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Leichen im Keller Die Finanzpolitik des Vatikans ist in fast unglaublicher Weise in internationale Betrugsaffären, in Mord und Totschlag verwickelt. Der WDR (Fernsehen, Redaktion Wirtschafts- und Sozialpolitik) sendete am 8.12.1991 kurz vor Mit- ternacht im ARD-Programm einen 45-Minuten-Film unter dem Titel In nomine patris - im Namen des Papstes. Von Bankrotteuren, Betrügern und Banditen. Die Autoren Heribert Blondiau und Ekkehard Sieker waren um die halbe Welt gereist, um Licht in das Dunkel der italo-vatikanischen Finanztrei- bereien zu bringen. Die Süddeutsche Zeitung schrieb am Tag nach dem Film: "Die Reportage, zu später Stunde ins Programm genommen, gehörte zu jener Sorte von Christenlehre, auf die der gute, an Rom nur widerwillig zweifelnde Katholik mit fassungslosen Halbsätzen wie diesem reagiert: Also, wenn das alles wirklich stimmt.... "Das alles" heißt in diesem Fall...: Daß die Vatikanbank an den Durchsteche- reien des Mailänder Bankiers Roberto Calvi maßgeblich und wissentlich beteiligt war; daß der Vatikan dessen Ermordung guthieß, wenn nicht sogar förderte; daß der Hauptzeuge, wenn nicht Hauptschul- dige, nämlich Erzbischof Marcinkus, von seinem Dienstherrn der italienischen Justiz vorenthalten wurde und wird. Eine grausige, schreckliche Geschichte, und nicht von ungefähr klang das der Vati- kanbank eigene Kürzel I.O.R. (für Instituto per le opere di religione) he i jeder neuerlichen Erwähnung wie der Deckname eines Gaunerkartells - das Jorr..." Wir geben den Text der WDR-Sendung hier unge- kürzt wieder, auch mit den sendetechnischen Hin- weisen. (Red.) Freitagmorgen, 18. Juni 1982 - in der Londoner In- nenstadt beginnt ein diesiger Sommertag. Das ist die Black-Friars-Bridge. Die "Brücke der schwarzen Mönche" hat ihren Namen nach einem Augustiner-Kloster in der Nähe. Am gleichen Tag noch wird die Black-Friars die Aufmerksamkeit der Welt auf sich ziehen. Vor knapp drei Tagen ist der Bankenchef Roberto Calvi in London angekommen. Hier will er einen letzten Versuch unternehmen, seine Bank, die Mai- länder Banco Ambrosiano, zu retten. Sie steht vor dem Bankrott. Im Morgengrauen des 18. Juni macht ein Passant an dieser Brücke einen grausigen Fund. Einen Mann, aufgeknüpft mit einem Seil. Der Tote ist Roberto Calvi. Wenige Tage später wollte er in einem Banken-Prozeß aussagen. O-TON: Interviewer, Übersetzung "Wer konnte ein Interesse am Tode ihres Mannes haben?" O-TON: Clara Calvi, Witwe, Übersetzung "Das waren mit Sicherheit die Priester des Vatikans. Das hatte Roberto uns schon vorher gesagt. Jeman- den umzubringen, ist für sie keine Sünde, so sagten sie es ihm, sie würden ja nur eine Seele aus dem Körper befreien. 'Und dann ziehen wir uns in unsere Festung zurück, und kommen erst wieder heraus, wenn alles vorbei ist.' Dochdann ist alles anders ge- kommen, weil wir, die Familie, immer dafür gearbei- tet haben, die Wahrheit ans Licht zu bringen." Gerichtstag in Mailand, Oktober 1991. In diesem Gerichtssaal geht es um die Wahrheit. Mit Roberto Calvis Tod war auch seine Banco Ambrosi- ano am Ende. Jetzt ist Prozeßtag. Das Verfahren über 14 forum nr 139

Leichen im Keller - forum.lu · 12.08.1991  · 14 forum nr 139. den betrügerischen Bankrott der Calvi-Bank, ehemals größte Privatbank Italiens, geht in die letzte Runde. In den

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Page 1: Leichen im Keller - forum.lu · 12.08.1991  · 14 forum nr 139. den betrügerischen Bankrott der Calvi-Bank, ehemals größte Privatbank Italiens, geht in die letzte Runde. In den

Leichen im KellerDie Finanzpolitik des Vatikans ist in fast unglaublicher Weise in

internationale Betrugsaffären, in Mord und Totschlag verwickelt.

Der WDR (Fernsehen, Redaktion Wirtschafts- und Sozialpolitik) sendete am 8.12.1991 kurz vor Mit-ternacht im ARD-Programm einen 45-Minuten-Film unter dem Titel In nomine patris - im Namen desPapstes. Von Bankrotteuren, Betrügern und Banditen. Die Autoren Heribert Blondiau und EkkehardSieker waren um die halbe Welt gereist, um Licht in das Dunkel der italo-vatikanischen Finanztrei-bereien zu bringen. Die Süddeutsche Zeitung schrieb am Tag nach dem Film: "Die Reportage, zu späterStunde ins Programm genommen, gehörte zu jener Sorte von Christenlehre, auf die der gute, an Romnur widerwillig zweifelnde Katholik mit fassungslosen Halbsätzen wie diesem reagiert: Also, wenn dasalles wirklich stimmt.... "Das alles" heißt in diesem Fall...: Daß die Vatikanbank an den Durchsteche-reien des Mailänder Bankiers Roberto Calvi maßgeblich und wissentlich beteiligt war; daß der Vatikandessen Ermordung guthieß, wenn nicht sogar förderte; daß der Hauptzeuge, wenn nicht Hauptschul-dige, nämlich Erzbischof Marcinkus, von seinem Dienstherrn der italienischen Justiz vorenthaltenwurde und wird. Eine grausige, schreckliche Geschichte, und nicht von ungefähr klang das der Vati-kanbank eigene Kürzel I.O.R. (für Instituto per le opere di religione) he i jeder neuerlichen Erwähnungwie der Deckname eines Gaunerkartells - das Jorr..."

Wir geben den Text der WDR-Sendung hier unge-kürzt wieder, auch mit den sendetechnischen Hin-weisen. (Red.)

Freitagmorgen, 18. Juni 1982 - in der Londoner In-nenstadt beginnt ein diesiger Sommertag.

Das ist die Black-Friars-Bridge. Die "Brücke derschwarzen Mönche" hat ihren Namen nach einemAugustiner-Kloster in der Nähe. Am gleichen Tagnoch wird die Black-Friars die Aufmerksamkeit derWelt auf sich ziehen.

Vor knapp drei Tagen ist der Bankenchef RobertoCalvi in London angekommen. Hier will er einenletzten Versuch unternehmen, seine Bank, die Mai-länder Banco Ambrosiano, zu retten. Sie steht vordem Bankrott.

Im Morgengrauen des 18. Juni macht ein Passant andieser Brücke einen grausigen Fund.

Einen Mann, aufgeknüpft mit einem Seil. Der Toteist Roberto Calvi. Wenige Tage später wollte er ineinem Banken-Prozeß aussagen.

O-TON: Interviewer, Übersetzung

"Wer konnte ein Interesse am Tode ihres Manneshaben?"

