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Leben auf dem Lande Bredeneeker Gespräch Gut versorgt? 28.04.2014 Stiftung Bürgerschloss Bredeneek e.V.

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Leben auf dem Lande – Inhaltsverzeichnis - April 2014

Leben auf dem Lande Bredeneeker Gespräch

Gut versorgt? 28.04.2014

Stiftung Bürgerschloss Bredeneek e.V.

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Leben auf dem Lande – Inhaltsverzeichnis - April 2014

Seite Begrüßung, Einleitung 1 - 3 Teil 1 -Impuls Jens Podbielski- 4 – 14 Der MarktTreff – Eine starke Marke für den Norden - Einleitung 4 Konzept, Trägerschaft, Finanzierung 4 Die Situation 5 Die Philosophie 5 Das Angebot 6 Mögliche Elemente des Kerngeschäfts 6 Mögliche Elemente des Dienstleistungsbereichs 7 Mögliche Bürgerbeteiligungs- und Kommunikationsbereiche 7 Vier MarktTreff-Modelle 8 Finanzierung 8 Trägerschaft 9 Professionelle Betreuung 9 MarktTreff-Partner 10 Unterstützung im Betrieb 10 Der Status quo 11 Beispiele 11/12 Wie entsteht ein MarktTreff? 13 Aussprache 13/14 Teil 2 – Impuls Franz Schwarten 15 - 17 Unser MarktTreff – Ein Erfahrungsbericht - Wie alles anfing 15 Wie es bisher lief 15/16 Die Zukunft unseres MarktTreffs 16/17

Teil 3 – Impuls Dr. Norbert Langfeldt 18 - 21 Von der Grundversorgung zur Gesundheitsversorgung Wie steht es um die ärztliche Versorgung auf dem Land? 18 Ist wirklich alles gut? 19 Der Hausarzt um die Ecke, ein Auslaufmodell? 20 Wie steht es um die Altersstruktur der Ärzteschaft? 21 Teil 4 – Impuls Dr. Gerold Menne 22 – 15 Gesundheitsversorgung auf dem Land – Ein Sachstandsbericht - So steht es um die Altersstruktur 22 Wo kommt der Nachwuchs her? 22 Sonderfall Ländliche Räume 23 Und noch einmal: Wo kommt der Nachwuchs her? 23 Neues Modell fürs Land: Gemeinde sucht Arzt 24 Was wird aus dem Selbstverständnis des Allgemeinmediziners? 25 Selbstgemachtes Leid? 26 Neue Hoffnung für die Gewinnung des Nachwuchses? 26

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Leben auf dem Lande – Inhaltsverzeichnis - April 2014

Seite Nr.

Teil 4 – Gespräch - 16-36

Muss auf dem Land der Staat den Markt retten? 28 3/5

Markt funktioniert, wenn der Preis stimmt! 28 4 29 10-17 30/31 19,25-34

Wir bleiben, wenn wir uns wohlfühlen! 28/29 7/9

Manchmal schlägt Lebensqualität Geld! 30 20-24

Wenn wir es wollen, müssen wir es auch tun! 31 35 38 65

Wie weit wollen wir gehen? 31-33 37

Zukunft mitdenken während wir Gegenwart gestalten! 32 37

Wer wird mobil, die Kunden oder das Angebot? 32 37 37 62

Wir könnten auch unsere Ansprüche neu fokussieren! 32 37 33/34 38

Gibt es einen Weg zurück? Und sollten wir ihn rückwärtsgehen? 34 39

Wir sind nicht nur Opfer, wir sind auch Täter! 34 38/41

Sind die Selbsthilfekräfte stärker, als wir glauben? 35 41-44,46

Alles geht über Versuch und Irrtum und schauen, was läuft! 35 45/49 40 84

Die Systeme kennen sich nicht! Na und? 36 49-54

Wo wollen wir steuernd einwirken? 36 50

Mit der oder gegen die Entwicklung? 36 58 Brauchen wir ein Problem, um zu handeln? 37 59-61 39 75/76

Kristallisationspunkt Kommunikation! 38 69 39 77 40 86

Kommunikation braucht Möglichkeiten, Orte und Nähe! 38 69,72/74 39/40 77-81

Landleben hat viel mit Selbstorganisation zu tun! 40 82-85

Brauchen wir mehr „System-Intelligenz“? 40 87/88

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Leben auf dem Lande – Inhaltsverzeichnis - April 2014

Seite Anlagen

Statement der Kassenärztlichen Vereinigung zum Ärztemangel 42

Handel, Handwerk und Dienstleistungen im Ort Kirchbarkau 43 Literaturhinweise/Quellen 44/45 Wichtige und interessante Internet-Adressen 45 Impressum 46

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Leben auf dem Lande – Begrüßung/Einführung - April 2014

1

Dr. Norbert Langfeldt:

Sehr verehrten Damen und Herren!

Ich darf sie ganz herzlich zu unserem heutigen Bredeneeker Gespräch begrüßen. Dieses Bredeneeker Gespräch ist das dritte Gespräch unter der Überschrift "Leben auf dem Lande". Nachdem wir uns über die Bevölkerungsentwicklung, die Polizei und die Feuerwehr unterhalten haben, wenden wir uns heute dem Einzelhandel und der ärztlichen Versorgung zu. Dazu darf ich ganz herzlich begrüßen Jens Podbielski als Marktleiter eines Sky-Marktes sowie Franz Schwarten, Bürgermeister der Ge-meinde Kirchbarkau, die seit der LSE einen Markttreff in seiner Gemeinde hat. Desweiteren darf ich ganz herzlich begrüßen Dr. Gerold Menne, praktizierender Arzt in Plön. Herr Dr. Menne wird über die ärztliche Versorgung auf dem Lande berichten.

Ich würde sagen, wir fangen an mit dem Thema Versorgung. Und bevor das losgeht, Reinhard, möch-test Du noch ein paar Worte sagen. Für die, die neu in dieser Runde sind, diese Gespräche werden bekanntlich aufgezeichnet und dann dokumentiert, niedergeschrieben, beim letzten Mal waren es 21.000 Worte, die gefallen sind, ... 1Beim ersten Abend waren es 18.000, beim zweiten Abend waren es 21.000 Worte, da waren wohl ein paar „Sabbeltaschen“ dabei.

… das wird also dokumentiert, denn es ist ja so, alles was in diesen Gesprächsrunden gesprochen worden ist, geht sonst unwiderruflich verloren, wenn man nicht versucht, es irgendwo zu dokumen-tieren. Das wird anonym festgehalten. Aber uns schwebt ja auch vor, das so auszuwerten, das man nachher auch ein gemeinschaftliches Werk daraus produzieren kann. Auch dazu sind schon mal Vor-schläge gemacht worden und, Reinhard, da hattest du jetzt auch noch ein paar Hinweise. Also, ich gebe dir zunächst das Wort, bevor Jens Podbielski mit der Versorgung beginnt.

Reinhard Gromke:

Auch von mir herzlich willkommen. Für diejenigen, die mich nicht kennen, Ich bin derjenige, der Ih-nen die freundlichen Erinnerungen geschickt und sie immer drauf hinweist, was wir am letzten Mon-tag im Monat immer so tolle Veranstaltungen haben.

Ich hab ein paar organisatorische Fragen zu klären, aber ich möchte auch mit einem Rückblick auf die letzte Veranstaltung und ein Ausblick darauf, was wir in dieser Veranstaltung besprochen haben und was am Ende als Produkt dabei herauskommen könnte. Sie sind alle ja volljährig und voll geschäfts-fähig und wissen, was mit einer Teilnehmerliste zu passieren hat. Wenn wir Ihre E-Mail-Adresse noch nicht haben und sie in Zukunft auch besonders einladen sollen, dann schreiben Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse dazu.

Der Ausgangspunkt dieser Bredeneeker Gespräche, beziehungsweise dieses Projektes, waren ja die Zeitschriften, die es so gibt, „Leben auf dem Lande“, nein, die gibt es ja noch nicht, aber „LandIdee“, „Country“, „Mein schönes Land“ und wie die alle heißen. Und du Norbert, hattest bei dem letzten Gespräch als letztes gesagt, wir müssten eigentlich die ganzen Zeitschriften hier mal auslegen. Da-raufhin habe ich überlegt das zu tun. Aber ich hätte die von Berlin hierher schleppen müssen und das wir mir dann doch zu viel. Da habe ich es etwas anders gemacht und diese Zeitschriften abfotogra-fiert, eine kleine Auswahl von dem, was es so alles gibt. Und Herr Dr. Liedl hat ja gesagt, in der Art dieser Zeitschriften müssten wir unser Projekt auch mal vorstellen. Und das haben wir ganz begeis-tert aufgenommen und gesagt, am Ende muss auch so eine Zeitschrift als Ergebnis unseres Projektes stehen, die dann auch in dem Stil dieser Zeitschriften gestaltet ist.

1 Zwischenruf Reinhard Gromke

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Leben auf dem Lande – Begrüßung/Einführung - April 2014

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Das witzige an diesem Bild sind für mich zwei Dinge. Das eine ist, wenn sie mal genau drauf gucken, unten rechts gucken, dann sehen Sie, dass es sogar eine Zeitschrift mit dem Titel „Stadtlust“ gegeben hat. Da hat sich jemand dran hängen wollen an diesen Markt und gedacht, das könnte ein Geschäft sein. Der hat für die Stadt genau das gleiche gemacht, wie andere für das Land. Diese „Stadtlust“ sah innen genauso aus wie zum Beispiel die „Landlust“ nur, dass es ein wenig mehr Bezug zur Stadt hatte. Was hier aber auch noch ganz witzig ist, ist diese Zeitschrift, die es noch gar nicht gibt, mit dem Titel „Zusammenleben auf dem Lande2“.

Die habe ich hier mal so beispielhaft eingebaut. Das soll natürlich überhaupt kein Präjudiz für eine künftige Gestaltung sein. Das ist nur mal ein Beispiel, wie kann man so eine Zeitschrift äußerlich ge-stalten könnte. Dieses erste Beispiel geht zurück auf die letzte Veranstaltung, „Bedrohte Idylle“. Ich habe hier mal so ein bisschen rum gesucht im Internet, um ein paar Bilder zu finden. Diese Bilder zum Thema demographischer Wandel sind ein bisschen lustig und nicht ganz ernst gemeint. So muss es natürlich nicht gestaltet werden, es soll ja schon eine ernsthafte Geschichte sein.

2 Der vorläufige Titel wurde aus Urheberrechtsgründen von dem Projektnamen „Leben auf dem Lande“ in vor-

läufig „Zusammenleben auf dem Lande“ geändert.

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Leben auf dem Lande – Begrüßung/Einführung - April 2014

3

Aber ein anderes Beispiel fiel mir auch noch auf zum Thema, „Die Alten machen das Licht aus.“ So könnte man das dann auch machen. Und sie sehen hier auch die zweite Überschrift „Die wahren Seiten des Landlebens“. Eine Zeitschrift formuliert nämlich „Die schönen Seiten des Landlebens“. Wir haben ja hier den Anspruch, die „wahren“ Seiten des Lebens aufzuzeigen. Also, so könnte man das machen. Ich habe das nur mal so als Appetitanreger an den Anfang gestellt, damit wir uns vorstellen können, was ein Produkt, nicht das einzige Produkt, aber ein Produkt unseres Projektes sein könnte.

Und ich hatte sie ja auch gebeten, wenn Sie Bilder haben, die zu den Themen passen und zum ländli-chen Raum passen, dass sie die uns zur Verfügung stellen. Damit wir erst mal sammeln können. Hier sind alle aus dem Internet, die kann ich nur hier zeigen und nicht öffentlich verwenden. Aber es gibt natürlich auch die Möglichkeit diese Bilder im Internet zu kaufen. Ich wollte Ihnen das, wie gesagt, nur mal als Appetitanreger zeigen. Auch als Replik auf das, was wir im letzten Gespräch besprochen haben. So ungefähr könnte das sein, Allerdings mit den ernsthaften Themen, mit denen wir uns hier beschäftigen. Die anderen Zeitungen sind ja im Grunde nur Dekorationszeitschriften.

Ja, das mit der Teilnehmerliste hatte ich gesagt, das mit dem Aufnehmen ist auch gesagt worden. Wenn sie sagen, ich möchte nicht, dass mein Beitrag irgendwo erscheint, dann sagen Sie es mir ent-weder gleich, dann schalte ich das Gerät kurz ab oder sie sagen es mir hinterher, dann lösch ich ihren Beitrag. Und soweit wir ihre E-Mail-Adresse haben, kriegen sie das von Ihnen Gesagte auch hinterher per E-Mail zugeschickt. so dass jeder auch gucken und dann sagen kann, so möchte ich nicht zitiert werden oder das soll anders geschrieben werden. Sie müssen keine Sorge haben dass irgendetwas von Ihnen erscheint, dass sie nicht haben wollen.

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Leben auf dem Lande – Impulsvorträge - April 2014

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Impuls I, Jens Podbielski: MarktTreff – Eine starke Marke für den Norden –

Bei uns ist alles drin.11. Oktober

Seite 1

ews group gmbh

LindenArcaden • Konrad-Adenauer-Straße 6 • D-23558 Lübeck

Telefon 0451-480 550 • Telefax 0451-480 55 55 • Email [email protected]

Erstinformation

Eine starke Marke für den Norden

Ja, ich soll ja etwas über die Versorgung mit Lebensmitteln auf dem Lande erzählen. Früher war das ja so, in jedem kleinen Dorf gab es viele kleine Läden. Dann gab es auch noch den Landhandel. Aber früher haben die Leute auch auf dem Dorf gearbeitet und waren vor Ort. Jetzt arbeiten Sie in der Stadt und kaufen da ein, das ist ganz anders geworden. Und dann ist auch in Deutschland das große Problem, keiner will mehr wirklich Geld für Lebensmittel ausgeben. Alle wollen immer billig, billig kaufen. Die Margen sind extrem gering in Deutschland und dadurch kann auch keiner mehr so richtig Geld verdienen. Und da muss man, um einen gewissen Umsatz zu machen, zusammenkommen. Da gibt es zum Beispiel vom Land das Projekt Markttreff. Dazu erzähle ich so ein bisschen was, etwas eher Theoretisches und dann hören wir nachher ja noch etwas von der Gemeinde Kirchbarkau über die praktische Seite.

Bei uns ist alles drin.Seite 2

Konzept, Trägerschaft, Finanzierung

Was ist MarktTreff?

- Konzept

- Trägerkonzepte, Finanzierung

- Hilfen, Unterstützung

- Status Quo

Der Weg zum MarktTreff

Was ist der Markttreff? Es gibt etwas zu sagen über das Gesamtkonzept, die Trägerkonzepte, die Finanzierung, über Hilfen und Unterstützung, die Markttreffs werden ja vom Land und von den Kommunen unterstützt für mindestens zwölf Jahre, und schließlich geht es um den Weg zum Markt-Treff.

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Leben auf dem Lande – Impulsvorträge - April 2014

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Bei uns ist alles drin.Seite 4

Die Situation

Ländliche Räume stehen vor großen Entwicklungsaufgaben.

Grundversorgung bricht in vielen kleinen Gemeinden weg.

Lebensqualität leidet, vor allem nicht-mobile Menschen

orientieren sich um.

Dorfgemeinschaft als wirtschaftliche und soziale Klammer

muss neu belebt werden.

Das Land hat die Aufgabe erkannt und darauf reagiert – mit

dem Projekt „MarktTreff“.

Zunächst etwas zur Ist-Situation, wie es bei uns ist. Ländliche Räume stehen ja vor großen Entwick-lungsaufgaben. Das ist ja das, was ich gerade schon sagte. Es gibt ja kaum noch was in ländlichen Gebieten. Die Grundversorgung bricht in vielen kleinen Gemeinden weg. Heute ist jeder mobil und jeder fährt in die Stadt. Früher waren viele nicht mobil, aber die konnten vor Ort einkaufen. Es waren ganz andere Voraussetzungen. Darunter leidet natürlich die Lebensqualität. Wenn man irgendetwas braucht, muss man erst weit fahren. Obwohl es bei uns ja noch nicht ganz so weit ist wie in Amerika, wo man teilweise 40 km weit fahren muss. Da gibt es ja noch viel weniger Märkte und auch viel grö-ßere. Und die Leute, die nicht mehr so mobil sind, die leiden ganz besonders darunter. Die Dorfgemeinschaft als wirtschaftliche und soziale Klammer muss neu belebt werden. Beim Einkau-fen da trifft man sich, da schnackt man, da ist die Verbindung zu den Leuten da. Das Land hat das erkannt, und dafür das Projekt MarktTreff eingerichtet.

Bei uns ist alles drin.Seite 5

Die Philosophie

Der lebendige Marktplatz für Produkte, Leistungen,

Informationen, Ideen und Initiativen

Bei uns ist alles drin.

Das Besondere am MarktTreff ist, das er gleichzeitig Marktplatz für Produkte, Leistungen, Informati-onen Ideen und Initiativen ist, alles ist im MarktTreff drin.

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Bei uns ist alles drin.Seite 6

Das Angebot

Treffpunkt /

Bürger-

engagement

MarktTreff

KerngeschäftDienst-

leistungen

Grundversorgung im ländlichen Raum

Dauerhaftes Bürgerengagement ist Voraussetzung

für erfolgreiche Zentren.

Das ist das, was wir in dieser Übersicht sehen. Das ist einmal der Treffpunkt, dass Bürgerengagement. Da gibt es ja alles Mögliche, da kommt auch gleich noch etwas dazu. Dann das Kerngeschäft, das ist der Versorger, der Kaufmann von früher, der das betreibt. Die Dienstleistungen, die das Sortiment dann abrunden, damit es sich für den Kaufmann eher lohnt, weil mehr Leute dahin kommen, die dann dort alles erledigen können. Und das alles zusammen fördert die Grundversorgung.

Bei uns ist alles drin.Seite 7

Mögliche Elemente

des Kerngeschäftes

Kerngeschäft

Einzelhandel

Lebensmittel

Non-Food

Direktvermarkter

Das Kerngeschäft ist der Einzelhandel mit Lebensmitteln und Non-Food. Und es gibt auch einige, die machen das als Direktvermarkter, gerade im ländlichen Raum gibt es ja viele, die Produkte selber herstellen und direkt vermarkten. Das ist auch eine große Chance. Aber Non-Food ist schon wieder sehr schwierig, weil auf dem Lande, auf dem Dorf, nur das gekauft wird, was in der Stadt vergessen wurde. Aber auch im Bereich des MarktTreffs gibt es Direktvermarkter? 3

Das gibt einige, die machen das Kerngeschäft als Direktvermarkter.

Ach so, oder sind die im Markttreff mit enthalten?

