4
Der Unfallchirurg 52000 | 371 Zusammenfassung Aus einem Gesamtkollektiv von 41 nachein- ander operierten Patienten konnten bei 35 Daten hinsichtlich der allgemeinen Lebens- qualität im kurzfristigen Verlauf dokumen- tiert werden. Bei der Untersuchung der prä- und post-operativen Lebensqualität mit Hilfe des SF-36-Scores zeigte sich auf dem 5-%- Niveau eine signifikante Verbesserung in den Kategorien „Körperliche Schmerzen“ und „psychisches Wohlbefinden“. Mit einem P-Wert von p=0,0616 kann eine fast signifi- kante Verbesserung in der körperlichen Funktionsfähigkeit konstatiert werden.Wei- tere 5 untersuchte Unterpunkte zeigten kei- ne signifikante Verbesserung, jedoch bessere Werte bei den errechneten Mittelwerten. Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Implantation einer Knieendoprothese zu einem deutlichen Gewinn in der Lebensqua- lität des kranken Menschen führt. Schlüsselwörter Knieendoprothese · Lebensqualitätsgewinn dieser Überlegungen sind weder reine Überlebensanalysen der Implantate noch die üblicherweise verwendeten ge- lenkspezifischen Bewertungsschemata (Scores) hilfreich, da diese weder eine Aussage zur allgemeinen Lebensqualität erlauben, noch einen fächerübergreifen- den Vergleich ermöglichen.Aus diesem Grunde werden zur Dokumentation des kurzfristigen Therapieeffektes spezielle Verfahren verwendet, die auf die allge- meine Lebensqualität abzielen. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, den kurzfristigen Effekt auf die all- gemeine Lebensqualität nach Implanta- tion einer Knieendoprothese zu doku- mentieren. Material und Methode Patientenkollektiv Aus einem Gesamtkollektiv von 41 nach- einander operierten Patienten konnten bei 35 Patienten die Daten hinsichtlich der allgemeinen Lebensqualität im kurz- fristigen Verlauf dokumentiert werden; 6 Patienten waren zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung an operationsunab- hängigen Erkrankungen verstorben und konnten somit nicht vollständig doku- mentiert werden. Bei den vollständig evaluierten Personen handelt es sich um 23 Frauen und 12 Männer. Die Frauen Originalien Unfallchirurg 2000 · 103:371-374 © Springer-Verlag 2000 J. Jerosch · M. Floren Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Johanna-Etienne-Krankenhaus, Neuss Lebensqualitätsgewinn (SF-36) nach Implantation einer Knieendoprothese Prof. Dr. J. Jerosch Johanna-Etienne-Krankenhaus, Am Hasenberg 46, 41462 Neuss Die Zahl der Endoprothesenoperatio- nen steigt kontinuierlich [4]. Dies gilt ganz besonders für die Kniealloarthro- plastik, wobei hier im internationalen Vergleich große Unterschiede vorliegen. So werden in Europa jährlich etwa 370 Knieendoprothesen auf 1 Mio. Einwoh- ner implantiert, wohingegen in den USA der Wert etwa 3mal so hoch liegt. Aber auch im europäischen Raum finden sich deutliche Unterschiede. Die Implantati- onsrate im Jahr 1997 wird für Großbri- tannien mit etwa 600 Endoprothesen/1 Mio. Einwohner angegeben, in der Schweiz lag diese Quote bei 594, in den skandinavischen Ländern bei 555 und in Frankreich bei 525. Ganz im Gegensatz dazu liegt diese Quote von Portugal le- diglich bei 110 und in der Türkei ist so- gar nur bei 17/1 Mio. Einwohner. In Deutschland wird die Quote für das Jahr 1997 bei 466 Knieendoprothesen/1 Mio. Einwohner geschätzt [5]. Bei steigendem Kostendruck im Ge- sundheitssystem wird die Frage nach der Effektivität einer derartigen operati- ven Therapie mit hohen jährlichen Fall- zahlen immer vordringlicher. Bisher wurde die Qualität von Endoprothesen- operationen vor allem an der Standzeit des Implantats gemessen [6]. Im Rah- men von Kosten-zu-Nutzen Analysen werden jedoch zukünftig die Fragen nach dem individuellen Nutzen für ei- nen Patienten und vor allem nach den sozioökonomischen Kosten, die durch die Therapie dem Gesundheitswesen entstehen, immer wichtiger. Im Rahmen

