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LEITLINIEN ZUR REHABILITATIONSBEDÜRFTIGKEIT BEI ABHÄNGIGKEITSERKRANKUNGEN - für den Beratungsärztlichen Dienst der Deutschen Rentenversicherung Bund 1 Sozialmedizinische Bedeutung ...................................................... 2 2 Sachaufklärung................................................................................ 5 3 Substanzübergreifende Kriterien der Rehabilitationsbedürftigkeit ........................................................... 9 4 Substanzabhängige Kriterien der Rehabilitationsbedürftigkeit 11 4.1 Alkoholabhängigkeit ....................................................................................... 11 4.2 Medikamentenabhängigkeit ........................................................................... 12 4.3 Drogenabhängigkeit ....................................................................................... 14 4.4 Multipler Substanzgebrauch .......................................................................... 16 5 Differenzielle Rehabilitationsangebote ....................................... 17 5.1 Flexible Angebote in der medizinischen Rehabilitation .............................. 17 5.2 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben .................................................... 19 5.3 Pathologisches Glücksspiel .......................................................................... 20 6 Anhang ........................................................................................... 21 6.1 ICD-10 .............................................................................................................. 21

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LEITLINIEN ZUR REHABILITATIONSBEDÜRFTIGKEIT BEI ABHÄNGIGKEITSERKRANKUNGEN - für den Beratungsärztlichen Dienst der Deutschen Rentenversicherung Bund

1 Sozialmedizinische Bedeutung......................................................2

2 Sachaufklärung................................................................................5

3 Substanzübergreifende Kriterien der Rehabilitationsbedürftigkeit ...........................................................9

4 Substanzabhängige Kriterien der Rehabilitationsbedürftigkeit11

4.1 Alkoholabhängigkeit.......................................................................................11 4.2 Medikamentenabhängigkeit ...........................................................................12 4.3 Drogenabhängigkeit .......................................................................................14 4.4 Multipler Substanzgebrauch..........................................................................16

5 Differenzielle Rehabilitationsangebote .......................................17

5.1 Flexible Angebote in der medizinischen Rehabilitation ..............................17 5.2 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ....................................................19 5.3 Pathologisches Glücksspiel ..........................................................................20

6 Anhang ...........................................................................................21

6.1 ICD-10 ..............................................................................................................21

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

1

6.2 DSM-IV .............................................................................................................23 6.3 Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankungen“ ..............................................25

7 Nachwort: Erstellung und Implementation der Leitlinien..........38

8 Literaturverzeichnis ......................................................................40

Berlin, 03.01.2003/28.07.2003 (2. Fassung)/1.10.2005

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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1 Sozialmedizinische Bedeutung Versicherte mit Abhängigkeitserkrankungen weisen in mehrfacher Hinsicht Abwei-chungen von der Gesamtheit der Versicherten auf, die in besonderen Aspekten in der Rehabilitation dieser Patientengruppe Ausdruck finden: 1. Während Anträge und durchgeführte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation

in den letzten Jahren einen deutlichen Zuwachs zu verzeichnen hatten, blieb die Zahl der durchgeführten Suchtrehabilitationen1 weitgehend konstant (siehe Tabel-le 1). Unter den 2001 durchgeführten 13.207 Suchtrehabilitationen waren 5.394 (= 40,8 %) ambulante Leistungen (Geschäftsbericht der BfA 2001). Hierin sind aller-dings sowohl durchgehend ambulante Rehabilitationen als auch ambulante Nach-sorgeleistungen nach stationären Leistungen zur Rehabilitation enthalten.

Tabelle 1: Anträge und tatsächlich durchgeführte Leistungen zur medizini-

schen Rehabilitation im Vergleich zu Suchtrehabilitationen 1998 bis 2001, Versicherte der BfA

Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Leistungen nach § 15 und § 31 SGB VI)2

Anträge

durchgeführte Leistungen

1998 471.608 302.772 2001 628.312

(+ 33 % gegenüber 1998) 402.205

(+ 33 % gegenüber 1998)

Entwöhnungsbehandlungen/Suchtrehabilitationen

Anträge

durchgeführte Leistungen

1998 20.553 13.874 2001 24.928

(+ 21 % gegenüber 1998) 13.207

(- 0,5 % gegenüber 1998)

Quelle: Geschäftsberichte der BfA 1998 und 2001 2. Anträge auf Suchtrehabilitationen werden nicht so häufig abgelehnt wie Anträge im

allgemeinen Antragsverfahren (11,2 % gegenüber 30,3 %), weisen aber eine hohe Rate an sonstigen Erledigungen oder Rücknahmen auf (19,2 % gegenüber 7,4 %; siehe Tabelle 2).

1 Vor dem Jahr 2000 bezeichnet als Entwöhnungsbehandlungen (Geschäftsberichte der BfA) 2 allgemeines Antragsverfahren, Anschlussheilbehandlungen (AHB, ohne Kostenträger Krankenkas-

se), onkologische Nachsorgeleistungen (einschließlich AHB), Entwöhnungsbehandlun-gen/Suchtrehabilitationen, Kinderrehabilitationen, weitere Leistungen (einschließlich Arbeitsbelas-tungserprobung)

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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Tabelle 2: Erledigungen von Anträgen auf Leistungen des allgemeinen An-tragsverfahrens im Vergleich mit Erledigungen von Anträgen auf Suchtrehabilitation 2001

allgemeines Antragsverfahren

Suchtrehabilitation

Bewilligungen

261.679

62,3 %

17.544

69,6 %

Ablehnungen 126.993 30,3 % 2.836 11,2 % sonstige Erle-digungen oder Rücknahmen

31.106

7,4 %

4.850

19,2 %

Erledigungen insgesamt

419.778

100,0 %

25.230

100,0 %

Quelle: Geschäftsbericht der BfA 2001 3. Das Durchschnittsalter der Rehabilitanden beträgt etwa 45 Jahre bei psychischen

und Verhaltensstörungen durch Alkohol (ICD 10: F10) und 33 Jahre bei entspre-chenden Störungen durch Medikamente oder Drogen (ICD-10: F11-16, 18-19), während sich das Durchschnittsalter aller Rehabilitanden auf ca. 50 Jahre bei Frauen und 52 Jahre bei Männern beläuft (siehe Tabelle 3). Die Zusammenfas-sung von Medikamenten- und Drogenabhängigkeit unter den ICD-10-Ziffern F11-16, 18-19 verdeckt allerdings den Tatbestand, dass Medikamentenabhängige im Durchschnitt älter und Drogenabhängige jünger sind als die Tabelle erkennen lässt.

Tabelle 3: Durchschnittsalter von Rehabilitanden mit Abhängigkeitserkran-

kungen (Jahre), Angestelltenversicherung 2001, 1. Diagnose Frauen

Männer gesamt

Stationäre Rehabilitationen insgesamt davon: Psychische und Verhaltensstörungen

durch Alkohol (ICD-10: F 10)

Psychische und Verhaltensstörungen durch Medikamente oder Drogen ICD-10: F 11-16, 18-19

49,5

44,5

32,8

52,2

45,5

32,2

50,5

45,1

32,5

Quelle: VDR-Statistik Rehabilitation 2001 4. Abhängigkeitskranke müssen ihre Motivation für eine Suchtrehabilitation durch

aktive Teilnahme an einem Vorbetreuungsprogramm belegen. Die Antragsunterla-gen sind durch einen Sozialbericht über die Vorbetreuung in einer Suchtbera-tungsstelle zu vervollständigen. Der Bericht soll eine ausführliche Darstellung der sozialen Auswirkungen der Erkrankung beinhalten.

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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5. Kann aus einem Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation eine Indi-

kation für eine Suchtrehabilitation erkannt werden, wird dem Versicherten statt der beantragten Leistung eine Entwöhnungsbehandlung bewilligt. In diesen Fällen ist die Motivationsarbeit in der ersten Phase der Suchtrehabilitation von besonderer Bedeutung.

6. Suchtrehabilitationen dauern länger als andere Leistungen zur medizinischen Re-

habilitation. Die durchschnittliche Dauer von stationären Suchtrehabilitationen be-trug 2001 bei: - Alkoholabhängigkeit 84 Tage - Medikamenten- und Drogenabhängigkeit 112 Tage. Für ambulante Suchtrehabilitationen sind bis zu 18 Monate zu veranschlagen.

Demgegenüber dauerten stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation 2001 bei psychischen Erkrankungen (ohne Suchterkrankungen) durchschnittlich 40 Tage und bei Krankheiten des Verdauungssystems und Stoffwechselkrankhei-ten als Beispiel für eine somatische Indikation 24 Tage (VDR-Statistik Rehabilitati-on 2001, Angestelltenversicherung, 1. Diagnose).

7. Das Durchschnittsalter bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit liegt bei

Versicherten mit psychischen oder Verhaltensstörungen durch Alkohol sowohl bei Frauen als auch bei Männern etwa ein halbes Jahr unter dem Durchschnittsalter aller Versicherten (siehe Tabelle 4). Im Jahr 2001 betrug der Anteil dieser Indikati-onen (ICD-10: F 10) am gesamten Rentenzugang wegen verminderter Erwerbsfä-higkeit 1,4 %. Dabei handelt es sich um die Versicherten, bei denen die Abhängig-keits- oder sonstige suchtmittelbedingte Erkrankung die Erstdiagnose bildet. Er-werbsminderungsrenten durch z. B. internistische Folgekrankheiten sind damit nicht erfasst. Die Angaben unter „Psychische und Verhaltensstörungen durch Me-dikamente oder Drogen“ in der Tabelle 4 stellen wiederum eine Zusammenfas-sung zweier unterschiedlicher Gruppen dar, von denen die Drogenabhängigen jünger sind. Die Altersunterschiede fallen hier deutlicher aus, die absolute Zahl der Berentungen ist jedoch relativ gering.

8. Unter Suchtkranken besteht eine erhöhte Komorbidität, Mortalität und Suizidalität.

Bei Alkoholabhängigen werden neben einer Reihe von somatischen Erkrankungen insbesondere Angststörungen, affektive Erkrankungen, schizophrene Erkrankun-gen und verschiedene Persönlichkeitsstörungen beschrieben.

9. Die Therapie von Abhängigkeitskranken setzt sich neben Beratung und motivie-

renden Maßnahmen insbesondere aus den beiden Phasen Entzugsbehandlung und Entwöhnungsbehandlung bzw. Suchtrehabilitation zusammen. Entsprechend der am 1.7.2001 in Kraft getretenen Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger bei Akutbehandlung und medizi-nischer Rehabilitation Abhängigkeitserkrankter - sind Krankenkassen für die Entzugsbehandlung zuständig

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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- ist der Rentenversicherungsträger für die Entwöhnungsbehandlung zuständig, wenn die Voraussetzungen nach §§ 9 - 11 SGB VI vorliegen

- ist in anderen Fällen die Krankenkasse zuständig, wenn die Voraussetzungen

der §§ 27 und 40 SGB V erfüllt sind. Tabelle 4: Anzahl von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Durch-

schnittsalter bei Versicherten mit Abhängigkeitserkrankungen, Ange-stelltenversicherung 2001, 1. Diagnose, in Klammern: Durchschnittsalter in Jahren

Frauen Männer insgesamt

Rentenzugang wegen verminderter Erwerbsfähigkeit insgesamt

43.313(49,7)

26.890 (52,2)

70.203(51,5)

davon: Psychische und Verhaltensstörungen

durch Alkohol, ICD-10: F10 Psychische und Verhaltensstörungen durch Medikamente oder Drogen ICD-10: F11-16, 18-19

Summe

425(49,5)

54(47,7)

479

583

(51,8)

67 (45,3)

650

1.008(50,9)

121(46,4)

1.129

Quelle: VDR-Statistik Rentenzugang 2001

2 Sachaufklärung Die Sachaufklärung dient auch bei Abhängigkeitserkrankten der Feststellung von Rehabilitationsbedürftigkeit, -fähigkeit und -prognose. Entscheidende Charakteristika der Abhängigkeit sind Konsum bestimmter Substanzen mit Verlust der Kontrollfähig-keit, Unfähigkeit zur Abstinenz, Toleranzentwicklung, Auftreten von Entzugserschei-nungen nach Aussetzen der Substanz, fortgesetzter Konsum trotz schädlicher Fol-gen hinsichtlich Körper, Psyche, beruflicher und sozialer Umwelt (siehe Klassifikatio-nen nach ICD-10 und DSM-IV im Anhang 6.1 und 6.2). Bei der Krankheitsbeschreibung sind allgemeine Anamnese, Berufs- und Sozial-anamnese, aktuelle Beschwerden, Risikoverhalten sowie bisheriger Therapieverlauf wichtig. Neben ärztlichem Befundbericht bzw. Gutachten können Informationen über vorausgegangene Behandlungen, z. B. Krankenhaus-Entlassungsberichte, herange-zogen werden. Über die Vorbetreuung in einer Beratungsstelle für Abhängigkeits-kranke ist ein Sozialbericht wesentlich. Mit Einverständnis des Abhängigkeitskranken können fremdanamnestische Angaben, z. B. vom Lebenspartner, der weiteren Klä-rung dienen.

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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Je nach Art und Ausmaß der Veränderungen durch die Abhängigkeitserkrankung und den resultierenden Folgekrankheiten können in Einzelfällen ein psychiatrisch-neurologisches oder internistisches Gutachten erforderlich sein; bei der Beurteilung der Folgen rauschbedingter Unfälle auch Gutachten von Orthopäden oder Ärzten anderer Fachrichtungen. Zur Abgrenzung zwischen schädlichem Gebrauch und Abhängigkeit sowie zur Be-stimmung der Rehabilitationsform stationär oder ambulant ist nach individuellen Er-fordernissen ggf. ein psychiatrisch-psychotherapeutisches Fachgutachten erforder-lich. Ambulante Rehabilitation kann dabei in teilstationärer Form erfolgen sowie in Form von Einzel- und Gruppengesprächen, die in der Regel ein- bis zwei Mal/Woche über einen Zeitraum von sechs bis 18 Monaten durchgeführt werden. Aus den Unterlagen müssen Informationen hervorgehen zu: • Beginn, Dauer, Verlauf einschließlich Diagnosestellung und Ausprägung der Ab-

hängigkeitserkrankung • Begleit- und Folgekrankheiten auf somatischem und psychischem Gebiet (z. B.

Psychosen mit Begleitalkoholismus, akute Suizidalität) • ggf. zugrunde liegende neurotische Primärerkrankungen oder Persönlichkeitsstö-

rungen • Art, Häufigkeit und Umfang von Vorbehandlungen wegen der Abhängigkeitser-

krankung einschließlich der Betreuung in Beratungsstellen und Teilnahme an Selbsthilfegruppen

• Auswirkungen auf die soziale Situation (z. B. Führerschein-Verlust, Arbeitsverhält-nis, Arbeitsunfähigkeitszeiten, Verhältnis zu Angehörigen, Wohnung, Straffällig-keit)

• Stand der Sozialisation und Beschreibung der Persönlichkeit am Beginn der Ab-hängigkeitsentwicklung und zum aktuellen Zeitpunkt

• Einsichtsfähigkeit des Versicherten in die Abhängigkeit, Motivation zur Abstinenz, Prognose.