3 In Rot und kursiv: Anmerkungen der Teilnehmer

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Leben auf dem Lande – Impulsvorträge - April 2014

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Einmal gibt es den Fall, dass Produkte des Direktvermarkters im Sortiment mit enthalten sind, aber es gibt auch Fälle, in denen der Direktvermarkter das Kerngeschäft ist.

Bei uns ist alles drin.Seite 8

Mögliche Elemente des

Dienstleistungsbereiches

Dienst-

leistungen

Post

Kreditinstitute

Versicherungen

Lotto / Toto

Gesundheit

Tourismus

Klassische Annahmedienste

(Foto / Reinigung / Schuhe ...)

Versand

Kommunale Verwaltung

Beratung / Soziale Hilfen

Internet / Online-Services

Versorgungsunternehmen

Veranstaltungen

Das ist das große Spektrum der Dienstleistung. Post, Kreditinstitute, Versicherungen, obwohl das wohl nicht so besonders gut ist, finde ich, beim MarktTreff, Lotto, Toto, Gesundheit, Tourismus, klas-sische Annahmedienste vom Fotoarbeiten abgeben, für die Reinigung etwas abgeben und Schuhe reparieren lassen. Viele haben ja früher Otto-Versand oder Quelle mit drin gehabt. Kommunale Ver-waltung, habt ihr in der Kirchbarkau ja auch gehabt (hatten wir)4, Beratung, soziale Hilfen, was jetzt auch immer mehr in Mode gekommen, Internet und Online Service, Versorgungsunternehmen, die Beratungsstellen unterhalten und Veranstaltungen.

Bei uns ist alles drin.Seite 9

Mögliche Bürgerbeteiligungs-

und Kommunikationsbereiche

Sich Treffen, Klönen

Treffpunkt

Engagement

Fortbildung

Information

Bürgerengagement

So, und das ist ein ganz wichtiger Punkt. Treffpunkt und Engagement, sich treffen und klönen können aber auch Fortbildung, Information und Bürgerengagement. Weil damit erst wieder Leben rein-kommt. Das ist auch das, was anders ist als im normalen Handel. Und das ist sehr wichtig für die dörf-liche Gemeinschaft. 4 In Rot und kursiv: Anmerkungen der Teilnehmer

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Bei uns ist alles drin.Seite 10

Vier MarktTreff-Modelle

S = unter 300.000 € ehrenamtl.

Treffpunkt

Engagement

M = bis 500.000 € Nebenerwerb

L = bis 750.000 € (knapp) Haupterwerb

XL = über 750.000 € Haupterwerb

Es gibt vier verschiedene Modelle für den MarktTreff. Da sieht man mal, wie viel Umsatz da zusam-menkommen muss. Zum Beispiel S = unter 300.000 €, Das kann nur ehrenamtlich gemacht werden. Bis 500.000 € als Nebenerwerb, bis 750.000 € Jahresumsatz ermöglicht es knapp den Haupterwerb und über 750.000 € Jahresumsatz ist dann ein Haupterwerb möglich. Wenn ich das mit den Umsatz-zahlen vergleiche, die wir bei uns in den Märkten so als Kennzahlen haben, das wären zwei Kräfte, das wären zwei volle Kräfte. Wenn man das so aufteilt, dann ist das schon verdammt knapp. Wenn mal einer Urlaub hat und einer mal krank ist, dann ginge das schon gar nicht mehr. Also, das ist schon bei 750.000 € Jahresumsatz auch schon knapp gerechnet. Das geht auch nur durch andere Nebener-werbe.

Bei uns ist alles drin.Seite 12

Finanzierung

GemeindeTrägerin der Maßnahme

Zuwendungsempfängerin

Stellt Kofinanzierung (50 Prozent)

Haftet 12 Jahre für Förderzweck

BetreiberBetreibt das

Kerngeschäft

Land Schleswig-

HolsteinFördert Entwicklungs- und

Investitionskosten zu 50

Prozent

(Voraussetzung: Inhaltlich

und wirtschaftlich tragfähiges

Konzept)

Fördert nicht laufend. Betrieb!

Private Investor/enStellen Immobilien

Beteiligen sich an

Finanzierung

Beteiligen sich an Betrieb

Verein/e - BürgerKümmern sich um Treff-Bereich; unterstützen Betreiber

Das ist so ein Finanzierungskonzept. Die Gemeinde ist der Träger der Maßnahme und Zuwendungs-empfänger des Zuschusses vom Land. Sie trägt die Kofinanzierung von 50 % und bürgt für zwölf Jahre für den Zuwendungszweck. Der Betreiber betreibt das Kerngeschäft und das Land fördert die Ent-wicklungs- und Investitionskosten zu 50 %. Das Konzept muss wirtschaftlich tragfähig sein und der der laufende Betrieb wird nicht gefördert. Der muss sich selber tragen.

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Leben auf dem Lande – Impulsvorträge - April 2014

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An dem Finanzierungskonzept können sich auch private Investoren beteiligen. Und unten noch ein-mal die eine Vereine und Bürger aufgeführt, die sollen sich um den Treff-Bereich kümmern und den Betreiber unterstützen. Weil nur dann kann es klappen, sonst hat er gar keine Chance.

Bei uns ist alles drin.Seite 13

Trägerschaft

MarktTreff erlaubt vielfältige Modelle der Trägerschaft

und Finanzierung.

Voraussetzung ist aber immer, dass die Gemeinde

12 Jahre lang Verantwortung für den MarktTreff und

damit ihre Grundversorgung übernimmt!

So, hier sehen wir noch einmal das mit den zwölf Jahren und etwas zu den vielfältigen Modellen und der Möglichkeit, dass viele Vereine und Institutionen als Träger noch mit dazu kommen können.

Bei uns ist alles drin.Seite 15

Professionelle Betreuung

Planung:

Konzept

Bürger-

beteiligung

Förderung

Bestmögliche Unterstützung in allen Phasen

Eröffnung:

Ausstattung

IT / PR-

Bausteine

Betrieb:

Marketing

Controlling

Coaching

Erfa

Ziel: Ein landesweites Netzwerk

Man kriegt dann auch noch eine professionelle Betreuung hinterher. Einmal bei der Planung und im Vorwege für das Konzept und die Beteiligung der Bürger. Ebenso zur Eröffnung und zur Öffentlich-keitsarbeit. Zum Betrieb gibt es Unterstützung für Marketing, Controlling und Coaching. Es gibt ganz viele Firmen, zum Beispiel unsere Firma,5 die viele MarktTreffs betreuen, die Firma BELA betreut viele MarktTreffs, Edeka betreut die. Wir haben extra Leute, die dann zu den Märkten fahren und den Betreiber beraten, was man anders machen könnte und ihm Tipps geben und auch mit Ware versorgen, damit sie wirtschaftlich arbeiten können.

5 Jens Podbielski ist Marktleiter bei der Firma Sky.

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Bei uns ist alles drin.Seite 19

MarktTreff Partner

Das sind alles so Partner, die den MarktTreff unterstützen, angefangen von der IHK über den Bauern-verband, dem Landfrauenverband, dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag. Die ganze Band-breite, die im Land vertreten ist, beteiligt sich an der Umsetzung dieses Konzeptes.

Bei uns ist alles drin.Seite 22

Unterstützung im Betrieb

Erfahrungsaustausch der Betreiber (2 mal / Jahr)

Erfahrungsaustausch der Gemeinden (1 mal / Jahr)

Betriebswirtschaftliche Beratung / Controlling

(1 bis 2 mal / Jahr)

Gemeinsame Aktionen (Werbung, Veranstaltungen)

Ansprechpartner / Hilfen in allen Lebenslagen

(Projektmanagement: ews group, Ämter für

ländliche Räume )

Und dann gibt es, wie gesagt, durch unsere Firma und andere Firmen einen Erfahrungsaustausch mit den Betreibern. Zweimal im Jahr steht da, aber wir machen das öfter. Betriebswirtschaftliche Bera-tung und Controlling, da haben wir Mitarbeiter, die laufend herumfahren und die MarktTreffs be-treuen und auch Nachfolger suchen. Ich glaube, bei euch in Kirchbarkau haben wir auch dabei gehol-fen, einen Nachfolger zu suchen. Aber das ist bei euch gar nicht so einfach. Wir sind jedenfalls immer Ansprechpartner und helfen in allen Lebenslagen.

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Leben auf dem Lande – Impulsvorträge - April 2014

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Bei uns ist alles drin.Seite 24

Der Status quo

8 Standorte

in Vorbereitung

Ziel:

50 Zentren

Vielfalt der

Träger / Angebote

25 Standorte

realisiert

Auf dieser Folie sieht man, wie viele MarktTreffs es schon gibt und wie viele in Planung sind. Ziel ist ja, dass 50 MarktTreffs in Schleswig Holstein errichtet werden. Die erfolgreichsten, die wir zurzeit bewirtschaften, die sind in Nordfriesland und im Raum Schleswig, da oben im ländlichen Raum. Da muss aber dazu sagen, dass sind nicht alles Einkaufsläden. MarktTreffs können sich auch anders organisieren. Markttreffs kann man sich auch anders vorstellen, das sind Feuerwehrhäuser, Sporthäu-ser und Einrichtungen, wo nicht eingekauft wird, sondern wo nur der Treffpunkt des Dorfes ist.6

Bei uns ist alles drin.Seite 25

Beispiele: Alt Duvenstedt

6 Rot und kursiv: Anmerkungen der Teilnehmer

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Bei uns ist alles drin.Seite 26

Beispiele: Gülzow

Bei uns ist alles drin.Seite 27

Beispiele: Witzwort

Bei uns ist alles drin.Seite 28

Beispiele

Großsolt Christiansholm

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Leben auf dem Lande – Impulsvorträge - April 2014

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Ja, und jetzt haben wir viele Beispiele von einzelnen MarktTreffs. Der in Alt Duvenstedt hier, sieht man ja auch hier, mit Kaffee und Kuchen draußen und Möglichkeiten zum Klönen oder Gützow, der hat auch einen Kaffeegarten draußen. Witzwort, der soll sehr gut laufen, habe ich gehört. Der hat auch einen guten Betreiber.7 Christiansholm, da ist ein Jugendtreff mit bei, also das ganze Spektrum, ist alles dabei.

11. Oktober 2007 Seite 1

MarktTreff – Projektentwicklung

Erstinformation

Überprüfung der Standorteignung / Wettbewerb

(Standort-Grundcheck)

Initia

tive

Startwerkstatt

MarktTreff-Philosophie

Präsentation der Ergebnisse des Standort-Grundchecks

Informationen über MarktTreff-Trägerstrukturen (MarktTreff-Verein)

Projektmanagement

Amt für ländliche Räume

ALR

Gemeinde

Sonderfachleute

Bauliche

Realisierung

EröffnungStart-Paket MarktTreff START

Konzept-Beratung

Betreuung in der Startphase

Betre

uu

ng

9 M

on

ate

Realis

ieru

ng

ca. 1

2 M

on

ate

Betreuungsprogramm MarktTreff PLUS

Kontinuierliches Controlling

Jährlicher ErfolgsCheck

Erfahrungsaustausch/Betreuung vor Ort

Betre

uu

ng

36 M

on

ate

Praktika des MarktTreff-Betreibers

ALR

Gemeinde

Sonderfachleute

Sonderfachleute

rgerb

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iligu

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Sonderfachleute

Architekten

ALR

Gemeinde

Architekten

ALR

Gemeinde

SonderfachleuteB

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des ö

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en

Mark

tTre

ff-Vere

ins >

Architekten

Sonderfachleute

Konzept

für die drei Säulen

Kerngeschäft

Dienstleistungen

Treffpunkt

Wirtschaftlichkeits- und Tragfähigkeitsprüfung

des Gesamtkonzeptes Rentabilitäts- und Liquiditätsplanung für das Kerngeschäft

Wirtschaftlichkeits- und Mietertragsrechnung für die Gemeinde

Zuwendungsverfahren

Pla

nu

ng

ca. 6

Mo

nate

Festlegung der

Trägerstruktur

Betreiberauswahl-Verfahren

ArchitektenentwurfR

ückko

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elu

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Und da sieht man jetzt, wie man dazu kommt, wie man zu einem MarktTreff kommt, wie man ihn entwickelt. Aber ich glaube, dass es heute eigentlich nicht das Thema, das Thema ist ja die Versor-gung. Hat noch irgendjemand Fragen dazu? Wenn sie solche Einrichtungen betreuen und sie oder ihre Firma, was gibt es denn für Erfahrungen mit diesen einzelnen MarktTreffs? Im Einzelnen nicht, aber insgesamt. Es wird ja eine Erhebung gemacht, wie das Einkaufsverhalten in dem Raum ist, wie die Kaufkraft in dem Raum ist und dann, ob es sich auch lohnt. Ja, aber sie haben doch jetzt Erfahrung, diese Dinger laufen seit zehn Jahren. Im Laufe der Zeit hat sich etwas verändert. Wie ist die Erfahrung mit der Entwicklung dieser MarktTreffs? Können Sie das beurteilen? Das kann ich nicht, das könnte mein Kollege, der heute nicht kommen konnte. Der betreut die MarktTreffs, der hätte das machen können. Also wir haben einige MarktTreffs, die laufen sehr gut, aber andere, die laufen so gut wie gar nicht. Da wäre es natürlich interessant, warum ist das so. Ja, wenn der MarktTreff zum Beispiel in der räumlichen Nähe zu einer größeren Stadt ist, dann ist es schwieriger, als wenn man auf dem flachen Lande den MarktTreff betreibt. Und dann hängt auch vieles vom Betreiber ab, was er alles so hat, wie das Sortiment abgerundet wird. Was für Dienstleis-tungen daran hängen. Wie gesagt, wenn nur der Versorger da ist alleine, dann hat er keine Chance.

7 Rot und kursiv: Anmerkungen und Fragen der Teilnehmer

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Ist daran gedacht, so etwas einmal auszuwerten? Dass man da mal ein paar Erfahrungen an die Hand kriegt?8 Da müsste das Land ja eigentlich etwas machen. Die müssten Erfahrungswerte haben. Ich hätte auch noch einmal eine Frage und zwar, wie schätzt du denn diese Unterstützung ein. Also ich denk immer, wenn man ein vernünftiges Konzept hat und das wirtschaftlich gut aussieht, dann wird das schon laufen. Und wenn dann, ich stelle mir das so vor, jetzt kommt da Subvention ins Spiel und Beratung ins Spiel und dann entsteht vielleicht so eine falsche Euphorie und am Ende machen alle eine lange Nase, weil da nichts läuft. Also ich denke mal, dass A und O ist doch tatsächlich die wirt-schaftliche Tragfähigkeit dieser Geschichte. Und ich denke mir, wenn jetzt ein Kaufmann kommt und der hat ein vernünftiges, tragfähiges Konzept, wie wichtig sind sie dann überhaupt noch, diese ande-ren Geschichten? Ist das wirklich hilfreich oder führt das vielleicht in die Irre? Du meinst die anderen Säulen, oder die Beratung? Nein, die Beratung. Die Beratung ist sehr wichtig. Zum Beispiel, es ändert sich ja laufend etwas. Handel ist Wandel, da sind ja laufend Änderungen. Und die kriegst du als einzelne Person gar nicht mit. Vieles wissen wir von der Zentrale, die wissen, was sich da ändert bei allen möglichen Artikeln. Und wenn du da immer auf dem neuesten Stand bist, das hilft dir doch auch sehr. In zwölf Jahren verändert sich das Dorf ganz und gar. Vielleicht sollten wir die Fragen zurückstellen. Wenn Franz Schwarten aus Kirchbarkau etwas gesagt hat, dann hat man vielleicht auch einen praktischer Einblick über das, was läuft. 9Ja, Jens, vielen Dank! Ich sage mal, MarktTreff in Schleswig Holstein ist ja eine Möglichkeit, die man gefunden hat im Rahmen der ländlichen Entwicklung. Um die ganzen verlorengegangenen „Tante Emma Läden“, die natürlich aus wirtschaftlichen Gründen kaputtgegangen sind wieder aufleben zu lassen unter all diesen Bedingungen, die dazu erforderlich waren. Also viel breiter aufgestellt und es werden eben auch Steuergelder eingesetzt, um Einkaufen zu ermöglichen. Und das ist in Kirchbarkau natürlich nicht anders und Franz, schön dass du da bist, Franz Schwarten als Bürgermeister der Ge-meinde Kirchbarkau. Und Ihr habt seit zwölf Jahren den MarktTreff Kirchbarkau und du würdest jetzt noch einmal ein paar Worte zur der Existenz sagen und dann nehmen wir nachher die ärztliche Ver-sorgung. Das ist ein ähnliches Problem, was sich im ländlichen Raum abzeichnet.

