere Stationen.Zur Ausstellung ist ein Begleitheft er-schienen, das kostenlos bei der Stadt-und Kreisarchäologie Osnabrück(Tel.: 0541/323-2277) erhältlich ist.

Bodo Zehm

Abb. 5: Bronzene und eiserne Wagenteile aus einer Brandgrube in Osnabrück-Hellern. Die plastischenVerzierungen am Kopf des Achsnagels (links) zeigen deutliche Einflüsse aus dem keltischenKulturraum.

Abb. 4: Blick in die Ausstellung.

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2000 JAHRE VARUSSCHLACHT –DAS MUSEUM BEREITET SICH VOR

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MAbb. 1: Ein neues Besucherzentrum ist eines

der vielen Projekte, die für das Jahr2009 die Möglichkeiten im Museumund Park Kalkriese erweitern sollen.

Ein neues Besucherzentrum soll ab2009 die Einrichtungen und Mög-lichkeiten in Museum und ParkKalkriese erweitern. Der Neubau isteines der vielen großen und kleinenProjekte im Vorfeld des Jahres 2009.Die architektonische Gestaltungliegt in den Händen der SchweizerArchitekten Annette Gigon undMike Guyer. Sie entwarfen auch das2002 eröffnete Museum. Auf rund800 Quadratmetern Grundflächeentsteht ab 2008 in unmittelbarerNachbarschaft des heutigen Ein-gangsbereichs und des Gasthausesein zweigeschossiges Gebäude. Seineäußere Gestalt korrespondiert mitdem Stil des landwirtschaftlichenAnwesens Niewedde, das aktuellden Museumsladen, das Gasthaus,das Kindermuseum und die Verwal-tungsräume beherbergt. Das neueBesucherzentrum wird unter ande-rem im Erdgeschoss einen vollstän-dig neuen Kassen-, Shop- undService-Bereich erhalten. Eine mul-tifunktionale Nutzung des Ober-geschosses und die erforderlichetechnische Ausstattung werdenanspruchsvolle Sonderausstellungenund Veranstaltungen für bis zu 400Personen unabhängig von Witte-rungseinflüssen ermöglichen. Darü-ber hinaus können dort Seminareund Tagungen stattfinden.

Die erste Sonderausstellung solldort 2009 feierlich eröffnet werden:Wie gelang es den Germanen, das

Römische Reich – die militärischeSupermacht der Antike – zu besie-gen? Diese Frage wird im Mittel-punkt stehen, wenn sich die Varus-schlacht zum 2000. Mal jährt. Ausder Perspektive der Germanen sol-len anhand archäologischer Fundeund historischer ÜberlieferungenUrsachen, Verlauf und Konsequen-zen von Konflikten und kriegeri-schen Auseinandersetzungen in derantiken Welt erörtert werden. Derzeitliche Rahmen der Betrachtungreicht von der vorrömischen Eisen-zeit bis zur Völkerwanderungszeit.Der Schwerpunkt liegt auf der Zeitnach dem Rückzug der römischenTruppen und der Beendigung derexpansiven Phase der römischenGermanienpolitik 16 n. Chr. Einesder zentralen Elemente: der Ger-manenschatz von Neupotz. Unterdem Motto „Gemeinsam Schätzeheben“ soll die Unterstützung vonSponsoren gewonnen und diesergrößte bekannte Fund einesSchatzes aus römischer Zeit in Kalk-riese gezeigt werden. Germanen hat-ten 259 n. Chr. diesen einzigartigenSchatz in Gallien erbeutet. Er gingverloren, versank im Rhein undwurde 1980 wiederentdeckt.

Ein weiteres zentrales Element derVorbereitungen auf 2009 ist dieNeugestaltung der Dauerausstellungim Museum Kalkriese. Sie wird sichdem zentralen Thema des Jahresund des Ortes widmen – der

„Varusschlacht“. Seit mehr als 20Jahren finden in Kalkriese wissen-schaftliche und multidisziplinäreForschungen zur Varusschlachtstatt. Archäologen, Historiker undNaturwissenschaftler entschlüsselndas Tagebuch der Geschichte, dasder Boden in Kalkriese beherbergt.Die neue Ausstellung wird die hier-bei erzielten Ergebnisse zusammen-fassend darstellen und in den histo-rischen Gesamtkontext einbetten.Besonderes Gewicht erhalten die der-zeit laufenden Forschungsarbeiten.Der Museumspark, die Universitätund die Stadt Osnabrück, der Land-kreis Osnabrück, viele Gemeindenund Organisationen der Regionbereiten für 2009 ein breit gefächer-tes Programm vor – vom internatio-nalen wissenschaftlichen Kongressüber ein archäologisches Jugend-camp, Theater- und Musikauffüh-rungen bis zur Varus-Woche undzum Bramscher Hafenfest.