Von denjenigen Versicherten, die den Rehabilitationsantrag primär wegen einer Ab-hängigkeitserkrankung stellen, sind jene zu unterscheiden, die eine medizinische Rehabilitationsleistung aufgrund einer anderen - nicht abhängigkeitsbezogenen - Er-krankung beantragen. Für diese Versicherten kann die beratungsärztliche Prüfung aber eine Suchtrehabilitation als vordringlich ansehen. Ein Sozialbericht kann in die-sen Fällen nicht angefordert werden. Sachaufklärung bei Alkoholabhängigkeit Die Sachaufklärung eruiert einerseits Dauer und Ausmaß des Alkoholkonsums, an-dererseits - in Abhängigkeit von den aktuellen Beschwerden und Befunden - Ausprä-gung und Verlauf von Folgekrankheiten. Fragebögen können als Screening-Untersuchung Hinweise auf eine Abhängigkeit ergeben, z. B. der Münchner Alkoholismus Test (MALT) oder der sogenannte CAGE-Test. Als mehrdimensionales Testinstrument zur Differenzialdiagnose und Indikati-onsstellung zur differenziellen Therapie dient das Trierer Alkoholismus-Inventar

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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(TAI). Als Alkoholismusindikatoren sind Laborwerte wichtig. Sie unterscheiden sich hinsichtlich Sensibilität und Spezifität, die durch Kombination mehrerer Marker erhöht werden können. Der Alkoholkonsum in der mittelfristig zurückliegenden Periode kann durch die Mes-sung des carbohydratdefizienten Transferrins (CDT) festgestellt werden, wenn täglich über eine Dauer von zwei bis drei Wochen 60 g Alkohol pro Tag konsumiert wird. Langfristiger Alkoholkonsum äußert sich darüber hinaus in erhöhten Werten für γ-GT, GPT (ALAT), GOT (ASAT) und MCV1. Die Kenntnis des CDT-Wertes ist im wesentlichen erforderlich für die Entscheidung im Zusammenhang mit der Rehabilitationsform (stationäre oder ambulante Rehabili-tation2). Hinsichtlich eines Abstinenznachweises ist der CDT-Wert kritisch zu bewer-ten, da einerseits erhöhte Werte erst bei beträchtlichem Alkoholkonsum auftreten, andererseits - wenn auch nicht häufig - CDT-Werterhöhungen auch ohne Alkohol-konsum auftreten können3. Folgekrankheiten und charakteristische Begleitphänomene bei Alkoholabhängigkeit sind: • Gastritis, Ulkuskrankheit, Mallory-Weiß-Syndrom • Fettleber, Alkoholhepatitis, Leberzirrhose ohne und mit portale(r) Hypertension • chronisch-rezidivierende Pankreatitis, sekundärer Diabetes mellitus • alkoholtoxische Kardiomyopathie, Hypertonus • Polyneuropathie • Krampfanfälle im Entzug • Delirium tremens • Wernicke-Enzephalopathie • Korsakow-Syndrom. Im Rahmen der Sachaufklärung können ergänzend Ergebnisse technischer Untersu-chungen erforderlich sein. Von besonderer Bedeutung sind Laborwerte sowie ggf. die Befunde vorliegender endoskopischer und bioptischer Untersuchungen. Erhöhte Werte für γ-GT, GPT, GOT und MCV können auch durch Folgekrankheiten oder Zweiterkrankungen verursacht sein.

1 Sensitivität und Spezifität der verschiedenen Marker nach einer Meta-Analyse mit Ergebnissen aus 6

- 18 Untersuchungen lt. Wetterling/Kanitz 1997: CDT: Sensitivität: 29-91, durchschn. 69,6%; Spezifität: 70-100, durchschn. 91,5%; γ-GT: Sensitivität: 35-93, durchschn. 64,5%; Spezifität: 5-98, durchschn. 62,6%; GPT: Sensitivität: 35-58, durchschn. 45,9%; Spezifität: 26-92, durchschn. 67,0%; GOT: Sensitivität: 33-69, durchschn. 53,3%; Spezifität: 45-82, durchschn. 65,8%; MCV: Sensitivität: 19-91, durchschn. 55,7%; Spezifität: 26-95, durchschn. 77,0%.

2 Ambulante Rehabilitation umfasst: ambulant und ambulant in teilstationärer Form. 3 z. B. in seltenen Fällen einer genetisch determinierten Variante des Transferrins, bei Autoimmunhe-

patitis, extremem Eisenmangel. Bei Frauen können außerdem hormonelle Einflüsse eine Rolle spie-len (Gabler-Sandberger 1996, Hauptmann u. a. 1997).

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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Sachaufklärung bei Medikamentenabhängigkeit Bei abhängigkeitsverursachenden Substanzen handelt es sich überwiegend um Se-dativa, Hypnotika oder zentral wirksame Analgetika. Über die ICD-10-Kodierung F1x.2 wird ein Abhängigkeitssyndrom gekennzeichnet, während mit F1x.1 schädli-cher Gebrauch verschlüsselt wird. Davon abzugrenzen ist der Missbrauch von nicht-abhängigkeitserzeugenden Substanzen (ICD-10: F55, z. B. mit Antidepressiva, La-xantien, peripher wirksamen Analgetika). Dieser Missbrauch stellt keine Abhängigkeit dar in dem Sinn, dass sich eine Toleranz und bei Reduktion des Konsums eine kör-perliche Entzugssymptomatik entwickelt. Es kann jedoch durch den chronischen Gebrauch zur Symptomerhaltung (z. B. Analgetika-Kopfschmerz, Obstipation nach Laxantienabusus) oder zum Auftreten von Folgestörungen (z. B. Analgetika-Nephropathie) kommen. Als Sonderform - ohne Toleranzsteigerung, mit z. T. aber heftigen körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen - ist die low-dose-dependancy bei Benzodiazepin-Einnahme zu nennen. Sachaufklärung bei Drogenabhängigkeit Als Droge werden in diesem Zusammenhang Substanzen verstanden, die auf das zentrale Nervensystem wirken und zeitweise oder anhaltend konsumiert werden. Ein die Drogenabhängigkeit definierender Faktor ist in Abgrenzung zur Medikamenten-abhängigkeit die Illegalität des Drogenkonsums. Begleit- und Folgekrankheiten kön-nen sein: • direkte Schäden durch intravenösen Drogenkonsum (Spritzenabszesse, Phlegmo-

nen, Sepsis, Endokarditis) • Unterernährung • Infektionskrankheiten (u. a. Hepatitis B und C, HIV-Infektion, Tuberkulose) • Folgeschäden nach Traumata • Angststörungen und Depressionen • Persönlichkeitsstörungen. Angststörungen, Depressionen und Persönlichkeitsstörungen können darüber hinaus auch als zugrunde liegende primäre Erkrankung vorkommen. Die gezielte Sachauf-klärung wird insbesondere zur Klärung von Rehabilitationsfähigkeit und -prognose eingesetzt. Bei einer geplanten methadongestützten Rehabilitation Drogenabhängiger - auch bei somatischen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation - sind eine stabile Metha-dondosis und Beikonsumfreiheit erforderlich: Dosisstabilität ist erreicht, wenn Opiatentzugserscheinungen während mindestens

24 Stunden unterdrückt bleiben und die kognitiv-motorischen Funktionen nicht beeinträchtigt sind. Diese Dosis bleibt stabil, sofern keine Interaktionen mit Medi-kamenten, anderen Opiaten oder Erkrankungen eintreten. Hinsichtlich der Metha-donerhaltungsdosis müssen interindividuell erhebliche Wirkunterschiede berück-sichtigt werden.

Als beikonsumfrei gilt derjenige, der aufgrund entsprechender gesicherter medizi-

nischer Nachweise in den letzten vier Wochen vor Antragstellung keine(n) ille-

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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galen Drogen, Alkohol, Medikamente (Ausnahme: akutmedizinisch indizierte Me-dikation) konsumiert hat. Der Nachweis ist in der Regel vom substituierenden Arzt durch Offenlegung der Ergebnisse entsprechender Kontrolluntersuchungen (vor allem Urinkontrollen unter Sicht) zu führen.

3 Substanzübergreifende Kriterien der Rehabilitationsbedürftigkeit Abhängigkeit und Rehabilitationsbedürftigkeit Nach ICD-10 und DSM-IV soll die Diagnose Abhängigkeitssyndrom (ICD-10: F1x.2) nur gestellt werden, wenn in einem 12-Monats-Zeitraum (ICD-10: während des letz-ten Jahres, DSM-IV: zu irgendeiner Zeit in demselben 12-Monats-Zeitraum) mindes-tens drei Kriterien aus einem Katalog von sieben bzw. acht Kriterien zutreffend sind (siehe Anhang 6.1 und 6.2). Neben Aussagen über verminderte Kontrollfähigkeit, eingeengte Verhaltensmuster und Fortsetzung des Substanzkonsums trotz eingetre-tener schädlicher Folgen enthalten die Klassifikationen die Kriterien zwanghafter Substanzgebrauch, Toleranzentwicklung und Entzugssymptomatik.Laut DSM-IV soll die Zusatzkodierung „Mit körperlicher Abhängigkeit“ gewählt werden, wenn Toleranz-entwicklung und Entzugssymptome vorliegen und „Ohne körperliche Abhängigkeit“, wenn sich weder Toleranz noch Entzugssymptomatik entwickelt haben. In der ICD-10 wird diese Kodierung nicht vorgenommen. Der Begriff „psychische Abhängigkeit“ wird ausdrücklich weder in der ICD-10 noch im DSM-IV verwandt. Nach der Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankungen“ (siehe Anhang 6.3) liegt Ab-hängigkeit vor bei Unfähigkeit zur Abstinenz oder Verlust der Selbstkontrolle oder periodischem Auftreten eines dieser beiden Symptome. Bei Vorliegen einer Abhängigkeitserkrankung im Sinne der genannten Definitionen besteht eine erhebliche Gefährdung oder Minderung des Leistungsvermögens. Da-mit ist grundsätzlich Rehabilitationsbedürftigkeit gegeben, sofern folgende weitere Voraussetzungen vorliegen: • Eine Entzugsbehandlung - sofern erforderlich - muss abgeschlossen sein. • Es besteht Rehabilitationsfähigkeit - auch unter Berücksichtigung der Komorbidi-

tät. • Die Erwerbsfähigkeit kann durch die Rehabilitation voraussichtlich wieder herge-

stellt werden (weitere Ausführungen zur Rehabilitationsprognose folgen im Ab-schnitt 5).

Abgrenzung zum schädlichen Gebrauch1 Im Gegensatz zur Abhängigkeit besteht bei schädlichem Gebrauch einer Substanz kein Kontrollverlust oder zwanghafter Substanzgebrauch, es besteht keine Unfähig-keit zur Abstinenz, keine Toleranzentwicklung oder Entzugssymptomatik. Schädlicher Gebrauch führt jedoch zu Beeinträchtigungen oder Leiden, die durch bestimmte Kri- 1 Schädlicher Gebrauch ist ein in der ICD-10 verwendeter Begriff. Im DSM-IV wird demgegenüber von

Missbrauch gesprochen, wenn es um die Abgrenzung zur Abhängigkeit geht, siehe Anhang 6.1 und 6.2.

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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terien charakterisiert sind (siehe Beschreibung lt. DSM-IV im Anhang 6.2). Schädli-cher Gebrauch allein begründet keine Rehabilitationsbedürftigkeit. Liegen gleichzeitig Substanzmissbrauch und weitere psychische oder somatische Erkrankungen (z. B. Hepatopathien, Neurosen, chronische Schmerzsyndrome, Ess-Störungen) vor, erfolgt bei bestehender Rehabilitationsbedürftigkeit für die jeweilige Krankheit die Rehabilitation in einer entsprechend ausgestatteten Einrichtung, die ein spezifisches therapeutisches Angebot bei schädlichem Gebrauch vorhält. Verdacht auf Vorliegen einer Abhängigkeit Bei Versicherten, die primär einen allgemein gehaltenen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation stellen, kann sich der Verdacht auf das Vorliegen einer Abhängigkeitserkrankung ergeben, wenn vorrangig folgende Diagnosen und anam-nestische Angaben in den ärztlichen Unterlagen zu finden sind: • gastrointestinale Erkrankungen (an erster Stelle Lebererkrankungen, deren Gene-

se nicht ausreichend geklärt ist) • metabolisches Syndrom (Zusammentreffen von stammbetonter Adipositas, Hyper-

lipoproteinämie, Hyperurikämie, essenzieller Hypertonie und Typ-2-Diabetes melli-tus)

• Diabetes mellitus als Folge einer alkoholtoxischen Pankreasschädigung • schwer einstellbarer Hypertonus bei fortgesetztem Alkoholkonsum • alkoholtoxische Kardiomyopathie • Alkoholmissbrauch oder hoher Analgetikakonsum bei Erkrankungen der Gelenke

und/oder der Wirbelsäule • fortgesetzter und erhöhter Analgetikakonsum bei Migräne, Spannungskopf-

schmerz, Migraine cervicale • Polyneuropathie • Erschöpfungszustand. Dabei ergeben sich aus den vorliegenden Unterlagen (ärztliches Gutachten oder ärztlicher Befundbericht) in der Regel nur aus der Zusammenschau der Angaben von Versicherten und Arzt/Gutachter einschließlich der Untersuchungsergebnisse (Kör-pergröße, Gewicht, Organbefunde, Blutdruck, Laborwerte, Angabe von Risikofakto-ren wie z. B. vermehrter Alkoholkonsum, häufige Arbeitsunfähigkeitszeiten, psycho-soziale Belastungssituationen) Hinweise auf das Vorliegen einer Abhängigkeitser-krankung. Eine weiterführende Sachaufklärung, z. B. Anforderung von Krankenhaus-Entlassungsberichten oder Facharztgutachten, ist dann erforderlich. Bei gesicherter Abhängigkeitserkrankung wird in der Regel eine mittelfristige statio-näre Suchtrehabilitation angeboten. Erklärt der Versicherte sich generell damit ein-verstanden und reicht einen von einer Suchtberatungsstelle erstellten Sozialbericht nach, kann die Form der zu bewilligenden Rehabilitation modifiziert werden (z. B. Kurzzeittherapie, ambulante Rehabilitation, ggf. in teilstationärer Form). Gerade bei diesen Versicherten, die noch keinen Kontakt zu einer Beratungsstelle für Abhängigkeitskranke hatten, mangelt es in der Regel an Informationen aus dem so-zialen Umfeld.