8 Rot und kursiv: Anmerkungen und Fragen der Teilnehmer

9 Dr. Langfeldt

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Impuls II, Franz Schwarten: Unser MarktTreff – Ein Erfahrungsbericht – Wie alles begann Ja, mein Name ist Franz Schwarten. Ich bin seit zehn Jahren Bürgermeister in Kirchbarkau. Wir haben seit zwölfeinhalb Jahren einen MarktTreff in Kirchbarkau. Wir sind damals angefangen, haben diesen MarktTreff als einen der ersten vier MarktTreffs im Lande errichtet. Das war eines der Pilotprojekte und dieses Projekt wurde damals noch mit 60 % aus EU- und Landesmitteln gefördert. Wir haben mit einem Workshop angefangen und haben die Bevölkerung gefragt. Wollen wir uns einen MarktTreff leisten? Der kostet ja auch Geld. Und man muss sagen, in Kirchbarkau wohnten damals, vor 15 Jah-ren, mehr alte Leute als heute. In vielen Gemeinden hat sich das sicherlich umgedreht, aber in Kirch-barkau ist es anders. Und wir sind angefangen mit der Planung, haben viele Workshops gemacht. Und wie wir das durchhatten, sind wir mit dem Bau angefangen. Das Projekt hat damals 1,7 Millionen DM gekostet. Die Gemeinde hatte 500.000 DM in der Rücklage und hat die voll investiert. Wir haben 750.000 DM Zuschüsse bekommen. Und wir hatten das Glück, dass wir einen Zahnarzt hatten, der uns oben eine Wohnung abgekauft hat mit 150 m². Dadurch brauchten wir nur noch 1,2 Million und konnten das ganze Objekt bar bezahlen. Dann fingen wir an, einen Betreiber zu suchen. Es haben sich viele gemeldet. Fünf, sechs, sieben. Nur was bei allen fehlte, das war das Geld. Die waren alle auf null. Dann haben wir uns entschieden, das ganze Inventar, den Tresen für den Fleischverkauf alles, das ganze Inventar von der Gemeinde dann noch mal aus eigener Tasche zu bezahlen. Und wir haben dem Betreiber eine Bürgschaft von 50.000 DM gegeben, damit er erst mal den ersten Warenbestand anschaffen konnte. Wie es bisher lief Dieser Betreiber ist jetzt zwölfeinhalb Jahre da und betreibt diesen Laden mit seiner Frau. Wirtschaft-lich mehr schlecht als recht. Wir hatten das Glück, dass er zwischendurch mal eine Erbschaft gemacht hat in Hamburg mit ein paar Wohnungen und dadurch konnte er den Laden praktisch im Nebener-werb weiterführen. Aber er hat sich keine goldene Nase dort geholt. Wir haben nach fünf bis sechs Jahren noch einmal das Glück gehabt, dass wir noch einmal Geld vom Land bekommen haben, noch einmal 60.000 € damals. Und wir haben noch einmal einen Anbau getätigt. Für Lagerraum, es gab zu wenig Lagerraum und wir haben dann noch einen Getränkemarkt angebaut. Jetzt sind zwölf Jahre rum. Wir brauchen einen neuen Betreiber. Und Sie glauben gar nicht wie schwierig es ist, einen neuen Betreiber zu finden. Wir hatten drei-vier Bewerber, jetzt haben wir noch zwei an der Hand. Aber wie das immer so ist, das Geld fehlt. Wir haben mittlerweile in unserem Laden 3.000 Artikel. Der Wert dieser ganzen Artikel im Einkauf beläuft sich auf zwischen 35.000 und 40.000 €, die natürlich der nächste Betreiber erst einmal auslösen muss. Ich muss Ihnen noch ein paar Sachen zu Kirchbarkau sagen. Wir haben 750 Einwohner, das Barkauer Land hat 4.000 Einwohner rundherum mit den Nachbargemeinden. Wie gesagt, damals vor 15 Jahren hatten wir viel mehr Ältere in Kirchbarkau. Wir haben mit unseren Betreiber, Herrn Harms, zusam-mengesessen und noch einmal durchkalkuliert, wer so alles in den letzten zehn Jahren verstorben ist von den älteren Leuten, die fast alles gekauft haben. Und Sie glauben es nicht, es sind 100 Leute. Und für diese 100 alten sind 100 junge Leute dazugekommen. Und wir leben 7 km von Flintbek entfernt. Wir haben in Kiel, in Meimersdorf, jetzt den großen Famila-Laden, den größten, glaube ich, in Schleswig Holstein. Und jeder von uns oder jeder, der in Kirchbarkau wohnt, fährt Richtung Kiel, braucht, wenn er aus Kiel kommt, nur einmal kurz abzweigen und hat Famila, hat eine Tankstelle, einen Bäcker, hat einen Fleischer, hat alles da.

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Und das muss ich Ihnen noch sagen, wir haben einen Umsatz gehabt mit dem Laden von 650.000 €. Da sind wir jetzt abgesunken. Wir hatten ein Fleischladen dabei, eine Fleischtheke dabei mit Frisch-fleisch und Frischwurst. Die mussten wir zumachen, weil das Personal zu teuer war, weil sie auch Fachkräfte haben müssen und nach Kirchbarkau kriegen sie keinen raus. Wir hatten eine Person, aber da ist ein bisschen was schief gegangen mit, aber die hat auch 13 Stunden am Tag gearbeitet und war nachher so kaputt, dass nichts mehr ging. Und dann haben wir den Fleischtresen zurückgebaut auf Selbstbedienung, also auf Verpacktes. Und da ist natürlich auch der Umsatz dementsprechend zu-rückgegangen. Die Zukunft unseres MarktTreffs Also ich kann nur sagen, es ist ganz schwierig, so einen Laden zu halten. Und das, obwohl wir als Ge-meinde keine Schulden auf diesem Laden haben. Wir müssen also keinen Abtrag zahlen. Wir haben oben noch die Betreiberwohnung drin. Wir nehmen im Jahr für den Laden und für die Wohnung 13.000 € Miete ein. Für den Laden bekommen wir 1,90 € pro Quadratmeter und oben in der Woh-nung fünf Euro pro Quadratmeter. Wir haben immer die Hälfte ungefähr, ich habe mir das noch mal ausdrucken lassen auf dem Amt, wir haben immer die Hälfte von den Mieteinnahmen in den Laden investiert. Weil eine Truhe kaputt ging, eine neue Truhe her musste, der Fleischtresen mal kaputt war. Sie können sich das ja denken, wenn man die Firmen von den Kühlanlagen holt, das kostet im-mer gleich richtig viel Geld. Im letzten Jahr, habe ich mal geguckt, haben wir noch 3000 € drauf ge-packt, also 16.000 € ausgegeben, weil wir so viel kaputt gehabt haben nach zwölf Jahren, die Truhen kaputt, die Kühlanlagen kaputt. Und nun haben wir noch einen Betreiber an der Hand, der das ma-chen will. Der kommt aus Pinneberg, Die bilden junge Leute aus, die ein bisschen schwierig sind. Die wollen das übernehmen. Die wissen natürlich aber auch, dass wir unbedingt einen Betreiber haben müssen und haben natürlich auch schon gesagt, Miete wollen wir nicht bezahlen. Und wenn wir das mit denen nicht schaffen, behaupte ich, finden wir auch keinen zweiten Betreiber, dann kann es auch sein, dass wir in Kirchbarkau, das wir die Tore irgendwann schließen müssen.

Wenn wir da jedes Jahr, sag ich mal, bis 16.000 € investieren sollen als Gemeinde mit 750 Einwohner, das können wir uns nicht mehr leisten in der heutigen Zeit. Das ist nachher ein Fass ohne Boden und wie gesagt, einige Bürger nutzen das in Kirchbarkau zwar, aber einige im Dorf, die haben den Laden noch nicht einmal betreten, da gibt es auch welche von. Es gibt viele, die kommen vielleicht einmal im Monat. Es gibt viele, die holen ihre Brötchen, obwohl der Betreiber morgens Brötchen anbietet, ihre Brötchen morgens aus Flintbek. Obwohl sie auf der anderen Straßenseite wohnen. Und deshalb ist es schwierig, so einen Laden zu erhalten. Das einzig Gute ist, wir sind aus der Bindungsfrist der Förderung heraus, die zwölf Jahre haben wir rum, so dass wir da nicht noch wieder etwas zurückzah-len müssen. Ansonsten können wir höchstens hoffen, sage ich immer, wenn wir bisschen Glück ha-ben, das entscheidet sich jetzt in 14 Tagen, dass der neue Betreiber einsteigt, ansonsten müssen wir sehen. Die Familie Harms, das ist Frau Harms und Herr Harms, er ist 65 geworden und beide wollen natürlich jetzt aufhören. Er hatte letzte Woche noch einen Unfall gehabt, hat sich einen Oberschen-kelhalsbruch zugezogen und hat sich einen Arm gebrochen. Also ist das abzusehen.

Da sind wir ja schon fast bei der Gesundheitsversorgung!10 Ansonsten hat der Herr Harms den Laden mit seiner Frau betrieben. Sie hat dann die Kasse gemacht er hat insgesamt den Laden betrieben. Zwei Kräfte auf 450 € waren beschäftigt und er hatte für den Fleischtresen eine Person fest eingestellt. Da kann nichts über sein!

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Da ist nichts über gewesen. Wir haben Glück gehabt, dass der Betreiber noch weitere Einkünfte hatte und dass er schon über 60 war und wohl nichts anderes auf dem Arbeitsmarkt gefunden hätte. So sieht das aus. Wir können nur hoffen, dass es weitergeht. Wir hatten letztens eine Einwohnerver-sammlung, da waren 150 Leute da. Die wollen natürlich alle den MarktTreff behalten. Jeder hebt natürlich den Arm. Aber ich kann Ihnen dann auch genau sagen, wer für fünf Euro im Monat dort einkauft oder wer dann auch mal für 300 € da einkauft. Und die mit den 300 € sind eben nicht so viele. Also es ist schwierig. Gibt es noch irgendwelche Fragen? Also, was mich noch mal interessieren würde, man kriegt ja viel mit, dass ihr im Barkauer Land gut zusammenarbeitet unter den Gemeinden. Wie sieht das denn bei dem MarktTreff aus? Gibt es das da auch? Also, ich sag jetzt mal, wahrscheinlich gibt es den einen oder anderen, der da seine Brötchen kauft, wobei wir das sicher nicht überbewerten wollen, aber, wie ist denn das Interesse bei den Nach-bargemeinden? Also, das Interesse aus der Gemeinde Warnau war sehr stark, was da eingekauft wird, das ist sehr viel. Aus den umliegenden Gemeinden ist es aber nicht die Masse. Ich sage einfach mal, wenn sich ein Postfelder in das Auto setzt, dann kann er auch nach Preetz fahren. Und wenn ein Nettelseer sich ins Auto setzt, dann kann auch nach Wankendorf oder nach Neumünster fahren. Er wird nicht unbe-dingt in Kirchbarkau einkaufen. Es gibt sicherlich einige, die das machen, Aber das ist nicht die Masse. Wir haben es ja mittlerweile wenigstens hinbekommen, dass wir zumindest die Feuerwehrorganisa-tionen um uns herum dazu gebracht haben, dass die ihre Sachen, wenn sie Feste feiern, oder auch für den normalen Gebrauch, im MarktTreff kaufen. Aber die Gemeinden, als Gemeinden, bringen sich nicht mit ein?11 Nein. Ich sage mal, noch nicht, Franz! Vielleicht müssen wir darüber mal nachdenken! Bis jetzt hat Kirchbarkau das eben alles alleine gemacht. Noch Fragen?

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Impuls III, Dr. Norbert Langfeldt Von der Grundversorgung zur Gesundheitsversorgung

Gut, Diskussion machen wir ja auch nachher noch. Vielen Dank Franz. Ich glaube, das zeigt sehr deut-lich auf, was passiert, wenn wir eine natürliche Entwicklung beeinflussen, denn die „Tante-Emma-Läden“ oder die kleinen Läden auf dem Lande sind alle nacheinander verschwunden, weil sie eben nicht mehr wirtschaftlich waren. Was passiert, wenn man jetzt sehr aufwändig solche Läden wieder ins Leben ruft, installiert. Wie aufwändig das ist, die am Leben zu erhalten. Und wie viel Geld auch von der öffentlichen Hand da rein gesteckt werden muss, um so einen Laden überhaupt wirtschaft-lich zu erhalten und so einen Betreiber bei der Stange zu halten.

Wie steht es um die ärztliche Versorgung auf dem Lande?

Und das führt natürlich auch gleich zu dem nächsten Thema, der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum. Da muss man sagen, Kirchbarkau hat noch einen Arzt und einen Zahnarzt. Ansonsten ist es ja so, dass unser ländlicher Raum eher über die zentralen Orte ärztlich versorgt wird. Das heißt, wir aus dem Raum Amt Preetz-Land, wir finden die Ärzte eher in der Stadt Preetz und was das Plöner Um-land angeht eher in der Stadt Plön. Und auch da, und das ist in den letzten Jahren ja immer mehr in den Vordergrund gerückt, und man sieht das ja auch in der Presse, dass die ärztliche Versorgung, gerade mit Hausärzten, auf dem Lande immer wieder infrage steht, dass sich da noch genügend jün-gere Kollegen finden, die diese Sparte ausfüllen. Und das hängt natürlich auch damit zusammen, wie sich die gesamte übrige und zusätzliche Infrastruktur im ländlichen Raum darstellt. Zum Beispiel Kin-dergarten, Schulen, auch Einkaufsmöglichkeiten zu haben und daran orientiert sich natürlich auch so etwas.

Ich möchte hier nicht den ärztlichen Teil vertreten, aber vielleicht einen kleinen Einstieg machen über eine Broschüre, die jetzt zwischen dem letzten Bredeneeker Gespräch und heute verteilt wurde. Und zwar ist es der Versorgungsbericht 2014 über die ambulante Versorgung mit Ärzten in Schleswig Holstein und auch mit psychologischen Diensten.

Das kann sich jeder auch im Internet herunter laden. Die Adressen und die Links werden auch mit der Dokumentation verteilt, so dass man da rein gucken kann. Das ist einmal geprägt dadurch, dass ein paar Zahlen und Tabellen da sind, davon werde ich einige darstellen. Und zum anderen werden aber auch viele Beispiele gezeigt, auch anhand von individuellen Lösungen, die jemand gefunden hat, um diese Situationen zu meistern. Das heißt, auf der einen Seite wirft der Bericht die Frage auf, wird die ärztliche Versorgung schlechter? Allgemein kann man ja feststellen, dass die medizinische Versor-gung insgesamt eher besser als schlechter wird. Wir sind medizinisch noch nie so gut versorgt gewe-sen wie in der heutigen Zeit. Die Menschen werden immer älter. Ein Teil daran liegt natürlich auch in der ärztlichen Versorgung. Auf der anderen Seite wird aber auch etwas bemängelt, was einem fehlt. Fehlt der Teil tatsächlich, oder fahren die Leute dahin, wo Ärzte vorhanden sind? Zum Beispiel nach Plön oder nach Preetz. Gerade vormittags in der Woche sieht man, ob das Plön oder Preetz ist, laufen viele Patienten über den Marktplatz, um zu den entsprechenden Ärzten zu kommen. Das fällt richtig auf, wenn man in der Woche vormittags in der Stadt ist.

Ich habe aus dem Bericht nur mal ein paar Einstiegsfolien herausgezogen. Es gibt übrigens auch vom Ministerium des Landes so eine Übersicht über die ärztliche Versorgung 2011/2012. Da habe ich es aber in der kurzen Zeit nicht geschafft, das da rein zu kopieren. Ich habe heute Nachmittag, kurz be-vor wir hier her gekommen sind, noch so eine Methode gelernt, wie man das macht. Beim nächsten Mal könnte ich das aber. Nur wenn jemand da mehr Interesse hat, auch beim Land gibt es entspre-chende Übersichten. Vor allem sind da auch ein paar Übersichten aus dem statistischen Bundesamt mit enthalten, wo eine bundesweite Übersicht zu finden ist.

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Das ist dieser Bericht, wie gesagt, der kann im Internet auch herunter geladen werden.

Ist wirklich alles gut?

Und in der Einleitung im ersten Abschnitt steht drin, dass die Medizin, dass die ambulante medizini-sche Versorgung in Schleswig Holstein gut ist. Das ist erst mal so der Anfangssatz dieser Broschüre. Mehr als 5.000 Ärzte, Haus- und Fachärzte sowie Psychotherapeuten, es wird nie von Psychologen, es wird immer von Psychotherapeuten geredet. 12Das ist auch sehr merkwürdig. Das kann man auch nicht nachvollziehen. Das ist auch so ein Manko. Uns fehlen ja in der Tat Psychiater. Psychiater sind eines unserer schlecht versorgtesten Fachgruppen im Lande. Nicht nur hier oben, sondern generell. Und das wird jetzt immer so ein bisschen in einen Topf geworfen. Und das ist auch ein Problem und wenn wir viele Psychotherapeuten haben, dann haben wir haben ja auch viele Psychotherapeuten, die keine Kassenzulassung haben. Das heißt also, dass deren Kosten oder deren Sitzungen oder deren Sitzungsgelder oder Gesprächstherapien nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Dafür muss es dann ein so genannter ärztlicher Psycho-therapeut sein oder ein Psychotherapeut auf der Basis Studium Psychotherapie aber mit einer Zu-satzausbildung. Psychotherapeutische Psychologen oder so etwas Ähnliches. Und das ist eine ganz komplizierte Materie, da wollen wir uns heute Abend wohl gar nicht rein begeben. Aber Letzten En-des, das was sie oben so steht, ist natürlich ein bisschen vereinfacht dargestellt. Es trifft auch nicht den Kern. 13Aber das ist zumindest der Eingangsabsatz, der erste Absatz, mit dem diese Broschüre eingeleitet wird. Und die sind natürlich in den unterschiedlichsten beruflichen Konstellationen tätig. In Einzel-praxen, in Gemeinschaftspraxen und in den unterschiedlichsten Konstellationen. 12

Dr. Gerold Menne 13

Dr. Norbert Langfeldt

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Ist der Hausarzt um die Ecke ein Auslaufmodell?

Wenn man nachher ein bisschen weitergeht, dann steht unter der Überschrift „Versorgung in Stadt und Land“, dass der Hausarzt um die Ecke möglicherweise ein Auslaufmodell ist. Und das ist ja auch das, was wir in der Presse auch immer wieder erfahren. Dass es ein großes Manko an Hausärzten gibt. Insbesondere in den Regionen, wo es immer ländlicher wird. Und wir haben ja zu Anfang lernen müssen, was ist überhaupt ländlicher Raum. Das ist gar nicht so einfach, das festzustellen. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass es Areale und Gebiete gibt, Dörfer, die nur wenige 100 Einwohner ha-ben, das es da schwierig ist, einen Hausarzt anzusiedeln. Das konzentriert sich dann schon ein biss-chen mehr auf die zentralen Orte. Das nur hier mal, also der Einleitungsabsatz ist zunächst einmal sehr positiv dargestellt. Und dann wird doch im Anschluss das eine oder andere infrage gestellt und dann durch die verschiedenen Fachgruppen und Fachbereiche mit individuellen Beispielen darge-stellt.

Hier nochmal eine kleine Übersicht über die Zahl der zugelassenen und angestellten Ärzte und Psy-chotherapeuten. In Schleswig-Holstein sind es insgesamt gut 5.000 bei 2,8 Millionen Einwohnern. Obwohl, 1992 in Kambodscha, da waren für 9 Millionen Einwohner noch 36 Ärzte übergeblieben. Da sah die medizinische Versorgung natürlich entsprechend aus.

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Wie steht es um die Altersstruktur der Ärzteschaft?

Hier wird noch einmal so ein bisschen die Altersstruktur dargestellt. Das gibt es auch für jede Fach-gruppe, ich habe das hier nur mal beispielhaft dargestellt, um zu zeigen, was da in dem Bericht drin steht. Und da ist insgesamt die Altersstruktur der Hausärzte, der Fachärzte und der Psychotherapeu-ten angegeben. Also, man muss sagen, dass im Bereich Fachärzte und auch Hausärzte auch noch relativ junge dabei sind, Also zumindest die Hälfte ist mindestens im mittleren Alter. Man muss ja auch eine Facharztausbildung durchlaufen bevor man in den Stand kommt, Facharzt oder Fachtier-arzt zu oder Hausarzt zu sein, also bestimmte Stationen durchlaufen. Also, mit 25 kann man das auch nicht werden. Das sind aber zum großen Teil Leute im mittleren Alter. Ich kann daraus keine Überal-terung feststellen.

