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Leseprobe aus: Yoga für emotionale Stärke von Karin Furtmeier.
Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Verlages. Alle Rechte vorbehalten.
Hier geht’s zum Buch >> Yoga für emotionale Stärke
KARIN FURTMEIER
YOGA für emotionale
StärkeSanfte
Übungen für Körper &
Seele
1821_Furtmeier_Yoga_Rev.indb 2-3 16.07.18 15:31
Was Sie in diesem Buch inden
Vorwort 6
Dr. Sharma über die Autorin 7
Erdung – sich wieder spüren 9Den Boden unter uns wieder spüren 10
Ansteigendes Fußbad mit Rosmarin 12
Wohltuende Fußmassage 14
Natur, Quelle der ureigenen Kraft 16
Fantasiereise zu deiner eigenen Natur 17
Der Baum, Energie des Lebens 18
Wer stabil steht, kann wachsen 21
Der Atem – bewusst sein 22
Dich beobachten und spüren 24
Zum eigenen Gleichgewicht finden 26
Gesunder Körper – gesunder Geist 28
Die Krokodilreihe Makarasana 30
Ankommen und Mobilisation 31
Sanfte Drehung der Wirbelsäule und
des Nackens 32
Drehung der Wirbelsäule und der Beine 33
Klein, aber dein – Zur Entspannung 34
Johanniskraut für mehr Ruhe und
Gelassenheit 35
Klarheit – neue Einsichten gewinnen 37
Das Innen und das Außen 38
Beruhigendes Lavendelbad 40
Jeder Moment kann Einsichten bringen 42
Die Kraft der Mantren 45
Der umgekehrte See – Viparita Karani 46
Die kleine Brücke im Flow 48
Drehhaltungen für einen klaren Blick 50
Die gedrehte Kindposition 51
Schneidersitz mit sanfter Drehung 53
Der halbe Drehsitz 54
Veränderungen als Chance sehen 56
Der Tanz des Lebens 58
Das Leben verstehen 60
Palmieren 62
Innere Reinigung – sich selbst annehmen 65
Warum sind wir so getrieben? 66
Salbei zum Heilwerden 69
Meine Kommunikation mit mir selbst 70
Die Kehlkopfreinigung – Ujjayi-Atmung 72
Chakren, unsere Energiezentren 74
Atemreise – die Reinigung deiner Chakren 78
Mudra – das, was Freude bringt 80
Für die innere Ruhe – Shakti Mudra 81
Kriya – für die yogische Reinigung 82
Reinigende Atemübung – Kapalabhati 84
Reinigung für die Augen – Tratak 85
Das Verdauungsfeuer anregen 86
Selbsterkenntnis – die eigene Natur entdecken 89
Die Tiefe deiner Seele verstehen 90
Fantasiereise Spiegel – dein wahres Selbst 96
Das bin ich – so ham 99
Loslassen von alten Prägungen 100
Der Körperscan 101
Sitzende Vorwärtsbeuge 102
Zum Loslassen und Reinigen 104
Die Kraft der Transformation 105
Atemwahrnehmung 110
Ich schaffe mir meine eigene Insel 112
Zur geistigen Sammlung – Hakini Mudra 113
Das Mysterium der Meditation 114
Die Visualisierung und das Verbinden mit der
Sonne 119
Das verletzte Herz heilen 120
Die Rose – Symbol der Liebenden 121
Mein Leben, ich danke dir 122
Der Hase – Dankbarkeit und Hingabe 123
Der Weise weiß nichts 124
Anhang 126
Über die Autorin 127
1821_Furtmeier_Yoga_Rev.indb 4-5 16.07.18 15:31
6 7
Dr. Sharma über die AutorinKarin Furtmeier ist nicht nur ein guter Mensch und eine Yogalehrerin
des »klassischen Yoga«, sondern auch eine unerschöpfliche Quelle der
Inspiration sowie ein Vorbild für ihre Schüler. Ihr Unterricht basiert auf
ihrem tiefen Verständnis und ihren persönlichen Erfahrungen, die in
diesem Buch zum Ausdruck gebracht werden. Sie steht für Authentizität
und Bescheidenheit und ist ein Juwel der Menschheit. Ihr Unterricht ist
wie die Flut eines offenen Damms, denn sie verfügt über erstaunliches
Wissen. Sie ist ständig darauf bedacht, anderen Gutes zu tun und gibt
dabei stets ihr Bestes. Ich fühle mich gesegnet, mit ihr für die Arbeit
an der »Spirituellen Akademie« in Verbindung gebracht zu werden, die
von ihrem indischen Meister über das Himgiri-Institut für Humanität in
Indien initiiert wurde. Während ich mit ihr zusammenarbeitete, erkannte
ich, dass ihre Stärke in der Mühelosigkeit liegt, die man nur durch
persön liche konkrete Erfahrungen entwickeln kann. Dadurch ist es ihren
Schülern möglich, die klassischen Konzepte, Ideen und Praktiken des
Yoga leicht zu verstehen.