Die Vermarktung hat bereits begon-nen: Die Varusschlacht wird 2009eines der drei kulturtouristischenTop-Themen im In- und Auslandsein, mit denen die Deutsche Zen-trale für Tourismus das ReiselandDeutschland bewirbt. Die beidenanderen Themen für 2009 werdendie Feierlichkeiten zum 20. Jahrestagdes Falls der Berliner Mauer und der90. Jahrestag der Begründung desBauhauses in Weimar sein. Der Aus-stellungsdreiklang „IMPERIUM –

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KONFLIKT – MYTHOS. 2000Jahre Varusschlacht“ steht unter derSchirmherrschaft der Bundeskanzle-rin Dr. Angela Merkel, des Europa-parlaments-Präsidenten Prof. Dr.Hans-Gert Pöttering sowie derMinisterpräsidenten von Nieder-sachsen und Nordrhein-Westfalen,Christian Wulff und Dr. JürgenRüttgers.

Was bis 2009 geschieht:Zu Ostern leuchtet es wiederDas Oster-Leuchten am Oster-sonntag, 23. März 2008, 17.00-23.00 Uhr, auf dem Gelände derVarusschlacht im Osnabrücker Landin Bramsche-Kalkriese wird mit feu-rigen Bildern das Geschehen des Jah-res 9 n. Chr. ins Licht rücken. Faszi-nierende Feuerkunst und besondereLicht-Blicke am einstigen Schau-platz der Varusschlacht setzen dasGeschehen des Jahres 9 n. Chr. inSzene. So ungewöhnlich wie derSchauplatz in Bramsche-Kalkriese istauch das Oster-Leuchten. Ein Leucht-Parcours zu künstlerischen Inselndes Lichts und geheimen Ecken imMuseumspark, ein Feuerspielplatzfür Kinder, Osterfeuer und weitereÜberraschungen erwarten die Be-sucher – und ein fulminantes Feuer-werk, das seinesgleichen sucht.

Römerschiff wird getauftEin archäologisches Experimentbegleitet den für 2009 in Haltern,Kalkriese und Detmold geplanten

Abb. 3: Unterwasseraufnahme der nachgestell-ten Fundsituation am Originalfundortin Neupotz. / © Historisches Museumder Pfalz Speyer / Foto: Dr. Martin Mörtl

Ausstellungs-Dreiklang „IMPERI-UM – KONFLIKT – MYTHOS.2000 Jahre Varusschlacht“: In Zu-sammenarbeit mit der UniversitätHamburg entsteht der Nachbaueines römischen Kriegsschiffs. Dasetwa 16 Meter messende Wasser-fahrzeug aus Holz wird im Früh-sommer 2008 in Hamburg getauft.Danach reist es durch Deutschland.

Die Maus kommt nach KalkrieseEin Familienfest mit Armin undArminius in Museum und ParkKalkriese am Sonntag, 27. Juli2008, 10-18 Uhr: Im Jahr 2004haben Armin Maiwald und seinMaus-Team in Kalkriese für denWDR eine Sendung mit der Mausüber die Varusschlacht gedreht. DerFilm wird im Mäusekino gezeigt.Zum Sehen und Mitmachen: DieMaus-Show und das Mausland stellensich an diesem Tag in Kalkriese vor.Im Park wird römische und germa-nische Geschichte lebendig darge-boten: Sigurd und Laetitia zeigen denKids von heute, wie die Kinder vor2000 Jahren gelebt und gespielt haben.

Sonderausstellung bisNovember 2008 zu sehenDie Sonderausstellung gesprochen –geschrieben – gedruckt: Wie die Redeauf die Varusschlacht kam … wird bisNovember 2008 im Museum Kalk-riese gezeigt. Im Mittelpunkt stehteine Schrift des römischen Ge-schichtsschreibers P. Cornelius

Tacitus. Eine Abschrift der „Annalen“,die um 1507 aus dem Frieden derklösterlichen Bibliothek in Corveyauftauchte und Licht in das Dunkelder Geschichte brachte – unterebenso spannenden wie glücklichenUmständen. Die Ausstellung erzähltzugleich die Geschichte des Schrei-bens und der Bücher – vom Papyrusin der Antike über die Schreib-stuben des Mittelalters bis zumWorld Wide Web. Führungen unterdem Titel Die gestohlene Schrift bie-ten vertiefende Einblicke. Im muse-umspädagogischen Programm fürKinder ist Abschreiben erlaubt.

