31
1 Leben unter extremen Umweltbedingungen Petra Rettberg DLR, Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, Köln [email protected] Das DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt Forschungseinrichtung Raumfahrt-Agentur Luftfahrt Raumfahrt Verkehr Energie

Leben unter extremen Umweltbedingungen Petra Rettberg · Anpassung an extreme Umweltbedingungen: Trockenheit Bacillus subtilis • keimungsfähige Sporen in einige Millionen Jahre

  • Upload
    ngonhan

  • View
    225

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

1

Leben unter extremen UmweltbedingungenPetra Rettberg

DLR, Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, Kö[email protected]

Das DLRDeutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt

• Forschungseinrichtung• Raumfahrt-Agentur

• Luftfahrt• Raumfahrt• Verkehr• Energie

2

BiophysikBiophysik ZellulZellulääre re BiodiagnostikBiodiagnostik

AstrobiologieAstrobiologie

Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln, Abteilung Strahlenbiologie

• Mechanismen der Anpassungsfähigkeit und Resistenz bei Mikroor-ganismen

• planetary protection• Leben unter extremen

Umweltbedingungen

Was ist Leben?

3

• Zur Erklärung von Leben werden Beschreibungen von charakteristischen Merkmalen und Eigenschaften, die in ihrer Gesamtheit ein Lebewesen definieren, aufgeführt. Die meisten dieser Eigenschaften können jedoch auch unbelebte Systeme besitzen.

Es gibt keine universelle Definition von Leben.

Was ist Leben?

Verschiedene Versuche Leben zu definieren

• Lebende Organismen sind sich selbst organisierende dissipative* nicht im Gleichgewicht befindliche Syteme mit der Fähigkeit sich weiter zu entwickeln.

* Dissipation bezeichnet in der Physik den Vorgang an einem offenen, dynamischen System, bei dem das System kontinuierlich Energie verliert, die dabei in thermische Energie umgewandelt wird.

• „Leben stellt einen dynamischen Ordnungszustand der Materie dar;… [dabei sind] Selbstreproduktion, Mutation und Metabolismus sind die notwendigen Voraussetzungen für die natürliche Selektion.“ Manfred Eigen, Nobel-Preis in Chemie 1967

4

Essentielle Eigenschaften des Lebens sind

• die Fähigkeit zur Vermehrung,

Reproduktion von Information

• das Vorhandensein eines Stoffwechsels,

Synthese der Bestandteile aus dem Material der UmgebungUmwandlung der Energie aus der Umgebung in Arbeit Katalyse chemischer Reaktionen

• die Fähigkeit, sich verändernden Umweltbedingungen anzupassen.

Es gibt drei notwendige Voraussetzungen für Leben, wie wir es kennen:

Energie Kohlenstoff Wasser

http://www.chempage.de/PSE/pseC.htm

5

Energie

• Die primäre Ernergiequelle für fast alles Leben auf der Erde ist die Sonne. • Die Energie der Sonne wird über die Photosynthese in die Biosphäre

eingebracht.- einige Arten von Bakterien- Algen- höhere Pflanzen

http://www.chm.bris.ac.uk/motm/oec/motmc.htm

Beispiele von photosynthetisierenden Bakterien

Energie

• Von einigen Organismen kann chemische Energie kann aus anorganischen Verbindungengewonnen werden.

chemolithoautotroph

• H2• S0

• H2S, • Fe(II)• CH4• NH4

+

• NO2-

• …

6

Kohlenstoff

• Alle Biomoleküle basieren auf Kohlenstoff als zentralem Atom.

• Kohlenstoff kann sich mit anderen Atomen verbinden und komplexe Moleküle bilden, aus denen sich die Lebenwesen zusammensetzen.

Kohlenstoff

• Aus Aminosäuren zusammen-gesetzte Eiweiße (Proteine) bilden u.a. die Enzyme, die die verschiedenen Stoffwechsel-vorgänge katalysieren.

7

Kohlenstoff

• Fette bilden die Membranen, die Zellen und Zellbestandteile umschliessen.

Kohlenstoff

• Nukleinsäuren codieren die Erbinformationen.

RNA DNA

8

Kohlenstoff

• Kohlehydrate bilden Strukturelemente der Zelle, dienen als Energiespeicher und sind Bestandteil komplexer biochemischer Verbindungen wie den Nukleinsäuren.

Wasser

• selektives Lösungsmittel • notwendig für Diffusionsvorgänge • Reaktionspartner in Stoffwechselprozessen• stabilisiert die Struktur größerer Moleküle• guter Wärmeleiter

9

Alle Lebewesen bestehen aus Zellen.

Alle Zellen besitzen eine universelle Sprache zur Weitergabe ihrer Erbinformation, den gemeinsamen genetischen Code.

10

Der phylogenetische Stammbaum

Eine Seite aus Darwin's Notizbuch vonJuli 1837 zeigt den ersten Enwurf eines evolutionären Stammbaums.

Ein phylogenetischer Baum ist ein Baum, der die evolutionären Beziehungen zwischen verschiedenen Arten oder anderen Einheiten, von denen man vermutet, dass sie einen gemeinsamen Vorfahren besitzen, darstellt.