Yoga gilt als »Skill in Action« und Karin Furtmeier beweist diese Fähigkeit
in ihrem Handeln. Ich wünsche ihr viel Erfolg auf ihrem yogischen Pfad.
Dr. Sharma
Direktor des Kaivalyadham-Instituts in Lonavala, Indien
VorwortAls Yogalehrerin und Wegbegleiterin bekomme ich jeden Tag die Ent-
wicklung unserer Gesellschaft aufgezeigt. Jeder Zweite fühlt sich mit
dem eigenen Leben überfordert und steckte bereits in einer tiefen
Lebenskrise. Eine Studie der Krankenkassen besagt, dass die Anzahl der
psychischen Erkrankungen in den letzten zehn Jahren um achtzig Pro-
zent angestiegen ist. Nun könnten wir die Politik, die Wirtschaft oder die
Gesellschaft dafür verantwortlich machen. Dabei vergessen wir, wir sind
die Gesellschaft. Ein anderer Weg kann aber auch sein, selbst Verantwor-
tung zu übernehmen. Dies schließt natürlich nicht aus, dass bestimmte
Umstände Stimmungslagen beeinflussen können. Und genau darum
geht es in diesem Buch: zu verstehen, was Einfluss auf uns nimmt – im
Innen wie im Außen – und was wir tun können, um schneller und feiner
auf mögliche Dysbalancen zu reagieren. Die eigene Entdeckungsreise ist
der größte Schatz, den wir haben, um ein gesünderes und zufriedeneres
Leben führen zu können.
Zu erkennen, was uns von unserer wahren Natur trennt.
Zu erspüren, wonach unsere Seele schreit.
Und zu verändern, wodurch wir wieder zu uns kommen.
Einige meiner Yogaschüler stehen hier stellvertretend für Situationen,
die uns das Leben beschert. Mit Übungen, Anekdoten, Weisheiten und
Erkenntnissen nähern wir uns den zu bewältigenden Aufgaben an. Dieses
Buch versucht Impulse zu geben, die im alltäglichen Leben anwendbar
sind. Dennoch möchte ich hier auch anmerken, dass ein Buch keinen
Lehrer ersetzt. Aber vielleicht beginnst du durch dieses Buch eine Reise,
die deine Wahrnehmung verändert und dir das Tor zur Spiritualität öffnet.