Lebensqualitätsgewinn (SF-36) nach Implantation einer Knieendoprothese

Embed Size (px)

Citation preview

Der Unfallchirurg 5•2000 | 371

Zusammenfassung

Aus einem Gesamtkollektiv von 41 nachein-ander operierten Patienten konnten bei 35 Daten hinsichtlich der allgemeinen Lebens-qualität im kurzfristigen Verlauf dokumen-tiert werden. Bei der Untersuchung der prä-und post-operativen Lebensqualität mit Hilfedes SF-36-Scores zeigte sich auf dem 5-%-Niveau eine signifikante Verbesserung in denKategorien „Körperliche Schmerzen“ und„psychisches Wohlbefinden“. Mit einemP-Wert von p=0,0616 kann eine fast signifi-kante Verbesserung in der körperlichenFunktionsfähigkeit konstatiert werden.Wei-tere 5 untersuchte Unterpunkte zeigten kei-ne signifikante Verbesserung, jedoch bessereWerte bei den errechneten Mittelwerten.Zusammenfassend ist festzustellen, daß dieImplantation einer Knieendoprothese zueinem deutlichen Gewinn in der Lebensqua-lität des kranken Menschen führt.

Schlüsselwörter

Knieendoprothese · Lebensqualitätsgewinn

dieser Überlegungen sind weder reineÜberlebensanalysen der Implantatenoch die üblicherweise verwendeten ge-lenkspezifischen Bewertungsschemata(Scores) hilfreich, da diese weder eineAussage zur allgemeinen Lebensqualitäterlauben,noch einen fächerübergreifen-den Vergleich ermöglichen. Aus diesemGrunde werden zur Dokumentation deskurzfristigen Therapieeffektes spezielleVerfahren verwendet, die auf die allge-meine Lebensqualität abzielen.

Ziel der vorliegenden Untersuchungist es,den kurzfristigen Effekt auf die all-gemeine Lebensqualität nach Implanta-tion einer Knieendoprothese zu doku-mentieren.

Material und Methode

Patientenkollektiv

Aus einem Gesamtkollektiv von 41 nach-einander operierten Patienten konntenbei 35 Patienten die Daten hinsichtlichder allgemeinen Lebensqualität im kurz-fristigen Verlauf dokumentiert werden;6 Patienten waren zum Zeitpunkt derNachuntersuchung an operationsunab-hängigen Erkrankungen verstorben undkonnten somit nicht vollständig doku-mentiert werden. Bei den vollständigevaluierten Personen handelt es sich um23 Frauen und 12 Männer. Die Frauen

OriginalienUnfallchirurg2000 · 103:371-374 © Springer-Verlag 2000

J. Jerosch · M. FlorenKlinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Johanna-Etienne-Krankenhaus, Neuss

Lebensqualitätsgewinn (SF-36) nach Implantation einer Knieendoprothese

Prof. Dr. J. JeroschJohanna-Etienne-Krankenhaus,Am Hasenberg 46, 41462 Neuss

Die Zahl der Endoprothesenoperatio-nen steigt kontinuierlich [4]. Dies giltganz besonders für die Kniealloarthro-plastik, wobei hier im internationalenVergleich große Unterschiede vorliegen.So werden in Europa jährlich etwa 370Knieendoprothesen auf 1 Mio. Einwoh-ner implantiert, wohingegen in den USAder Wert etwa 3mal so hoch liegt. Aberauch im europäischen Raum finden sichdeutliche Unterschiede. Die Implantati-onsrate im Jahr 1997 wird für Großbri-tannien mit etwa 600 Endoprothesen/1Mio. Einwohner angegeben, in derSchweiz lag diese Quote bei 594, in denskandinavischen Ländern bei 555 und inFrankreich bei 525. Ganz im Gegensatzdazu liegt diese Quote von Portugal le-diglich bei 110 und in der Türkei ist so-gar nur bei 17/1 Mio. Einwohner. InDeutschland wird die Quote für das Jahr1997 bei 466 Knieendoprothesen/1 Mio.Einwohner geschätzt [5].