O-TON: Clara Calvi, Witwe, Übersetzung

"Das waren mit Sicherheit die Priester des Vatikans.Das hatte Roberto uns schon vorher gesagt. Jeman-den umzubringen, ist für sie keine Sünde, so sagtensie es ihm, sie würden ja nur eine Seele aus demKörper befreien. 'Und dann ziehen wir uns in unsereFestung zurück, und kommen erst wieder heraus,wenn alles vorbei ist.' Dochdann ist alles anders ge-kommen, weil wir, die Familie, immer dafür gearbei-tet haben, die Wahrheit ans Licht zu bringen."

Gerichtstag in Mailand, Oktober 1991.

In diesem Gerichtssaal geht es um die Wahrheit. MitRoberto Calvis Tod war auch seine Banco Ambrosi-ano am Ende. Jetzt ist Prozeßtag. Das Verfahren über

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den betrügerischen Bankrott der Calvi -Bank,ehemals größte Privatbank Italiens, geht in die letzteRunde.

In den Bankrott der Banco Ambrosiano ist auch dasInstitut für die religiösen Werke, also die Vatikan-bank, verwickelt.

Dieser Prozeß durfte nie so stattfinden, wie er sollte.37 Personen sind angeklagt, sich am Bankencrash be-reichert oder ihn durch illegale Geldmanipulationenherbeigeführt zu haben. Die Hauptverantwortlichenaber sind nicht dabei. Entweder sind sie tot - wie derChef der Banco Ambrosiano, Roberto Calvi - odertabu, wie die Direktoren der Vatikanbank samt ihremPräsidenten, Monsignore Paul Marcinkus.

Ins Rollen kommt die Sache im August 1982. Als derchrist-demokratische Schatzminister Andreatta dieBanco Ambrosiano schließen läßt, entdecken diestaatlichen Prüfer ein Riesenloch in den Bilanzen:über 1,3 Milliarden US-Dollar fehlen.

Im Laufe der Ermittlungen wird klar: Vatikanbankund Banco Ambrosiano sind nicht nur finanziell undpersonell miteinander verquickt, beide Bankenhaben auch höchst dubiose Geschäfte gemeinsamgemacht.

Noch nicht klar ist 1982: Wer sind die Drahtzieherund wer die Nutznießer der Finanzmanöver? AmEnde fehlen die schon genannten 1,3 MilliardenDollar - ein hinreichendes Motiv für Selbstmord -aber auch für einen Mord an Bankenchef RobertoCalvi. So viele Fragen und so wenige Antworten.

O-TON: LuigiDell-Osso, Staatsanwalt, Übersetzung

"A uf Calvi mußten wir vonAnfang an verzichten, weiler zuerst als verschwunden galt und dann tot inLondon aufgefunden wurde. Was hingegen die Di-rektoren und den Präsidenten der Vatikanbank,Monsignore Marcinkus, betrifft, so hatte ich imRahmen der Untersuchungen gegen sie Haftbefehleerlassen. Dem hat das oberste Kassationsgericht Ita-liens wegen der vatikanischen Immunität widerspro-chen, so daß diese Angeklagten aus dem Verfahrenausgeschieden sind."

OFF-TON: Dell-Osso, Übersetzung

"Vor kurzem habe ich dann noch einen weiterenVersuch unternommen, Bankenchef Marcinkus unddie Direktoren der Vatikanbank nun nicht mehr alsAngeklagte, sondern als Zeugen zu vernehmen, umihre Worte und ihre Version des Bankencrashs zuhören. Doch auch diese Vernehmung konnte nichtstattfinden, weil das Gericht in Mailand befundenhat, daß die Entscheidung des Kassationsgerichtesauch für eine etwaige Zeugenvernehmung gelte. EineZuständigkeit der italienischen Justiz für die Vati-kanbank gibt es mithin nicht.

So konnte es passieren, daß die Direktoren der Vati-kanbank und Monsignore Marcinkus nie vor Gerichterschienen sind - trotz Haftbefehl. Die irdische Justizhat die Mauern des Vatikans nie überwunden, undder Vatikan hat die Immunität seiner Angeklagtennie aufgehoben. Warum nur dieser Mangel an Selbst-aufklärung, warum dieses Schweigen?"

Auch uns gelingt es nicht, mit dein Vatikan über denBankencrash zu reden. Einzige Reaktion: "Kein ge-eigneter Ansprechpartern für die ARD im Vatikan."

Monsignore Marcinkus und Roberto Calvi, nicht nurPartner bei einem Pokal, auch ideale Partner im Ban-kengeschäft. Beide nutzen die Nähe zum Papst, denMarcinkus nicht nur auf seinen Reisen schützt undstützt. In kritischen Situationen kann er auch vonWoytila eine helfende Hand erwarten - und er hat siebekommen.

O-TON:Rudolf Schermann, Katholischer Pfarrerund Herausgeber von "Kirche intern"

"Vor allem werfe ich dem Vatikan vor, daß eine In-stitution, und der Vatikan vertritt die Institution, dieder Wahrheit verpflichtet ist, daß diese Institutionnicht fähig ist, Transparenz zu schaffen, Schuld ein-zubekennen, so wie es verlangt wird von einem jedenChristen. Man darf ja nicht vergessen, daß hier ganzschwere Vorwürfe im Raum stehen, und zwar geht eshier nicht nur um Betrug, es geht nicht nur darum,daß hier Marcinkus zum Beispiel per Haftbefehlgesucht wurde, sondern es geht auch um Mordver-dacht im Fall Calvi. Und eben deshalb wäre es not-wendig gewesen, daß der Vatikan ganz einfach selbervorangeht und diesen Fall aufdeckt oder dazu hilft,daß er aufgedeckt wird. Schon das allein, daß manMarcinkus gedeckt hat, und zwar, muß ich sagen, vonoben bis hinunter im Vatikan, zeigt, daß hier irgendetwas nicht in Ordnung ist. Das verstärkt nur denVerdacht, daß Leichen, buchstäblich Leichen imKeller sind. Und eben deshalb glaube ich, daß dasauch der Glaubwürdigkeit der Kirche auch weiterhinschaden wird. Solange, solange man nicht fähig ist,vielleicht Marcinkus noch zu überreden, daß er sichdem Gericht stellt."

Aber das ist nicht zu erwarten.

Dennoch möchten wir in diesem Film drei Dingeklären. Wer hat Schuld am Milliardenloch der Mai-länder Bank, und wer hat davon profitiert? Undbeging der Präsident dieser Bank, Roberto Calvi,wegen des drohenden Bankrotts Selbstmord oderbrachten ihn etwa Killer zum Schweigen?

Der berühmte Tote ist jetzt seit neun Jahren ein Fallfür die Londoner City Police. Commander Moorefaßt für uns den Stand der Ermittlungen zusammen.

O-TON: Commander Hugh Moore, London CityPolice, Übersetzung

"Herr Calvi starb im Juni 1982. Er wurde von einerPrivatperson aufgefunden, die dann die Polizeianrief. Mit einem Strick um den Hals hing er an einemGerüst in der Themse unter der Black-Friars-Bridge.Der Leichnam wurde von einem führenden engli-schen Pathologen untersucht u nd später dann nochvon medizinischen Experten, die von italienischenBehörden benannt wurden. Sie alle kamen zum demErgebnis: Der Tod trat durch Erhängen ein. Es gabkeine weiteren Spuren von Gewalteinwirkung amKörper, außer den Abdrücken am Hals, die von demSeil stammten. Es gab auch keinen Hinweis aufDrogen oder Tabletteneinnahme. So deuteten diemedizinischen Untersuchungen und die Ergebnisseauf Selbstmord hin.