Ich hoffe, dass du irgendwann sagen kannst: »Ich lebe mein Leben.«
Mit all meiner Liebe
Karin
Vorwort Dr. Sharma über die Autorin
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ErdungSich wieder spüren
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10 11
Den Boden unter uns wieder spüren
Der Kontakt mit der Erde hilft uns, unsere eigene Basis, unser Funda-
ment zu spüren. Geht das verloren, kann es uns Lebensenergie,
Halt und unsere eigene Zentriertheit entziehen. Wir fühlen
uns fahrig, unkonzentriert und sind oftmals nicht »Meister«
unseres Tuns. Auf körperlicher Ebene fühlen wir uns aus-
gelaugt und kraftlos, wir frösteln schnell und sind anfällig
für Erkältungen. Unsere Widerstandskraft ist herabgesetzt,
körperlich, emotional und seelisch. Nichts will gelingen,
alles geht schwerfällig, der Energiefluss ist unterbrochen.
Das Vertrauen in uns ist gestört, ebenso zu unseren Mit-
menschen. Dies zeigt sich oftmals im Außen, da wir plötzlich
zurückgezogen und unnahbar erscheinen. Unsere Strahlkraft ist
herabgesetzt, was sich auf unser Tun und Sein auswirkt.
Den Boden unter uns wieder spüren
So auch bei meiner langjährigen Yogaschülerin, die normalerweise nur
so strotzte vor Lebensenergie. Doch plötzlich wirkte sie unsicher und
konnte selbst die einfachsten Stehhaltungen nicht mehr ausführen.
Den Halt verlierenYoga-Schülerin und zweifache Mutter
Schon als sie frühmorgens das Frühstück für sich und ihre Kinder zube-
reitete, merkte sie, dass an diesem Tag etwas anders war. Sie konnte
sich nur schwer konzentrieren, wusste nicht, ob sie die Butter bereits
aus dem Kühlschrank geholt hatte, die Schranktüren fielen ihr lauter zu
als sonst und die Milch hatte sie auch verschüttet. Sie hatte das Gefühl,
als laufe sie auf Watte, als bewege sie sich wie in Trance. In ihrem Kopf
kreisten unzählige Gedanken. Ihre Füße waren kalt und der Kopf wirkte
wie überhitzt. Selbst einfache, routinemäßige Tätigkeiten gingen ihr
nicht leicht von der Hand.
Aber es half ja nichts, sie musste sich fertig machen, ihre jüngste Toch-
ter zur Schule bringen und danach gleich in die Agentur fahren. Heute
stand ihr schließlich ein sehr wichtiger Termin bevor, der entscheidend
dafür war, einen Großkunden für eine längere Zeit an die Agentur
zu binden. Also versuchte sie, sich so gut wie möglich zu sammeln,
beschloss aber, später nach der Arbeit nochmal genauer über diesen
Zustand nachzudenken:
Spüren wir den Boden unter unseren Füßen nicht mehr, stellen wir
vieles in Frage, was sonst eigentlich kein Thema ist. Dies zu erkennen
und für den Moment einfach anzunehmen, ist der erste Schritt, um die
Situation anzugehen.
Folgende Anregungen und Übungen wirken außerdem unterstützend,
um den haltlosen Zustand zu bereinigen und nachhaltig zu verändern:
Erdung – sich wieder spüren
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12 13
Den Boden unter uns wieder spüren
Ansteigendes Fußbad mit RosmarinFußbäder wirken sich unterschiedlich auf Körper und Geist aus, je nach-
dem wie die Temperatur des Wassers gewählt und welche Essenz dem
Fußbad beigemischt wird. So kann das Bad entspannend, wärmend,
erfrischend, kühlend, aber in jedem Fall wohltuend sein. Richtig ange-
wendet, wird der ganze Organismus bis hin zu den inneren Organen
angesprochen. Der Kreislauf und das Nervensystem werden stimuliert,
ebenso das Immunsystem und der Stoffwechsel.
Mit dem ansteigenden Rosmarin-Fußbad wollen wir die Durchblutung
fördern und dadurch Wärme in den Körper und den Geist zurück-
bringen. Die Stärkung des Kreislaufs gibt uns unsere eigene Festigkeit
wieder zurück.