Die Entstehung von Leben auf der Erde

LUCA = last universal common ancestor

11

LUCA

Der phylogenetische Stammbaum

LUCA

Der phylogenetische Stammbaum

12

LUCA

Der phylogenetische Stammbaum

Das Leben auf der Erde ist vor ca. 3,8 Milliarden Jahren entstanden.

13

Die ersten durch Fossilien nachgewiesenen Lebewesen entstanden vor ca. 3,5 Milliarden Jahren.

fossiler Stomatolith

heutige Stomatolithe

Lebewesen haben sich überall auf der ganzen Erde in den verschiedensten Lebensräumen angesiedelt.

Insgesamt leben weltweit erheblich mehr Arten als die bislang beschriebenen gut 2 Millionen.

Bisher beschriebene Arten:

Taxonomische Gruppe Artenzahl

Algen 40.000 – 60.000Weichtiere 70.000Pilze 75.000 – 100.000 Spinnenartige 75.000 – 100.000 Blüten- und Farnpflanzen 250.000 – 300.000 sonstige (ein- /mehrzellige Organismen) 250.000 – 400.000Insekten > 1 000 000

Streit, B. (2006) Natur und Museum 136 (Heft 3/4): 131-134

14

Die größte und anpassungsfähigste Gruppe von Lebewesen stellen die Mikroorganismen.

• extremophil Organismen (meist einzellige Mikroorganismen), die sich Umweltbedingungen angepasst haben, die im allgemeinen als lebensfeindlich betrachtet werden

• anthropozentrische Definition aus der Sichtweise des Menschen in seiner ihm gewohnten Umwelt

• Nicht-extremophile Organismenmesophil

Extremophile Organismen

15

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Hohe und niedrige Temperaturen

Rothschild & Mancinelli, 2001

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Hohe Temperaturen in heißen Quellen

Island

16

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Hohe Temperaturen in heißen Quellen

Octopus Spring, Yellowtone National Park, USA

Rothschild & Mancinelli, 2001

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Hohe Temperaturen in der Tiefsee

Schwarzer Raucher

Hyperthermophile Mikroorganismen,wachsen bei Temperaturen bis zu 113 °C.

Nanoarchaeum equitansStetter, Nature, 417, 27 and 63, 2002

17

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Tiefe Temperaturen im Boden

Permafrost-Polygone im Lenadelta

Permafrost

Psychrophile Microorganismen, wachsen bei -10 °C

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Tiefe Temperaturen im Boden

18

Methanogene Archaeen• anaerob

Überleben und Stoffwechsel-aktivitäten ohne O2

• lithoautotroph4 H2 + CO2 → CH4 + H2O

• psychrophilTmin < 0°CTopt bei 15°C, Tmax bei 20°C

Bilder: AWI

Submariner Permafrostkern Methanosarcina ssp.

Himalaya-Mücke

Kohshima, 1984

• verbringt ihr ganzes Leben im Schnee und Eis eines Gletschers

• ernährt sich von Cyanobacterien und andere Bakterien

• ist bei – 16°C aktiv

• wurde zuerst in Nepal gefunden

19

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Hohe Salzkonzentrationen

halophileMikroorganismen

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Hohe Salzkonzentrationen

Rot pigmentierte Kolonien von Haloarchaen, ca. 1 cm Durchmesser

Halococcus dombrowskii

Bilder: H. Stan-Lotter,Uni Salzburg

Haloarcula quadrata

Bild: Wikipedia

20

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Leben auf und in Steinen

Anpassung an extremeUmweltbedingungen:Leben auf und in Steinen

Wong et al., 2009

epilithisch auf Steinen wachsend

endolithisch in Steinen wachsend

21

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:sehr saure oder basische Umgebungen

Satomi et al., 1998

alkaliphil

Marinospirillium megaterium

acidophil

Sulfolobussolfataricus

mehrere Kilometer unter der Erdober-fläche wachsende Mikroorganismen

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Leben tief im Boden

22

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Leben tief im Boden

mikrobieller Biofilm auf einem Basaltstück aus einer Tiefe von 1500 m

(confokales Lasermikroskopgrün: reflektiertes Licht der Basaltoberflächerot: mit Nilrot gefärbte Bakterien

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Leben tief im Boden

23

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Leben in Trockenheit

oft in Kombination mit anderen extremen Umweltbedingungen wie

• hohe Sonneneinstrahlung

• hohe oder niedrige Temperatur

• hoher Salzgehalt

xerotolerante Organismen

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Trockenheit

Bacillus subtilis

• keimungsfähige Sporen in einige Millionen Jahre altem Steinsalz

• keimungsfähige Sporen in einige Millionen Jahre altem Bernstein im Magen-Darm-Trakt eines Insekts

• keimungsfähige Sporen nach 6 Jahren Aufenthalt im Weltraum

B. subtilis-Sporen Credit: ESA

24

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Trockenheit

Flechten

• sind eine symbiotische Lebensgemeinschaft zwischen einem Pilz und einem oder mehreren Photosynthese betreibenden Partnern, Grünalgen oder Cyanobakterien,

• sind sehr strahlungsresistent,

• überleben 14 Tage im Weltraum-Vakuum.