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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Pathologische Laborwerte Pathologische Laborwerte sind allein kein Beweis für das Vorliegen einer Abhängig-keitserkrankung; dementsprechend können erhöhte „Leberwerte“ durch eine andere Genese als Alkoholkonsum bedingt sein. 4 Substanzabhängige Kriterien der Rehabilitationsbedürftigkeit 4.1 Alkoholabhängigkeit Alkohol gehört aufgrund seiner Wirksamkeit auf das Zentralnervensystem zu den psychoaktiven Substanzen, weist eine lange Konsumtradition und in vielen Kulturen eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz auf. Alkohol wird zur Entspannung und zur Stimmungsverbesserung getrunken, aber auch zur Beseitigung von Angst und Unsi-cherheit. Das Wirkungsspektrum kann, abhängig von der Dosis, von Anregung, Ent-hemmung bis hin zu Sedierung und Bewusstseinsstörungen reichen. Alkohol ist ein weit verbreitetes Suchtmittel und ubiquitär erhältlich. In Deutschland leben schätzungsweise 1,7 Mio. Alkoholabhängige, 2,7 Mio. Personen betreiben ei-nen missbräuchlichen, 9,3 Mio. einen riskanten Konsum (nach Kraus und Bauern-feind 1998, Altersgruppe: 18 - 69 Jahre). Etwa 30 % der Alkoholabhängigen sind Frauen. Die Entwicklung einer Abhängigkeit verläuft in der Regel schleichend und ist von ei-nem schädlichen Gebrauch schwer abzugrenzen. Fortgesetzter Alkoholkonsum kann über Toleranzentwicklung zu manifester Abhängigkeit führen. Ein Kriterium dafür ist das Auftreten von Entzugserscheinungen bei Alkoholkarenz. Auf Alkoholmissbrauch dagegen folgen auf eine Dosisverringerung oder eine Alkoholkarenz keine Entzugs-erscheinungen. Zu den körperlichen Symptomen eines Entzugssyndroms zählen Tachykardie, Blut-drucksteigerung, Schweißneigung und Tremor; die psychische Symptomatik wird beherrscht von Unruhe und Angstgefühlen. Ein Alkoholdelir kann sowohl im Entzug als auch nach jahrelang fortgesetztem Alkoholkonsum auftreten; neben den Zeichen der vegetativen Hyperaktivität ist es charakterisiert durch Bewusstseinsstörungen, erhöhte Suggestibilität, häufig auftretende optische Halluzinationen, durch Störungen der Selbstreflexion und Kognition, der Psychomotorik, des Affekts sowie des Schlaf-Wach-Rhythmus. Einleitend können epileptische Anfälle auftreten. Der fortgesetzte Konsum von Alkoholmengen von mehr als 40 - 60 Gramm täglich bei Männern und mehr als 20 Gramm bei Frauen verursacht zudem eine Reihe von Folgekrankheiten. Diese können alle Organsysteme betreffen, bevorzugt aber kommt es zu Schädigungen des • Nervensystems, und zwar peripher - beispielsweise in Form einer Polyneuropathie

- sowie zentral durch hirnatrophische Prozesse • gesamten Verdauungssystems

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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• Herzens • blutbildenden Systems. • Psychische Störungen betreffen Aufmerksamkeit, Wahrnehmungs-, Konzentrati-

ons- und Gedächtnisstörungen bis hin zur Entwicklung von Wernicke-Enzepha-lopathie und Korsakow-Syndrom.

Entsprechend unterschiedlichen Konsummustern sind mehrfach Gruppenzuordnun-gen der Alkoholkranken unternommen worden. Sehr verbreitet ist die Klassifikation nach Jellinek (Alpha- bis Epsilon-Trinker), gegenwärtig erfolgt die Orientierung aber zunehmend an ICD-10 und DSM-IV. Bei Alkoholabhängigkeit besteht Rehabilitationsbedürftigkeit.

In Bezug auf die traditionelle Klassifikation nach Jellinek besteht Rehabilitations-bedürftigkeit für Gamma-, Delta- und Epsilon-Trinker: • Der Kontrollverlust-Trinker (Gamma-Trinker) ist gekennzeichnet durch die Un-

fähigkeit, in begrenztem Umfang oder gar nicht zu trinken (Kontroll- und Absti-nenzverlust im chronischen Stadium); hier findet ein periodisches Trinken mit einem Wechsel zwischen Trink- und Abstinenzphasen statt.

• Der Spiegel-Trinker (Delta-Trinker) konsumiert täglich Alkohol - in begrenzten Mengen über den Tag verteilt -, entwickelt dabei keine deutlichen Intoxikations-zeichen, zeigt bei Alkoholkarenz aber sehr wohl Entzugserscheinungen.

• Der periodische Trinker (Epsilon-Trinker, Quartalstrinker) konsumiert in - teil-weise größeren - zeitlichen Abständen Alkohol in exzessiven Mengen.

• Bei Konflikt- und Erleichterungstrinkern (Alpha-Trinker) sowie Gelegenheitstrin-kern (Beta-Trinker) liegt in der Regel keine Rehabilitationsbedürftigkeit vor. Beide Gruppen sind aber in erhöhtem Maße gefährdet, alkoholabhängig zu werden.

Bei Komorbidität mit somatischen oder psychischen Erkrankungen muss die jeweilige Behandlung parallel zur vorrangigen Entwöhnungstherapie erfolgen. Bei der Beurteilung von Rehabilitationsfähigkeit und Rehabilitationsprognose sind Hinweise auf mangelnde Motivation - insbesondere im Zusammenhang mit er-folglosen Therapieversuchen - kritisch zu betrachten. Weitgehende irreversible Schäden und Störungen durch somatische oder psychische Grund-, Begleit- und Folgekrankheiten, die eine aktive Gestaltung der Rehabilitation ausschließen, heben die Rehabilitationsfähigkeit auf und lassen keine positive Prognose zu. 4.2 Medikamentenabhängigkeit Medikamente, die zur Abhängigkeit führen, sind auf das Zentralnervensystem (ZNS) wirkende Substanzen und bewirken eine Manipulation der Befindlichkeit. Insbeson-dere folgende Substanzen werden zur Herbeiführung einer Erlebnis- und/oder Be-wusstseinsänderung eingenommen: • Schlaf-/Beruhigungsmittel

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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(vorwiegend benzodiazepinhaltige, auch barbiturathaltige Tranquilizer)

• Schmerzmittel (häufig in Form von Kombinationspräparaten mit zentral erregenden oder dämp-fenden Stoffen bis hin zu Opiaten)

• Weck- und Aufputschmittel (vorwiegend Amphetamine).

Die Abgrenzung zwischen schädlichem Gebrauch und Abhängigkeit ist oft schwierig zu treffen. Bei Medikamentenmissbrauch werden über oft lange Zeiträume o. g. Medikamente in kleiner Dosierung eingenommen, ohne dass eine Toleranzentwicklung entsteht und somit keine Dosissteigerung erfolgt. Bei Beseitigung der Grundstörung (z. B. psychische Konfliktsituationen, chronische Schmerzen) kann der schädliche Gebrauch ohne Auftreten von Entzugserscheinungen eingestellt werden. Bei den zentral wirksamen Substanzen bedingen in der Regel einerseits die pharma-kologischen Eigenschaften und andererseits die individuelle Ansprechbarkeit eine Toleranzentwicklung. Die resultierenden Entzugserscheinungen führen zu regelmä-ßiger Einnahme mit Dosissteigerung und damit zur Abhängigkeit. Es gibt jedoch auch eine low-dose-dependancy, bei der nicht zwangsläufig Dosissteigerung und Toleranzentwicklung auftreten.

Toleranz entsteht bei der Zufuhr einer zentral wirksamen Substanz infolge Ge-genregulation, bei Schlaf- und Beruhigungsmitteln z. B. gegen die dämpfenden Effekte auf die Funktion des ZNS. Nach regelmäßiger Einnahme etabliert sich in der Regel eine Kompensation, so dass die initialen Wirkungen verloren ge-hen. Wird der Medikamentengebrauch unterbrochen, entsteht ein Entzugssyn-drom als Ausdruck der jetzt überschießenden Gegenregulation. Es kommt z. B. bei Schlaf- und Beruhigungsmittelgebrauch zur Übererregbarkeit und gesteiger-ten Funktion aller neuronalen Systeme, die initial gehemmt wurden. Das klini-sche Bild ist gekennzeichnet durch psychomotorische Unruhe, Angst, Schwit-zen, Tremor, erhöhten Blutdruck und Tachykardie; gelegentlich treten Krampf-anfälle auf sowie Halluzinationen bis hin zur Ausbildung eines Delirium tremens. Bedingt durch die unterschiedlichen Stoffgruppen und Abbauraten im Organis-mus treten Entzugserscheinungen bei Medikamentenabhängigen häufig erst mehrere Tage nach Absetzen des Medikaments auf. In Situationen mit erhöhter Belastung kann es - eher selten - zum Kontrollverlust mit exzessiver Medika-menteneinnahme und schweren, behandlungspflichtigen Intoxikations-erscheinungen kommen.

Abhängigkeitsentwicklung hat zur Folge: körperliche Erkrankungen (Nierenfunktionsstörungen, Leberschäden, Schädigung

des blutbildenden Systems, medikamenteninduzierter Kopfschmerz, hirnorganische Beeinträchtigungen)

und psychische Veränderungen (Persönlichkeitsabbau bis hin zur Depravation -

“Entkernung der Persönlichkeit“) sowie

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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soziale Konflikte bedingt durch die körperliche und psychische Leistungsminderung. Rehabilitationsbedürftigkeit resultiert aus der Feststellung einer Abhängigkeit. Zur Rehabilitationsfähigkeit und Rehabilitationsprognose vgl. Ausführungen auf Seite 12. 4.3 Drogenabhängigkeit Unter Drogen werden in diesem Zusammenhang Substanzen verstanden, die - von Spezialindikationen abgesehen - nicht als Medikamente verordnet werden, auf das zentrale Nervensystem wirken und so zum Herbeiführen von Erlebnis- oder Be-wusstseinsveränderungen konsumiert werden. Zu diesem Zweck bzw. in der benötig-ten hohen Dosierung sind Drogen in der Regel nur illegal erhältlich. Zudem stellt die Beschaffungskriminalität ein erhebliches Problem dar, deren juristische Konsequen-zen häufig erst der Anlass sind, Leistungen zur Rehabilitation zu beantragen. Es handelt sich vornehmlich um folgende Substanzen: Zu den Opiaten gehören Morphin sowie dessen synthetische und halbsynthetische Derivate; wichtigster Vertreter ist das Heroin. Den Opiaten sind euphorisierende, tranquilisierende und analgetische Wirkungen, eine Dämpfung des Atem- und Hus-tenzentrums sowie deutliche periphere parasympathische Eigenschaften - die u. a. zur Obstipation führen - gemeinsam. Opiate führen zu starker körperlicher und psychischer Abhängigkeit. Hinsichtlich der Opiatwirkungen entwickelt sich unterschiedlich rasch eine Toleranz; Kreuztoleranz besteht gegen Substanzen mit Hauptwirkung am gleichen Rezeptor. Das Opiatentzugssyndrom ist charakterisiert durch eine zentrale noradrenerge Über-aktivität. Es dauert nur wenige Tage, wird subjektiv als massive Beeinträchtigung erlebt, ist aber objektiv meist kein vital bedrohliches Syndrom im Gegensatz zum De-lirium tremens. Kokain, Amphetamine und andere Psychostimulantien wirken durch Hemmung der neuronalen Wiederaufnahme von Dopamin und Noradrenalin. Es erfolgt eine Stimulation mit Euphorie, Steigerung von Aufmerksamkeit und Antrieb mit vor allem subjektiv erhöhter Leistungsbereitschaft sowie Verminderung von Schlafbedürfnis und Hungergefühl. Wahrscheinlich durch eine Verminderung der Empfindlichkeit der Katecholaminre-zeptoren ist die vergleichbar rasch auftretende Toleranzentwicklung mitbedingt; hier-bei spielen auch Konsummuster sowie die Art der Applikation eine Rolle. Die Entzugssymptomatik ist gekennzeichnet durch die Auswirkungen der katechol-aminergen Transmissionsverminderung wie Erschöpfung mit Rebound-Hyper-somnie, depressive Verstimmung, Hyperphagie und - vor allem zu Beginn - Angst- und Erregungszustände. Die genannten Symptome halten nicht selten über Wochen hinweg an.

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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Durch die synthetischen sogenannten Designer-Drogen wie Ecstasy (MDMA, 3,4-Methylendioxymetamphetamin) und Eve (MDA, 3,4-Methylendioxyamphetamin) wird keine körperliche, jedoch möglicherweise eine psychische Abhängigkeit induziert.1 Die Wirkung entsteht durch die Förderung der Freisetzung von Serotonin aus präsy-naptischen Vesikeln bei gleichzeitiger Serotonin-Rückaufnahmehemmung, die Aus-schüttung von Dopamin sowie eine reversible Hemmung der Monoaminoxidase. Psychotrope Akuteffekte sind zentrale Stimulierung und Euphorie mit erhöhten Em-pathiegefühlen, Kontaktbereitschaft und verminderter Ich-Abgrenzung. Subakut tre-ten Schlaf- und Appetitminderung, Konzentrationsstörungen, Gereiztheit und Er-schöpfungszustände auf. Im weiteren Verlauf kann es zu paranoiden Syndromen, Panikstörungen, Depersonalisierungssyndromen und Depressionen kommen. Eine Vielzahl weiterer „Designer-Drogen“ werden in kleinen Labors durch gezielte Veränderung der Molekularstruktur einzelner Drogen hergestellt. Durch die große Variabilität ist der Drogenmarkt kaum überschaubar. Zudem ist der Nachweis des Konsums häufig sehr schwer, da die Wirkungen oft bereits in kleinsten Dosen auftre-ten. Das Suchtpotenzial ist häufig sehr hoch. Psychomimetika wie Lysergsäurediäthylamid (LSD), Meskalin, Psilocybin u. a. sind charakterisiert durch eine vorwiegend zentralserotonerge Wirkung infolge eines par-tiellen Agonismus an Serotoninrezeptoren. Bereits in peripher unwirksamen niedrigen Dosen kommt es zu psychotischen Phänomenen mit rauschartigen Störungen des Zeit- und Raumerlebens, vor allem optischen und akustischen Illusionen bzw. Hallu-zinationen, Störungen von Denken, Wahrnehmung, Ich-Erleben und der Stimmung. Für die Ausgestaltung des Rauschzustandes spielen neben den Umgebungsfaktoren Art, Dosis und Applikationsform eine Rolle. Körperliche und psychische Abhängigkeit treten selten auf. Gelegentlich kommt es zu „Horrortrips“ mit eigen- und fremdag-gressiven Impulsen sowie sogenannten „Flashback-Psychosen“, die auch noch nach Wochen und Monaten auftreten können. Cannabis ist der wichtigste psychoaktive Bestandteil von Haschisch (Harz der indi-schen Hanfpflanze) und Marihuana (getrocknete Blüten und Blätter). Der psychotro-pe Effekt ist dosisabhängig anregend bis dämpfend. Entspannung und Euphorie, verändertes Zeitgefühl und Verzerrung von Sinneseindrücken sind typisch, gefolgt von Sedierung. In höheren Dosen können Halluzinationen auftreten. Langzeitmiss-brauch kann zu Persönlichkeitsveränderungen (amotivationales Syndrom mit Apa-thie, Konzentrationsstörungen und Desorganisiertheit) führen. Bei Abhängigkeit von den oben aufgeführten Substanzen ist von Rehabilitati-onsbedürftigkeit auszugehen. Schädlicher Gebrauch ohne Abhängigkeit stellt in der Regel keine Indikation für eine Suchtrehabilitation dar. Die Rehabilitationsfähigkeit ist vor allem hinsichtlich psychischer und körperlicher Begleit- und Folgeleiden kritisch zu prüfen. Einschränkungen ergeben sich häufig durch: • drogeninduzierte Psychosen

