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Kapitalgesellschaftsrecht Leitungsstruktur der GmbH Wiss. Mit. Tony Grobe

Leitungsstruktur der GmbH Wiss. Mit. Tony Grobe · –Sozialversicherungspflicht –Zeugnisanspruch –Pfändungsschutz nach § 850 ZPO –Insolvenzschutz für Gehalt und Betriebsrente

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Kapitalgesellschaftsrecht

Leitungsstruktur der GmbH

Wiss. Mit. Tony Grobe

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Grundstruktur

• Leitungsstruktur zweigliedrig: – Gesellschafterversammlung als

oberstes Organ • Weisungsrecht (§ 37)

• Recht zur Abberufung (§ 38)

– GF als ausführendes Organ

• Fakultativ: Aufsichtsrat (AR), § 52 – aber: sofern nicht mehr als 500

Arbeitnehmer: • Mitbest. nach dem DrittelbG

mit zwingendem AR

– bei mehr als 2000 AN: • paritätische Mitbest. nach

MitbestG 1976

Gesellschafter-

versammlung

GF

bestellt und

beruft ab

(§ 38)

weist an

(§ 37)

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Modifikationen

• Satzung kann

– weitere Organe vorsehen (Beirat)

– oder Organkompetenzen anders ordnen

• zB den GF ganz oder teilweise weisungsfrei stellen

• Kernkompetenzen aber änderungsfest:

– zB Satzungsänderung nur durch Gesellschafterversammlung

– Pflicht zum Insolvenzantrag (§ 15 InsO) oder Buchführungspflicht (§ 41) für den GF.

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Der Geschäftsführer

• ein GF oder mehrere

• Bestellung durch Satzung oder Beschluss der

Gesellschafterversammlung

• jede geschäftsfähige Person; auch Nicht-

Gesellschafter möglich (sog. Fremdorganschaft)

• Hauptaufgaben

– Geschäftsführung

– Vertretung

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Geschäftsführung

• umfasst sind teilweise besondere gesetzliche Pflichten: – Buchführung, § 41 – Kapitalerhaltung, § 30 – Handelsregisteranmeldungen, § 78 – Insolvenzantrag, § 15a InsO – Einberufung der Gesellschafterversammlung bei Verlust des halben

Kapitals (§ 49) – Steuererklärungen (§ 34 AO) – Abführung der Sozialversicherungsbeiträge (§ 28a SGB IV)

• Ansonsten gilt § 43 I: Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns – hier besteht Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung

• korrespondierende Pflicht der GF zur Vorlage an Gesellschafterversammlung bei Dingen, die über das Tagesgeschäft hinausgehen

– Weisungsrecht steht der Versammlung zu (nicht dem Mehrheitsgesellschafter)

– Handeln in Befolgung einer rechtmäßigen Weisung befreit von der Haftung (Gegenschluss aus § 43 III 3)

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Vertretung durch Geschäftsführer

• GF vertreten die GmbH nach außen, § 35

– gesetzliche Regel: Gesamtvertretung, aber dispositiv

• Einzelvertretung und Befreiung von § 181 BGB möglich

• Eintragung der Vertretungsverhältnisse im HR (§ 39 I)

– Wissens- und Passivvertreter der Gesellschaft

• durch § 35 I 2 n.F. „Reservezuständigkeit“ der Gesellschafter bei

Führungslosigkeit der Gesellschaft

– mit unbeschränkter Vertretungsmacht (§ 37 II)

• nicht gegenüber den Gesellschaftern (kein Verkehrsgeschäft)

– Missbrauch der Vertretungsmacht möglich

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Bestellung

• Unterscheidung zwischen organschaftlicher Bestellung und Anstellungsvertrag – Trennung wirkt künstlich, hat aber Vorteile, da

Rechtsverhältnisse in ihrem Bestand voneinander unabhängig sind

• Bestellung erfolgt durch Gesellschaftsvertrag oder Beschluss der Gesellschafter, §§ 6 III, 46 Nr. 5. – Bestellung ist unbefristet, sofern nichts anderes vereinbart

– Sonderrechte auf GF oder Entsendung eines GF möglich und verbreitet

• auch Verlagerung der Kompetenz auf AR oder Beirat

– Eintragung der Bestellung ins HR nach § 39 I erforderlich (deklaratorische Wirkung)