Vorbereitung und Anwendung: Finde einen hitzebeständigen Behäl-
ter, in dem beide Füße gut Platz haben. Stelle einen Krug für den vorher
anzusetzenden Sud (siehe unten) bereit. Außerdem benötigst du noch
eine Decke, zwei Handtücher und einen Stuhl. Vielleicht hast du sogar
ein Wasserthermometer, um die Temperatur zu messen. Wenn du
möchtest, gestalte dir den Raum für das Fußbad gemütlich und ein-
ladend. Lüfte noch einmal kurz durch, zünde eine Kerze an und viel-
leicht ist dir sogar nach beruhigender Meditationsmusik.
Ansetzen des Rosmarin-Suds: 1–2 Esslöffel der Rosmarinnadeln
und -blüten mit ¼ Liter kochendem Wasser übergießen. Den Sud dann
20 Minuten ziehen lassen und anschließend in den bereitgestellten
Krug gießen. Noch einige Minuten abkühlen lassen und nun kannst
du 36–38 Grad warmes Wasser in deinen Fußbad-Behälter einfließen
lassen. Zusätzlich kochst du das Wasser für das ansteigende Fußbad und
füllst es in einen Krug.
Hast du alles vorbereitet? Dann geht es nun los.
Stelle deine Füße in das angenehm warme Wasser.
Langsam gießt du den Rosmarin-Sud dazu. Verteile ihn noch ein wenig
mit deinen Händen oder Füßen und schon nimmst du den angeneh-
men Geruch dieses heilbringenden Sonnengewächses wahr.
Lege dir deine Decke über die Schultern und
deinen Oberkörper und gegebenenfalls ein
Handtuch auf deine Oberschenkel. Schließe
die Augen, lehne dich zurück und genieße
die Wärme, die sich langsam über deine
Füße, entlang der Beine bis hin zum
Oberkörper ausbreitet. Genieße, nimm
wahr und lasse dich fallen.
Langsam steigerst du die Temperatur
mit deinem vorbereiteten Wasser. Es
sollte 42 Grad jedoch nicht überschrei-
ten. Etappenweise führst du das Wasser
zu, so dass das Fußbad schrittweise wärmer
wird.
Das Bad kann 20–25 Minuten dauern. Je nach-
dem wie es sich für dich gut anfühlt. Danach trocknest
du deine Füße ab und wickelst sie in zwei Handtücher ein.
Spüre noch einmal nach.
Dieses kräftefördernde Rosmarin-Fußbad kannst du immer anwenden,
wenn dir kalt ist, du dich ausgelaugt oder nicht geerdet fühlst. Es steigert
die Lebensenergie und gibt dir deine Vitalität zurück.
Erdung – sich wieder spüren
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Den Boden unter uns wieder spüren
Wohltuende FußmassageZudem kannst du deine Füße immer mal wieder mit einer sanften
Massage beglücken. Unsere Füße tragen uns tagein, tagaus überall hin
und so selten schenken wir ihnen wirklich Aufmerksamkeit. Vielleicht
möchtest du das nun ändern und morgens und abends oder je nach
Belieben deinen Füßen mit einem durchblutungsfördernden Rosmarinöl
eine ausführliche Massage geben. Dabei solltest du alle Zehen, die
Zehenballen und auch die gesamte Fußsohle und ebenso das Fuß-
gewölbe mit einbeziehen. Nimm dir genügend Zeit, um deinen Füßen
die notwendige Zuwendung zu geben. Besonders in der kalten Jahres-
zeit ist diese Massage zu empfehlen.
Rosmarin-Massageöl selbst gemachtGib etwa 20 Tropfen ätherisches Rosmarinöl in 100 ml Basisöl
(z. B. Sesam-, Jojoba- oder Mandelöl). Sanft vermengen. Fertig.
Hinweis: Da die Behandlung mit Rosmarin anregend wirkt, sollte man
das Öl nicht direkt vor dem Schlafengehen anwenden.