1 Die Frage der psychischen Abhängigkeit wird in der Literatur kontrovers diskutiert.

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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• der Drogenabhängigkeit zugrunde liegende psychische Störungen • Infektionen [Hepatitis B- und Hepatitis C-Virusinfektionen (HBV, HCV), Infektionen

mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV)]. Wenngleich Abstinenz- und Therapiemotivation von ausschlaggebender Bedeutung für die Erfolgsprognose sind, kann jedoch auch - z. B. durch gerichtliche Auflagen induzierte - Fremdmotivation im Rahmen der Suchtrehabilitation in Eigenmotivation überführt werden. Grundlage der Rehabilitation bildet die Suchtrehabilitation unter Abstinenzbedingun-gen. Als Ausnahme ist die medizinische Rehabilitation Drogenabhängiger bei über-gangsweisem Einsatz von Methadon anzusehen. Die Methadonsubstitution kann bei ausgewählten Patienten Vorteile im Hinblick auf eine Reintegration in die Gesell-schaft und die Eindämmung der Beschaffungskriminalität sowie des Infektionsrisikos bieten. Für die medizinische Rehabilitation Drogenabhängiger bei übergangsweisem Einsatz des Substitutionsmittels Methadon gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei der drogenfreien Rehabilitation. Die Rehabilitationsfähigkeit darf durch körperliche und psychische Begleiterkrankungen nicht in Frage gestellt werden, eine Kontraindikation liegt insbesondere bei floriden Psychosen, akuter Suizidalität, einem schweren orga-nischen Psychosyndrom und bei fortgeschrittenen körperlichen Erkrankungen vor. Eine günstige Rehabilitationsprognose ist vor allem dann gegeben, wenn die Versi-cherten langfristig eine Abstinenz anstreben, über eine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung und über ein funktionsfähiges soziales Netz verfügen. Eine metha-dongestützte Rehabilitation bedarf einer besonderen Vorbereitung. Zum Abschluss dieser Vorbereitung muss der Versicherte Dosisstabilität und Beikonsumfreiheit er-reicht haben (siehe hierzu die Erläuterungen auf Seite 9). 4.4 Multipler Substanzgebrauch Störungen durch multiplen Substanzgebrauch werden in der ICD-10 unter F19 ko-diert. Diese Kodierung soll gewählt werden, wenn die Substanzaufnahme chaotisch und wahllos verläuft oder wenn Bestandteile verschiedener Substanzen untrennbar vermischt sind. Bei Mehrfachkonsum wird z. B. Alkohol vorübergehend oder längerfristig durch psy-chotrope Medikamente ersetzt. Zunehmend mehr Drogenabhängige kombinieren sedierende und antriebssteigernde Drogen im Wechsel bzw. konsumieren Drogen, Medikamente und auch Alkohol nach aktueller Verfügbarkeit. Die diagnostische Zuordnung sollte sich an den im Vordergrund stehenden Sub-stanzklassen orientieren (siehe unter den entsprechenden Abschnitten). Bei der Auswahl der geeigneten Rehabilitationseinrichtung sind nicht nur die konsumierten Substanzen, sondern auch Alter des Versicherten, Lebensumstände und die Ge-samtpersönlichkeit zu berücksichtigen.

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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Im DSM-IV wird die Kategorie Polytoxikomanie benutzt, wenn über einen Zeitraum von 12 Monaten die Person wiederholt psychotrope Substanzen aus wenigstens drei Substanzgruppen konsumiert hat (ohne Nikotin und Koffein), aber keine Substanz für sich allein dominierte. Während dieses Zeitabschnitts werden die Kriterien für eine Abhängigkeit von psychotropen Substanzen als Gruppe erfüllt, nicht jedoch für eine spezifische Substanz (DSM-IV: 304.80). Ohne Bezug auf diese Klassifizierung sollte die Benutzung des Begriffs Polytoxikomanie wegen der sonst bestehenden begriffli-chen Unschärfe eher vermieden werden. 5 Differenzielle Rehabilitationsangebote 5.1 Flexible Angebote in der medizinischen Rehabilitation Renten- und Krankenversicherungsträger haben Konzepte zur Sicherstellung einer integrierten Behandlung von Abhängigkeitskranken entwickelt mit Empfehlungen zur Rehabilitation allgemein sowie zur differenziellen Entscheidung zwischen stationärer und ambulanter Suchtrehabilitation bei Abhängigkeitskranken („Vereinbarung Ab-hängigkeitserkrankungen“ vom 04.05.2001 mit Anlagen 1 - 4, siehe Anhang 6.3). Stationäre oder ambulante Rehabilitation Eine Suchtrehabilitation beinhaltet ärztliche, psychotherapeutische, sozial- und ar-beitstherapeutische Maßnahmen sowie Elemente des Gesundheitstrainings. Die Entscheidung, ob eine stationäre oder ambulante Rehabilitation im Einzelfall ge-eignet ist, das Rehabilitationsziel zu erreichen, setzt ausreichende Informationen ü-ber den Versicherten, seine Motivation, seine soziale Situation, den Verlauf der Ab-hängigkeitserkrankung sowie den aktuellen körperlichen und psychischen Zustand voraus. Diese Informationen sollen aus dem von einer Beratungsstelle für Abhängig-keitskranke erstellten Sozialbericht und ärztlichen Unterlagen hervorgehen. Eine Kombinationstherapie (von stationärer und ambulanter Reha-Phase) hat zum Ziel, die Vorteile der einzelnen Leistungsarten entsprechend den individuellen Erfor-dernissen innerhalb eines Rehabilitationsprozesses optimal zu nutzen. In der aktuel-len Praxis bezeichnet der Begriff Kombinationstherapie eine Rehabilitation in zwei Unterformen: • entweder als verkürzte primär stationäre Rehabilitation mit einer ambulanten Ab-

schlussphase • oder als primär ambulante Rehabilitation mit stationärer intermittierender Phase

im Sinne von Vertiefung oder Krisenintervention. Die wichtigsten Kriterien bei der differenziellen Entscheidung sind: • Ausmaß der biopsychosozialen Störungen

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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• Beschaffenheit des sozialen Umfelds des Abhängigkeitskranken hinsichtlich einer unterstützenden Funktion

• berufliche Integration des Abhängigkeitskranken. Arbeitslosigkeit oder Nicht-

Erwerbstätigkeit aus anderen Gründen schließt eine ambulante Entwöhnung nicht aus.

• Existenz einer stabilen Wohnsituation • Fähigkeit des Rehabilitanden zur aktiven Mitarbeit, zur regelmäßigen Teilnahme

und zur Einhaltung des Therapieplans • Fähigkeit zur Einhaltung der Abstinenz • Dauer und Intensität der Abhängigkeitserkrankung • Einschätzung des Rehabilitanden und der betreuenden Suchtberatungsstelle. Das komplexe Ineinandergreifen der genannten Kriterien macht die eindeutige diffe-renzielle Indikationsstellung schwierig und muss sich daher immer auf die speziellen Aspekte des Einzelfalles beziehen. Dauer der Rehabilitation Im stationären Bereich werden bei Rehabilitationsbedürftigkeit durch Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit Langzeittherapien von bis zu 10 bis 16 Wochen Dauer je nach Konzept der Rehabilitationseinrichtung durchgeführt. Darüber hinaus gibt es sogenannte Kurzzeittherapien über acht Wochen. Bei Drogenabhängigkeit dauern Langzeittherapien bis zu 26 Wochen und Kurzzeittherapien 12 bis 16 Wochen. Die sogenannten Kurzzeittherapien setzen voraus, dass einerseits ambulante Leistungen allein nicht ausreichend sind, andererseits bereits vor Antritt der stationären Rehabili-tation eine weitgehend stabile Therapiemotivation durch ambulante Vorbetreuung gewährleistet und ein weitgehend stabiles soziales Umfeld gegeben ist. Schwere Folge- oder Begleiterkrankungen sollten nicht vorliegen. Ambulante Rehabilitation in teilstationärer Form dauert in der Regel 12 Wochen bei Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit, 16 Wochen bei Drogenabhängigkeit. Ambulante Suchtrehabilitationen sind längerfristige Leistungen mit einer Dauer von bis zu 18 Monaten. Während dieser Zeit können maximal 120 therapeutische Einzel- oder Gruppengespräche sowie - wenn erforderlich - bis zu 12 therapeutische Ge-spräche für Bezugspersonen erfolgen. Ambulante Rehabilitationsnachsorge Nur im Anschluss an stationäre Suchtrehabilitationen können, wenn alleiniger Selbsthilfegruppenanschluss seitens der Suchtfachklinik nicht als ausreichend erach-tet wird, zur Sicherung des Therapiezieles Leistungen zur ambulanten Nachsorge vorgesehen werden. In dem Zeitraum von einem halben Jahr können 20 therapeuti-

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sche Einzel- oder Gruppensitzungen sowie bis zu zwei Therapiegespräche für Be-zugspersonen durchgeführt werden. Adaption Wenn Abhängigkeitskranken die Entwöhnungstherapie in einer Einrichtung für Ab-hängigkeitskranke aufgrund der spezifischen Auswirkungen und Folgen der Abhän-gigkeit zum Erreichen des Rehabilitationszieles nicht ausreicht - insbesondere bei erheblicher Rückfallgefährdung durch Wohnungs- und Arbeitslosigkeit -, muss unter Alltagsbedingungen erprobt werden, ob der Versicherte den Anforderungen des Er-werbslebens und der eigenverantwortlichen Lebensführung gewachsen ist. Daher gilt eine Adaption als Bestandteil der medizinischen Leistung zur Rehabilitation in einer Phase der Öffnung nach außen, der Erprobung der Therapieergebnisse und der Hin-führung auf einen Entwicklungsstand, der den Versicherten in die Lage versetzt, sich eigenständig im Erwerbsleben und im Alltag zu behaupten. Die Adaptionsphase ist in das Gesamtleistungssystem für Abhängigkeitskranke ein-gebettet und umfasst die Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit des Versicherten, eine Hilfestellung zur Vorbereitung der selbständigen Lebensführung sowie therapeutische Leistungen der Einzel- und Gruppentherapie in begleitender und in ihrer Intensität abnehmender Form. In aller Regel schließt sich die Adaptions-phase nahtlos an die Behandlungsphase (Entwöhnung) als zweiter Bestandteil der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation an. Die Dauer beträgt bis zu 16 Wo-chen. 5.2 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Auch bei Versicherten mit einer Abhängigkeitserkrankung ist eine Erwerbstätigkeit durch die Bestreitung des Lebensunterhaltes von zentraler Bedeutung, darüber hin-aus leitet sich ein großer Teil sozialer Beziehungen und Rollen aus der beruflichen Stellung ab. Frühzeitig vorgesehene Leistungen zur beruflichen Wiedereingliederung haben einen motivationsfördernden Effekt auf die Suchtrehabilitation. Eine erfolgrei-che Wiedereingliederung Abhängigkeitskranker trägt zur Abstinenz und zur Stabilität bei und kann damit den Rehabilitationserfolg langfristig sichern. Nach erfolgreich absolvierter Entwöhnungsbehandlung liegt in der Regel bei beste-hendem Arbeitsverhältnis hinsichtlich der Suchterkrankung keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit vor. Das negative Leistungsbild wird einerseits determiniert durch Leistungseinschrän-kungen bedingt durch Grund-, Folge- oder Begleiterkrankungen - hier ist insbesonde-re auf die Häufigkeit der Verknüpfung mit psychischen Erkrankungen zu verweisen -, andererseits durch anhaltende Exposition gegenüber dem Suchtstoff. Eine Indikation für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufsfördernde Leis-tungen) kann sich demnach aus Grund-, Folge- und Begleiterkrankungen (siehe hier-zu unter „Leitlinien zur Rehabilitationsbedürftigkeit“ der betreffenden Diagnosen bzw. Fachgebiete) ergeben, z. B. bei Leistungseinschränkungen durch

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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• Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems (z. B. zerebelläre A-

taxie, Polyneuropathie) sowie psychische Störungen (z. B. angstneurotische Fehl-entwicklung, schwere Persönlichkeitsstörung)

• Krankheiten des Gastrointestinaltraktes (z. B. Leberzirrhose, chronische Pankrea-

titis) oder • kardiovaskuläre Erkrankungen (z. B. Kardiomyopathie, arterielle Hypertonie). Im Einzelfall können - bei fehlenden Folge- oder Begleiterkrankungen - Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach erfolgreicher Suchtrehabilitation, aber weiterbe-stehender erhöhter Rückfallgefährdung, in Berufen mit besonderer Suchtmittelexpo-sition sinnvoll sein, z. B. bei: • ständigem beruflichen Umgang mit Suchtstoffen in Verbindung mit hoher psychi-

scher Belastung im medizinisch-pflegerischen Bereich • branchenüblichem Umgang mit Alkohol im Hotel- und Gaststättengewerbe, aber

auch bei Außendienstmitarbeitern. Bei Langzeitarbeitslosigkeit stellen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - wie etwa Wiedereingliederungsmaßnahmen - einen wichtigen Faktor zur Stabilisierung der sozialen Situation und somit zur Sicherung des Erfolges der medizinischen Re-habilitation einschließlich Adaption dar. Zur differenziellen Indikationsstellung für un-terschiedliche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wird auf die entsprechenden Leitlinien zur Rehabilitationsbedürftigkeit verwiesen. Wesentlich ist die Entscheidung auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen und die nahtlose Einleitung der indi-zierten und differenziell begründeten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Anschluss an die Suchtrehabilitation unter Berücksichtigung der Komorbidität. Bei Antragstellern auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit manifester Suchterkrankung ist nicht von Belastbarkeit für die Anforderungen der Rehabilitation auszugehen. Vor eventuell indizierten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist zunächst eine erfolgreich absolvierte Suchtrehabilitation zu fordern. Dazu sind den Versicherten geeignete Wege aufzuzeigen, z. B. das Angebot einer Entwöhnungsbe-handlung, wenn aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen Motivation und Er-folgsaussicht erkennbar sind, oder die Empfehlung, einen Antrag auf eine Suchtre-habilitation zu stellen unter Hinweis auf die Notwendigkeit der vorherigen Kontaktauf-nahme mit einer Suchtberatungsstelle zur Vorbetreuung und zum Erstellen eines So-zialberichtes. 5.3 Pathologisches Glücksspiel Neben der Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankungen“ mit den Anlagen 1 - 4 (siehe Anhang 6.3) gelten seit März 2001 - hier für eine nicht substanzgebundene Abhän-gigkeit - die „Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen und Renten-versicherungsträger für die medizinische Rehabilitation bei pathologischem Glücks-spiel“. Darin werden Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsziele, Rehabilitations-