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Abberufung

• Ebenfalls durch Gesellschafterbeschluss – mit Mehrheit, ohne Grund (§ 38)

• Trennung soll möglich sein, wenn Vertrauen fehlt

– Betroffener ist stimmberechtigt, wenn er Gesellschafter ist • wer nicht mindestens 50% und kein Sonderrecht hat, sitzt auf dem

Schleudersitz

– vertragliche Regelung möglich • Abberufung muss aber jedenfalls aus wichtigem Grund möglich

bleiben

• bei Abstimmungen über Maßnahmen „aus wichtigem Grund“ darf Betroffener nicht abstimmen

• bei unrechtmäßiger Abberufung: Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses

• schwierig ist Rechtslage während des Verfahrens

• näher Lehrbuch § 11 Rn. 30 ff. .

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Anstellungsvertrag

• Dienstvertrag zwischen Gesellschaft und GF – regelt Pflichten beider Parteien und insbes. die Vergütungsfrage sowie

sonstige Leistungen der Gesellschaft • Dienstwagen, Ruhegehalt, Versicherungsschutz

• Rechtsnatur: Kein Arbeitsvertrag, da GF Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt – kein Kündigungsschutz, kein Arbeitszeitgesetz, kein Mindesturlaub, kein

§ 613a; keine Haftungserleichterung, keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte

– tatsächlich aber viele GF arbeitnehmerähnlich (Fremd-GF und Minderheitsgesellschafter-GF)

– nur der Mehrheitsgesellschafter-GF ist in jeder Hinsicht Unternehmer • daher: selektive Anwendung von Arbeits- und Sozialrecht auf Fremd-GF

– Sozialversicherungspflicht – Zeugnisanspruch – Pfändungsschutz nach § 850 ZPO – Insolvenzschutz für Gehalt und Betriebsrente – Mutterschutz (EuGH: Danosa)

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Anstellungsvertrag

• Beendigung der Anstellung rechtlich separat von der Abberufung – getrennt zu prüfen, z.T. unterschiedliche Voraussetzungen, folgt §§ 622,

626 BGB

• Regelfall: Zeitverträge – ordentliche Kündigung während der Laufzeit ausgeschlossen – nur außerordentliche Kündigung möglich – Folge: GF kann ohne Grund abberufen werden, Anstellungsvertrag läuft

aber weiter • Restlaufzeit wird dann in Geld abgefunden • oder von vornherein Abfindungsregelung im Vertrag

• allerdings kann Beendigung der Anstellung auch an Abberufung gekoppelt werden – auflösende Bedingung oder vertraglich vereinbarter außerordentlicher

Kündigungsgrund – dann: im Fall der grundlosen Abberufung auch keine Abfindung

• Erhebliche Bedeutung der Vertragsgestaltung!

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Haftung des GF

• Zu unterscheiden sind Innen- und Außenhaftung (Haftungsrichtung)

– Innenhaftung = Haftung gegenüber der Gesellschaft

– Außenhaftung = Haftung unmittelbar gegenüber Gläubigern

• und Haftungsgrund:

– Allgemeine Sorgfaltshaftung (§ 43 GmbHG)

– Haftung aus Sondertatbeständen, zB §§ 30, 64 GmbHG, 823 BGB, öffentliches Recht.

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Sorgfaltshaftung

• „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns“ • sehr allgemeine Regel, Konkretisierung durch

Fallgruppen: – Beachtung der Kompetenzregeln und der Weisungen der

Gesellschafter – Legalitätspflicht:

• Beachtung von Gesetzen im GmbHG (zB §§ 30, 41, 64) und • außerhalb (Steuerrecht, Sozialrecht, Gewerberecht, Umweltschutz,

Kartellrecht)

– Pflicht zur Zusammenarbeit mit anderen Geschäftsführern – Sorgfältige Unternehmensleitung:

• Wo der GF entscheidet, muss er sorgfältig handeln, insbesondere: – Überwachung der Finanzlage der Gesellschaft – Sinnvolle Anleitung und Überwachung der Mitarbeiter