Erdung – sich wieder spüren
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Natur, Quelle der ureigenen Kraft
Natur, Quelle der ureigenen KraftIn unserem alltäglichen Hamsterrad vergessen wir leider viel zu oft,
was uns eigentlich guttut. In unserer Freizeit sind wir von einer
anstrengenden Arbeitswoche entweder so ausgepowert, dass
wir kaum Energie für bewusstes Innehalten und Entspannen
übrig haben, oder wir neigen zum anderen Extrem und fül-
len unsere freie Zeit auch noch mit viel zu vielen Terminen,
die uns selten wirklich zur Ruhe kommen lassen. Doch tief
im Inneren wissen wir, dass das eigentliche Abschalten oder
Auftanken nötig ist, um gestärkt durchs Leben zu gehen.
Warum nur finden wir immerzu Ausreden, die uns davon
abhalten, wirklich heilsame Zeit mit uns selbst zu verbringen?
Doch darüber werden wir noch zu einem späteren Zeitpunkt
nachdenken.
Fantasiereisezu deiner eigenen NaturNun machen wir einen kleinen imaginären Ausflug.
Das Wichtigste für diese Fantasiereise ist, dass du dir dafür viel Zeit
nimmst.
Begib dich auf eine Reise in die Natur. Zu deiner eigenen Natur.
Der Weg führt dich über einen Feldweg zu deinem Lieblingswald.
Sobald du in deinen Wald eintauchst, verringere die Geschwindigkeit
deiner Schritte. Du wirst immer langsamer, was dir die Möglichkeit
eröffnet, Dinge wahrzunehmen, die sonst nur an dir vorbeiziehen.
Du blickst dich um und bist vollkommen ergriffen von der Fülle der
Natur. Du siehst genauer hin und nimmst ein Eichhörnchen wahr,
wie es leichtfüßig an einem Baumstamm
hochklettert. Im zarten Sonnenlicht
siehst du den Tanz der Bienen. Und aus
der Ferne empfängst du den fröhlichen
Gesang einer Vogelschar. All diese Ein-
drücke versuchst du nun ganz bewusst in
dich aufzunehmen. Du bleibst stehen und
schließt deine Augen. Deine Wahrneh-
mung wird immer stärker. Deine Sinne
verfeinern sich und ein satter Moosgeruch
steigt dir in die Nase. Das zaubert dir ein
Lächeln ins Gesicht. Unglaublich, welch
Schönheit du aufnehmen kannst, rein
durch das Innehalten, durch das bewusste
Sein. Du atmest einige Male tief durch.
Das fühlt sich so befreiend an. Wenn du
möchtest, verweile hier einige Momente
lang.
Erdung – sich wieder spüren
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Natur, Quelle der ureigenen Kraft
Der Baum, Energ ie des LebensNachdem du dich aus dem Zauber ein wenig gelöst hast, blicke dich um
und suche dir einen Baum. Einen Baum, der dich anspricht und dir die
Möglichkeit gibt, ganz nahe hinzugehen. Vielleicht möchtest du sogar
deine Schuhe und Strümpfe ausziehen, um die Verbindung mit der Erde
noch deutlicher spüren zu können.
Langsamen Schrittes näherst du dich deinem Baum. Du blickst nach
oben, wo seine Krone kraftvoll in die Höhe ragt. Deine Hand berührt
den mächtigen Stamm und du schließt sanft die Augen. Du gibst dich
vollkommen dem Erleben des Momentes hin. Du nimmst die unglaub-
liche Kraft des Baumes wahr und vielleicht spürst du sogar einen Strom
der Energie durch ihn hindurchfließen und wie sie sich langsam auf dich
überträgt. Nun seid ihr verbunden. Feine Ströme durchziehen deinen
Körper, deinen Geist. Und auf einmal bist du eins mit der Natur und
spürst eine tiefe Verwurzelung. Am Anfang bist du noch leicht verwirrt,
sind es die Wurzeln des Baumes oder deine eigenen? Du verabschie-
dest dich gedanklich von dieser Frage. Es ist kein Unterschied. Du emp-
findest dein tiefes Fundament und eine enorme Festigkeit. Nichts kann
dich umwerfen und nichts kann dich aus dieser Verankerung lösen.