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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leistungen, Anforderungen an behandelnde Einrichtungen und die Nachsorge für vier Gruppen von Glückspielern beschrieben. Einrichtungen für Abhängigkeitskrankheiten oder psychosomatische Erkrankungen, die ein glücksspielerspezifisches Angebot entwickelt haben, werden jeweils einer der vier Glücksspieler-Gruppen zugeordnet. 6 Anhang 6.1 ICD-10

(„Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“, nach „International Statistical Classification of Di-seases and Related Health Problems“, 10. Revision, World Health Organiza-tion 1992)

Klassifikation psychischer Störungen (von Dilling u. a., ICD-10, 1991) F 1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen F 10 Störungen durch Alkohol F 11 Opioide F 12 Cannabinoide F 13 Sedativa oder Hypnotika F 14 Kokain F 15 andere Stimulantien, einschl. Koffein F 16 Halluzinogene F 17 Tabak F 18 flüchtige Lösungsmittel F 19 multiplen Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotro-

per Substanzen Die vierte und fünfte Stelle beschreiben das klinische Erscheinungsbild: F1x.0 akute Intoxikation .00 ohne Komplikationen .01 mit Verletzung oder anderer körperlicher Schädigung .02 mit anderer medizinischer Komplikation .03 mit Delir .04 mit Wahrnehmungsstörungen .05 mit Koma .06 mit Krampfanfällen .07 pathologischer Rausch (nur auf Alkohol anwendbar)

F1x.1 schädlicher Gebrauch

F1x.2 Abhängigkeitssyndrom .20 gegenwärtig abstinent .21 gegenwärtig abstinent, aber in beschützender Umgebung .22 gegenwärtig Teilnahme an einem ärztlich überwachten Ersatzdrogenprogramm

(z. B. Methadon) .23 gegenwärtig abstinent, aber in Behandlung mit aversiven oder hemmenden Medi-

kamenten (z. B. Naloxon oder Disulfiram)

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.24 gegenwärtiger Substanzgebrauch .25 ständiger Substanzgebrauch .26 episodischer Substanzgebrauch (Dipsomanie)

F1x.3 Entzugssyndrom .30 ohne Komplikationen .31 mit Krampfanfällen

F1x.4 Entzugssyndrom mit Delir .40 ohne Krampfanfälle .41 mit Krampfanfällen

F1x.5 psychotische Störung .50 schizophreniform .51 vorwiegend wahnhaft .52 vorwiegend halluzinatorisch .53 vorwiegend polymorph .54 vorwiegend depressive Symptome .55 vorwiegend manische Symptome .56 gemischt

F1x.6 durch Alkohol oder psychotrope Substanzen bedingtes amnestisches Syndrom

F1x.7 durch Alkohol oder psychotrope Substanzen bedingter Restzustand und verzögert

auftretende psychotische Störung .70 Nachhallzustände (flashbacks) .71 Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung .72 affektives Zustandsbild .73 Demenz .74 andere anhaltende kognitive Beeinträchtigung .75 verzögert auftretende psychotische Störung

F1x.8 andere durch Alkohol oder psychotrope Substanzen bedingte psychische oder

Verhaltensstörungen

F1x.9 nicht näher bezeichnete durch Alkohol oder psychotrope Substanzen bedingte

psychische oder Verhaltensstörung Laut ICD-10 soll die Diagnose Abhängigkeitssyndrom (F1x.2) nur gestellt werden, wenn irgendwann während des letzten Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien vorhanden waren: 1. Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, Substanzen oder Alkohol zu konsumieren. 2. Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des

Substanz- oder Alkoholkonsums. 3. Substanzgebrauch mit dem Ziel, Entzugssymptome zu mildern, und der entsprechenden

positiven Erfahrung. 4. Ein körperliches Entzugssyndrom.

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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5. Nachweis einer Toleranz. Um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichten Wirkun-gen der Substanz hervorzurufen, sind zunehmend höhere Dosen erforderlich.

6. Ein eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit Alkohol oder der Substanz wie z.B. die Tendenz, Alkohol an Werktagen wie an Wochenenden zu trinken und die Regeln eines gesellschaftlich üblichen Trinkverhaltens außer acht zu lassen.

7. Fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums.

8. Anhaltender Substanz- oder Alkoholkonsum trotz Nachweises eindeutiger schädlicher Folgen. Die schädlichen Folgen können körperlicher Art sein, wie z. B. Leberschädigung durch exzessives Trinken, oder sozial, wie Arbeitsplatzverlust durch eine substanzbeding-te Leistungseinbuße, oder psychisch, wie bei depressiven Zuständen nach massivem Substanzkonsum.

Der weiteren Unterteilung des Abhängigkeitssyndroms dienen die fünften Stellen der ICD-10-Codierung, siehe weiter oben unter F 1x.20 - 26. Von der Abhängigkeit werden laut ICD-10 u. a. abgegrenzt: − Schädlicher Gebrauch psychotroper Subtanzen (F1x.1) liegt vor bei einem Konsumver-

halten, das zu einer Gesundheitsschädigung führt (körperliche oder psychische Störung). − Missbrauch von Substanzen, die keine Abhängigkeit hervorrufen (F55), betreffen insbe-

sondere Antidepressiva, Laxantien und Analgetika. Wenn auch kein Abhängigkeitssyn-drom resultiert, kommt es jedoch häufig zu schädlichen körperlichen Auswirkungen.

6.2 DSM-IV

(„Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen“, nach 4. Auflage des „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“, American Psychiatric Association 1994)

Nach der DSM-IV-Klassifikation wird von Abhängigkeit ausgegangen, wenn sich mindes-tens drei der folgenden Kriterien manifestieren, die zu irgend einer Zeit in demselben 12-Monats-Zeitraum auftreten (DSM-IV, 1996): 1. Toleranzentwicklung, definiert durch eines der folgenden Kriterien:

a) Verlangen nach ausgeprägter Dosissteigerung, um einen Intoxikationszustand oder erwünschten Effekt herbeizuführen

b) deutlich verminderte Wirkung bei fortgesetzter Einnahme derselben Dosis. 2. Entzugssymptome, die sich durch eines der folgenden Kriterien äußern:

a) charakteristisches Entzugssyndrom der jeweiligen Substanz b) dieselbe (oder eine sehr ähnliche) Substanz wird eingenommen, um Entzugssympto-

me zu lindern oder zu vermeiden. 3. Die Substanz wird häufig in größeren Mengen oder länger als beabsichtigt eingenommen. 4. Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche, den Substanzgebrauch zu verringern oder

zu kontrollieren. 5. Viel Zeit für Aktivitäten, um die Substanz zu beschaffen (z. B. Besuch verschiedener Ärzte

oder Fahrt langer Strecken), sie zu sich zu nehmen (z. B. Kettenrauchen) oder sich von ihren Wirkungen zu erholen.

6. Wichtige soziale, berufliche oder Freizeitaktivitäten werden aufgrund des Substanzmiss-brauchs aufgegeben oder eingeschränkt.

7. Fortgesetzter Substanzmissbrauch trotz Kenntnis eines anhaltenden oder wiederkehren-den körperlichen oder psychischen Problems, das wahrscheinlich durch den Substanz-

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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missbrauch verursacht oder verstärkt wurde (z. B. fortgesetzter Kokainmissbrauch trotz des Erkennens kokaininduzierter Depressionen oder trotz des Erkennens, dass sich ein Ulkus durch Alkoholkonsum verschlechtert).

Nach dem DSM-IV sind Toleranzentwicklung und Entzugserscheinungen weder notwendig noch hinreichend für die Diagnose der Substanzabhängigkeit. Bei Cannabisabhängigkeit kann z. B. zwanghafter Substanzgebrauch vorliegen, ohne dass Zeichen der Toleranz oder des Entzugs auftreten. Umgekehrt können Patienten eine Toleranz auf postoperativ verord-nete Opiate mit Entzugssymptomen entwickeln, ohne dass ein zwanghafter Substanz-gebrauch vorliegt. In dem DSM-IV werden die Zusatzkodierungen „Mit körperlicher Abhän-gigkeit“ und „Ohne körperliche Abhängigkeit“ vorgeschlagen, um Vorhandensein oder Fehlen von Toleranzentwicklung und Entzugssymptomen anzuzeigen. Bei Personen „Ohne körperli-che Abhängigkeit“ ist die Substanzabhängigkeit durch zwanghaften Substanzgebrauch ge-kennzeichnet und muss mindestens drei der Kriterien 3. - 7. aufweisen. Zusätzliche auf den Verlauf bezogene Kodierungen betreffen die Remission hinsichtlich der Dauer und des Ausmaßes der Abstinenz. Im Gegensatz zu den Kriterien der Abhängigkeit umfassen diejenigen für den Missbrauch einer Substanz keine Toleranzentwicklung, keine Entzugssymptome und kein Muster zwanghaften Substanzgebrauchs. Substanzmissbrauch führt in klinisch bedeutsamer Weise zu Beeinträchtigungen oder Leiden, wobei sich mindestens eines der folgenden Kriterien innerhalb desselben 12-Monats-Zeitraums manifestiert: 1. Wiederholter Substanzgebrauch, der zu einem Versagen bei der Erfüllung wichtiger Ver-

pflichtungen bei der Arbeit, in der Schule oder zu Hause führt (z. B. wiederholtes Fern-bleiben von der Arbeit und schlechte Arbeitsleistungen in Zusammenhang mit dem Sub-stanzgebrauch, Schuleschwänzen, Einstellen des Schulbesuchs oder Ausschluss von der Schule in Zusammenhang mit Substanzgebrauch, Vernachlässigung von Kindern und Haushalt).

2. Wiederholter Substanzgebrauch in Situationen, in denen es aufgrund des Konsums zu einer körperlichen Gefährdung kommen kann (z. B. Alkohol am Steuer oder das Bedienen von Maschinen unter Substanzeinfluss).

3. Wiederkehrende Probleme mit dem Gesetz in Zusammenhang mit dem Substanz-gebrauch (Verhaftungen aufgrund ungebührlichen Betragens in Zusammenhang mit dem Substanzgebrauch).

4. Fortgesetzter Substanzgebrauch trotz ständiger oder wiederholter sozialer oder zwi-schenmenschlicher Probleme, die durch die Auswirkungen der psychotropen Substanz verursacht oder verstärkt werden (z. B. Streit mit dem Ehegatten über die Folgen der Into-xikation, körperliche Auseinandersetzungen).

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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6.3 Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankungen“

Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankungen“

vom 04.05.2001

Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger bei der Akutbehandlung (Entzugsbehandlung) und medizinischen Rehabilitation (Entwöh-nungsbehandlung) Abhängigkeitskranker zwischen

dem AOK-Bundesverband dem Bundesverband der Betriebskrankenkassen

dem IKK-Bundesverband der See-Krankenkasse

dem Bundesverband der landwirtschaftlichen Krankenkassen der Bundesknappschaft

dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. dem AEV - Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V.

und dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger

dem Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen

(Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankungen“) vom 04.05.2001

§ 1 Gegenstand

(1) Die Vereinbarung regelt die Zuständigkeit und das Verfahren bei der Bewilligung von Leistungen für Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängige (Abhängigkeitskranke), wenn Leistungen der Krankenversicherung und/oder der Rentenversicherung1 in Be-tracht kommen. Zudem definiert sie die an die Rehabilitationseinrichtungen zu stellen-den Anforderungen (Anlagen 1 und 2).

(2) Eine Abhängigkeit i.S. der Vereinbarung liegt vor bei − Unfähigkeit zur Abstinenz oder − Verlust der Selbstkontrolle oder − periodischem Auftreten eines dieser beiden Symptome.

(3) Leistungen i. S. dieser Vereinbarung sind ambulante2 und stationäre Entwöhnungs- so-wie Entzugsbehandlungen.

§ 2

Ziele der medizinischen Rehabilitation (1) Ziele der medizinischen Rehabilitation sind:

- Abstinenz zu erreichen und zu erhalten, - körperliche und seelische Störungen weitgehend zu beheben oder auszugleichen,

1 einschließlich der Alterssicherung der Landwirte 2 „ambulante Rehabilitation“ umfasst auch teilstationäre Rehabilitation

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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- die Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft möglichst dauerhaft zu erhalten bzw. zu erreichen.

(2) Zielvorstellungen für die medizinische Rehabilitation Drogenabhängiger in Rehabilitati-onseinrichtungen für Abhängigkeitskranke bei übergangsweisem Einsatz eines Substitu-tionsmittels sind darüber hinaus in Anlage 4 geregelt.

§ 3

Entwöhnungsbehandlungen (1) Eine Entwöhnungsbehandlung wird bewilligt, wenn

− die persönlichen/medizinischen (Rehabilitationsbedürftigkeit , -fähigkeit und -prognose) und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind und kein ge-setzlicher Ausschlusstatbestand gegeben ist,

− Maßnahmen der Beratung und Motivierung vorangegangen sind und − der Abhängigkeitskranke motiviert und zudem bereit ist, eine ggf. erforderliche

Nachsorge in Anspruch zu nehmen. (2) Vor der Entwöhnungsbehandlung muss erforderlichenfalls eine Entzugsbehandlung

(§ 4) durchgeführt worden sein. (3) Kriterien, die bei der Entscheidung über die im Einzelfall zweckmäßige Leistungsform zu

berücksichtigen sind, ergeben sich aus der Anlage 3. (4) Art, Ort, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Entwöhnungsbehandlungen be-

stimmt der Rehabilitationsträger unter Berücksichtigung der Schwere der Krankheit und der persönlichen Verhältnisse des Abhängigkeitskranken. Die im Sozialbericht hierzu enthaltenen Anregungen sollen angemessen berücksichtigt werden. Berechtigten Wün-schen des Abhängigkeitskranken wird entsprochen. Die Grundsätze der Wirtschaftlich-keit und Sparsamkeit sind zu beachten.

§ 4

Entzugsbehandlungen (1) Eine Entzugsbehandlung im Sinne dieser Vereinbarung wird durchgeführt, um die Re-

habilitationsfähigkeit zu erreichen. Sie erfolgt durch Vertragsärzte und Krankenhäuser. Die medizinische Notwendigkeit ist von einem Arzt festzustellen.

(2) An die Entzugsbehandlung soll sich eine erforderliche Entwöhnungsbehandlung nahtlos anschließen, sofern der Patient entsprechend motiviert ist.