Bei steigendem Kostendruck im Ge-sundheitssystem wird die Frage nachder Effektivität einer derartigen operati-ven Therapie mit hohen jährlichen Fall-zahlen immer vordringlicher. Bisherwurde die Qualität von Endoprothesen-operationen vor allem an der Standzeitdes Implantats gemessen [6]. Im Rah-men von Kosten-zu-Nutzen Analysenwerden jedoch zukünftig die Fragennach dem individuellen Nutzen für ei-nen Patienten und vor allem nach densozioökonomischen Kosten, die durchdie Therapie dem Gesundheitswesenentstehen, immer wichtiger. Im Rahmen

Originalien

J. Jerosch · M. Floren

Increase in life quality (SF-36) after implantation of a knee endoprosthesis

Abstract

From a group of 41 consecutive patients re-ceiving an endoprosthetic knee replacement35 patients underwent complete pre- andpostoperative documentation of life qualityin the short term follow-up.

The comparison of pre- and postopera-tive life quality assessment with the SF-36form showed significant differences on the5% level for the categories “somatic pain”and “psychological wellness”.The parameter“somatic functionality” showed with a P-value of 0.0616 almost significant improve-ment.The other parameters also showed im-proved values without reaching statisticalsignificance. In summary, after implantationof a total knee replacement an improvementof life quality can be documented.

Keywords

Knee endoprosthesis · Quality of life

waren zum Zeitpunkt der Operationdurchschnittlich 67 Jahre und 11 Monate(54–80 Jahre) alt.Die operierten Männerwiesen ein Durchschnittsalter von 63Jahren und 8 Monaten (46–77 Jahre) auf.

Die Implantation erfolgte bei 16 Pa-tienten im linken Knie, bei 15 Patientenim rechten Knie und bei weiteren 4 Pati-enten wurde bilateral operiert. Die Dia-gnose war in 28 Fällen eine primäreGonarthrose, in 6 Fällen eine rheuma-toide Gonarthrose und bei einem Pati-enten eine posttraumatische Gonarthro-se. Bei allen Patienten wurde eine bi-kondyläre Oberflächenprothese implan-tiert (Typ: Genesis I; Smith & Nephew).Der durchschnittliche postoperative Do-kumentationszeitraum betrug 270 Tagemit einem maximalen Beobachtungs-zeitraum von 977 Tagen. Bei den 35 un-tersuchten Patienten fand sich keineschwerwiegende Komplikation (Infekt,neurovaskuläre Schädigung), die das Er-gebnis ungünstig beeinträchtigt hätte.

Evaluation

Die Dokumentation der Lebenqualitätwurde anhand des Gesundheitsfragebo-gens SF-36 (Short-Form 36) durchge-führt. Der SF-36 ist ein Gesundheitsfra-gebogen, der im Rahmen der “MedicalOutcomes Study” (MOS) am “New Eng-land Medical Center” entwickelt wurde.Er erfaßt allgemeine Gesundheitskon-zepte, die für den Menschen unter-schiedlicher Alters-, Krankheits- oderBehandlungsgruppen wichtig sind (Ta-belle 1 ).

Es ergibt sich die Möglichkeit, denGesundheitszustand des Patienten ausseinem eigenen Blickwinkel zu erfassen.Standardisierte Antworten werden zustandardisierten Fragen ausgewertet,um psychometrische Aspekte in zufrie-denstellender und effizienter Weise zumessen. Dieser Fragebogen kann vonPersonen ab dem 14. Lebensjahr entwe-der selbst ausgefüllt oder durch Inter-viewer telefonisch oder direkt abgefragtwerden. In der vorliegenden Untersu-chung erfolgte die Beantwortung derFragen in Anwesenheit eines Untersu-chers durch die Patienten selber.Der Ge-sundheitsfragebogen beinhaltet 8 derwichtigsten Gesundheitskonzepte ausder MOS, welche jeweils aus 2–10 Itemsbestehen. Ein weiterer Punkt beschreibtdie Veränderungen der Gesundheit undist kein Bestandteil der anderen acht

Skalen. Im Rahmen dieser Arbeit findetdie ins Deutsche übersetzte und an einerrepräsentativen Stichprobe normierteVersion Verwendung [1].

Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung erfolgte mitdem TabellenkalkulationsprogrammExcel 97 von Microsoft und dem Stati-stikprogramm SPSS. Die Signifikanzbe-rechnungen wurde mit Hilfe des Wilco-xon-Tests durchgeführt.

Ergebnisse

Tabelle 2 zeigt die Mittelwerte mit Stan-dardabweichungen der Patienten imVergleich prä- zu postoperativ mitgleichzeitiger Darstellung der altersent-sprechenden Normwerte.

Die Ergebnisse des SF-36-Fragebo-gens zeigen in der Beurteilung der kör-perlichen Funktionsfähigkeit präopera-tiv durchschnittlich 14,7 (maximal 100)Punkte, wobei ein Patient 55 Punkte er-reicht. In der Verteilung der postoperati-ven Gruppe beträgt die Punktzahl bei53,8% der Patienten maximal 20% dererreichbaren Punkte, 23,1% erreichenüber 60 Prozentpunkte. Zum Zeitpunktder Nachuntersuchung erreichten 23,1%der Patienten 20-60 Punkte. Der Mittel-wert stiegt prä- zu postoperativ von14,69 auf 30,94 Punkte an, liegt aberdeutlich unter denen der Bevölkerungzwischen 61 und 70 Jahren mit 77,36Punkten(Tabelle 2 ).

Das Ergebnis der körperlichen Rol-lenfunktion zeigte bei 87,5% präopera-tiv und bei 75% der Patienten postopera-tiv 0 Punkte; 7,7% erreichten postopera-tiv 100 Punkte, wo hingegen kein Patientvor der Operation die volle Punktzahlaufwies (Tabelle 2 ). Zwischen den 2 Un-tersuchungen konnte der Wilcoxon-Testkeine Signifikanz auf dem 5-%-Niveaunachweisen. Der Durchschnittswert lagsowohl prä- als auch post- operativ deut-lich unter der Referenzgruppe (61–70Jahre alte Bevölkerung).

In dem Punkt der körperlichenSchmerzen kann hingegen eine signifi-kant positive Aussage getroffen werden.Während präoperativ kein Patient inder Beurteilung mehr als 50 Punkte er-langt, können postoperativ bei 30,8%der untersuchten Personen Werte über50 Punkte angegeben werden; 90–100Punkte erlangten postoperativ davon

| Der Unfallchirurg 5•2000372

Unfallchirurg2000 · 103:371-374 © Springer-Verlag 2000

23,1%. Auch wenn im Vergleich zurStandardbevölkerung dieses Alters post-operativ noch eine durchschnittlicheDifferenz von 29,84 Punkten besteht, isteine Verbesserung in diesem wichtigenPunkt von durchschnittlich 10,19 auf42,31 Punkte zu erkennen (Tabelle 2 ).

Die persönliche Gesundheitsein-schätzung des Patienten in bezug aufdie Gegenwart und Zukunft zeigt so-wohl prä- als auch postoperativ keinegrößere Differenz der Durchschnitts-werte zur Normbevölkerung als 17,2Punkte. Der Punktebereich beider Be-fragungen liegt überwiegend im 1. und2. Drittel – 93,6% der präoperativen und81,3% der postoperativen Werte. Es läßtsich keine signifikante Verbesserungbeim Zustand nach der Operation imBereich der allgemeinen Gesundheit er-kennen.