Vatikanbankund BancoAmbrosianosind nicht nurfinanziell undpersonellmiteinanderverquickt,beide Bankenhaben auchhöchstdubioseGeschäftegemeinsamgemacht.

november 1992 15

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Es war wieein Spiel an

mehrerenTischen, andenen Calvi

setzte undMarcinkus

die Bank hielt- und diegewann.

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Man fand Mauersteine in seinen Anzugtaschen - of-fensichtlich, um das Gewicht des Körpers beim Er-hängen zu vergrößern. Seit etwa zehn Jahren unter-sucht die Polizei hier nun diesen Fall - und wir fandennie einen Zeugen, der Calvi sterben sah. Es gibt auchkeinen Abschiedsbrief. Nach englischem Recht un-tersucht ein Richter in solchen Fällen, ob es einUnfall, Selbstmord oder Mord war. Im Fall Calvi ließdas endgültige Urteil die Todesursache offen."

O-TON: Paul Terzeon, Anwalt der Calvi-Familie,Übersetzung

"Es liegt auf der Hand, und es ist vom ganzen Ablaufder Tat her völlig unwahrscheinlich, daß es sich umSelbstmord handelt. Wenn Roberto Calvi sich wirk-lich hätte umbringen wollen, hätte er sich doch amGerüst direkt vor seinem Hotelfenster erhängenkönnen; oder - eine Überdosis von Tabletten oderanderen Medikamenten schlucken können, die er jareichlich bei sich führte.

Ein anderes Problem ist, das Gerüst unter der Black-Friars-Bridge überhaupt zu finden. Fast unmöglichfür jemanden, der es nicht schon vorher weiß, daß es

sich dort befindet. Und wenn er es dann doch gefun-den haben sollte, wäre es ungeheuer schwer für ihngewesen, sich am Gerüst entlang zu hangeln, und

zwar ohne dabei Rostspuren an Händen und Klei-dung zu hinterlassen.

Es wurden aber nirgendwo derartige Spuren gefun-den. Und Fachleute haben mir gesagt, daß selbst dasWasser der Themse diese Spuren nicht völlig hättewegspülen können.

wir wollen, daß diese Geschichte mit einem Akt derGerechtigkeit aufhört und nicht mit dem schändli-chen Selbstmord eines Bankiers, der Bankrott gegan-gen ist. Er war nämlich keineswegs von einem Bank-rott bedroht."

Zurück nach Mailand.

Was war es denn nun: Selbstmord oder Mord? Wares ein Bankrott oder doch keiner? Wo viel Licht, istauch viel Schatten. Unter der grandiosen Kuppel der

Mailänder Galerie wirkt beides eher schillernd. DiesePrachtstraße ist ein Sinnbild für Legende und Luxusdes nord-italienischen Finanzkapitals. Haben sichhier Revierkämpfe im Bankenmilieu abgespielt, beidenen Calvi dann auf der Strecke blieb?

Wir wissen: Der Bankier Gottes - wie Calvi auch hieß- hatte mächtige Freunde, aber auch potente Feinde.Zuletzt wurden auch Freunde seine Feinde. Motive

genug für Selbstmord oder Mord. Aber sortieren wirdie Fakten, zuerst den Bankenkollaps.

Banco Ambrosiano. 1in August 1982 - Calvi istbereits tot - schließt der italienische SchatzmeisterNino Andreatta diese Bank. Er sieht sofort die Ver-antwortung der Vatikanbank - und sprichtvon "heim-tückischer Verschwörung".

Er meint den Verschwörer Roberto Calvi, dem derAbglanz von St. Peter fast unbegrenzte Kreditwür-digkeit verschaffte.

Und den Verschwörer Vatikanbankchef Marcinkus,der seinen Partner Calvi mit wirksamen Scheingaran-tien ausstattete.

Darüber hinaus hätte er ja auch noch mit den Steinenin den Anzugtaschen oder sogar in der Hand amGerüst entlang klettern müssen. Und das ist nun wirk-lich ziemlich unwahrscheinlich, wenn man bedenkt,daß Calvi auch noch gleichzeitig den Strick amGerüst anknoten mußte, um sich zu erhängen. Also,meiner Ansicht nach spricht all dies gegen die Selbst-mordthese."

Wir sind auf dem Weg nach Canada. Anwalt PaulTerzean, der für die Calvi-Familie in London Mate-rial für einen Mord-Prozeß sammelt, hat uns weitervermittelt. In Montreal erwarten uns Sohn und Gattindes toten Bankiers, die von Amerika aus versuchen,Licht ins Dunkel der Geschichte zu bringen. Vonihnen werden wir wichtige Dokumente erhalten, dieCalvis werden uns ihre Motive und Erinnerungenpreisgeben und vor allem: ihre Sicht der Dinge erläu-tern.

OFF-TON: Clara Calvi, Übersetzung

"Roberto hatte bis zum Schluß versucht, sich dieSchulden bezahlen zu lassen, die der Vatikan bei ihm,bei der Banco Ambrosiano, hatte. Doch die Priesterwollten davon nichts wissen und bedrohten ihn mitdem Tode."

O-TON: Clara Calvi, Übersetzung

"Es gab einfach zu viele Personen, die ihn ausschal-ten wollten und die seitdem immer wieder versuchthaben, Beweise zu verstecken. Wir wissen hingegenmit Bestimmtheit, daß Roberto umgebracht wordenist. Und wir haben seitdem keine Ruhe gegeben, weil

Zum Beispiel mit diesem sogenannten Pa tronage-brief. Hier bestätigt die Vatikanbank ihr Eigentum an

Firmen, für die Calvi über die Banco Ambrosiano aufinternationalen Finanzmärkten Gelder besorgte.

Ein Punkt, der vor den Mailänder Richtern nicht ver-handelt werden wird - wegen der Abwesenheit desvatikanischen Briefeschreibers. Mit Hilfe des Patro-nagebriefes kassiert Calvi Kredite - andere Sicher-heiten sind nicht nötig. Der Vatikan ist Sicherheitgenug. Marcinkus erhält das meiste Geld davon, di-stanziert sich später von seinem Brief, und Calvibleibt alleiniger Schuldner. Die Garantie des Vati-kans war eben nur Schein. Geschä fte zweier Spitzen-bankiers.

0-TON: Nino Andreatta, Ex-Schatzmeister, Überset-zung

"Sowohl die Banco Ambrosiano als auch die Vati-kanbank IOR waren unter der absoluten Kontrollenur jeweils einer Person. Ich sprach mit einem Kar-dinal, der im Aufsichtsrat der IOR saß, und der sagtemir, daß die Bilanzen der IOR nur kurz verteiltwurden, um dann gleich wieder eingezogen zuwerden. Es war also diesen nur theologisch vorgebil-deten Männern nicht möglich, das Material voneinem befreundeten Experten prüfen zu lassen. Aberselbst wenn die Bücher von der Staatsbank ange-schaut worden wären, wäre kaum damit zu rechnengewesen, daß jeman4 der nicht den ganzen Kreislaufder Schwindelfirmen kannte, den Betrug hätte auf-decken können."