§ 5

Zuständigkeit (1) Für die Bewilligung der Entwöhnungsbehandlung (§ 3) ist zuständig

1. der Rentenversicherungsträger, wenn die persönlichen und versicherungsrechtli-chen Voraussetzungen nach §§ 9 bis 11 SGB VI (§§ 7 und 8 ALG) erfüllt sind und kein gesetzlicher Ausschlusstatbestand gegeben ist,

2. die Krankenkasse, wenn die Voraussetzungen nach Nr. 1 nicht vorliegen, jedoch die Voraussetzungen der §§ 27 und 40 SGB V erfüllt sind.

(2) Für die Entzugsbehandlung (§ 4) ist die Krankenkasse zuständig.

§ 6 Verfahren

(1) Der Antrag auf medizinische Leistungen zur Rehabilitation ist unter Verwendung der dafür vorgesehenen Vordrucke zu stellen. Dem Antrag sind beizufügen: − ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, des Gutach-

terdienstes bzw. eines Gutachters der Rentenversicherung oder ein ärztlicher Be-fundbericht über die medizinische Notwendigkeit der Rehabilitation mit Prognose (§ 3 Abs. 1) auf Vordruck1 und

− ein aussagekräftiger, fachgerecht erstellter Sozialbericht auf Vordruck.

1 ggf. ist der Vordruck der Krankenversicherung zu verwenden

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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(2) Der zuständige Rehabilitationsträger entscheidet bei Vorliegen der vollständigen An-tragsunterlagen unverzüglich über den Antrag. Bei Zuständigkeit des Rentenversiche-rungsträgers informiert dieser die Krankenkasse über seine Entscheidung. Ist vor der Entwöhnungsbehandlung eine Entzugsbehandlung erforderlich, leitet der be-handelnde Arzt diese ein. Im Interesse eines nahtlosen Übergangs ist ggf. der Antrag auf eine Entwöhnungsbehandlung rechtzeitig vor Beendigung der Entzugsbehandlung dem zuständigen Rehabilitationsträger zu übermitteln. Dabei sollen sich die Kranken-kasse und der Rentenversicherungsträger über Beginn und Dauer der Entzugsbehand-lung sowie über den Beginn der Entwöhnungsbehandlung abstimmen.

(3) Ist der Antrag bei einer Krankenkasse gestellt worden und hält diese den Rentenversi-cherungsträger für zuständig (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1), leitet sie die Antragsunterlagen un-verzüglich an den Rentenversicherungsträger weiter.

(4) Im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften können besondere Absprachen über das Ver-fahren getroffen werden.

(5) Für einen Wechsel der Leistungsform ist grundsätzlich eine Zustimmungserklärung des Versicherten erforderlich. Dem Rehabilitationsträger ist außerdem zur Entscheidung rechtzeitig ein Zwischenbericht im Sinne eines vorläufigen Entlassungsberichtes zuzu-leiten, der insbesondere zu dem Verlauf der bisherigen Rehabilitationsleistungen, den Gründen für ihre Beendigung, der weiteren Rehabilitationsbedürftigkeit und der Notwen-digkeit und Erfolgsaussicht eines Wechsels der Leistungsform Stellung nehmen muss. Hinsichtlich der Entscheidung über den Wechsel gilt Abs. 2 Satz 1 entsprechend.

(6) Ist im Anschluss an eine Entwöhnungsbehandlung eine Nachsorgeleistung erforderlich und ist hierfür der Rentenversicherungsträger oder die Krankenkasse zuständig, bedarf es neben der Zustimmungserklärung des Versicherten einer ärztlichen Bescheinigung über die Notwendigkeit der Leistung. Insbesondere ist darzulegen, warum der Anschluss an eine Selbsthilfe- bzw. Abstinenzgruppe für den Abhängigkeitskranken nicht ausreicht.

§ 7

Leistungsumfang Medizinische Leistungen zur Rehabilitation werden für den Zeitraum erbracht, der erforder-lich ist, um das Rehabilitationsziel zu erreichen. Die Leistungsform richtet sich nach dem individuellen Rehabilitationsbedarf. Wechsel der Leistungsformen sind hierbei möglich. [Abs.2 gestrichen]

§ 8 Finanzierung

(1) Die Vergütungssätze für medizinische Leistungen zur Rehabilitation werden zwischen den Rehabilitationsträgern und den Leistungserbringern gesondert vereinbart.

(2) Die Kosten für die Leistungen zur ambulanten medizinischen Rehabilitation, soweit sie ausschließlich therapeutische Einzel- bzw. Gruppengespräche enthalten, werden pau-schaliert vergütet. Über die Höhe der Pauschale stimmen sich die Krankenkassen und die Rentenversicherungsträger ab.

§ 9

Änderung, Kündigung (1) Die Partner der Vereinbarung prüfen in angemessenen Zeitabständen, ob die Vereinba-

rung aufgrund zwischenzeitlich gewonnener Erfahrungen verbessert oder wesentlich geänderten Verhältnissen angepasst werden muss.

(2) Die Vereinbarung kann mit dreimonatiger Frist zum Ende eines Kalenderjahres von den Vertragspartnern gekündigt werden.

§ 10

Inkrafttreten (1) Die Vereinbarung tritt am 01.07.2001 in Kraft. (2) Sie gilt für alle Fälle, in denen der Antrag auf medizinische Leistungen zur Rehabilitation

(§ 6 Abs.1) nach dem Inkrafttreten der Vereinbarung gestellt wurde. Sie ersetzt die „Emp-

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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fehlungsvereinbarung über die Zusammenarbeit der Krankenversicherungsträger und der Rentenversicherungsträger bei der Rehabilitation Abhängigkeitskranker vom 20.11.1978“ und die „Empfehlungsvereinbarung der Spitzenverbände der Kranken- und Rentenversi-cherungsträger über die Leistungen der ambulanten Rehabilitation Alkohol-, Medikamen-ten- und Drogenabhängiger vom 29.01.1991“ i.d.F. vom 05.11.1996. Die Anlagen 1 und 2 Vereinbarung ersetzen die Anlagen 1 und 2 des Gesamtkonzeptes zur Rehabilitation von Abhängigkeitskranken (Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängige) vom 15. Mai 1985. Die Gemeinsamen Leitlinien der Kranken- und Rentenversicherungsträger für die Entscheidung zwischen ambulanter und stationärer Entwöhnung bei Abhängigkeits-erkrankungen vom 09.03.1995 werden durch die Anlage 3 der Vereinbarung abgelöst.

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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Anlage 1 zur "Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen" vom 04.05.2001:

Anforderungen an die Einrichtungen zur Durchführung ambulanter

medizinischer Leistungen zur Rehabilitation

0. Für die Durchführung ambulanter Entwöhnungsbehandlungen kommen Einrichtungen

in Betracht, die mindestens die nachstehend genannten Voraussetzungen erfüllen: 1. Der Träger der Einrichtung muss

1.1 Mitglied in einem Verband der Freien Wohlfahrtspflege sein oder 1.2 juristische Person des öffentlichen Rechts sein oder 1.3 eine Anerkennung als gemeinnützige Einrichtung besitzen oder 1.4 ein privater Träger sein und über eine Konzession nach § 30 der Gewerbeord-

nung verfügen. 2. Die Einrichtung muss ein wissenschaftlich begründetes Therapiekonzept vorlegen, das

u.a. Aussagen zum diagnostischen Vorgehen, zu den Leistungen und zu den therapeu-tischen Zielen einschließlich der Leistungsdauer enthält. Die Einrichtung muss bereit sein, sich an Qualitätssicherungsprogrammen einschließlich Effektivitätskontrollen zu beteiligen und die durchgeführten Leistungen dokumentieren. Die Einrichtung muss unabhängig von dem im Rahmen der Rehabilitation finanzierten Leistungsspektrum über ein integriertes Programm zur Betreuung Abhängigkeitskran-ker im ambulanten Bereich verfügen. Zu dem integrierten Programm der Einrichtung gehören insbesondere • Diagnostik und Indikationsstellung • Motivationsklärung und Motivierung • therapeutische Einzel- und Gruppengespräche • Beteiligung der Bezugspersonen am therapeutischen Prozess • begleitende Hilfen im sozialen Umfeld • Krisenintervention • Vorbereitung der stationären Leistungen zur Rehabilitation • ggf. Zusammenarbeit im Therapieverbund (ambulante und stationäre Einrichtun-

gen) • Hilfe zur Selbsthilfe • Prävention. In dem Therapiekonzept ist darzustellen, wie die ambulante Rehabilitation in das ge-samte Programm der Einrichtung integriert ist. Die Einrichtung kann auch gemeinsam von verschiedenen Trägern der Suchtkranken-hilfe im Verbund organisiert sein.

3. In der Einrichtung müssen auf dem Gebiet der Suchtkrankenarbeit qualifizierte und

erfahrene • Ärzte, • approbierte psychologische Psychotherapeuten oder Diplom-Psychologen und • Diplom-Sozialarbeiter/Diplom-Sozialpädagogen

regelmäßig und verantwortlich zusammenarbeiten. Je nach Ausrichtung des Therapiekonzeptes müssen darüber hinaus weitere Thera-

peuten (z.B. Ergotherapeuten, Sporttherapeuten) in ausreichender Zahl und ggf. auch medizinisches Hilfspersonal vorhanden sein.

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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4. Mindestens 3 therapeutische Mitarbeiter, in der Regel Diplom-Psychologen oder ap-probierte psychologische Psychotherapeuten und Diplom-Sozialarbeiter/Diplom-Sozialpädagogen, müssen hauptberuflich in der Einrichtung tätig sein.

5. Zu den Aufgaben des Arztes gehören neben der therapeutischen Tätigkeit vor allem:

• Verantwortliche Leistungserbringung • Anamneseerhebung, allgemeinärztliche Untersuchung • Informationsaustausch mit niedergelassenen Ärzten • ggf. Empfehlung weiterer Diagnostik und Therapie sowie Kontakt mit den

behandelnden Ärzten • Indikationsstellung • Teilnahme an Fall- und Teambesprechungen • ggf. Zwischenuntersuchung • Abschlussuntersuchung • Verantwortliches Erstellen eines qualifizierten Entlassungsberichtes im Zusam-

menwirken mit den anderen Therapeuten. 6. Die therapeutisch tätigen Mitarbeiter müssen eine geeignete Weiterbildung auf

psychotherapeutischer Grundlage haben. Als Weiterbildung kommen z.B. in Be-tracht: • für Ärzte und Diplom-Psychologen: Weiterbildungen entsprechend den Empfeh-

lungsrichtlinien der Bundesärztekammer und Landesärztekammern und dem Psychotherapeutengesetz oder

• für Diplom-Sozialarbeiter und Diplom-Sozialpädagogen tätigkeitsfeldspezifi-sche, d.h. auf die Indikation ”Sucht” ausgerichtete Weiterbildungsgänge.

Im übrigen wird auf den Kriterienkatalog für die Beurteilung von Weiterbildungen für Einzel- und Gruppentherapeuten - Tätigkeitsfeld Sucht - von 1992 verwiesen1.

7. Regelmäßige Fortbildung und externe Supervision des therapeutisch tätigen Personals

sind sicherzustellen. 8. Bei der Durchführung therapeutischer Gruppengespräche soll die Gruppenstärke

• für Alkohol- und Medikamentenabhängige bei 10 bis 12 Patienten und • für Drogenabhängige bei 6 bis 8 Patienten liegen.

1 vgl. Grigoleit, H./ Hüllinghorst, R./ Wenig, M. (Hrsg.): Handbuch Sucht, Sankt Augustin 2000; DRV

1992, S.474 ff.

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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Anlage 2 zur "Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen" vom 04.05.2001

Anforderungen an die Einrichtungen zur Durchführung stationärer medizini-scher Leistungen zur Rehabilitation

0. Einrichtungen zur Entwöhnungsbehandlung Abhängigkeitskranker können belegt wer-

den, wenn sie mindestens die nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen erfüllen und ein entsprechender Bedarf an Plätzen vorhanden ist:

1. Der Träger der Einrichtung muss 1.1 Mitglied in einem Verband der Freien Wohlfahrtspflege sein oder 1.2 juristische Person des öffentlichen Rechts sein oder 1.3 eine Anerkennung als gemeinnützige Einrichtung besitzen oder 1.4 ein privater Träger sein und über eine Konzession nach § 30 der Gewerbeord-

nung verfügen. Für die Belegung durch die gesetzlichen Krankenkassen ist der Abschluss eines

Versorgungsvertrages nach § 111 SGB V Voraussetzung. 2. Die Einrichtung muss ein wissenschaftlich begründetes Therapiekonzept vorlegen, das

u.a. Aussagen zum diagnostischen Vorgehen, zu den Leistungen und zu den therapeu-tischen Zielen einschließlich der Leistungsdauer enthält.

3. Die Einrichtung muss bereit sein, sich an Qualitätssicherungsprogrammen einschließ-

lich Effektivitätskontrollen zu beteiligen und die durchgeführten Leistungen dokumen-tieren.

4. In der Einrichtung müssen auf dem Gebiet der Suchtkrankenarbeit qualifizierte und

erfahrene 4.1 Ärzte, 4.2 approbierte psychologische Psychotherapeuten oder Diplom-Psychologen 4.3 Diplom-Sozialarbeiter/Diplom-Sozialpädagogen sowie

4.4 Ergotherapeuten (i.S.d. Ergotherapeutengesetzes), Arbeitserzieher oder andere Mitarbeiter mit vergleichbarer (gleichwertiger) Qualifikation

zur Verfügung stehen. Sie müssen eine geeignete Weiterbildung haben:

• als Ärzte und Diplom-Psychologen: Weiterbildungen entsprechend den Empfeh-lungsrichtlinien der Bundesärztekammer und Landesärztekammern und dem Psychotherapeutengesetz, oder

• als Diplom-Sozialarbeiter und Diplom-Sozialpädagogen tätigkeitsfeldspezifische, d.h. auf die Indikation ”Sucht” ausgerichtete Weiterbildungsgänge.

Im Übrigen wird auf den Kriterienkatalog für die Beurteilung von Weiterbildungen für Einzel- und Gruppentherapeuten - Tätigkeitsfeld Sucht - von 1992 verwiesen1.

5. Die Einrichtung muss einen ärztlichen Leiter haben. Dieser ärztliche Leiter soll die Wei-

terbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder zum Facharzt für Psychotherapeutische Medizin abgeschlossen haben oder eine andere Facharztquali-fikation (z.B. Psychiater, Internist, Allgemeinmediziner) mit der Zusatzbezeichnung „Psychotherapie“ oder „Psychoanalyse“ besitzen. Im Leitungsteam müssen außerdem die Fachbereiche Psychologie und Sozialarbeit vertreten sein.

1 vgl. Grigoleit, H./ Hüllinghorst, R./ Wenig, M. (Hrsg.): Handbuch Sucht, Sankt Augustin 2000; DRV

1992, S.474 ff.

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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Zur abgestimmten Planung und Umsetzung der Rehabilitationsziele ist die interdiszipli-näre Zusammenarbeit des Rehabilitationsteams sicherzustellen.