– Organisation der Unternehmens – aktive Wahrnehmung von Geschäftschancen

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Mehrere Geschäftsführer

• Gesamtverantwortung

• bei besonders wichtigen Fragen

• ansonsten Delegation möglich

• aber: Rückfall der Verantwortung bei

erkennbarem Problem

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Sorgfältige Leitung

• Sorgfalt darf nicht mit Erfolgshaftung verwechselt werden – geschäftlicher Fehlschlag indiziert nicht die

Sorgfaltswidrigkeit – Gefahr des Rückschaufehlers („hindsight bias“)

• Dienstvertrag: geschuldet ist Bemühen, nicht Erfolg: – sorgfältige Vorbereitung – kein Eigeninteresse – Wohl des Unternehmens als Richtgröße

• Übernahme der Business Jugdment Rule (BGHZ 135, 244 (ARAG) – kodifiziert in § 93 I 2 AktG – gilt sinngemäß auch für die GmbH

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Treuepflicht

• Allgemeine Loyalitätspflicht: Orientierung am Wohl des Unternehmens, nicht an Eigeninteressen – Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten

– gilt auch bei einer Befreiung von § 181

• Wettbewerbsverbot entsprechend § 112 HGB, § 88 AktG

• Verschwiegenheitspflicht entsprechend § 93 I 2 AktG

• davon kann durch Gesellschafterbeschluss befreit werden

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Haftung entfällt

• wenn auf Weisung gehandelt wurde! – sofern diese Weisung rechtmäßig war

– fehlt zB bei Anweisung zum gesetzwidrigen Handeln

– insbes. in Bezug auf Kapital, § 43 III • dann auch kein nachträglicher Verzicht möglich, wenn Anspruch zur

Gläubigerbefriedigung erforderlich.

– ansonsten weitgehende Freistellung möglich (str.) • sowohl vor der Handlung als auch nachher

• laut BGH keine ausdrückliche Weisung erforderlich

• stillschweigendes Einverständnis der Gesellschafter reicht aus, wenn alle davon wissen

– Verzichtswirkung der Entlastung • Ansprüche, die den Gesellschaftern bekannt waren, entfallen

• daher in der Insolvenz praktisch aussichtslos

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Durchsetzung

• Anspruch steht der Gesellschaft zu

– Beschluss der Gesellschafterversammlung, § 46 Nr. 8

– bei pflichtwidriger Verweigerung: Durchsetzung mit actio pro socio

• objektiver Pflichtenmaßstab, persönliche Schwächen entlasten nicht

• Verschulden wird vermutet (§ 93 II AktG analog)

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Außenhaftung

• aus Gläubigersicht aussichtsreicher (siehe Lehrbuch: § 11 Rn. 102 ff.)

• vielfältige Tatbestände, praktisch relevant: – § 11 Abs. 2 GmbHG (Handelndenhaftung) – § 311 Abs. 2 BGB (c.i.c.)

• Nichtaufklärung über die wirtschaftliche Lage • aber GF ist Vertreter • Eigenhaftung?

– gesetzliche Sondertatbestände wie §§ 34, 69 AO – deliktische Handlungen, § 823 I BGB

• Gesellschaft haftet neben dem GF aus § 823 I i.V.m. § 31 BGB • bei Verkehrssicherungs- und Organisationspflichten sollte man die GmbH

selbst als deliktsfähig ansehen und den GF ausblenden • sonst unübersehbare Haftungsrisiken (BGHZ 109, 297 – Eisenträger)

– Schutzgesetz: • vor allem § 15a InsO -> Dazu später mehr! • Betrug (§ 263 StGB) und Untreue (§ 266 StGB – str.) • § 266a StGB • § 41 GmbHG (str.)

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Fall 1

A und B sind Gesellschafter der C-GmbH. Beide sind mit 50 % an dieser beteiligt und seit einigen Jahren zutiefst zerstritten. Als Fremdgeschäftsführer ist D angestellt. A weist den D an, 100.000 € als Honorar an den Steuerberater S zu überweisen, da dieser bei einem größeren Projekt der Gesellschaft beratend tätig war (Erstellung eines Gutachtens). Jedoch stellte sich heraus, dass Berechnungen des S Fehler aufwiesen, so dass die Zahlung bisher (auch wegen der Einwände des B) zurückgehalten wurde. Als B davon erfährt, ist er erbost und sagt, dass er das Geld zurück verlange. D habe außerhalb seiner Vertretungsmacht gehandelt, da Zahlungen über 50.000 € grundsätzlich der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen. Eine Mehrheit wäre in der Versammlung nicht zustande gekommen. Über diese Verhältnisse sei auch S informiert gewesen. Dieser habe aber die Zahlung gern entgegengenommen.