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Die Wege des Herrn sind oft unerforschlich, heißt es,und man kann hinzufügen: die des Geldes nichtminder. Im Fall der Banco Ambrosiano sahen dieWege so aus: Calvi sammelt mit Hilfe des Patrona-gebriefes Kredite ein, und leitete die Gelder zu seinenTochterfirmen auf den Bahamas, in Peru und Nica-ragua. Traf das Geld dort doch in Strömen ein,verrann es von hier aus in kleine Bächlein zu Dutzen-den von Briefkastenfirmen. Viele dieser Scheinfir-men waren im Besitz der Vatikanbank. Bei diesenManövern standen zudem immer drei Gesellschaftenim Hintergrund: Manic und Zitropo in Luxemburgund United Trading Corporation in Panama.

Eigentümer war auch hier der Vatikan. Es war wieein Spiel an mehreren Tischen, an denen Calvi setzteund Marcinkus die Bank hielt - und die gewann. Dassind auch die Erkenntnisse der Mailänder Staatsan-waltschaft in ihrer mehr als tausendseitigen Ankla-geschrift, die italienische Journalisten ausgewertethaben.

O-TON: Leo Sisti, Publizist, Übersetzung

"viele, viele Leute haben aus diesem Kreislauf desGeldes ihren Gewinn gezogen, der sich dann in dengrößten Bankenskandal des Nachkriegsitaliens ver-wandelt hatte. Zu allererst das IOR, das Institut fürreligiöse Werke. Der Präsident des IOR, Marcinkus,hat aus dieser Situation einen klaren Gewinngezogen. Einige der am Schwindel beteiligtenFirmen waren im Besitz des Vatikans. Das IOR mußtedann später auch offiziell den Besitz einiger Dutzenddieser Schwindelfirmen anerkennen. Es ist folglichnur konsequent anzunehmen, daß die Vatikanbanküber die Aktivitäten dieser Firmen auf dem Laufen-den war. Das Besondere dieser Firmen war nun, daßsie im Einzelfall hunderte von Millionen Dollars er-hielten, ohne dafür auf der Gegenseite irgendein Ver-mögen als bankliche Garantie vorweisen zu können- wobei es aber interessanterweise immer die BancoAmbrosiano war, die die Gelder über ihre Tochter-firmen auslieh."

Im Dunkeln bleibt, wieso sich Calvi auf diese Finanz-operation einließ, deren fast alleiniger Nutznießer dieVatikanbank, und somit der Papst, waren. Klardagegen ist, daß auch Roberto Calvi bei diesen oftkriminellen Geldschieberen nicht nur mitverdienthat, sondern auch in ein heikles Abhängigkeitsver-hältnis zu Marcinkus kam, das dem MailänderBankier später zum Verhängnis werden sollte.

Auch diese vertrauliche Übersicht der Liquidatorenbestätigt die ominöse Umleitung der Geldströme.Calvis Ambrosiano-Gruppe überweist Gelder anFirmen, die im Besitz des IOR - also der Vatikanbank- sind oder von dieser kontrolliert werden. Darunterauch die schon erwähnten Gesellschaften Manic undZitropo. Nach dieser Aufstellung schuldet die Vati-kanbank der Banco-Ambrosiano-Gruppe insgesamt1,3 Milliarden US-Dollar. Genau die Summe, die dasbereits erwähnte Defizit der Banco Ambrosiano aus-machte.

Der Vatikan und seine Bank - traditionell gut be-schützt - gehen später aus der Deckung. Zwar lehnensie jede Verantwortung am Bankrott der Banco Am-brosiano ab, unterschreiben aber dann doch einenVertrag mit den Groß-Gläubigern: Einmal zahlen sie

"freiwillig" - wie sie es nennen - einen Betrag von250 Millionen Dollar und rücken dann etwas heraus,was sie angeblich nie besessen haben.

O-TON: Giovanni Lucente, Anwalt der Gläubiger-banken, Übersetzung

"Charakteristisch für diesen Vertrag ist der ArtikelEins Null Fünf. In ihm wurde das IOR verpflichtet,die Aktienpakete einer Reihe von Gesellschaften andie Banken zu übergeben. Diese Gesellschaften be-fanden sich ganz offensichtlich unter vatikanischerKontrolle. Das waren die Zitropo, die Manic, dieUnited Trading Corporation und die Banco Ambro-siano Holding in Luxemburg. Das IOR hat es bei denVerhandlungen stets abgeleugnet, die Kontrolle überirgendeine dieser Gesellschaften zu haben, die zumZusammenbruch der Ambrosiano-Bank beigetragenhaben. Aber es sind nun einmal die Tatsachen, diezählen, und das IOR übergab die vollständigen Ak-tienpakete der betroffenen Gesellschaften an dieBanken. Dies war die Grundbedingung im Vertragzwischen dem IOR und den Banken."

Das Herausrücken dieser Aktien machte einem end-gültig klar: Haupteigentümer des Scheinfirmen-Im-periums war der Vatikan. Was aber auf den erstenBlick wie eine Niederlage aussieht, ist in Wahrheitein neuer Coup: Denn für 250 Millionen Dollar ver-zichten die Gläubigerbanken auf Prozesse gegen denKirchenstaat. Freikauf vom Aussaugen der BancoAmbrosiano - ein wirklich gut organisierter Bank-raub.

Zu den Angeklagten im Mailänder Prozeß gehörtauch der Geheimlogenchef Licio Gelli. Was weiß ervom Gang der Gelder?

Guy W. Stoos, in:d'Letzeburger Land

november 1992 17

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Warlies, in: Publik-Forum

O-TON: Licio Gelli, Übersetzung

"Die Bilanzen waren öffentlich. Ein jeder, der eshätte wissen wollen, konnte sehen, daß Marcinkus inder Banco Ambrosiano drinnen war. Doch wie undwo das Geld angelegt wurde, das wußten einzig Calviund seine Direktoren - und nicht Außenstehende. Ichkonnte nichts davon wissen. Ich erfuhr allenfalls vonseinen Vatikankontakten, wenn er in seinem Ärgerüber die Priester schimpfte. Ich erfuhr auch, daß esdie Patronatsbriefe gegeben hatte. Genauso bekanntwar mir, daß der Vatikan sehr viel Geld verdienthaben mußte, um danach in der Lage zu sein, 250Millionen Dollar zurückzugeben. Wie man weiß,nimmt die Kirche, aber sie gibt nicht. Das bedeutet:Wenn die Kirche in diesem Fall gegeben hat, dannmuß sie vorher enorm viel genommen haben."

O-TON: Interviewer, Übersetzung

"Ist das ihre Meinung?"

O-TON: Licio Gelli, Übersetzung

"Aber sicherlich. Das liegt doch auf der Hand. Wennüberhaupt, empfängt die Kirche Barmherzigkeit, siegibt sie aber nicht an andere."

Oder sie übt sie nur gegen sich selbst, zum Beispielwenn weltliche Haft droht. Dieser Haftbefehl wegenbetrügerischen Bankrotts gegen Bankenchef Erzbi-schof Marcinkus und andere Angehörige des Vati-kans wird nie vollstreckt. Ein Papier, das folgenlosbleibt.