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Impuls IV: Dr. Gerold Menne Gesundheitsversorgung auf dem Land – Ein Sachstandsbericht -

So steht es um die Altersstruktur

Ja, ich hab mir auch mal die aktuellen Daten geben lassen. Als du mich angerufen hast, da habe ich gesagt, jetzt lass uns mal die Altersstruktur der niedergelassenen Ärzte in Schleswig-Holstein unter die Lupe nehmen. Jetzt haben wir diese Zahlen, die du gerade hattest, 1.930 Hausärzte. Wir haben 1.930 Hausärzte. Ich nehme erst mal das Hausarztthema. 50,4 % haben ein Durchschnittsalter über 55. Das ist ein Fakt. 50 % ist über 55. Und damit fängt ja das Problem an. Das ist hier ja zwischen 35 und 55 Jahren. Und dann geht es los, ab 55 bis 65 und älter. Wir haben über 55jährige 18 Prozent, wir haben zwischen 60und 65 knapp 20 % und wir haben über 65jährige 30 Prozent, macht summa summarum 50 %. Da wären wir genau in der Problematik drin, dass teil-weise, was da nicht so richtig raus kommt und wo wir auch im Grunde sagen, da spiegelt den Alltag nicht wieder. Jetzt haben wir 1.930 Hausärzte und jetzt sagen wir, rund die Hälfte ist jetzt, sage ich mal so, in dem Alter über 50 und ein Drittel ist über 60. Jetzt kommt die Frage, von denen wollen in den nächsten Jahren rund 600 ausscheiden. Die haben das zumindest kundgetan, dass sie sagen, wir machen bis 65. Und wer bis 70 machen will, kann auch bis 70 machen. Damals gab es ja mal eine Begrenzung auf 68, das gibt es ja nicht mehr. Auch aus diesen Gründen, das waren schon die ersten Reaktion darauf, dass sie sahen, dass die hausärztliche Versorgung, und darüber wollen wir heute ja auch reden, am ehesten in Gefahr war. Wie gesagt, ein Drittel von den 1.900 ist über 60 und will in den nächsten fünf bis sieben Jahren aufhören.

Wo kommt der Nachwuchs her?

Jetzt haben wir das auf der anderen Seite, wo haben wir unseren Nachwuchs? Wo können wir unse-ren Nachwuchs rekrutieren? Und da kommen wir dann schon immer tiefer in die Problematik. Wir haben jetzt also zurzeit 163 Ärzte in der Weiterbildung zu einem Allgemeinmediziner. Das ist der aktuelle Stand, 163 Ärzte. Und dann die Abschlüsse. Ich kann es deswegen sagen, weil ich selber auch Weiterbildungsarzt war in der Allgemeinmedizin. Ich habe das zwei Jahren mal gemacht. Ich tue es jetzt nicht mehr. Wenn es jemand interessiert, wieso nicht, kann ich das nachher auch noch sagen. Aber ich habe selber Erfah-rungen gemacht damit bis vor zwei Jahren. Wir haben noch letztes Jahr um die 50 oder 53 Abschlüs-se gehabt. Also 53 Ärzte schließen als Facharzt für Allgemeinmedizin ab. Das ist das was wir Hausarzt nennen. Und die waren seinerzeit, das war auch so ein Unterstützungsmodell unserer kassenärztli-chen Vereinigung, wenn ein Arzt also die Weiterbildung übernahm, wenn wir das gemacht haben, dass wir dann auch einen Weiterbildungszuschuss bekommen haben, den wir dann an den diesen Assistenten, den Weiterbildungsassistenten, weitergegeben haben. Das war damals im Nachhinein aber gut gelöst in meinen Augen, weil die KV14 gesagt hat, derjenige, der dafür einen Zuschuss be-kommt und auch ein Gehalt bezieht in einer festen Höhe, der ist dazu verpflichtet ist, einen Arztsitz in Schleswig Holstein, quasi hier im Lande, zu übernehmen. Oder aber, er hätte diese finanziellen Unterstützungen zurückzahlen müssen. Das heißt, man musste zumindest drei Jahre hier oben an Bord bleiben und wenn man sich dann, wie man so schön sagt, vom Acker machte, nach Baden-Württemberg oder irgendwo hin hätte das keine Folgen. Das hat man, in meinen Augen leider, fallen gelassen, dass man gesagt hat, gut, wenn wir die Leute hier schon ausgebildet werden. Es gibt jetzt Weiterbildungpraxen, also allgemeinärztliche Lehrkräfte, die diese Aufgaben übernehmen. Da muss im Grunde dann doch auch gewährleistet sein, dass die Leute auch hier oben an Bord bleiben. Dass sie hier diese frei sitzenden Ärztesitze überneh-

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men, das ist leider fallen gelassen worden. Aber wir haben nur 53 Ärzte pro Jahr, die nachschießen für Allgemeinmedizin.

Das ist aber nicht gesagt, dass die eine Praxis übernehmen?15

Das ist nicht gesagt. Nein, das war ja diese Regel, die es damals gab, indem man sagte, so, ihr seid jetzt dafür da, eine Landarztpraxis zu übernehmen oder auch kooperiert in einem Zentrum, wie auch immer. Hauptsache Ihr bleibt hier oben.

Ist das bezogen auf den ländlichen Raum, den es vielleicht ja so gar nicht gibt? Reden wir nur über den ländlichen Raum oder reden wir auch über die Städte?

Sonderfall Ländiche Räume

Wir reden über den ländlichen Raum. Nein, es gibt ja gar nicht den ländlichen Raum und es gibt ja auch nicht die Stadt. Kiel kann sich allenfalls mit Lübeck vergleichen, aber Kiel kann sich nicht mit Neumünster vergleichen und auch nicht mit Flensburg. Es gibt nicht den ländlichen Raum und es gibt auch nicht den städtischen. Wir sehen ja auf der einen Seite, dass die Arztzahlen ja insgesamt bun-desweit noch zunehmen. Jedes Jahr heißt es, kriegen wir ein Prozent oder 0,9 % mehr Ärzte. Und dann reden wir auf der anderen Seite von einem Ärztemangel. Das muss man ja dann auch immer noch einmal erklären, wo woran das liegt und wie man das erklären kann. Erklärbar es ist natürlich durch das veränderte Verhalten unseres ärztlichen Nachwuchses. Das ist der Hauptgrund. Der Hauptgrund ist der, dass der ärztliche Nachwuchs, der jetzt kommt, überwiegend Frauen sind. Und diese Frauen haben eine andere Vorstellung darüber, wie Sie jetzt diesen Beruf angehen. Die wollen meistens, natürlich auch möglicherweise, weil sie auch eine Familie gründen und einen Ehemann haben, der als Zweitverdiener vorhanden ist, dann auch nur für eine teilweise Versorgung zur Verfü-gung stehen.

Aber das ist auch eine bekannte Tatsache, ich kann eine Einzel-Arztpraxis, die 30 Jahre von einem Inhaber geführt worden ist, nicht mit zwei Teilzeitkräften, sage ich jetzt mal, oder nur schlecht aus-führen. Und schlecht zu der Qualität führen, was die Versorgung betrifft, dann in der Zukunft führen, als wenn es jetzt einer gemacht hätte, der seine Präsenz da zeigte, den Hausarzt also mit Leben er-füllte, bis hin zu abendlichen Zeiten oder Bereitschaftsdienstzeiten und so weiter. Das will der ärztli-che Nachwuchs gerade nicht. Das war ja bei meinen beiden auch. Die wollten hinterher, ich merkte das schon, die wollten hier oben von Schleswig Holstein weg. Waren dann hinterher, wie sie unseren Alltag gesehen haben, eindeutig nur noch auf eine Halbtags- oder Teilzeitbeschäftigung fokussiert und kamen dann, sagen wir mal, für eine Übernahme einer Arztpraxis in Kirchbarkau oder in Selent überhaupt nicht mehr infrage.

Und noch einmal: Wo kommt der Nachwuchs her?

Und da sind wir dann bei dem Dilemma: Es fehlt jetzt also einerseits der hausärztliche Nachwuchs, obwohl insgesamt die Arztzahlen weiter leicht zunehmen. Im Süden mehr als im Norden, aber wir haben im Grunde genommen, was die Basisversorgung der Bevölkerung angeht, keinen Vorteil da-von. Einfach deswegen, weil es nur gewisse Arztgruppen sind, die zunehmen. Wir haben einen wahn-sinnigen Anstieg an Nuklearmedizin. Wir haben einen Anstieg an Pathologen. Wir haben ein Anstieg in diesen Raritätenfächern, sage ich jetzt mal so, also die, die kleine Gebiete versorgen, sich dafür spezialisiert haben. Das ist aber dann nicht diese breite Versorgung, die wir in einem ländlichen Be-reich traditionell haben beziehungsweise benötigen.

So, jetzt haben wir die Situation, 600 scheiden aus und 50 sind in der Pipeline. Die müssen wir des-wegen sehen, dass wir die Zahl entweder erhöht kriegen. Da macht die KV16 etwas. Da gibt es ver-

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schiedene Modelle auch mit finanzieller Unterstützung. Es gibt weiter die Möglichkeit, dass unser wieder neu besetzter Lehrstuhl für Allgemeinmedizin einen Push bringt. Wir müssen ja einfach mal so sagen, wir haben ja unseren Lehrstuhl für Allgemeinmedizin zehn Jahre lang verwaisen lassen aus politischen und finanziellen Gründen. Das ist eines dieser Mechanismen, wo wir alle mehr oder weni-ger sprachlos waren. Wir hatten damals alle Weiterbildungsaufgaben, ich war lange Jahre im wirt-schaftlichen Weiterbildungsausschuss drin, wir haben teilweise diese Aufgaben wahrgenommen, die zum Beispiel ein Lehrstuhl für Allgemeinmedizin, der einen wissenschaftlichen Assistenten über-nommen hätte. Das ist dann in die Allgemeine Medizin, in die so genannten Lehrpraxen, abgewälzt worden. Auch ein Grund dafür, dass wir es hingenommen haben hier in Schleswig Holstein, einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin nicht auf den Boden bringen, als der alte Inhaber vor zehn Jahren nach Frankfurt gegangen ist. Und er ist nach Frankfurt gegangen, weil er hier keine finanzielle Unter-stützung bekommen hat für die Projekte, die man dann braucht, um einfach auch Forschung zu be-treiben.

Neues Modell fürs Land: Gemeinde sucht Arzt

Und das sind jetzt so Ansatzpunkte, wo wir sagen, Veränderung des Arztberufes vom Verständnis her. Der Nachwuchs geht anders daran. Teilzeit, vielfach geht er auch nur noch in Gemeinschaftspra-xen. Einzelpraxen mit all den Mühen sind also heutzutage überhaupt nicht mehr an Vogue. Das heißt also, da gibt es eine Riesendiskrepanz zwischen der Nachfrage nach einer Einzelpraxis und denen, die abgeben wollen. Und dieses Problem ist regional unterschiedlich. Wir hier im Kreis Plön haben eine Altersgruppe von rund 55 Jahren, landesweit bei liegt das bei 50. Und das, was in der Presse argu-mentiert oder was veröffentlicht wird, sind ja die Kreise Dithmarschen und Nordfriesland. Da liegt das Gros der Ärzte bei 63-64 Jahren. Und in Büsum sind alle sechs Allgemeinmediziner über 65. Und die haben alle das Problem, dass sie keinen Nachfolger finden.

Und jetzt sind wir auf der anderen Seite alle ein bisschen optimistisch und froh, wenn ich Ihnen das mal zeige, was ich mitgebracht habe als Kopie, „Gemeinde sucht Arzt“. Und jetzt geht das mal so los, dass die Gemeinden sich jetzt nicht mehr nur um einen Nachfolger kümmern für einen Supermarkt, sondern als eine Variante, Ärzte in die allgemeinmedizinische Versorgung wieder mehr rein zu krie-gen, jetzt zum Beispiel Büsum und andere Orte nebenbei, das die Gemeinden Räume zur Verfügung stellen. Also das heißt, die Arztpraxen laufen in kommunaler Verantwortung. Die Arztpraxen laufen in kommunaler Verantwortung, das heißt, die Ärzte, die dort kommen, haben dann im Grunde keine wirtschaftliche Verantwortung, werden angestellt, sind Angestellte das Staates und werden als Ange-stellte bezahlt. Da haben dann die umgebenden Gemeinden, Büsum, Michaelisdonn und wie die Orte alle heißen, das ist jetzt ein Modell, fast bundesweit also, dann auch Werbung betrieben, sind dann bundesweit damit auf den Markt gegangen. Und jetzt hat tatsächlich auch das West Klinikum Heide, das ist das größte Klinikum an der Westküste neben Itzehoe, jetzt tatsächlich 15 Ärzte in der Weiter-

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bildung. Und die sind deswegen gekommen, weil sie im Anschluss an die Ausbildung zum Allgemein-mediziner, wenn ich meinen Abschluss habe, dann kann ich also quasi nahtlos von der Kommune weiter beschäftigt werden. Irgendwie geht es dann weiter in diese Richtung. Aber die haben natürlich feste Verträge, bis hin zu den Arbeitszeiten. Das heißt, die haben ihre 38-Stunden-Woche, die haben ihre festen Arbeitszeiten so nach dem Motto, so wie es ist. Also der Kollege wird dann zum Beispiel um 18:00 Uhr Feierabend haben und er geht nicht um 19:05 Uhr aus der Praxis und kommt von Plön zu ihnen gefahren, das ist dann der Unterschied.

Ist das dann die freundliche Variante Alternative für den Klinikalltag?17

Was wird aus dem Selbstverständnis des Allgemeinmediziners?

Das muss sich dann raus stellen, bzw. das wird sich dann ja rausstellen. Das hängt auch damit zu-sammen, welche Tätigkeiten man diesen Ärzten dann noch zubilligt. Wie sie ihren Beruf leben kön-nen. Welche Inhalte letzten Endes dem Arztberuf der Allgemeinmediziner noch zugesprochen wer-den. Mein Werdegang, meine 28 Jahre Plön sind da ein Beispiel. Damals bin ich von Essen, von der Universitätsklinik, als Oberarzt nach Plön gekommen, als sogenannte Bewerbung auf einen Posten, ich nenne das jetzt mal so, auf eine Praxis mit Vollversorgung. Vollversorger heißt, es sollte zwischen Preetz und Eutin, da Plön kein Krankenhaus hatte, zumindest eine nahezu adäquate Versorgung stattfinden. Adäquate Versorgung hieß zumindest Ultraschall haben oder es wurde auf den Weg ge-bracht. Ich habe seinerzeit Endeskopie gekauft, wir haben Magenspiegelung gemacht, das fing da-mals alles an, Magenspiegelung, Darmspiegelung, Ultraschall der verschiedenen Organe und dann das Röntgen. Das wurde alles auf diesen 240 m² realisiert. Und dann ging es die Jahre erst mal weiter und dann kam der nächste Schnitt, so ab 2002. Da fängt der Niedergang im Prinzip an, der im Prinzip symptomatisch ist für die ambulante ärztliche Versorgung. Auch hier in diesem Bezirk.

Wir reden hier nicht über Preetz, nicht dass sie mich missverstehen. Die Konzentrierung der Ärzte in Preetz ist eine enorm hohe. Preetz hat Ärzte reichlich. Vielleicht sogar überreichlich. Preetz hat durch den Neubau des Ärztehauses am Krankenhaus natürlich auch noch Ärzte gebunden. Und die Investi-tionen hatte auch der Kreis übernommen, es ist ja sogar eine Kreisinvestition gewesen. Und das war so eine Investition, wie sie mit dem neuen Model „Gemeinde sucht Arzt“ zum Beispiel auch ange-dacht ist. Nur auf einer anderen Ebene. Das ist jetzt die Hausarztebene, und dies war jetzt die Ebene, Facharztleistungen an das Krankenhaus zu binden, die vielleicht der niedergelassene Arzt günstiger erbringen kann als das Krankenhaus mit seinem allgemeinen Budget.

Und das sind alles so Trends gewesen. 2002 kam dann die Entscheidung, dass ich als klassischer Facharztinternist mich zu entscheiden hatte, machst du als Facharztinternist weiter oder wirst du Hausarzt. Hausarztinternist hieß, du kannst fachärztliche Leistungen gewisser Art nicht mehr erbrin-gen. Zum Beispiel hieß es dann mal, du kannst jetzt also nur noch eine kleine Darmspiegelung ma-chen, du kannst jetzt nur noch teilweise Leistungen des Röntgens erbringen. Dann kam der nächste Schritt hier oben, der auch verhängnisvoll war. Andere KV‘n18 haben das nie gemacht, Baden-Württemberg oder Bayern, dass sie dann hinterher Hausarztinternisten oder Internisten in den ge-meinsamen Topf geworfen haben mit den praktischen Ärzten oder den Allgemeinärzten. Und das hat man dann leider, ich sage leider, dafür benutzt, deren Spektrum noch einmal weiter herunterzufah-ren. Die dürfen, was die nur noch machen, der normale Hausarzt, der hat noch eine Pauschale für den Patienten und nur wenige Leistungen, die er noch zusätzlich abrechnen kann. Und da wären wir wieder bei ihrer Frage, ob die dann damit zufrieden sind. Wenn ein Hausarzt heutzutage aus der all-gemeinen Versorgung eine Pauschale X pro Quartal bekommt und Einzeltätigkeiten, die er dann da macht, gar nicht mehr separat zur Abrechnung kommen, ist das mit Sicherheit überhaupt nicht för-derlich für das Interesse, diesen Beruf zu übernehmen. Das heißt zum Beispiel, wenn ein Hausarzt drei EKG‘s im Quartal macht, die sind mit in dieser Pauschale drin. Das gab es vorher nicht, vorher

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Rot und kursiv: Anmerkungen und Fragen der Teilnehmer 18

Kassenärztliche Vereinigungen

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war das eine Einzelleistung, die erbracht wurde von der Helferin, die ergab einen Betrag X. Das ist durch diese Regelung komplett weg. Und da wären wir bei dem nächsten Grund, wieso die Nach-wuchsproblematiken kommen werden. Die werden auch wahrscheinlich nicht richtig zufrieden sein. Wenn sie nur diese absolute Basis von Medizin machen auf fachlicher Ebene und den Rest soll das Klinikum Heide dann machen oder die Klinik, die dann dort dahinter steht. Also Zulieferer für das Krankenhaus, na klar, ist das ja auch clever gedacht. Zulieferer für das Krankenhaus, für die Fälle, das können wir nicht machen dann müsst ihr machen. Das hat aber glaube ich, mit dem traditionellen Selbstverständnis, ich sag jetzt mal, für meine Fachgruppe, nur noch wenig zu tun.

Aber wer regelt das dann?19

Diese Regelung ist ja allein durch diese Aufsplitterung, ist die geschaffen

Aber diese Regelung ist doch nicht vom Himmel gefallen, da sind ja Akteure da gewesen.