Mehr und mehr spürst du, wie eine unsagbare Kraft in dir von unten
nach oben aufsteigt. Und du richtest dich innerlich immer mehr auf.
Du hast das Gefühl, dich ausdehnen zu wollen. Grenzen werden auf-
gehoben und du, deine Energie, dein Bewusstsein fließen in die Weite
der Natur.
Du und die Natur, ihr seid eins.
Du bist die Natur.
Erdung – sich wieder spüren
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Natur, Quelle der ureigenen Kraft
Sich der Mutter Erde hingebenFalls du dich noch in deinem Wald befindest, löse dich allmählich von
deinem Baum und mache dich wieder mit der Natur um dich herum
vertraut. Du entfernst dich ein wenig von deinem Baum.
Nun suchst du dir einen Platz, an dem du eine Decke ausbreiten kannst.
Wenn du dich ohne Decke auf den frischen, weichen, vielleicht sogar
moosigen Waldboden legen möchtest, könntest du die Verbindung mit
der Erde eventuell noch intensiver wahrnehmen. Wähle du, wie es sich
für dich angenehm und entspannt anfühlt.
Nun setze dich auf deinen Platz, atme tief ein und lege dich mit der
Ausatmung nach unten auf den Rücken ab. Deine Füße fallen entspannt
nach außen, deine Arme positionierst du auf dem Boden neben deinem
Körper. Wenn du möchtest, drehe deine Handflächen nach oben.
Versuche nun, deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem zu lenken.
Mit jeder Einatmung kommst du mehr und mehr in diesem Wald an.
Mit jeder Ausatmung sinkst du mehr und mehr in den Boden.
Versuche Körper und Gedanken loszulassen.
Falls Gedanken aufkommen, dann hänge sie an eine imaginäre vorbei-
ziehende Wolke. Diese trägt all deine Gedanken fort.
Dann bringe deine Konzentration wieder auf deinen Atem zurück.
Ein – du bringst dich bewusst in diesen Moment.
Aus – du lässt dich in die Erde sinken.
Nun musst du nichts mehr festhalten, lässt alles los und sinkst tiefer und
tiefer.
Und voller Vertrauen gibst du dich Mutter Erde hin, hingebungsvoll und
demütig.
Mutter Erde trägt dich, fängt dich auf, bietet dir Schutz und Geborgenheit.
Durch das Loslassen fühlst du allmählich eine Leichtigkeit und innere
Freiheit in dir aufsteigen.
Du sinkst, vertraust und fliegst.
Wer stabil steht, kann wachsen Samasthiti, das achtsame Stehen
Stelle dich mit leicht geöffneten Beinen barfuß auf den Boden. Setze
die Füße nochmal ganz bewusst auf. Hebe das rechte Bein leicht an und
setze den rechten Fuß von der Außenkante nach innen rollend flach auf.
Das Gleiche machst du mit dem linken Fuß. Dann hebe die Zehen
vorne an, spreize sie und setze sie langsam wieder auf. Du spürst nun
die Auflagefläche deiner Füße, Zehen, Zehenballen und Fersen.
Stehe aufrecht, ohne zu viel anzuspannen. Dein Brustkorb zieht leicht
nach vorne und oben. Falls du zum Hohlkreuz tendierst, ziehe ganz leicht
das Schambein nach oben, so dass der untere Rücken gerade ist.