Die Stühle für die Haupttäter im Mailänder Prozeßbleiben leer. Warum trägt der Vatikan nicht zur Auf-klärung bei und sorgt dafür, daß sich ein Erzbischofwie Marcinkus verantworten muß? Der Kirchenstaataber hält sich bedeckt und gibt sich gerade dadurcheine Blöße. Könnte es sein, daß sonst der Papst selbsthier erscheinen müßte? Unsere Geschichte ist wohldoch noch nicht zu Ende.

Die Priester des Kirchenstaates sind imm un. UndIOR-Chef Monsignore Marcinkus steht zusätzlichnoch unter besonderem Schutz des Papstes. Eineweltliche Anklage gegen diese Männer scheint chan-cenlos. Denn der Papst aus Polen schätzt die beson-deren Fähigkeiten seines Erzbischofs und weltkundi-gen Geldbeschaffers und weiß, weswegen er ihn

schützen läßt. Denn Marcinkus' stärkstes Pfund istseine Liebe zu den Dollars. Dabei ist der Papst selbstverantwortlich für seine Bank - nach weltlichem Er-messen ohnehin - aber auch nach den eigenen Be-stimmungen.

Das Statut des "Instituts für religiöse Werke" - das istdas IOR, also die Vatikanbank - nennt als entschei-dendes Gremium die fünfköpfige Kardinalskommis-sion, und die wiederum ernennt alleine der Papst. Siesoll alle Entscheidungen in der Bank überwachen,Kontrolle direkt also.

Hinzu kommt noch das ökonomische Interesse desPapstes an den Gewinnen seiner Bank. Einer Bank,deren Aufgabe es ist, so das katholische Magazin"Konzilium", Kapitalien zu verwalten, die ihr fürWerke der Religion und der christlichen Frömmig-keit anvertraut werden.

Eine noch immer aktuelle Untersuchung des römi-schen Priesters Giovanni Cereti über die Finanzendes Vatikans. Er fand heraus: Die Gewinne des IOR,also der Vatikanbank, gehen vollständig an denPapst.

O-TON: Giovanni Cereti, Übersetzung

"Es ist in der Tat so, daß die Gewinne dieser Bankdem Papst frei zur Verfügung stehen, sagen wir, fürdie Investitionen oder die Hilfen, die er an den ver-schiedenen Orten der Welt gewähren möchte."

Zum Beispiel Gelder für die polnische Gewerk-schaftsbewegung Solidarnosc. Allein Walesa erhältetliche Millionen Dollar. Die Finanzierung wickeltder Vatikan mit Hilfe von Marcinkus und Calvi meistüber deren Banken ab. Calvi selbst hat dies vorDritten geäußert.

Ein Zeuge laut Gerichtsprotokoll:

"Calvi sagte mir, daß erhebliche Finanzen zur Soli-darnosc geflossen seien, 100 Millionen Dollar insge-samt. Marcinkus habe für diese Operation die ge-meinsamen Firmen benutzt und dies alles gemacht,um gegenüber dem Papst etwas vorweisen zu können,weil dem viel an Polen lag."

O-TON: Licio Gelli, angeklagter Geschäftemacher,Übersetzer

"Ich erinnere mich, daß Calvi sagte, er müsse 80 Mil-lionen Dollar auftreiben, um eine Rechnung für So-liarnosc zu bezahlen und er befände sich etwas inSchwierigkeiten das Geld aufzutreiben. Aber imGrunde war es dann doch kein Problem für ihn."

Auch dieses geheime Dokument - eine Aufstellungdes Verwaltungsrates der Banco Ambrosiano - bestä-tigte den Finanztransfer nach Polen. Ohne Zinsensind es hier über 9 Millionen Dollar, die eine politi-sche Bank der Bank Calvis schuldet.

Die Geldverschiebungen zwischen Rom, Mailandund Warschau bleiben unentdeckt, und Calvi schießtweitere Kredite für die Priester vor. Die aber gehensofort auf Distanz, als der Mailänder Bankenchefwegen Devisenvergehens 1981 in Schwierigkeitenkommt. Die Freunde in Rom weigern sich, einen Teil

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Calvis Situ-ation wirdjetzt immerheikler.Als er sichnicht mehranders zuhelfen weiß,schreibt erDrohbriefe anden Vatikan.

der Verantwortung mitzutragen, obwohl Calvi siehänderingend darum bittet.

O-TON: Clara Calvi, Frau des Ermordeten, Über-setzung

"Roberto hat sie beschworen und immer wieder be-schworen, seit dem Februar 1981. Er erzählte, daßer sich vor dem Präsidenten den JOR, ErzbischofMarcinkus, und vor dem Generalsekretär der Bank,Luigi Mennini, weinend auf die Knie geworfen hat,damit sie ihre Schuld im Prozeß öffentlich anerken-nen. Aber sie haben ihn weggejagt und ihn mit demTode bedroht."

Calvis Situation wird jetzt inuner heikler. Als er sichnicht mehr anders zu helfen weiß, schreibt er Droh-briefe an den Vatikan. Zuerst an Kardinal Pietro Pa-lazzini, Präfekt für die Versammlung der Heiligen.Keine drei Wochen vor seinem Tod beklagt Calvi,daß die abgekühlten Beziehungen zwischen IOR undihm "die Kirche ins sichere Verderben stürzen"werden. Schließlich habe er viele Bestechungsgelderim Auftrag von Kardinälen verteilt und eine intensiveBankierstätigkeit im Interesse der vatikanischenPolitik in Lateinamerika und Polen ausgeübt.

Sechs Tage später versucht Calvi, den Papst selbst zuerpressen.

"Heiligkeit", schreibt der Bankier, "sie sind die letzteHoffnung".

Wieder verweist er auf seine Gelder tir Polen undbeschreibt die Katastrophe für die Kirche, wenn seineBank zusammenbreche. Geld habe man ihm geboten,wenn er - Calvi - rede.

"Aber ich lasse mich nicht erpressen und will es auchselber nicht tun";

schreibt er heuchelnd an Woytila, und dann bietet erdein Papst für dessen Hilfe seine bloßstellenden Do-kumente an.

Roberto Calvi hat jetzt noch 12 Tage zu leben.

Nun beginnt für Calvi eine Irrfahrt durch Europa -letzte Rettungsaktion vor dem Bankrott oder Fluchtvor der Macht der Kirche?

Im Wiener Hilton Hotel verabredet er sich mitLeopold Ledl, der bereits früher sehr zwielichtigeGeschäfte im Auftrage des Vatikans abgewickelthatte. Ledl verstand sich einmal als Finanzberater desVatikans.

O-TON: Interviewer

"Roberto Calvi ist ganz wenige Tage vor seinem Todhier in Wien und trifft Sie. Können Sie uns sagen, wiediese Begegnung abgelaufen ist, und was wollteCalvi von Ihnen?"