Selbstgemachtes Leid?

Das sind Akteure gewesen, die auch unser Standesgruppe waren. Und die sind das gewesen, jahre-lang war unsere kassenärztliche Vereinigung ja in der Hand von Fachärzten. Das war sie in anderen Ländern nie. Nun komme ich aus Deutschland, wie das woanders ist, kann ich nicht beurteilen. Hier oben war es jahrelang so, dass die KV20 von Gynäkologen oder von irgendwelchen Fachärzten geleitet wurde und das wir erst seit der vorletzten Besetzung dieses Gremiums jetzt auch mal ein Allgemein-mediziner dabei ist. Und das findet jetzt langsam wieder ein Umdenken statt, sonst hätte es solche Schreiben, wie dies hier, ja gar nicht gegeben in den alten Zeiten. Jetzt sieht man ja auf einmal, jetzt müssen wir etwas tun, damit wir diese Allgemeinmedizin stärken. Modell ist jetzt gemeindeeigene Praxen, angestellte Ärzte, Räume zur Verfügung stellen, minimales wirtschaftliches Risiko, du musst nur deine Stunden machen. Nächste Möglichkeit ist jetzt, hatte ich schon erwähnt, dass der Lehrstuhl vielleicht doch mehr Interessenten an die Allgemeinmedizin ranführt. In diesem Rahmen ist auch schon geplant, dass die jungen Ärzte in ihrem Studium schon vorzeitig in der Allgemeinmedizin ein Praktikum in den Praxen machen können. Damals war das ja erst so im Rahmen des praktischen Jah-res, da hatte man zehn Semester auf dem Buckel, dann konnte man sagen, was machst du jetzt um dann ein praktisches Jahr bei dem Urologen zu machen. Jetzt gibt es schwerpunktmäßig Förderungen für die Allgemeinmedizin mit so genannten Block-Praktika, wo man auch schon nach 4-6 Semestern in die Allgemeinmedizin reinriechen kann, was ganz entscheidend ist.

Neue Hoffnung bei der Nachwuchsfindung?

Und jetzt habe ich mich für dieses Modell auch entschieden, ich habe also die Weiterbildung für die Allgemeinmedizin nach meinen letzten Erfahrungen mit den beiden Ärzten, die einfach nicht das gemacht haben, was sie sollten oder wollten, wofür sie vorgesehen waren, jetzt mache ich studenti-scher Ausbildung. Ich habe jetzt Studenten in der Praxis und ich glaube, dass die noch so ein bisschen für das Fach zu begeistern sind. Die nicht nur meinen, sie müssten jetzt Radiologen werden oder sie müssten jetzt irgendwelche Spezialisierungen auf sich nehmen, um da ihre Erfüllung zu finden. Da sehe ich jetzt eine Basis, dass das ein bisschen kippen kann und diese Zahl der Lehrpraxen hat ja auch zugenommen. Das sind Internisten und Allgemeinmediziner, die sich dafür zu Verfügung stellen. Die kommen dann zu uns und machen dann unseren Alltag mit. Und ich glaube momentan, dass dieser Weg gut ist. Und dann wären wir auch schon am Ende meines Vortrages, ich meine, ich könnte noch lange darüber reden, weil ich in dem Thema stark drin bin. Ich kann aber auch gern noch ihre Fragen beantworten. Und da das auch mit ein bisschen mehr finanzieller Unterstützung stattfindet, tue ich es jetzt auch. Wenn jetzt der Student aus Kiel, der in Kiel wohnt, zu mir in die Praxis kommt, dann kriegt jetzt ein Fahrgeld von 0,50 € für die Fahrt, dass er rüberkommt und es gibt noch einen kleinen

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Rot und kursiv: Anmerkungen und Fragen der Teilnehmer 20

Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein

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Obolus für die Touren, wenn er fahren muss bei uns. Einen sehr kleinen Obolus von 200 € pro Semes-ter, die dann da für ihn fließen. Das sind zwar kleine Summen, aber es ist zumindest eine kleine Un-kostenbeteiligung. Wenn jemand sagt, ich fahr jetzt hier über das Land und ich verbrauche Sprit und ich habe dieses oder jenes, das ist Aufgabe von uns. Wenn ich jemand auf das Land schicke und sage, mach mal einen Hausbesuch, dann kann ich nicht sagen, du kannst auch noch den Sprit bezahlen. Gut, das kann man machen, aber dann kriegst du hinterher keine mehr. Da bist du ja sogar verpflich-tet, das nicht ohne Gegenleistung zu lassen. Das findet jetzt so ein bisschen von KV21-Seite statt und das ist diese Kampagne „Land in Sicht“, die wird da ja auch in dem Bericht stehen, „Land in Sicht“ ist jetzt diese Kampagne, dass man einfach auch sagt, geht schon mal in die Praxen rein, ihr kriegt eine Unkostenbeteiligung. Ihr habt hinterher auf jeden ein Fall Angebot, eine Praxis zu bekommen. Nicht eine Praxis zu bekommen, sage ich mal, die flau ist oder sich kaum trägt und in zwei Jahren vielleicht daniederliegt, sondern das sind auch Praxen, wo man sagen kann, gut, da wirst du auch in 20 Jahren noch von leben können. Und das ist das, was perspektivisch auch wichtig ist, dass man nicht nach fünf Jahren wieder sagen muss, ich muss da jetzt wieder weg gehen, weil es dann einfach nicht mehr klappt. Das sind jetzt Kampagnen, die da laufen, und eine letzte Kampagne haben die auch gemacht, dass die KV, die Spitzen der KV, die jahrelang ja die Allgemeinmedizin vernachlässigt haben, dass sie jetzt selber auch mal mit Informati-onsshops an die Uni selber gehen, da treffen die sich in Kiel oder Lübeck. Und dann sind da tatsäch-lich 80-100 manchmal 200 Studenten, die einfach jetzt zum überwiegend großen Teil das erste Mal richtig an die Allgemeinmedizin herangeführt werden. Das muss man mal klar sagen. Richtige konkre-te Ansatzpunkte hatten die bis zu diesem Zeitpunkt meistens nicht. Und das gehört alles zu der Viel-falt, da gibt es eine ganze Reihe mehr, die das Problem des Nachwuchses oder des Nachschubes von Allgemeinmedizinern auf jeden Fall größer werden lässt.

Wir reden hier nicht von unseren Städten, von Preetz oder von Plön, sage ich mal. Die sind ja noch in einer komfortablen Lage. Aber wir haben auch feststellen müssen in letzten fünf Jahren, dass sich auch in Preetz die Praxen nur noch deswegen tragen, weil sie sich zusammengeschlossen haben. Wir haben auch in Preetz Dreierpraxen, wir haben in Eutin Dreier- oder Fünferpraxen und wir haben in Plön gesehen, das von den letzten drei Praxen, die aus Altersgründen zurückgegeben worden sind, zwei im Grunde keinen Nachfolger hatten. Oder wo nur ein Konsortium oder ein Konsortium, wo die Sana-Klinik oder wer auch immer dahinter steckt, zur Übernahme bereit ist. Also die, die natürlich heute nur noch Praxen nehmen, um aus diesen Praxen dann ihren Nachwuchs für das Krankenhaus zu rekrutieren. Das ist aber dann der Beginn des Endes des freien Arzttums, wo man sagen kann, du als Arzt kannst nur noch die oder die Entscheidung treffen. Und die Ärzte treffen ja die meisten Entscheidung doch auch weiterhin noch überwiegend im Sinne des Patienten und nicht nach seinem Geldbeutel. Das hilft ihm sowieso nicht weiter, weil die Patienten das sowieso merken würden, über kurz oder lang merken Sie das. Das darf ich einfach mal sagen, nach 28 Jahren wissen die ganz genau, ob ich es auf deren Geldbeutel abgesehen habe, oder ob ich mich um sie kümmere. Und diese Frage erledigt sich nach ein paar Jahren so oder so. Jetzt stehe für weitere Fragen zur Verfügung.

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Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein

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Gesprächsteilnehmer: Margrit Brümmer, Jutta von Gayl, Reinhard Gromke, Hans-Werner Hansen, Günter Kalin, Antje Langfeldt, Dr. Norbert Langfeldt (Gesprächsleitung), Thomas Langfeldt, Dr. Florian Liedl, Dr. Gerold Menne (Impulsvortrag), Jens Podbielski (Impulsvortrag), Petra Postel, Franz Schwarten (Impulsvortrag), Dr. Dietrich Sturm, Dr. Oliver Winzer.

1 Vielen Dank, also ich denke, das war auch mal ganz interessant, die Entwicklung und die Nöte von dieser Seite kennen gelernt zu haben.

2 Die Statistik habe ich hier noch dabei, Ich habe jetzt hier auch noch mal, so das offizielle State-ment der kassenärztlichen Vereinigung zum Thema Ärztemangel von letzter Woche22. Dass kön-nen wir einmal rumgehen lassen. Und das sind so die ersten Schritte, jetzt geht man auch mal an die politischen Gremien in den Gemeinden ran, das sie sagen, wir finden keinen Nachschub auf dem freien Markt, oder die KV23 bringt uns keinen Nachschub, so dass wir das selbst in die Hand nehmen müssen.

3 Aber das ist ja genau so, und passt damit ja auch ganz wunderbar in die Schiene des Einzelhan-dels, dass das jetzt auf die politische Schiene gesetzt wird. Das die jetzt schon seit ein paar Jah-ren für die Aufrechterhaltung dieser Art von Versorgung letztendlich mit ins Boot genommen wird und damit natürlich auch wieder aus dem Bereich Steuergelder etwas investiert werden muss, um Leben auf dem Lande oder die Versorgung aufrechtzuerhalten. Und das ist natürlich ein interessanter Gesichtspunkt jetzt auch im Gegensatz zu dem, was wir beim letzten Mal be-sprochen haben, Feuerwehr und Polizei, die natürlich ganz anders organisiert sind. Aber dies sind ja im Grunde genommen zwei selbsttätige Bereiche, selbstständige Bereiche, die sich ihren Markt gesucht haben und damit bisher eigentlich auch ganz gut leben konnten. Jetzt hören wir, dass sowohl in dem Bereich der Ärzte als auch in dem Bereich der Versorgung die Kommunen gefragt sind, wenn sie diese Versorgung in ihrer näheren Umgebung aufrecht erhalten wollen.

4 Herr Langfeldt, sie hatten so Parallelen entdeckt zwischen diesen beiden Entwicklungen, die abgelaufen sind. Einmal im Dienstleistungsbereich, also Einkaufen und Versorgung, einmal bei der medizinischen oder ärztlichen Versorgung. Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, was das letzte Referat ergeben hat, dann ist es doch eigentlich Ihre Standesvertretung aber nicht die allgemeine Politik, die dafür ursächlich war, sondern das eigene Standesverhalten hat dazu ge-führt, dass der Arztbesuch auf dem Lande nicht mehr lukrativ genug honoriert wird worden ist.

5 Nein, da Standesverhalten allein können sie dafür nicht heranziehen. Das waren ja auch die Krankenkassen. Es gibt nie Standesvertretung allein, die Standesvertretung kann ohne die Krankenkassen im Prinzip nichts mehr entscheiden. Die können prinzipiell nichts mehr ent-scheiden. Und dann werden ja diese einzelnen, ich nenne das jetzt mal Honorartöpfe oder fi-nanziellen Modelle, die werden ja von der KV mit den Krankenkassen ausgehandelt. Das heißt also, insgesamt steht das und das zur Verfügung und das wird dann auf die Allgemeinheit der einzelnen Ärzte aufgeteilt.

6 Aber was stimmt denn daran nicht?

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Es stimmt zurzeit nicht, nein, andersrum, ich habe das ja gesagt, es fehlt zurzeit der Nachschub. Dass man dafür gesorgt hat, dass während der allgemeinmedizinischen Ausbildung an der Uni-versität gelehrt wird und dass dann Förderungsmechanismen auch von den KV für diesen Wer-

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Sie Anlage, Seite 42 23

KV = Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein

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7 degang auf den Weg hätten gebracht werden müssen und nicht zum Beispiel ein Rückzieher gemacht wird, wie ich sagte, ein Rückzieher von dem Finanzierungsmodell, was es ja mal gab, mit der Verpflichtung drei Jahre hier im Land zu bleiben. Und wenn ich jetzt schon mal drei Jah-re irgendwo bin, dann werde ich wahrscheinlich dort auch bleiben. Es sei denn, da ist etwas gravierendes, was dem entgegen spricht. Aber wenn er sich dann schon eingelebt hat und er sagt, die Praxis gefällt mir und hier fühlen wir uns wohl, dann wird der in aller Regel dann ja auch dortbleiben.

8 Also, was bringt einen Arzt, jetzt von der kommunalen Seite gedacht, was bringt einen Arzt da-zu, sich in einer Gemeinde niederzulassen? Unabhängig davon, dass ich ihm anbiete, dass er Praxisräume günstig mieten kann?

9 Na, der muss eine Neigung zu dieser Landschaft haben. Der muss sagen, gut, ich ziehe jetzt aufs Land, ich will weg aus der Großstadt. Oder aber, er hat von der Klinik die Nase voll, sagt, das Klinikleben kann ich auch nicht mehr durchleiden oder durchleben. Das ist ja auch so, das ist ja auch einerseits so. Wir sehen jetzt ja auch in Preetz, im Krankenhaus Preetz, einfach eine große Assistentenzahl, die aber alle nur ein oder zwei Jahre bleiben. Das ist so, der Assisten-tenwechsel ist ja rasant. Wenn ich den Chefarzt höre, sagt der, ich hätte gerne Assistenten die drei oder vier Jahre dort bleiben. Quasi die Abteilungen, wie es traditionell mal war, durchge-hen, die Innere, mal ein bisschen Chirurgie, nenne ich das jetzt mal, und auch ein bisschen Gy-näkologie, und dass man dann sagen, so, jetzt bist du für den Alltag als Hausarzt gewidmet. Die gibt es hier oben nicht mehr. Und das hat auch etwas mit den Arbeitgebern zu tun, das hat auch etwas auch zu tun, ja, wahrscheinlich auch mit dieser Gegend, mit diesen ganzen Strukturen, die hier oben auf dem Krankenhaussektor sind.

10 Aber doch auch mit dem Einkommen?

11 Und dann auch mit dem Einkommen. Na klar, weil der Assistenzarzt, sagen wir mal, bei uns in Essen, der hat einfach im Monat ein größeres Gehalt als hier oben, wenn er jetzt hier in Preetz sitzt. Das gilt genauso für den Oberarzt, das gilt auch für die leitenden Ärzte. Wir wollen ja von Bayern und von den südlichen Ländern gar nicht reden. Also, dass wir da natürlich einfach ande-re Honorarsituationen haben beziehungsweise wahrscheinlich auch andere Strukturen.

12 Aber hat denn ein Arzt in Kirchbarkau genügend Patienten oder eine wirtschaftliche Grundlage, um auch langfristig oder mittelfristig, ich sag mal die nächsten 20-30 Jahre dort eine Existenz ausführen zu können oder wie sehen Sie das.

13 Unter den Bedingungen wie das jetzt ist, zurzeit, sehe ich das nicht.

14 Das denke ich, das ist eigentlich das, was wir für den ländlichen Raum wissen wollen.

15 Das sehe ich jetzt einfach nicht, weil er einfach zu sehr pauschaliert ist. Das habe ich ja vorhin zumindest angeschnitten. Es muss wieder eine Honorierung einer Einzelleistung stattfinden und wenn jetzt hier, das war auch ein Argument einer meiner Weiterbildungsassistenten, wenn der sagt, was wir zum Beispiel für Wegegeld haben, für einen Hausbesuch, der niedriger ist als der eines Krankengymnasten oder eine Lymphtherapeutin, dann findest du keine Argumentati-on, da findest du kein Grund, da irgendetwas gegen zu sagen, da hast du kein Argument gegen.

16 Aber dann frage ich mich als Gemeinde, macht es dann noch Sinn, einem niedergelassenen Arzt die Praxis zu finanzieren analog zum ländlichen Dienstleistungszentrum?

17 Das ist doch klar, wenn der keine Chance hat!

18 Es gibt keinen Sinn, jetzt zu sagen wir finanzieren eine Praxis irgendwo, wenn kein Nachfolger da ist. Und da ist die KV24 natürlich auch gefordert, zu sagen, gut, wir müssen sehen, dass wir da den Nachwuchs rekrutieren, der auch hier oben bleibt. Darum dreht es sich doch. Ich muss hier oben bleiben

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19 Aber das geht doch nur, wenn der angemessen honoriert wird.

20 Ja, darum geht es. Aber die jungen Leute sind ja gar nicht primär so hinter dem Geld her, dass sie sagen, ich will jetzt so ein hohes Gehalt haben. Das haben die sich sowieso schon von der Backe geputzt. Die wollen teilweise eine vernünftige Lebensqualität haben, die wollen eine gewisse Wochenarbeitszeit haben aber die wollen auch ein bisschen Zeit für Familie, für Pferde oder Hobbys oder was auch immer haben. All das, was der alte Hausarzt ja teilweise gar nicht hatte und wo er dann hinterher sagte, gut, ich habe 60 Stunden gemacht, samstags morgen bin ich kaputt und kann gerade noch mit meiner Frau zum Wochenmarkt fahren. Das kriegen sie heute keinem mehr von dem Arztnachwuchs vermittelt. Egal, ob sie da eine Ärztehaus hinset-zen oder eine Praxis hinsetzen oder wie auch immer.

21 Ich glaube aber, in Kirchbarkau sieht die Welt noch ein bisschen anders aus. Man muss wissen, die Praxis ist bezahlt, das Gebäude, das ist bezahlt, soweit wie ich das weiß. Das ist besser, so weit wie ich das weiß. Und er hat sogar noch eine zweite Person jetzt, die teilen sich mit zwei Mann den Job sogar, beziehungsweise eine Frau ist da mit eingestiegen. Da leben mittlerweise zwei von.

22 Aber jeder hat dann nur die Hälfte.

23 Sicherlich. Aber vielleicht haben die, wie sie vorhin gerade gesagt haben, vielleicht haben diese Leute nicht diese oder andere Ansprüche.

24 Ja, aber das sage ich doch. Man muss nicht mehr meinen, die Ärzte wollen diese riesigen Hono-rarsummen haben, diese Ärzte hat es ja wahrscheinlich jahrzehntelang gegeben, die kennen wir wahrscheinlich alle, aber das ist gar nicht mehr so. Das nennt man Work-Life-Balance.

25 Warum funktioniert der Zahnarzt in Kirchbarkau?

26 Weil der wesentlich höhere Honorare hat.

27 Aber das ist dann doch dann der springende Punkt, wie bei allem. Beim Kaufmann stimmt das Entgelt nicht, bei der Gemeinde stimmt das Entgelt nicht, die nimmt 1,90 € als Miete. Also das doch alles ein Witz.