War die Zahlung an S wirksam?

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Lösung Fall 1

• AGL? – Anspruch aus Honorarvertrag?

– Auftrag? – unentgeltlich (-)

– Werkvertrag? – Erfolg geschuldet – hier: Erstellung eines Gutachtens

– Anspruch auf Werklohn gem. § 631 Abs. 1 BGB

• Voraussetzungen? – Werkvertrag (+)

– (P) Abnahme, § 640 BGB? • Verpflichtung, das vertragsmäßig hergestellte Werk

abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist

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Lösung Fall 1

– Abnahme: • Erforderlich? Bei Erstellung eines Gutachtens (+)

• Ist Abnahme erfolgt? – Überweisung durch GF D, der von A angewiesen wurde

» Grundsatz: Interne Beschränkungen einzuhalten (Satzung etc.), § 37 I GmbHG

» aber: Weisung des A? – Weisungsrecht ist auch von § 37 I GmbHG erfasst (Beschlüsse der Gesellschafter)

» Beschluss erforderlich gewesen, § 49 II GmbHG!

– Aber: § 37 II GmbHG

» interne Beschränkungen der VM ggü Dritten nicht wirksam

» „Geschäft“ bleibt nach außen hin wirksam

– Ausnahmen?

» Sowohl D als auch S wussten davon, dass B noch Einwände gegen die Zahlung hatte und kein Beschluss der Gesellschafterversammlung vorlag (kollusives Zusammenwirken).

» Demnach: S ist nicht schutzwürdig

• Abnahme lag nicht vor!

– Folge: Schwebend unwirksam nach § 177 BGB; Erteilung durch Gesellschafterversammlung ist nicht erfolgt

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Fall 2

Die Gesellschafterversammlung der B-GmbH beschließt den Neubau einer Vertriebszentrale in Sachsen. Geschäftsführer F besichtigt im September 2015 mehrere geeignete Grundstücke im Leipziger Umland. Anschließend trifft er sich mit seiner alten Studienfreundin S. Beiläufig erwähnt S, dass sie ein Gewerbegrundstück in der Leipziger Peripherie geerbt habe und beabsichtige, dieses zu verkaufen. Das Grundstück ist ideal für das Vorhaben der B-GmbH geeignet und deutlich günstiger als die zuvor von F besichtigten. Dennoch sieht F von einem Erwerb für die B-GmbH ab. Stattdessen vermittelt er das Grundstück seinem Bruder X, der nach einem geeigneten Produktionsstandort für sein Tech-Start-up sucht. X erwirbt das Grundstück zu einem Preis von 200.000 EUR. Die Gesellschafter der B-GmbH macht F auf den Vorgang nicht aufmerksam. Vielmehr leitet er den Erwerb eines anderen Grundstücks zu einem Preis von 300.000 EUR in die Wege. Im November 2015 erfahren die Gesellschafter zufällig von dem Vorgang. Auf der nächsten planmäßigen Gesellschafterversammlung beschließen sie mögliche Ersatzansprüche gegen F geltend zu machen.

Frage: Bestehen wegen der Vermittlung des Geschäfts an X Ansprüche der B-GmbH gegen F?

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Fall 2

A. Anspruch aus § 43 II GmbHG

I. Haftungsadressat – F ist Geschäftsführer der B-GmbH.

II. Verletzung organschaftlicher Pflichten – Gemäß § 43 II GmbHG müsste F als Geschäftsführer eine

organschaftliche Pflicht verletzt haben.

1. Pflichtverstoß – Pflichtenmaßstab normiert in§ 43 I GmbHG: in Angelegenheiten

der Gesellschaft ist die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden

• dazu: organschaftliche Treuepflicht – die aus der herausgehobenen Funktion des Geschäftsführers als Verwalter

fremden Vermögens

– damit einhergehenden besonderen Vertrauensstellung

– verpflichtet den Geschäftsführer über § 242 BGB zu loyalem Verhalten gegenüber der Gesellschaft.