O-TON: Leopold Ledl, ehemaliger Finanzberaterund Buchautor

"Calvi ist hier gesessen, wo Sie sitzen, und ich binhier gesessen. An dieser Stelle haben wir gesprochen.Für mich war es sehr verwunderlich, daß Calvi michgefunden hatte. Ich hatte in der Zwischenzeit meinenNamen gewechselt, meine Adresse gewechselt,

meinen Beruf gewechselt. Aber er hat es zuwege ge-bracht und mich gefunden. Was war der Tenor seinerFrage? Er hat ja gewußt, daß ich im Auftrag des Va-tikans gearbeitet hatte, und auch einen Abganggehabt hatte, der nicht alltäglich gewesen ist. Für ihnist die Situation gekommen, die auch sehr, sehrschwierig geworden ist, und die Gasse wurde sehreng. Er hat sich an mich gewandt, weil er gewußt hat,daß ich Papiere habe über den Vatikan, die denVatikan, wenn sie an die Öffentlichkeit kommen, ingroße Schwierigkeiten bringen würden. Und er hateigentlich von meiner Seite wissen wollen, wie sichder Vatikan mir gegenüber verhalten hat, wie ichausgetreten bin. Ich habe ihm mitgeteilt, wie es war.Es war nicht sehr einfach. Man hat mir große Pro-bleme gemacht. Und in der Sache hat er zu mirgesagt: Marcinkus fordert meinen Kopf Leo.

- Soll man das ernst nehmen, ja oder nein? Und ichhab gesagt, ich würde es ernst nehmen. Der Vatikanmacht sicher in der Angelegenheit keine Scherze, vorallen Dingen, wenn es das Ansehen und die Glaub-würdigkeit des Vatikans erschüttern könnte."

Die letzte Etappe ist London. Ein Privatflugzeugwird gechartert und bringt Calvi mit gefälschten Pa-pieren von Innsbruck nach England. Um den Bankierist es einsam geworden, aber er ist nicht alleine - Be-wacher sind um ihn.

Da ist Flavio Carboni, ein windiger Geschäftema-cher mit Kontakten zur Mafia und zum Vatikan.Auch dabei: der Betrüger Vittor und - ohne Foto - derWaffenhändler Hans Kunz.

Das Londoner Bankenviertel. Calvi rechnet mit fi-nanzieller Hilfe von "sehr potenten Freunden", dochder Druck auf ihn wird immer stärker. Marcinkus hatneue Forderungen. Er will von Calvi 300 MillionDollar für den Gebrauch der Patronagebriefe kassie-ren - und zwar sofort.

Die letzten Nächte verbringt Calvi im Hotel ChelseaCloisters. Der Carboni-Clan überwacht ihn jetzt pau-senlos. Bis zu Calvis gewaltsamem Tod.

0-TON: Paul Terzean, Anwalt der Calvi-Familie,Übersetzung

"Nach meiner Ansicht und der Ansicht all jenerLeute, die sich jahrelang mit dem Tod Calvis be-schäftigt haben, wurde er ermordet. Ein Mord, dersehr raffiniert begangen wurde."

Ein Gericht kommt zu demselben Ergebnis. DiesesVideo, jetzt erstmalig gezeigt, wurde für italienischeZivilrichter hergestellt, die nach dein Tode vonRoberto Calvi die Ansprüche der Familie auf Aus-zahlung der Lebensversicherung zu entscheidenhatten. Detailgetreu berücksichtigten sie Zeit, Ortund Umstände des mysteriösen Falles. Zum Beispielmußte das Gerüst nachgebaut werden, an dem dieLeiche damals in der Themse hing - und sie engagier-ten einen Schauspieler von Gewicht und Statur destoten Calvi, um die möglichen Todesvarianten zu de-monstrieren.

Im Dezember 1988 fällt das Mailänder Zivilgerichtein eindeutiges Urteil: Es spricht der Witwe ClaraCalvi die fällige Versicherungssumme von 4 Milliar-

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MailänderRichter

untersuchenminutiös

Calvis Todund erklären -es war Mord.

den Lire zu - nach dein Kurs von 1982 und mit Zinsund Zinseszins sind das heute 11 Millionen DM. BeiSelbstmord hätte die Versicherung nicht zu zahlenbrauchen. Aber das Gericht stellt fest:

"Der Tod von Roberto Calvi ist die Folge einer vor-sätzlichen Gewalttat gegen ihn, die in einem Mordgipfelte."

Und die Mörder? Der erste Verdacht fällt auf CalvisBewacher, vor allem auf Carboni und Kunz.

O-TON: Paul Terzeon, Übersetzung

"Ich denke, beide spielten eine zentrale Rolle - vorallem Carboni, denn Calvi verbrachte seine letztenLebenstage zusammen mit Carboni in London. UndCarboni hat auch Calvis Reise durch Europa, ausge-hend von Italien und endend in England , organisiert.Und Kunz war verwickelt, weil er den Flug nachLondon organisiert hat. Organisiert für die beidenPassagiere Calvi und Vittor. Und es war auch Kunz,der nach dem Tod von Calvi für Carboni ein Flug-zeug organisierte, das ihn von Schottland insAusland brachte."

Und es war so eine Situation, als ob die Männer sichgestört fühlten, weil mein Freund und ich jetzt zufäl-lig auf sie trafen und mit ihnen im Fahrstuhl runter-fuhren. Roberto Calvi stand da - so mit der Hand amKopf - und starrte nach unten. Die beiden anderenMänner murmelten etwas auf Italienisch. Ein Freundvon uns, der im Erdgeschoß des Hotels lebte - seinName war Peter Burton - sagte uns später, daß ergesehen hätte, wie Calvi von den beiden Männerndurch die Hintertür des Hotels in einen großenWagen gebracht worden sei, der da schon an derStraße wartete."

Frage:

"Hatte Calvi, als Sie ihn trafen, einen Schnauzbart?Ja oder nein?

Antwort:

"Ja, aber ganz bestimmt hatte er einen Schnäuzer. Erhatte, glaube ich, einen silbergrauen Anzug an undeine sehr schöne Krawatte und einen Schal, der,glaube ich, blau war. Ja, aber auf jeden Fall hatte ereinen Schnauzbart."

Frage: Übersetzung

"Was sagte Carboni, wann er Calvi zum letzten Mallebend gesehen hat?"

Antwort:

"Carboni sagte, er sei gegen 11 Uhr nachts zumChelsea Cloisters gekommen, und zwar in derNacht,in der Calvi starb. Er wollte mit Calvi über eineandere Übernachtungsmöglichkeit in London reden.Und obwohl Carboni überhaupt nicht zu dieserStunde mit Calvi zusammentraf sagte er aus, Calvisei um 11 Uhr nachts in seinem Zimmer gewesen."

Was geschah wirklich in der Mordnacht im ChelseaCloisters? Der Carboni-Clan behauptet, Calviwarbis23 Uhr - also die ganze Zeit - auf seinem Zimmer.Und weiter sagt der Clan, über ein scheinbar neben-sächliches Detail: Calvi habe seinen Schnauzbartschon Tage vor seinem Tode abrasiert, aus welchemGrund auch immer. Doch eine Zeugenaussage über-führt ihn der Lüge.