28 Ja, aber Sie können das nicht vergleichen, den Zahnarzt kann sie nicht vergleichen. Der Hausarzt ist mit dem Zahnarzt nicht vergleichbar Der Vergleich hinkt in jedweder Hinsicht. Der Zahnarzt hat ganz andere Möglichkeiten, wenn es immer heißt, der Patienten muss soundso viel dazu bezahlen, Was da alles ist, das geht ja teilweise in den vierstelligen Bereich hinein. Und da wird dann auch Geld gemacht. Aber nicht mit einer Quartalspauschale des Hausarztes. Wo man sa-gen kann, gut, du kannst jeden Tag das und das machen, ich kann drei EKG‘s machen und er sagt, ich mach keins. Die neue Generation wird sagen, ich mach gleich eins und dann finite.

29 Man sieht das bei unserem Arzt ja auch. Ich war mal am Montag da, da war die Hütte voll. Kommst du am Dienstag oder kommst du am Donnerstag, dann bist immer gleich dran. Ja, das ist so, das ist auf dem Dorf so. Und da wundert mich das ja manchmal auch, und ich frage mich, wovon lebt der eigentlich, wovon kann er das eigentlich alles bezahlen?

30 Aber das ist ja so, wenn jetzt ein junger Facharzt fertig ist und soll eine eigene Praxis aufmachen und muss dafür eine bestimmte Summe investieren. Der muss ja auch eine zwanzig- fünfund-zwanzigjährige Perspektive haben, um überhaupt diese Investitionen tätigen zu können. Und das macht keiner mehr oder nur schwer, wenn nicht besondere Konstellationen vorliegen, dass so eine Praxis bezahlt ist oder das die Kommune die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Das sind dann schon solche Entgegenkommen, bloß das ist eine Entwicklung, die ja auch zu bedau-ern ist für den ländlichen Raum.

31 Ja, dann wären wir auch wieder bei dem, was wir sagen. Die Gehälter, die hier oben gezahlt werden für die Krankenhausärzte, die reichen letzten Endes nicht nach vier Jahren, das ist ja die Weiterbildungszeit in der Allgemeinmedizin, sage ich jetzt mal, die Rücklagen zu schaffen, die es mir ermöglicht, diese Investitionen zu tätigen oder aber eine Praxis einzulösen. Eine eingeses-sene Praxis, wo der Praxisinhaber sagt, komm, die hat den oder den Wert, der Wert wird be-

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rechnet, das macht die Ärztekammer, der wird berechnet wie überall auch. Und die Praxis hat den und den Wert. Dann kommen wir dahin, dass, wenn kein Eigenkapital da ist, wie das viel-fach so ist, und die Banken finanzieren keine Hausarztpraxis mehr. Nur noch ab einer gewissen Höhe, wo man weiß, das kommt dabei rum. Das ist das letzte untrügliche Zeichen, dass es mit der Allgemeinmedizin doch bergab geht, wenn diese Sitze nicht mehr von der Bank finanziert werden. Also wenn ich dann kein Eigenkapital habe, dann ist das Thema erst mal in Kirchbarkau oder sonst wo durch.

32 Dann bestimmt das schlechte Verhältnis von Krankenkasse und standesärztlicher Vertretung, ich weiß nicht, ob ich mich da richtig ausdrücke, bestimmt die Qualität der ärztlichen Versor-gung auf dem Lande.

33 Das tut sie, das tut sie mehr denn je. Sie wissen doch genau, dass die Krankenkassen zurzeit Milliarden bunkern. Die haben Milliarden Rücklagen, wofür auch immer. Vor der Wahl haben sie gesagt, es gibt einen Regierungswechsel, die hatten Angst rot-rot-grün. Dass es da irgendwelche neuen Programme gibt, die die Krankenkassen übernehmen müssen. Da hieß immer, das ist politisch, die haben Angst vor neuen Konstellationen. Obwohl sie im Stillen natürlich alle die große Koalition wollten. Sie wussten, da passiert dann nichts und das ist jetzt ja auch so, keine Änderung in der Gesundheit und diese Milliarden Überschüsse, die ja de facto da sind, warum wandern die jetzt nicht in irgendeine Art, wie auch immer geartet, von Honorarpolitik rein. Und da kriegen Sie von den Krankenkassen und auch von unserer Standesorganisation keine ver-nünftige Antwort.

34 Und wenn ich aus als Gemeinde daraus etwas lernen will, dann sage ich doch, da halte ich mich erst einmal heraus, das kann nämlich morgen völlig anders sein. Während in der Situation beim MarktTreff, das glaube ich, das sehe ich noch ein bisschen anders. Die Nachfrage nach ärztlichen Leistungen ist ja unbestritten da. Die Nachfrage nach Dienstleistungen in dem Ort Markttreff ist ja weniger da, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe. Du hast gesagt, die Alten sind nicht mehr da.

35 Ich sag ja immer, wenn du die Leute fragst, wollt ihr diesen MarktTreff haben, dann heben sie alle den Arm, dann sagen sie alle ja. Das sagen sie natürlich auch beim Arzt oder beim Zahn-arzt. Wenn du fragst, wollt ihr den Arzt behalten, dann heben Sie alle den Arm. Aber sie gehen natürlich auch nicht alle hin. Dann haben Sie auch einen Arzt in Kiel, weil sie in Kiel eben arbei-ten und dann gehen sie auch in Kiel zum Arzt. Oder dem einen oder anderen passt die Nase eben nicht wie das beim Kaufmann ist oder beim Arzt ist. Dann passt dir die Nase nicht und dann gehst du da nicht hin. Oder es hat dir einer mal auf den Fuß getreten, Dann gehst du da nicht hin. Das ist im Großen eben nicht so, wenn dir bei Famila mal einer auf den Fuß tritt, dann ist das eben passiert. Dann beschwerst du dich und dann ist es gut. Dann fliegt der vielleicht raus und du hast nächstes Mal einen anderen und der ist dann eben freundlicher. Aber wenn du dich mit dem Kaufmann einmal überworfen hast, dann gehst du da nicht mehr hin, das ist eben so. Und beim Arzt ist das genauso.

36 Ja, beim Arzt ist das genauso. Es ist ja genau so ein Dienstleister, wenn sie so wollen. Unter dem Strich ist das einfach so, mittlerweile. Klar, es gibt viele persönliche Beziehungen, die gibt es ja auch in unserem Beruf. Das ist ja auch mit das schönste an unserem Beruf, dass man so viele persönliche Kontakte hat. Aber wenn es hinterher irgendwann mal nicht so richtig weitergeht, dann kommt es so, wie wir es gerade besprochen haben.

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Ich möchte mal die Diskussion von einer Seite aus betrachten. Diese ganzen Probleme die sind sehr gut verständlich rübergekommen, wo auch im System Fehler gemacht worden sind. Aber ich gehe mal zurück in die sozusagen originäre Ebene, so möchte ich es mal bezeichnen, der Gesellschaft, die bestimmte Bedürfnisse hat, und da gehört eben die ärztliche Versorgung ge-nauso von eh und je mit dazu, ob es früher Schamanen waren oder es waren Heilkundige da. Die waren benötigt in der Gesellschaft, das war selbstverständlich und man war froh, wenn man gute geeignete in Reichweite hatte. Oder man musste sich auf weite Wege begeben, um dahin zu kommen. So ungefähr würde ich das mal verallgemeinern. Und bei der Versorgung war es so,

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37 man hatte in seiner Nähe irgendwelche Produkte angebaut oder hergestellt und getauscht. Und wenn man andere haben wollte, dann musste man sich ein Stück weiter auf dem Weg machen in die Ferne. Manchmal sieht man das ja auch bei irgendwelchen Filmen über andere Gesell-schaften. Die laufen da tagelang mit irgendwelchen Waren auf dem Kopf über die Berge um zu irgend einem zentralen Ort zu kommen, um da dann ihre Waren feil zu bieten und einzutau-schen um dann das Notwendige in ihr Bergdorf oder wo auch immer auf das Land mitzuneh-men. Das ist so eine Art Ursituation. Und dann haben wir einen weiten Sprung zu dem gemacht, worüber wir jetzt reden. Und wir fragen uns, wo landen wir denn in der Zukunft? Ich meine, es gibt ja zwei Ebenen der Betrach-tung, was könnte im Augenblick unter den gegebenen Verhältnissen verbessert werden und das andere, in der Perspektive, wohin entwickelt sich die Gesellschaft und was kommt da auf uns zu. Werden die Leute tatsächlich immer mobiler oder werden sie weniger mobil. Das ist ja ein entscheidender Punkt. Wenn ein großer Anteil weniger mobil ist, leidet der entsprechend Not und muss dann dahin gebracht werden, wo die Angebote sind oder da auch dauerhaft le-ben. Oder er muss organisiert dahin gebracht werden. Bilden sich dann Einkaufsgemeinschaf-ten, also Shoppinggemeinschaften auf dem Lande, wo man sich schnell zusammen telefoniert und dann fährt so ein mittelgroßer Bus die erste Shoppingtour zum Zentralort in die Fachmärkte oder zum Arzt und fährt dann wieder raus im Pendeldienst und bei Bedarf sogar noch mit meh-reren Zwischentouren. Kommt so eine Art Mobilstruktur her um die Leute an ein umfangrei-ches und qualitatives Angebot hinzufahren? Oder kommt das Angebot wieder, fängt es an, wieder aufs Land zu kommen, wie es noch an manchen Ort ja noch besteht. Da geht die Glocke, da ist der Bäcker da, hält da an der Ecke und dann noch an der anderen Ecke da oben und bringt so ein Minimum an Versorgung dahin. Ist ja auch vorstellbar. Früher gab es ja noch umfangrei-chere Einkaufswägen. Aber auf der anderen Seite ist unser Anspruch, unserer genereller, ja auch so hoch, dass wir nicht mit 2-3 Kaffeesorten, sage ich jetzt mal, einverstanden sind und wir sagen, jetzt haben wir wieder Kaffee. Sondern, dass man durchschnittlich gewohnt ist, aus einem Angebot, aus einer Palette, ich habe keine Ahnung, 20 aufwärts, auszuwählen. Und da hat man seinen Favoriten und wenn der nicht da ist, sage ich, was nützt mir dann der Laden? Also, dass unser Anspruchsverhalten ja auch ungeheuer groß ist und wenn ich überall gegen-wärtig sehe, wo die Verbrauchermärkte an den Standorten expandieren wie in Heikendorf oder Mönkeberg oder in Flintbek ist es ja schon passiert. Sich allein ja schon der Food-Bereich ver-doppelt und der Non-Food-Bereich, die brauchen ungeheuer Fläche um das zu liefern, was of-fenbar die Mindestversorgung in den Augen vieler Menschen darstellt. Da kann kein MarktTreff, wie auch immer subventioniert, mit gleichziehen.

Aber ich komme nochmal zu dem Punkt zurück, wo man sagt, das sind ja alles Urbedürfnisse einer Gesellschaft, diese Versorgung zu gewährleisten. Und dass die nur subventioniert irgend-wohin hin kommen sollte, erstens, den Wohlstand oder den Reichtum haben wir nicht. Das muss in einer bedarfsgerechten und bezahlbaren Form irgendwie funktionieren, denke ich mal. Sonst wird der Staatsbankrott gefördert. Aber welche Struktur passt da? Ist es ist ein ganzer Strauß von vielfältigem, das an jedem Standort anders ausschaut? Ist es an einem Ort vielleicht die Tanke, wo nicht nur paar Zecher sich regelmäßig versorgen nach Feierabend. Meine Tochter hat mal eine Zeit lang in der Tankstelle Kirchbarkau gearbeitet, da war der Umsatz wohl stärker im getrunkenen Alkohol als im Benzinverkauf. Deswegen war das wohl auch ein Unfallschwer-punkt gewesen. Aber die Tanke ist ja in manchen ländlichen Gebieten auch schon der Schwer-punkt für eine umfassende Versorgung, Tiefkühlpizza oder was die Leute sonst noch beim Ein-kaufen vergessen haben, nicht nur Getränke. Ja vielleicht weitet sich da irgendetwas aus. Oder andere Systeme, viele von uns kennen vielleicht auch die Tiendas in Spanien, zum Beispiel auf den kanarischen Inseln. Das sind so Allround-Versorgungs-Örtlichkeiten, die aber natürlich pas-send für die Bedürfnisse der Leute waren. Da lagen dann im Regal ein paar Tomaten, daneben die Batterien, die typischerweise für die Radios verwendet werden. Also, ein, ja, genau ein auf

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die dortigen Verhältnisse strukturiertes Angebot. Und der hat abends mehr oder weniger auf-gemacht und dann sind sie dahin die Leute, haben vielleicht dann vor der Tür Fußballkicker ge-spielt und sich unterhalten, weil es auch noch so ein geselliger Treffpunkt war, also so eine ei-gentümliche Kombination. Die habe ich woanders gar nicht gefunden, aber sie passte genau an diese Orte und war so eine Minimumversorgung. Die haben nicht den Supermarkt ersetzt oder so, aber so eine Minimumversorgung bewirkt. Und manchmal wusste man, wenn man da rein-gegangen ist in so eine Tienda, da wusste man gar nicht, ob man bei Leuten jetzt privat ins Wohnzimmer reinkommt und ob sie überhaupt etwas zu verkaufen haben. Hatten sie aber. Das war so eine bestimmt wirtschaftlich uninteressante Ebene, aber das war für die Betreffenden, die das betrieben haben, durchaus eine Ebene, dass sie irgendetwas angeboten haben, was andere irgendwie benötigt haben. Kommt so eine Art Bandbreite von diesem ganzen Spektrum, sage ich mal, auch auf uns zu? Dass wir nicht mit einem Schema richtig reagieren, sondern so etwas haben, frage ich mich. Und bei der Medizin ist es wahrscheinlich genau so, wenn man die hochwertigen Ansprüche an das, was Medizin heute leisten kann, auf dem Land um die Ecke haben will, in Reichweite, dann wird es schwierig. Aber wie weit sind dann die Wege?

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Auch die Patienten sind gefordert, ihre Ansprüche noch einmal neu zu fokussieren. Keiner geht so häufig zum Arzt wie der Deutsche und in manchen anderen Bereichen wird bei ja auch vieles exzessiv auf dem medizinischen Sektor gemacht. Also eine Zahl habe ich noch im Kopf, die krie-gen wir immer wieder zu hören. Wir haben in dem Bereich 2002 und ich glaube, 2012, im ambu-lanten Bereich 130 Millionen Behandlungen mehr. Da ist jeder von uns, der hier sitzt, gefragt, woran das liegt oder warum das so ist. 130 Millionen Behandlungen in zehn Jahren gehäuft zugenommen. Das heißt, dadurch muss natürlich die Zahl der Ärzte steigen, weil auch immer mehr Leistungen abgefordert werden. Und im Krankenhaus dasselbe, da sollen die Behand-lungszahlen auch um zwei oder 3 Millionen zugenommen haben. Das müssen Sie sich mal vor-stellen, was das einfach heißt, bei immer kürzerer Belegdauer. Das heißt, die Leute blieben beim Blinddarm früher zwölf Tage, heute bleibst du zwei Tage und dann darfst du nach Hause gehen. Das heißt, die Anspruchshaltung der Patienten hat auch ganz entscheidend dazu beige-tragen. Und dann natürlich auch dann der Vorschub, dass die Ansprüche größer wurden auch fachlich gesehen, das immer mehr Spezialisten auf den Markt kamen, gerade in den Großstäd-ten. Dass wir deswegen geradezu eine Explosion in diesen Disziplinen haben, Radiologen und Orthopäden, auch gewisse Nischen, die ich vorhin auch schon erwähnt habe. Und wenn wir das jetzt sehen, wie die Honorare dieser Ärzte wachsen und wir in der Allgemeinmedizin darum dümpeln mit Zuwächsen um 0,1 % pro Jahr, wenn ich sehe, das sich in einem Jahr in Kiel fünf Pathologen sich neu niedergelassen haben. Ja, was nützen mir fünf Pathologen mehr, wenn nicht mehr operiert werden kann, die nach Beratung auch dort hingeschickt werden. Wenn das städtische Krankenhaus in Kiel um die Pathologie kämpft und auf der anderen Seite der ehema-lige Chefarzt, der damals aus Altersgründen ausschied, dann noch eine neue pathologische Pra-xis gründet in der Feldstraße. Dass das natürlich zugelassen wird, dass das auch noch von den Kassen eingesehen wird, das verstehe ich so oder so nicht, das werde ich auch in 20 Jahre nicht verstehen. Aber das war auch so einer dieser Fälle, dann lässt der sich nieder, nimmt seine As-sistentin, das ist erlaubt worden im Rahmen des Versorgungsauftrages. Das geht aber nur mit den Kassen. Das hat aber mit der Verbesserung der Versorgung nichts zu tun. Wenn sie aber im Kreiskrankenhaus in Preetz am Sonntag nur einen Operateur zur Verfügung steht und ein zwei-ter aktiviert werden muss. Oder ein bisschen überspitzt gesagt, aber das ist ja werktags dassel-be. Das heißt also, die sind ja nur dann beschäftigt, wenn wirklich irgendjemand die Vorleistung bringt, sprich den operativen Eingriff, wo man sagen muss, so, die nächste Diagnose muss dann auf dieser Basis dann stattfinden. Und das ist ein Widerspruch, ein kolossaler Widerspruch. Ge-nauso wenn mir der Radiologe sagt, der auch meine Röntgenbilder begutachtet, der sagt, jedes zweite CT kannst du Knicken, da finde ich nichts. Da muss ich sagen, ist die Indikation nicht rich-tig gestellt. Entweder hat der Arzt den Patienten nicht richtig untersucht, hat ihn vielleicht gar nicht angefasst angefasst, vielleicht nur unterhalb des Gürtels oder oberhalb und wir fahren jetzt mit dem CT nach Herrn Schubert. So ist doch der Trend heutzutage und da gehen natürlich

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38 enorme Ressourcen weg, wo andere Länder gar kein Problem mit haben. Da kriegst du ab 70 gar kein CT mehr oder ab 75 keine künstliche Hüfte mehr oder zumindest keine ausgewechselt und du kriegst das nicht und das nicht und das nicht. Wir realisieren alles, wir wollen ja auch alle mit 85 noch ein Schrittmacher kriegen. Warum sollte ich drauf verzichten, mit 85 nach Gran Canaria zu fliegen. Da gibt es jetzt auch kompatible Schrittmacher, die beim Fliegen der Kontrolle nichts mehr ausmachen. Und da müssen wir uns alle an die Nase fassen. Da müssen wir sagen, das geht im Grunde, Fortschritt muss sein, na klar, und Wissenschaft muss umgesetzt werden in Fortschritt, aber letzten Endes wird durch diese ganze Technisierung unheimlich viel in der Basisversorgung abgegraben. Das ist genauso, wenn der große Baumarkt in Kirchbarkau oder der neue Markt in Meimersdorf denen da die Kaufkraft wegnimmt.