Dr. Joseph Rottmann

Abb. 4: Exponat aus der laufenden Ausstellung„gesprochen – geschrieben – gedruckt“.

Abb. 2: Oster-Leuchten.

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COLLIGITE FRAGMENTA NE PEREANT!15 JAHRE VARUS-GESELLSCHAFT

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„Sammelt – damit die Reste nicht auchnoch untergehen“, meint die Vulgata.So könnte die Botschaft vor 15 Jah-ren geheißen haben, und zwar am15.12.1992, als der damalige Ober-bürgermeister Fip um 14.00 Uhr dieGründungsversammlung der Gesell-schaft zur Förderung der vor- undfrühgeschichtlichen Ausgrabungen imOsnabrücker Land e.V. – heuteVarus-Gesellschaft – eröffnete.

Was sollte man auch noch anderesals fragmenta auf dem soeben imJahre 1989 durch Grabungen undProspektion entdeckten Schlacht-feld der Antike sammeln? Schondamals im Jahre 9 hatten die Siegerden Kampfplatz geplündert und dieLeichen gefleddert. Viel konnte mannicht mehr sammeln und doch galtes, das Gesamtdenkmal „Kalkriese“vor der endgültigen Zerstörung zusichern, wissenschaftlich zu dokumen-tieren und damit eine bedeutendehistorische Quelle für die Geschichts-forschung zu erschließen. Ein wenignachdenklich stimmte uns, dass essich in Kalkriese auch noch umeinen großen Friedhof handelte, aufdem 15 n. Chr. Germanicus dienoch unbestatteten Gebeine tausen-der Gefallener aus den 3 Legionenund 5 Kohorten der Varus-Armee intumulis notdürftig verscharrte.

Im Editorial des 1. Varus-Kuriersbeschrieb seinerzeit Ulrich Hagemanndie Philosophie unseres Tuns ineiner geradezu strategischen Formel:„Frei von jeder Mystik und jedemPathos und unverfremdet schickt sichdie Region Osnabrück an, ihren Anteilan der römisch-germanischen Kulturgeschichtlich aus fragmentarischenSzenen in eine emotionsfreie Wirk-lichkeit zu überführen.“ Die Förder-

gesellschaft wollte dazu beitragen,die Legendenbildung um Hermannzu entmythologisieren, und derWissenschaft zum Erfolg verhelfen.„Kalkriese“ in die Stuben der Osna-brücker zu bringen, war eines derZiele. Bürger-Sponsoring war eineder Säulen zur Geldbeschaffung fürdie wissenschaftliche Arbeit.

Die Fakten haben wir nicht vorherge-sehen; die Möglichkeiten für Wissen-schaft und Region nur erahnt. Istdie Varusschlacht ein Highlight fürdie Wissenschaft, ein decorum fürunser Osnabrücker Land?

Die Varus-Gesellschaft mag sich fra-gen, wie und mit welchen Mittelnhat sie die Wissenschaft gefördert?Heute und hier ist nicht der Zeit-punkt, eine Leistungsshow vorzule-gen. Darüber mag man an andererStelle, vielleicht im Jahre 2009, prä-zise und ausführlich berichten. Hiersoll gefragt werden, was macht dieFördergesellschaft, und was machtsie nicht? Es soll nur erinnert wer-den, dass Mittel eingeworben wur-den, um Grabung und Prospektionvor Ort, die Restaurierung in derWerkstatt und die Forschung undInterpretation im Studierzimmer zuunterstützten. Es handelt sich u. a.um Drittmittel für Publikationen,Kongress, Finanzierung von Mitar-beiterstellen sowie insbesondere derStiftungsprofessur. Damit wird derZweck der Gesellschaft und das Mo-tiv der Gründer offenkundig: DieBeschaffung von Geldern für For-schungsarbeit im weitesten Sinne,um mit Hilfe der Archäologie undder Geschichtswissenschaften dieverfälschte Geschichtsschreibung zuentzerren und richtig zu interpretie-ren. Der Varus-Kurier soll helfen,

die jeweiligen Forschungsergebnissewissenschaftlich seriös, aber auch fürdie Allgemeinheit attraktiv und ver-ständlich darzustellen.