6. In der Einrichtung muss eine in Psychotherapie ausgebildete Fachkraft vorhanden

sein. Dabei kann es sich um einen Arzt oder einen approbierten psychologischen Psy-chotherapeuten oder einen klinischen Diplom-Psychologen oder einen Diplom-Psychologen mit vergleichbarer Aus- oder Weiterbildung handeln.

7. Für die Gruppen- und Einzeltherapie soll

• bei Alkohol- und Medikamentenabhängigen für jeweils 10 bis 12 Patienten • bei Drogenabhängigen für jeweils 6 bis 8 Patienten

einer der unter 4.1 bis 4.3 aufgeführten Therapeuten zur Verfügung stehen. Dieser Therapeut soll zugleich die Hauptbezugsperson für diese Patientengruppe sein. Darüber hinaus sollen weitere übergreifend tätige Therapeuten (z.B. Ergotherapeuten, Sporttherapeuten) in ausreichender Zahl und ggf. auch medizinisches Hilfspersonal vorhanden sein.

8. Die regelmäßige Fortbildung und externe Supervision des therapeutisch tätigen Perso-

nals sind sicherzustellen. 9. Der Einrichtung muss, ggf. im Wege der Kooperation mit einem fremden Labor, ein

nach den anerkannten Regeln der inneren und äußeren Qualitätskontrolle arbeitendes medizinisch-technisches Labor zur Durchführung aller in Betracht kommenden klinisch-chemischen und hämatologischen Untersuchungen zur Verfügung stehen.

10. Die Einrichtung muss sowohl ökonomischen Erfordernissen gerecht werden als auch

die Überschaubarkeit und die notwendige therapeutische Atmosphäre gewährleisten.

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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Anlage 3 zur "Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen" vom 04.05.2001

Kriterien der Spitzenverbände der Krankenkassen und

Rentenversicherungsträger für die Entscheidung zwischen ambulanter und stationärer Rehabilitation (Entwöhnung)

bei Abhängigkeitserkrankungen

0. Die Träger der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung erbringen ambulante

und stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation bei Abhängigkeitserkran-kungen. Stationäre Rehabilitation umfasst das gesamte Therapiespektrum einschließ-lich Unterkunft und Verpflegung. Ambulante Rehabilitation umfasst je nach individuel-lem Bedarf und Therapiekonzept therapeutische Einzel- und Gruppengespräche [Fuß-note gestrichen] sowie ggf. weitere Therapieleistungen. Für diese Rehabilitationsfor-men gelten die versicherungsrechtlichen und persönlichen / medizinischen Vorausset-zungen, u. a. auch das Vorliegen einer ausreichenden Motivation und die Fähigkeit zur aktiven Mitarbeit. Sofern eine medizinische Leistung zur Rehabilitation zu erbringen ist, sollen die fol-genden Kriterien in die Entscheidungsfindung, ob eine ambulante oder stationäre Ent-wöhnungsbehandlung angezeigt ist, einbezogen werden. Diese Entscheidung setzt ausreichende Informationen über den Versicherten, den aktuellen physischen und psy-chischen Zustand, den Verlauf der Suchterkrankung, seine Motivation und seine sozia-le Situation voraus, die aus dem Sozialbericht und medizinischen Befunden hervorge-hen müssen.

1. Eine ambulante Rehabilitation (Entwöhnung) kommt insbesondere in Betracht, wenn

folgende Kriterien zutreffen: 1.1 Die Störungen auf seelischem, körperlichem und sozialem Gebiet sind so ausgeprägt,

dass eine ambulante Behandlung Erfolg versprechend erscheint und eine stationäre Behandlung nicht oder nicht mehr erforderlich ist.

1.2 Das soziale Umfeld des/der Abhängigkeitskranken hat (noch) stabilisie-

rende/unterstützende Funktion. Soweit Belastungsfaktoren bestehen, müssen diese durch bedarfsgerechte therapeutische Leistungen aufgearbeitet werden. Es ist nicht ausreichend, dass die ambulante Behandlungsstelle allein die Funktion des intakten sozialen Umfeldes übernimmt.

1.3 Die Herausnahme aus dem sozialen Umfeld ist nicht oder nicht mehr erforderlich, da

hiervon keine maßgeblichen negativen Einflüsse auf den therapeutischen Prozess zu erwarten sind.

1.4 Der/die Abhängigkeitskranke ist beruflich (noch) ausreichend integriert. Jedoch schlie-

ßen Arbeitslosigkeit, fehlende Erwerbstätigkeit oder Langzeitarbeitsunfähigkeit eine ambulante Entwöhnung nicht aus. Die sich abzeichnende Notwendigkeit zur Reintegra-tion in das Erwerbsleben wird durch eine wohnortnahe Rehabilitation unterstützt.

1.5 Eine stabile Wohnsituation ist vorhanden. 1.6 Es ist erkennbar, dass die Fähigkeit • zur aktiven Mitarbeit, • zur regelmäßigen Teilnahme und • zur Einhaltung des Therapieplans

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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in Bezug auf die Anforderungen einer ambulanten Entwöhnung vorhanden ist1. 1.7 Der/die Abhängigkeitskranke ist bereit und in der Lage, abstinent zu leben und insbe-

sondere suchtmittelfrei am ambulanten Therapieprogramm regelmäßig teilzunehmen. 1.8 Auch bei einem langen oder intensiven Suchtverlauf kann die Indikation für eine ambu-

lante Entwöhnung bestehen. 1.9 Ausreichende Mobilität ist vorhanden, d. h., die tägliche An- und Abfahrt z.B. mit öffent-

lichen Verkehrsmitteln ist möglich. Der/die Abhängigkeitskranke muss in der Lage sein, innerhalb einer angemessenen Zeit (ca. 45 Minuten) die Einrichtung zu erreichen bzw. nach Hause zurück zu kehren.

2. Eine stationäre Rehabilitation (Entwöhnung) kommt insbesondere in Betracht, wenn

eines oder mehrere der folgenden Kriterien zutreffen: 2.1 Es bestehen schwere Störungen auf seelischem, körperlichem oder sozialem Gebiet,

die eine erfolgreiche ambulante Rehabilitation in Frage stellen. 2.2 Die Herausnahme aus einem pathogenen sozialen Umfeld (z. B. bei massiven familiä-

ren Konflikten oder destruktiven Partnerbeziehungen) ist erforderlich, um den Rehabili-tationserfolg zu sichern.

2.3 Das soziale Umfeld des/der Abhängigkeitskranken hat keine unterstützende Funktion.

(Anmerkung: Die Behandlungsstelle allein kann die Funktion des intakten sozialen Um-feldes nicht übernehmen.)

2.4 Der/die Abhängigkeitskranke ist beruflich nicht integriert und bedarf infolgedessen spe-

zifischer Leistungen zur Vorbereitung einer beruflichen Wiedereingliederung, die am-bulant nicht erbracht werden können.

2.5 Eine stabile Wohnsituation ist nicht vorhanden. 2.6 Es ist erkennbar, dass die Fähigkeit • zur aktiven Mitarbeit, • zur regelmäßigen Teilnahme oder • zur Einhaltung des Therapieplans in Bezug auf die Anforderungen einer ambulanten Entwöhnung nicht ausreichend vor-

handen ist. 2.7 Der/die Abhängigkeitskranke ist nicht bereit oder nicht in der Lage, während der ambu-

lanten Entwöhnung abstinent zu leben und insbesondere suchtmittelfrei am ambulan-ten Therapieprogramm teilzunehmen.

2.8 Ein langer oder intensiver Suchtverlauf kann insbesondere vor dem Hintergrund der

Kriterien 2.1 bis 2.7 eine Indikation für eine stationäre Entwöhnung darstellen.

1 Das kann angenommen werden, wenn der/die Abhängigkeitskranke insbesondere während der

Motivationsphase die von der Beratungsstelle bzw. Beratungs- und Behandlungsstelle gesetzten Grenzen und Vorgaben akzeptieren und einhalten konnte. Die der Rehabilitation vorangehende Motivationsphase dauert mindestens 4 Wochen, wobei ein regelmäßiger Besuch vorausgesetzt wird.

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Rehabilitationsbedürftigkeit - Abhängigkeitserkrankungen

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Anlage 4 zur „Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen“ vom 04.05.2001

Zielvorstellungen und Entscheidungshilfen für die medizinische Rehabilitation

Drogenabhängiger in Rehabilitationseinrichtungen für Abhängigkeitskranke bei übergangsweisem Einsatz eines Substitutionsmittels

i.S.d. BUB-Richtlinien1

Krankenversicherung2 und Rentenversicherung verbinden mit dem übergangsweisen Einsatz von einem Substitutionsmittel3 im Rahmen der medizinischen Rehabilitation Drogenabhängi-ger, die bereits nach den BUB-Richtlinien substituiert werden, folgende Zielvorstellungen: 1. Es gelten bei medizinischer Rehabilitation mit i.S.d. BUB-Richtlinien anerkannten

Substitutionsmitteln im wesentlichen die gleichen Bedingungen (bezüglich Zugang, Durchführung, Nachsorge) wie bei nicht Substitutionsmittel-gestützter (drogenfreier) Rehabilitation.

2. Auch bei Substitutionsmittel-gestützten medizinischen Leistungen zur Rehabilitation ist Ziel, vollständige Abstinenz jeglicher Art von Drogen zu erreichen und zu erhalten. Das gilt auch in bezug auf das Substitutionsmittel. Dessen Einsatz ist in diesem Sinne „übergangsweise“.

3. Medizinische Leistungen zur Rehabilitation Abhängigkeitskranker können nach aus-reichender Vorbereitung und bei nachgewiesener Beikonsumfreiheit auch für Versi-cherte bewilligt werden, die zum Zeitpunkt des Beginns der Rehabilitation noch sub-stituiert werden.

5. Im Einzelfall kann die Substitution auch nach Beendigung der Rehabilitation als Kran-kenbehandlung erforderlich sein; dies kann auch für solche Versicherte gelten, die die Rehabilitationsleistung vorzeitig beendet haben (Auffangsubstitution). In diesen Fäl-len kann die Krankenkasse nur dann die Kosten übernehmen, wenn die weitere Sub-stitution im Rahmen der BUB-Richtlinien zulässig ist.

Die nachfolgenden Entscheidungshilfen können als Grundlage für eine Substitutionsmittel-gestützte Rehabilitation Drogenabhängiger dienen: 1. Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und positive Rehabilitationsprog-

nose können auch bei Substitution ohne Beigebrauch von anderen Suchtmitteln ge-geben sein.

Beim Vorliegen eines Abhängigkeitssyndroms durch Opioide nach ICD-10 besteht auch unter Substitution (F11.22) i. d. R. Rehabilitationsbedürftigkeit.

Die Rehabilitationsfähigkeit darf durch psychische und körperliche Begleit- und Folge-leiden nicht in Frage gestellt werden. Sie ist nach einer entsprechenden Vorbereitung sozialmedizinisch zu beurteilen. Eine medizinische Kontraindikation liegt insbesonde-re vor bei: floriden Psychosen, akuter Suizidalität oder einem schweren organischen Psychosyndrom.

Eine medizinische Rehabilitation Drogenabhängiger bei übergangsweisem Einsatz von einem Substitutionsmittel ist sozialmedizinisch dann begründet, wenn aus der Auswertung der gezielten Sachaufklärung (somatischer und psychischer Befund, so-ziale Situation, bisherige Entwicklung des Suchtverhaltens, Motivation) ein positiver Verlauf der Rehabilitation insbesondere hinsichtlich des Reha-Zieles zu erwarten ist.

1 "Richtlinien zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger vom 26.04.1999" (Anlage A Nr.

2 zu den Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ge-mäß § 135 Abs. 1 SGB V - BUB-Richtlinien - in der Neufassung vom 10.12.1999); s. Bundesanzeiger Nr. 109 vom 17.06.2000, Seite 9393 ff.; Deutsche Ärzteblatt, H. 25, vom 25.06.1999 C-1250.

2 Anlage 4 wurde von allen Spitzenverbänden außer dem IKK-Bundesverband verabschiedet. 3 Es handelt sich hierbei um Mittel i.S.d. § 6 BUB-Richtlinie.

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Eine positive Rehabilitationsprognose ist vor allem dann gegeben, wenn die Versi-cherten • langfristig eine Abstinenz anstreben, • über ein funktionsfähiges soziales Netz verfügen und • über eine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung verfügen.

2. Eine abstinenzorientierte, drogenfreie medizinische Rehabilitation kann aus medizini-schen Gründen zur Zeit noch nicht durchgeführt werden. Eine Substitutionsmittel-gestützte medizinische Rehabilitation bedarf zur Herstellung der Rehabilitationsfähigkeit der Vorbereitung. Für die Vorbereitung wird nach bisheri-ger Erfahrung von einem Zeitraum von 6 Monaten auszugehen sein. Je nach Lage des Einzelfalles kann sich dieser Zeitraum verlängern oder verkürzen. Im Mittelpunkt der Vorbereitung stehen folgende Inhalte und Ziele: � Sicherung bzw. Wiederherstellung der körperlichen Gesundheit, einschließlich der

somatischen und psychiatrischen Befunderhebung und Behandlung zur Herstel-lung von Rehabilitationsfähigkeit

� Analyse des Beigebrauchsmusters, Einstellung auf die vorläufige, individuell zu bestimmende Erhaltungsdosis (Erreichen von Dosisstabilität)1, Freiwerden von Beigebrauch

Diese Inhalte und Ziele sind bereits bei der Behandlung i.S.d. BUB-Richtlinien zu erfüllen. • Stabilisierung des sozialen Umfeldes einschließlich Beschreibung der rechtlichen

Situation, der Wohnsituation sowie der finanziellen Situation • Motivierung und Vorbereitung für eine Rehabilitation, einschließlich Erhebung des

psychosozialen Befundes. Mit Abschluss der Vorbereitung vor einer Rehabilitation müssen die oben ausgeführ-

ten Bedingungen zur Rehabilitationsfähigkeit erfüllt sein. Entsprechende Aussagen müssen sich aus dem ärztlichen Gutachten/Sozialbericht ergeben.

3. Der Drogenabhängige wird auch noch im Zeitpunkt der Reha-Antragstellung gemäß

den o.a. BUB-Richtlinien substituiert oder, wenn ein Krankenversicherungsverhältnis nicht besteht, entsprechend diesen Richtlinien substituiert2.

4. Der/die Drogenabhängige ist neben der Substitution im Zeitpunkt der Reha-

Antragstellung nachgewiesenermaßen beikonsumfrei3. Als beikonsumfrei gilt derjeni-ge, der aufgrund entsprechender gesicherter medizinischer Nachweise in den letzten 4 Wochen vor Antragstellung kein Suchtmittel (illegale Drogen, Alkohol, Medikamen-te)4 konsumiert hat. Der Nachweis ist in der Regel vom substituierenden Arzt durch Offenlegung der Ergebnisse entsprechender Kontrolluntersuchungen (vor allem Urin-kontrollen unter Sicht)5 zu führen.