Bei der Vitalität liegen die erreich-ten Punktwerte vorwiegend im mittle-ren Bereich. So zeigen 75% der Patien-ten prä- und 68% der Patienten postope-

rativ Werte von 35–75 Punkten. Die Mit-telwerte zeigen einen Anstieg nach derOperation, liegen aber auch dann noch15 Punkte unter der 61–70 Jahre altenVergleichsbevölkerung (Tabelle 2 ). Miteinem p-Wert 0,2571 läßt sich keine Si-gnifikanz erfassen.

In der sozialen Funktionsfähigkeitist die Punktzahl breit verteilt. Die Mit-telwerte zeigen nur geringe Unterschie-de zu den verschiedenen Zeitpunkten(Tabelle 2 ). Sie liegen durchschnittlich32 Punkte unter dem Mittelwert der Ver-gleichsbevölkerung. Postoperativ konn-

Der Unfallchirurg 5•2000 | 373

Tabelle 1Parameter und Grundstruktur des SF-36

Konzepte Item- Anzahl Detaillierte Beschreibung der KonzepteAnzahl der Stufen

Körperliche Funktionsfähigkeit 10 21 Ausmaß, in dem der Gesundheitszustand bei körperlichen Aktivitäten wie Selbstversorgung, Gehen, Treppen Steigen, Bücken, Heben und mittelschweren oder anstrengenden Tätigkeiten eingeschränkt ist

Körperliche Rollenfunktion 4 5 Ausmaß, in dem der körperliche Gesundheitszustand die Arbeit oder andere tägliche Aktivitäten beeinträchtigt, z.B. weniger schaffen als gewöhnlich,Einschränkungen in der Art den Aktivitäten oder Schwierigkeiten bestimmte Aktivitäten auszuführen

Körperliche Schmerzen 2 11 Ausmaß an Schmerzen und Einfluß der Schmerzen auf die normale Arbeit,sowohl im als auch außerhalb des Hauses

Allgemeine Gesundheit 5 21 Persönliche Beurteilung der Gesundheit, einschließlich aktueller Gesundheitszustand, zukünftige Erwartungen und Widerstandsfähigkeit gegenüber Erkrankungen

Vitalität 4 21 Sich energiegeladen und voller Schwung fühlen versus müde und erschöpft.

Soziale Funktionsfähigkeit 2 9 Ausmaß, in dem die körperliche Gesundheit oder emotionale Probleme normale soziale Aktivitäten beeinträchtigen

Emotionale Rollenfunktion 3 4 Ausmaß, in dem emotionale Probleme die Arbeit oder andere tägliche Aktivitäten beeinträchtigen; u.a. weniger Zeit aufbringen, weniger schaffenund nicht so sorgfältig wie üblich arbeiten

Psychisches Wohlbefinden 5 26 Allgemeine psychische Gesundheit, einschließlich Depression, Angst,emotionale und verhaltensbezogene Kontrolle, allgemeine positive Gestimmtheit

Veränderung der Gesundheit 1 5 Beurteilung des aktuellen Gesundheitszustandes im Vergleich zum vergangenen Jahr

Tabelle 2Mittelwerte und Standardabweichungen der SF-36-Paramter im Unter-suchungskollektiv prä- und postoperativ sowie in einem altersentsprechendenVergleichskollektiv

Konzept Präoperativ Postoperativ p-Wert Standardpopulation

Körperliche Funktionsfähigkeit 14,69±17,84 30,94±26,22 0,0616 77,36±23,17Körperliche Rollenfunktion 7,81±21,83 17,19±32,56 0,2785 74,39±35,32Körperliche Schmerzen 10,19±15,33 42,31±39,14 0,0052 72,15±27,81Allgemeine Gesundheit 42,25±20,08 48,50±21,83 0,2043 59,45±18,70Vitalität 40,31±17,93 46,56±22,34 0,2571 61,58±18,79Soziale Funktionsfähigkeit 52,34±28,95 57,03±39,26 0,5602 86,57±19,61Emotionale Rollenfunktion 56,25±43,41 62,5±40,14 0,6049 90,06±24,93Psychisches Wohlbefinden 55,25±18,43 68,00±16,46 0,0476 76,14±17,06

Originalien

ten 31% der Patienten die volle Punkt-zahl erreichen, während vor der Opera-tion nur bei 13% der Personen 100 Punk-te zu vergeben waren. Statistische Signi-fikanzen können auch in diesem Faktornicht nachgewiesen werden.