Die Varus-Gesellschaft zehrt von derMöglichkeit, an dem Highlight derWissenschaft durch die Wechsel-wirkung mit der Forschung ein we-nig Teil zu haben. Sie freut sich, wiejeder Bürger, dass die Varusschlachtein decorum für das OsnabrückerLand geworden ist, um den Bekannt-heitsgrad zu vergrößern und um zueinem positiven Image beizutragen.Die unabhängige wissenschaftlicheForschung ist das eine, das decorumdas andere: auch Basis eines erfolg-reichen Marketings der Varusschlachtim Osnabrücker Land gGmbH.

In dieser Intention mögen beide Ge-sellschaften ihr eigenes Selbstverständ-nis sehen und sich gemeinsam aufdas Schicksalsjahr 2009 – 2000 Jahrenach der Niederlage des Varus adportas osnabrugensis – vorbereiten.

Konrad Rohling

Der erste Varus-Kurier aus dem Jahr 1994.

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KALKRIESE 3INTERDISZIPLINÄRE UNTERSUCHUNGEN AUF DEM OBERESCH

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dern auch für Laien wurde versucht,die Forschungsergebnisse, aber auchdie Methoden der verschiedenenDisziplinen verständlich darzustellen.Der Schwerpunkt der archäologi-schen Arbeiten, den die Abteilungs-leiterin für die Archäologie inKalkriese, Dr. Susanne Wilbers-Rost, vorlegt, liegt auf der Beschrei-bung der verschiedenen Wallab-schnitte und der Interpretation derGesamtanlage. Aber auch diearchäologische Bewertung vonKnochen und Knochengruben wirdhier vorgestellt, ebenso wie die Spu-ren einer Siedlung der Vorrömi-schen Eisenzeit, die für dasVerständnis der Ereignisse währendder Kämpfe auf dem Oberesch nichtunwichtig sind.

Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Uerpmannund Dr. Margarethe Uerpmann vonder Universität Tübingen beschrei-ben, gemeinsam mit dem Archäo-techniker Kurt Langguth und demDoktoranden Serge Paulus, die Prä-paration, Analyse und Einordnungder Maultier- und Pferdeknochenvom Oberesch. Ihre Auswertung be-stätigt das Bild einer mit umfangrei-chem Tross ausgestatteten römischenArmee, die hier geschlagen wurdeund deren Reste erst Jahre späterbestattet wurden.

Ein verglichen mit „normalen“Grabfunden sehr sprödes Materialhatte die Anthropologin Dr. Birgit

Großkopf, Universität Göttingen, zubearbeiten. Die Schwierigkeiten,eine Anzahl von Individuen zu be-stimmen, beschreibt sie ebenso wieihre Bewertung der auf demOberesch entdeckten Menschen-knochen.

Ergänzende Informationen zum beimBau des Walles verwendeten Material,aber auch zum Aussehen der dama-ligen Oberfläche und zur Vegetationim Areal des heutigen Museumsparksstellt Dr. Eva Tolksdorf-Lienemann,Bodenkundlerin an der UniversitätOldenburg, dar.

Auch wenn noch lange nicht alleFragen zum Kampfgeschehen amKalkrieser Berg beantwortet werdenkonnten, so hat doch die Zusammen-arbeit von Archäologie und Natur-wissenschaften auf dem Obereschgrundlegende Informationen zu demvon Germanen errichteten Hinter-halt und zum Umgang mit denGefallenen der Schlacht ergeben.

Welche neuen Fragen und For-schungsziele sich daraus ergeben,wird im Band Kalkriese 3 ebenfallskurz angedeutet, denn trotz nunmehr20-jähriger Forschung in Kalkriesesteht die neue archäologische Sparteder Schlachtfeldarchäologie für antikeSchlachtfelder erst ganz am Anfang.

Dr. Susanne Wilbers-Rost

PD Dr. Günther Moosbauer

Susanne Wilbers-Rost, Hans-PeterUerpmann, Margarethe Uerpmann,Birgit Großkopf, Eva Tolksdorf-Lienemann: „Kalkriese 3. Interdiszi-plinäre Untersuchungen auf demOberesch in Kalkriese. Archäolo-gische Befunde und naturwissen-schaftliche Begleituntersuchungen“,Römisch-Germanische ForschungenBd. 65, Verlag Philipp von Zabern,Mainz 2007, 190 Seiten mit 135Abbildungen, 11 Tabellen, 2 Beilagenund 1 CD-ROM; 49,- €.