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Fall 2

– Insbesondere: Verbot, Geschäftschancen, die dem Geschäftszweig der Gesellschaft zuzuordnen sind oder an denen die Gesellschaft ein konkretes Interesse hat, an sich zu ziehen (sog. Geschäftschancenlehre).

» auch nicht an Dritte, insbesondere dem Geschäftsführer nahestehende, Personen weitergegeben werden

– Bei dem Grundstückserwerb handelt es sich zunächst nicht um ein Geschäft, das dem Geschäftszweig der B-GmbH zugewiesen ist

» Aber: B-GmbH war konkret auf der Suche nach einem Grundstück für die „Vertriebszentrale Ost“.

– Ein Verstoß gegen die organschaftliche Treuepflicht liegt daher nahe.

– Problematisch ist hier allerdings, dass F von der Geschäftschance privat Kenntnis erlangt hat.

» Umgang ist strittig:

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Fall 2

– Nach der h.M. ist die Treuepflicht nicht teilbar (vgl. BGH NJW 1986, 584, 585; BGH NZG 2013, 216, 218; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 43 Rn. 30)

» Der GmbH-Geschäftsführer ist gewissermaßen „immer im Dienst. Demnach läge ein Pflichtverstoß vor.

– Nach a.A. ist die Unteilbarkeit der Treuepflicht begründungsbedürftig (so insb. Fleischer in MünchKomm. GmbHG, 2. Aufl., § 143 Rn. 186 f.).

» Rücktritt der Privatsphäre überzeugt nicht (Berücksichtigung verfassungsr. Stellung)

» Zudem: wenig plausibel anzunehmen, Geschäftsführer sei bereit, ohne zusätzliche Vergütung privat erlangte Informationen an die Gesellschaft weiterzugeben

» Keine Anwendung der Geschäftschancenlehre, wenn Chance dem Geschäftsführer höchstpersönlich angetragen wurde, etwa im Familien- oder Freundeskreis. Nach dieser Auffassung liegt kein Pflichtverstoß vor.

• Pflichtenverstoß: (+), a.A. vertretbar

2. Business Judgment Rule – Anwendung der Business Judgment Rule (§ 93 I S. 2 AktG analog)?

• Wohl schon, weil die Suche nach dem Grundstück im Interesse der Gesellschaft war

– Wenn ja: GF handelte nicht im Interesse der Gesellschaft (s.o.: „immer im Dienst“)

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Fall 2

3. Kein Pflichtverstoß wegen Weisung oder (nachträglicher) Billigung – F handelte auch nicht aufgrund einer rechtmäßigen Weisung der

Gesellschafterversammlung. Seine Verhalten wurde auch nicht (nachträglich) durch die Gesellschafter gebilligt.

4. Zwischenergebnis

Verletzung einer organschaftlichen Pflicht (+)

III. Verschulden – Hier zeigt sich Doppelfunktion des § 43 I GmbHG. Dort ist nicht nur

der Pflichtenmaßstab, sondern auch der Sorgfaltsmaßstab konkretisiert.

hier sogar vorsätzlicher Verstoß

IV. Kausaler und ersatzfähiger Schaden – Der Schaden der B-GmbH liegt in den 100.000 EUR Mehraufwendungen

für den Erwerb des nächstgünstigsten Grundstücks. Dieser Schaden ist gemäß § 249 I BGB zu ersetzen.

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Fall 2

V. Beschluss der Gesellschafterversammlung über Geltendmachung – Zur Geltendmachung des Anspruchs nach § 46 Nr. 8 GmbHG:

Gesellschafterbeschluss

– nach h.M. um eine materielle Anspruchsvoraussetzung

– Hier: November 2015

VI. Ergebnis

Die B-GmbH hat einen Anspruch auf Zahlung von 100.000 EUR gegen F aus § 43 II GmbHG.

B. Anspruch aus § 280 I BGB

Anspruch aus §§ 280 I, 611 I BGB wird durch § 43 II, III GmbHG (lex specialis) verdrängt.

C. Ergebnis

Die B-GmbH hat einen Anspruch auf Zahlung von 100.000 EUR gegen F aus § 43 II GmbHG.