Die Beurteilung der emotionalenRollenfunktion ergibt bei 63% der Pati-enten Werte von 66 Punkten und mehr.Postoperativ sind es sogar 75% der Pro-banden (Tabelle 2 ). Die Mittelwerte zei-gen mit 6,25 Punkten kaum Verbesse-rungen und auch statistische Signifi-kanzen lassen sich nicht nachweisen.Das Gesamtergebnis liegt unter denMittelwerten der 61- bis 70jährigen Be-völkerung.

Der Untersuchungspunkt des psy-chischen Wohlbefindens zeigt mit ei-nem p-Wert 0,0476 eine signifikanteVerbesserung durch die Implantation(Tabelle 2 ). Mit 68 Punkten postopera-tiv liegen die Mittelwerte 8,14 Punkteunter denen der Vergleichsbevölke-rung. Dabei befinden sich bei 81% derPatienten die Werte präoperativ zwi-schen 25 und 75 Punkten, postoperativfinden sich diese 81% der Patienten bei50–95 Punkten wieder. Kein Patientzeigt zum Zeitpunkt der Nachuntersu-chung eine Punktzahl von 0–30.

Diskussion

Schon in den 80er Jahren wurde daraufhingewiesen, daß nach Implantation ei-ner Knieendoprothese die Funktion undSchmerzlinderung bereits im Kurzzeit-verlauf zufriedenstellend sind [2]. Imweiteren wiesen verschiedene Arbeits-gruppen [3, 9–11] auf wesentliche Ver-besserungen in der allgemeinen Lebens-qualität hin. McGuigan et al. [8] sowieRitter et al. [11] fanden in allen Kategori-en außer der persönlichen Gesundheits-einschätzung Verbesserungen bei Pati-enten mit einer primären Hüft- oderKnietotalendoprothese.

Die Ergebnisse der vorliegendenUntersuchung belegen, daß die gesund-heitsbezogene Lebensqualität in denwichtigen Punkten „körperliche Schmer-zen“, „körperliche Funktionsfähigkeit“und „psychisches Wohlbefinden“ bereitsim kurzfristigen Verlauf eine signifikan-te Verbesserung durch die Implantationder Totalknieendoprothese erfährt. DieOperation hat zur Verbesserungen beiden Mittelwerten in allen Kategorienbeigetragen.

Die erreichten durchschnittlichenPunktzahlen des “SF-36 Health Survey”[1] liegen auch nach Implantation einerKnieendoprothese noch deutlich unterdenen einer 61- bis 70jährigen Normpo-pulation, wie dies auch schon von Rissa-nen et al. [10] mit anderen Beurteilungs-schemata für die Lebensqualität festge-stellt wurde.

Diese Mittelwertbetrachtung ent-spricht jedoch nicht immer dem indivi-duellen Ergebnis. So zeigten in der Ska-la „soziale Funktionsfähigkeit“ 44% derPatienten überdurchschnittliche Ergeb-nisse, bei der „emotionalen Rollenfunk-tion“ waren es 38% der Patienten und inder Skala „körperliche Schmerzen“ 31%der Patienten. Bei der „Vitalität“ hatten31% der Patienten bessere Ergebnisse alsdie Referenzgruppe, in der Skala „psy-chisches Wohlbefinden“ lagen 38% derPatienten höher. Diese Werte zeigen, daßPatienten nach der Implantation einerEndoprothese durchaus überdurch-schnittliche Ergebnisse in Teilbereichender gesundheitsabhängigen Lebensqua-lität erzielen können, auch wenn diesesnicht bei allen Patienten der Fall ist.