O-TON: Jan Coomer-Dreyer, Zeuge, Übersetzung

"Ich saß hier mit einem Freund an jenem Abend u ndwir tranken und quatschten, als es an der Tür klopfte.Als ich öffnete, standen da zwei junge Männer, diesich auf italienisch entschuldigten und meinten, sieseien wohl im falschen Raum. Dabei guckten sie mirdauernd über die Schulter, als ob sie jemandensuchten. Plötzlich fragte mich einer, ob ich Italie-nisch könnte und ich sagte: nur ein bißchen. Wirwechselten noch ein paar Worte, und dann ver-schwanden sie auch wieder. Aber etwas später - ichwollte mit meinem Freund noch nach unten in dieHotelbar gehen - trafen wir am Fahrstuhl diesebeiden Männer wieder. Diesmal war noch ein dritterMann bei ihnen - es war Calvi. Das muß so gegenhalb zehn oder vielleicht auch 10 Uhr abendsgewesen sein. Calvi sah ziemlich unter Druck gesetztaus.

Als man die Leiche Calvis später aus der Themsezieht, ist sie ohne Schnäuzer. Offensichtlich hattenseine Mörder ihn abrasiert, um Calvis Identifizierungzu erschweren. Das Gerichtsvideo zeigt, wie Calvi injener Nacht gegen 2 Uhr umgebracht wurde. DieMörder transportieren ihr Opfer - wahrscheinlichbereits betäubt - vom Fluß her an das Gerüst. Sieknüpfen ein Seilende ans Gerüst, legen die Schlingeum Calvis Hals, heben seinen Körper aus dem Boot.Das Körpergewicht des Opfers zieht die Schlinge zuund erhängt es - die Nackenwirbel bleiben heil, undes gibt keine Spuren von fremder Gewalt. Alles sollwie Selbstmord aussehen.

Als die Polizei die Leiche morgens findet, sind dieTäter längst abgereist und der Carboni-Clan hatCalvis Tasche mit den für die Kirche so belastendenPapieren an sich gebracht.

Halten wir fest, was wir wissen: Mailänder Richteruntersuchen minutiös Calvis Tod und erklären - eswar Mord. Calvis Bewacher werden in zwei wichti-gen Aussagen durch einen Zeugen widerlegt. Undaußerdem steht fest - das ermittelte der italienischeGeheimdienst -, daß Flavio Carboni in diesen letztenTagen Calvis zweimal telefonischen Kontakt mitdem Vatikan hatte. Und das nächste Detail macht dieSache noch klarer.

Robert S. Clarke ist renommierter Rechtsanwalt inLondon. Für die Carboni-Leute organisierte er dengeheimen Flug Calvis und dessen Unterkunft inLondon.

Er war im Glauben, zwei Fiat-Direktoren bei einemSpitzengespräch behilflich zu sein, so hatte man esihm jedenfalls gesagt. Schriftlich teilte er uns jetztmit, was er nach Calvis Tod von Carbonis FreundKunz erfuhr: Flavio Carboni handelte im Auftrag unddessen Arrangements geschahen im Namen vatika-nischer Interessen.

Zurück nach Rom, wohin die Spuren führen. Esscheint unglaublich, daß Verantwortliche im Vatikanmit Dunkelmännern wie Flavio Carboni zusammen-

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arbeiten und mit ihnen in ein Mordkomplott verwik-kelt sind. Doch das Auftauchen der AktentascheCalvis in Rom, mit den für den Vatikan belastendenDokumenten, beseitigt unsere letzten Zweifel.

Wir sind auf dem Weg zu Bischof Pawel Hnilica,denn der, so sagt er selbst, kam in den Besitz der omi-nösen Papiere, die Calvi in London bei sich hatte undmit denen der Bankier zuvor den Papst habe erpres-sen wollen. Gegen Bischof Hnilica wird in dieserSache in Rom zur Zeit ermittelt. Er will uns zu diesenVorfällen ein Inte rv iew geben. Die Kamera ist bereitsaufgebaut, da kommt der Anwalt des Priesters hinzuund verhindert die Aufzeichung.

Nach zwei Stunden Diskussion bekonunen wir einenichtssagende Erklärung.

O-TON: Pawel Hnilica, Bischof

"Es tut mir außerordentlich leid, daß ich Ihnen indiesem Augenblick keine Stellungnahme abgebenkann. Aber Sie müssen es verstehen, daß die italieni-sche Justiz über diese Vorgänge noch untersucht unddaß es mir aus diesem Grunde unmöglich ist, ineinem noch laufenden Verfahren Erklärungen abzu-geben."

Was der Bischof nicht öffentlich sagen darf, könnenwir erzählen.

Hnilica wird 1986 über vatikanische Mittelsleute mitFlavio Carboni in Kontakt gebracht. Der bot ihmCalvis heikle Unterlagen zum Kauf an und erzähltebei dieser Gelegenheitgegenüber dem Kirchenmann:Calvi ist ermordet worden. Der Bischof griff bei denDokumenten zu, und jetzt ist alles ein Fall für dieJustiz.

Carboni erhält damals von Bischof Hnilica eineReihe von Schecks - dieser hier ist auf 100 MillionenLire ausgestellt. Als Empfänger ist jeweils Carbonigenannt, unterschrieben sind die Schecks vonHnilica. Insgesamt 14,5 Milliarden Lire, das sindrund 21 Millionen Mark, hat der Bischof für die Do-kumente an Carboni bezahlt, das heißt aus seinenMitteln vorfinanziert. Etwas viel Geld für ein paarUnterlagen - oder vielleicht eine Pauschale für Mordinklusive?

Jan August 1986 wendet sich dann Hnilica an denVatikan, an KardinalstaatssekretärCasaroli, berich-tet von seiner Initiative "im Interesse der Kirche" undmeldet seinen Erfolg: Die enthüllenden und kompro-mittierenden Dokumente über die Beziehungen derVatikanbank zu Calvi seien jetzt in Bischofshand. Erhabe gehandelt, bevor jemand anderer die Dokumentvon Carboni erwerben konnte und möchte da für vomHeiligen Stuhl die Auslagen von 14,5 Milliarden Lireerstattet haben. Casaroli lehnt nicht ab. Er will dieSache prüfen, vor allem die juristischen Folgen.

Das ist unsere Geschichte. Sie begann in einemGericht, und sie endet wieder dort. In diesen Tageneröffnen die Richter in Rom zwei Strafprozesse inSachen Calvi: einmal geht es uni seine Dokumente,und dann geht es uni seinen Tod. Mordanklage gegenunbekannt. Ob Roberto Calvi, der Bankier Gottes,bankrott machte oder bankrott gemacht wurde, wirdvielleicht offen bleiben. Die kirchliche Verstrickung

in Betrug und Mordkomplott aber bleibt Verhand-lungssache. Es gäbe viele Antworten, nur wer stelltdie Fragen?

Ein letztes Mal machen wir uns auf den Weg. Wiederfahren wir zum toskanischen Landhaus von Logen-chef Licio Gelli zurück. Wie wir wissen, ist auchGelli im Mailänder Ambrosiano-Prozeß angeklagt.

Die Richter haben seinen Paß eingezogen. Gelli kannsich nicht frei bewegen. Er kennt das Milieu. In seinerFreimaurerloge gaben sich Bankiers und Bischöfedie Hand. Wir berichten ihm von unseren neuestenRecherchen, die den Mord von Calvi belegen.

Kann er sich zum Beispiel Monsignore Marcinkusals Auftraggeber für einen Mord vorstellen?