Die Entdeckung einer Wallanlage,vieler Metallfunde und zahlreicherKnochen hat in Kalkriese schon frühzu systematischen archäologischenUntersuchungen geführt. Insbe-sondere mit Mitteln der StiftungNiedersachsen konnten neben denGrabungen und deren Auswertungverschiedene naturwissenschaftlicheDisziplinen aktiv werden, so Anthro-pologie und Zoologie und Boden-kunde. Ein umfassender Zwischen-bericht wurde jetzt mit dem BandKalkriese 3 vorgelegt.

In Kalkriese wird erstmals eine antikeFeldschlacht mit modernen Metho-den archäologisch untersucht; zudemwurden hier von anderen Fund-stellen bisher nicht bekannte Be-funde wie der Abschnittswall oderGruben mit Resten von Gefallenenentdeckt, die erst Jahre nach derSchlacht „bestattet“ wurden. Nichtnur für Fachwissenschaftler, son-

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10 JAHREERFOLGREICHES SPONSORING

ERDGAS MÜNSTER ALS ZENTRALE STÜTZE IN KALKRIESE

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Im Jahre 1997 fiel bei der ErdgasMünster die Entscheidung, diewissenschaftliche Arbeit in Kalkriesedurch einen namhaften Beitrag zufördern. In diesem Jahr war dieFörderung der Sondierungsgrabun-gen von anderer Seite ausgelaufen,somit waren diese gefährdet.

Alleine die Arbeit im Bereich derFlur „Oberesch“ (heutiger Museums-park) war gesichert. Da auch dieUntersuchungen des zweiten Aus-grabungsteams fortgesetzt werdensollten, war das Sponsoring hoch-willkommen.

Da alle Beteiligten dieses Sponso-ring als ein Geben und Nehmen be-greifen, waren wir glücklich, amEnde des ersten Förderjahres in denRäumen der Erdgas Münster einekleine Ausstellung über unsereArbeit zeigen zu dürfen. Das Inte-resse an der Ausstellung, besondersseitens der Kunden der ErdgasMünster, war unerwartet hoch, sodass sie über mehrere Jahre aufWanderschaft durch das Lieferge-biet ging, aber auch weit darüberhinaus. Am Ende waren es bis zumJahre 2005 sechzehn Stationen zwi-schen Neuenhaus in der GrafschaftBentheim und Passau in Nieder-bayern. Zwei weitere Termine sindnoch geplant.

Bereits bei der Eröffnung 1998 kamder Gedanke auf, zu der Ausstellungauch ein kleines Begleitheft zu er-stellen, das sich dann aber zu einempopulären Kalkriese-Führer entwi-ckelte. Auch dieses Buch wurde mitUnterstützung der Erdgas Münstergedruckt. Es liegt mittlerweile ineiner zweiten deutschen und ineiner englischen Auflage vor undwurde fast 20.000mal verkauft.

2000 wurden die Sondierungsgra-bungen eingestellt, den Vorrangsollte nun die wissenschaftliche Auf-arbeitung haben. Auch diese wardank des Sponsorings der ErdgasMünster möglich. 2004 wurden dieErgebnisse in einem Band derRömisch-Germanischen Forschun-gen publiziert. Seitdem kommt dieFörderung der Publikation desFundmaterials vom Oberesch zugute,deren erster Teil 2008 vorgelegt wer-den soll.

Ein wichtiger Bestandteil derKooperation waren die Führungenund Vorträge der Wissenschaftlerbei Veranstaltungen mit Kundender Erdgas Münster in Kalkrieseund in den Ausstellungsorten. DieBesucher erhielten einen kompeten-ten Einblick in die Arbeit und ihreErgebnisse. In einigen Fällen kam esdazu, dass sie spontan eigene Spen-den für die wissenschaftliche Arbeitzusagten.

Für die wissenschaftliche Arbeit inKalkriese ist das Sponsoring derErdgas Münster deshalb von großerBedeutung, weil es bisher jedes Jahrverlängert worden ist. Mit demSponsoring kann eine der zentralenWissenschaftlerstellen im Projektfinanziert werden.