Ziehe die Schultern nach oben und ausatmend lässt du diese ent-
spannt fallen, ohne dass dein Oberkörper wieder zusammensinkt. Deine
Arme sind seitlich, die Handflächen schauen nach innen, die Finger
sind leicht gespreizt, ohne zu verkrampfen. Dein Kopf ist gerade, so
dass du keinen Druck im Nackenwirbelbereich verspürst.
Nun kannst du gedanklich nochmal durch deinen Körper
gehen, ihn von deinen Füßen bis hin zum Kopf wahrnehmen. Die
Atmung kann dir dabei helfen. Beginne mit einer tiefen Einatmung,
die du bildlich aus der Erde aufsteigen lässt und langsam nach
oben führst. Die Ausatmung hilft dir, dich tief zu verwurzeln.
Samasthiti ist die Basis für viele Asanas. Hier üben wir das
bewusste Stehen und die Wahrnehmung des Körpers über die
Füße. Der Oberkörper ist gerade und in dieser aufrechten Haltung
fühlen wir unsere eigene starke Präsenz. Das Atmen kann tiefer
erfolgen, da wir dem Brustkorb und uns selbst genügend Raum
zur Entfaltung geben.
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Der Atem – bewusst sein
sche ausdrückt. Im yogischen Kontext ist
der Atem von immanenter Wichtigkeit.
Auch in unserem Alltag können wir
unseren Atem beobachten und dadurch
unseren Geisteszustand erkennen. Ist
unser Atem tief und gleichmäßig, so füh-
len wir uns entspannt und ausgeglichen.
Ist er jedoch flach und schnell, befinden
wir uns wohl eher in einem gestressten
Zustand. Und genau diese Erfahrung
hat vor Kurzem meine Yogaschülerin
gemacht.
Was passiert mit mir?Und plötzlich schreckte sie mitten in
der Nacht auf. Sie hatte Atemnot und
binnen kürzester Zeit stieg Panik in ihr
auf. Was war das? Sie konnte nicht
richtig atmen, ihr schnürte es die Kehle zu. Ihr Brustkorb fühlte sich an,
als ob eine schwere, bleierne Platte auf ihm liegen würde. Irgendwie
musste sie aus diesem Zustand heraus, schnell. Ihr wurde schwindelig.
Nein, bitte jetzt nicht ohnmächtig werden. »Reiß dich zusammen«, sagte
sie zu sich selbst und versuchte, sich zu sammeln. Und dieser kurze
klare Moment half ihr, sich daran zu erinnern, was sie in einem meiner
Yogaworkshops gelernt hat. Sie setzte sich im Bett auf, weil sie dadurch
das Gefühl hatte, sich besser kontrollieren zu können. Noch immer war
ihr Atem unregel mäßig und flach.
Einen ganzen Tag widmete ich dem Thema der Atmung und besonde-
ren Atemübungen. Meine Yogaschülerin hatte so einige Anstöße bekom-
men, simple Übungen in den Alltag zu integrieren. Eine dieser Übungen
ist eine einfache und dennoch extrem wirksame Atemübung.
Wie war das gleich nochmal?
Atmen, zählen, atmen, zählen.
Der Atem – bewusst seinHast du dir schon mal bewusst gemacht, dass es der Atem ist, der dir
dein Leben schenkt? Diese Frage mag banal klingen, aber den-
noch widmen wir unserem Atem zu wenig Aufmerksamkeit.
Wir atmen pro Tag etwa 20 000 Mal ein und aus. 20 000
Augenblicke, in denen uns das Leben geschenkt wird.