5. Nach der regulären Beendigung der Rehabilitation kann eine Nachsorge oder, wenn

das Reha-Ziel einer vollständigen Abdosierung nicht erreicht wird, eine Weiterbe-handlung im Sinne einer Auffangsubstitution nach der Rehabilitation erforderlich wer-den. Eine erforderliche Nachsorge oder Weiterbehandlung wird von der Rehabilitati-onseinrichtung rechtzeitig eingeleitet.

1 Hinsichtlich der Erhaltungsdosis müssen erhebliche interindividuelle Wirkunterschiede berücksichtigt

werden. Sie muss deshalb individuell vom substituierenden Arzt ermittelt werden und ist erreicht, wenn Opiatentzugserscheinungen während mindestens 24 Std. unterdrückt bleiben und die kognitiv-motorischen Funktionen nicht beeinträchtigt sind. Dieses Dosis bleibt stabil, sofern keine Interaktio-nen mit Medikamenten, anderen Opiaten oder Erkrankungen eintreten.

2 Entsprechendes gilt auch im Zeitpunkt des Antritts der Rehabilitation. 3 Siehe Fußnote 5 4 Akutmedizinisch indizierte Medikation ist hiervon selbstverständlich nicht erfasst. 5 Diese haben sich ausdrücklich auch auf Cannabinoide zu erstrecken.

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6. Für die Anforderungen an die Einrichtungen, die die medizinische Rehabilitation Dro-

genabhängiger bei übergangsweisem Einsatz von einem Substitutionsmittel durch-führen, gelten grundsätzlich die allgemeinen Anforderungen, die auch der abstinenz-orientierten, drogenfreien medizinischen Rehabilitation zugrunde liegen. Sie betreffen die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Der substituierende Arzt muss die fach-lichen Voraussetzungen für die Substitution erfüllen (vgl. o.a. BUB-Richtlinien). Die Einrichtungen müssen über ein mit der Krankenversicherung bzw. Rentenversiche-rung abgestimmtes Konzept für diese spezielle Indikationsgruppe verfügen. Die Re-habilitationseinrichtung hat die Zusammenarbeit mit der Substitutionsmittel-Vergabestelle, mit den psychosozialen Beratungsstellen sowie anderen an der Be-handlung und Rehabilitation beteiligten Stellen sicher zu stellen.

Die Orientierung am gegenwärtig praktizierten Leistungsumfang für Versicherte mit Drogen-abhängigkeit kann nur vorläufig sein. Deshalb ist es notwendig, anhand von modellhaft um-gesetzten Konzepten weitere abgesicherte Erkenntnisse zu gewinnen. Die vorgenannten Entscheidungshilfen sind zu gegebener Zeit anhand praktischer Erfahrun-gen bzw. neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.

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7 Nachwort: Erstellung und Implementation der Leitlinien Die Ausführungen in diesem Nachwort beziehen sich in den letzten drei Absätzen „Autoren der ersten Fassung der Leitlinien“, „Mitarbeit“ und „Aktualisierung der Leitlinien im Som-mer/Herbst 2002“ ausschließlich auf die vorliegenden Leitlinien zur Rehabilitationsbedürftig-keit bei Abhängigkeitserkrankungen, die anderen Absätze gelten indikationsübergreifend ebenfalls für die anderen Leitlinien zur Rehabilitationsbedürftigkeit für den Beratungsärztli-chen Dienst der BfA. Ziel der Leitlinien: Zielsetzung bei der Erstellung von Arbeitsleitlinien für den sozialmedizinischen Entschei-dungsprozess ist, bei der Beurteilung der Kriterien zur Rehabilitationsbedürftigkeit, Reha-bilitationsfähigkeit und Rehabilitationsprognose unter Berücksichtigung des Rehabilitati-onsziels der Rentenversicherung - den Auswirkungen von Krankheit oder Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und da-durch Versicherte möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben zu integrieren - qualitätssi-chernde Maßnahmen einzuführen. Dabei soll eine Gleichbehandlung aller Versicherten sowie eine Erhöhung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit im Verwaltungsverfahren erreicht werden. Inhalt der Leitlinien: Grundlage der Leitlinienentwicklung ist die Zusammenführung von Erfahrungen und Kriterien auf der Basis des Ist-Zustandes der sozialmedizinischen Bewertung im Rehabilitations-Antragsverfahren zur Sicherung der Entscheidungsqualität. Auch wenn die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung einem integrativ-umfassenden rehabili-tativen Ansatz verpflichtet sind, wird eine indikationsbezogene, z. T. diagnosespezifische Darstellung des jeweiligen Problembereiches gewählt. Die Fakten aus dem täglichen Han-deln der Beratungsärzte werden unter Einbeziehung sozialmedizinischer Standardliteratur sowie aktueller medizinischer Fachliteratur diskutiert und das Ergebnis zusammengefasst. Für die Beurteilung der Rehabilitationsbedürftigkeit in der besonderen Situation der Antrags-bearbeitung nach Aktenlage durch den Beratungsärztlichen Dienst des Rentenversiche-rungsträgers liegen keine wissenschaftlichen Untersuchungen oder Hinweise zur Operatio-nalisierung vor. Die aus den Antragsunterlagen zugänglichen objektivierbaren medizinischen Parameter stellen nur einen Aspekt der sozialmedizinischen Entscheidung dar, ergänzend ist die subjektive Einschätzung des Betroffenen zur Rehabilitationsbedürftigkeit aus einem Selbstauskunftsbogen zu eruieren. Die sozialen Auswirkungen hinsichtlich der beruflichen Desintegration werden im wesentlichen aus Parametern wie z. B. Arbeitslosigkeit oder Zeiten der Arbeitsunfähigkeit abgeleitet. Rehabilitationsspezifische Assessmentverfahren zur Be-schreibung von Leistungseinschränkungen und noch vorhandenen Ressourcen sowie deren Auswirkungen auf die Lebens- und Erwerbssituation können dabei bisher nur vereinzelt he-rangezogen werden. Die Darstellung der Problembereiche umfasst im wesentlichen die sozialmedizinischen As-pekte, auf die Niederlegung von gesetzlichen Grundlagen wird ebenso verzichtet wie auf die Angabe des Verfahrensweges. Die Gliederung der Leitlinien orientiert sich an der sozialme-dizinischen Bedeutung, der erforderlichen Sachaufklärung, der Definition, Einteilung und Symptomatik der Krankheitsbilder sowie an den Aussagen zur Rehabilitationsdauer aus so-zialmedizinischer Sicht. Kernpunkt ist die Einschätzung, unter welchen Bedingungen Rehabi-litationsbedürftigkeit vorliegt bzw. nicht gegeben ist. Der Grad der Konkretisierung trägt dabei dem individuellen Ermessen und den komplexen Bedingungen und Interaktionen innerhalb eines Gesundheitsproblems Rechnung.

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Zielgruppe: Der Beratungsärztliche Dienst der BfA ist die Zielgruppe für die Erstellung der vorliegenden Leitlinien. Verbreitung der ersten Fassung: Verteilung an den Beratungsärztlichen Dienst der BfA, der die Frage der Notwendigkeit von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsle-ben begutachtet. Evidenzgrad: Die Leitlinien wurden in einer BfA-internen Expertengruppe zusammengestellt. Der Gruppe gehörten Sozialmediziner aus dem Fachbereich Medizin sowie Ärzte verschiedener Aufga-benbereiche der Rehabilitationsabteilung mit unterschiedlicher fachärztlicher Qualifikation an. In den weiteren Entstehungsprozess wurden ein Verwaltungsjurist und Rehabilitationskli-niker eingeschlossen. Die Kooperation führte zu einem erweiterten Konsens.1 Bei der Bewer-tung des Evidenzgrades ist zu berücksichtigen, dass auf Leistungen zur Teilhabe bei Erfül-lung der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht. Implementierung: Dezernatsärzte waren für die Weitergabe des Inhalts der Leitlinien an die Beratenden Ärzte verantwortlich. Neben einer systematischen Einführung wurden u. a. in regelmäßig stattfin-denden Qualitätszirkeln an den Leitlinien orientierte Fallbesprechungen abgehalten. Überprüfung der Anwendung: Die Leitlinien wurden den Beratenden Ärzten in schriftlicher Form zur Verfügung gestellt. Die Vorbereitung auf die Arbeit mit den Leitlinien erfolgte z. T. in Vorträgen, z. T. per individueller Information. Im Februar 2001 wurde eine anonyme Befragung über die Arbeit mit den Leitli-nien - als Gesamtheit, nicht indikationsbezogen - ebenfalls in schriftlicher Form durchgeführt. Danach wurden die Leitlinien überwiegend als positiv bewertet; sie wurden u. a. als Hilfe bei der sozialmedizinischen Beurteilung eingestuft und als ein geeignetes Mittel der Qualitätssi-cherung angesehen. Schwierigkeiten bei der Anwendung der Leitlinien wurden gesehen, sofern Funktionsbefunde in den vorhandenen medizinischen Unterlagen nicht in befriedigen-der Form enthalten sind. Indikationsübergreifende Problembereiche: Zur Abgrenzung von kurativmedizinischer Versorgung und Berücksichtigung von Arbeitsun-fähigkeitszeiten, Beurteilung chronischer Schmerzsyndrome sowie besonderen psychosozia-len Belastungen, zur Mitwirkung des Versicherten und vorzeitigen Leistungen wird auf die

1 Evidenzgrad entsprechend Stufe S1 der Leitlinien-Entwicklung der Arbeitsgemeinschaft der Wissen-

schaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Methodische Empfehlungen der AWMF 2000)

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Leitlinien „Rehabilitationsbedürftigkeit und indikationsübergreifende Problembereiche“ ver-wiesen. Autoren der ersten Fassung der Leitlinien: Dr. Renate Gründler, Johannes Heller, Dr. Karen Hemmrich, Joachim Köhler, Dr. Christiane Korsukéwitz, Dr. Manfred Rohwetter, Gabriele Sandner. Alle Autoren sind Mitarbeiter der BfA. Mitarbeit: Dr. Kristina Brenner, Dr. Hanno Irle, Dr. Karl-Walter Kertzendorff, Berthold Lindow, Engelbert Lubenow und Dirk Wimmer als Mitarbeiter der BfA-Hauptverwaltung; Prof. Dr. Walter Zilly, Leitender Arzt der Hartwald-Rehabilitationsklinik der BfA in Bad Brückenau; Hans Bargel, Chefarzt der Klinik Neumühle in Hollstadt, Dr. Peter Subkowski, Ärztlicher Leiter der Para-celsus-Berghofklinik in Bad Essen; Dr. Manfred Nowak, Leitender Arzt des Therapiezent-rums für Drogenabhängige in Lustadt. Aktualisierung der Leitlinien im Sommer/Herbst 2002 durch: Dr. Renate Gründler, Johannes Heller, Dr. Hanno Irle, Joachim Köhler, Dr. Christiane Kor-sukéwitz, Dr. Manfred Rohwetter, Gabriele Sandner. Alle Autoren sind Mitarbeiter der BfA. Das Grundsatzreferat der Abteilung Rehabilitation der BfA „Recht der Rehabilitation und Teilhabe am Arbeitsleben“ (Silke Esterl) wurde beteiligt. Weitere Aktualisierungen sind in dreijährigen Abständen vorgesehen. 8 Literaturverzeichnis Arbeitshilfe für die Rehabilitation von Suchtkranken. Alkohol - Drogen - Medikamente. Schrif-tenreihe der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, Heft 12, Frankfurt am Main, Aus-gabe 1996 Bochnik, H.: Suchterkrankungen. In: Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Hg.: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart - Jena - New York 1995 Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger bei der Akutbehandlung (Entzugsbehandlung) und medizinischen Rehabilitation (Entwöh-nungsbehandlung) Abhängigkeitskranker (Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankungen“) vom 4.5.2001, in Kraft getreten seit 1.7.2001 (einschließlich Anlagen 1 - 4) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Hg.): Geschäftsberichte der BfA 1998 - 2001, Berlin 1999 - 2002 DSM-IV: Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen. Deutsche Bear-beitung und Einleitung: Saß, H.; Wittchen, H.-U.; Zaudig, M., Hogrefe-Verlag, Göttingen - Bern - Toronto - Seattle 1996

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Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger für die medizinische Rehabilitation bei pathologischem Glücksspiel, E-Mail-Adresse: www.dhs.de/reihe/gluecksspiel.htm Gabler-Sandberger, E.: Neuer Test erlaubt zuverlässige Diagnose. Deutsches Ärzteblatt 93, 1996, Heft 11, Ausgabe C, 474 Grigoleit, H.; Hüllinghorst, R.; Wenig, M. (Hg.): Handbuch Sucht, Sankt Augustin 2000; DRV 1992, S.474 ff. Hauptmann, S.; Heinemann, A.; Tsokos, M.; Püschel, K.: Arbeitsmedizinische Alkoholismus-Diagnostik mit konventionellen Parametern und CDT. Arbeitsmed. Sozialmed. Umweltmed. 32, 1997, 335 - 340 Hollstein, H.: Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit. In: Rehabilitationsmedizin. Ambulant – Teilstationär – Stationär. Hg.: H. Delbrück und E. Haupt, Urban & Schwarzen-berg, 2. Auflage, München - Wien - Baltimore 1998 Kraus, L.; Bauernfeind, R.: Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substan-zen bei Erwachsenen in Deutschland 1997. Sucht, 44. Jahrgang, Sonderheft 1, September 1998 Leitlinien der Bundesärztekammer zur Substitutionstherapie Opiatabhängiger. Mitteilungen der Bundesärztekammer. Deutsches Ärzteblatt 94, 1997, Heft 7, Ausgabe C, 312 Leitlinien zur Substitutionstherapie Opiatabhängiger. Berliner Ärzte 11/97, 14 - 18 Methodische Empfehlungen (zur Erarbeitung von Leitlinien für Diagnostik und Therapie). „Leitlinie für Leitlinien“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fach-gesellschaften, Stand Februar 2000: www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/II/II_metho.htm Soyka, M.: Alkoholabhängigkeit, Springer-Verlag, Berlin - Heidelberg - New York 1999 VDR Statistik Rentenzugang des Jahres 2001, Hg.: Verband Deutscher Rentenversiche-rungsträger, VDR Statistik Band 141, Frankfurt am Main 2002 VDR Statistik Rehabilitation des Jahres 2001, Hg.: Verband Deutscher Rentenversiche-rungsträger, VDR Statistik Band 142, Frankfurt am Main 2002 von Dilling, H.; Mombour, W.; Schmidt, M. H. (Hg.): Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10, Kapitel V (F), Klinisch-diagnostische Leitlinien, Weltgesundheitsorgani-sation, Verlag Hans Huber, Bern - Göttingen - Toronto 1991 Wetterling, T.; Kanitz, R.-D.: Der neue "Alkoholmarker" carbohydratdefizientes Transferrin (CDT). Fortschr. Neurol. Psychiat. 65, 1997, 337 - 346 Wiesbeck, G. A.; Böning, J.: Alkoholkrankheit aus psychiatrischer Sicht. Internist (1996), 36: 761 - 772