Dr. Joachim Harnecker

PD Dr. Günther MoosbauerAbb. 1: Titel des umfangreichen Kalkriese-

Führers, der mit Unterstützung derErdgas-Münster realisiert wurde.

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IMPRESSUM

Herausgeber:Varus-Gesellschaft zur Förderung der vor-und frühgeschichtlichen Ausgrabungenim Osnabrücker Land e.V.

V.i.S.d.P.: Ulrich HagemannRedaktion: Kuhl |Frenzel

PD Dr. Günther MoosbauerGrafik: pfiffikus.designHerstellung: Druckerei Pfotenhauer

Für den Inhalt der Beiträge sind aus-schließlich die Verfasser verantwortlich.

ANSPRECHPARTNER

Varus-Gesellschaft zur Förderung der vor-und frühgeschichtlichen Ausgrabungenim Osnabrücker Land e.V.

GeschäftsstelleBeekebreite 2-849124 GeorgsmarienhütteTel.: 0 54 01.49 52 19Fax: 0 54 01.49 51 93Mail: [email protected]: www.varus-gesellschaft.de

Universität OsnabrückAlte GeschichtePD Dr. Günther MoosbauerWissenschaftlich VerantwortlicherAlte Geschichte: Archäologie derRömischen ProvinzenSchloßstraße 849074 OsnabrückTel.: 05 41.9 69 43 87 (Sekretariat)Fax: 05 41.9 69 43 97Internet: www.uni-osnabrueck.de

www.varusforschung.de

Varusschlacht im Osnabrücker LandMuseum und Park Kalkriese GmbHArchäologie, Museum, Führungen

Venner Straße 6949565 BramscheTel.: 0 54 68.9 20 40Fax: 0 54 68.9 20 445Mail: [email protected]: www.kalkriese-varusschlacht.de

INTERNATIONALER KONGRESS

2009AN DER UNIVERSITÄT OSNABRÜCK

Die 2000-jährige Wiederkehr der„Varusschlacht“ wirft ihre Schattenvoraus. Zahlreiche Aktivitäten vonMuseen und anderen Einrichtungenwerden das Erinnerungsjahr 2009begleiten und mit Gewissheit zuerwarten ist eine erneut ansteigendeFlut an Publikationen aus der Federvon Experten oder solchen, die sichdazu selbst ernannt haben undernennen werden.

An der Universität Osnabrück sollunter Federführung des Faches AlteGeschichte unter Einschluss derArchäologie/ProvinzialrömischeArchäologie vom 15.-19. September2009 ein Internationaler Kongressstattfinden mit dem Thema „Finesimperii – imperium sine fine – Römi-sche Grenz- und Okkupationspolitikim frühen Principat“. Ziel ist es, dieverschiedenen Grenzabschnitte desImperium und die jeweilige Grenz-politik zu vergleichen, um nicht zu-letzt die regionalen Strukturen und

Entscheidungsspielräume der vorOrt Handelnden in Beziehung zusetzen zu den politischen Absichtenund Interessen der Zentrale in Rom.Damit werden die verschiedenenGrenzräume des Imperium einerisolierten Betrachtung entzogen.Römische Grenz- und Okkupations-politik bewegt sich stets im Span-nungsfeld zwischen den Erforder-nissen der Reichsadministrationunter Berücksichtigung der Gesamt-lage des Imperium einerseits undden Regulierungsmöglichkeiten und-bedürfnissen „vor Ort“ anderer-seits. Durch eine vergleichende Be-trachtung sollten sowohl die Prinzi-pien der politischen Raumordnungdurch Rom in ihrer Abhängigkeitauch von innenpolitischen Vorgän-gen besser zu erfassen sein als auchdie vielfach situationsbedingten Er-eignisse und Entscheidungen an deneinzelnen Grenzabschnitten.

Mitveranstalter des Kongresses sinddie Stadt Osnabrück, die Akademieder Wissenschaften in Göttingen unddie Varus-Gesellschaft. Eingeleitetund begleitet wird das Vorhabendurch eine im Herbst 2008 anlaufen-de Vortragsreihe „Römer undGermanen in Nordwestdeutsch-land“, bei der vor allem regionaleAspekte thematisiert werden unddie sich an eine breite Öffentlichkeitrichtet. Weitere ergänzende Veran-staltungen sind geplant.

Prof. Dr. Rainer Wiegels

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