O-TON: Licio Gelli, angeklagter Geschäftemacher,Übersetzung

"Was soll ichdazu sagen?Die Tatsacheselbst, daßMarcinkusErzbischof istund beschütztvon derKirche, sprichtfür sich. SehenSie, die Kirchehat einengroßenVorteil: Sieverteidigt alleLeute, auchwenn sie schul-dig sind. AlsMarcinkus mitseiner purpur-nen Aufgabeabgeschlossenhatte, wurde erin seineDiözese oderPfarrei, oderwas auchimmer er in den USA hat, zurückgeschickt. Und mitdiesem Talar hat er sich gerettet. Aber alle Geheim-nisse, die kennt nur Marcinkus!"

Roberto Calvi jedoch, der Bankier Gottes, der sichmit den Stellvertretern auf Erden einließ, hat sich undseine Bank nicht retten können. Der Mailänder Fi-nanzjongleur ist keineswegs unschuldig, er hat hochgespielt, auch falsch gespielt, und dann hoch verlo-ren. Aber die Geschichte seines Lebens und seinesTodes ist auch ein Stück Kriminalgeschichte derKirche.

Abspann

(Red.) - 1993 wäre die katholische Ambrosiano-Bank aus Mailand hundert Jahre alt geworden. Siewar die größte italienische Privatbank und unterhieltzu fast allem, was in Italien Rang, Geld und Namenhat, intensive Beziehungen. Als sie 1982 bankrottwar, hinterließ sie über eine Milliarde Dollar Schul-den, ein ursprünglich ganz biederes Bankhaus, das

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Page 9: Leichen im Keller - forum.lu · 12.08.1991  · 14 forum nr 139. den betrügerischen Bankrott der Calvi-Bank, ehemals größte Privatbank Italiens, geht in die letzte Runde. In den

erst durch die Zusammenarbeit mit dem Mafiosi-Bankier Sindona und dem ErzbischofMarcinlcus aufAbwege geriet. Auf welche Abwege?

Einerseits bereicherte man sich am internationalenWaffengeschäft, unterstützte süd-amerikanischeDiktatoren und zog hohe Gewinne aus Schmuggel-geschäften, anderereits gewann man Millionen durchweltweite Devisenspekulation. Der Chef RobertoCalvi "hatte Kredite der von Tausenden Kleinaktio-nären, darunter vielen Priestern, gestützten Ambro-siano-Bank an die überseeischen Firmen vergeben,mit denen er dann durch Aktienkäufe in Mailand die

Kontrolle über seine Bank gewann. Der Zusammen-bruch kam, als infolge von Zinserhöhungen die La-teinamerikaner ihre Verbindlichkeiten gegenüberder Mailänder Bank nicht mehr erfüllen konnten"(SüddeutscheZeitung). Calvi war bereits 1981 wegenillegalen Kapitaltransfers zu vier Jahren Gefängnisverurteilt worden.

Rund zehn Jahre nach dem Tod Roberto Calvis, (imApril 1992), wurden vom Mailänder Gericht wegendes betrügerischen Bankrotts der Ambrosia na-Bankgegen 33 Wirtschaftsführer harsche Urteile gespro-chen, die Gefängnisstrafen summieren sich auf 323Jahre. Die drei Hauptschuldigen fehlten allerdingsbeim Prozeß

Roberto Calvi, 1982 in London erhängt aufgefunden.Die Indizien sprechen eher für Mord als für Suicid

Michele Sindona, Mafia-Finanzjongleur, er wurde in

seiner Gefängniszelle vergiftet

Erzbischof Marcinkus, zur Zeit Chicago, erfreut sichguter Gesundheit. Noch lange nach dem Tod Calvisin London lebte er hinter den Mauern des Vatikansund erlebte zwei Jahre nach dein Zusammenbruchder Banco Ambrosiano die Rückzahlungsverhand-lungen (1984 zahlte der Vatikan 241 Million Dollar,

ausdrücklich "ohne Anerkenntnis irgendeiner

Schuld"). An der Spitze der vatikanischen Finanzor-ganisation I.O.R. blieb er bis 1989, als er sich an der

italienischen Justiz vorbei nach Chicago versetzenließ.

Die stolze Liste der Strafen gegen die Verbliebenenzeigt, wie hoch die Aktivitäten des Erzbischofs Mar-cinkus strafrechtlich einzuschätzen sind und was ihmgeblüht hätte, hätte er sich nicht auf und davongemacht:

Carlo De Benedetti, Vorstandsvorsitzender und

Hauptaktionär der Ing. C. Olivetti & Co. SpA, Ivrea:6 Jahre und 4 Monate Gefängnis

De Benedetti hatte während der 65 Tage seiner Vize-präsidentschaft bei der Banco Ambrosiano 1981einen Gewinn von knapp 30 Millionen Dollar erzielt,- das Geld wurde ihm als Abfindung ausgezahlt, alser wieder ausschied. Als Schweigegeld, wie die An-klagebehörde vermutete.

Licio Gelli, ehemals Großmeister der FreimaurerlogePropaganda Due ("P 2") und Matratzenfabrikant: 18Jahre und sechs Monate Gefängnis

Umberto Ortolani, Geschäfts- und Logenbruder von

Gell i: 19 Jahre Gefängnis

Flavio Carboni: 15 Jahre Gefängnis

Francesco Pazienza: 14 Jahre Gefängnis

Bruno Tassan Din, Verlagschef: 14 Jahre Gefängnis

Orazio Bagnasco, Stellvertreter Calvis: 7 Jahre und

6 Monate Gefängnis

Guiseppe Ciarrapisco, Pressechef der Bank, Mine-ralwasserkönig, enger Freund von Guilio Andreotti,

Fußballclubpräsident Roma und Finanzier der De-mocrazia Cristiana: 5 Jahre und 6 Monate Gefängnis

Die Kirche ist keineDemokratie

Natürlich ist dies keine taufrische Neuigkeit, sonderneine längst bekannte Tatsache. Eine der Diktaturen,welche das Jahr 1991 überlebten, ist die römisch-ka-tholische Kirche. Die Tatsache der realexistierendenundemokratischen Kirche gilt in den Kreisen der

Gottesgelehrten als These für die Ewigkeit. Zwar gibtes unter den heutigen Gottesgelehrten eine wachsen-de Minorität, welche die Frage stellt, ob die These

wirklich für die Ewigkeit Geltung habe. Von einerandern Minorität wird sie nur mehr halbherzig, mitvielen Wenn und Aber verteidigt. Allzulaut sagen dieMinoritäten ihre Meinung dennoch nicht. Zwar sindalle Scheiterhaufen naß geworden. Doch die Nach-

folgerin der Heiligen Inquisition kann den Brotkorbder Gottesgelehrten hoch hängen. So tun die, was sievon der Galileilegende gelernt haben: sie murmelnihre tiefste Überzeugung nur sehr leise in den Bart.

Nicht von der Hand zu weisenist die Möglichkeit einer demokratischen Kirche.

1. Der Mann aus Nazaret, auf den sich alle Kirchenberufen, war nicht Grieche, sondern Jude. Das Wort"Demokratie" gehörte nicht zu seinem Sprachschatz.Als Jude dachte und redete er theokratisch. Erträumte vom Königreich Gottes.

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