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Trockenheit

Bärtierchen (Tardigraden)

• überleben 14 Tage im Weltraum-Vakuum

• sind sehr strahlungsresistent

• bilden als Schutzstoff Trehalose

25

Durch Strahlung und andere Umwelteinwirkungen hervorgerufene Schäden an der DNA

Bild: Toxikologie, Universität Mainz

DNA-Reparatur

Bild: Toxikologie, Universität Mainz

Alle Organismen, vom Bakterium bis zum Menschen, besitzen verschiedene enzymatische Reparaturenzyme.

26

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Strahlung

ionisierende Strahlung

• Einige Mikroorganismen aus der Gruppe der Bakterien und Archaeen sind sehr strahlungs-resistent.

Anpassung an extreme Umweltbedingungen:Strahlung

UV-Strahlung

• Einige Mikroorganismen aus der Gruppe der Bakterien und Archaeen sind sehr strahlungsresistent.

27

Barophile / Piezophile:Organismen, die optimal an hohen hydrostatischen Druck angepasst sind

Oligotrophe:Organismen, die optimal an eine nährstoffarme Umgebung angepasst sind

Toxitolerante:Organismen, die an großen Konzentrationen von für andere Organismen giftige Substanzen angepasst sind

Weitere Extremophile

• Mikroorganismen wurden in den letzten Jahrzehnten in Gegenden gefunden, die noch vor kurzem als lebensfeindlich galten.

• Extreme Umgebungen sind durch einen oder mehrere physiko-chemische Parameter charakterisiert. Beispiele:

hydrothermale Schlote in der Tiefsee – hohe Temperatur, hoher Druck, hohe Konzentationen an Metallionen,Wüstengebiete – wenig Wasser, wenig Nährstoffe, viel solare UV-Strahlung

• Die Diversität in extremen Umgebungen ist häufig geringer als in gemäßigten Umgebungen. Jedoch ist es durch neue molekularbiologische Methoden möglich geworden auch bisher nicht kultivierbare Organismen zu identifizieren.

Zusammenfassung

28

Die Grenzen für Leben auf der Erde und die Umweltbe-dingungen auf dem Mars

Parameter Mars Wachstum Überleben Temperatur (°C) -123 - +25 -20 - +113 -262 - +113 Druck (Pa) 560 105 - 108 10-7 - ≥ 108 Ionisierende Strahlung (Gy)

≈ 0.2 1) ≈ 50 ≤ 5000

UV-Strahlung (nm)

≥ 200 terrestrisch (≥ 290) ≈ terrestrisch (≥ 290)

Wasseraktivität (aw)

7 x 10-4 2) ≥ 0.7 0 – 1.0

Salzgehalt regional hoch ≤ 30 % Salzkristalle pH (?) 1 - 11 0 – 12.5 Nährstoffe (?) unterschiedliche

Nährstoffan-sprüchenicht notwendig

Gaszusammen-setzung

95.3 % CO2 2.7 % N2

0.13 % O2

unterschiedliche Ansprüche (oxisch

oder anoxisch)

besser ohne O2

Zeit (a) (?) ≤ 0.5 3) ≤ (25 – 40) x 106

1) pro Jahr; 2) g/cm³; 3) Generationszeit

bis vor ca. 3,8 Milliarden Jahren:wärmeres Klima, große Teile der Mars-oberfläche waren von Ozeanen bedeckt

vor ca. 3,8 – 1,5 Milliarden Jahren: der Mars wird kälter und trockener, Seen sind mit Eis bedeckt, flüssiges Wasser existiert nur noch in porösen Gesteinen und großen Tiefen

seit ca. 1,5 MilliardenJahren: flüssiges Wasser ist nur noch auf große Tiefen beschränkt

Der Mars war früher wärmer und feuchter.

29

Könnte sich auf dem frühen Mars Leben wie auf der frühen Erde entwickelt haben?

Bild: ESA

Die europäische ExoMars-Rover-Mission

Missionziele:

• die Suche nach Anzeichen von früherem oder heutigem Leben auf dem Mars

• die geologischen/minealogischen Eigenschaften des Marsbodens

• die Identifikation von möglichen Gefahrenquelln für künftige bemannte Marsmissionen

• Untersuchungen zum Inneren des Planeten Mars, um seine Entstehung und Entwicklung besser zu verstehen

Bild: ESA

30

Die europäische ExoMars-Rover-Mission

• Mobilität auf der Marsoberfläche• Bodenproben aus bis zu 2 m Tiefe

• nominale Mission: 180 Sol • Rover-Masse: 270 kg• Nutzlast: 9 Instrumente; 17 kg

- Panorama-Kamera- Ground Penetrating Radar- ExoBiologie-Labor

• geplant für 2018 Entwurf einer 2 Nutzlastentragenden Landeeinheit

Bild: ESA

Könnte sich anderswo im Universum Leben wie auf der frühen Erde entwickelt haben?

Bild: ESA

31

Vielen Dank fVielen Dank füür Ihre r Ihre Aufmerksamkeit!Aufmerksamkeit!