Die Beurteilung der sozialen Funk-tionsfähigkeit wird vor allem von densozialen Verhältnissen des Patienten be-einflußt. So werden Patienten, die sor-gende Angehörige um sich haben, weni-ger durch gesundheitliche Probleme inihrer sozialen Rolle beeinträchtigt. Dieswird auch in der Punktverteilung derKategorie deutlich; hier unterscheidensich die prä- und postoperativen Wertenur unwesentlich. Die Mittelwerte liegenpräoperativ bei 52,34 Punkten und post-operativ bei 57,03 Punkten.

Noch weitergehende Überlegungenunter Einbeziehung der Kosten wurdenvon Lavernia et al. [7] vorgestellt. Siekonnten in einer Kosten-zu-Nutzen-Ana-lyse unter Berücksichtigung des Lebens-qualitätsgewinns feststellen, daß die Im-plantation einer Knieendoprothese 7482US$ pro qualitätsangepaßtem Lebensjahr(„quality adjusted life year“) kostet.Dem-gegenüber kostet eine Hüftendoprothese8700 US$ und eine Zweigefäßbypassope-ration sogar 37.000 US$. Berücksichtigtman die Tatsache, daß 1 Jahr konservati-ver Betreuung bei fortgeschrittener Gon-arthrose von den Autoren für den nord-amerikanischen Raum mit 15.000–30.000US$ berechnet wurde,so erscheint der al-loarthroplastische Kniegelenkersatz auchunter diesem Gesichtspunkt ein durchaus

kosteneffektiver Eingriff zu sein. Ver-gleichbare Zahlen liegen für den deut-schen Sprachraum noch nicht vor.Es wä-re zwar zu erwarten, daß die absolutenZahlen hier niedriger liegen,die Relationzueinander wird sich wahrscheinlich inähnlicher Weise darstellen.

Fazit für die Praxis

Zusammenfassend ist festzustellen, daßdie Implantation einer Knieendoprothesezu einem deutlichen Gewinn in der Lebens-qualität des kranken Menschen führt.Unter Berücksichtigung der Angaben derLiteratur scheint dieser im Vergleich zuanderen operativen Verfahren mit einersehr günstigen Kosten-zu-Nutzen-Relationzu erreichen zu sein.

Literatur1. Bullinger M, Kirchberger I (1998) Der SF-36-

Fragebogen zum Gesundheitszustand.Handbuch für die deutschsprachige Frage-bogenversion. Hogreve, Göttingen

2. Hawker G,Wright J, Coyte P et al. (1988)Health-related quality of life after kneereplacement. J Bone Joint Surg 80:163–173

3. Hilding MB, Backbro B, Ryd L (1997)Quality of life after knee arthroplasty.Acta Orthop Scand 68:156–160

4. Jerosch J, Fuchs S, Heisel J (1997) Knie-endoprothetik – eine Standortbestim-mung. Dtsch Ärztebl 94:A449–455

5. Jerosch J, Heisel H (1998) Knieendoprothetik.Springer, Berlin Heidelberg New York

6. Knutson K, Lewold S, Robertsson O, Lidgren L.The Swedish knee arthroplasty register:a nation-wide study of 30.003 knees1976–1992. Acta Orthop Scand 65:375–386

7. Lavernia CJ, Gachupin-Garcia A, Hernández RA,Hernández L. (1998) Cost-effectiveness andquality of life in knee arthroplasty sur-gery: 1-year follow-up. 65th Annual MeetingAAOS, 19.–23.3.1998, New Orleans, USA

8. McGuigan FX, Hozack WJ, Moriarty L, Eng K,Rothman RH (1995) Predicting quality of life outcomes following total joint arthroplasty. J Arthroplast 10:742–747

9. Norman-Taylor FH, Palmer CR,Villar RN (1996)Quality of life improvement compared after hip and knee replacement.J Bone Joint Surg 78:74–77

10. Rissanen P, Aro S, Slatis P, Sintonen H,Paavolainen P (1995) Health and quality of life before and after hip or knee arthroplasty. J Arthroplast 10:169–175

11. Ritter MA, Albohrn MJ, Keating EM, Faris PM,Meding JB (1995) Comparative outcomes of total joint arthroplasty. J Arthroplast10:737–741

| Der Unfallchirurg 5•2000374