Das ist genau derselbe Trend und die Zuwachsraten gibt es nur in gewissen Arztgruppen. Und wir reden jetzt nicht nur über Hausärzte, das will ich auch nicht sagen. Ein Altersproblem haben auch Nervenärzte und Psychiater haben Gynäkologen, die nicht operativ tätig sind, also auch nur von ihrer Praxis leben müssen und haben teilweise auch zunehmend von der Altersstruktur die Augenärzte. Das heißt, dass sind schon die nächsten Arztgruppen im Wartestand die auch ein Altersproblem kriegen und da werden die wir wieder dabei, wo es heißt, der Psychiater oder der Gynäkologe, der ja auch sprechen muss, die kann ja nicht operativ tätig sein, der hat ja auch eine sprechende Medizin, und weil er die auch hat, ist er benachteiligt. Im Gegensatz zu dem, der nur drei Bilder macht, im Gegensatz zu dem Arzt, der einen Patienten nur einmal sieht und dann sagt, geh mal wieder zum Hausarzt zurück, den Rest macht der. Und da haben wir diese ganze Riesenproblematik. Aber da haben wir, ich habe jetzt zumindest den Eindruck, obwohl ich ja jahrelang skeptisch war, aber das da jetzt ein Umdenken stattfindet. Unter anderem auch dadurch, weil die kann das auf ihrem Geld sitzen und nichts für diese Basisversorgung locker machen. Aber müssen dann auch die entsprechenden Vertreter in den Gremien sitzen und das ist ein mühsamstes Geschäft.

39 Aber dann ist doch mindestens erkennbar, dass es vielleicht ein Weg zurück gibt.

40 Es ist eine leicht erkennbare Änderung da. Jahrelang hörte man ja nur, es sind keine Ressourcen da. Wir hatten die Wiedervereinigung, wir hatten dies, wir hatten jenes, wir hatten neue Geset-ze und weiß der Himmel, was. Es war kein Geld bei den Krankenkassen. Jetzt ist die Situation aber so, dass die ja auf der Plusseite sind. Die sind jetzt auf der Plusseite, und jetzt müssen doch in meinen Augen die Gremien oder auch die Politik eingreifen und sagen, so, was findet jetzt mit diesem Plus statt. Und da hören wir leider nichts.

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Sie haben eben gesagt, man muss sich an seine eigene Nase fassen oder wir müssen uns an unsere eigene Nase fassen. Meine Lesart und meine Aussage dazu wäre, wir denken immer, wir sind Opfer dieser ganzen Entwicklung. Aber wir sind ja nicht nur Opfer, wir sind ja auch Täter. Sowohl was du erzählt hast, aber auch was sie erzählt haben. Das ist ein zirkulärer Prozess, wir sorgen mit unserer Mobilität dafür, dass wir woanders hinfahren und anderswo einkaufen. An-ders herum reagieren natürlich der Handel und auch die Gesundheitsversorgung auf diese zu-nehmende Mobilität.

Aber, ich wollte eigentlich, weil ich auch den MarktTreff sehr lange begleitet habe, ich habe ja fast die ganzen zwölf Jahre, von denen du erzählt hast, auch mitgemacht, über eine Episode berichten, die wir hatten, die über diese Frage der Mobilität von Älteren, glaube ich, eine Aus-sage trifft. Wir hatten uns immer wieder Gedanken gemacht, wie können wir diesen MarktTreff stabilisieren, wie können wir ihm noch einen Schub geben. Und da kam dann die Idee, mit ei-nem ein Euro-Jobber. Ich weiß gar nicht, ob ich das noch gibt, aber damals gab es das jedenfalls noch. Also, einen Ein- Euro-Jobber zu nehmen und einen Bus anzuschaffen oder bereitzustellen und dieser Ein-Euro-Jobber fährt dann zu all diesen alten Menschen im Barkauer Land, die ja nicht mehr so mobil sind, die nicht mehr aus ihrem Haus herauskommen. Die also, das sage ich immer so lax, zu verhungern drohen. Es muss doch im Grunde einen Run auf diesen Bus geben und der Umsatz wird sich jetzt sprunghaft erhöhen. Wir haben das dann, weil das auch zu den

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41 Förderbedingungen gehört, auch über mehrere Monate oder über anderthalb Jahre durchge-führt. Was sich herausgestellt hat war, dass dieser Service einfach nicht in Anspruch genom-men wurde.

42 Drei Frauen waren das, aus Warnau, die fuhren jeden Donnerstag mit.

43 Gut, das war aber noch eine besondere Geschichte. Aber es hat sich herausgestellt, dass diese älteren Menschen oder nicht mobilen Menschen, auf die das abgezielt war, ganz offensichtlich unabhängig von unseren administrativem Maßnahmen beziehungsweise von unserem Eingriff, schon ihre Wege gefunden hatten, um an diese Dienstleistungen zu kommen. Und das war für mich eine ziemliche Erkenntnis. Dass ich daraufhin in mich gegangen bin und gedacht habe, was machen wir hier eigentlich mit unserer administrativen Maßnahmen? Wie drängeln wir uns da rein, wenn vielleicht die Selbsthilfekräfte viel viel stärker sind, als wir glauben. Das war, wie gesagt, für mich eine ganz besondere Geschichte, wie das damals gelaufen ist. Das hat sich tot gelaufen.

44 Und das war ja auch etwas, wie jeder weiß, mit der Autokraft, die zwischen Preetz und Plön fährt. Da ist eine Busroute eingestellt worden, dafür gab es dann nach viel Protest so einen Anrufbus, gerade für die älteren Leute auch. Die haben jetzt die Möglichkeit, sich einen Bus zu bestellen, aber der wird nicht in Anspruch genommen.

45 Aber dann sind wir doch exakt auf dem Weg, den Herr Liedl beschrieben hat. Wir müssen gu-cken, was läuft in dieser Region. Für mich ist immer noch die Frage, wie kriegen wir das denn raus. Das geht doch immer nur über Versuch und Irrtum und schauen was läuft.

46 Ich möchte noch mal auf deine Äußerung zum Markt Treff und zu den nicht mobilen Person zu sprechen kommen. Und zwar hatten wir in unserer Gemeinde drei Personen gehabt, die dafür infrage kamen. Die habe ich alle drei persönlich angesprochen und darauf hingewiesen, welche Möglichkeiten bestehen. Es war also nicht so, dass keine Information da war, sondern auch Telefonnummern und Kontaktadressen und die wären abgeholt worden. Aber die haben dann irgendwie andere Mitfahrmöglichkeiten nach Preetz gefunden. Warum auch immer. Die haben vielleicht immer in Preetz eingekauft und wollten da weiter einkaufen. Weil sie dort vielleicht auch die Situation kannten. Das muss man auch alles noch mit berücksichtigen. Das ist für uns, auch für Ältere, auch wichtig, dass man weiß, wo welche Ware steht. Es sind irgendwo so einge-fahrene Dinge.

47 Also ich denk mal, für mich, ich bin nun noch sehr mobil. Aber wenn ich nicht mehr mobil wäre, glaube ich, wäre es für mich angenehm, dreimal die Woche einen kleinen Bus zu haben, der zu bestimmten Zeiten fährt. Also ohne anrufen und ich nehme es was in Anspruch, ich muss mich drum kümmern. Sondern einfach irgend so ein kleines Ding, was über die Dörfer fährt und wo man weiß, der fährt, was weiß ich, auf jeden Fall mittwochs und samstags, wo man mitfahren kann zum Markt oder vielleicht auch noch mal einen anderen Tag, wo ich meine Arztbesuche, meine Einkäufe und so weiter darauf einstellen kann. Also ich glaube, da würde die Schwellen-angst kleiner sein, als wenn ich Adressen habe von irgendwelchen Institutionen, die ich anrufen muss. Weil, erstaunlicherweise, ich wohne in dem gleichen Dorf wie Günter, klappt das ja un-tereinander ja auch ganz gut. Also, wenn man in Not ist und das ist ja etwas Wunderbares. Dann kann man die Leute ansprechen, das sind aber Leute, die ich kenne. Und ich würde auch keine Fremden anrufen und sagen, fährst du mich mal zur Bahn. Und insofern denke ich mal, wäre es einfacher, wenn sowas kommuniziert würde.

48 Ja, nur sowas existiert und hat man alles ausprobiert. Das Problem ist nur, es sitzt keiner drin.

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Naja, das zeigt ja jetzt auch ganz deutlich, dass diese ganzen einzelnen Systeme sich nicht mitei-nander entwickeln, sondern völlig gegeneinander. Und sie haben jetzt auch gesagt, das ist so ein Versuch und Irrtum, dass es irgendwann mal kommt. Aber man weiß nie, wann wirklich der Punkt erreicht ist, dass es für das Land auch wieder genug Ärzte gibt oder dass es für das Land auch wieder genug Einkaufsmöglichkeiten gibt oder wie auch immer. Die KV hat ja den ländli-chen Raum, so, wie wir Ihn hier beschreiben, nicht im Blick oder die Krankenkassen haben den

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49 auch genauso nicht im Blick. Ich denke, die gucken auch darauf, sicherlich ist auch ein gewisser Lobbyismus da und die Frage, dass man den erhält und natürlich möchte man auch Geld verdie-nen. Aber Fakt ist doch, das diese Systeme sich einzeln gar nicht kennen.

50 Nein, das brauchen sie auch nicht. Es gibt so viele Einkaufsmöglichkeiten wie noch nie in der Geschichte zuvor. Es gibt so eine gute ärztliche Versorgung wie noch nie in der Geschichte zu-vor. Die Leute sind so mobil wie noch nie in der Geschichte zuvor. Und wo wollen wir dann steuernd einwirken? Ich habe mal provokativ in einer anderen AktivRegion, in der ich gesessen habe, wo darüber gesprochen wurde, was für Probleme bestehen, das angesprochen. Als erstes kam der öffentliche Personennahverkehr mit dem Manko, was aufgezeigt wurde. Die zweite Frage war, wer fährt denn von denen, die das Manko aufgezeigt hatten, mit dem öffentlichen Personennahverkehr und hat jetzt Grund, das zu bemängeln. Kein einziger war dabei, die letz-ten, die mit dem öffentlichen Personennahverkehr gefahren sind, war mit dem Schulbus vor 40 Jahren. Das heißt, da werden Probleme aufgezeigt, die gar nicht existieren. Ich habe dann auch provokativ über die Probleme, die existieren, geschrieben, kein Problem. Es wurden auch keine genannt, es drehte sich immer im Kreis.

51 Ja, aber das heißt doch tatsächlich, dass sich die Systeme gar nicht kennen.

52 Aber müssen die sich kennen? Es entwickelt sich doch, es funktioniert ja. Es ist doch so, es kommt ja keiner an und sagt, ich komm jetzt hier nicht mehr weg. Wir haben das zum Beispiel bei uns in der Gemeinde auch mal gemacht zu den Senioren-Café-Nachmittagen. Da haben wir auch mal so einen örtlichen Personennahverkehr organisiert, haben Leute aufgebracht, die nie dahin gefahren sind, müssen wir einen Fahrdienst einrichten? Nicht ein einziges Mal ein Fahr-dienst eingerichtet worden. Das hat sich erledigt und unsere Gemeinde ist eine große Gemein-de. Da sitzen 50 Leute hier und da sitzen 50 Leute da, die sich treffen. Die kommen alle dahin. Die fragen sich, was wollt ihr denn jetzt? Ein Fahrdienst? Mensch, ich weiß doch, wie ich da hin komme. Der ist 92 und fährt selber Auto, der wird einen Teufel tun mit einem mitzufahren, wenn er das noch kann. Der nimmt noch ein paar ältere Damen mit.

53 Aber dann würde ja diese ganze Problematik, die wir jetzt hier besprechen, die würde ja gar nicht da sein.

54 Das ist ja eine gute Frage, ob sie da ist, das wollen wir ja gerade herausfinden.

55 Ich wollte nur nochmal sagen, zu dem Abholen mit dem Bus, zu der jungen Frau hier, mit dem Bus, mit dem Abholen mit dem rumfahren. In Kirchbarkau hat man das so gemacht, am Don-nerstag um 10:00 oder 10:30 Uhr hält der Bus an der Bushaltestelle oder am Wendehammer in Warnau und wer mitfahren will, kann mit zum Einkaufen fahren. Und so haben wir das auch weiter gemacht, so haben wir das in Großbarkau gemacht und wie gesagt, das haben wir an-derthalb Jahre gemacht. Und die einzigen drei Damen, die eingestiegen sind, waren aus War-nau. Da kann man es natürlich nicht aufrecht erhalten. Man macht es nie allen recht und man hat immer verkehrte Zeiten dann, der eine möchte morgens um acht abgeholt werden, der andere abends um sieben. Das kriegt man einfach nicht hin.

56 Aber das ist ja immer so, wenn ein anderer etwas für jemanden regelt, dann kommt Kritik auf. Solange das jeder selber regeln kann, macht er es so, wie er es möchte, und keine Kritik kommt auf.

57 Es gibt viel zu viel Quadratmeter Verkaufsfläche in Schleswig Holstein. Nirgendwo gibt es so viele wie in Schleswig-Holstein. Wir sind über das Land verteilt total überversorgt. Und zwei-tens, wir machen es genau andersrum. Wir fahren die Ware zu den Leuten hin. Die rufen bei uns an, faxen zu uns, mailen zu uns und bestellen die Ware. Und dann liefern wir die Ware aus. Das geht viel besser, als wenn die Leute zu uns hingefahren werden.

58 Aber das wäre dann letztlich auch dieses Central- Park-Prinzip, sage ich jetzt mal. Dass man auf der einen Seite Wege vorgeschrieben hat, die die Leute gehen sollen. Oder man lässt die Leute einfach laufen und alle gehen praktisch quer zu diesen Wegen. Dann reißt man den vorgegebe-nen Kram wieder weg und legt die Wege dahin, wo die Leute auch wirklich langgehen. Und

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dann ist man auch sicher, dass da keiner mehr meckert. Weil nämlich die Wege dann gegangen werden.

59 Also, so die Frage, haben wir denn überhaupt ein Problem. Das ist das, was ich aus dem ersten Gespräch noch mitgenommen habe, als sie da saßen, da habe ich ein bisschen Entrüstung bei Ihnen festgestellt, als sie sagten, dann können wir uns ja zurücklehnen, wenn wir kein Problem haben im ländlichen Raum. Da ist meine Frage, brauchen wir ein Problem, um zu handeln? Das ist ja die große Frage. Müssen wir unbedingt so problembezogen denken oder leben wir nicht schon in einer Welt, in der wir das Notwendige bereits haben und uns nur noch um das Nützli-che kümmern können. Also das machen, was wir können. Und das ist aus meiner Sicht eine bessere Strategie für den ländlichen Raum. Ich nehme mal die ärztliche Versorgung raus, ich glaube, das ist ein anderes Problem, als wenn wir hier über Dienstleistungszentren reden. Aber wenn wir über Feuerwehr und Dienstleistung und so weiter sprechen, können wir uns dann nicht um die Verbesserung der Bedingungen der Qualität im ländlichen Raum kümmern, auch wenn wir kein Problem haben? Und ist es nicht vielleicht sogar besser, wenn wir kein Problem haben und wir packen trotzdem die Dinge an. Ich glaube nicht, dass es wirklich ein existenzielles Problem ist, ob Kirchbarkau jetzt einen Laden hat oder nicht. Das ist eine Frage der Lebensquali-tät in Kirchbarkau für einige Menschen. Aber deshalb sollten wir es doch trotzdem machen, wenn wir dazu die Möglichkeit haben, das zu tun.

60 Aber wenn Kirchbarkau keine Schule mehr hat, dann haben wir ein Problem.

61 Natürlich, ich rede jetzt auch nicht von allen Einrichtungen sagen. Ich weiß aber nicht, ob auch das ein Problem ist, wenn wir in Kirchbarkau keine Schule mehr haben. Weil solche Dinge be-trachten wir immer orts- und nicht raumbezogen. Im Raum haben wir nicht überall eine Schule an jedem Ort. Wir hatten früher in Kirchbarkau auch noch eine Hauptschule. Die haben wir heu-te nicht mehr und das Leben ging weiter. Auch das, denke ich, ist eine Frage der Lebensqualität. Man muss darum kämpfen, diese Schule im Dorf beziehungsweise im Raum zu haben, man muss darum kämpfen, ein Dienstleistungszentrum im Raum zu haben. Aber ich würde dafür plädieren, dass nicht aus Problemsicht zu sehen sondern aus der Sicht der Lebensqualität. Was können wir machbar machen im ländlichen Raum und das ist glaube ich, genauso einen Hand-lungsimpuls. Vielleicht aus meiner Sicht auch ein besserer Handlungsimpuls als wenn wir Prob-leme sehen, wo tatsächlich keine sind, wo wir sie nur konstruieren.

62 Also, in Kirchbarkau gibt es auch keine Apotheke. Und meine Medizin bekomme ich nach Hau-se. Das ist also jetzt so der Prozess. Ich brauche nicht mehr zur Apotheke gehen, sondern wenn ich zum Arzt gehe, schreibt der mir Medikamente auf und die liefen es mir aus. Da muss ich nicht mehr zur Apotheke gehen. Vielleicht müssen wir uns das auch überlegen, wenn der MarktTreff, und wir haben das jetzt über zwölf Jahre beobachtet, nicht wirtschaftlich arbeiten kann und das ist so, ohne Unterstützung wird das nicht aufrecht erhalten werden können, dann müssen wir vielleicht darauf verzichten. Wir haben auf andere Dinge auch verzichtet. Vielleicht müssen wir in Zukunft auch auf eine Tankstelle in Kirchbarkau verzichten, wenn die Autobahn da durchgeht, was passiert dann?

63 Dann wird die wegkommen.

64 Dann wird sicherlich nicht im Ort eine Tankstelle entstehen. Die wird dann irgendwo entweder auf der Autobahn vielleicht sein, aber damit ist nicht zu rechnen. Die wird dann auch weg sein. So sind die Prozesse, das sind Veränderungen, auf die wir irgendwie reagieren. Das ist nicht mehr wirtschaftlich tragbar und dann ist es nachher entweder nur noch über Förderung zu er-reichen oder es fällt weg.