Schon die alten Griechen waren sich der tiefen Bedeutung
des Atems bewusst. So stand der Begriff »Pneuma« oder
»Odem« sowohl für den Atem als auch für den Geist oder
die Seele. Folgt man dem Begriff weiter, so kommt man
zur »Atemseele«, was wiederum der Bedeutung von atman,
die Seele, entspricht. Die Bezeichnung Atemseele oder auch
Hauchseele entstand in den Hochkulturen durch die Vorstellung,
dass der Atem die Lebenskraft beheimatet und zugleich das Seeli-
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Der Atem – bewusst sein
Dich beobachten und spüren Einfache Atemübung zur EntspannungDiese Atemübung kannst du immer wieder, zu jeder Zeit, an jedem Ort
ausführen. Und sei es nur für eine bis zwei Minuten. Du wirst sehen,
wie hilfreich diese Achtsamkeitsübung ist und wie sich dabei störende
Gedanken und Zustände auflösen können.
Versuche eine bequeme Sitzhaltung einzunehmen. Gerne kannst
du es dir auf dem Sofa oder Bett gemütlich machen. Achte bitte darauf,
dass du bei aller Gemütlichkeit trotzdem einigermaßen aufrecht sitzt.
Vielleicht magst du dir ein Kissen unter den Rücken schieben. Falls du
auf einem Stuhl oder Hocker sitzt, wäre es gut, wenn deine Füße den
Boden berühren. Das hilft dir, dich zusätzlich zu erden.
Die Umgebungsgeräusche sollten so reduziert wie möglich sein.
Schalte gegebenenfalls Radio oder Fernseher aus. Wenn viel Tumult im
Haus ist, dann suche dir einen etwas ruhigeren Platz, damit du durch die
Geräusche im Außen nicht abgelenkt wirst.
Wenn du gut sitzt, schließe sanft deine Augen. Ist dir das unange-
nehm, dann lasse sie geöffnet und suche dir einen Konzentrationspunkt
vor dir auf Augenhöhe.
Lege nun deine rechte Hand auf den Bauch und erspüre die Be-
wegung deines Bauchraumes. Mit der Einatmung tritt der Bauch leicht
nach außen und mit der Ausatmung zieht er sich beinahe passiv wieder
zurück. Lass das geschehen und nimm es einfach wahr.
Einatmen – dein Bauch bewegt sich nach vorne.
Ausatmen – dein Bauch zieht sich leicht zurück.
Vielleicht kannst du diese Bewegung auch an deiner Handinnenfläche
wahrnehmen. Steuere nicht dagegen, lasse es einfach nur geschehen.
Wenn du mit der Zeit ein Gefühl für die Bewegungen gewonnen
hast, kannst du beginnen, deinen Atem zu führen. Zähle langsam mit
der Einatmung mit. Für den Anfang mit drei Zählzeiten, also etwa drei
Sekunden lang.
Eins, zwei, drei. Dann folgt eine kurze, natürliche Atempause und du
atmest aus und zählst wieder. Ein, zwei, drei.
Auch nach der Ausatmung findet wieder eine kurze Atempause statt.
Noch immer liegt deine Hand auf dem Bauch. Du spürst die Expansion
beim Einatmen und zugleich zählst du. Du spürst den Rückzug deines
Bauches bei der Ausatmung, während du gedanklich zählst.
Vielleicht kannst du mit der Zeit die Zähleinheiten ein bisschen
verlängern, auf vier oder gar auf sechs. Aber sei nicht zu ambitioniert.
Diese einfache Atemübung sollte dich entspannen und nicht unter
Druck setzen, irgendetwas erreichen zu wollen. Und selbst wenn du
die ersten Wochen »nur« bis drei zählst, du aber dadurch ruhiger wirst,
kannst du mit dir sehr zufrieden sein. Denn das ist es, was wir
wollen, die Gedanken und somit uns selbst beruhigen.
Alternative: Natürlich kannst du diese Atemübung
auch im Liegen oder Stehen ausführen.
Beim Liegen kann es angenehm sein, ein Kissen
oder eine Decke unter die Knie zu schieben und
die Füße entspannt nach außen fallen zu lassen.
Beim Stehen ist es hilfreich, die Beine in etwa
hüftbreit zu öffnen.
So hast du eine größere Stabilität.
Erdung – sich wieder spüren
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