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Ich wollte noch mal von der reinen Versorgung ein bisschen abgehen und dafür plädieren, das Lebensqualität auf dem Dorf ganz gewiss auch davon abhängt, ob ich kulturelle Möglichkeiten wahrnehmen kann wenn ich ein alter Mensch bin und nicht mehr fahren kann. Und das denke ich, es geht nicht immer nur um das Einkaufen, das kann man sicherlich anders regeln. Aber sicher wollen alte Leute auch mal ins Kino oder ins Theater nach Kiel. Und das wird dann schon

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65 sehr schwierig. Und da ist eben die Frage, ob man da nicht solche Fahrsachen organisieren kann, dass die einfach unbedarft sagen können, o.k. den Film möchte ich sehen oder ich möch-te in das Konzert gehen ohne dass ich mir für hunderte von Euro ein Taxi nehme, oder was ein Taxi nach Kiel kostet. Wen man nicht mehr selber fährt, ist das einfach schwierig. Nahrungsmit-tel, denke ich, kriegt man immer. Der Nachbar fährt einen zur Not auch zum Arzt. Aber sowas, finde ich, das gehört durchaus dazu.

66 Da will ich dann auch gleich noch darauf antworten. Wir haben den Kultursommer im Barkauer Land. Gucken Sie sich mal an, wie viele aus der Region dahin kommen. Viele, die kommen, kommen von auswärts. Aber ich wollte noch etwas anderes sagen

67 Das ist richtig und das finde ich auch alles toll. Und ich kenne das auch. Aber ich denke mal, man möchte vielleicht auch im Winter irgendwohin hin oder man möchte ganz etwas Anderes ma-chen als das, was im KulturSommer angeboten wird. Und das ist halt die Frage, ob das möglich ist. Wenn man einen Wunsch äußern dürfte, dann würde das bei mir auch nicht in Richtung Nahrungsmittel gehen, sondern eher dahin gehen.

68 Ich habe noch etwas mitgebracht. Was glaube ich, sehr interessant ist. Wir haben ja immer auch letztes Mal schon, von dem Referenzort Kirchbarkau gesprochen. Das bleibt wohl offensichtlich auch so, weil viele von uns aus diesem Bereich kommen. Ich habe mich mal mit dem ehemali-gen Bürgermeister hingesetzt, um einmal festzustellen, was hatten wir eigentlich etwa um 1970, als die Gemeinde 300 Einwohner hatte, in Kirchbarkau an Handel, Handwerk und Dienst-leistungen im Ort. Weil wir immer sagen, mit dem Strukturwandel und der demographischen Entwicklung im ländlichen Raum gehen uns jetzt auch Dienstleistungen verloren und wir schaf-fen das nicht mehr, die aufrecht zu erhalten. Ich finde, das Ergebnis ist total spannend. Ich pa-cke das nachher auch an die Dokumentation ran25, weil ich das jetzt nicht im Einzelnen alles vorlesen will. Wir haben ja auch nicht so viel Zeit und wir haben auch noch wichtigere Themen als nur diese Information. Wir hatten im Bereich Handel damals 14 Einheiten, im Bereich Hand-werk 19 Einheiten und im Bereich Dienstleistungen einschließlich Arzt, Amtsverwaltung, Schule, Kirche und ähnliche Dinge 10 Dienstleistungen. Es waren 1970 noch insgesamt 43 Einheiten. Heute, wo die Gemeinde rund 750 Einwohner hat, ich sage jetzt nur noch die Gesamtzahl, ha-ben wir noch 16. Das heißt aus meiner Sicht, wir haben den Strukturwandel, den wir für die Zukunft befürchten, das ist meine These, bereits hinter uns. Wir sind von 100 % auf 37 % insge-samt zurückgegangen. Das löst, wie viele andere Dinge, die ich hier schon von mir gegeben ha-be, nicht das Problem. Aber ich finde, es ist ganz bezeichnend, sich das mal vor Augen zu füh-ren, was in der Vergangenheit bereits alles passiert ist im ländlichen Raum.

69 Wenn diese Dinge wegfallen, und was weiß ich, Gaststätten, die es ja auch sicherlich gab, wo man sich getroffen hat, wo man gesprochen hat, wo man miteinander Kontakt hatte, dann muss man vielleicht dafür sorgen, dass es diese Möglichkeiten wieder gibt. Dass man irgendwo wieder für Treffpunkte oder für Gesprächsmöglichkeiten sorgt, wir als Kommunen, damit das wahrgenommen wird. Und dass die Möglichkeiten überhaupt erst entstehen, wenn sie woan-ders wegfallen. Denn wenn wir keinen Laden mehr haben, und wenn wir keine Gaststätte mehr haben, dann geht uns auch ein Teil der Kommunikation untereinander verloren. Und das ist ein wichtiger Punkt. Und den, denke ich, könnten wir lösen. Da gibt es Möglichkeiten.

70 Geh mal nach Nettelsee. Frag mal, wer sich abends in den Krug setzt in Nettelsee. Der hat abends um acht, wenn er keine Veranstaltung hat, wenn er keine Feier hat, um acht den Laden dicht, weil niemand kommt der sich da hinsetzt, wie das früher war, wie die Alten das gemacht haben, die da hingegangen sind und noch ein Bier getrunken haben und noch einen Schnaps getrunken haben. Die gibt es eben nicht mehr. Die gibt es einfach nicht mehr. Dann hat er abends um acht seinen Laden dicht.

71 Das ist in Plön auch so.

72 Das ist überall so. Die Leute gehen eben abends nicht mehr aus. In Kirchbarkau kann ich immer

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S. Anlagen, Seite 43, Handel, Handwerk und Dienstleistungen im Ort Kirchbarkau ja auch

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noch sagen, wir haben das Rote Kreuz, wir haben die Landfrauen, wir haben die Kirche. Da ist die ganze Woche etwas los, die Gemeinde selbst braucht gar keine Weihnachtsfeier oder ir-gendeine Veranstaltung anbieten, weil da die Senioren voll gebucht sind.

73 Dann ist dieser Rahmen ja auch abgedeckt. Dann ist das auch in Ordnung.

74 Das ist auch bei uns so. Bei unserem Veranstaltungskalender, wenn jeder Termin wahrgenom-men werden soll, kommt man schon in Terminschwierigkeiten. Das schafft man gar nicht, dass alles wahrzunehmen.

75 Also ist alles gut.

76 Nein, aber die Frage ist, man diskutiert über Probleme. Aber aus welchem Verständnis heraus macht man das. Ich meine, wir versuchen eine Menge auf die Beine zu stellen, das wissen Sie ja auch. Aber trotzdem ist das Ergebnis oder das was auch an Entwicklung bereits stattgefunden hat, ja auch eine ganze Menge.

77 Also, ein Kernpunkt von Lebensqualität ist ja ganz offensichtlich auch Kommunikation. Das an der Kommunikation bestimmte Dienstleistungen dranhängen und Versorgung und Nachrich-tenaustausch und dass man sich zusammen tun kann. Man kann irgendwohin, wo bestimmte Angebote zustande kommen. Das ist ja scheinbar so ein originäres Prinzip, wo man sagen kann, das ist so ein Kristallisationspunkt, der auch für Lebensqualität schon seit Urzeiten besteht. Wo man hin gelaufen ist. Das kann eine Wasserstelle sein, da traf man die andern und man wusste, wo ist es gefährlich oder wo gibt es etwas und was liegt an. Internet und alles war nicht da. Und dass ist die Frage, können wir uns eine Lebensqualität auf dem Lande zukünftig vorstellen, wo wir frei von solchen Kommunikationspunkten sind und frei von Dienstleistungsangeboten und überhaupt vor allem frei. Wir können ins Internet pausenlos und sind damit Globalplayer. Aber wir haben um die Ecke vielleicht gar nicht mehr die Kommunikation. Noch scheint es ja zu klap-pen. Dass man eben dem Nachbarn Bescheid gibt. Ich sehe das auch bei uns, das spielt eine ganz große Rolle, dass man in der Nachbarschaft sagt, man will irgendwo hin und der Wagen ist kaputt, der springt nicht an und man weiß genau, wo einem in der Nachbarschaft geholfen wird. Man sagt Bescheid und der bringt einem was mit vom nächsten Laden oder man kommt zum Arzt, wenn man kein eigenes Auto zur Verfügung hat. Das ist doch super, dass es von alleine funktioniert. Und wenn der Test ergibt, dass, wenn man die Leute transportieren will, sie es gar nicht brauchen und sie kommen trotzdem zu Ihren Zielen. Das ist doch genial. Diese Subkultur der Kommunikation und das Transportwesen scheinen ja zu funktionieren. Ob sie es in Zukunft macht, wird man sehen. Aber erst einmal ist scheinbar ja die Substanz noch da. Aber die Frage dieser gemeinschaftlichen Kommunikation, die so einen Zusammenhalt und die Identität in einem Dorf ausmacht bis ins Vereinswesen rein und bei der Feuerwehr, Ehrenamt und wie wir auch gehört haben, im nachbarschaftlichen Austausch. Ist es noch weiter tragfähig oder leben wir noch von der Substanz im Augenblick? Ist es vielleicht so, dass vor 20 Jahren diese Kommu-nikationsstruktur anfing, wegzubröseln und das die in weiteren 20-30 Jahren vielleicht restlos verbraucht und die Nachbarn, die dann noch auf dem Lande leben, kennen sich gar nicht. Wenn der eine sagt, mein Auto ist kaputt, dann sagt der andere, wenn hast du wohl ein Problem, viel Spaß dabei oder so. Ist es dann so, dass nur noch jeder mit sich selbst isoliert da lebt und dann dieses Verbundsystem nicht mehr funktioniert? Und dann kann man natürlich die Gegenfrage stellen, wie sieht so ein Minimum-Kommunikationspunkt aus? Es gibt keine Kneipe mehr und anderes auch nicht mehr, wie könnten die aussehen? Gibt es irgendwie so einen Dorf-Treff, noch weiter runter gefahren, so einen überdachten Pavillon irgendwie, so wie in Afrika.

78 Aber in den Vereinen gibt es das doch!

79 Aber das ist natürlich eine ganz interessante Frage. Ich bin ein ganz starker Verfechter der Exis-tenz der kleinen Gemeinden. Und ein ganz wesentlicher Punkt dabei ist, dass es ein Kommuni-kationsraum ist, der seit Urzeiten eine bestimmte Größe und Struktur hat, die sich im Rücken-mark des Menschen befindet, wo er sich wohlfühlt. Wenn das wegbricht, dann ist ein ganz we-sentlicher Teil weg, wo man nachher keine Argumentation mehr findet, um das aufrechtzuer-

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halten. Und nach wie vor, wie auch immer sich das strukturiert, glaube ich, dass auch für die Zukunft so ein Kommunikationsraum immer bestehen bleibt. Wie auch immer der sich organi-siert. Die alte Kneipe ist weggefallen, weil man nicht mehr mit Alkohol im Blut durch die Gegend fahren darf. Das war, ich kann mich gut erinnern, in Sophienhof im Dorfkrug wohl jeden Abend 10-12 Personen, die auch jeder einzeln zehn Bier und zehn Korn getrunken haben, einschließlich des Polizisten und die dann nach Hause gefahren sind. Das ist heute unmöglich, das war der beste Kommunikationsplatz, den man sich vorstellen konnte. So, der ist aus anderen Gründen natürlich zusammengebrochen. Aber für mich ist der Kommunikationsraum kleine Gemeinde, dörflicher Raum. Das ist ein ganz entscheidender Punkt, der auch die Lebensqualität auf dem Dorf ausmacht.

80 Aber ich glaube, das wichtige ist, dass die Betonung auf klein liegt. Denn je größer das wird, umso schwieriger wird es.

81 Ja, deswegen bin ich auch ein ganz starker Verfechter der kleinen Gemeinden und da lass ich auch nichts draufkommen.

82 Aber ist es nicht dann das Landleben, dass die Selbstorganisation, dass die Strukturen immer wieder neu gebildet werden und dass das praktisch jetzt unser Landleben ist. Wir wollen ja nicht das Landleben, das jetzt in der Landlust sehen, das werden wir ja wahrscheinlich auch gar nicht mehr zurückkriegen. Denn wir sehen das ja immer dann nur von außen und sagen, ja gut, da müsste sich was verändern. Weil wir noch das alte Landleben kennen. Aber die junge Gene-ration, die kennt das ja auch gar nicht mehr. Und die sagen ja auch, was wollt ihr eigentlich da noch irgendwas zu ändern, wir fühlen uns wohl hier in unserer Gemeinde. Selbst wenn ich jetzt da nur hin und her fahre und wohne oder meine Kinder aufziehe oder sonst irgendwie was. Da ist für die wahrscheinlich auch die Welt in Ordnung. Also sollte mich man sich vielleicht auch darauf beschränken, dass das Landleben auch die Selbstorganisation ist der Leute, die da wirk-lich drin wohnen.

83 Aber Selbstorganisation setzt Kommunikation voraus. Und das funktioniert ja. Die Frage ist ja, wie weit muss man da steuernd eingreifen.

84 Aber Selbstorganisation fusioniert nicht von alleine. Das muss man nun nicht glauben, dass braucht Führerschaft zum Teil, eine ganz spezielle, qualitativ hochwertige Führerschaft, wenn man Selbstorganisation ermöglichen will. Das sollte man immer mit bedenken. Selbstorganisa-tion heißt nicht, sich zurücklegen und sagen, das passiert schon alles. Die Interessen, die man hat, muss man auch einspeisen in dieses System und dann wird man sehen, was passiert. Und dann muss man das auch mal auf Versuch und Irrtum ankommen lassen.

85 Das ist natürlich richtig. Aber entstehen dann nicht automatisch Nöte, die dann praktisch zur Folge haben das irgendwelche Aktion gestartet werden weil man aus einer Not heraus sagt, komme ich wir müssen jetzt hier mal was feiern oder so.

86 Ja, natürlich, Gesellschaft funktioniert über Kommunikation und anders funktioniert sie ja nicht. Dann werden solche Nöte ja artikuliert. Wenn man sagt, ich möchte gerne nach Kiel ins Theater, dann es gibt dann vielleicht eine Gemeinschaft, die funktioniert, in der man bespre-chen kann, wie können wir das selbst organisieren, ohne die Gemeinde zu fragen oder den Staat zu fragen. Wie können wir uns zusammen tun zu einer Fahrgemeinschaft, die uns in die Kieler Staatsoper, oder was gibt es hier in Kiel, fährt.

87 Es gibt ein ganz kleines Büchlein, „Kommunale Intelligenz“ von der Körber-Stiftung. Da wird das sauber herausgearbeitet, warum wir eigentlich so handeln müssen.

88 Dieses Buch, „Kommunale Intelligenz“, das ist von Herrn Hüter, das habe ich allen Bürgermeis-tern ins Fach gelegt, zu Weihnachten geschenkt. Ich weiß nicht, ob alle das gelesen haben. Das war sehr gut, ein Plädoyer auch für die kleinen Gemeinden.

89 Also Bürgermeister, habe ich gelernt, die werden aufgrund Wahl intelligent, die brauchen keine Bücher.

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90 Aber wir versuchen das hin und wieder auch mal durch andere Aktionen.

91 Ja, aber ich glaube das war eine sehr interessante Diskussion hier heute Abend. Vor allem die Kombination, wo ich erst gedacht habe, passt das überhaupt zusammen. Aber das passte besser zusammen, als ich ursprünglich vermutet habe. Die Diskussion zeigt wieder, wie vielfältig man diese Probleme oder diese Aufgaben oder diese Fragestellungen angehen kann. Und wieder einmal ist ein interessantes Bredeneeker Gespräch aufgezeichnet und geht damit zu Ende. Es wird dokumentiert und beim nächsten Mal, im nächsten Bredeneeker Gespräch, versuchen wir, diese drei bis jetzt stattgefundenen Gespräche zusammenzufassen, und sagen wir mal, ein Re-sümee daraus zu ziehen. Darauf freue ich mich jetzt auch schon. Es freut mich, dass du heute dabei warst als Vertreter der Ärzteschaft. Das war gar nicht einfach jemanden zu finden, Alle sind viel beschäftigt oder haben Urlaub. Aber es ist schon wichtig, dass es aus berufenem Munde mal mit diskutiert wird. Das ist schon so, dass das man das nicht so authentisch in den Berichten wieder findet. Vielen Dank dafür dass du da warst und euch auch natürlich vielen Dank. Ich wünsche allen einen guten Nachhauseweg.

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Versorgungsbericht 2014 Herausgeber: Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein PDF-Datei anfordern: http://www.kvsh.de/db2b/upload/news/Versorgungsbericht_2013_internet.pdf

Nordlicht Nr. 4/2014 Herausgeber: Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein Dieses und weitere Hefte als PDF-Datei anfordern: http://kvsh.de/index.php?StoryID=60

Gesundheitsland Schleswig-Holstein – Jahrbuch 2012/2013 - Herausgeber: Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung Schleswig-Holstein Das Jahrbuch können Sie kostenlos bei der Gesundheitsinitiative Schleswig-Holstein beziehen. Schicken Sie eine E-Mail an [email protected] oder PDF-Datei anfordern: http://www.schleswig-holstein.de/Gesundheit/DE/Service/Downloads/Jahrbuch% 20Gesundheit/jahrbuch2012_2013__blob=publicationFile.pdf

Daseinsvorsorge im ländlichen Raum unter Druck Herausgeber: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung Der Bezug ist kostenfrei. PDF-Datei und Bestellung: www.netzwerk-laendlicher-raum.de/daseinsvorsorge

MarktTreff-Handbuch, Herausgeber: Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein PDF-Datei anfordern: www.markttreff-sh.de, Arbeitshilfen

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Wichtige und interessante Internet-Adressen

Land.Arzt.Leben, Das neue Landarztportal Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein www.landarztleben.de

MarktTreff: Ihr lebendiger Marktplatz für Produkte, Dienstleistungen, Informationen, Ideen und Initiativen, Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, www.markttreff-sh.de

Deutsche Vernetzungsstelle ländliche Räume (DVS) in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) www.netzwerk-ländlicher-raum.de DESTATIS Statistisches Bundesamt, Bereich Gesundheitsversorgung www.destatis.de

Gerald Hüther: Kommunale Intelligenz, Potentialentfaltung in Städten und Gemeinden Herausgeber: Körber Stiftung ISBN-10: 3896840983 ISBN-13: 978-3896840981

Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs im ländlichen Raum, Studie für den Verbraucherzentrale Bundesverband, Zusammenfassung uns Fazit, 2005 http://www.ioew.de/uploads/tx_ukioewdb/studie_laendlicher_raum_kurz.pdf

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Stiftung Bürgerschloss Bredeneek e.V. Schloss Bredeneek, 24211 Bredeneek E-Mail-Adresse: [email protected] www.buergerschloss-bredeneek.de Vorstand: Jürgen Paustian Dr. Norbert Langfeldt Reinhard Gromke Verfasser: Reinhard Gromke